Mein Leben lang bin ich durch Europa gereist. Von 1979 bis 1982 getrampt, seit 2016 mit Hündin Hilde im blauen Bus unterwegs. Open End. Ich schreibe Geschichten auf Facebook und Instagram. 2 Bücher gibt es bei mir zu kaufen, Youtube Kanal. Read more Solingen, Deutschland
  • Day 4–5

    Vier Tage für Deutschland

    4 hours ago in Germany ⋅ ☁️ 10 °C

    Wie schön. Ich lebe. Die Hundeschnauze leckt mir übers Gesicht. Guten Morgen, Papa. Es ist 7.36 Uhr. Schon lange bin ich nicht mehr so spät aufgewacht. Der Himmel ist grau, es hat nicht mehr angefangen zu regnen.

    Es war schon immer eng im Bus, aber mit zwei Erwachsenen und einem Hund ist die morgendliche Kaffeesituation nur noch in dem kleinen Bereich zu meinen Füßen möglich. Das Wasser kocht, der Duft des Kaffees weckt die Freundin, Hilde wirft den ersten Blick aus der Bettdecke heraus, unter die sie im Laufe des Morgens gekrochen ist.

    Wir sind seit vier Tagen unterwegs. Von Freiburg im Schwarzwald nach Nordhausen am Harz. Über Schneeberge in Sonnenscheintäler, von kalten Winden nach Rothenburg ob der Tauber am ersten Mai. Frankenland, Rennsteig. Über Nacht in Schömberg bei Pforzheim, in Bad Windisheim am Fränkischen Freiluftmuseum. Am Ufer der Werra in Meiningen nach einem heftigen Gewitter, dem ein reinigender Regenfall folgt.

    Unter schwarzen Wolkenwänden und blauen Himmelswohnungen, mit einem Regenbogen überm grünen Wald, dem Geräusch plätschernden Wassers, und Windböen im Abendlicht. Sternenhimmel und rote Sonnenuntergänge, Überraschungsmomente eines Lebens auf der Straße.

    Wir halten öfter unterwegs an, für kleine Spaziergänge zum Buddeln, während ich Tee koche. Dabei entstehen wundervolle Bilder, zum Teil unter einem dramatischen Himmel, vor einer weiten Kulisse natürlicher Schönheit. Die Straßenführung ist ländlich und damit zeitaufwendig, meist einsam, und von Wald und Wiesen begleitet.

    Durch unsere Lebensweise sind wir für knapp zweihundertfünfzig Kilometer länger unterwegs, finden erst im späteren Nachmittag unsere Übernachtungsplätze. Für die Nacht müssen wir den Bus umbauen, tauschen die Bekleidungstaschen mit der zweiten Matraze, die im Kofferraum liegt. Aber erst, wenn wir schlafen gehen, kommt sie an ihren Platz für die Nacht, wobei wir dafür entsprechend Raum geschaffen haben.

    Morgens geht das Prozedere in umgekehrten Reihenfolge, allerdings unter erschwerten Bedingungen, weil der Bus oft mit der Heckklappe nahe einer Art Wand steht. Da ich dann sowieso ein Stück fahren muss, wechseln wir gerne unseren Stellplatz zu einem Stück leerer Natur.

    Fürs Internet habe ich wenig Zeit, die aktuell wichtigen Fußballergebnisse erhalte ich vom Sohn, Videos für Youtube müssen warten, in FB und Insta halte ich mich nur noch sporadisch auf, lediglich die Storys bleiben auf dem Laufenden, und wenigstens auf WhatsApp bekommen die Freunde mit, wo wir uns rumtreiben.

    Wir lernen einander kennen. Weniger die andere persönliche Vergangenheit, aus der nur die Eckpunkte interessant sind, aber viel mehr, über was wir denken, welche politische, gesellschaftliche, persönliche und natürliche Meinung wir uns gebildet haben, und wie diese sich im anderen widerspiegelt.

    Wir sind uns in vielem sehr ähnlich. Überraschend. Und oft voller Verwunderung beobachten wir einander. Das einfache Leben, die Natur um uns herum, das fröhliche Lachen. Über unsere Kinder reden und denken wir in sehr wohl wollender Weise, unsere guten Freunde betrachten als Weggefährten, auf unseren geistigen Pfaden, unseren holprigen Wegen durch eine komplizierter werdende Welt, in der zeitweise Ungeheuerliches zu geschehen scheint.

    Wir benutzen beide seit vielen Jahren kein Fernsehen und Radio, wissen aber über die uns wichtig scheinenden Nachrichten Bescheid, halten uns damit aber lange nicht auf, und betrachten das Leben an sich schon als großes Abenteuer. Wir mögen Suppen und die einfachen Mahlzeiten, haben einen ähnlichen Geschmack in mancherlei Hinsicht, können aber durchaus sehr kontrovers denken und handeln.

    Wir lernen Kerstin und Jürgen unterwegs kennen, die in einer Weise in umgekehrten Geschlechtsrollen agieren wie wir. Jürgen ist der Ruhige, der Achtsame, dessen Sprache manchmal wie eine Wolke im Raum stehen bleibt, während Kerstin munter wie ein Wasserfall übersprudelt in ihrer Begeisterung übers Leben.

    Wir tauschen Bücher aus, persönlich und als Bild. Das musst du unbedingt lesen. Und reden abends, bis die Mücken kommen, ebenso wie morgens, wo uns der knurrende Magen auf die Lebensnotwendigkeit hinweist.

    Wiederholte Gespräche unterwegs, trotzdem sind wir meist alleine. Meine kleine Familie, sagt Hilde, und achtet darauf, dass wir nicht aus der Haut fahren, und keiner länger hinterm Baum verschwindet. Hilde ist glücklich, zufrieden, besonders entspannt, und voll mit positiver Stimmung, die sie sicherlich auf uns übertragen hat.
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  • Day 2–3

    An der Stadtmauer

    May 2 in Germany ⋅ ☁️ 12 °C

    Wir kommen von Stuppach und fahren nach Rothenburg ob der Tauber.

    Der erste Mai ist sonnig und warm, voller Radfahrer und Spaziergänger, das Taubertal nimmt uns mit.

    Rothenburg zu befahren ist spannend, weil es tatsächlich möglich ist, durch den größten Teil der Altstadt zu cruisen, obwohl die Straßen voller Menschen ist.

    Ich kenne die Stadt auch zu Fuß, aber bin aktuell nur noch unter Anstrengung in der Lage, solche hügeligen, unebenen Kopfsteinwege zu gehen.

    "Rothenburg ob der Tauber ist Romantik pur. Kaum eine andere Stadt verkörpert so eindrucksvoll und lebendig Geschichte. Hier sprechen gleichsam die Steine: Sie erzählen von Königen und Kaisern, von den Geheimnissen und dem Zauber des Mittelalters. Gäste aus aller Welt genießen jährlich im Schutze der Mauern eine träumerische Auszeit von der ruhelosen Gegenwart. Allabendlich führt der Nachtwächter durch die malerischen Gassen: ein unvergessliches Erlebnis! Große Anziehungskraft übt auch die St.-Jakobs-Kirche mit ihrem berühmten Heilig-Blut-Altar von Tilman Riemenschneider aus. Auf dem um die Altstadt führenden Turmweg werden Rothenburgs Tore und Türme anschaulich erläutert."

    https://www.frankentourismus.de/orte/rothenburg…

    Über Nacht stehen wir unter alten Obstbäumen auf dem Parkplatz des Fränkischen Freiluftmuseums in Bad Windisheim.
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  • Day 1–2

    Begegnungen

    May 1 in Germany ⋅ ☁️ 19 °C

    Nach vielen Jahren, die wir glücklich und zufrieden zu zweit unterwegs waren, haben Hilde ich ich jetzt Freundschaft mit Marion geschlossen.

    Wir versuchen, eine neue Lebensform zwischen Wohnung und dem blauen Bus gemeinsam gestalten.

    Gestern sind wir aus Freiburg aufgebrochen, konnten den Schwarzwald in seinem Frühlingskleid genießen, und sind über Nacht in Schömberg geblieben.

    Hier haben wir Jürgen und Kerstin getroffen, die mit dem Camper neben uns stehen. Tolle Menschen, intensive Gespräche mit dem Wunsch, miteinander im Kontakt zu bleiben.

    Die Sonne scheint, wir haben den Tag der Arbeit, vor acht Jahren bin ich in Rente gegangen, seit fast damals mit dem blauen Bus unterwegs, seit gerade erst sechs Wochen mit Marion.
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  • Day 54

    Zeit anhalten

    April 29 in Germany ⋅ ☁️ 12 °C

    Ich habe die Zeit angehalten. So kommt es mir vor. Wir sitzen in Nienhagen hinter dem Städtchen, mit Blick auf den Besinnungsgarten, die grünen Bäume im Frühlingskleid. An einem kleinen Stück Wiese, unter einem hohen Baum, der sich schützend über uns hält.

    Am Morgen habe ich angefangen zu lesen, obwohl ich wegfahren wollte. Ich bin müde, aber ich lese, bis mir die Augen zufallen, lege mich zurück neben Hilde, die auf dem Bettzeug schläft. Mich ableckt, mich anschaut, lange nachdenklich, unbeweglich.

    Spüre in mich hinein. Frage mich, ob es das Buch macht, dass meine Stimmung bedrückt. Mir sehr nahe kommt, weil ich gerade dieser Gedankenwelt begegnet bin. Louisa Waugh lebt in der Mongolei. Zumindest ein Jahr lang. Und sie kann gut schreiben. Dicht, aufwühlend, ernst und trotzdem Sehnsucht versprühen.

    Leben aus zweiter Hand. Ob das meine Lebensphilosophie sei, hören Sie mal, die alte Stimme aus der offenen Tür schallt herüber. Wir haben Ihr Buch im Bücherschrank gefunden, im Dezember, letztes Jahr. Wir kommen ins Gespräch, sie haben kleine Geschenke für uns.

    Erst als sie mir die Hundeleckerlies gibt, sehe ich das schwarze Tier unterm Tisch. Er sei krank, kann das nicht mehr fressen. Hilde hat ihn nicht mal gerochen. Wenn ich mich kurz zum Schlafen hinlege, wache ich aus unruhigen Träumen auf.

    Zwei Mädchen spielen schon seit einer Stunde an der Drehschaukel, vielleicht zwölf Jahre alt, das Handy im Blick. Samstag im Ort, Hilde fragt nach Wasser, durch die offene Tür kommt kalte Luft, ich esse einen Joghurt, Mumford singt.

    "Wenn ein Esel auf Reisen geht, wird er nicht als Pferd zurückkommen." (Thomas Fuller) Mein linker Fuß ist taub. Sein Knie habe ich zulange abgeknickt, dass er wohl einschlafen konnte. Wenn ich denke, wie oft ich in den letzten Jahren mit ihm umgeknickt bin, jetzt sind die Sehnen so verkürzt, dass ich abends lange brauche, bis die Füße sich entspannt haben.

    Wir packen zusammen, ich möchte an einen anderen Ort fahren. Oder später, hierher zurückkommen. Aber ich muss uns bewegen, der Blick aus den drei Fenstern ermüdet mich, die Mädchen sind weggefahren, Wind ist aufgewacht, ein Vogel hat vom Zweig herunter sich entleert. Ein grüner Fleck lagert auf der Windschutzscheibe, der alte Mann schiebt den Rollator, am Eingang vom Altenheim lagern zwei Hunde, Hilde hat sie aus hundert Meter Entfernung durch dem geschlossenen Bus wahrgenommen.

    Schnitt. In der Nähe ist eine Wiese. Wir fahren wieder dorthin, um ein wenig unter den hohen Bäumen zu spielen. Das Gras ist kurz, die Wurzeln der Bäume voll mit Gerüchen. Keine Mäuse. Ein guter Spaziergang führt zu Mauselöchern. So lange spielt sie im Bus die leidende Hilde.

    Mit herabhängendem Kiefer, triefender Schnauze, gequältem Gesichtsausdruck, der ganze Hund schreit, ich muss raus, mich erleichtern. Bitte, du blöder Sozialarbeiter, hab Erbarmen. Halte ich an, fällt alle Dringlichkeit ab, die Hündin ist völlig entspannt. Ein Pseudopipilein für Papa zwingt sie sich ab, dann wird aber auch losgeschnüffelt.

    Die Sonne scheint, hoch über den Baumspitzen tanzt der blaue Himmel seine weiße Wolkenflugmelodie. Jeder kleine Weg wird zu eine Oase des Vergnügens.
    Da kommen die Bilder von weit her, fast überall in der Welt kannst du heute reisen, und ja, ich genieße es, sie sehen zu dürfen.

    Auch wenn meine Schritte stolpern, und wir den Bus vielleicht nur für eine halbe Stunde verlassen können, bis die Schmerzen zu stark werden, um stehen zu können. Denn Mäuse haben einen begrenzten Bewegungsradius, und das, was Hilde ausbuddelt, ist manifestiert.

    Die Welt ist schön. Dafür musst Du nicht weit fahren. Es ist die Sehnsucht, die uns treibt, nicht an einem Ort bleiben zu wollen. Nicht nur, wenn wir jung sind. Obwohl in den jeweiligen europäischen Ländern, die wir bereisen, inzwischen die Zahl der "bürgerlichen Nomaden", die die Grenzen selten überschreiten, ständig gewachsen ist. Vier Tage an einem Ort, eine Woche, dann vielleicht fünfzig, hundert Kilometer weiter fahren. Braungebrannt, wir brauchen nichts. Ein Ehepaar mit zwei Hunden, zwei Fahrzeugen, manchmal getrennten Wegen, ich höre zu. Was sich verändert hat, wie das Reisen jedem sein eigenes Gefühl hinterlässt.

    Zusammen ist man weniger alleine. Auch wir müssen uns neu justieren. An dem Prioritäten wird sich wenig ändern. Die Mäusebuddlerin ist das schwächste Glied in der Verbindung, ihre Bedürfnisse werden hochangesiedelt. Aber wir überlegen schon, wie jeder sein Wohlgefühl leben kann.

    Wir müssen uns kennenlernen, jeder in seiner Eigenart, unter den unterschiedlichen Bedingungen. Auch wir wissen kaum noch, wie Wohnung geht, können uns aber überraschend schnell dran gewöhnen. Der aufrechte Gang, die Tür zur Wiese, der dunkle Raum, in dem das Wasser fließt.

    Zu Dritt im Bus, gebeugt leben, ausgestreckt geht nur draußen und im Liegen. Eine Boxio ist eingezogen, auf ihr koche ich morgens Kaffee, obwohl sie eher für die Verdauung dient. In der Zeit gehen wir spazieren, die Hilde und ich. Die am meisten von der veränderten Situation profitiert. Mehr Spaziergänge, mehr Streicheleinheiten, mehr Zusammenhalt.

    Heute sind wir alleine unterwegs. Dort war Deutschland geteilt. Im Februar 1990 wurde diese Brücke geöffnet. Eine kleine Straße, östlich von Wittingen. Dann kommt Diesdorf mit einem kostenlosen Stellplatz, oberhalb von der Kirche, die geöffnet ist, nicht weit von einem Superbäcker, wie es in den Bewertungen heißt. Des deutschen Campers höchste Priorität, morgens müssen Brötchen auf den Frühstückstisch, ein Ei und Butter. Gute Butter. Das Ei vom Feld, Bio muss auf der Packung stehen.

    Gute Butter, sagt sie, liebe ich. Zu einem starken Brot, dem man die Kraft ansieht. Leberwurst, nickt Hilde. Bio sei ihr egal, auch Ei. Bisher war nur abends trockenes Baguette mit Leberwurst angesagt, aber warum nicht, mal flexibel sein.

    Ich liebe Hundelogik. In der letzten Zeit telefonieren wir viel, das wird ein Ende haben. Obwohl ich auch mehr lese, was gut ist. Heute Abend bringen wir den Sohn zum Flieger, mit seiner Familie geht's in den Süden, weg von der norddeutschen Kälte. Auch wenn es nur eine Woche ist.

    Einfach mal das Land wechseln. Die Leute austauschen. Sich selber verändern fällt da deutlich schwerer. Will auch nicht jeder. Wir sind schnell zufrieden. Besonders Sonntags. Der Himmel hat sich verändert. Mehr Wolken weniger blau. Windstill. Die Sonne versteckt, habe ich sie doch entdeckt im Grün des Laubs, im Frühlingshauch.

    Schnitt. Nachmittags singen die Vögel, auf einem Parkplatz in Neuhaus schlafe ich wiederholt. Trinke Tee. Schafgarbe, Fenchel, Kümmel, Kamille. Vermutlich ist mir die kalte Dose Klöpse nicht bekommen. Erhöhte Temperatur kommt nicht gut, wartet der Sohn doch auf eine Fahrt zum Flughafen. Man empfiehlt viel zu trinken.

    In Brome gäbe es das beste Eis, leider heute nicht für mich, aber ein schattiger Parkplatz an der Burg, die in der Sonne steht. Verwunschene Häuser am Wegesrand, Fachwerk und Blumen, Rosen und alte Zäune.

    Er möge doch noch mal den Bauch abtasten. Es ist Sonntag. Mein Doktor ist ein Freund, der sich Zeit nimmt. Jederzeit. Jede Zeit. Möge sie ihm immer und lange noch gewährt sein. Sein Go und mach langsam, er würde nichts Bedenkliches fühlen, aber mit dem Fieber soll ich nicht mehr weit fahren.

    Am Flughafen nimmt der Sohn mich in den Arm. Zweimal. Vater sein ist nicht immer einfach gewesen, aber herzlich geblieben. Ich schau ihm nach. Starte den Motor, wir fahren in die Nacht hinein ein.

    Mitternacht. Ehlen. Stellplatz. Das Fieber ist gesunken.
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  • Day 53

    Burg Brome

    April 28 in Germany ⋅ ⛅ 18 °C

    "Burg Brome ist eine Wasserburg, die wahrscheinlich schon vor 1195 von Heinrich dem Löwen gegründet wurde. Die Burgbesatzung sollte die nahegelegene Grenze zur Mark Brandenburg überwachen. Prominentester Gast war Kaiser Karl IV., der die Burg 1376 persönlich in Besitz nahm. Das heute noch stehende Hauptgebäude stammt aus der Renaissance. Bis in das 20. Jahrhundert diente es als Sitz eines Burgvogts, welchem die Verwaltung der umliegenden Dörfer unterstand. Von 2009 bis 2014 wurde der akut einsturzgefährdete Bau aufwändig saniert und neu fundamentiert. Dabei entdeckte man Reste der burgeigenen Brauerei aus dem 16. Jahrhundert. Sie wurden bewahrt und sind nun im Eingangsbereich zu sehen."

    https://www.museen-gifhorn.de/museum-burg-brome/
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  • Day 51

    Im Dunkeln

    April 26 in Germany ⋅ ☁️ 7 °C

    2.861. Tag auf unserer Lebensreise im blauen Bus, wir stehen unter einem grünen Blätterwald in Nienhagen. Es soll nochmals sehr kalt werden, Hilde ist ganz schmusig, wir vermissen beide Marion und hören Bruce Secret Garden.

    https://youtu.be/dMriDhHDB1E?si=-1flgfe6hAhS1XyT
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  • Day 50

    Zauber

    April 25 in Germany ⋅ ☁️ 9 °C

    Sie
    habe
    einen Zauberspruch
    noch nie
    angewandt
    ist sich nicht mal
    sicher
    ob und wie sie ihn
    sprechen
    soll und ob sie dabei
    sich selber anschauen
    kann
    oder hinter einem
    Baum hervorlugen müsste
    falls er sich gegen sie wendet

    wir stehen am Waldrand
    mit dem Blick
    auf die Spitzen neu
    geborener hell
    grüner Tannenspitzen
    - auf denen kleine Engel sitzen - wie uns Lieder
    bezeugen neben den
    schwingenden Ästen
    einer Kiefer es regnet

    über die stille Straße
    hinweg das Gelb
    eines Feldes voller Raps
    im verschlierten
    verschleierten Rückfenster
    harrt ein Erntehelfer
    aus
    im Gras
    mag dort vielleicht dem
    Geist von Walt Whitman
    begegnen

    Who is that singing
    in the land of
    the falling rain
    höre in die
    Felice Brothers
    folgern es sei
    Kurt Cobain

    "In this recurring dream
    Two swans on a rushing stream
    Things are seldom as they seem
    In a fevered dream
    And into the fire
    Into the fire, they go
    Far from the world they know
    Into the fire, they go...

    ...In diesem wiederkehrenden Traum
    Zwei Schwäne auf einem rauschenden Bach
    Die Dinge sind selten so, wie sie scheinen
    In einem Fiebertraum
    Und ins Feuer
    Ins Feuer gehen sie
    Weit entfernt von der Welt, die sie kennen
    Ins Feuer gehen sie"

    übers braune Feld
    vom Bauern gerecht und
    begradet
    winkt die Sonne aus den
    Wolken die Fenster
    im blauen Bus
    sind
    innen beschlagen
    draussen könnte der Bauer
    warten der Jäger und der
    Hirte der Hase und das Lamm
    ob Märchen
    Wirklichkeit werden liegt
    nicht am Zauberspruch
    eher an deiner Bereitschaft
    Auge um Auge
    Sinn auf Sinn
    Herz Verstand und
    Seele zu öffnen

    oh it's a wonderful life.

    Die Bilder sind entstanden auf unserer Reise um Visselhövede.
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  • Day 49

    Eisblüte

    April 24 in Germany ⋅ ☁️ 4 °C

    Es hat geregnet. In der Nacht. Das habe ich gehört. Jetzt zeugen die Tropfen am Fenster davon. Gerade mal sechs Uhr. Früh. Wenn ich bedenke, wie lange ich in der Nacht war, wie spät ich schlafen gegangen bin.

    Wir haben lange telefoniert. Wie jedes Mal. Bis das Telefon nach zwei Stunden die Verbindung unterbricht. Ich wusste gar nicht, dass es das tun kann. Vermutlich habe ich in den Jahren zuvor höchstens zwei Stunden im Monat telefoniert. Aber wir haben uns viel zu sagen.

    Trotzdem ersetzt das Telefonieren nicht die Begegnung, das Anschauen, das Fühlen, die Berührung. Ganz schön weit weg. Sagt mein Sohn. Schade, dass sie nicht näher wohnt. Sechshundert Kilometer ist viel. Eigentlich können wir das nicht an einem Tag fahren. Selbst über die Autobahn.

    Obwohl ich ja viel fahre. Ich erinnere mich an früher, Weihnachten zu den Eltern, das Jahr der Grenzöffnung, eine Handvoll Fahrzeuge, ein Trabi wie ein unbekanntes Verkehrshindernis. Jung verheiratet, meine Tochter war schon da, ich wollte nicht wegfahren, aber die Mutter war jetzt alleine zuhause. Ihr letztes Fest, eine unserer wenigen Begegnungen, die geblieben sind.

    Heute sind die Autobahnen auch über Weihnachten nicht mehr so leer, die politische Lage hat sich verändert. Gestern um 18 Uhr auf einem Rastplatz sind eigentlich nur die Frauenparkplätze und die für Behinderte nicht von Lastwagen belegt. Im letzten starken Schnee, haben sie kilometerlang den Seitenstreifen blockiert.

    Würde man alle Lastwagen zu einer Zeit in Deutschland hintereinander parken, ergebe es vermutlich eine geschlossene Kette, eine Grenze von Osteuropäern mit einer größeren Fraktion an Deutschen und versprenkelten Südländern, der ein oder andere Däne und Niederländer. Aber wir sprechen von Flüchtlingsproblemen, dabei fahren Lastwagen mit Fahrern, die drei bis sechs Monate ohne Urlaub, ohne ihre Familie zu sehen, in Deutschland herum, von Marokko bis Norwegen.

    Du musst nur mal an einer Revolution Laundry in Deutschland deine Wäsche waschen. Der einzige Fremde unter Ausländern. Und das in dem Land, in dem ich geboren bin. Wir stehen auf den Rastplätzen, über Stunden, halbe Tage, zwischen den Terminen, dem nächtlichen Schlafplatz.

    Besser als bei Rewe auf dem Parkplatz. Hilde schläft, ich lese. Oder telefoniere. Die Sonne scheint, es regnet. Sturm, kalt, Schneefall. Jetzt im April ist Winter. Nach dem wärmsten Jahreswechsel aller Zeiten. So spricht man von Temperaturen um Null Grad.

    Abends um neun Uhr hole ich den Sohn von der Arbeit ab, bringe ihn nachhause. Wir reden die zehn Minuten lang ein bisschen, er füllt unsere Wasserflaschen auf, schenkt mir eine Tüte voll mit Osterhasenschokolade, von der ich bis zur Weihnachtszeit fast genug habe.

    Er lacht. Du isst das viel schneller. Besuch bei meiner Tochter, einmal werde ich noch meinen Reisedoktor treffen. Zu viel mehr fehlt mir die Energie. Hilde muss an drei Vormittagen zu Marianne. Da freut sie sich jedesmal. Doch kaum zurück im Bus, verfällt sie in einen komatösen Schlaf.

    Mit den Ärzten habe ich jedesmal persönliche Gespräche, unseren zweiten Band nehmen sie mit großer Dankbarkeit an, erzählen vom Sabbatjahr und den Wanderungen durch die Schweiz im Urlaub. Mit Rucksack und Zelt, sagt der Urologe, der vermutlich auch bald in Rente gehen könnte.

    Aber man findet kaum einen Nachfolger, die Politik macht uns kaputt. Schauen Sie hinter die Kulissen, nicht mal für ein halbes Jahr kann ich weg, sagt der für die Lunge, der es gerade besonders gut geht. Er trage Verantwortung für die Patienten, und braucht eine kompetente Vertretung, ich mache immer schon einen Termin fürs Folgejahr.

    Ich erzähle ihm von meinem Ausstieg, von der langen Erkrankung einer Freundin, die auch von so einer Verantwortung sprach. Und dann. Von einem Tag auf den anderen bist du nicht mehr wichtig, die Nachfolge regelt sich. Und wofür du dir jahrelang Sorgen gemacht hast, löst sich im Wind auf. Der Tod ist da noch endgültiger.

    Und schauen Sie sich um, die Welt wird kleiner, selbst in Europa. Und ob Ruanda ein sicheres Land ist. Man kann wieder durch Afghanistan reisen. China öffnet die Grenzen, aber wie sicher das ist. Und wie lange noch, wenn sie in den USA wählen, in Israel kämpfen.

    Ein bisschen mehr Egoismus tut gut, er würde darüber nachdenken. Die Sonne wacht auf, der Himmel ist blau, Hilde schaut raus. Leichter Wind, ich konnte nicht schlafen in der Nacht, aber kurz nach halb sechs bin ich wach. Heute morgen muss Hilde nicht zu Marianne, wir wollen einen Ausflug machen. Am Sonntag den Sohn zum Flieger bringen. Urlaub in der Türkei mit Frau und Kind.

    Ich könne Freitag nochmal duschen. Spargelzeit in Deutschland. Ab Mitte April bis 24. Juni. Traditionell, sofern das Wetter mitspielt. Rauhreif auf den Feldern, als die Bauern ihre zehn Reihen stechen. Der Transporter sieht mindestens so ramponiert aus wie der blaue Bus. Die Ausbeute gering. Fast sieben Euro kostet das Kilo. Früher habe ich jeden Morgen ein Kilo geschenkt bekommen, nach der Arbeit, zweite, dritte Wahl, für die Suppe noch gut genug, auch fürs Schnitzel als Beilage.

    Jetzt bietet der Grieche ein Drittel vom Preis an, ich habe für meinem Sohn einige Kilo gekauft, während er arbeitet, sie essen gerne Spargel. Ich mochte es noch nie. Der Bauer aus Braunschweig, wo ich vor vierzig Jahren gearbeitet habe, hat sich einige Zeit später erhängt. In der Garage, wo er immer auf uns gewartet hat.

    Es habe mit Liebe, Frau und Geld zu tun gehabt, sagte man. Er war schon Anfang Fünfzig und trotzdem zu jung zum Sterben. Wann ist man alt genug. Wir vermissen uns. Obwohl wir schon über Siebzig sind, haben wir das nicht verlernt. Ob sie mit uns reist, oder wir vielleicht sesshaft werden. Der Flieder blüht wieder.

    Wir werden uns das Leben neu anschauen müssen. Was wir vom einen mitnehmen, und vom anderen geschenkt bekommen. Kürzere Entfernungen zueinander wählen, mehr Zeit füreinander nehmen. Und Hilde wäre glücklich, wenn wir eine gute Lösung finden. Wie uns, geht es ihr, um die Menschen. Dass wir alle uns wohlfühlen. Wir haben eine zweite Matratze besorgt, eine TTT für sie. Ich habe wieder Lust gehabt zu kochen.

    Das ging gut in ihrer Küche, Hilde kann über die Terrasse in den kleinen Park. Morgens im Schlafanzug. Oder frei über die Wiese, an der wir übernachten werden. Die Welt steht uns offen, so sagt man doch. Ob ich Probleme mit meinen Allergien habe, fragt der Arzt. Kaum habe ich das verneint, kaum bin ich draußen, habe ich Niesattacken.

    Die Blütenknospen haben einen Überzug aus Eis, dahinter wartet die Sonne, der blaue Himmel. Trotzdem strahlen sie vor Schönheit, ziehen den Frühling untern den Blättern hervor. Nicht wahr, darauf wartest du. Mensch. Es ist keine Woche mehr, bis wir uns wieder sehen. Frühling und Liebe, seit langem mal in der Kombination. Ich kann es kaum erwarten, da hat die Blüte recht.
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