Zu Fuß von Hamburg nach Santiago. Okumaya devam et Rostock, Deutschland
  • Gün 26

    Umweg

    16 Mayıs 2019, Fransa ⋅ 17 °C

    T5, Tag 26, WT 21:
    Sadirac (Bordeaux) – Canéjean, 31,2 km, H310, A320, reine Gehzeit 6:09, Donnerstag, 16.5.2019

    Der Abschied von Hollywood fiel uns schwer. Nach vier Nächten an einem Ort, bei den Künstlern, fühlten wir uns schon wie zu Hause.
    Kein Wunder, waren wir doch bereits fast vier Wochen auf Wanderschaft und sind sechshundert Kilometer gelatscht, wir konnten es selbst kaum glauben. Das „normale“ Denken mit Alltag und Auto hatte in uns mittlerweile nahezu aufgehört zu existieren.

    Das neue Denken wurde geprägt von „Wie lange gehen wir heute?“ oder „Wo schlafen wir heute Abend?“ oder „Wo essen wir heute Abend?“, oder „Wie wird das Wetter morgen?“ oder „Wer holt die Koffer morgen ab?“ oder „Kannst Du heute weiterwandern?“. Das waren die für uns relevanten Themen, sonst nichts mehr.
    Wir waren so weit weg von der „zivilisierten“ Welt wie der Mond von der Erde, ein absolut geniales Gefühl. Es war eine Parallelwelt in der wir uns mittlerweile befanden. Zumindest ein Mal im Leben sollte man die erleben.

    Andererseits waren wir aber auch neugierig auf das, was hinter den zweihundertfünfzigtausend Einwohnern von Bordeaux kommt. Das Land wird dort flacher, das Wandern vielleicht weniger anstrengend.
    Bis „Mimizan“, der Ort bei dem wir zum ersten Mal den Atlantik begrüßen würden, waren es nur noch einhundertdreissig Kilometer oder, inklusive der heutigen- nur noch fünf Tagesetappen.

    Und dann war da noch Rahul, mein Geschäftspartner aus Singapur der unser Projekt von Anfang an spannend fand und verfolgte. Dieses Jahr wollte er endlich auch dabei sein, zumindest auf dem letzten Teil unseres diesjährigen Wanderabschnittes nach Santiago. Übermorgen, in „Le Barp“, werden wir ihn treffen und dann die restlichen zweihundertvierzig Kilometer von Le Barp nach San Sebastian gemeinsam wandern, wir sind gespannt, wie das funktioniert.

    Hollywood, unser Startpunkt, liegt zwar nahe an Bordeaux, ist aber südlich-östlich davon. Wir müssen die Stadt jedoch im Südwesten verlassen und uns hinter Bordeaux in Richtung „Canéjean“ orientieren, insofern müssen wir über den Fluss.
    Was ich bei meiner Planung leider nicht bedacht habe, sind die wenigen Brücken die über die „La Garonne“ führen, um auf die andere Flussseite zu kommen. Auf für uns günstig gelegene Brücken habe ich Depp nicht geachtet.
    Meine Fehlplanung beschert uns für den heutigen Tag einen Umweg von rund siebzehn Kilometer, weil die nächstgelegene, für uns in Frage kommende Brücke, deutlich nördlicher liegt, wie ärgerlich. Wir gehen also einen riesigen Umweg-Bogen, so ein Mist. Nur gut, dass Marion das noch nicht so richtig realisiert hat.

    Die kleine Straße, weg von Sadirac, in Richtung La Garonne, war sehr abwechslungsreich, es gab viel zu glotzen, ganz so einsam war es hier nicht mehr, im Speckgürtel von Bordeaux. Schöne Natur und gut versteckte Häuser gaben sich die Hand. Das Wetter war zwar durchwachsen aber immer noch schön, mit viel Blau zwischen den Wolken, die sich jedoch alle Optionen offenhielten.

    Nach gut sechs Kilometer begegnete uns eine urtümliche Moorlandschaft, eine willkommene Abwechslung, mal ganz was Anderes. Besonders lange währte das visuelle Vergnügen aber leider nicht.

    Mit dem elften Kilometer standen wir am Ufer der La Garone das leider eingedeicht war. Nur ab- und zu gab der niedrige Deich einen Blick auf den Fluss und Bordeaux, auf der anderen Flussseite frei, es sei denn man unternahm die "Anstrengung" auf die nur wenige Meter hohe Deichkrone zu steigen.
    Genervt von siebzehn Kilometer Umweg war das für uns jedoch keine Option.

    Spannend waren die Gebilde jenseits der Deichkrone, direkt am Ufer. Es waren auf Stelzen gebaute Holzhütten an deren Flussseite seltsame Holzkonstruktionen mit Fischernetzen zu sehen waren. Hier wurde gefischt, früher jedenfalls, denn die meisten der Hütten waren kurz vor dem Verfall. Entweder hatte der Staat etwas dagegen, oder die Fische ließen sich hier nicht mehr blicken, was ich verstehen könnte.

    Je näher wir der sehnsüchtig erwarteten Brücke und damit der Stadt kamen, umso nerviger wurde die kleine Uferstraße die allmählich zum lauten Verkehrsmonster in einem Gewerbe- und Industriegebiet montierte.
    Die Brücke sahen wir schon länger am Horizont und realisierten, dass es eigentlich zwei Brücken waren, eine Eisenbahn- und eine Autobahnbrücke.
    Beklemmung kroch langsam in uns hoch denn Fußgänger- und Fahrradwege gibt es eigentlich in Frankreich kaum. Wie also sollten wir auf der Autobahn über den Fluss kommen? Wir konnten uns im Leben nicht vorstellen, dass beim Bau der Brücke an Fußgänger gedacht wurde.
    Diese Brücke bescherte uns bereits siebzehn Kilometer Umweg. Wenn wir hier nicht rüberkämen, dann wären uns mit Sicherheit noch einmal zehn zusätzliche Kilometer Umwege bis zur nächsten Brücke sicher.

    Als wir aber unter der Brücke standen, oben röhrte die Autobahn, erkannten wir den Weg für das Fußvolk, direkt neben der Autobahn. Alle bösen Gedanken lösten sich in Luft auf, gerettet, es blieb bei siebzehn Kilometern.

    Wir durchquerten Bordeaux, diesmal den südlichen Teil der Stadt, nicht touristisch, nicht pompös, nicht mehr so schön, dafür laut.
    Das nächstbeste, geöffnete Restaurant der Stadt war nach gut einundzwanzig Kilometer die vielversprechendste Wahl für unsere erste Rast. Eigentlich war es mehr eine Kaschemme in der Blaumänner ein günstiges- und hochwertiges drei Gänge Mittagsmenü ergatterten. Draußen gab es einige Blechtische an einer kleinen Seitenstraße mit weniger Verkehrslärm, hier taten wir es den Blaumännern gleich.

    Gut gestärkt für wenig Geld streiften wir durch die südöstlichen Stadtteile. Kein Klemmer mehr, alte ein- bis zweigeschoßige Häuserreihen, graue Fassaden ohne Lücken und nah an die Straßen gebaut, meist etwas heruntergekommen, vermutlich Arbeiterviertel, Bordeaux einmal ganz anders.
    Man merkte aber an vereinzelten Neubauten zwischen den Häuserzeilen für die die alten Häuser weichen mussten, dass dieser Stadtteil im Umbruch war.

    Nach sechsundzwanzig Kilometern und längst außerhalb der Stadt, kamen wir an einen Park mit einem schönen Schloss, alles öffentlich, ein idealer Platz für unsere zweite Rast, diesmal in der Wiese, nicht jedoch ohne zuvor eine gründliche Rasenrazzia nach Hundehäufchen gemacht zu haben.

    Wir folgten dem schönen Uferweg entlang der „L'Eau Bourde“, einem Nebenfluss der uns schon bekannten La Garone. Der Weg mündete auf der anderen Flussseite in ein weitläufiges- parkähnliches Areal mit verschiedenen Tiergehen und Streichelzoos, alles interessante Dinge für das Wanderer Auge, ein Nichtwanderer wird das kaum verstehen.

    Nach gut achtundzwanzig Kilometern beeindruckte ein uraltes- und imposantes Gebäude mit dem „Pilger aus Compostella“ davor, eine überdimensionale Broncestatue.
    Es war das „Relais Jacquaire de Cayac“ am Rand des „Parc du Prieuré de Cayac“. Das nicht zu übersehende Muschel-Symbol des Jakobsweges an der Hauswand erweckte zusätzlich unser Interesse. Wieder einmal kreuzen wir zufällig einen Jakobsweg.

    Die Geschichte des Priorats ist untrennbar mit der Wallfahrt nach Santiago verbunden, da der Ort „Cayac“ direkt an der „Via Turonensis“ liegt, eine alte Römerstraße und heute der Jakobsweg von Paris nach Santiago.

    Ein Teil der alten Priorei ist heute eine Pilgerherberge in der ein ausgewiesener solcher für eine Nacht bleiben darf.
    Allein die Vorstellung hier eine Nacht im Schlafsaal zu verbringen, lässt mich erschaudern. Nicht dass es nicht sauber gewesen wäre, nein, es sind die nächtliche Geräusche und Ausdunstungen die ich nicht unbedingt erleiden möchte.

    Die wir folgten für die letzten zweieinhalb Kilometer den Bundesstraßen „Course du Général de Gaulle“ und danach der „D1010“, „Avenue De La Libération“, in Richtung „Le Barp“, unserem morgigen Ziel.
    Entlang der Bundesstraßen war die Gegend flach, die Einfamilienhäuser gesichtslos und der Himmel bedeckt, eine fast morbide Stimmung hatte sich am Ende unserer Wanderung unbemerkt eingeschlichen.

    Nach gut einunddreißig Kilometern standen wir erschöpft vor dem Eingang unserer heutigen Unterkunft, dem „Le Jardin de Manon et Lola“. Eigentlich mehr ein Einfamilienhaus mit einer kleinen Ferienwohnung und einem wunderschönen- und gemütlichen Garten. Alles sah ein wenig selbstgebastelt aus, war aber dennoch ansprechend und gemütlich, insbesondere die mit Schilf überdachte Terrasse und der tolle-, verwunschene Garten mit dem leider noch viel zu kalten Pool. Die Gastgeberin erwartete uns bereits.

    Da wir nicht damit rechneten vom Gastgeber und so weit abseits von Schuss, abends noch etwas zu Essen zu bekommen, deckten wir uns auf dem Weg selbst mit allerlei Zutaten für eine abendliche Brotzeit ein die wir nach der Dusche, bei Abenddämmerung, gemütlich-, aber schnatternd, auf der Terrasse verdrückten. Nur das Baguette war mittlerweile leider ziemlich lappig.
    Revuepassierend stellten dabei fest, dass sich die Landschaft auf der südwestlichen Seite von Bordeaux für unseren Geschmack deutlich negativ verändert hat. Es fehlt das Liebliche, die Abwechslung und die Hügel. Hier ist es bis zum Horizont monoton flach und Weinbau gibt es auch keinen mehr, ganz zu schweigen vom luxuriösen Hollywood das uns nach den vier Nächten irgendwie fehlt. Jede andere Unterkunft hat es schwer dagegen anzukommen, insbesondere auch unsere Heutige, die man mit Hollywood so gar nicht mehr vergleichen kann.
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  • Gün 25

    Bordeaux, frei

    15 Mayıs 2019, Fransa ⋅ ☀️ 19 °C

    T5, Tag 25:
    Mittwoch, 15.5.2019

    Wir waren schon ganz aufgeregt, wenn wir nur an das Unbekannte dachten, was uns heute erwartet, Bordeaux beim schönsten Wetter.

    Schnell das Frühstück herunter geschlungen, Taxi gerufen, schnell noch über die „Garonne“ gefahren und schon standen wir vor dem Intercontinental, am verkehrsberuhigten „Place de la Comédie“. Bereits der Platz korrelierte mit unseren fantasievollen Erwartungen an die Stadt, was für ein prachtvoller Ort.

    So viele Menschen, gut gekleidet und elegant, umrahmt von einer Vielzahl von beeindruckenden Gebäuden, darunter das „Grand Théâtre“, die Oper von Bordeaux, am siebten April siebzehnhundertachtzig eingeweiht.

    Erst einmal am Platz einen Kaffee getrunken und die Ankunft sacken lassen. Auch wir hatten unsere heruntergerissenen Wanderklamotten gegen etwas eleganteres, ganz unserem hart verdienten freien Tag würdig, eingetauscht.
    Was liegt in einer fremden Stadt näher als sie zunächst mit einem „Hop-on-Hop-off“ Bus kennen zu lernen.

    Im Obergeschoß des roten Monsters ließen wir uns verzaubern. Zunächst vorbei am berühmten Wasserspiegel, „Miroir d’Eau“, geschaffen 2006 von dem berühmten Gartenarchitekten Michel Corajoud.
    Im Sommer, zwischen zehn und zweiundzwanzig Uhr steigt das Wasser dort über Granitplatten auf 2 cm Höhe an. Dann verschwindet es alle fünfzehn Minuten wieder und es bildet sich auf der Granitfläche Wasserdampf bis zur einer Höhe von zwei Metern. Danach entsteht wieder eine Wasserfläche von dreitausendvierhundertfünfzig Quadratmetern die je nach Standort des Betrachters, der sich auch auf der Granitfläche bewegen kann, entweder den Börsenplatz des achtzehnten Jahrhunderts oder das Ufer der Garonne widerspiegelt, absolut beeindruckend.

    Auf der anderen Seite der Garonne genossen wir vom Obergeschoß des Busses aus einen tollen Blick auf die Stadt am anderen Ufer. Besonders beeindruckend ist, dass kein einziges modernes Gebäude das historische Ensemble der Stadt zerstört, wo gibt es das schon noch?

    Wieder zurück am Place de la Comédie ließen wir uns einfach treiben, wobei das mit dem „Treiben lassen“ bei der Fülle von Gassen, Gebäuden und ungewöhnlichen Geschäften nicht so einfach ist, es war mehr ein spazierenstehen, ich war Reizüberflutet, Marion neugierig und ständig in irgendwelchen Läden, „gucken“, schlechte Kombination.
    Auch habe ich es nicht so mit „gucken“. Ich bin eher der Hineingeher, eine Minute Umseher, Fokussierer, Kaufen und wieder gehen Typ.
    Ich kann meine Frau aber dennoch verstehen, hier hatten Peek & Cloppenburg, Douglas, Telekom und Konsorten keine Chance, sehr wohltuend und inspirierend für eine Stadt.

    Fairer Weise muss man auch noch dazu sagen, dass ich ein absolutes „Landei“ bin. Jede Art von Großstadt kann ich nur stundenweise ertragen, danach reicht es dann wieder für lange Zeit. Insofern war mir mehr nach einem flauschig- ruhigen Platz mit schönen Cafés oder Restaurants, einfach nur sitzen, sein und genießen.

    Nach etlichen Stunden spazierenstehen haben wir einen solchen-, für mich geeigneten Platz, gefunden. Wir bestaunten die „Basilika Saint-Michel“ am „Place Meynard“. Ringsherum gab es Kneipen, Cafés und Restaurants.
    Da es erst siebzehn Uhr war hatten leider weit über die Hälfte davon geschlossen, Frankreich eben. Selbst in Bordeaux kennen die Dogmatiker keine Gnade. Also gaben wir uns mit einer drittklassigen Kneipe anstatt eines feinen Restaurant zufrieden und bestaunten die Basilika aus dem vierzehnten Jahrhundert. Sie gilt als Station des Jakobswegs „Via Turonensis“ und gehört seit 1998 zum UNESCO-Welterbe.

    Besonders der einhundertvierzehn Meter hohe Glockenturm der Basilika, war beeindruckend, steht er doch separat von der Kirche, also nicht an das Gebäude angebaut. Irgendjemand erzählte, man habe das damals so gemacht damit, falls eine der schweren Glock mal vom Kirchturm fällt, nicht das Gebäude zerstört würde, gar nicht so dumm.

    Ein Taxi brachte uns am Abend voller Eindrücke wieder zurück nach Hollywood. Ehrlich gesagt reichte mir der Großstadt-Tag.
    Nix gegen Bordeaux, aber ich war froh wieder auf dem Land zu sein.

    Nun war packen angesagt, morgen geht es weiter ins einunddreißig Kilometer hinter Bordeaux gelegene „Canéjean“, stramm in Richtung Atlantik.
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  • Gün 24

    Spaziergang

    14 Mayıs 2019, Fransa ⋅ 18 °C

    T5, Tag 24, WT 20:
    Saint-Germain-du-Puch (Église Saint-Germain) - Sadirac, 15,8 km, H260, A210, reine Gehzeit 3:09, Dienstag, 14.5.2019

    Stefans Frühstück war fein, aber eben Französisch, er gab sich alle Mühe. Dennoch, so ein amerikanisches Morgenmahl mit Eiern und Speck wäre halt was genaues gewesen. Es spendet viel Energie und ist insofern immer meine erste Wahl für einen Wandertag.

    Die Nachtruhe war herrlich, für den Tag waren wir mental gut gerüstet, wobei das gar nicht nötig war, denn heute hatten wir ja nur noch die knapp sechzehn Kilometer von der Église Saint-Germain in Saint-Germain-du-Puch nach Hollywood in Sadirac zu schließen, ein entspannter Spaziergang.

    Voller Vorfreude ließen wir uns von Stefan an der Kirche in Saint-Germain-du-Puch, so gegen zehn, absetzen.
    Die Vorstellung, dass wir heute nur drei Stunden gehen würden und das bei bestem Kaiserwetter, machte uns schon beinahe euphorisch. Gegen zwei Nachmittags wollten wir zurück sein, uns am Pool entspannen, und den morgigen Urlaubstag langsam einläuten.

    Wir folgten der „Route du Grand Puch“ dorfauswärts, keine Spur mehr von Einsamkeit.
    Hier gab es viel zu glotzen, die Häuser der Landbevölkerung mit Ihren Gärten, landwirtschaftliche Anbauflächen und natürlich, immer wieder Weinberge.

    Nach zwei Kilometern entdeckten wir das beeindruckende „Château du Grand Puch“.
    Ein charaktervolles Anwesen, das sicherlich eine Besichtigung wert gewesen wäre, wenn wir nichts wichtiges zu tun gehabt hätten, der Pool wartete.
    Das Château bestand aus einem Schloss aus dem dreizehnten-, und Weinkellern aus dem neunzehnten Jahrhundert, einem Gehege, einer Orangerie und natürlich seinen umliegenden Weinbergen. Den erzeugten Wein gibt es laut Google bereits ab fünf Euro, also im Gegensatz zum Château nix besonderes.
    Vermutlich wird hier zusätzlich auch noch Landwirtschaft auf den nahegelegenen Äckern betrieben. Wie auch immer, wir werden es nie erfahren, zu sehr hatten wir unser Ziel vor Augen.

    Immer wieder kamen wir an Vorgärten mit großen Palmen vorbei, was unsere Euphorie bei strahlendem Sonnenschein zusätzlich beflügelte.
    Ständig entdeckten wir am Horizont alte Weingüter, spannende sechzehn Kilometer, die Zeit verging wie im Fluge.

    Nach gut zwölf Kilometern, an einem schönen Feldweg gelegen, das nächste Château, das weitläufige „Chateau Tustal“, es war riesig und erinnerte eigentlich mehr an ein Fort in Alleinlage, sein Zustand war allerdings erbärmlich.
    Keine Ahnung, ob es noch bewirtschaftet wurde, es machte weniger den Eindruck.
    Der älteste Teil des Ensembles stammte aus dem 17. Jahrhundert. Es bestand aus zahlreichen Gebäuden, die um zwei riesige, rechteckige Innenhöfe angeordnet waren und von Wirtschaftsgebäuden abgeschlossen wurden. Die umliegenden Schlossgärten waren brachliegend verwaist und sich selbst überlassen. Überhaupt machte es, wie schon erwähnt, einen sehr ungepflegten Eindruck und erinnerte fast schon an eine Ruine, war aber noch keine. Auch fanden wir keine Weinberge in unmittelbarer Umgebung, sondern nur Ackerflächen.
    In einem offenen, dunklen und großen Raum, vergleichbar mit einer bayerischen Bauernscheune, von der Außenmauer über ein geöffnetes Tor zugänglich, entdeckten wir einen alten- ungepflegten Franzosen in Arbeitsklamotten der uns beim Vorbeigehen in seiner Sprache anquatschte.
    Er sprach vielleicht zehn Wörter Englisch und wir an die fünf Französisch. Dennoch kam mit Hand, Fuß und Google ein Dialog zu Stande. Wir hatten den Eindruck, dass sich der Opi nach einem Gespräch sehnte, vermutlich war er einsam. Auch ihm erzählten wir von unserer Wanderung, er hing uns an den Lippen. Wir hatten den Eindruck, dass er der heruntergekommene Eigentümer des Schlosses war, was man rein optisch nicht vermuten würde. Aber seine Schilderungen über das riesige, kaum zu erhaltende Schloss, ein Finanzgrab, und sein ganzer damit einhergehender Frust waren so detailreich, dass er es vermutlich war.

    Wie auch immer, in jedem Fall war die Wiese neben dem Schloss ein schöner Platz für eine Rast. Wir legten uns hinein, lauschten den Insekten, ließen uns bei zwanzig Grad die Sonne ruf den Pelz brennen und dösten vor und hin.

    Gegen zwei waren wir wieder in Hollywood, allein, ganz Hollywood gehörte uns.
    Nach einer ausführlichen Gartenerkundung, er war herrlich angelegt, erwarteten uns die Poolliegen und ließen uns für den Nachmittag nicht mehr aus ihren Fängen. Nur Marion konnte sich befreien und wollte testen ob ihr Herz-Kreislaufsystem immer noch in der Lage war, 14 Grad Wassertemperatur zu verarbeiten, war es.

    Dieser Nachmittag fühlte sich an wie ein freier Tag und „verlängerte“ unseren für morgen geplanten Urlaub gefühlt um den Faktor zwei.

    Abends wollten wir diesen wunderschönen Tag dann noch mit einem feierlichen Dinner abrunden. Stefan fuhr uns dafür nach „Créon“, einer schönen alten Stadt mit einem entsprechendem Platz in der Mitte und fast fünftausend Franzosen irgedwo hier.
    Wir schlenderten unter den Arkaden der Stadthäuser am Rande des Platzes, entdeckten den einen- oder anderen Laden und fanden schließlich das geeignete Restaurant um diesem schönen Tag einen nicht minder schönen Abend hinzuzufügen, das „Chez Titut“. Das Essen, fast wie immer unglaublich lecker, kreativ und französisch fein.

    Ein Taxi brachte uns wieder nach Hollywood, unserem temporären zu Hause.

    Morgen haben wir Großes vor. Wir freuen uns schon auf einen ganzen Tag Urlaub im berühmten Bordeaux.

    Wir sind gespannt, was uns dort erwartet.
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  • Gün 23

    Hollywood

    13 Mayıs 2019, Fransa ⋅ 17 °C

    Trip-5, Tag-23, WT 19:
    Sablons - Saint-Germain-du-Puch (Église Saint-Germain), 29,1 km, H260, A210, reine Gehzeit 5:49, Montag, 13.5.2019

    Nach unserer komfortablen Nachtruhe war Danielles Frühstück nicht weniger üppig wie das gestrige Dinner, es war ihr erneut eine Freude jeden Gästewunsch zu erfüllen.
    Im Anschluss empfanden wir es als besondere Ehre, dass Sie auch noch unser Neugier befriedigen- und uns den Privatteil Ihres Anwesens, auf der anderen Seite der Sichtschutzwand, zeigen wollte, eigentlich ein Tabu für Gäste.
    Diese alte Villa, der schöne Garten eigentlich mehr ein Park, und der üppige Pool, ein Traum. Irgendwo während unserer Führung begegneten wir auch noch ihrem Mann, ein feiner Franzose im besten Alter, smart, höflich und gebildet (So sah er jedenfalls aus).

    Heute- und die folgenden zwei Tage werden planungsbedingt ganz besondere sein, einmal von dem tollen Wetter abgesehen.
    Wir sind in der Zwischenzeit rund sechzig Kilometer vor Bordeaux angekommen, unserem nächsten „Urlaubsort“ mit einem ganzen Tag frei.

    Insofern haben wir uns für die kommenden vier Nächte im „B&B La Closerie 33“ in „Sadirac“ eingebucht, einer privaten und luxuriösen Villa im Hollywood-Stiel, rund achtzehn Kilometer vor Bordeaux, so gar nicht Französisch, zumindest war das der Eindruck aus den Bildern im Internet.

    Der Plan war heute die neunundzwanzig Kilometer bis zur „Église Saint-Martin“ in „Saint-Germain-du-Puch“ zu wandern und uns von dort, von einem der Eigentümer des B&b, abholen- und die restlichen fünfzehn Kilometer bis zum „B&B La Closerie 33“ bringen zu lassen. Die gesamte Strecke von ca. vierundvierzig Kilometer bis zur Unterkunft hätten wir auf einmal nicht bewältigt.
    Morgen sollte uns dann unser Vermieter wieder zurück zur „Église in Saint-Germain-du-Puch“ bringen, damit wir die fehlenden fünfzehn Kilometer zur Unterkunft zu Fuß schließen konnten.
    Übermorgen wäre dann unser wohlverdienter Pausentag, den wir in Bordeaux zelebrieren wollen. Zwar sind es vom „B&B La Closerie 33“ immer noch rund achtzehn Kilometer bis Bordeaux, aber zu unserem freien Tag wollten wir uns dann ein Taxi hin- und zurück gönnen.
    Überübermorgen gehen wir dann von unserer Unterkunft über Bordeaux nach „Canéjean“, immer weiter in Richtung Atlantik. Klingt alles ein bisschen kompliziert, ist es aber eigentlich gar nicht.

    Durch diese Planung, über deren Einfall ich im Übrigen sehr stolz war, ist es möglich vier Nächte im B&B La Closerie 33 zu bleiben.

    Wir sehnten uns nach einem Ort an dem wir endlich länger als eine Nacht bleiben- und unseren Kofferinhalt wenigstens einmal in einen Schrank einräumen konnten, „Hollywood“ schien prädestiniert dafür. Außerdem hat man bei vier Nächten an einem Platz zumindest das Gefühl eines kleinen (wohlverdienten) Urlaubs, egal ob man durch Bordeaux schlendert oder eben Tageswanderungen unternimmt.

    Der Abschied von Danielle war herzlich.
    Lange noch spukte uns der Abend mit ihr in den Köpfen rum. Gerne wollte ich Ihr das dazu noch zu schreibende Kapitel meines Blogs schicken, wenn ich einmal damit fertig bin. Immerhin nahm einen großen Teil der spaßigen Unterhaltung auch unsere etwas verrückte Wanderung ein. Auch Danielle fiel es schwer das zu glauben.

    Gleich hinter dem Ort gab es wieder „unspoiled nature“ soweit das Auge reicht, diesmal auch noch untermauert vom strahlenden Blau des Himmels und, etwas ganz besonderes, Wärme. Es war sogar so warm, dass wir es erstmals wagten, nur mit kurzen Hosen und T-Shirt zu wandern, welch befreiendes Gefühl. Eigentlich hatten wir uns das von Anfang an so vorgestellt, welche Fehleinschätzung.

    Nach ein paar Kilometer durchquerten wir eine zusammenhängende Seenlandschaft, vermutlich ehemals künstlich angelegte Baggerseen und vermutlich einmal mehr ein Refugium für Fischer, Badende hatten hier nichts zu suchen, Baden verboten. In jedem Fall für uns eine willkommene Abwechslung bei all den grünen Feldern die ganze Zeit.

    Wir waren heute auf alles vorbereitet, insbesondere auf die berühmten Weinberge von Bordeaux. Irgendwo hier mussten sie ja beginnen, einmal von dem kleinen- und einmaligen „Ausrutscher“, den wir gestern auf unserem Weg entdeckten, abgesehen. Wir konnten den Paradigmenwechsel der Landschaft kaum noch erwarten, würde er doch der endgültige Beweis für unsere mittlerweile weit fortgeschrittene, fünften Wanderetappe nach Santiago sein.

    Wir folgten parallel einer Bahnlinie. Nachdem wir diese mit dem achten Kilometern wieder verabschiedeten, ging es los, hier waren sie, bis zum Horizont und hörten auch dort nicht mehr auf.
    Wir standen am Rand eines der berühmtesten Weinanbaugebiete dieses Planeten, eine beeindruckende Vorstellung. Hier war so viel Wein, dass wir erst einmal unseren Weg hindurch finden mussten. Es war schwer die Versorgungswege der Weinberge von unserem von Komoot gewählten Wanderweg zu unterscheiden. Wir waren uns nicht sicher was passieren würde, wenn wir einfach so durch die Weinberge latschten. Mit allem war zu rechnen, bei diesen kostbaren Reben.

    Wir folgten der „Route de Annereaux“, was auch immer das sein sollte. In jedem Fall kamen wir auch an dem gleichnamigen Weingut vorbei. Leider waren wir zwei „Blinde“, das Herz eines Weinkenners hätte sicherlich ziemlich hoch pulsiert, unser Puls war hingegen verräterisch entspannt.

    Nahezu jedes der viele hundert Meter langen Wein-Spaliere wurde am Anfang von üppig blühenden, roten Rosen angekündigt. Sie hatten die Aufgabe dem Winzer Mehltau zu verraten und waren für uns eine willkommen-farbliche Abwechslung, schön anzuschauen. Wir kannten das schon von der Mosel.

    Zwar führte uns der Weg Richtung „Les Billaux“ immer an den zu unserer Linken gelegenen, romantischen Weinbergen entlang, die eigentlich nur Felder waren denn Berge gab es hier nicht, zusätzlich begleitete uns dabei aber auch die stets zu unserer Rechten gelegene-, gut besuchte und laute Bundesstraße.

    Hier gab es aber nicht nur die Weinberge zu sehen, es wurde auch Wein produziert. Die offene Gebäude-Tore der Weingüter gaben unseren Blicken manchmal freien Lauf. Hier wurden Fässer mit Dampfstrahlern gereinigt oder von A nach B gerollt und abgefüllt. Alles in direkter Nachbarschaft zur gut befahrenen- und brüllenden Bundesstraße, reichlich unromantisch. Ich stellte mir immer die schönen Abbildungen auf den Etiketten der jeweiligen Weinflaschen vor die so gar nichts mit der Realität zu tun haben.

    Unzählige Weinberge später und immer noch deutlich genervt vom Verkehrslärm schlugen wir in „Les Billaux“ und seinen eintausendzweihundert „Weinbauern“ auf.
    Bei der nächsten gebotenen Gelegenheit verkrümelten wir uns in eine weitläufige und ruhige Parklandschaft dessen Zentrum ein beeindruckendes, altes Chateau bildete. Keine Ahnung welche Berühmtheit wir hier vor uns hatten. Überhaupt, Chateaus waren hier so inflationär wir Biergärten in Bayern.

    Wir suchten uns ein flauschiges und verstecktes Plätzchen im Rasen und vernichteten unsere Luxusbaguettes, die letzten Erinnerungsstücke an Danielle.

    Gleich hinter „Les Billaux“ folgte „Libourne“ mit ihren Sage und Schreibe vierundzwanzigtausend mehr oder weniger glücklichen Franzosen. Eine schöne, alte und sogar uns ansprechende Kleinstadt.
    Mit dem achtzehnten Kilometer standen wir mitten in ihrem Zentrum, einem schönen Platz mit einige Cafés und Geschäften. Eines davon entsprach unseren Ansprüchen an eine Kaffeepause. Wir beobachteten draußen die Menschen und genossen den sonnigen Tag. Leider bedachte sie unseren Tisch nicht allzu sehr, so dass es etwas ungemütlich war im Schatten und im Wind.

    Wir querten die überdimensional breite „La Dordogne“ und verschwanden nach einem weiteren nervigen Kilometer Bundesstraße wieder in den Weinbergen um kurz danach das „Château Bozelle“ und das „Chateau Beaumard“ zu passieren, nur für diejenigen die es genauer wissen wollen. Ich habe mal gegoogelt, keine Flasche unter fünfundzwanzig Euro.

    Nach dem siebenundzwanzigsten Kilometer ließen wir auch die etwas nervige „Route de Libourne“ hinter uns und widmeten uns den letzten beiden Kilometern bergaufwärts wieder der Natur und erneut einigen Weinbergen, diesmal Echte, bis zu unserem Ziel „Saint-Germain-du-Puch“, ein Kaff mit zweitausendzweihundert Einwohnern.

    Um halb sechs standen wir vor dem verabredeten Eingang der alten „Église Saint-Martin“ wo Stephan, einer der beiden Eigentümer des „B&B La Closerie 33“, bereits im Auto auf uns müde Wanderer wartete.
    Viel hatten wir die fünftzehn Kilometer bis zu unserer Unterkunft zu erzählen und auch zu beantworten, ein angeregter Dialog.

    Dort angekommen machte bereits das uneinsehbare Tor der Einfahrt, das Stephan per Knopfdruck lässig öffnete, eine Menge Eindruck.
    Das Anwesen erinnerte unweigerlich an Villen von Hollywood Stars (Ich war mal dort). Weitläufiger Garten, als Park angelegt mit Pool, sehr gepflegt und ein großer Gebäudekomplex im flachen Bungalowstiel, mit großen Fensterflächen und einer ansprechenden, individuellen Architektur. Das Anwesen war vermutlich aus den sechziger Jahren und hatte so gar nichts französisches an sich, es war beeindruckend.

    Das Hausinnere war nicht minder ausgedehnt. Eine offenen- und großzügigen Raumgestaltung und von vorne bis hinten stylisch und vollendet geschmackvoll. Hier waren Ästeten am Werk, keine Frage.

    Stefan war gutaussehend und vielleicht Anfang vierzig. Sein Lebenspartner Gilles, war vermutlich etwas älter. Beide waren höflich, nett, sehr zuvorkommend und absolute Ästeten.
    Sie waren Künstler, „Comedian Artists“, mit Auftritten auf der ganzen Welt und derzeit im „TRIANON Theater“ in Bordeaux. Abends waren sie insofern meist nicht im Haus, tagsüber hatten sie frei.
    Sie lebten hier zurückgezogen, Gäste durften sie dabei gerne „stören“, wir waren aber zurzeit die Einzigen. Vermutlich gab es hier auch nicht mehr als drei- bis vier Gästezimmer.

    Unser Wohnbereich lag am anderen Ende des Bungalows. Unser Zimmer mit eigener Terrasse war ansprechend, hochwertig und mindestens genauso durchgestylt wie der privaten Bereich der Beiden.

    Ich war stolz darauf dieses wunderschöne B&B im Internet gefunden zu haben. Morgen würden wir das Anwesen erkunden, für heute waren wir dafür leider schon zu müde.

    Für heute konnte ich nur noch unseren Berg Schmutzwäsche in die Waschmaschine schmeißen, endlich wieder frische Klamotten.
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  • Gün 22

    Spaß mit Danielle

    12 Mayıs 2019, Fransa ⋅ 16 °C

    T5, Tag 22, WT 18:
    La Roche-Chalais – Sablons, 25,7 km, H280, A320, reine Gehzeit 4:54, Sonntag, 12.5.2019

    Am nächsten Morgen präsentierte sich das „L'Art Dit Vin“ von einer etwas besseren Seite. Der gefälligere Anbau, indem sich auch der Frühstücksbereich- und der Gastraum befand, milderte die Trostlosigkeit des Gesamt-Ensembles. Er erinnerte ein Wenig an einen Wintergarten. Im Sommer, bei schönem Wetter war er die logische Verbindung zur Sonnen-Terrasse und dem Garten, heute jedoch leider nicht.
    Die Terrasse hätte Potenzial, wenn ihre Möblierung nicht der Absteige alle Ehre gemacht hätte, bunte Plastikstühle und Tische, na ja.

    Der eigene Anspruch an das feilgebotene Frühstücksbuffet entsprach dem an das Hotel, armselig. Cornflakes, Toast, Marmelade, altes Obst, keine Eier, das wars. Ein solches Frühstück als Grundlage für eine energiefordernde Wanderung ist für uns mehr als unbefriedigend.

    Egal, dafür ist das Wetter heute großartig und wir haben nur knapp sechsundzwanzig Kilometer zu gehen.

    Gleich gegenüber des Hotels überquerten wir die Bahntrasse und folgten der so gut wie unbefahrenen „Rue de la Traversée“ stadtauswärts, immer Richtung Südwesten.
    Bereits nach wenigen hundert Metern waren wir schon wieder mittendrin, in der herrlichen Natur. Es roch nach Sommer, blauer Himmel, saftige Weiden, blühende Wiesen und reichlich Weitblick, wir waren glücklich.

    Die absolute Krönung war aber der erste Weinberg dem wir knapp vier Kilometern hinter dem Ort begegneten. Davor hatten wir die letzten in Burgund, vor vielen hundert Kilometern hinter uns gelassen. Wir konnten uns daran gar nicht genug satt sehen, zeigte er uns doch, dass Bordeaux nicht mehr weit sein konnte. Darüber hinaus versicherte er uns glaubhaft, dass wir nun endgültig in Südfrankreich angekommen waren. Eine Vorahnung davon gaben uns auch schon vereinzelt in den Gärten stehende Palmen.
    Unser Motivationsbarometer erreichte einhundert Prozent, einfach nur großartig.

    Es war ein toller Wandertag, ohne die Zeit im Nacken, völlig entspannt und sehr abwechslungsreich alles war dabei, sogar Menschen und ihre schönen Häuser mit liebevoll gepflegten Gärten. Es machte den Eindruck, dass sie hier glücklicher sind, Süden eben.

    Eine unglaubliche Blumenwiese am Wegesrand, so wie die Natur sie geschaffen hat, lud uns zu einer Rast. Wir legten uns in die Wiese, um uns herum das hohe Gras mit all den Wildkräutern. Wir lagen einfach nur da und schlossen die Augen, lauschten den vielen Insekten und inhalierten den intensiven Geruch der Wiese mit ihren Kräutern. Die Kraft die einem ein solcher Ort zu schenken vermag, lässt sich kaum beschreiben, eine tolle Fernwander-Erfahrung.

    Einige alte Kirchen, Friedhöfe, Dörfer und Wiesen später begrüßten uns, nach dem dreiundzwanzigsten Kilometer reinsten Wandergenusses, die eintausendfünfhundert Mitglieder von „Guîtres“. Der Straßenlärm der alten Kleinstadt brachte uns schlagartig wieder auf den Boden der Realität zurück. Diese kleine Stadt war belebt, nervig belebt. Schnell wieder weg von hier, die Brücke stadtauswärts über die „l'Isle“ versprach Besserung, der „Ohrenschmerz“ ließ langsam nach, wir kamen wieder in ruhigere „Gewässer“.

    Kurz vor „Sablons“, in „Le Bourg“, erreichten wir mit dem sechsundzwanzigsten Kilometer unser heutiges Ziel, das B&B „Les chambres d'Ausilia“.
    Wir hatten einige Probleme den Eingang zu finden, nicht wegen der Größe der Gebäude, eher wegen der Weitläufigkeit des Areals. Aber irgendwann standen wir vor Danielle, der Gastgeberin, die uns bereits erwartete, wir waren die einzigen Gäste.

    Das Areal teilte sich grob in zwei Teile, einem Privatteil mit einer alten herrschaftlichen Villa, einem großem Pool und einem wunderschön angelegten Garten, und einem Gästeteil. Darauf befand sich ein liebevoll restauriertes- und vermutlich ehemals landwirtschaftlich genutztes Gebäude mit umlaufend großen Freiflächen.
    Zwischen den beiden Teilen war ein hoher Sichtschutzzaun, so dass der private Teil für Gäste eigentlich nicht einsehbar war.

    Alles hier war top gepflegt, innen wie außen. Hier hatte jemand entweder viel Zeit, um das Ganze in Schuss zu halten oder viel Geld, um es in Schuss halten zu lassen.

    Das Gästehaus hatte vielleicht vier bis sechs Zimmer, und einen Bewirtungsbereich mit einer offenen- und topmodernen Küche. Überhaupt, alles war neu hier und von vorne bis hinten teuer durchgestylt, ich glaube Geld war hier weniger das Problem.

    Auch unser Zimmer war wohltuend ansprechend, nach der Kaschemme von gestern. Wunderschön dekoriert, geschmackvoll eingerichtet und sehr sauber, eine gute Wahl.

    Danielle, unsere Gastgeberin um die sechzig Jahre jung und breites in Rente, wusste „was sich gehört“. Sie zauberte uns ausgehungerten Wanderern ein fantastisches Dinner in ihrer stylisch-, offenen Küche, während wir jeden Schritt bis zur perfekten Vollendung auf dem Teller live verfolgten und uns dabei mit ihr angeregt unterhielten. Es gab außergewöhnliches, französisch halt.

    Zum ersten Mal bekamen wir Beide „Neunaugen“ kredenzt, ein nicht alltägliches, aalähnliches Wirbeltier das in Küsten- und Binnengewässer vorkommt und zwischen zwanzig- und vierzig Zentimeter groß wird. Eigentlich ist es mehr ein lebendes Fossil das sich seit 500 Millionen Jahren kaum verändert hat. Neunaugen haben einen aalartigen Körperbau und stehen leider beim Artenschutz auf der roten Liste.
    Zuvor servierte uns Danielle auch noch Gänseleberpastete, natürlich ein unglaublicher Gaumengenuss.
    Leider waren wir dabei aber innerlich etwas gehemmt, denn sowohl Gänseleberpastete (Stopfleber) als auch die Neunaugen (Artenschutz) würden wir selbst, aus ethischen Gründen und unter normalen Umständen nicht konsumieren. Danielle betonte aber, dass Neunaugen nur in einem bestimmten Zeitfenster gefangen werden dürfen, eben jetzt.
    Dennoch, wir sind hier in Frankreich und Essen hat hier eben einen besonderen Stellenwert. Außerdem hatte Danielle beides schon eingekauft, um uns eine Freude zu bereiten und es insofern nur gut mit uns gemeint.
    Beides war im Übrigen sehr köstlich.

    Unsere angeregt-lustige Unterhaltung war insbesondere „Google Translate“ zu verdanken, denn weder sprachen wir Französisch noch Danielle Englisch. Die vielen, von Google falsch verstandenen Einsprechungen, sowohl von Danielle als auch von uns, und die daraus resultierenden falschen Übersetzungen, heizten unseren Dialog ordentlich ein, soviel gelacht haben wir schon lange nicht mehr. Wir hatten ordentlich Spaß und waren uns sympathisch schnell zugewandt.
    Es war ein überraschend witziger- und kurzweiliger Abend mit unserer Gastgeberin, die unsere Gesellschaft sichtlich ebenso genoss.
    Okumaya devam et

  • Gün 21

    Absteige

    11 Mayıs 2019, Fransa

    T5, Tag 21, WT 17:
    Bonnes - La Roche-Chalais, 23,3 km, H300, A320, reine Gehzeit 4:54, Samstag, 11.5.2019

    Erst beim Frühstück des nächsten Tages konnten wir unser Loch im Bauch besänftigen. Die Gastgeber waren sich Ihres nachlässigen Handelns offensichtlich in keinster Weise bewusst, nun ja, am Besten schnell wieder vergessen.

    Der heutige Wandertag wird etwas ganz Besonderes. Zum ersten Mal seit acht Wandertagen beträgt diese Tagesetappe weniger als dreißig Kilometer, noch besser, dieses Mal sind nur dreiundzwanzig davon einfach zu genießen.
    Eine Tageswanderung unter fünfundzwanzig Kilometer ist meist ein Genuss, alles darüber zunächst anstrengend und ab dreißig Kilometer eine Tortour, oft mit "pathologischen" Konsequenzen.

    In unseren Ohren klingen dreiundzwanzig Kilometer mittlerweile fast „lächerlich“, wobei während der Wanderung dann die „Lächerlichkeit“ gerne von der Realität kassiert wird. Man denkt es ist nur ein Spaziergang. Am Ende aber mutiert die Tour dann aber leicht zu einem nicht enden wollenden Kaugummi weil man sich ja auf einen "Spaziergang" eingestellt hat.

    Die letzten acht Wandertage, seit unserer Pause im „Le Rianon“, kamen wir insgesamt zweihundertneunundsechzig Kilometer unserem Ziel näher, was einer durchschnittlichen Tages-Tortour von dreiunddreißigeinhalb Kilometern entsprach. Insofern kann man unsere herablassende Betrachtung über die heutige Tagesdistanz vielleicht besser nachvollziehen.

    Vor diesen acht, hinter uns liegenden „dreißiger Tagen“ unseres fünften Wanderabschnitts nach Santiago, hatten wir-, insbesondere aber Marion, von Anfang an kein gutes Gefühl.
    Schon bei der Planung konnten wir kaum einschätzen, ob das konditionell für uns überhaupt machbar ist.
    Dafür gab es aber zwei gute Gründe.
    Zum Einen mussten wir die Tagesziele nach den äußerst dünn gesäten Übernachtungsmöglichkeiten auswählen-, und zum anderen war die enorme Distanz des fünften Wanderabschnitts von achthundertzweiundsechzig Kilometern in einunddreißig Wandertagen, nur durch einen solchen Gewaltakt überhaupt zu bewältigen.

    Ziel ist es, das Ende dieses Wanderabschnittes im spanischen Baskenland, in San Sebastian, unseren "Zwischensieg" zu feiern.
    Den nächsten- und letzten Abschnitt nach Santiago und weiter ans Ende der Welt, wollen wir dann von dort, auf dem "Camino del Norte", vielleicht in einem Jahr, starten.

    So soll es dann hoffentlich auch sein.

    Die kleine, an unserem B&B vorbeiführende Straße, führte uns ein Stück weiter über die wild-romantische „La Dronne“ mit ihren verwunschenen Ufergrundstücken und alten Villen und danach hinauf nach „Bonnet“, das oben auf dem Hügel, am anderen Ufer, thront.

    Das Wetter schien es heute fast gut mit uns zu meinen, Sonne, Schäfchenwolken und ab und zu ein kleiner Regenguss, deshalb nur „fast“.

    Bonne, ein alter Ort, interessant-mittelalterliche Kirche aus dem zwölften Jahrhundert, ein alter Friedhof, ein Kriegerdenkmal erster Weltkrieg, ein paar versprengte Häuser, eine große „Jakobsweg-Informationstafel“, das wars, Reizüberflutung.

    Ich vermute, dass die Kirche seit Jahrhunderten etwas mit dem Pilgern zu tun hat, davon zeugen beispielsweise die steinalten Stuck-Muscheln über dem Eingang und vermutlich auch die Jakobsweg-Informationstafel direkt vor dem Gotteshaus. Darauf sind die Verläufe von drei Jakobswegen dargestellt. Ich habe keine Ahnung um welche es sich dabei handelt. Irgendwie scheinen wir uns aber wieder einmal zufällig auf dem Rechten davon zu befinden.
    Man spürt ja auch nichts, wenn man auf so einem Weg wandert, keine Vibrations, keine Eingebungen, keine Wunder, einfach nichts, ein stinknormaler Weg. Fairer Weise muss ich aber auch dazu sagen, dass ich den Herren noch nicht angerufen- und zu Wundern genötigt habe. Man soll sein "Pulver" ja nicht leichtfertig verschießen.

    Auf einer kleinen, wenig befahrenen ortsauswärts Landstraße, hatte uns die Natur für kurze Zeit wieder, allerdings gefühlt mit etwas weniger Einsamkeit, irgendwie aber gefälliger. Immer noch begleitete uns entlang der Straße die „La Dronne“, ein Kajak-Paradies.

    Kurz vor „Saint-Aulaye“ beeindruckte eine zart, mit Frühlingsflaum beblätterte Straßen-Allee, die aber eigentlich nur die Aufgabe hatte, den mächtigen „Le Camping La Dordogne Verte“ dahinter, einigermaßen zu kaschieren.

    „Saint-Aulaye“, oben auf dem Hügel, gehört zum „Périgord“, einem Teil der „Dordogne“ und zählt eintausenddreihundert „Mitglieder“.
    Es ist ein schöner, alter Ort und für französische Verhältnisse voller Leben. Es gab einen Marktplatz mit Marktständen (Wir konnten es kaum fassen), kleine (geöffnete) Geschäfte, einen Bäcker, einen Fleischer, ein Café und im Verhältnis mehr junge Menschen als Ältere.

    Obwohl wir erst knapp sechs Kilometer hinter uns hatten, war eine Rast hier im schönen Ort, vor der Bäckerei, unumgänglich. Wir hatten Zeit, es waren ja nur dreiundzwanzig Kilometer zu gehen.

    Marion machte bei der Bäckerin, eine feine, ältere Dame, zwei Erdbeer-Tartes klar. Diese konnte es sich aber nicht nehmen lassen vor der Übergabe auch noch einmal darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei doch um eine „Tarte aux fraises“ handelt.
    Tarte aux fraises hin- oder her, nach zwei Bissen war meine schon weg, so ein Scheiß, frustrierend! Anstellen für eine Zweite wollte ich mich aber nicht, ich hasse anstehen.

    Gerne wären wir hier im Ort länger geblieben, aber „Wandersleut“ müssen halt immer wieder weiterziehen.

    Die nächsten zehn Kilometer gehörten wieder uns allein. Ein wunderschöner Feldweg, mit beeindruckender- und unzerstörter landschaftlicher Vielfalt, war unser Eigen. Wir konnten uns kaum satt sehen an all der Natur, ohne Menschen. Hinzu kam die entspannte Tagesdistanz, ohne Zeit im Nacken und mit viel Muße fürs Glotzen.

    Kurz vor unserem Ziel, „La Roche-Chalais“ mussten wir für unseren fantastischen Wandertag noch für zwei Kilometer auf der „Routes d'Aquitaine“ büßen.
    Es war grausam dicht an den Straßenrand gedrängt auf den Straßenverkehr achten zu müssen.
    Fußgängerwege gibt es so gut wie keine in Frankreich, wozu auch, es gibt ja auch kaum Fußgänger, außer Pilger und uns. Ich weiß gar nicht mehr wie lange wir so viele Autos schon nicht mehr erleben mussten.

    „La Roche-Chalais“ war ein etwas merkwürdiges Kaff mit gut dreitausend Nasen. Sehr weitläufig und wie fast immer etwas ausgestorben. Nicht unbedingt hässlich, aber doch etwas trostlos. Fairer Weise möchte ich aber anmerken, dass wir das Zentrum mit dem vermuteten Marktplatz nicht gesehen haben.

    Da standen wir nun, ziemlich enttäuscht von unserer heutigen Absteige, dem Hotel „L'Art Dit Vin“. Ein trostloser Bau gegenüber des kleinen Bahnhofs, eine echte Enttäuschung.

    Unser Zimmer machte in Sachen Trostlosigkeit dem Äußeren alle Ehre. Ein Bett, ein Stuhl, ein Kofferträger, weiße nackte Wände, keine Vorhänge, das wars.

    Na ja, es war ja nur für eine Nacht und der schöne Wandertag war uns nicht mehr zu nehmen.
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  • Gün 20

    Loch im Bauch

    10 Mayıs 2019, Fransa

    T5, Tag 20, WT 16:
    Cercles-Bonnes, 36,6 km, H440, A560, reine Gehzeit 7:30, Freitag, 10.5.2019

    Marie zauberte uns ein leckeres Frühstück. So waren wir gut gerüstet für einen neuen Wandertag mit der Hammer-Distanz von fast siebenunddreißig Kilometern.

    Es fiel uns schwer die nette Marie wieder alleine zurückzulassen.
    Bevor wir aber den Ort endgültig verlassen, wollten wir uns noch im Dorf die steinalte „Cercles - Église Saint-Cybard“, aus dem zwölften Jahrhundert, etwas näher ansehen.

    Die kleine Kirche war geschützt von einer Ringmauer, bereits der Durchgang war historisch beeindruckend. Man sah es ihm an, wie viele Menschen im Laufe der Jahrhunderte durch dieses Tor ihren Weg zu Gott gefunden haben. Die Granitstufen waren völlig ausgetreten, das muss man erst einmal hinbekommen bei Granit.

    Zwischen der Ringmauer und der Kirche war der historische Friedhof. Jeder der großzügig verteilten Grabsteine oder Steinkreuze war vermutlich genauso alt wie die Kirche selbst, eintausend Jahre, wir entdeckten auch Templer-Kreuze. Das Innere der Kirche war allerdings ziemlich enttäuschend, nur ungeschmückte weiße Wände und ein paar Holzbänke, das wars, eigenartig. Irgendjemand scheint hier alles abgeräumt- und die vermutlich einst bemalten Wände weiß getüncht zu haben.

    Wir verließen den Ort über die „Rue Notre-Damahine-de-la- Pitié“, immer weiter Richtung Südwesten, immer weiter in Richtung Bordeaux, unserem nächsten großes Zwischenziel mit einem Tag frei. Bis dahin aber waren aber noch vier (lange) Tagesetappen zu bewältigen, inklusiver der Heutigen.

    Nach einiger Zeit marschierten wir am „Château de la Tour Blanche“ vorbei, dass der Deutsche (Chemie) Unternehmen Peter Overlack erworben hat, um der Ruine wieder zum Leben einzuhauchen, nach zwei Bränden eine gewaltige Aufgabe. Schön wenn Menschen derartige Kulturschätze wieder zurück in Leben bringen, auch der Bürgermeister ist begeistert von dem Deutschen.

    Irgendetwas hatte sich verändert, es machte den Anschein, dass wir nicht mehr ganz alleine in der totalen Einsamkeit waren. Kleinigkeiten entlang unseres Weges deuteten auf etwas mehr Zivilisation und Menschen hin.
    Nach dem räudigen Kaff „La Tour-Blanche-Cercles“ mit seinen fünfhundertfünfundachtzig Nasen erreichten wir mit dem neunten Tageskilometer den etwas weniger räudigen Ort „Verteillac“ mit seinen sechshundertzweiunddreißig Einwohnern. In jedem Fall hatte dieser sogar einen großen Dorfplatz mit einem geöffneten Café und Tischen davor, man glaubt es kaum. Wir konnten uns Glück kaum glauben, denn ein geöffnetes französisches Café zu finden glich einem Sechser im Lotto.

    Als wir uns draußen bei eisigen Temperaturen im Schatten den wohl verdienten Kaffee und ein Plunderstückchen gönnten, war klar, warum dieses Café geöffnet war, es gehörte einer Holländerin. Sie versaute hier-, so wie die anderen Holländer und Engländer ebenfalls , gehörig die französische „Norm“. An einem Freitag-Vormittag geöffnet zu haben, das würde wohl kaum einem Franzosen einfallen. Überhaupt kaufen sich immer mehr Holländer und Engländer in kleine Geschäfte und gastronomische Einrichtungen ein.
    Sie stellen mit ihren neuen „revolutionären“ Öffnungszeiten die französischen Eigentümer mit ihrem nicht gerade ausgeprägten Arbeitseifer in Abseits, was diese sicherlich nicht so lustig finden.
    Dem französische Inhabern reichen Öffnungszeiten von beispielsweise sechzehn bis achtzehn Uhr. Stringente Servicezeiten lassen sich ohnehin nicht erkennen.
    Auch der Kunde gibt sich bisher geduldig seinem Schicksal hin. Das aber wird sich durch die „Neuen“ vermutlich nach und nach ändern, so viel scheint klar.

    Nach der kurzen- und „luxuriösen“ Rast, sogar an einem richtigen Tisch vor dem Café, verließen wir den Ort über die „Route des Grains“ und die „Route des Prairies“ (Hää? Prärie-Route?).

    Die schöne- und nun wieder einsame Natur, sowie das etwas bedrückend graue Wolkenspektakel, von dem wir nicht wissen , was wir davon halten sollen, hatte uns wieder.

    Nach gut achtzehn Kilometern latschten wir durch „Allemans“, ein Ort mit der typisch- ländlichen Ortsgröße von fünfhundert Einwohnern. Warum das Kaff nach den Deutschen benannt wurde, konnten wir nicht herausfinden. Klar ist aber, dass die deutschen Wehrmacht den Ort 1940 besetzte und erst vier Jahre später wieder abzog. Wie fast überall gab es auch hier eine beeindruckend alte Kirche aus dem zwölften Jahrhundert.

    Es wäre mühsam hier alle vor sich hin modernden, spätromanischen Kirchen zu erwähnen die einem so auf im Verlauf eines Tages über den Weg laufen. Man unterliegt hier eindeutig der Reizüberflutung. In Deutschland wäre vermutlich jede Einzelne von Ihnen ein gepflegtes und gut gehütetes nationales Denkmal. Hier aber gammeln sie-, wegen der schieren Menge, einfach nur vor sich hin und sind eher eine Last. Sie sind ein gigantisches Geld Grab, allein schon, um sie zu erhalten, ganz zu schweigen von einer unbezahlbaren Restaurierung.

    Müde und erschöpft standen wir nach siebenunddreißig Kilometern am späten Nachmittag vor unserer heutigen Unterkunft, dem B&B „Le savoir vivre“, Einzellage, eingebettet in schöner und endloser Natur unterhalb von „Bonnes“.

    Die Inhaber, ein holländisches Pärchen, erwarteten uns bereits.
    Wir bekamen ein Upgrade und durften das große „Gite“ beziehen, in Frankreich ein separates Häuschen im Garten. Vermutlich waren die anderen vielleicht an die sechs Zimmer bereits von Holländern belegt, worauf die ausgelassene Stimmung der Gäste, zusammen mit den Gastgebern, hindeutete, man sprach Holländisch.

    Dumm nur, dass es hier nichts zu essen gab und sich auch sonst niemand um unser leibliches Wohl kümmerte. So blieben uns nur ein paar Chips vom Gastgeber großzügig spendiert, und unsere Eiweißriegel, um unsere Löcher im Bauch wenigstens etwas zu stopfen.

    Ganz schön unhöflich hungernde Wanderer in diesem Zustand und ohne schlechtes Gewissen ins Bett zu schicken.
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  • Gün 19

    Templer mit Seeigel

    9 Mayıs 2019, Fransa ⋅ 12 °C

    T5, Tag 19, WT 15:
    Nontron – Cercles, 31,8 km, H390, A490, reine Gehzeit 6:17, Donnerstag, 9.5.2019

    Der Morgen zeigte sich von seiner besten Seite, vergessen waren die Strapazen von gestern. Die klare Luft, der blaue Himmel, und das satte grün der Landschaft zogen uns förmlich hinaus zu unserer heutigen Wanderung von knapp zweiunddreißig Kilometern, nach „Cercles“. Unseren englischen Gastgeber ließen wir wieder allein in seiner Einsamkeit.
    Wir folgten der kaum befahrenen „Route du Marquis“ inmitten herrlichen Natur. Leider war es nach ein paar Kilometern schon wieder vorbei mit dem schönen blau am Himmel. Auch mit den intensiven Farben hatte es ein Ende als das triste Grau das strahlende Blau ersetzte. Alles Liebliche wandelte sich schlagartig in einen kalten, grauen Frühlingstag.
    Nach sieben Kilometern passierten wir die wenigen, versprengten Häuser von „Brissonneau“, ein Straßenkaff, das wir mit Ignoranz straften, es gab ja eh keinen Franzosen zu sehen.

    Zwei Kilometer weiter betraten wir „Saint-Front-sur-Nizonne“ und suchten nach seinen einhundertneunundfünfzig, unsichtbaren Einwohnern. Hier zog uns die romanische Dorfkirche „Eglise Saint Front“ aus dem 12. Jahrhundert in ihren Bann. Leider wollte aber die Kirche nichts von uns wissen, sie war geschlossen. Dennoch, der Bau- und besonders das Eingangsportal beeindruckten einmal mehr durch sein archaisches Äußeres.
    Wir folgten der „Route de la Chapelle“ und erspähten beim zwölften Tageskilometer eine alte Ruine am Straßenrand, keine Ahnung, um welche es sich dabei handelte. In jedem Fall spukte der Gaul wieder ordentlich in unserem Hirn herum und brachten unsere Fantasie wieder so richtig in Wallung, eine willkommene Abwechslung von der Wandermonotonie. Was hätten wir alles daraus machen können, wir träumten von einer einzigartigen Event-Location.
    Die Landschaft war makellos, hier gab es nichts, was sie in irgendeiner Form beeinträchtigen könnte, reine Natur, keine Windmühlen, keine Strommasten, wenige alte Käffer, keine Menschen, fast wie immer, wir waren ganz allein.

    Nach weiteren drei Kilometern erspähten wir nahe „Les Brageaux“ so etwas wie ein einsames beeindruckendes Gutshaus oder Schloss, in jedem Fall war es alt und vermutlich bewohnt, worauf einige geöffneten Fenster hinwiesen. Der Park davor erschien uns wie geschaffen für eine Rast. Weil die Wiese zu nass war, kauerten wir uns an einen trockenen Baum, zelebrierten einmal mehr unser Baguette und lauschten der Stille, die trotz der feuchten und noch kühlen Jahreszeit von dem Zirpen der ersten Grillen gekrönt wurde.
    Wir folgten immer weiter der „Rue du Passadour“. Die Weite der jungen-, leicht hügeligen-, und strotzend grünen Getreidefelder rechts der unbefahrenen Straße war beeindruckend. Nur der Horizont zeigte den im Wind tanzenden Feldern ihre Grenzen.
    Nach gut Siebenundzwanzig Kilometern verließen wir die einsame Straße, um auf einem Feldweg der Natur noch näher zu sein.
    Plötzlich riss mich Marions plötzlicher Aufschrei aus meiner tiefen Wanderlethargie. Sie blickte auf den Feldweg und deutete auf einen runden Stein, es war ein versteinerter Seeigel, vermutlich Kreide Zeit, siebzig Millionen Jahre alt, hier, völlig unerwartet. Fossilien waren das Letzte, was ich auf diesem Feldweg erwartet hätte. Dazu muss man wissen, dass ich manchmal wie besessen nach Fossilien suche, beispielsweise auf Helgoland, dann erliege ich dem „Jagdinstinkt“.
    Wegen ihres enormen Alters ziehen sie mich förmlich in ihren Bann. Immer schon gab es auch in der Familie einen Wettstreit wer die besten davon findet. Umso herber war diese „Niederlage“ für mich. Ich gönnte Marion dennoch den Triumpf, bin ich doch sonst oft der „Gewinner“.

    Nach gut dreißig Kilometern erlöste uns endlich der Wegweiser nach „Cercles“ von unserer Ungeduld. Die kleine, links abzweigende Straße „C1“, führte den Berg hinauf und hatte sich fest vorgenommen es uns noch einmal so richtig zu zeigen. Nach der bereits hinter uns liegenden Strecke hatte sie es jedoch nicht besonders schwer.

    Am Horizont kam „Cercles“ langsam näher.
    Als wir den kleinen Ort mit vielleicht zwanzig bis dreißig Häusern betraten war klar, dass dieser-, mit seinen einundsechzig Einwohnern, eingebettet in grandiose Natur, ein ganz Besonderer war. Es sah so aus, als wäre nur ein kleiner Teil der Häuser bewohnt, einige der historischen Gebäude wirkten verfallen.
    Viele Orte in Frankreich sind alt, aber der hier war historisch, uralt. Die Häuser waren keine „normalen“ alten Gebäude, nein, fast alle Häuser waren kleine Monumente, gebaut aus großen Quadern. Und so erinnerte das Dorf-Ensemble auch eher an eine alte Burg. Umso mystischer, weil auch hier keine Menschen zu sehen waren, vermutlich irgendwo versteckt hinter den meterdicken Mauern.
    Auf die Idee, dass überhaupt hier jemand wohnt, kamen wir eigentlich nur, weil vor den Häusern vereinzelt Autos standen. Es hätte aber auch genauso gut ein Museumsdorf sein können.
    Im Zentrum des kleinen Ortes war die beeindruckende Kirche „Cercles - Église Saint-Cybard“, beschützt von einer Ringmauer. Beeindruckend, weil auch Sie anders war, besonders alt, erbaut 1169, zur selben Zeit als auch der Ort entstand.
    Über die Geschichte des Ortes gibt es nur wenig Überliefertes, vermutlich aber wurde er von den Templern errichtet, so sah er auch aus.
    Wir suchten unsere Unterkunft, das Chambres d'hôtes „L'Echappée Belle“ von Marie Descreaux. Nicht einfach zu finden, da sich die Häuser von außen mit ihren gewaltigen Mauern und kleinen Türen, ohne Namen und Hausnummern alle sehr ähnlich waren, und zum Fragen gab es keinen.
    Irgendwann klopften wir dann an der richtigen Tür, und Marie, vielleicht um die Mitte vierzig, öffnete uns mit ihrem netten französischen Lächeln, sie erwartete uns bereits.
    Sie wohnte alleine hier, Ihre Kinder studieren irgendwo in Frankreich. Das altehrwürdige Gemäuer, von ihr selbst mit eigenen Händen restauriert, war innen ein schwieriger Kompromiss zwischen einem archaisch-historischem Gebäude und ein bisschen Wohnkomfort.
    Beides in einer passenden Form in Einklang zu bringen war eine schwierige Herausforderung. So saß man beispielsweise am Küchentisch in einer Küche mit einer modernen Kochzeile aber direkt vor einem gigantischen, offenen, Steinkamin aus dem Mittelalter, inmitten von meterdicken Quader-Mauern.
    Unser Zimmer war im zweiten Obergeschoß unter dem Dach und von gleicher Monumentalität. In die Wand vor den beiden Fenstern waren Steinstufen als Sitze eingebaut, ganz so wie es früher die Wachposten bei den Burgen zur Beobachtung der Umgebung hatten. In meiner Fantasie sah ich hier noch die Templer sitzen.
    Die Zimmer-Einrichtung war frech und farbenfroh Französisch, eine wilde und witzige Mischung.
    Marie sorgte für uns und zauberte uns ausgehungerten Wanderern noch ein köstliches Abendbuffet. Wir hatten viel Spaß mit ihr und dank „Google Translate“ eine angeregt-witzige Unterhaltung auf Deutsch-Französisch, es gab viel zu lachen.
    Später im Bett ließ uns die weitgehend unbekannte Geschichte des Gemäuers nicht los, der Raum war erfüllt von seiner tausendjährigen Geschichte. Auch die absolute Stille leistete ihren anregenden Beitrag dazu, sorgte sie doch im Einklang mit dem Gemäuer für einen gewissen „Spukfaktor“.
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  • Gün 18

    Durchgestanden

    8 Mayıs 2019, Fransa ⋅ 11 °C

    T5, Tag 18, WT 14:
    Châlus - Nontron, 34,7 km, H470, A440, reine Gehzeit 6:33, Mittwoch, 8.5.2019

    Das Kaiserwetter beim Frühstück von gestern mussten wir heute mit strömenden Regen büßen, was für ein Scheiß. Schlimmer konnte der Blick aus dem Fenster nicht sein und dann auch noch mit fast fünfunddreißig Kilometern vor der Brust.
    Unsere Unterkunft, das „Au fil du temps“ war ein gediegenes, aber etwas altbacken und morbide wirkendes Haus völlig ohne Geräusche, es war fast unerträglich still hier. Wie schon erwähnt waren wir die einzigen Gäste. Der Gastgeber war nett und gab sich alle Mühe mit uns.

    Punkt neun standen wir auf der Straße, in voller Regenmontur und Regenhut wetzten los. Noch einmal kamen wir am gestrigen Restaurant „Le Sax'o“ vorbei und entdeckten dabei auch noch eine alte Burgruine hoch über der Stadt thronend, es war die Burg „Châlus-Chabrol“.
    Sie wurde im elften Jahrhundert von den Vizegrafen von Limoges erbaut. Aber damit nicht genug, hier wurde Löwenherz, als er die Burg belagerte, am 25. März 1199 von einem Pfeil oder einem Armbrustbolzen schwer verwundet und verstarb daraufhin wenige Tage später. Trotz strömenden Regens überkam mich die Ehrfurcht, Richard Löwenherz hier? WoW! Ich hoffe nur er hatte besseres Wetter an seinem Schicksalstag.

    Die „Route des Feuillardiers“ führte uns die nächsten drei Kilometer hinaus aus der Stadt. Danach folgten wir, rechts, einer kleinen und kaum befahrenen Straße, wo wir nach weiteren fünf Kilometern das nächste Monument erspähten. Es war die „Burg Montbrun (Dournazac)“, eigentlich mehr ein eindrucksvolles Lustschloss, erbaut zwischen dem zwölften und fünfzehnten Jahrhundert.
    Die Burg steht seit 2009 zum Verkauf, falls einer von Euch Interesse hat …

    Abgesehen von dieser geschichtlichen Augenweide waren wir, trotz Regenklamotten mit höchstem Regenschutzsiegel, bereits klitsche Nass, inklusive der Klamotten darunter und es war kalt, sehr kalt.
    Wir hatten bereits die Nase gestrichen voll und wollten uns gerne in einer Kneipe, direkt an der Straße mit Aussicht zur Burg, wärmen. Leider war sie geschlossen, unerträglich so etwas.

    Ein paar hundert Meter weiter verließen wir auch diese Straße, um links einem Pfad dem Berg hinauf zu folgen. Eigentlich war der Pfad-, und im Übrigen auch die weiteren Pfade, mehr ein durchgehendes Schlammloch, das wir am Abzweig nur äußerst zögerlich betraten. Bereits nach den ersten Metern waren auch unsere „wasserdichten“ Schuhe völlig durchnässt und verschlammt. Jeder Schritt gab schmatzende Geräusche vor sich. Es half nur eines, frierend die Augen zu und durch. Wenigsten war der Pfad unter Bäumen, wo der Regen nicht ganz so hart auf uns einschlug.

    Nach gut zwanzig Kilometern kauerten wir uns eng unter einem Baum am Wegesrand zusammen und mampften nass, frierend, schweigend und frustriert, das einzige Highlight des Tages, unser Pausenbaguettes. Das Regengeplätscher war die Musik dazu. Wir hatten nur einen Gedanken im Kopf, „Was machen wir hier eigentlich“?

    Es half alles nichts, da mussten wir durch. Hier gab es niemanden den wir hätten rufen können, kein Taxi, keinen Bus, einfach nichts. Menschen gab es eh wieder keine zu sehen, wir waren die einzigen Deppen, die es bei dem Wetter vor die Haustür trieb.
    Den weiteren Tourenverlauf zu beschreiben wäre mühsam, die Landschaft war uns egal, wir waren nur mit uns und dem Durchhalten beschäftigt. Fotos zu machen war wegen der himmlischen Wasserfluten nahezu unmöglich.

    Nach gut dreißig Kilometern hatte der Regen kein Wasser mehr. Zum ersten Mal am heutigen Tag konnten wir uns wieder entspannt bewegen, es war befreiend. Wobei das mit dem entspannten Bewegen so eine Sache war, denn wir waren mit unseren Kräften bereits am Ende und hatten nur noch unser Tagesziel im Kopf, das „Le Puy Gites & Bed and Breakfast“.

    Es war kaum zu glauben, aber einhundert Meter vor unserem Ziel ließ sich auch noch die Sonne blicken, ganz so als ob alles den ganzen Tag Bestens gewesen wäre.

    Das „Le Puy Gites“ lag am Rande eines riesigen Tals und bot eine fantastische Aussicht darauf. Das vermutlich ehemals landwirtschaftliche Gemäuer war ansprechend restauriert und erinnerte eigentlich mehr an eine Ranch, Pferde und Koppeln gab es hier auch.

    Der Gastgeber, ein witziger Engländer so um die sechzig, erwartete uns bereits, wir waren auch hier die einzigen Gäste.
    Unser Zimmer war enorm schwulstig, vollgestopft mit hochwertigem Plüsch, die Geschmäcker sind halt verschieden.
    Unser Gastgeber aber wusste was sich gehört und zauberte uns noch einen reich gedeckten Tisch, über den wir uns nur so hermachten, ausgehungert wie wir waren.
    Es folgte noch eine nette Unterhaltung wo wir, fast wie immer, einem ungläubigen von unserem Projekt und unseren kleinen Abenteuern berichteten.
    Nach einer ausgedehnten, heißen Dusche gab es nur noch eines, mit vollem Bauch im weichen Bettchen versinken und diesen Tag ganz, ganz schnell wieder vergessen.
    Okumaya devam et

  • Gün 17

    Rote Rosen

    7 Mayıs 2019, Fransa ⋅ 14 °C

    T5, Tag 17, WT 13:
    Limoges-Châlus, 35,6 km, H690, A600, reine Gehzeit 9:45, Dienstag, 7.5.2019

    Frühstück bei Kaiserwetter, da schmelzen die heutigen gut fünfunddreißig Kilometer doch schon fast von allein dahin.
    Wir waren gut erholt (Man wird ja bescheiden) und unsere „Optimismus-Tanks“ schon fast wieder vollständig hergestellt.

    Wir starteten diese erneute Monsterdistanz zwar mit Respekt, dafür aber siegessicher in Richtung Südwesten.
    Unser Weg führte uns, mehr oder weniger, wieder einmal der „La Vienne“ entlang die wir nach gut sieben Kilometern ein letztes Mal über eine Brücke auf das Südufer, in der Hoffnung damit auch die Autos zurückzulassen, querten.

    Nach gut neun Kilometern verließen wir die „Rue de Lestrade“ rechts nach „Chez Picat“ wo uns gleich hinter dem Kaff wieder einmal eine meiner absoluten Lieblingsstraßen erwartete, klein, asphaltiert, keine Autos und schöne Natur, die sich im weiteren Verlauf in weites Ackerland wandelte.

    Mit dem zwölften Kilometer betraten wir eine Handvoll alter Häuser, namens „Nouailhas“, und obwohl die alten, vermutlich ehemals landwirtschaftlichen Gebäude alle recht dicht zueinanderstanden, gab es auch hier keine Menschen. Wo waren die nur alle?

    Gleich an einem der ersten alten Häuser fiel uns eine pompös- und über und über mit roten Blüten gekrönte Hausfassade auf. Es war eine rote, zart duftende Rose mit riesigen Blüten die wir bis dahin in einer solchen Größe, Farbe und Schönheit noch nie gesehen hatten. Dazu muss man wissen, dass Marions absolute Lieblingspflanzen Rosen und Kamelien sind, in unserem Garten Ihre Babys, so zu sagen. Wir waren Beide echt von den Socken über so viel verschwenderische Blütenpracht. So etwas entdeckt man vermutlich einmal mehr nur als Wanderer. Die Rose musste auf Grund ihrer Größe uralt gewesen sein.

    Ein alter Brunnen, direkt daneben, vor der wärmenden Hauswand, bot Gelegenheit für eine kurze Rast. Wir konnten diesen Ort nicht einfach so verlassen, die Sonne schien und der Rosenstrauch hatte uns fest in den Bann gezogen, aus Marion wurde meine Rosendame. Sie ließ es sich nicht nehmen dem Strauch eine Blüte zu entreißen, um damit Ihr Haar zu schmücken, danach krönten wir unsere kleine Pause mit einem Eiweiß-Riegel.

    Nur mit eiserner Disziplin konnten wir uns dem Zauber der Rose wieder entziehen und folgten nun einem Feldweg, der wegen des überhängenden Blattwerks der begleitenden Bäume eher einem Tunnel glich, romantisch.

    Nach zweiundzwanzig Kilometern passierten wir die wenigen Häuser des absolut unbedeutenden „Flavignac“, die liebliche Landschaft öffnete sich, wurde weit und war eingebettet in sanftes Hügelland, ohne Menschen, wo sind die alle hin? Der Himmel bot einmal mehr das dazu passende, grandiose Schauspiel.
    Es wäre mühsam die einzelnen Stationen der abwechslungsreichen, sich permanent verändernden Landschaft zu beschreiben, sie war schön, aber dennoch unbedeutend.

    Mit dem vierunddreißigsten Kilometer betraten wir, bereits ziemlich am Ende mit unseren Kräften, endlich „Châlus“ dessen Eintausendsechshundert Einwohner auch hier verschwunden waren und nach weiteren Eineinhalb Kilometern standen wir vor unserer heutigen Herberge, dem Chambres d'hôtes „Au fil du temps“. Ich denke wir waren die einzigen Gäste zu dieser Jahreszeit, im Sommer sieht das vermutlich anders aus.

    Auch waren wir wieder an dem Punkt, wo jeder weitere Meter Wegstrecke bedeutender Argumente bedurft hätte, wir wären echt fertig und hatten einen riesigen Hunger. Leider machte der Gastgeber keine Anstalten uns zu fragen, ob er etwas dagegen unternehmen darf, leider.

    Mit diesem Loch im Bauch konnten wir uns leider noch nicht unserer wohlverdienten Ruhe zuwenden, wir mussten das Loch unbedingt stopfen und machten uns auf, ein geöffnetes Restaurant in Dorf zu finden. Der Hunger war ein so bedeutendes Argument.

    Wir fanden das „Le Sax'o“, beherbergt in einem uralten Gemäuer mit gigantischem, offenem Kamin. Ein großartiges Restaurant, gut besetzt von satten und zufriedenen Gästen mit einem gehobenen Alkoholspiegel zu fortgeschrittener Zeit. Wir waren vermutlich die letzten Gäste, die noch etwas zum Essen bekamen.

    Obwohl wir uns zuvor im Hotel noch „restaurierten“ und auch unsere Wanderklamotten gegen die Abendgarderobe tauschten, sah man uns auch ohne Rucksack und gut gekleidet an, dass wir irgendwie anders waren. Schnell berichteten wir den neugierigen und kommunikativen Gästen, mit gehobenem Alkoholspielgel, darunter einige Engländer, von unserem Fußmarsch von Hamburg bis hierher. Wie immer vermochte es kaum einer zu glauben oder die Leute konnte sich das einfach nicht vorstellen.

    Wir hatten einen schönen und lustigen, redseligen Restabend, bereichert mit köstlichen Speisen. Dieses Restaurant ist eine echte Empfehlung.

    Zufrieden konnten wir uns nun der wohlverdienten Ruhe zuwenden.
    Okumaya devam et

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