Verkrümelt.

August 2018 - October 2019
Ein Jahr Auszeit zwischen Biber, Bären und Bergen.  Read more
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  • Day 33

    (K)Ein Date mit Mr. Grizzly

    September 28, 2018 in Canada ⋅ 7 °C

    Das kanadische Bier ist um einiges dünner als das europäische. Also gilt hier die Devise: Viel Bier schmeckt viel. Was dazu geführt hat, dass wir nach einer feuchtfröhlichen Nacht mit Karaoke-Geträller ziemlich zerknautscht aufgewacht sind. Und weil es hier verboten ist, Alkohol in der Öffentlichkeit zu konsumieren, haben wir unsere Döschen-Sause im Auto zelebriert. Backstreet Boys auf dem Baumarkt-Parkplatz. Wir leben den Traum. 

    Nach einem Kater-Tag gediegenen Gammelns in Squamish wollten wir am nächsten Tag in Whistler zum Rainbow Lake wandern und den dazugehörigen Haufen besteigen.  Nach einem üppigen Frühstück und einem kleinen Pläuschchen mit einem sympathischen Park Operator, der im Nebensatz fallen ließ, dass einige Wanderwege aufgrund von Bären gesperrt seien, wir uns aber keinen allzugroßen Kopf darüber machen sollten, sind wir los gestiefelt. Unterwegs haben wir uns an den ersten zwei Bär-Warnschildern vorbei gelacht, hinter dem dritten "Achtung! Grizzlies" machte sich dann bei mir die Paranoia breit. Jedes Stöckchenknacken klang nach Meister Petz. Jedes Brummeln nach einem hungrigen Bärenbäuchlein. Der Kopf kann in so einer Situation ein echter Kasper sein. Und so musste Tim dann mit mir -ohne Gipfeltriumph- zurück stapfen. Und der Tag ist mit einer kleinen fußfaulfreundliche Runde zum Cheakamus Lake und einem Abstecher in die Skifahrschönheit Whistler geendet. Whistler, das Ischgl Kanadas, ist rund um seine mit Touristen gefütterte Innenstadt eines der schönsten Wintersportgebiete der Welt. Aber auch im Herbst durch seine intensive Laubfärbung ein ziemlich muckeliger Anblick. 

    Dafür haben wir dann am nächsten Tag unsere Waden beim Wandern des Wedgemount Lake Trails ordentlich brennen lassen. Einer der, wie Google prophezeit hat, anspruchsvollsten Wanderwege Whistlers. Google hat nicht gelogen. Über Wurzeln, Steine und Matsch geht es 6 holprige Kilometer auf 2000 schweißtreibende Höhenmeter. Aber der Rund-um-Ausblick auf die umliegenden Gipfel und den Wedgemount Lake zu Füßen hat sich auf jeden Fall gelohnt. Tim hat sich dann auch noch seinen Gipfel gegönnt und ist den Mount Cook hoch gestampft.
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  • Day 35

    Aus Liebe zur Natur

    September 30, 2018 in Canada ⋅ 🌧 6 °C

    Auf unserem Weg weiter in die Rockies haben wir uns noch ein Wiedersehensschlemmermahl mit Nine und Christian gegönnt, bevor die beiden wieder zurück nach Deutschland fliegen. Bei Fisch und Fusel haben wir Anekdoten der letzten zwei Wochen ausgetauscht und über Kanada geschwärmt. 

    Leider hat sich beim Abwasch am nächsten Morgen ein kleines Malheur offenbart, als Nine aus dem Pampa-Plumpsklo zwei kleine graue Stiele traurig aus einem Berg aus Exkrementen ragen sah. Anstatt das Abwaschwasser nachts in die Natur zu kippen, landete es nämlich im stillen Örtchen. Der Umwelt zuliebe reisen wir jetzt also mit einer Gabel und einem Löffel weniger. (An die lieben Superleicht-Besteck-Schenkenden von zu Hause: Es tut mir furchtbar leid. 🙁) 

    Auf der Weiterfahrt nach Jasper haben wir einen kleinen Zwischenstopp am Okanagan Lake eingelegt, der hiesigen Weinanbaumetropole. Die Region hat mit ihren weiten Feldern und den mit Weinreben gepflasterten Hängen auch tatsächlich ein bisschen toskanischen Charme. 

    In ungewohnt zivilisationstauglichen fleckfreien Hosen haben wir uns unter Winzer und durstige Touristen gemischt und bei mäßig erfolgreich eloquentem Halbwissen-Glasschwenk-"Hmmm... Exquisites Tröpfchen" - Smalltalk ein paar Schoppen verschlürft. 

    Nach drei Weingütern und einigen vom Feld geklauten Äpfeln waren wir uns allerdings schnell einig, dass das Ganze leider doch eine recht abgekartete, touristische Angelegenheit ist. 

    Egal. Zwei Flaschen überteuerten Wein haben wir uns trotzdem gegönnt.
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  • Day 39

    Im Frostfach aufgewacht

    October 4, 2018 in Canada ⋅ -6 °C

    Raus aus den dünnen Söckchen und rein in die Thermo-Leggings: Während wir am Okanagan Lake noch Sonnenstrahlen genascht haben, sind wir zwei Tage später bei frostfachartigen - 12°C im Auto aufgewacht. Anfang Oktober den ersten Schneemann zu bauen und mit knirschenden Füßen durch den Winterwald zu stapfen ist zwar unerwartet früh, mindert die Wintereinbruchswonne aber nicht. 

    In Jasper haben wir auch unseren ersten Elch erspäht. Dachten wir zumindest. Dass es sich dabei aber "nur" um die kleinere Variante, ein Wapiti handelte, wurde uns erst später klar, als wir dann doch noch vor einem echten Elch standen: Auf dem Rückweg unserer Wanderung von den Baldhills hat Tim zwischen den Tannen zwei Paar ziemlich lange Beine erspäht. Und dann trabte er von links heran. Was für ein mächtiger Haufen Plüsch! Mit seinem Geweih hätte er uns locker beide komfortabel durch den Wald tragen können. Oder jagen. Momentan herrscht in den hiesigen Wäldern Brunftzeit und es wird großzügig davor gewarnt, zwischen einen dieser ausgewachsenen Papas und seine Ladys zu geraten. Allerdings hatte dieser Zottel nur geringes Interesse an uns und ist einfach weiter gestapft. Ein unheimlich beeindruckendes und gleichzeitig einschüchterndes Tier. Ein paar Schritte weiter haben wir zwischen einer Horde lüsterner Kameras auch die dazugehörige Elchkuh und ihr Junges gesehen. 

    Da sich mittlerweile doch langsam Eiszapfen an den Fingern bilden, wenn man längere Zeit draußen verbringt, verlagert sich unser Leben nach 18 Uhr zunehmend in Tonis vier beheizbare Wände. Also genießen wir unseren abendlichen Couscous mit eingezogen Köpfen und dem lauschigen Gebläse der Heizung. Unsere Schlafplätze sind mal mehr, mal weniger legale Parkplätze, die wir Mithilfe der App iOverlander oder Wikicamps austüfteln. Das ging bislang auch meist gut. Nur ein Mal hat Park Operator Warren tatsächlich seinen Block gezückt und uns einen Strafzettel gedrückt. Für unerlaubtes Parken über Nacht. Für brave Kriminelle, die die Gebühr innerhalb von 14 Tagen bezahlen, gibt es allerdings auch $15 Rabatt, sodass wir für $50 mit unserem Schlafplätzchen davon gekommen sind. 

    Die haben wir auch gleich in einen Abstecher in die Miette Hotsprings investiert. Dabei handelt es sich um ein gut beheiztes Außenplanschbecken mit Aussicht auf die Rockies. Bei 3°C Außen- und 38°C Wassertemperatur lässt es sich dort ganz gut schrumpeln
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  • Day 40

    Falsche Fährte

    October 5, 2018 in Canada ⋅ 4 °C

    Unser letzter Versuch, im Märchenwald-Mekka Jasper noch einen letzten Blick auf ein paar Tiere vor ihrem Winterschlaf zu erhaschen, hat uns zum Wabasso Lake Trail geführt. Und tatsächlich haben wir dort neben Eichhörnchen, Eichhörnchen und noch mehr Eichhörnchen auch ein paar größere Spuren im Schnee gefunden. Unsere Pfadfinder-Intuition war sich sicher, dass es sich dabei um Bärentapsen handelt. Und nun? Ein kritischer Blick, ein paar Mal in den Schnee geditscht und die abschließende Einigung darauf, dass diese wohl schon ein paar Tage alt sind. Also Angstschweiß von der Stirn wischen und ab durch den Wald. Ein paar Stunden später die Ernüchterung: weit und breit mmer noch kein Tier. Aber immerhin hat Tim einen gandalfwürdigen Wanderstock gefunden. Auch schön.

    PS: Zurück im Auto hat der Blick ins virtuelle Biobuch verraten, dass unsere Spurenlesertalente nur zum Teil recht hatten hatten. Und die Abdrücke eigentlich von einem Wolf stammten. Aber nicht mal der hatte offensichtlich Lust auf einen German Snack.
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  • Day 42

    Große weiße Haufen

    October 7, 2018 in Canada ⋅ 🌙 0 °C

    Von Jasper ging es weiter nach Banff. Der Highway hat uns an unzählig vielen schneebedeckten Bergen vorbei über das viel gelobte Columbia Icefield geführt. Die Kamera hat beim Versuch, die Weite und dieser unzähligen mächtigen Haufen einzufangen, schlichtweg kapituliert.Read more

  • Day 43

    Happy Thanksgiving!

    October 8, 2018 in Canada ⋅ ❄️ 0 °C

    Banff gilt als hartes Pflaster, wenn es ums Übernachten im Auto geht. Offiziell ist der gesamte Nationalpark nicht für Camper, die sich vor den Gebühren drücken wollen, ausgelegt. Also hat es auch nichts genützt, Travel Toni in einer Seitenstraße zwischen anderen Autos zu tarnen. Ein eifriger, aber sehr freundlicher Park Operator hat uns dennoch erspäht und uns wach geklopft. Also rein in die fünf warmen Schichten unserer Zwiebelverpackung und ab auf den öffentlichen Parkplatz, um uns ein feierlich dekadentes Frühstück zu gönnen. Guacamole, Überraschungsei und gefrorenes Obst. Und nach einem gemütlichen Schlendertag durch Banff gab es dann auch noch mal ein üppiges Abendessen. Fleischlos. Truthahnlos. Vegetarisch. Om nom nom. Happy Thanksgiving!Read more

  • Day 45

    Home sweet Home

    October 10, 2018 in Canada ⋅ ❄️ -2 °C

    Nach Tagen in gekrümmter Frühstücksposition haben wir uns ein bisschen Dekadenz gegönnt und ein paar warme airbnb-Wände zum Aufrecht gehen geleistet. Wir haben die muckelige Heizungs- und Bettdeckenwärme maximal ausgenutzt und den gesamten Tag das Internet auf der Suche nach Wohnungen und Jobs durchstöbert. Da es mittlerweile doch langsam zu kalt wird, um im Auto zu leben, haben wir uns dazu entschlossen, entweder in Whistler oder Banff zu überwintern. Dazu brauchten wir aber zu allererst eine Wohnung. Denn ohne die findet man hier nur schwer einen Job. Ohne Job kann man sich in den Skigebieten unserer Herzen allerdings auch keine Wohnung leisten. Ein Dilemma. Nachdem wir gefühlt bis zum Horizont (und noch viel weiter) gescrollt haben, haben sich auf unsere Anfragen dann doch noch drei Menschen für eine Wohnungsbesichtigung erbarmt: zwei in Banff und eine virtuelle in Whistler.

    Wir haben dabei all unseren Charme zusammen gekratzt und hatten letztlich sogar die Wahl zwischen zwei Wohnungen in Banff. Beide waren gemütlich. Beide erschwinglich. Und beide Vermieter sympathisch. Schwierig. Bei Pizza und Pivo wurde die Lösung dann abends bei der rationalen Seifert'schen Pro-/Contra-Liste und einem bisschen Cruschwitz'schen Bauchgefühl gefällt. Und tàtà: Wir wohnen also ab November in Banff kulinarisch bestens versorgt mit einem französischen, australischen und tschechischen Koch zusammen sowie einem Wohnzimmer mit idyllischstem Bergblick.
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  • Day 47

    Pracht und Plastik

    October 12, 2018 in Canada ⋅ 8 °C

    In Banff ist diese Woche Pride Week. Eine Woche, die kanadaweit an unterschiedlichen Daten stattfindet und die LGBTQI-Community feiert. Die ganze Stadt ist involviert und leuchtet in Regenbogenfarben. Kanada ist ein Bilderbuchbeispiel, was Gleichberechtigung angeht. Nicht nur, was die Gleichstellung von Homosexuellen betrifft, auch Menschen mit Behinderung profitieren hier von Fortschrittlichkeit, Barrierefreiheit in fast jedem noch so kleinen Geschäft sowie der Aufgeschlossenheit der Menschen. Eine Bevölkerung, die geprägt ist von Multikulturalität und Toleranz. Auch die sogenannte "Asian Invasion" (fotowütige, mit Selfie-Sticks bewaffnete Touristengruppen aus Asien, die während der ruhigeren Monate zwischen Sommer- und Wintersaison Kanada im Reisebus erobern) wird trotz Drängeln und Rempeln mit einem dicken Lächeln willkommen geheißen. Besonders im März und Oktober erhaschen hier viele Reisegruppen das ein oder andere Schnäppchen, wenn die Hotels kaum ausgelastet und die Flüge günstig sind – und die Landschaft aber dennoch zu jeder Jahreszeit endlose knipsbare Motive bietet. Da werden Kameras gezückt, Starbucks-Türen fotografiert und das ein oder andere Klischee bestätigt. Aber wer kann es ihnen verübeln.

    Die einzigen Dinge, in denen Kanada noch mit beiden Beinen hinterherhinkt, sind zum einen ein vollständiges Verbot an Tierversuchen in der Kosmetikbranche. Und zum anderen das Problem Müll. Müllmüllmüll. Wenn man durch das heimische Edeka schlendert und sich beim Anblick all der Plastik die Augen zu tränen beginnen, dann möchte man sich in Kanada hin und wieder die Augen auskratzen. Viele Dinge sind doppelt verpackt oder auch dreifach. Der Schoko-Riegel in einer Folie, die Folie in einer Tüte und die Tüte in einer Plastik-Verpackung. Und damit das Ganze dann auch bequem nach Hause transportiert wird, das Ganze in eine Plastetüte. In diesem Punkt hängt Kanada noch ein paar Jahre hinter Europa. Auch egal, an welchem noch so abgelegenen, pittoresken grünen Fleckchen wir uns befanden, es ließen sich immer ein Tim-Horton’s-To-Go-Becher, eine Bierdose oder eine Sandwichverpackung finden. Nicht selten werden hier auch auf der Autofahrt die Fenster runter geschraubt und sich seines Mülls entledigt.

    Bis in die 1970er Jahre wurde Abfall in Banff einfach auf eine riesige Fläche im Grünen geladen. Die Zeit wird sich schon darum kümmern. Oder die Wildtiere. Für Wölfe und Bären ist aber so eine Resteverwertung eine regelrechte Festtagssause. Wie wir Menschen, die nicht nur ein Mal in die Chipstüte greifen können, finden auch Wildtiere schnell Gefallen an unserem Schmaus und kommen daher immer näher an die Städte heran. Daher war es bis vor einigen Jahren keine Seltenheit, Bären in der Mülltonne vor der Haustür grabbeln zu sehen. Das gab zwar den ein oder anderen verrückten Anblick, aber es wurde zunehmend schwieriger, die Tiere aus der Stadt fernzuhalten. Es kam vermehrt zu Zwischenfällen zwischen Tier und Mensch, was letztlich sogar dazu geführt hat, dass 70% des Wapiti-Bestands rund um Banff gejagt und getötet wurde. Ein ziemlich trauriges Armutszeugnis, um menschliche Fehler auszumerzen.

    Heute versucht man zwar, die Regulierungen straff zu ziehen, indem man unter anderem Halloween-Kürbisse von sämtlichen Verandas im Nationalpark verbannt und Mülltonnen mit bärentatzensicheren Deckeln produziert. Aber ein tiefgreifendes Umweltbewusstsein ist dennoch nicht bei allen angekommen. Kanada lag 2018 auf Platz eins der Industrieländer mit der höchsten Müllproduktion: 720 Kilo pro Kopf. Damit übertrumpfen sie selbst die USA und Japan, die nur etwa ein Zehntel dessen produzieren.

    Selbstverständlich ist es schwierig, bei so einem von Touristen und Work-and-Travellern gefütterten Land jedes fallengelassene Taschentuch einem Kanadier zuzuschreiben. Auch als Besuchender sollte man sich öfter mal an die eigene Nase fassen und die wenigen Schritte bis zum Mülleimer gehen. Der Umwelt und dem Karma zuliebe.
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  • Day 50

    Calgary – Wachsen und Gedeihen

    October 15, 2018 in Canada ⋅ 13 °C

    Nachdem wir uns entschieden haben, in Banff zu überwintern, war es nun an der Zeit, die Ladenklinken mit Lebensläufen zu polieren. Also in das letzte saubere Paar Socken geschlüpft und raus aus der Wanderhose in die mittlerweile ganz ungewohnte Jeans. Ein paar herzerobernde Floskeln zurechtgelegt und los geht’s. Tschakka! Im El Dorado des Work and Travel wird sich schon was finden lassen.
    Nachdem ein Dutzend Bewerbungen über diverse Café-, Rezeptions- und Einzelhandelstheken geschoben wurden, war die erste Reaktion dann allerdings doch recht ernüchternd. Überall in der Stadt sah man Leute durch die Straßen schleichen, die einen verräterischen A4-Umschlag in der Hand hielten. Umschläge gefüttert mit Lebensläufen aus aller Welt: Australien, Großbritannien, Frankreich, Südamerika, Asien – alle lockt der Traum vom Winter im Paradies hierher.
    Angebot und Nachfrage schienen Mitte Oktober also nicht ganz zu unserem Vorteil zu sein.

    Nach ein, zwei weiteren Tagen entschieden wir uns dazu, dass sich die Zeit bis zu einem Rückruf auch super im eineinhalb Stunden entfernten Calgary abbummeln ließe.

    Während man also mit sportlichen 90-110 km/h von Banff nach Calgary juckelt und im Rückspiegel einen letzten schmachtenden Blick auf die Rockies wirft, wiehern einem links und rechts des Highways bereits die ersten Pferde von verschiedenen Ranches entgegen. Ein erster Vorgeschmack auf das, was uns in dieser Hochburg der Countrymusik erwartete.
    In Calgary treffen Moderne und Tradition aufeinander. Und Tradition heißt hier vor allem Western. Mal mehr oder weniger platt verpackt. Von saloonartige Bars, einem Hockeystadion in Sattelform (das auch ganz plakativ den Namen „Saddledome“ trägt), Schaufenstern, die üppig gefüllt sind mit Leder-Stiefeln und Jeanshemden bis hin zu Polizisten, die zu ihrer Uniform modisch verwegene Cowboyhüte tragen. Fühlt sich an wie Tennessee. Nur ein paar tausend Kilometer zu weit nördlich. Bei all dieser Westernbegeisterung verwundert es nicht, dass sich hier seit mehr als hundert Jahren im Sommer in Lederwesten-und-Stiefel-verpackte Groupies zur weltweit größten Rodeoshow treffen, dem Stampede. Yeeha!

    Zwischen all dem Westernflair ragen hier immer wieder selbstbewusst riesige gläserne Hochhäuser hervor, die mit dem Rest des Stadtbilds nicht so recht zusammen zu passen scheinen, aber es irgendwie doch tun.

    Mit jedem Baustil und jeder neuen Baustelle sieht man Calgary an, dass es in den letzten Jahren beständig gewachsen ist. Und auch in nächster Zeit nicht vorhat, damit aufzuhören. Eine Stadt, die ihre Geschichte noch schreibt.

    Mittlerweile ist Calgary der größte Ort in Alberta und der viertgrößte in Kanada. Klingt erschlagend, fühlt sich aber nicht so an.

    In das Stadtbild mogeln sich immer mal wieder kleinere und größere Kunstinstallationen, die mit allerhand Liebe zu kleinen und größeren Details zusammengezimmert wurden. Vor allem Inglewood verleiht Calgary Charme. In diesem Künstlerviertel stapeln sich in diversen Klinkerhäuschen Schallplatten, Mickey-Mouse-Spielfiguren aus den 80ern, Rekrutierungsposter für den 2. Weltkrieg, Stahlhelme und noch das ein der andere verstaubte und verstörende Schätzchen der letzten 150 Jahre.

    Nachdem wir uns den ersten Eindruck hatten schmecken lassen, haben wir den beliebtesten Tourguide aller hippen Work and Traveller nach Calgarys geheimen Highlights gefragt. Den Lonely Planet. Der schlägt einen Abstecher in den Zoo vor. Originell. Wir beugen uns diesem offensichtlich mit viel Hingabe zur Recherche und Insidertipps gefülltem Hipsterbüchlein und machen einen Abstecher in den Zoo. In der Hoffnung, unseren ersten Grizzly zu sehen. Zwischen fluchtwütigen Pinguinen, schläfrigen Pandabären und moppeligen Nilpferden stehen wir also endlich vor dem Gehege und sehen… Nichts. Auch nach zwanzig Minuten intensivem Laserblick – nichts. Und auch, als wir ein Stündchen später noch mal neugierig und hoffnungsvoll vorbeihuschen – nichts. Enttäuscht und erleichtert zugleich, unseren ersten Grizzly nun doch nicht auf einer künstlich angelegten Spielwiese anzutreffen, machen wir uns auf den Rückweg.

    Was nun mit dem restlichen halben Abend anfangen? Die Euphorie sagt: Lass uns mal ein richtig amerikanischen Kinoerlebnis haben. Der Geldbeutel sagt: Lieber nicht.
    Als Kompromiss entscheiden wir uns fürs Autokino. Also suchen wir uns ein Schlafplätzchen auf einem ein paar Kilometer außerhalb gelegenen Parkplatz, schütteln unsere Schlafsäcke auf und improvisieren mit einem 5,1 Zoll-großen Bildschirm, Netflix und den letzten Krümeln aus unserer Nuss-Dose.
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