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- 13.05.2024, 16:10
- ☀️ 19 °C
- Höhe über NN: 7 m
- ChinaShandong ShengHaibocunZhong Gang36°5’6” N 120°18’40” E
Querbeet durch China
13. Mai in China ⋅ ☀️ 19 °C
Wir haben China hauptsächlich als Land gewählt, weil es einfach und recht schnell mit dem Zug zu durchqueren ist. Es ist beeindruckend, welche Investitionen die Regierung in den vergangenen Jahrzehnten in die Infrastruktur gesteckt haben muss, wenn wir uns das Schienen- und Straßennetz anschauen. Auch in anderen Dingen hat sich das Land komplett umgestellt (ob immer erstrebenswert, sei mal dahingestellt). Wir zahlen noch gern mit Bargeld, weil wir kostenlos Geld abheben können. Damit sind wir die Ewiggestrigen. Alle zahlen mit dem Smartphone. Überall, auch am Mangostand auf Rädern, hängen QR Codes zum abscannen. Gläserne Menschen bei jedem Einkauf.
Wir steigen in Xining nur am Bahnhof um. Kurz haben wir die riesige Bahnhofshalle zwecks Essenssuche verlassen, um uns erst mal in einem labyrinthartigen Parkhaus eine halbe Stunde zu verlaufen (wie die Doofen tappen wir rum, weil mal wieder nix auf der Online-Karte stimmt). Wieder am Tageslicht, sehen wir die Vielfalt der Ethnien hier. Buddhistische Mönche und Nonnen kommen vom naheliegenden Kloster zum Shoppen in die Stadt. Auch traditionell gekleidete Tibeter:innen machen genauso ihre Erledigungen hier wie muslimische Frauen mit Hijab.
Wir kaufen zweckmäßiges Essen für 29 Stunden Zugfahrt, mit der wir an der Ostküste in Qindao ankommen werden. China ist ein Thermoskannenland. Überall, auch in den Zügen, gibt es heißes Wasser, um Tee oder Instant-Nudelsuppe zu kochen. Jemand hat mir erzählt, dass manche Leute hier denken, dass kaltes Wasser sie krank macht – stimmt sicher auch, denn aus dem Wasserhahn sollte man hier nicht direkt trinken.
Um kurz vor 23 Uhr fährt der Zug pünktlich ab – und bleibt es auch. Wir liegen im Sechserabteil ganz unten auf den Pritschen. Bis zum ersten Halt um 1:15h in Langzhou, sind wir allein und machen schon mal die Augen zu. Dann füllt sich das Abteil schlagartig. Koffer werden unter unsere Liegen gequetscht und ein Mann setzt sich dazu auf mein Bettchen, was mir gar nicht gefällt. Dann verschwinden alle ihren höher gelegenen Kojen und der Zug schaukelt und rumpelt alle in so was wie Schlaf. Dumpf höre ich von der obersten Etage ein ziemlich unangenehmes Schnarchen – gut, dass der Zug so laut ist, sonst müsste ich ausrasten. Ich brauche dringend eine Form der Meditation, die mich Frieden schließen lässt mit diesen Geräuschen
Die Nacht geht vorbei. Erholsam ist anders. Dann muss ich zur Toilette. Eine Edelstahl-Stehschale mit einem mini Loch erwartet mich. Dazu eine Reinigungsbürste und eine Würstchenzange. Nach kurzem Grübeln, geht mir ein Licht auf. Die ist wohl dazu gedacht, die Hinterlassenschaft durch den kleinsten Abfluss der Welt zu manövrieren, weil die Schwerkraft das alleine nicht schafft, je nach Konsistenz. Die Verfärbungen am Zangenende bestätigen meine Vermutung. Mein Körper reagiert angemessen: alles was nicht ganz dringend raus muss, bleibt drin.
Ich bin irritiert, denn bisher waren wir anderes von diesem Land gewohnt. Moderner, neuer, sauberer. Komisch, wenn mich jemand vor der Einreise nach meinen Erwartungen gefragt hätte, hätte ich aber genau solche Züge erwartet.
Wir berufen beim Nudelsuppenfrühstück mit Kaffee eine Krisensitzung ein. Eine weitere Nacht stünde uns in diesen Räumlichkeiten bevor. Gott sei Dank funktioniert gerade das Internet reibungslos. Das war ansonsten hier wirklich nervig. Wir haben uns VPN Apps aufs Handy geladen, damit wir die Firewall umgehen und wir unsere Apps wie gewohnt nutzen können. Unsere VPN funktioniert leider nur die Hälfte der Zeit. Wir merken, wie sehr wir mittlerweile auf die praktischen Infos im Internet angewiesen sind. Unseren Travel-Flow müssen wir hier ja eh etwas umstellen – ich weiß rückblickend gar nicht, wie wir das vor zehn Jahren in Taiwan ganz ohne Übersetzungs-App überhaupt geschafft haben – ging scheinbar auch.
Wir checken, ob noch ein Viererabteil frei ist, aber Fehlanzeige. Dann recherchieren wir, wo der Zug noch überall hält und suchen nach Umsteigeverbindungen mit den schönen und erschwinglichen Schnellzügen. Yes! Wir werden in einigen Stunden den Würstchenzangen-Express verlassen und diesen mit einem Sprinter einholen, um sogar noch vorzeitig in Qindao anzukommen. Man wird doch älter und komfortbedürftiger – naja das nötige Kleingeld zu haben, macht es eben auch leichter. Warum wir nicht von Anfang an ein schöneres Viererabteil gebucht haben, lässt sich auf den Reisemodus zurückführen. Es ist kein Urlaub, wo man sich mal so richtig was gönnt, sondern wir wollen unser Geld wohl bedacht einsetzen (und nicht am Essen sparen).
In Qindao ziehe ich noch meinen Fahrradhelm vor dem sympathischen Hostelbesitzer. Er hat als erster Chinese sein Land zu Fuß umrundet. Hat nur fünf Jahre gedauert. Mit dem Fahrrad ohne Gangschaltung ist er auch bis Tibet geradelt (er musste oft schieben). Im Hostel
treffen wir einen jungen Dänen, der Chinesisch spricht, dem wir noch allerlei Fragen stellen können, um einiges hier besser zu verstehen. Wir haben einen schönen letzten Abend. Wheat, der Hostelbesitzer, schenkt uns ein von der Familie gekochtes Abendessen im Innenhof der Unterkunft. Das bekommen nur Radfahrer:innen, die hier übernachten. Wir sind mal wieder unendlich dankbar, was das Leben so für uns bereit hält. So sitzen wir mit bunt gemischten Menschen, mit Live-Musik von der Bambusflöte am kleinen Lagerfeuer – ich schätze mal, es ist das einzige in der Sechsmillionenstadt.
Abschließend noch eine kleine Bilderschau zu dem Land, das uns in nur zwei Wochen um so viele Erfahrungen reicher gemacht hat. Die Zeit hat sich sehr intensiv angefühlt. Wir haben uns geärgert, viel gelacht, waren irritiert, angeekelt, überrascht und haben ganz viele Vorurteile abbauen können (und mache bestätigt).
Südkorea wird sicher ganz anders sein? Oder?Weiterlesen
Reisender Was wissen wir eigentlich von China - eigentlich nichts. Von Eurem Reisebericht und den Fotos dazu war ich gerade so fasziniert, dass ich doch glatt meinen Bus verpasst habe 😂 Aber, dass war es auf jeden Fall wert 😉
Reisender 😂 ja...wir wissen so vieles nicht. Ich dachte, ich wüsste wie es wäre und es ist ganz anders...
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