Oh wow, was ein Tag!
Es war einer mit vielen intensiven, unglaublich tollen emotionalen Momente mit Personen, die man echt lieb gewonnen hat. Dabei fing er doch etwas frustrierend an, aber erstmal in richtiger Reihenfolge:
Es war wohl die bisher schwierigste Nacht auf dem Jakobsweg. Claudia, Zamantha und co feierten bis in die Nacht hinein, die Alberge super hellhörig, 45 Grad warm und dann war er da: Spaniens lautester Schnarcher, den die Menschheit jemals gehört hat. Wäre mein Handy nicht am Ladekabel im anderen Raum gewesen, hätte ich gerne die Dezibel gemessen - alter Lachs eh! Bisher die Geschichte immer gut mit meinen AirPods umspielt, hat man den Mann trotz Geräuschunterdrückung und einer sehr hohen Lautstärke auf den Ohren immer noch gehört. Viel schlimmer aber, die Erstis haben angefangen dauerhaft psssst zu rufen. Ich glaube, ich wäre bei dem Schnarchen vermutlich irgendwann eingeschlafen, aber dann kam immer wieder ein genervter Aufschrei, wovon alle wach wurden, nur nicht Heiko Schnarcher.
Gegen 2 Uhr irgendwann eingeschlafen, ging es 8:15 Uhr heute auf die Piste! Und es war leider auch hier der blanke Horror - den Jakobsweg noch niemals so voll gesehen, waren über 25 Kilometer tausende Menschen auf dem Weg. Wie ich im vorherigen Blogeintrag erwähnte, erhält man die Compostela ab 115 Kilometer Laufweg und dieser ist ab Sarria. Dazu ist wohl vom 3.-8. August ein Jugendfestival in Santiago de Compostela, was das Ganze nochmal bestärkt. Mich gefühlt durchboxen müssen bei den ganzen ohne-Rucksacktouristen, war ich sehr froh als diese nach 24 Kilometer in ihrem heutigen Ziel ankamen.
Die Kinder in Portmarin ins Bett gebracht, war jetzt Erwachsenenzeit. Ein freier Weg, tolle genießbare Natur und wie gewohnt nur alle 15-20 Minuten eine Person. Und genau über die ersten beiden Personen habe ich mich unglaublich gefreut! Nach 10 Tagen das erste Mal wiedergesehen, holte ich Stefania und Kiara ein, die Cousinen aus Italien, mit denen ich den wilden Abend in Burgos verbrachte. Erstmal komplett umarmt und gefühlt geschrien vor Freude hat man sich erstmal ausgetauscht über die letzten Tage, wie es einem ging, aber Klaro auch bisschen Gossip immer dabei!
Dann kam ein weiterer toller Moment heute hinzu: die 100 Kilometer Marke wurde durchbrochen. Einfach unglaublich, dass es jetzt nur noch fast wenige Kilometer im Vergleich zu den anfänglichen 800 bis zum großen Ziel sind. Stolz wie bolle ein herrliches Tourifoto gemacht, ging es weiter!
Nach Kilometer 30 eine etwas längere Pause mit den beiden gemacht, sah ich dort auf Riley wieder. Der Amerikaner aus San Franzisco, der mit seiner Musikbox die Gassen Burgos lautstark beschallte und wir dort unsere Gesangskünste aber sowas von zum Besten gaben. Voooooooolareee ooooh, caaaaantare oooooooh! Definitiv eines der Caminolieder - ich inzwischen in perfekten italienisch mitsingen könnend, werde euch in Leipzig mal eine Gesangsprobe geben.
Witzigerweise hatte ich gestern erst davon geschrieben, aber auch von Stefania und Kiara ist die Caminodroge schlechthin eine kühle Coladose. Ich mein, was gibts geileres als nach einer langen Etappe sich ein großen Schluck aus diesem Wunderwerk zu nehmen. Sehe mich schon eines Tages als Coca Cola Influencer! Cristiano Ronaldo gefällt das.
Die letzten 10 Kilometer bis Ligonde mit spanischer Housemusik über die Runden gebracht, waren die 39 Kilometer für heute nach ca 10 Stunden gegen 18:30 Uhr abgehakt. Wir checkten in eine kostenlose oder wie man hier sagt ‚Donativo‘ Alberge ein, die bisher einer der wundervollsten auf dem Camino war. Nicht wegen der Bequemlichkeit - to be honest, ich liege gerade in der Garage auf einer provisorischen Matratze ohne Kissen bzw doch, mein Rucksack tut es bisher ganz okay! Viel mehr machten die Personen den Ort so besonders.
Sie bekochten uns kostenlos mit einer Weltklasse Spaghetti Bolognese, dazu ein herrlichen Salat und super nette Gespräche. Hier sind Volunteers aus der ganzen Welt zur Hilfe zu Gast. 3 Mädels aus Hawaii, 2 Ägypter, eine Familie aus San Diego, aber auch der Inbegriff des Stempeljungens! Schaut euch gern die Fotos an, heute war mein bisher mit Abstand und vermutlich unerreichbar bester Stempelmoment auf dem Jakobsweg. Das Alter meines größten Neffens hat er uns mit einer Coolness eingecheckt und eingewiesen, dass selbst ich ein wenig aus der Rolle gebracht wurde. Sau nice eh!
Mit einem sehr tiefen Gespräch mit einem Christen aus San Diego gehabt, der an die 70 Jahre alt war, rührte ich ihn mit meinen Erzählungen vom Camino zu Tränen. Wiede ein Gespräch mit einem völlig fremden Menschen, aber doch so vertraut! Ich gebe hier sehr viel inneres Preis, aber manche Sachen möchte man doch für sich behalten. Er meinte am Ende: Alex, man nennt den Jakobsweg auch the way. And as we know: Jesus is the way.
3 Euro ins Phrasenschwein, zeigte der Abend noch eine weitere Überraschung auf. Meine völlig verrückten Lieblingsitalienerinnen Silvia und Kiara kreuzten gegen 21 Uhr auf. Ich hatte sie viele Tage nicht gesehen und das Geschrei hörte man wohl in Santiago, wie wir uns um die Arme gefallen sind. Gerade, weil man sich nicht per Handy hier verabreden kann oder weiß, wo der Andere ist, sind diese Begegnungen soo besonders!
Den Abend mit einer Caña in einer Bar ausklingen lassen, freue ich mich mit der Truppe den morgigen Tag zu beschreiten. 76 Kilometer to go! Wir hatten heute die Idee, morgen 30 Kilometer zu laufen, Mittwoch nochmal 30 Kilometer, um dann Donnerstag morgen 5 Uhr loszulaufen und mit Sonnenaufgang in Santiago de Compostela anzukommen. Ich bekomme jetzt schon Gänsehaut, wenn ich an den Moment denke - es ist einfach unglaublich greifbar inzwischen.
Mit diesen Worten verabschiede ich mich in die Nacht! Seid lieb gegrüßt ✌🏻
#3oder2DaysToGoRead more