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  • Day 72

    In und um Eberswalde

    August 11, 2020 in Germany ⋅ ☀️ 30 °C

    Jonas schreibt...

    Wir sind erneut auf Celines Spuren unterwegs und besuchen diesmal Eberswalde, Celines derzeitiger Wohn- und Studienort. Die kleine Stadt, in deren Kern noch viele Altbauten erhalten sind, die aber mehr und mehr dem Druck der Gentrifizierung ausgesetzt wird, liegt am Rande der mecklenburgischen Seenplatte etwa eine Zugfahrtstunde von Berlin entfernt. Sowohl Celine als auch ihr Freund Clemens, haben diesen Sommer hier ihren Bachelor abgeschlossen und werden diesen liebgewonnen Ort schon bald verlassen. Für uns alle ein Grund mehr die Chance zu nutzen um das schöne Umland ein bisschen besser kennen zu lernen.
    Die Gegend ist zwar ziemlich flach, doch reich an Gewässern und Mischwäldern.

    Nachdem wir uns als letzte Stärkung ein Eis in der stadtbekannten Diele gegönnt haben, machen wir uns auf in Richtung Schwärzesee, der sich hier vor Ort grosser Beliebtheit erfreut.
    Wir finden für einmal alles vor, was wir in unseren Köpfen als der perfekte Klischee-Wanderuni-Rastplatz vorgestellt haben: Ein malerischer Sonnenuntergang, der durch die spiegelnde Wasseroberfläche noch viel intensiver wirkt und eine Abkühlung von der Hitze des Tages im klaren Waldsee.
    Im Verlauf der Nacht verabschiedet sich Jonas's Isomatte, die seit einigen Wochen des Nachts beständig Luft verloren hat und gleicht nun viel eher einem überdimensionalen Schlauch.

    Wir besuchen Spechthausen und füllen unsere Wasserflaschen bei einem Wildnispädagogen, der verzweifelt versucht mit Holz und Bogen ein Feuer zu entfachen, weil in zwei Tagen ein Fernsehteam anrückt um dies zu dokumentieren und gehen dann weiter übers Nonnenfliess, das laut Anschlagstafel zu den schönsten Orten Brandenburgs zählt. Die Landschaft und auch der Fluss ist vom Werk der Biebern geprägt und an vielen Stellen aufgestaut und von Entengrütze überwuchert. Der Wald wirkt wild aber auch irgendwie unheimlich. Insbesondere die Mücken finden hier gute Brutplätze in Form von morastigen Feldern und freuen sich sehr über unsere Bekanntschaft. Uns dagegen fällt es zunehmend sehr schwer diese einseitige Liebe zu erwidern...
    Auf dem Rückweg nach Eberswalde begegnen wir in der Nacht zum zweiten Mal einem Wildschwein und sind heilfroh, auch diesmal nur Rascheln und Grunzlaute aber keine direkte Begegnung zu haben.

    Um neue Impulse zu setzen, haben wir den Versuch gestartet unsere alte Gruppentagesstruktur aufzubrechen und dem Begriff "Uni" mehr Platz einzuräumen. Dafür haben wir beschlossen unsere tägliche Wanderroute zu verkürzen. Wir möchten uns mehr Zeit nehmen um uns über unsere Sicht und Gefühle zur Welt auszutauschen und haben dafür als erstes das Buch "Liebe, the roadbook of love" in unseren Rucksack gepackt. Ein Buch, das eine Sammlung verschiedenster kleiner Texte von Wissenschaftler/innen aus der ganzen Welt enthält und uns viel Stoff für Austausch bietet.
    Auch Abends reflektieren wir im Schein eines Teelichts, was wir am vergangenen Tag feiern, bedauern und wofür wir dankbar sind. In unsere Schlafsäcke gemummelt, lesen wir uns aus der Nibelungen Saga vor.

    Zurück in Eberswalde machen wir uns für den Workshop bereit und geniessen den Abend mit Popcorn und dem Film "Die göttliche Ordnung", der sich um die späte Einführung des Frauenstimmrechtes in der Schweiz dreht. Wir sprechen in den Tagen immer wieder über Rollenverhältnisse und inwiefern und an welchen Stellen die Überwindung der Geschlechter(-rollen) Sinn macht. Ob eine positive Diskriminierung ein erlaubtes und notwendiges Mittel ist um dem Ziel der Gleichberechtigung näher zu kommen. Und ob Männer auch Feministen sein können und wie wir den Begriff überhaupt definieren.

    Wir planen unseren näche Reiseabschnitt und freuen uns schon sehr darauf ab Mittwoch einen Perspektivenwechsel einzugehen für einmal nicht zu Fuss sonder auf dem Wasser unterwegs zu sein. Zudem ist unsere Gruppe gewachsen: Seit Samstag und für die kommenden drei Wochen wird uns nun auch wieder Isolde begleiten.
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  • Day 68

    Zu Besuch in Köln

    August 7, 2020 in Germany ⋅ ☀️ 30 °C

    Jonas schreibt:

    Zum ersten Mal auf unserer Wanderuni-Reise gehe ich für einige Tage andere Wege, während meine Gruppe weiter unterwegs ist. Ich treffe in Köln meinen Onkel, meine Cousine und meinen Cousin aber auch meine Schwester und meine Mutter wieder.
    Der Lärm und das schnelle Leben, wie wir es für kurze Zeit auch in Frankfurt hatten, ist hier ebenso präsent, wie die Hitze, die mit über 35 Grad über der Stadt liegt.
    Auch bin ich es von der Wanderuni nicht mehr gewohnt auswärts zu Essen oder ein gekühltes Getränk mit auf den Weg zu nehmen. Entsprechend geniesse ich ausgiebig das leckere vegane Essen, das sich hier in Köln schon sehr gut etabliert hat.
    Wir besuche die vielen schönen Ecken und Bauwerke der Stadt und begegnen dann und wann auch der kölschen Kultur. Am Samstag kühlen uns an einem der Baggerseen ab, die sich gerade jetzt grosser Beliebtheit erfreuen.

    Da bald Wahlen stattfinden, hängen diverse unbekannte Köpfe, die mir nicht viel sagen an der Strassenbeleuchtung. Die Aufmachung der Plakate lässt sich auch ohne Parteilogo gut zuordnen und unschwer (manchmal gar etwas plump) der anzusprechenden Wählerschaft zuordnen. Entsprechend läuft es hier gar nicht so viel anders ab als zuhause in der Schweiz.

    Ich freue mich, dass das Thema Lebensmittelverschwendung auch in Köln angegangen wird und viele Geschäfte mittlerweile mit der App "To good to go" zusammenarbeiten.

    Am Montag früh nehe mich dann den Flixtrain im Richtung Berlin und freue mich schon jetzt auf mehr Ruhe und Grün.
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  • Day 65

    Kronberg im Taunus

    August 4, 2020 in Germany ⋅ ⛅ 20 °C

    Jonas schreibt:

    Unsere nächste Station ist Kronberg im Taunus, eine Kleinstadt im Frankfurter-Umland, die sich sanft an den hiesigen Gebiergsfuss schmiegt. Sie ist dafür bekannt, dass hier einige alte deutsche Adelsgeschlechter ihr Zuhause haben. Wie ich ehrlicherweise zugeben muss, bin trotz GFK Workshop etwas vorurteilsbeladen, erwarte ich doch eher einen protzigen Ort mit riesigen, umzäunten Villen und viel zur Schau gestelltem Prunk. Ich sollte mich täuschen.
    Kronberg erweist sich als überraschend hübsch und zeichnet sich durch seine liebevoll gestaltete historische Altstadt, die schön erhalten Fachwerkhäuser, einen riesigen wilden Park und eine malerische mittelalterliche Burg aus. Immer wieder erhasche ich einen Ausblick in Richtung Frankfurt, das sich von hier ziemlich gross, grau und in einem sehr groben und etwas dunstigen Kontrast abzeichnet. Ich kann die Menschen, die es hierher gezogen hat in diesem Moment plötzlich sehr gut verstehen.

    Wir machen uns auf nach Oberhöchstadt, wo Celine aufgewachsen ist und folgen dafür einem wilden Weg, der uns mit einer Fülle an Früchten und Beeren beschenkt.
    Angekommen, werden wir herzlich von Celines Eltern aufgenommen und staunen über die vielen kunstvollen Details aus vergangener und neuerer Zeit, die es hier in der Wohnung zu entdecken gibt. Wir stöbern auch in Celines alten Fotoalben und entdecken nun vieles davon in Bildern wieder, was wir bereits aus ihren Erzählungen kennen. Am Dienstag Nachmittag stösst schliesslich noch Elise, eine Studiefreundin von Regina, zu unserer kleinen Gruppe dazu. Wir nutzen die Gunst der Stunde und zaubern am Abend kurzerhand ein drei Gänge Menu auf dem Tisch, bestehend aus kalter Gemüse Gaspacho, gefüllten Wraps mit Hummus und Erbsen-Guacamole und zum krönenden Abschluss einem Früchte- Schokofondue.

    Es ist schon Mittwoch Mittag als wir mit gut gepackten Rucksäcken in Richtung Taunus aufbrechen.
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  • Day 64

    Eine Stadt, ein Abschied und ein Zuhause

    August 3, 2020 in Germany ⋅ ☀️ 20 °C

    Jonas schreibt:

    Am Montag Nachmittag, nach dem GfK Workshop, gönnen wir uns ein großes Eis und besuchen die Wahrzeichen der Stadt: Die Kathedrale und den Römer, die große Einkaufsstrasse und die etwas skurrile aber auch sehr hübsche "neue" Altstadt.
    Am Hauptbahnhof verlässt uns Lotte, die Zuhause noch einige Vorbereitungen zu erledigen hat. Wir freuen uns aber alle, das sie schon ganz bald wieder unsere Gruppe bereichern wird und fortan mit uns in der Gruppe unterwegs sein wird.
    Dann machen wir uns auf nach Kronberg, wo wir auf einem Zwischenhalt, Celine Elternhaus besuchen und etwas mehr über ihre Vergangenheit lernen dürfen.
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  • Day 64

    Gewaltfrei in Frankfurt

    August 3, 2020 in Germany ⋅ ⛅ 18 °C

    Jonas schreibt:

    Mit vielen neuen Eindrücken im Gepäck verlassen Lotte und Jonas am Samstag die Seenplatte und fahren über Berlin, wo Celine wieder zu uns stösst, nach Frankfurt am Main. Fast zwölf Stunden sitzen wir im Zug, reden, spielen Dixit und stimmen uns dabei auf den kommenden Workshop ein. Es ist schon fast Dunkel als wir unseren Schlafplatz, einer echten mongolischen Jurte, die sonst als Waldkindergarten genutzt wird, erreichen. Diesen tollen Ort, haben wir der Tante von Celine zu verdanken und wir sind sehr froh ein Dach über dem Kopf zu haben, als des Nachts ein heftiges Unwetter über uns hereinbricht.
    Am nächsten Morgen staunen wir noch einmal, welche kleine grüne Oase hier mitten in der Stadt existiert.

    Wir machen uns auf in die Stadt um Pauline und Regina zu treffen, die für die kommende Woche noch einmal zu uns stossen werden. Das Zentrum von Frankfurt ist ein starker Kontrast zu der ruhigen Umgebung, die wir die letzten Wochen um uns hatten und wir spüren das Leben aber auch dir Hektik, die diese Stadt umgibt.

    Was wäre wenn wir für einmal alle Bewertungen, Kategorisierungen und Vorurteile loslossen könnten, wenn wir mit anderen Menschen und mit uns selbst in Kontakt treten? Wenn wir statt Aussagen zu Interpretieren und uns über harsche (?) und unfreundlich (?) Worte zu ärgern, die Gefühle und Bedürfnisse , die dahinter stehen erkennen und sich die Situation, mag sie noch so ungemütlich sein, als Geschenk sehen, die uns andere Menschen machen. Um dies zu lernen machen wir uns auf nach Frankfurt am Main und statten Amy und Uli, die sich schon lange mit gewaltfreier Kommunikation beschäftigen einen zweitägigen Besuch ab.
    Wie Lotte am ersten Tag treffend sagt "Es fühlt sich fast so an, als würde ich eine neue Sprache lernen". Wir erfahren, dass wir schon von Kindsbeinen an in einer Umwelt aufwachsen, die eine systematische Gewalt auf uns ausübt in dem sie belohnt oder bestraft, streng zwischen richtig oder falsch und gut oder böse unterscheidet und uns damit immer wieder voneinander trennt. Wir bemerken, dass jede Handlung dazu dient Bedürfnisse zu erfüllen und so manche davon ein tragischer Ausdruck von Mangel und Kontakt ist, dem wir dann mit noch mehr Abgrenzung und Wiederstand begegnen.
    Die GFK versucht neuen Kontakt zu schaffen und hilft uns unsere Empathie für andere aber auch uns selbst wiederzufinden. Keine einfach Sache, sind wir doch von vielen alten Mustern oder Strategien geprägt.
    Am Ende dieser zwei Tage kennen wir uns selbst und gegenseitig etwas besser und haben einen ersten Eindruck davon bekommen, wieviel friedlicher unsere Welt aussehen könnte, wenn wir die Sprache der Achtsamkeit sprechen würden.
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  • Day 62

    Mit Hannah Arendt an der Seenplatte

    August 1, 2020 in Germany ⋅ ⛅ 14 °C

    Jonas schreibt:

    Fünf paradiesische Tage auf einem mediterran anmutenden Hof am Rande der mecklenburgischen Seenplatte durften wir zusammen mit Barbara Hahn, einer Germanistik-Professorin, verbringen. Umgeben von einer leicht hügeligen, weiten Landschaft, voller Kieferwälder und klarer Gletscherseen. Ein kleines Paradies und wohl eine der schönsten Gegenden Deutschlands, laden uns hier zum Lesen, Geniessen und Erholen ein. Für einmal ist neben Gartenarbeit auch viel faktisches Wissen über Geschichte und Politik in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg gefragt.
    Unsere Gastgeberin lernen wir als sehr umgängliche Person kennen und schätzen, die es liebt, fast ständig Gäste auf ihrem grosszügigen Hof zu haben, Geschichten und Wissen zu teilen und die über eine erstaunliche Flexibilität verfügt, sich mit und über Themen und Menschen diverser Art und Alters zu unterhalten.

    Hannah Arendt, an deren Lebenswerk in Form einer Gesamtausgabe Barbara Hahn gerade arbeitet, kenne ich, wie ich zähneknirschend festgestellen musste, bisweilen nur aus einem Fernsehbericht, aus dessen Inhalt mir nur das Bild einer älteren Frau mit einer Zigarette in der Hand und einer Persönlichkeit, die eine eher unkonventionelle Meinung vertrat, geblieben ist. Mit Barbara Hahn besprechen wir bei Sonnenschein, angenehmem Lüftchen und wolkenlosem Himmel ihr bekanntes Essay "Organisierte Schuld", welches in in intellektuellen Kreisen und vor allem auch bei der jüdischen Bevölkerung, zu der Arendt selber auch zählte, grosse Wellen geschlagen und für Entrüstung gesorgt hatte. Sie sah die Mechanismen und Ursachen für die schrecklichen Geschehnisse in Deutschland als ein weltumspannendes und nicht territoriales Problem, welches jederzeit und überall wieder auftreten kann und dessen langfristige Auflösung nur mit einem neuen, globalen Verantwortungsgefühl möglich sein wird, das ohne Abgrenzung jede/n betrifft. Ein Appell und eine Warnung, die sich gut in etwas abstrakter Weise auch auf diverse Themen globaler Kriesenbewältigung wie z. B. den Klimawandel anwenden lässt.
    Arendt selbst liess sich zu Lebzeiten bewusst in keine Schublade stecken, sah sich weder als Deutsche, noch als Amerikanerin und blieb bis zum Schluss, allen Versuchen der plumpen Kategorisierung trotzend, einzig ihrer eigenen Philosophie, ihrer Weltansicht und ihren zahlreichen Freunden treu.

    Diese doch eher schwere Kost verdauen wir bei vorzüglichem Essen, Sonnenuntergängen, die wahrlich einem Gemälde entsprungen sein könnten und der Beobachtung der vielen Rauch- und Mehlschwalben, die hier auf dem Hof mit viel Raudau und Vergnügen von Frühling bis Spätsommer nisten.
    Wir baden in glasklaren Seen, die zu unserer Verwunderung noch zu grossen Teilen von grossen Mischwäldern umgeben sind, suchen und finden die ersten Riesenschirmpilze am Waldrand und kommen auch einige Male mit dem typischen DDR-Flair und deren Ruinen der Zeitgeschichte in Kontakt.

    Neben mir sind auf dem Hof auch noch Eva, Louis und Caro aus der Wanderuni-Gruppe "Esel" sowie Lotte, die das Ganze für uns erst möglich gemacht und organisiert und deren ursprüngliche Wuni-Gruppe sich leider aufgelöst hat, zugast.
    Einigen davon werden wir, so hoffe, ich nach dieser schönen Zeit auf dem Land auch auf unserer weiteren Reise wieder begegnen.
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