Everglades und Südstaatenpracht
5 augustus 2022, Verenigde Staten ⋅ ⛅ 31 °C
Bereits im Morgengrauen verlassen wir PORT CHARLOTTE. An der Tankstelle fragt ein älterer Herr augenzwinkernd, ob es uns hier noch nicht heiß genug sei, als er erfährt, dass wir vorhaben, an diesem Tag in den EVERGLADES NATIONALPARK zu fahren, verabschiedet sich aber dennoch mit einem optimistischen „You’ll have fun!“. Wegen der heißen Temperaturen, der hohen Luftfeuchtigkeit und der vielen Niederschläge sind unsere Sommermonate Juli und August Nebensaison in Florida und so ist der Parkplatz am SHARK VALLEY VISITOR CENTER, den wir nach zweieinhalbstündiger Fahrt auf dem I-75 erreichen, fast leer.
Die Sonne brennt um 10 Uhr bereits kräftig, der Schweiß läuft, schon das Sonnencremeauftragen ist anstrengend. Was macht man dann vernünftigerweise, gerade wenn ein Fünfjähriger mit dabei ist? Richtig: Man mietet sich drei Fahrräder, um sich bei 35 Grad und 90 % Luftfeuchtigkeit auf einen 24 Kilometer langen schattenlosen Rundweg ohne Abkürzungsmöglichkeiten zu begeben. Mit genügend Wasser und Verpflegung ausgerüstet begegnet uns tatsächlich direkt in der ersten Kurve ein ausgewachsener Alligator. Lautlos gleitet er durchs Wasser, parallel zum Radweg. Wir steigen ab und bestaunen das Tier, das dann eine elegante Kehre schwimmt und direkt auf uns zu kommt. Ein schönes Fotomotiv, aber auch ein guter Grund, auf die Räder zu steigen und weiterzufahren. Die Landschaft ist von beeindruckender Schlichtheit. An diesem Ort sind die EVERGLADES ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe: Man fährt nicht unter dichtem Urwald und Mangroven, sondern mitten durch ebenes sumpfartiges Gebiet, denn die EVERGLADES sind ein riesiger Grasfluss, dessen Fließgeschwindigkeit so langsam ist, dass er nicht als solcher zu erkennen ist. Wenn man den Blick schweifen lässt, wirkt der Radweg ähnlich charmant wie die Strecke von Speyer nach Schwegenheim (also eher reizlos). Wenn man allerdings genauer hinschaut und links und rechts vom Weg ins Wasser schaut, sieht man exotische Pflanzen, kleine und große Fische, farbenfrohe Insekten. Reiher- und storchenartige Vögel stehen bewegungslos in der Gegend und ein zweiter Alligator schwimmt auch noch vorbei. Anderen Menschen begegnen wir nur ganz selten. Wir sind faktisch alleine auf dem Loop unterwegs, ein Mal kommt uns die Tram, die eine motorisierte Rundtour anbietet, entgegen. Ansonsten Stille und Weite. Unterwegs informieren motivierend bzw. desillusionierend auf dem Bode angebrachte Markierungen über die bewältigte Distanz. Nach sieben Meilen gibt es Gelegenheit zur Rast, ein Aussichtsturm bietet die Möglichkeit die Gras-Wasser-Landschaft von oben zu betrachten und endlich auch etwas Schatten. In unmittelbarer Nähe, etwas versteckt im Gebüsch entdecken wir einen brütenden Alligator, eine Wasserschlange gibt sich auch die Ehre. Der Rückweg ist wirklich anstrengend, Wolken verdecken die Sonne nur kurz, der versprochene Regen bleibt aus. Janosch hält sich aber mehr als tapfer und ist zurecht mächtig stolz auf sich, als wir nach etwas mehr als drei Stunden wieder im Visitor Center einfahren. Im Vorbeigehen besteht er auch im sechsten Nationalpark die Prüfung zum Junior Ranger und heftet sich das Abzeichen ans Rever seiner Rangerweste.
Im reizlosen JUPITER, zwei weitere Fahrstunden entfernt an der Ostküste FLORIDAS, tut die Entspannung im Pool gut, schmecken eiskaltes Bier und Burger doppelt, der Schlaf ereilt uns früh. Was für ein Tag.
Die nächsten beiden Tage stehen im Zeichen alter Südstaatenpracht. Zunächst besuchen wir das 1733 gegründete SAVANNAH in GEORGIA. Dort übernachten wir im „The DeSoto“ mitten in der historischen Innenstadt mit ihren prächtigen Herrenhäusern. 22 schattige Plätze bieten in der schachbrettartig angelegten Stadt Gelegenheit zur Rast unter ausladenden Eichen. Auf dem „Chippewa Square“ beispielsweise wartete Tom Hanks als Forrest Gump auf den Bus, während er seine Lebensgeschichte erzählte. Dass im Zentrum des einzigen Platzes, der nach einem indigenen Stamm benannt ist, eine Statue des Eroberers Oglethorpe mit gezücktem Schwert thront, ist zumindest einmal geschmacklos. Wir schlendern durch die Stadt, beginnend an der „River Front“, wo zahlreiche Cafés und Restaurants zur Einkehr laden und ehemalige Lagerhallen für Baumwolle und andere Waren in schöne individuelle kleine Shops umfunktioniert wurden. Es gibt reichlich Gebäude mit historischer Bedeutung wie das „Cotton Exchange Building“, einst so etwas wie die „Wall Street“ des Südens, alte Friedhöfe, eine Fußgängerzone und vor allem etwas sehr Überraschendes: Kopfsteinpflaster prägt in einigen Straßen das Stadtbild.
Über BEAUFORT, die zweitälteste Stadt von SOUTH CAROLINA, mit schöner Promenade und ebenfalls beeindruckenden Herrenhäusern und FOLLY BEACH, einem zehn Meilen langen Strand wie aus dem Bilderbuch, wo Janosch dann auch zum ersten Mal im Atlantik badet, erreichen wir das wunderschöne CHARLESTON, eine weitere traditionsreiche Südstaatenmetropole, die zwar nach dem Bürgerkrieg für eine Weile an Bedeutung verlor, jetzt aber mit ihrer prachtvollen Architektur Touristenmagnet ist.
Auch hier investieren wir etwas mehr in die Übernachtung und gastieren im traditionsreichen „Francis Marion Hotel“ in der Innenstadt mit Gepäckträgern, Valet-Parking und einer Lobby, die dem 1924 eröffneten Haus alle Ehre macht. Wir haben am Abend eines der besten Dinner unserer Reise im griechischen Restaurant „Stella’s“, löhnen dafür aber auch entsprechend. Am nächsten morgen begeben wir uns auf Entdeckungstour in CHARLESTON. Die Innenstadt ist malerisch. Große Markthallen im „Historic Charleston City Market“, historische Straßenzüge, ebenfalls mit Kopfsteinpflaster, zauberhafte Südstaatenvillen, die man sonst nur im Film sieht direkt an der „Battery Waterfront“, die „4 Corners of Law“ (eine Kirche, eine Kommunal-, eine Landes- und eine Bundesbehörde an einer Kreuzung in prächtigen Bauten gegenüber gelegen) bieten ein schönes Fotomotiv, die pastellfarbenen Häuser der „Rainbow Row“ strahlen vor sich hin, während brütende Hitze und sengende Sonne uns zu kühlen Getränken treibt.
CHARLESTON und SAVANNAH sind echte Höhepunkte und so ganz anders als die Städte im Westen. Gewachsen, voller Geschichte, entspannt old-fashioned in Atmosphäre und Stil. Auch hier in dieser Gegend könnte man fraglos Tage, Wochen verbringen, tiefer eintauchen, als nur einen Eindruck gewinnen, aber schon zieht es uns weiter nach CHARLOTTE in NORTH CAROLINA, wo wir nach gutem mexikanischen Essen in schmuddelig-uriger Atmosphäre in einem Flughafenhotel auf den nächsten Tag warten, der uns nach BOSTON zur letzten größeren Etappe unserer mittlerweile sechswöchigen Reise bringen wird.Meer informatie