Europe along the Coastline (1)

juni 2024 - februar 2025
  • Spaziergänge mit Hilde
Eine Fahrt um das Festland Europas inklusive ausgewählter Inseln Læs mere
  • Spaziergänge mit Hilde

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Strand, Bus, Campingvogn, Kultur, Natur, Fotografi, Rejser alene, Spiritualitet
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  • Totenköppel

    29.–30. sep. 2024, Tyskland ⋅ ⛅ 6 °C

    3.016 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 66 km/ Gesamt 365.771 km /Ø121,27 km)

    28.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    36304 Alsfeld
    Deutschland

    Während wir seitlich der Straße auf einem Stück Asphalt parken, das im einen ungeordneten Wald übergeht, auf der nur bedingt ein Spaziergang möglich ist, aber die Sonne als Quereinsteiger eine muntere LichtundSchatten - Landschaft zaubert, fällt mir auf, dass ich selten Bilder von diesen Orten übermitteln kann, auch wenn dort meine tiefen Momente unterwegs stattfinden.

    Das Bild mit den vertrockneten Dolden im Grün ist nichtssagend, aber hier haben wir lange gesessen, damit die Salbe auf Hilde's Wunde einziehen kann, während sie schläft. Gleichzeitig lese ich in meinem neuen Buch über eine Reise auf dem Bambusfloß über den Pazifik.

    Ein Buch aus dem Verkauf irgendeiner Stadtbücherei, das 1994 mal ein Schmidt als einziger Eintrag ausgeliehen hat. "Timothy Severin (* 25. September 1940 in Assam, Indien; † 18. Dezember 2020 in Timoleague) war ein britischer Abenteurer, Historiker und Schriftsteller. Er wurde besonders durch seine Reisen auf den Spuren historischer Persönlichkeiten bekannt...
    Um beispielsweise die Legende von Sindbad nachzuverfolgen, baute er 1980 ein traditionelles arabisches Segelschiff, dessen Segel er mit Kokoszwirn nähte, und segelte von Oman nach China. Die Reise, die durch den Sultan von Oman, Qabus ibn Said, finanziert wurde, beschrieb er im Buch The Sindbad Voyage. In dem Buch The Brendan Voyage schilderte er Details seiner Forschung über die Reise eines irischen Mönchs, der in einem ledernen Curragh von Irland nach Neufundland gesegelt sein soll."
    (Wikipedia)

    Die verschiedenen Reisebücher habe ich aus Wikipedia fotografiert und beigefügt, weil es sich lohnt, Tim Severin zu lesen, der eine detaillierte Sprache pflegt, die lebhafte Bilder der Ereignisse zeigt. Auch die Auswahl seiner Reisegefährten lässt ein gutes Händchen erahnen.

    Der weitgereiste Hippie Mark, der mit seiner japanischen Freundin auf einer kleinen Insel außerhalb aller Kommunikationsmittel lebt, muss eines Tages aufs Festland um einen Einkauf zu tätigen, und findet ein Stück Zeitung auf der Straße mit einem Bild von diesem Bambusfloß. Er ist ein geschickter Tischler und heuert aus dem Nichts für diese Reise an.

    Und so verschwinde ich während des Lesens in meiner eigenen Vergangenheit, um Menschen zu begegnen, an die ich lange nicht mehr gedacht habe. Nur selten können Autoren einen solchen Zauber über mich legen. Ich erinnere mich an die Biografien von Neil Young und Bruce Springsteen, bei denen ich wiederholt solche Zeitreisen unternommen habe.

    Eine andere Reise zurück machen wir bei dem Besuch des Totenköppels bei Meiches. "Ein Friedhof auf einem ehemaligen Vulkanschlot: Der Totenköppel im hessischen Meiches (Lautertal) ist ein seltener Sippen - Begräbnisplatz, der mit geologischen Besonderheiten aufwarten kann. Die Begräbnisstätte liegt auf 559 m, ist nahezu kreisrund angelegt und wird von einer Basaltmauer umschlossen. Eine unter Denkmalschutz stehende heutige Totenkirche wurde 1729 auf den Überresten eines früheren Gotteshauses gebaut. Auf den Mauerresten fand man eine besondere Wandmalerei, die 'Schmerzensmann' genannt wird, und etwa aus dem Jahr 1275 stammt.

    Das Besondere: Auf dem Totenköppel hat jede ansässige Familie bzw. jedes Haus einen Begräbnisplatz, an dem ausschließlich Familienmitglieder beerdigt werden. Einige der Gräber sind mit schönen, kunstvoll behauenen Grabsteinen geschmückt. Die ältesten Gräber stammen aus dem 17. Jahrhundert. Außenstehende und Fremde werden in einer Ecke des Friedhofes begraben."

    https://www.naturorte.de/totenkoeppel-meiches-h…

    Als wir ankommen, begegnet uns eine ältere Frau, die ein Grab gepflegt hat. Der Platz ist still und liegt im Sonnenschein, wir spazieren durchs nasse Gras, und Hilde zerbeißt das trockene Holz, das der Wind aus den hohen Bäumen geholt hat.

    Später gehen wir länger spazieren. Es riecht stark nach Mäusen, sodass Hilde ihre Nase in die kleinen Löcher am Feldrand steckt. Sie möchte so gerne buddeln und darf das nicht. Mein Nein, Nein trägt der Wind davon und kommt mit Regen zurück. Wir sind oberhalb von Storndorf, von dem ein Infoschild am Wanderweg erzählt, dass es einen jüdischen Friedhof habe. Da, wo das Schild angebracht ist, wird es höchstens Hundespaziergänger auffallen, oder versprengten Wanderern, die talwärts gehen.

    Wir sehen heute außer Feld und Wiesen eindrucksvolle Gebäude, farblich zum Herbst abgestimmt, und Kühe, die mich an Pandabären erinnern, von denen ich gerade gelesen habe, dass deren Urform aus dem Allgäu stammen soll. Eine Kreuzung mit ner Urkuh wäre ja durchaus denkbar, dem Menschen sagt man ja auch eine tierische Herkunft nach.
    Spaß.

    Aber voller Ernst ist der nächtliche Kälteeinbruch, selbst morgens um sieben Uhr hat es nur zwei Grad im Plusbereich. Hilde's Wunde ist seit gestern geschlossen, heute folgen die letzten Antibiotikatabletten. Kochsalzlösung und Salbe werde ich noch ein bisschen verwenden, damit es gut weiterheilt.

    Wir haben uns jetzt an das tägliche Ritual gewöhnt, gerade in der Stille der Heilung erlebe ich für mich gute Momente innerer Sammlung. Beim Abendspaziergang bricht im nahen Wald ein Tier durchs Unterholz, sodass Hilde's Jagdtrieb augenblicklich erwacht.

    Die Welt ist voller Abenteuer. Kleiner und großer, innerer und äußerer Ereignisse. Du musst einfach nur Hinschauen, Fühlen und Spüren. Es ist eine Sache deiner Sinne, deren ungetrübten Möglichkeiten Dir das Leben in vielen Facetten öffnen.
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  • Homberg/Efze

    30. sep.–1. okt. 2024, Tyskland ⋅ ☁️ 10 °C

    3.017 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 85 km/ Gesamt 365.856 km /Ø121,26 km)

    29.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    34576 Homberg/Efze
    Deutschland

    Die Bilder sind unspektakulär. Ein bisschen Wiese, Bäume, die Mitte eines Dorfes, ein jüdischer Friedhof, Pferde, eine Brücke, der blaue Bus. Zehn Aufnahmen, die unsere Tagesreise nachzeichnen. Photos ohne großen künstlerischen Wert, die von überall her stammen könnten.

    Und dennoch sind sie besonders, weil in ihnen unser Leben, unsere Reise, steckt. Der Platz unterm Baum, an dem Hilde ihren zweiten Heilungsschlaf am Vormittag macht, während ich mein Buch lese. In der Ferne hinterm Bus bearbeitet ein Bauer sein Feld, die Luft riecht frisch nach Sonntagmorgen, und Ausflügler sind mit Rad und Auto unterwegs. Hinterm Bus führt der Weg in die Feldmark. Vor der Weiterreise spazieren wir lange leicht bergab und wieder zurück. Ich achte auf meine Atmung, zeichne still die Entfernung für mich auf, um mich zu orientieren. Sechshundert Meter mögen nicht viel sein, aber ich komme nicht in Probleme, und freue mich darüber.

    Die Brücke von Eifa ist etwas Besonderes. "Mit einer Länge von 230 Metern und einer Höhe von 30 Metern...Aufgrund der Geländeeigenschaften führte der Bahnstreckenabschnitt von Alsfeld nach Grebenau durch tiefe Täler und Bergrücken. Daher wurden beim Bau der Eisenbahnstrecke, die am 1. April 1916 ihren Betrieb aufnahm, Viadukte gebaut und hohe Erdwälle aufgeschüttet. Heute ist das Eisenbahnviadukt ein Baudenkmal und blieb daher vom Abriss verschont. Das besondere an der Bauweise der Brücke war, dass sie schon während ihres Baus nicht mehr zeitgemäß waren. Sie wurde als Gewölbebrücke aus Beton konstruiert..."

    Auf dem Photo wirkt sie recht einfach zwischen den Bäumen, aber aus der Sicht einer Drohne - siehe Link - ist das deutlich spektakulärer.

    https://www.oberhessen-live.de/2017/02/05/die-a…

    Grebenau besteht aus etlichen kleinen Orten, die wir kennenlernen, als wir versuchen zur Burg Herzberg zu kommen, doch da von unserer Seite nur Feldwege dorthin führen, fahren wir einfach geradeaus weiter.

    Vorbei am Knüllköpfchen mit 634 Metern Höhe, liegt oberhalb von Frielendorf ein jüdischer Friedhof. Alle Gräber befinden sich auf der linken Seite des Geländes. Bei Wikipedia lese ich, "Grabsteine sind nach Osten ausgerichtet, ebenso wie die Toten, deren Füße nach Osten (nach Jerusalem) zeigen, damit nach der Auferstehung die Reise in Richtung Jerusalem gleich anfangen kann."

    Für mich wirkt das jetzt so wie eine Gruppe von Menschen, die an einem Zaun stehen, um hinab in den Ort zu schauen, denn der Friedhof liegt oberhalb, und gewährt so einen weiten Blick nach Osten. Das Tor ist geschlossen, ein Besuch ist nur mit Genehmigung möglich, an den jüdischen Feiertagen und am Sabbat aber grundsätzlich untersagt.

    Ich überlege, ob das hier Geschichte ist, oder ob noch aktuell Juden traditionell so begraben werden. Letztens sind wir an einem muslimischen Friedhof vorbeigefahren. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht, weil ich mir darüber nie Gedanken gemacht hatte. Tatsächlich habe ich angenommen, dass Juden und Muslime auf deutschen Friedhöfen begraben werden. Vielleicht jeder in einer anderen Ecke. Beide irgendwie nach Osten gerichtet, aber doch voneinander entfernt. Nachbarn sozusagen.

    Auf dem Friedhof von Tarifa in Spanien, über dem man fast genau auf einem Parkplatz übernachten kann, gibt es eine Ecke für die unbekannten Flüchtlinge, die im Meer ertrinken. Und die Fremden in Deutschland, die Deutschen in der Fremde?

    Ein unscheinbarer Friedhof rechts von der Straße weckt Fragen, kennt nicht jede Antwort. So erlebe ich es oft unterwegs, dass mir etwas auffällt, was mich zum Nachdenken bringt, aber - vielleicht zu meinem Glück - kennt das Internet nicht jede Antwort. So muss ich wachsam bleiben, aufmerksam, neugierig, unbequem.

    Vorbei an den vier Müttern mit den vier Fohlen. Vom Tod kommen wir zum Leben, es ist anmutig zu sehen, wie liebevoll die Pferde miteinander umgehen. Überm Berg hinaus öffnet sich ein weites Tal, in dem industrielles Leben stattfindet. An einem Parkplatz fällt mir auf, dass wir hier schon mal spazieren gegangen sind, als der Weg nicht so matschig war.

    Und auch den Stellplatz in Homburg/Efze haben wir mal angeschaut, der unterhalb eines Ortsteils mit vielen Kindern und Familien zur einen Seite, und einer am Morgen lauten Bundesstraße liegt. Dieses Mal ist ein Platz frei, wir machen einen Abendspaziergang und kommen an einer Fussballwiese vorbei, auf dem Kinder uns begrüßen. Ich bin überrascht, grüße freundlich zurück, manchmal passieren so kleine Wunder.

    In der Ecke neben uns steht ein bunter Bus, selbst bemalt mit Herzchen, Blumen und viel Blau vom Meer. Palmen, dazwischen eine Hängematte, ein Liebespaar am Sandstrand, da will ich nicht stören.

    Heraus kommt aber eine Frau mit einer Mülltüte, mit der ich ins Gespräch komme.

    Marion macht Musik
    www.marionseibert.de
    https://www.facebook.com/marion.seibert.14
    lebt in ihrem Bus seit einiger Zeit, ist viel und weit gereist, und in einer Weise haben wir einen ähnlichen beruflichen Werdegang. Wir tauschen meine Bücher gegen ihre CDs, ein guter Deal, so vermute ich, weil dann jeder vom anderen ein Stückchen mitnimmt auf seine Reise.

    Manche Begegnungen sind so, dass sie in Erinnerung bleiben. Das ist gut.

    Die Nacht ist ruhig, aber kalt, ich wache häufig auf, und kann nicht immer gleich einschlafen. Früh am Morgen gehen die Fußballkinder am Bus vorbei zur Schule, ich höre ich aufgeregten, hellen Stimmen. Der Tag glänzt mit blau und weiß, vom Osten her kommt eine gelbe Sonne in den Tag hinein.

    Morgen ist Oktober, Marion fährt nach Süden, in die Wärme des Winters hinein. Spanien, vielleicht Marokko, Konzerte am Strand wie jedes Jahr. Und wie sind deine Pläne?
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  • Witzenhausen

    1.–2. okt. 2024, Tyskland ⋅ ☁️ 12 °C

    3.018 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 94 km/ Gesamt 365.950 km /Ø121,25 km)

    29.09.2024
    Wohnmobilstellplatz/
    Landvergnügenhof
    37213 Witzenhausen
    Deutschland

    Die Nase trägt den Zustand eines ziemlich geschlossenen Systems, dafür habe ich einen Großteil der Nacht durchgeschlafen. Das Schlafapnoegerät und die absolute Dunkelheit tragen mit Schuld, es ist immer das Gleiche im Leben, was zum einen Teil gut ist, trägt zur anderen Seite eine Last mit sich. Das System ist ausgewogen.

    Denn wo kämen wir hin, wenn das ganze Leben nur perfekt wäre. Würden wir nicht überheblich, und so wie wir strukturiert sind egozentrisch. Von niemandem abhängig zu sein, ist vermutlich das ultimative Glücksgefühl, was sich der Mensch wünschen könnte.

    Zum Glück für mich, für uns, eine Fiktion. Was würden wir ohne ein Netzwerk machen, das uns auffängt, uns trägt. Uns die Individualität gönnt, aber zeitgleich auch immer da ist, wenn wir das brauchen. Ein menschliches Netzwerk, vielleicht sogar ein Göttliches, ein Universelles.

    Ein gegenseitiges Geben und Nehmen, der Traum der Menschheit vielleicht, dass wir nicht mit Geld für Leistung bezahlen müssen, sondern mit unseren Fähigkeiten uns wechselseitig unterstützen können. Dann würden mögliche Ungleichheiten überhaupt nicht ins Gewicht fallen, denn letztendlich kennt jeder jemanden, der meine Hilfe, meine Unterstützung braucht.

    In den Siebzigerjahren gab es darüber mal ein handgeschriebenes, vervielfältigtes, gedrucktes Buch, das zu dem Intensivsten gehört, was ich je gelesen habe. Der Traum vom Leben. Ich sehe es noch vor mir, wie ich es aufschlage und darin lese.

    Ein wenig davon habe ich durch mein Leben mitnehmen können, gerade weil ich nie perfekt bin, mich immer in der Situation gesehen habe, dass ich viel kann, aber auch viel Hilfe brauche. Und nicht immer in der Lage war, dafür mit Geld zu bezahlen, oft genug nichts bekommen wollte, weil ich meine Fähigkeiten als eine Selbstverständlichkeit annehme.

    Ich kann gut zuhören und manchmal weise Gedanken verschenken, dem anderen Menschen ein Freund sein in einer Not, aber keinen blauen Bus reparieren. Und noch vieles mehr kann ich nicht. Aber ich kann aushalten, wenn sich Dinge nicht ändern lassen, um aufzubauen, wenn sich die Situation ändert.

    Gerade jetzt, wo die körperlichen Kräfte weniger werden, merke ich noch deutlicher, welche Bedeutung ein Wir bekommen kann. Das sind meine Gedanken nach dem Aufwachen, während ich einen Tee trinke, und die Atmung sich normalisiert. Immer noch ist es dunkel auf dem Hof, wo wir übernachtet haben.

    Landvergnügen oder Stellplatz, auf dem Kindervatterhof ist jeder willkommen. Die einen zahlen fünf Euro die Nacht, die anderen kaufen im Hofladen ein. Ich bekomme die Nacht geschenkt, der Hofladen und das Restaurant haben Ruhetag bis Mittwoch. Behalten Sie das Geld, und schlafen Sie gut.

    Eigentlich dachte ich, dass das hier ein Tipp von Olaf ist, der meinte, auf einem tollen Bauernhof übers Wochenende gestanden zu haben, wo der Preis bei fünf Euro liegt wie hier. Aber mir sagt er Gertenbach, meint aber Germerode, so habe ich eben einen anderen Ort gefunden.

    Überhaupt Orte. Nach dem Aufbruch in Homburg/Efze brauche ich einen ruhigen Parkplatz für unsere zweite Pause und den Anruf einer Freundin, die im Balkan unterwegs ist, bei deren Reise auch nicht alles gut läuft. Können wir mal miteinander reden, ist ihre Bitte. Und reden ist genauso wichtig wie zuhören.

    Nicht weit vom Schlafplatz entfernt, hat ein Schuhgeschäft einen zweiten Parkplatz am Wald, neben einem Fernradwanderweg. Man habe nichts gegen Übernachter, sofern die Regeln des Anstands gewahrt werden. Also wird man auch nichts gegen einen Ruheplatzsuchenden haben.

    Gar nicht weit von Olaf entfernt, nutzen wir die Gelegenheit, um ihn spontan zu besuchen, bevor er nach Sizilien aufbricht. Diesmal nicht mit Trecker und historischem Wohnwagen, denn er hat sich seinen Traum erfüllt. Ein schwarzer Lastwagen mit ausgebauter Kabine zum Leben und Reisen, der Wunsch des ewigen Fuhrunternehmers. In der Garage hinten eine zweisitzige Simpson für die Ausflüge mit Frau und Hund.

    Wir treffen uns draußen am Laster mit einigen Nachbarn zum Kakao (also nur für mich), die anderen sind handfester unterwegs, lassen den Bügel der Bierflasche schon am Nachmittag mal hochklappen. Eine nette Gesellschaft, ein gutes Gespräch, nach zwei Stunden fahren wir weiter zum Schlafplatz am Kirschkino, in dem heute auch keine Vorführung ist.

    Aber der Tag war bunt und schön. Und der Morgen nach dem großen Regen erfrischend.
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  • Bauernhof Keese

    2.–3. okt. 2024, Tyskland ⋅ 🌧 12 °C

    3.019 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 130 km/ Gesamt 366.080 km /Ø121,25 km)

    01.10.2024
    Landvergnügenhof
    37186 Grossenrode
    Deutschland

    Ob ich Lust hätte, mir den Platz in Lindewerra anzuschauen, der wäre neu und liegt direkt an der thüringischen Landesgrenze, siebzehn Kilometer südöstlich von uns entfernt. Oberrieden heißt der letzte hessische Ort, dann folgt eine stille Straße an der Werra entlang, auf der Brücke sitzt demonstrativ ein Rabe.

    Rechts unterhalb liegt ein schöner Stellplatz auf Spendenbasis am Ufer der Flusses, begrenzt von einem Sportgelände und den flachen Bögen der Brücke. Wir machen einen Spaziergang, ein Mahnmal an historischer Stelle, es empfiehlt sich, die Worte neben dem Grenzstein zu lesen.

    Windstill, Fliegen und Bäume, ein Camper, dahinter das Dorf der Stockmacher, ein Museum über diese Kunst. Der Ort wirkt wie ausgestorben. Zwei Radfahrer, eine Spaziergängerin mit Hund, ein verschlafener Hahn. Die Sonne scheint, ich brüte eine Erkältung aus, die Nase ist es, die sozusagen weint.

    Wir wollen nicht bleiben, obwohl es angenehm sein könnte. Die Kommentare in der App irritieren, morgens käme der örtliche Oberbrandmeister, um die Camper aufzufordern, ihren Obolus zu leisten. Eigentlich sind Spenden freiwillig und von der Moral der Reisenden abhängig. Dann vielleicht doch besser einen festen Preis nehmen, wenn man eh kontrollieren muss.

    Nachdenklich fahren wir weiter, in Bad Sooden - Allendorf kostet das nüchterne Kreisrund zwanzig Euro mit Strom. Auch an der Werra, an der Altstadt. Zwanzig, dreißig Camper zahlen das freiwillig. Den kostenlosen Wiesenplatz aus den vergangenen Jahren finde ich nicht mehr.

    Die Odyssee geht weiter, in Bühren liegt eine regenschwere, grüne Wiese am Ortsende eines Schotterweges. In Bovenden ist Kirmes am Wochenende gewesen, da braucht man keine Camper. Unterhalb der Burg Plesse ein Parkplatz an der Straße, es regnet schon seit Stunden.

    Hilde rollt sich ein, ich mach mich lang, wir schlafen endlich mal ein wenig, sind ziemlich erschöpft vom Fahren. Letztendlich landen wir auf einem schönen Landvergnügenhof zur Nacht, das letzte Haus am Feld, der Abendspaziergang ist voller Gerüche. Ein Gespräch mit dem Bauern, die Tochter studiert noch, verkauft mir Säfte im Hofladen, Semesterferien sind keine Urlaubszeit.

    Ob sie den Hof einmal übernehmen wird, oder der Sohn. Der Bauer putzt den ganzen Tag Zwiebeln für den Verkauf, der Rücken tut ihm abends weh, die vielen Jahre Nachhaltigkeit haben sein Leben geprägt. Zwischen den Geräten parken wir für die Nacht, der Himmel bleibt grau, die Temperatur zweistellig, auch in der Nacht. Mit dem Wecker habe ich mich auf sechs Uhr geeinigt, das ist früh genug, um die Gelenke aufzuwecken.

    Der Schnupfen ist weniger geworden, gestern habe ich in einer Fressattacke den halben Einkauf weggeputzt. Also Lebensmittel für fünf Euro. Eine ganze Tafel Schokolade und Käse, frische Waffeln, lauter günstige Angebote. Zehn Minuten Einkauf für zehn Euro, auf dem Ayran ist 25 Cent Pfand, da muss ich mich noch dran gewöhnen.

    Gerne fragen Menschen in diesen unwirtlich verregneten Zeiten, ob es nicht jetzt besser wäre, in den Süden zu fahren. Ja das stimmt, aber ich habe noch ein paar familiäre Termine, und gerade gestern gelesen, dass die deutsche Küstenlinie fast dreitausend Kilometer beträgt, die Strände jetzt für Hunde geöffnet sind.

    Und da am 18. Dezember noch ein ärztlicher Kontrolltermin ist, macht Süden jetzt keinen Sinn. An die Kanne Tee am Morgen gewöhne ich mich langsam, nicht unbedingt an das Hungergefühl, das sie weckt. Also gehen wir jetzt spazieren, um zeitnah frühstücken zu können.

    Falsch gedacht. Der Bauer kommt zu seinen Zwiebeln, seinem kleinen Hund auf der Spur. Hilde ist sauer, weil sie im Bus warten muss, während wir reden. Über Reisen und Bleiben, die nahe Autobahn mit ihrem schnellen Fahren in den Süden, während er am Erdbeerfeld kniet, die Früchte mit der Hand pflückt, sich geerdet fühlt. Nachhaltigkeit will gelebt werden, ist nicht einfach nur ein Wort mit einem Stempel.

    Es regnet wieder, wir frühstücken im blauen Bus.
    Verabschieden uns, würden gerne wiederkommen, auf der Durchreise, wenn Kirmes in Bovenden ist, und überhaupt, weil die Gespräche gut sind, der Platz am Feld ruhig für den Schlaf ist, die Spaziergänge langsam bleiben, weil es vieles gibt, das gut zu sehen ist.

    In den Genuß der köstlichen Kartoffelpuffer handmade bin ich nicht gekommen, auch der bekannte Töpfermarkt im Ort ist gerade nicht aufgebaut. Grossenrode bietet so manches zwischen Harz und Weser, was nicht so üblich ist. Selbst eine Wüstung solle es mal im Land gegeben haben, der hiesige Umweltverein trägt den Namen weiter.

    Beim Landvergnügen findest du den Hof, der auch im Netz für kleine Auftritte sorgt.

    https://www.facebook.com/profile.php?id=1000648…

    https://www.instagram.com/keesesbauernhof?igsh=…

    https://www.keeses-bauernhof.de/kontakt.html
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  • Zwischenspiel

    5.–9. okt. 2024, Tyskland ⋅ ⛅ 13 °C

    3.023 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 100 km/ Gesamt 366.748 km /Ø121,31 km)

    05.10.2024
    Parkplatz
    38106 Braunschweig
    Deutschland

    Nebel, Sonne, Nebel. Dazwischen schöne Bilder vom Spaziergang. Frühstück mit der leckeren roten Quittenmarmelade von Keese's Bauernhof, eine Tasse Winterapfeltee von einem Adventspäckchen aus Straelen. Vor zwei Jahren vielleicht. Die Zeit vergeht. Und lange habe ich nur sporadisch Tee getrunken. Das hat sich geändert.

    Meine Bestände an Kaffee, Schwarztee, Wein und Getreidemilch sind in freundliche Hände gewandert, manche reisen jetzt nach Spanien, andere bleiben im Lande. Ich vermisse nichts. Nur die Umstellung fällt mir nicht so leicht, weil ich Kuhmilchprodukte meiden möchte, das Angebot an Alternativen von Ziege und Schaf aber in Deutschland flächendeckend nicht ausreichend ist.

    Also greife ich schon mal in die vegane Kiste, was joghurtähnliche Produkte angeht, in der Hoffnung auf einen guten Geschmack. Vor einigen Tagen sind wir aus dem Harz nach Braunschweig gekommen, wo unser Leben atypisch verläuft. Familie bedeutet auch, sich auf einen anderen Lebensrythmus einzustellen. Wir holen den Sohn nach der Arbeit um 21 Uhr ab, dann ist immer mal Zeit für ein kleines Gespräch.

    Über Nacht können wir in einer Einfahrt stehen, das lässt uns eine bessere Bewegungsfreiheit als in irgendeiner Seitenstraße. Tagsüber halten wir hier und da im Schatten, versuchen den normalen Lebensrythmus einzuhalten. Trotzdem ist das immer eine Art Urlaub vom Reiseleben, und dadurch in einer Weise anstrengend. Zumal jetzt auch die Zeit des "Schränkefüllens" für den Winter beginnt.

    Letzte Nacht war es sehr kalt. Nach einem sonnigwarmen Nachmittag bei der Tochter' Familie brauche ich dieses Mal einen Pullover für den Schlaf, und wache doch häufig auf. Tagsüber finden wir ruhige Ecken, auch für ein Schläfchen, trotzdem fällt es mir schwer, Bilder zu sehen.

    Natürlich gibt es jede Menge Augenblicke an jedem Tag, doch sie hinterlassen selten den Wunsch, eine Fotografie zu machen. Die beigefügten Bilder sind aus den letzten vier Tagen, erst seit gestern finde ich mehr Situationen, denen ich ein leises Klicken schenke.

    Dafür fällt mir das Lesen schwer. Und natürlich die Bewegung, denn der Wetterumschwung geht an den Gelenken nicht spurlos vorüber. Grundsätzlich gibt es aus medizinischer Sicht keine Einschränkungen bezüglich einer Wintersüdenreise, allerdings muss ich mich noch bis kurz vor Weihnachten mit der Abreise gedulden.

    Hilde's Wunde sieht gut aus, sie verschließt sich zusehends, und wird vermutlich zeitgleich mit unserer Rückkehr zum Meer, Hilde alle Möglichkeiten öffnen, sich auf Sand und Wasser zu freuen. Sie liebt es gerade, sich im blauen Bus in der hintersten Ecke einzurollen, obwohl es dort eigentlich unbequem, aber eben von fast allen Seiten geschützt ist.

    Bei der Tochter konnte sie mit den anderen Hunden frei laufen, weil die Felder abgemäht sind und die Sicht auch in großer Entfernung möglich war. Ohne Leinenführung fällt mir das Gehen leichter, und so sind wir eine gute Zeit draußen gewesen.

    Die letzten warmen Tage bringen jede Menge Blüten hervor, was auch die stechenden Naturfreunde auf den Plan bringt. Als ich kurz beim Arzt Rezepte abhole, sitzt Hilde ganz verschüchtert im Bus, sodass ich gleich wieder an unvernünftige Spaziergänger denke, die sie provoziert haben. Doch als ich losfahren will, sehe ich die Biene am Fenster, die vermutlich Hilde so verschreckt hat. Also aussteigen, Seitentür öffnen, Biene verabschieden. Einige Zeit später entspannt sich Hilde zusehends.

    Über den Nachmittag hinweg verdunkelt sich der Himmel. Wenn jetzt in der Nacht die Temperatur weiter sinkt, würde die Chance auf Schnee Anfang Oktober steigen. Das wäre doch eine Freude. Oder!
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  • Zwischendurch Spielen

    7.–8. okt. 2024, Tyskland ⋅ ☁️ 13 °C

    3.024 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 160 km/ Gesamt 366.906 km /Ø121,33 km)

    06.10.2024
    Parkplatz
    38106 Braunschweig
    Deutschland

    In den letzten Tagen träume ich lebhaft. Bis ins Aufwachen hinein beschäftigen mich die Gedanken der Nacht, bei denen ich merke, dass sich Ereignisse des Tages hineinmischen.

    Wir sind in den Taschen meiner Vergangenheit unterwegs, parallel unterhalte ich mich mit den Menschen meiner Gegenwart. Eine Mischung, die eigentlich nur um Braunschweig herum passieren kann.

    Meide die Stadt, hat mein Sohn gemeint. Heute wäre ein Fußballspiel gegen Hannover, das gäbe immer Randale, auch in den Randbezirken zu den Autobahnen hin. Also fahre ich Richtung Wolfsburg und ins Wolfenbütteler Land, wo wir gewohnt haben, wo einige nette Menschen von früher leben, die Kinder zur Schule gegangen sind, ich sämtliche ihrer Sportveranstaltungen besucht habe.

    Ich begegne niemanden, den ich kenne. Manchmal guckt mich jemand ernst an, aber Jahrzehnte lassen die Erinnerungen verblassen. Ich weiß, wer da und dort gewohnt hat. Und vermutlich immer noch in dem oder jenem Haus leben wird, weil die Treue ja gerne mit Besitz verwechselt werden kann.

    She doesn't life here anymore, haben schon die Roxettes 1995 gesungen. Und manchmal bedeutet das viel mehr, als nur eine Tatsache. Und auf solchen Fahrten springen sie mir nochmal auf den Beifahrersitz, die alten Erinnerungen. Die Menschen dazu bleiben fern, und so warte ich auch nicht mehr vor dem Haus ihres Lebens.

    Wir durchstreifen Orte, gehen auf Feldwegen spazieren im kalten Sonnenscheinwind, der über die Felder streift. Heute bin ich offen für Bilder, vielleicht auch wegen dem Vergangenem, weil ich in der Gegenwart mit Hilde und dem blauen Bus alleine bin.

    Der alte Mann in dem dunklen Fahrzeug auf dem Rastplatz springt mir ins Gesicht, als er sich waschen geht. Ausgebeulte Jogginghose, Sweatshirt, schwerfälliger Gang, er hat auf dem Platz die Nacht geschlafen. Nachmittags ist er nochmal dort, starrt durch die verschmierte Windschutzscheibe, als sei dort der Fernseher. Die Seitentür geöffnet, wartet er für Stunden.

    Ich bezweifle, dass er viel wahrnimmt, vielleicht wartet er einfach darauf, dass das Unmögliche ihm wieder die Tür öffnet, das Gestern ihn im Heute abholt. Lost Generation. Mal in ganz anderem Gewand. Es ist schwer, nicht mehr weitergehen zu können, wenn der Rückweg versperrt ist.

    An einem Waldparkplatz haben wir Schatten gefunden für ein Schläfchen, bis uns eine Frau in Schwarz weckt, die neben uns parkt und alleine spazieren geht. Ist das so, weil es früher den gemeinsamen Weg gab, der Tod die Ketten sprengt, aber wir nicht aus den Bindungen weichen können, weil sie Halt geben.

    Der Hund sei gestorben, aber er gehe weiterhin jeden Tag die gleichen Wege, sagte vor kurzem ein trauriger Mann, der in seinem Camper lebt. Er habe ja niemanden mehr. Jeder Mensch geht mit Trauer anders um. Das kannst du nicht lernen, das ist da, und du musst damit fertig werden.

    In jedem Beruf lernst du dein Geschäft in allen Facetten. Als Mensch sind alle Ereignisse immer neu und unbekannt. Ob du heiratest, Kinder bekommst, einer stirbt. Alles ungelernt. Plötzlich bist du konfrontiert. Und ich frage mich immer, wie Menschen so naiv sein können, zu glauben, sie würden das Richtige tun.

    Intuition. Das hat doch schon immer irgendwie geklappt. Ja, ja, auch ich habe das Ammenmärchen geglaubt. Weil ich selber Kind war, kann ich Kinder erziehen. Weil ich Eltern hatte, weiß ich wie Ehe geht. Nur das mit dem Tod und dem endgültigen Getrenntsein, das kann ich jetzt perfekt.

    Aber ich bin gut mit Sonnenschein und den Bildern des Lebens. Mit dem Leben im blauen Bus und dem Reisen durch die Tage meines, unseres Seins. Wir lachen viel in der letzten Zeit und toben herum, die Hilde und ich. Jeder Tag ist ein Geschenk und das ist gut so.

    Natürlich geben wir in Allem unser Bestes, um die Gegenwart zu einem wunderschönen Ort zu machen. Der Schlüssel ist die Liebe. Zu unseren Tieren, Kindern, Ehepartnern. Und wenn es uns gelingt, sie frei zu halten von Eigennutz und Selbstsucht, dann kann da perspektivisch auch was Gutes entstehen.

    Und so rücken sich die Dinge bei so einer Fahrt über Land wieder zurecht.
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  • Letztes Spiel

    9.–11. okt. 2024, Tyskland ⋅ ☁️ 16 °C

    3.026 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 79 km/ Gesamt 367.182km /Ø121,34 km)

    08.10.2024
    Landvergnügenhof
    31185 Söhlde
    Deutschland

    Wie so oft in der Nähe einer Stadt, sitzen wir auf einem Autobahnrastplatz. Abseits, gerne im Regen, im Blick die fremden Kennzeichen und Aufschriften, die uns vorgaukeln, in welche Ferne die Lastwagen fahren. Ein bisschen ist es, wie auf einer Autobahnbrücke stehen und winken, den Wildgänsen hoch am Himmel nachsehnen und an den kleinen Nils denken.

    Die Realität ist heute oft anders. Die Vögel leben in irgendwelchen örtlichen Rieselfeldern, die Lastwagen fahren in Deutschland herum. Ein Vierteljahr, manchmal länger, bis der Fahrer zu seiner Familie im Osten zurückkehren kann. Für zwei, drei Wochen Urlaub.

    Nicht immer ist es gut, hinter die Kulissen zu schauen. Das muss du aushalten können. Die Tage in Braunschweig neigen sich dem Ende entgegen. Nochmal den Enkelzwerg von der Kita abholen, mit dem Sohn vielleicht doch noch angeln gehen, ein letzter Weg an den Feldern bei der Autobahn entlang.

    Morgen noch ein Arzttermin, abends sind wir am Steinhuder Meer verabredet, dann wird es wieder unbekannter. Das geht auch in Deutschland. Ich habe mir etwas Neues gekauft. Schon ein bisschen dekadent sind die gefütterten Clogs für warme Füße im Bus, ein bisschen innovativer der Cd-Player, um meine Musik spielen zu können.

    Auch ein bisschen, um in meiner Vergangenheit aufzuräumen. Wie ich das immer gerne mache. Über Nacht sind wir auf einer Milchschaffarm im Umland. Bisschen Geblöke zum Einschlafen, am Morgen geht die Sonne hinter den Windrädern auf. Die Wege sind matschig, der blaue Bus sieht aus, als habe er die Felder durchquert, Hilde's Pfoten zieren die Betttasche.

    Heute ist sie ganz traurig, dass sie nicht buddeln darf. Noch immer ist die Wunde nicht ganz verheilt, ein kleiner Schnitt von einem Zentimeter ist noch oberflächlich geöffnet. Zwar nicht mehr in die Tiefe, aber eben nicht geschlossen. Sofern Hunde Nerven haben, kostet die Wunde unsere Gelassenheit.

    Jetzt liegt ihr Kopf wieder schwer auf meinem Bein, man mag gar nicht glauben, dass so ein kleiner Kopf ein solches Gewicht erzeugen kann, dass mein Bein schier einschläft vor Erschöpfung.

    Die Sonne hat wieder ein wenig die Wolken durchbrochen. Wir machen einen Spaziergang. Bei McDonalds steht ein großer Mann neben seiner kleinen Frau in Grün, sie steigen in ein Auto mit Hamburger Kennzeichen, fahren Richtung Berlin.

    Ich habe einen Sojajoghurt gekauft. Vanillegeschmack. Ohne Gentechnik. Dafür Joghurtkulturen ohne Milchprodukte. Geschmack ist wie ein ungesatteltes Pferd, wenn es galoppiert, fällst du runter. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Vielleicht verzichte ich lieber ganz auf solche Erkenntnisse, der Nachgeschmack liegt mir jedenfalls schwer im Bauch.

    Hilde hat sich eingerollt, wir hören Musik, das soll ja bekanntlich beruhigen.
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  • Hagenburg

    11.–12. okt. 2024, Tyskland ⋅ ☀️ 9 °C

    3.028 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 176 km/ Gesamt 367.446 km / Ø121,34 km)

    Parkplatz
    31558 Hagenburg / Steinhuder Meer
    Deutschland

    Halb acht. Die Begrüßung an der Infohaltestelle lautet, Willkommen in Hagenburg. Die Nacht war wieder kälter, in den frühen Morgenstunden kommt Hundeschnauze kuscheln unter der Bettdecke. Ihre Nase ist eisig, das Fell frisch. Sie schläft ein, und ich wache auf.

    Luftholen, wirbt die Stadtverwaltung. Das machen wir tatsächlich bei guten Freunden, die uns hier aufnehmen, bewirten und stärken, in vielerlei Hinsicht. Kommt einfach rein, wir freuen uns auf euch. Das ist keine Floskel, sondern eine herzliche Einladung. Du kannst, aber du musst nicht, fühlt euch wohl.

    Die eine kommt aus der Nachtschicht, die beiden anderen gehen früh zur Arbeit, denn Kindergarten ist ja auch schon anstrengend. Alle drei sagen uns Tschüss bis zum nächsten Mal. Leben ist halt so. Ein Kommen und Gehen. Und irgendwann ein Bleiben.

    Luftholen. Hilde schaut mich oft ganz intensiv an, während wir Haus sind. Erst später im Bus entspannt sie, das ist ihr Zuhause, hier kommt alles in Ordnung. Ihr Verhalten ist rätselhaft, denn wir sind hier gern gesehene Gäste. Und wenn sie mich so intensiv betrachtet, dann geht etwas in ihrem Kopf vor, dass sie nicht alleine lösen kann. Merkwürdig.

    Wir kommen aus Braunschweig, haben uns morgens von meinem Sohn verabschiedet, es regnet immer noch. Aber es ist warm. Und wir sind früh beim Schafsbauern in Söhlde aufgestanden. Am Stadtrand kenne ich einen ruhigen Ort fürs Frühstück, zur Straße hin wird ein Platz gepflegt, an dem ein Mensch gestorben ist. Ein Windrad, Blumen, ein Stundenlicht, ein Vater, ein Freund, ein Mann. Ein unbeachteter Moment, ein bisschen zu schnell in der Kurve, vielleicht war die Straße auch glatt gewesen.

    Und jetzt frühstücken wir dahinter, das Leben geht weiter, sagt man. Irgendwann hat keiner mehr Zeit für ein Kreuz, dann bleibt nur der Raum übrig, der Mensch im Herzen, die Erinnerungen. Ich lese lange, Hilde schläft. Dann kommt die Sonne raus, wir machen einen kleinen Spaziergang, fahren weiter.

    Stift Steterburg ist mir völlig unbekannt, obwohl es in der Nachbarschaft steht. Das ist bemerkenswert zu erleben, wie ich jahrzehntelang einfach Orte ignoriert habe, die mir heute ins Auge springen.

    "Ein im Jahre 1001 gegründetes Damenstift trat an die Stelle der unmittelbar daneben liegenden frühmittelalterlichen Steterburg. Die ältesten noch erhaltenen Gebäudeteile stammen aus dem 11. Jahrhundert...

    1938 baute die Wohnungs AG der damaligen Reichswerke (heute Salzgitter AG) in die Stiftsgebäude 24 Großwohnungen ein. Weitere umfassende Modernisierungen wurden in den 60er Jahren durchgeführt."

    https://www.salzgitter.de/tourismus/sehenswerte…

    Man spürt die Anwesenheit eines bewohnten Viertels, während die baulichen Elemente der Vergangenheit mich sehr faszinieren. Der Torbogen zwischen den Gebäuden führt in einen fernen Garten und mich für einen Moment in ein weites Gestern.

    Die Harsumer Kirche sticht rein baulich aus dem Städtchen heraus, sodass ich sie mir anschauen möchte. Kirchen wecken nicht aus religiösen Gründen mein Interesse, sondern als bauliche Elemente. Sie tragen Geschichte in sich und sicherlich auch viele Erinnerungen.

    Ich verstehe historisch wenig, aber meine Phantasie reicht aus, um mich auf ihre Ausstrahlung einzulassen. Anders kann ich das nicht erklären. Ob Gott in ihnen wohnt, so wie man das landläufig zu sagen pflegt, weiß ich nicht. Es ist sicherlich möglich, Ihm dort zu begegnen, aber Er ist auch im blauen Bus mit uns unterwegs.

    Kirchen springen mir halt ins Auge, wie Rehe übers Feld. Und wenn man im Steinhuder Land unterwegs ist, dann übersieht man nicht das Schild der Sigwardkirche, ein Bauwerk der Romantik, mitten im kleinen Ort Idensen, nicht fern der hohen Abraumberges, der schon zu Hälfte zugewachsen ist.

    Plötzlich ist sie gleich rechts neben mir, hinter den Häusern wartet die Kirche sozusagen auf ihre Besucher. Die Nachbarn haben einen offenen Garten, der in den Kirchgarten hineinzugehen scheint, ihre Rosen geben dem alten Gemäuer einen Hauch von Leben und Liebe.

    Ein solche Kirche muss einen Freundeskreis haben, der die Geschichte ins Heute pflegt. Und so finde ich auf ihrer Homepage gute Informationen.

    "1129 Fundamentlegung der Kirche und erste urkundliche Erwähnung in einer Schenkungsurkunde. Ihre ursprüngliche Zweckbestimmung war Hof- bzw. Eigenkirche und auch Grabeskirche des Bischofs Sigward von Minden (1120-1140).

    1129-1134 Als Eigenkirche (Hofkapelle des Vorwerks) und Grabeskirche des Bischofs Sigward von Minden errichtet. Geweiht der heiligen Ursula und den elftausend Jungfrauen am 21. Oktober 1134. Eine Reliquie der Ursula befand sich im Hauptaltar. Der Glockenstuhl erhält die erste Glocke.

    1133-1140 Entstehung der Raumausmalung mit Lasur- und Temerafarben in Fresko- und Secco-Technik

    1140 Beisetzung Bischof Sigwards in der Kirche. Todestag: 28.04.1140..."

    https://www.sigwardskirche.de/index.php/bauwerk…

    Hier finden sich alle weiteren Infos inklusive der Bilder und Videos aus dem Gebäudeinneren. In naher Zukunft findet dort ein Konzert statt, ich füge einen Screenshot bei, vielleicht findet das jemand interessant genug, um dabei zu sein.

    Als Hilde auf dem heutigen Frühstücksplatz eine Passantin mit Hund anbellt, und auch erst aufhört, als ich schimpfe, um mich dann vorwurfsvoll mit großen Augen anzuschauen, fällt mir ein, dass sie mich schon einmal vor einigen Monaten so besonders betrachtet hat.

    Ich meine fast, es sei auch in einer ähnlichen Jahreszeit gewesen, sodass ich mich frage, ob sie spürt, dass die kalten Temperaturen mir zusetzen, und sie meint, dass sie jetzt besonders auf mich aufpassen muss. Jedenfalls ist große Nähe angesagt und tiefe Atemzüge.

    Aktuell sind wir auf dem Weg zum Dollart. Unsere Reiseroute von dort findest du als Photo. Begegnungen sind das Salz in unserer Suppe des Reisens.
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  • Garrel

    12.–13. okt. 2024, Tyskland ⋅ ☁️ 6 °C

    3.029 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 150 km/ Gesamt 367.596 km / Ø121,35 km)

    Wohnmobilstellplatz
    Am Frischehof Döpke
    49681 Garrel
    Deutschland

    Eine Nacht auf grüner Wiese zwischen hohen Tannen für fünf Euro kann sich sehen lassen, auch wenn der Verkehr auf der Landstraße selten zur Ruhe kommt. Aber im Gegensatz zum Parkplatz mitten in Cloppenburg, wirkt es hier durchaus beschaulich. Dort können wir zwar auch im Park spazieren gehen, aber hier sind wir letztendlich ungestörter, weil das Geschäft erst nach zehn Uhr geöffnet wird.

    Ach ja, Cloppenburg ist hoffentlich immer noch kostenlos und für einen Stellplatz in der Stadt durch die umgebenden, bewohnten Häuser durchaus angenehm.

    Die Temperatur ist auf drei Grad Celsius gefallen, da tun nicht nur Knie weh, der ganze Rücken meldet sich mit all seinen beweglichen Teilen. Erst mal aufsetzen und Tee kochen, die Heizung laufen lassen und mich ein wenig entspannen. Hilde liegt natürlich neben der Bettdecke, das hier ist ihr viel zu früh.

    Immer beim Papa sein, das ist ihr aktuelles Motto. Und so schlafen wir fast Kopf an Kopf ein, ich lang ausgestreckt, die kleine Maus zusammengerollt. Heißer Tee am Morgen, zur Nacht noch ein Magnesiumgetränk. So sieht mein neues Leben ohne Wein und Kaffee aus.

    Kein Bedauern, einfach eine Verschiebung von Möglichkeiten, durchaus meine Art, das Leben zu bejahen. Vom Praktischen her brauchen Teebeutel vermutlich weniger Platz als Packungen mit Kaffee, zumal das Thema Milch damit auch beendet ist. Nicht jeder Tee ist lecker, die meisten Beutel sind freundliche Geschenke, da bin ich nicht so anspruchsvoll.

    Im Gegensatz zu Käse und Wurst, die ich mir nur manchmal wie eine Nascherei gönne. Gute, streichfähige Wurst ist schon was Besonderes, zumal ich sie aufgrund des Fettgehaltes auch nicht ständig essen mag. Im Gegensatz zu Käse von Schaf und Ziege.

    Kann ich was Gutes bekommen, bezahle ich auch gerne die Mehrkosten. Der Bergkirchener Hofladen oberhalb vom Steinhuder Meer ist ein solcher Anlaufpunkt. Leckere Ziege, schmackhafte Wurst, ein kleiner, feiner Laden voller Köstlichkeiten, der immer gut besucht ist.

    Vorher hatten wir ja zwei Nächte auf dem Schafhof übernachtet, der Kühlschrank ist also gut bestückt. Heute bekomme ich noch meinen Wasserkanister aufgefüllt, sehe später, dass Bergkirchen einen kleinen, kostenlosen Stellplatz hinterm Gemeindebüro hat, mit einem Wasseranschluss am Gebäude. Nur mal so für die Durchreise ein kleiner Tipp.

    Die Highlights eines Tages sind oft schnell erzählt. Der Kuhtransport über die Brücke, ein Spektakel in Stahl, aber auch eine tierische Überbelastung, in einem Käfig nebeneinander voran zu gehen. Ich vermute, dass die neue Weide für die männlichen Tiere abseits vom Hof liegt, sodass sie über eine schnellbefahrene Landstrasse mit Brückenampeln transportiert werden mussten.

    Die Kirche in Langförden mit dem Laurentuis - Brunnen. "Bereits um 890 wird eine erste Kirche in „Longanforda“ urkundlich erwähnt, von der aus die Kirchen St. Georg in Vechta und St. Marien in Oythe gegründet wurden. Die Vorgängerkirche der heutigen Basilika wurde 1011 im schmucklosen 
    vorromanischen Stil aus Feldsteinen errichtet. Sie erhielt das 
    Patrozinium des römischen Diakons und Märtyrers 
    Laurentius und war Mittelpunkts- und Taufkirche. Ihre Ausstattung wurde bis ins 18. und 19. Jahrhundert dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst, baulich wurde sie jedoch kaum verändert.

    Um die Wende zum 20. Jahrhundert war diese Kirche endgültig zu klein geworden, und die Pfarrgemeinde beschloss den Bau einer neuen, geräumigen Kirche. Dafür wurde das alte Kirchenschiff vollständig abgetragen und seine Steine als Fundament für die neue Kirche verwendet.

    Der aus Findlingen 
    gemauerte etwa tausend Jahre alte Glockenturm blieb jedoch erhalten und symbolisiert die geschichtliche Kontinuität. In dem frei neben der Kirche stehenden Turm befindet sich heute eine Gedenkstätte für die Gefallenen der beiden Weltkriege." (Wikipedia)

    Bei dem Ensemble von Mühle und Fachwerk ist nicht klar, wo eins endet und das andere beginnt. Es wirkt eher so, als sei die überwachsene Mühle dem Haus aufgepfropft worden. Oder aber ein Gebäudeteil sei sozusagen angeklebt worden. Aus der Distanz wirken viele Dinge halt anders, das sollte uns immer bewusst sein.

    Der Tag ist blau und sonnig, dadurch durchaus warm und angenehm, während der kühle Wind uns erinnert, in welcher Jahreszeit wir unterwegs sind. Heute Morgen ist es grau und kalt. Hilde hat schon mal den Vorhang hochgeschoben, um rauszugucken. Kein Windhauch, die hohen Tannen wirken wie eine alte Erinnerung.

    Wir machen den ersten Spaziergang, danach wird es Frühstück geben. Heute ist keine Notwendigkeit, den Platz zu wechseln, um mehr Ruhe zu haben, einen entspannteren Spazierweg zu finden. Außer Hilde gibt es nur nebenan zwei schläfrig Hunde, deren Besitzer gestern abend sich noch übers Buffet lang und breit gemacht haben. Familienausflug, erzählt die junge Frau, eine Reise nach Gütersloh übers Wochenende mit drei Wohnmobilen. Das ist auch eine Form des Reisens.

    Der Morgenspaziergang wird zum Abenteuerurlaub, Hilde wälzt sich neben einem roten Pilz, wickelt die Leine um einen nassen Ast, den sie zerbeißen will. Wir stapfen durch nasse Gras und blaue Blumen wachsen auf Augenhöhe. Gerade als ich den Müll wegwerfe und mich umdrehe, steht die Sonne zwischen den Bäumen.

    Bei der Kälte habe ich mir eine alte Wunde aufgerissen, Hilde weicht kein bisschen, um mich in den Bus zu lassen. Gib her, ich bin deine hündische Heilerin, wo ist mein Frühstück. Irgendwann ist Ruhe im blauen Bus, Hilde ist satt, und rollt sich ein, damit auch ich frühstücken kann.
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  • Bunde

    13.–14. okt. 2024, Tyskland ⋅ 🌬 9 °C

    3.030 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 147 km/ Gesamt 367.743 km / Ø121,36 km)

    Wohnmobilstellplatz
    Friedhofsweg
    26831 Bunde
    Deutschland

    Oft empfinde ich eine Umgebung langweilig, wenn sich mein Inneres nach Außen kehrt, sodass meine Sinne so sehr mit sich beschäftigt sind, dass die Augen das Schöne im Land nicht mehr wahrnehmen können. Aber heute bin ich mir sicher, dass das Äußere einfach so wenig Tiefe bietet, dass mir keine Bilder ins Auge springen können.

    Und dabei bin ich schon die kleinen Straßen gefahren mit den Ortschaften seltsamer Namen, die auf historische Ereignisse sich möglicherweise beziehen können. Die wenigen Blumen in den Vorgärten sind verblüht, ein paar Rosen zwischen Steinen wirken verkümmert. Viel nüchterne Wiese, kurz gehalten, diverse Zäune uniformiert.

    Das Land ist flach, dennoch wirkt es zugestellt mit dunkelgrüner Eiche, die an trüben Tagen eben nicht lustig anzuschauen ist, sodass nur die Spinner unter den Tieren sich in ihren Blättern festsetzen möchten. Überall Allergiegefahr und auch dort, wo kein Schild steht, gehen wir mit unguten Gefühlen spazieren.

    Ich erinnere mich an früher, dass mich erstaunt hat, wie lebendig die niederländischen Dörfer hinter der Grenze im Gegensatz zu ihrem sterilen Pendant gewirkt haben. Aber heute wollen wir die Landesgrenze nicht überschreiten. Erst als wir in Bunde ankommen, weiß ich, dass ich hier schon mal war.

    Und erinnere mich an Rhede, Simone und Papenburg. Die Meyerwerft ist gerade in aller Munde, ein leblos weißer Bau mit abblätterndem Schriftzug, der wie ein gefallener Pilz dem Land aufgepfroft ist. Ein Äquivalent zu dem Dunkelgrün der Eichenwälder, das jedes Haus klein und unscheinbar macht.

    In Rhede haben wir übernachtet, als Simone uns besucht hat. Heute ist nur der Schützenverein zu Gast, dessen knallende Schüsse in der Stille des Ortes lauter klingt als Rheinmetall in Unterlüß. Hilde erschreckt jedesmal, aber wenigstens ist die Wiese leer, und die Menschen haben sich versteckt, sodass sie sich endlich mal austoben kann, bis ein einzelner Schuß ihr den Spaß verdirbt.

    Es reicht, Papa, dann lass uns lieber am Friedhof übernachten. Vorher finden wir noch einen See mit Hundespaziergängern und Anglern, als gerade die Sonne ein bisschen herauskommt. Oder ist es das nette Gespräch mit einer junger Frau, der wir begegnen. Auf jeden Fall testet die Hilde die Wassertemperatur, nachdem ich vorher das Ufer taxiert habe nach verborgenen Höhlen.

    Die Sorge sitzt tief, die Wunde behandele ich immer noch jeden Abend, weil sie sich noch nicht schließt. Manchmal denke ich, dass sich so ein Ritual verselbständigt, und eines Tages ohne Behandlung ein leerer Raum in meinem Leben bleiben könnte. Mir fallen da viele Beispiele aus der Welt um mich herum ein. Vielleicht gibt es deshalb keinen Frieden, weil die Menschen nicht von ihrem Handeln und Denken ablassen wollen. Wir sind es so gewohnt.

    Nein, ich werde die Zeit anders füllen und Hilde noch mehr knuddeln, trotzdem bleibt die Vorsicht wachsam wie ein Lichtstrahl. Auch beim Friedhof gehen wir nochmal spazieren, die Gerüche sind lebendiger als ihre Nachbarn hinterm Zaun.

    Ich stolpere über ein altes Konzert mit Bob Dylan und Joan Baez.
    https://youtu.be/Nzlr6WflekY?si=7I94gttUcmKFWscs
    1976 sehe ich mich zwischen den zuschauenden jungen Menschen, gerade 25 Jahre alt, wir wollten die Welt zu einem besonders schönen Ort voller Hoffnung, Liebe, und Freundlichkeit machen.

    Und nein, ich stehe nicht vor den Trümmern meiner Vergangenheit. Mit meinen Möglichkeiten habe ich ihr all das gegeben, was aus mir heraus gekommen ist. Und jeder Einzelne ist jeden Tag gefragt, die Welt um sich herum zu gestalten. Es muss nicht immer das ganze Große sein, das ist Utopie.

    Realität ist meine Umgebung. Und wenn ich ein Lächeln auf ein Gesicht zaubern kann, dann wird meine Hoffnung deine werden können. Ist wie mit Dominosteinen spielen, nur viel intensiver. Ich zitiere hier gerne Anselm Grün.
    "Ich versuche, meinen Beitrag zu leisten, dass durch mich die Welt um mich herum sich wandelt, heller und wärmer und liebevoller wird."
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