im Kanu, zu Fuß, per Auto – eine Ostsee-Reise mit Herz und Humor Lue lisää

Luettelo maista

  • Saksa
Luokat
Ranta, Kaupunkimatka, Kulttuuri, Ystävyys, Vaellus, Koti, Luonto, Lyhyt matka, Retket, Erämaa
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  • Aquarienrausch im Klosterlicht...

    10. kesäkuuta, Saksa ⋅ 🌧 15 °C

    Nach Taschentuchkontrolle, Halloren-Kugel und Kirchturm beschlossen wir, dass uns nun die Tiefsee ruft. Oder besser gesagt: das MEERESKUNDEMUSEUM in Stralsund. Es war früher Nachmittag, und wir wollten das Beste aus dem regnerischen Wetter machen. Schließlich hatten wir am Morgen unsere Pläne schlau getauscht – und wie sich zeigte: gute Entscheidung.

    Vor dem ehemaligen Katharinenkloster, in dem das Museum untergebracht ist, prangte in großen Lettern das Wort „Wiedereröffnung“. Ich raunte Margriet noch zu, dass ich 18 Euro für den Eintritt etwas salzig fand – da lächelte der Mann hinter der Kasse wissend: Heute 50 % auf alles – wegen noch nicht ganz fertiger Aquarien. Nur heute. Nur für uns, quasi. Ich grinste Margriet an: „Siehst du, Regen hat auch seine guten Seiten.“ – „Der Klügere geht eben ins Museum“, sagte sie verschmitzt.

    Kaum betraten wir das ehrwürdige, riesige Gemäuer, zog es uns förmlich in seinen Bann: ein altes Kloster, durchzogen von moderner Ausstellungstechnik und einem Farbspektrum, das irgendwo zwischen „G Nemo“ und „Künstlerischer Tiefsee“ schwankte.

    ( G NEMO - „Gebäudekomplex Neuer Erweiterungsbau Meeresmuseum Ostsee“
    Es handelt sich um eine interne oder projektbezogene Abkürzung, die während der Modernisierung und Erweiterung des Meeresmuseums Stralsund verwendet wurde. Im Rahmen des Umbaus wurde nämlich ein neuer Anbau errichtet – ein hochmoderner Aquarienkomplex, der unter diesem Projektnamen G-NEMO lief.
    Der Name ist sicher auch ein augenzwinkernder Bezug auf „Findet Nemo“, den bekannten Pixar-Film, passend zum Thema Meereswelt.)

    Alles war auf mehreren Etagen verteilt – gut gemacht, barrierefrei, mit Liebe zum Detail. Und Meereslebewesen in allen Kategorien: hübsch, hässlich, krabbelnd, zappelnd, schwebend, schnappatmend.

    Im hinteren Trakt – ich musste kurz nach dem Weg fragen, denn das Kloster ist größer als manche Altstadt – lagen die Aquarien. Und dann standen wir plötzlich inmitten blauer Lichtwellen, eingefärbter Wasserschatten und glasumschlossener Korallenheimat. Krabben tanzten auf kalkigem Untergrund, Neonfische blitzten durch das Karibikbecken, und ein Tintenfisch imitierte wahlweise einen Designerteppich oder einen aufgeregten Teppichdesigner.

    Dann, der Moment: Die Riesenwasserschildkröte. Allein. Majestätisch. Und irgendwie... einsam. Margriet wurde still, ihre Augen feucht. „Die ist so allein, das ist doch traurig“, sagte sie leise. Ich berührte sanft ihren Arm. „Vielleicht bekommt sie bald Gesellschaft – der Mann an der Kasse sagte doch, nicht alles ist fertig.“ Sie nickte, aber der Blick blieb weich.

    Wir blieben lange bei der Schildkröte. Vielleicht, weil wir beide spürten, dass da mehr schwamm als nur ein gepanzerter Reptilienriese. Vielleicht, weil Margriet darin etwas erkannte. Vielleicht auch, weil es einfach schön war, still zu sein.

    Als wir später auf die Uhr sahen, knurrte nicht nur unser Magen, sondern auch mein innerer Bier-Kompass. „Ich höre sie rufen“, sagte ich. – „Die Schildkröte?“ – „Nein. Die Störtebeker Brauerei.“ Margriet lachte, das Leuchten war zurück. Und wir machten uns auf ins Brauhaus, das – wie durch göttliches Timing – nur 15 Minuten entfernt lag.
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  • Störtebeker- Stralsunder Biergeschichten

    10. kesäkuuta, Saksa ⋅ 🌧 14 °C

    Wir wurden mit einem breiten Grinsen empfangen – nicht nur von der offenen Tür des altehrwürdigen Störtebeker Brauhauses, sondern auch vom Kellner, der mich schon an Ostern bedient hatte. Damals hatte er mir in einem Nebensatz erzählt, dass das Bier aus der alten VEB Stralsunder Brauerei früher... sagen wir: keine Liebeserklärung war. „Sunder Pisse“, sagte er trocken. Eine ganz eigene Art von Lokalkolorit. Heute dagegen: Renaissance! Seit etwa zwei Jahren wird wieder ein „Stralsunder Pils“ gebraut – aber diesmal mit neuer Rezeptur und in „lecker“.

    Wir nahmen Platz – schwere Holztische, Backstein, hanseatisch dunkel und gemütlich – und ich bestellte Margriet erst mal ein Bierverkostungstablett: fünf Gläser, fünf Sorten, fünf kleine Abenteuer im Glas. Keller-Bier, Atlantic-Ale, Bernstein-Weizen, Schwarz-Bier und das Frühlings-Bock. Die Namen klangen wie Kapitel aus einem Wikingerroman. Ich erklärte Margriet, wie man so ein Tasting durchführt: Schauen – Riechen – Schlürfen – Denken – Diskutieren – Neutralisieren. Weißbrot und Wasser standen bereit, wir waren bereit für ein kleines Biersymposium.

    Margriet schnupperte begeistert am Schwarzbier und verzog leicht das Gesicht beim ersten Schluck. Ich sagte: „Warte, das entwickelt sich noch.“ Sie antwortete: „Wie ich nach dem dritten Glas.“ ;0)... Sympathisch.

    Zum Essen bestellte sie Spargel – saisonal und solide. Ich entschied mich für Labskaus (ein norddeutsches Seemannsgericht aus gepökeltem Rindfleisch, Kartoffelpüree, Zwiebeln, Rote Bete und Rollmops; einst erfunden, um Seeleute auf langen Fahrten mit Nährstoffen zu versorgen). Margriet verzog das Gesicht, als ich ihr das erklärte. Ich sagte: „Vertrau mir, das schmeckt besser als es klingt.“ Spoiler: es holte sie leider nicht ab.

    Zwischen den Bissen erzählte ich ihr von der langen Geschichte der Braukunst in Stralsund: Mehr als 800 Jahre Bierkultur. Schon im Mittelalter war Stralsund mit über 220 Braugerechtigkeiten ein echtes Biermekka. Bier galt als Grundnahrungsmittel – auch für Kinder. Schließlich war es oft sicherer als das Trinkwasser. Das stärkste Bier ging in den Export – der Rest für den Hausgebrauch oder in die Biersuppe.

    Dann der Hopfen – Gamechanger des Nordens. Während im Süden noch mit "Grut" (Kräutern) gebraut wurde, mischten die Stralsunder längst Hopfen ins Bier. Bitter, haltbar, bakterienfeindlich. Das Bier wurde besser und exportfähiger. England, Dänemark, Norwegen – Stralsund lieferte. Die Hanse trank. So erzählte ich ihr auch vom IPA – das Bier, das nach Indien wollte (und nicht verdursten wollte).

    Das India Pale Ale, kurz IPA, entstand im 18. Jahrhundert – nicht in Indien, sondern in England. Die Briten hatten nämlich das dringende Bedürfnis, ihre Kolonialbeamten in Indien auch dort mit ordentlich Bier zu versorgen. Problem: Das normale Bier verdarb auf der langen Schiffsreise durch tropische Hitze und ruppige See.

    Die Lösung? Mehr Hopfen. Viel mehr Hopfen.
    Hopfen wirkt wie ein natürliches Konservierungsmittel – und gibt dem Bier gleichzeitig diese typisch herbe Note. Also brauten die Engländer ein besonders starkes, hopfenreiches Bier, das die Reise überstand und in Indien noch halbwegs frisch aus dem Fass kam.

    Eigentlich war vorgesehen, das kräftige Bier vor dem Trinken mit Wasser zu verdünnen – aber die Kolonialbeamten fanden: "Ach, schmeckt auch so hervorragend!" Und beließen es dabei. Der starke Geschmack setzte sich durch – und der Legendenstatus war geboren.

    Heute ist IPA der Rockstar unter den Craft-Bieren – mit Aromen von Zitrus, Pinie, tropischen Früchten bis Grapefruit und bitter wie ein ungeöffneter Liebesbrief.

    Oder wie Margriet es sagen würde:
    „Hopfen, der tanzen kann – im Mund.“

    Ich erzählte vom Niedergang der Braukultur durch die Weltkriege, der sozialistischen Planwirtschaft und von der Rettung durch die Familie Nordmann nach der Wende. 2011 wurde aus der Stralsunder Brauerei die Störtebeker Braumanufaktur – handwerklich, vielfältig, international ausgezeichnet. Ein Bierwunder made in Mecklenburg Vorpommern.

    Margriet trank genüsslich ihr Atlantic-Ale aus und sagte: „Schade, dass man Bier nicht zu allem essen kann.“ Ich schaute sie an, als hätte sie gesagt, die Erde sei flach. „Doch“, sagte ich, „Bier ist wie Wein – man kann es zu allem kombinieren. Man muss nur wissen wie.“ Sie lachte. Ich ahnte: Wir würden diese Woche noch ein paar Bier-Food-Pairings erleben, die selbst sie überzeugen würden.

    Und während sie das letzte Restchen Frühlings-Bock aus dem Glas nippte, dachte ich: Wenn Geschichte so schmeckt – dann bitte mehr davon...
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  • Frühaufsteher, Kaffee & Greifswald-Trip

    11. kesäkuuta, Saksa ⋅ 🌬 13 °C

    Also, wir haben festgestellt: Wir sind mittlerweile ein echtes Dream-Team – wie ein altes Ehepaar, das jeden Abend zwischen 9 und 10 Uhr brav ins Bettchen tapst und morgens trotzdem früh wach ist. Margriet war topfit und hat mich gleich ausgequetscht: „Was machen wir heute?“ Ich erzählte ihr bei der Fahrt: Frühstück in Greifswald, eine Altstadtführung mit Schauspiel (keine Sorge, keine Theaterprüfung für uns!), „schnell“ noch die vergessene Jacke aus dem ältesten Gasthaus Rügens abholen (okay, das „schnell“ kann bei uns auch mal zu „eh…“ werden) und dann wandern wir gemütlich rund ums Kap Arkona und schauen uns Vitt an.

    Erstmal Kaffee und Frühstück. Da wir erst um 11 Uhr in Stralsund sein mussten, schlug ich vor: „Wie wär’s, wenn wir noch ein bisschen Greifswald erkunden?“ Margriet strahlte sofort – da war die spontane Abenteuerlust erwacht! Der Kaffee kam – und was für ein Pott! So groß, dass man fast hätte darin baden können.

    Ich suchte eine schöne Route raus, und Greifswald präsentierte sich im Sonnenschein von seiner allerbesten Seite. (Kleine Geschichtsstunde: Greifswald gehörte mal für rund 150 Jahre zu Schweden – das merkt man heute noch an der Schwedenstraße. Da fühlt man sich fast wie im Mini-Stockholm! Die Uni ist eine der ältesten Deutschlands, gegründet 1456 – also schon ganz schön weise, diese Stadt. Und Caspar David Friedrich, der berühmte Romantiker, wurde hier geboren – ihr wisst schon, der Typ, der Wolken und Nebel so gemalt hat, dass man glaubt, sie könnten gleich sprechen.)

    Wir schlenderten vorbei an seinem Geburtshaus, bewunderten die mächtige St.-Nikolai-Kirche mit ihren Türmen, die wie Wächter über die Stadt thronen, und saugten all die Geschichten und Sonnenstrahlen auf.

    Dann wurde es aber Zeit, die Segel zu setzen – ab nach Stralsund zur Altstadtführung, wo uns weitere Abenteuer und vielleicht auch noch ein bisschen Theater erwarten.
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  • Stralsund Altstadtführung mit Schauspiel

    11. kesäkuuta, Saksa ⋅ 🌬 15 °C

    Auf dem historischen Markt in Stralsund wurden wir schon von drei mittelalterlich gekleideten Menschen herzlich empfangen. Wir stellten uns kurz vor und warteten, bis die Gruppe komplett war – wir waren etwa zehn Leute. Die Ausschreibung zum Spektakel klang so spannend, dass wir uns richtig freuten:

    „Erleben Sie über 750 Jahre Hansestadt-Geschichte, mit reichen Pfeffersäcken, frommen Priestern und aufgeputzten Damen. Warum der Rat eine Hochzeitsordnung erlassen musste, wie die Nudel nach Stralsund kam und was das mit einer Intrige gegen Bürgermeister Wulflam zu tun hat. Wie finster die Nacht aus Geiz war und was ein Heringsfass alles kann – inklusive dem Kopf des Freiheitskämpfers Ferdinand von Schill in einem Einmachglas!“

    Unser Guide Harald, der Priester mit seiner schwarz-roten Kutte, war schwer zu übersehen. Thilo und Anna hatten abwechselnde Rollen, und 11 Uhr verabschiedeten sie sich. Harald stellte uns den Markt vor und zeigte das alte Rathaus (das alte Rathaus von Stralsund wurde im 13. Jahrhundert errichtet, der markante Giebel im Backsteinstil wurde erst im 14. Jahrhundert hinzugefügt und prägt seitdem das Stadtbild mit seinem gotischen Charme). Gegenüber wohnte einst der Bürgermeister Wulflam mit seiner Frau – ein Mann, der für seinen extravaganten Stil bekannt war: Um ins Rathaus zu gelangen, soll er angeblich mit seinem Pferd über extra ausgelegte Stoffbahnen geritten sein, um das Pflaster nicht zu beschädigen. (Bürgermeister Wulflam war im 14. Jahrhundert eine schillernde Figur – bekannt für seine Macht, aber auch für Korruptionsvorwürfe, die sogar eine Intrige gegen ihn auslösten. Man sagt, er griff öfter mal in die Stadtkasse, was ihm nicht nur Freunde bescherte.)

    Am Marktplatz gab es natürlich auch ein Brauhaus (im Mittelalter unverzichtbar für Geselligkeit und wichtige Stadttreffen), sowie verschiedene Handwerker und Händler: der Schmied, der Bäcker, die Färberin und der Krämer. Alle waren wichtige Stützen der lebendigen Hansestadt.

    Wir zogen weiter und Harald führte uns zur alten Lateinschule (die Stralsunder Lateinschule wurde im 16. Jahrhundert gegründet und war eine der ersten Bildungseinrichtungen der Stadt – hier lernten die Söhne der wohlhabenden Bürger Latein, Religion und Rhetorik, damit sie später in Handel und Politik mitmischen konnten). Danach kamen wir zur imposanten Kirche mit den zwei Türmen, wobei einer ohne Spitzdach dastand – ein Zeichen, dass der Bau damals nie ganz fertig wurde.

    Anna saß dort auf einer Treppe eines historischen Bürgerhauses und begann ihre Szene: „Habt ihr schon das Neueste gehört? Weingläser aus Murano – aus Glas, nicht aus Ton.“ Sie hielt ein kleines Körbchen mit abgedecktem Tuch in der Hand. Anna spielte eine verheiratete Kauffrau, die gerade versuchte, dem einflussreichen Kaufmann Gerwin von Semlow (ein bedeutendes Mitglied des Stadtrats, an den heute noch eine Straße erinnert), welcher gerade um die Ecke kam, ihre neuen Waren anzupreisen.

    Herr Semlow war ein geiziger, misstrauischer Mann, der über Weingläser aus Glas nur lachte. Anna versuchte ihn mit Gerüchten zu erpressen, dass sie denkt, dass der Bürgermeister in die Stadtkasse greift und sie denkt, dass der werte Kaufmann, da er im Stadtrat sitzt, ja davon wissen müsse - doch Semlow mahnte sie, besser auf ihre Zunge zu achten. Daraufhin schlug sie das Tuch zurück und präsentierte ihm den neuesten Hit: eine Nudel – ebenfalls aus Murano. Herr Semlow nahm beherzt eine rohe Nudel und wollte gerade reinbeißen, als Anna ihm erklärte, dass man die erst kochen müsse, dann werde sie weich und zart. Semlow blieb skeptisch.

    Die beiden spielten ihre Rollen so lebendig, dass wir uns mitten in der reichen Hansestadt des Mittelalters fühlten. Tolle Kostüme, Drama, Geschrei – und ein Happy End. Wir applaudierten herzlich und folgten Harald weiter durch die Stadt...
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  • Vom Scharfrichterhaus zur Orgelweihe

    11. kesäkuuta, Saksa ⋅ 🌬 16 °C

    Wir machten uns auf den Weg zum nächsten Platz vor der Kirche an der Papenstraße, wo im Mittelalter die Hinrichtungen stattfanden. Dort befindet sich das Scharfrichterhaus, ein historisches Gebäude an der Ecke Filterstraße/Papenstraße, das als einziges erhaltenes Scharfrichterhaus im Ostseeraum gilt. Es wurde im 13. Jahrhundert erbaut und diente über Jahrhunderte als Wohn- und Arbeitsstätte der städtischen Scharfrichter. Der letzte Scharfrichter Stralsunds, Christian Hermann Wentzel, lebte und arbeitete hier bis zu seinem Tod im Jahr 1841. Die letzte öffentliche Hinrichtung in Stralsund fand am 26. April 1855 auf dem Alten Markt statt.

    Der Gebäudekomplex besteht aus zwei Teilen: einem zweigeschossigen Wohnhaus (Filterstraße 2b) und einem dreigeschossigen Turmhaus (Filterstraße 2a), das 1412 an das Wohnhaus angebaut wurde. Das Turmhaus diente als Gefängnis und Folterkeller. Trotz späterer Umbauten sind die mittelalterlichen Strukturen erhalten geblieben, einschließlich der Gewölbekeller und des Schaugiebels am Turmhaus. Heute ist das Scharfrichterhaus ein denkmalgeschütztes Gebäude im UNESCO-Welterbegebiet der historischen Altstadt von Stralsund. Es wird seit 1990 schrittweise saniert und kann auf Anfrage besichtigt werden.

    "Wisst ihr eigentlich, warum der Giebel vom Scharfrichterhaus nicht zum Platz zeigt?“, fragte Harald, unser priesterlicher Führer mit dem roten Umhang, und stellte sich mit verschränkten Armen vor das düstere Gebäude an der Papenstraße.

    Wir schauten alle wie sonntags in die Waschmaschine – mit höflichem Interesse, aber null Plan. Schulterzucken ringsum.

    „Na? Weil der Scharfrichter gesellschaftlich geächtet war – sein Haus sollte nicht glänzen, sondern funktionieren. Giebel zeigt zur Filterstraße, wo damals der Verkehr lief, nicht zum Platz – der war eh zu heikel für so ’nen Job.“

    Als wir vor dem ehrwürdigen Scharfrichterhaus standen, wurde Harald plötzlich geheimnisvoll, zog ein vergilbtes Bild aus seiner Kutte und sagte mit einem verschmitzten Grinsen: „Wisst ihr, hier in Stralsund im Mittelalter konnte man nicht nur für Diebstahl oder Mord auf den Galgen wandern – Ehebruch war mindestens genauso gefährlich. Mancher bekam sogar einen Solo-Auftritt an der Schandpfahl-Show.“ Er zwinkerte einem verheirateten Mann aus unserer Gruppe zu und flüsterte: „Sag mal, hättest du da ’nein‘ sagen können?“

    Der Mann grinste breit, während Harald das Bild herumreichte – es zeigte eine ziemlich freizügige, wunderbar proportionierte junge Frau.

    „Das, meine Lieben, ist Anna von… nun ja, nennen wir sie mal die Versuchung in Person!“

    Dann erzählte Harald ein richtiges Skandal-Drama, das sich hier zugetragen haben soll: Ein reicher Kaufmann wurde beim Ehebruch ertappt – und zwar redlich erwischt. Das Gericht verurteilte ihn zum Tod am Galgen. Doch seine schöne Geliebte, die Anna, setzte all ihre Charmeoffensive in Bewegung. Sie flehte, weinte, und versprach, alles zu tun, damit er verschont wird. Das Gericht, ganz im Mittelalter-Modus zwischen Strenge und Unterhaltung, gab ihm tatsächlich eine letzte Chance – aber nur unter strengen Auflagen und mit ganz viel Misstrauen.

    „Der Kaufmann“, lachte Harald, „hat versucht, sich rauszureden: ‚Ich hab’s doch nur gemacht, um mein Liebesleben aufzupeppen!‘“

    Wir lachten alle herzlich, während Harald dann noch zwinkerte: „Also, ihr Lieben, denkt daran: Im Mittelalter konnte ein Seitensprung nicht nur das Liebesleben, sondern auch das Leben insgesamt beenden – der Scharfrichter war streng."

    Eine Katze, wie aus dem Theaterverleih – rot-weiß gescheckt, mit Hang zum Dramatischen – schlich währenddessen an Haralds Kutte entlang und nutzte ihn als lebende Kratzsäule. Der Priester schaute seufzend nach unten.
    „Das hier ist meine neue Novizin. Hat noch kein Gelübde abgelegt, aber frisst bereits wie eine Klosterküche.“

    Wir lachten, aber Harald ging schon weiter – hinein in die Kirche St. Jakobi.

    „Ahhh“, raunte Margriet neben mir, „jetzt wird’s feierlich.“

    Wir traten in das kühle Kirchenschiff, bestaunten die alte Kanzlei (wirklich noch Original-Mittelalter!) und setzten uns in die Bänke. Doch kaum hatten wir Platz genommen, da schlich – wie aus dem Nichts – ein Bettler hinter dem Altar hervor. Es war Thilo, diesmal mit einfachen Holzschuhen, einfaches Hemd, zu kurze Hose und gierigen Blicken.
    Er griff sich einen goldenen Kelch vom Altar – genau in dem Moment, als Anna alias Frau Ketelhot auftauchte.

    „Heda! Was tust du da?“ rief sie empört.
    „Ich... ich nehm nur, was sowieso niemand mehr benutzt“, stotterte der Bettler.
    „Was willst du mit dem Abendmahlskelch? Draus essen?“
    „Wär’n Anfang...“

    Diese Szene spielt auf das Stralsunder Kirchenbrechen an – ein Ereignis von 1525, als Bürger in der Reformationszeit Kirchen stürmten und plünderten. Auslöser war ein Missverständnis, das in Tumulte und Zerstörungen religiöser Kunst mündete. Frau Ketelhot – historisch überliefert – versuchte tatsächlich, die wütenden Bürger zu beruhigen, scheiterte jedoch.

    In diesem Moment trat Harald dazu, hob theatralisch die Hände gen Himmel und rief:
    „Oh Herr, du siehst dein Haus geplündert! Und das von einem Holzfüßigen mit einem Löffel in der Tasche!“

    Wir lachten – obwohl die Szene bedrückend und historisch bedeutend war. Es war ein seltsames Gefühl: Zwischen Schmunzeln und Gänsehaut. Harald gab immer den Epilog und den Prolog, wenn wir in diese Schauspielkunst eintraten. Auch hier wieder staunten wir, wie schnell man in so einer Szenerie drinnen ist mit so einer gotischen Kulisse – beeindruckend. Wir applaudierten und schauten uns noch die alte wiederhergestellte Orgel an.

    Die erste Orgel der Jakobikirche wurde 1741 von Christian Gottlieb Richter erbaut. Der barocke Prospekt stammt von dem Stralsunder Bildhauer Michael Müller. Spätere Umbauten erfolgten durch Ernst Marx (1779–1783) und Friedrich Albert Mehmel (1870–1877), wobei Mehmel das Instrument auf vier Manuale und 68 Register erweiterte. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Orgel weitgehend zerstört und geplündert. Einige Teile, wie die geschnitzten Gehäuseteile, wurden ausgelagert und blieben erhalten.

    Zwischen 2018 und 2020 wurde die Orgel von der Orgelwerkstatt Kristian Wegscheider aus Dresden unter Verwendung historischer Teile rekonstruiert. Das Instrument verfügt über 51 Register auf drei Manualen und Pedal und orientiert sich klanglich und technisch am Stil des 18. Jahrhunderts. In das neue Werk wurden Teile der Vorgängerorgeln integriert, darunter die Pedalwindladen von 1741 und etwa 50 Holzpfeifen von Mehmel aus dem Jahr 1877. Der barocke Prospekt wurde in seinem ursprünglichen Zustand von 1741 wiederhergestellt.

    Seit ihrer Weihe am 19. September 2020 hat sie sich in zahlreichen Konzerten als klanglich herausragendes Instrument erwiesen.
    Dann zogen wir weiter. Das Mittelalter wartete schon hinter der nächsten Ecke.
    Dann zogen wir weiter. Das Mittelalter wartete schon hinter der nächsten Ecke.
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  • Scheel, Laternen und ein verlorener Kopf

    11. kesäkuuta, Saksa ⋅ 🌬 17 °C

    Wir schlenderten weiter durch die historischen Straßen Stralsunds, als Harald uns vor dem Scheel-Haus stoppte: „Wer weiß denn heute mal, wer Scheel war?“
    Die Gruppe schweigt, doch plötzlich meldet sich jemand mutig: „Ein Chemiker!“
    „Jawohl!“, nickt Harald, „Johann Friedrich Wilhelm Scheel – Sohn eines Apothekers hier in Stralsund. Ein echter Chemie-Pionier. Ohne ihn hätten wir vielleicht nie erfahren, wie man zum Beispiel Bleiglätte herstellt – aber keine Sorge, die Chemie ist heute harmloser.“ (Kleiner Chemie-Kurzexkurs: Scheel entdeckte u.a. das Blausäure-Salz und half, die Anfänge der modernen Chemie zu legen.)

    Mit frisch gewonnenem Wissen zogen wir weiter zum Johanniskloster – oder was davon noch übrig ist. Ein mittelalterlicher Tausendsassa: gebaut im 14. Jahrhundert, abgefackelt im 17., bombadiert im Zweiten Weltkrieg und dann liebevoll restauriert. Heute ein kultureller Hotspot mit einer Bibliothek, die sogar Bücher vom schwedischen Generalgouverneur beherbergt. Also quasi der VIP-Bereich für Bücherwürmer.

    Gegenüber lag das Beginenhaus – und unser Guide Harald wollte wissen: „Was ist eigentlich ein Beginenhaus?“
    Da meldete sich Margriet, und erklärte souverän: „Früher lebten da unverheiratete Frauen, die nicht Nonne werden wollten.“
    Harald grinste: „Ganz genau! Und das hier ist sozusagen das 19. Jahrhundert-Upgrade – ein Heim für bedürftige Frauen, die keine Lust auf Klosterverschärfung hatten.“
    Wir lehnten uns zurück, die Bänke gegenüber, und waren schon halb im Mittelalter-Modus, als plötzlich Thilo und Anna in ihren neuen mittelalterlichen bürgerlichen Kostümen auftauchten.

    Sie diskutierten lautstark über die schlechten Straßenverhältnisse in Stralsund. Anna schimpfte: „Keine Laternen, überall Schlaglöcher, man weiß gar nicht, ob man auf Kopfsteinpflaster oder Kuhfladen tritt!“
    Thilo rollte mit den Augen: „Der Fürst mit der Laterne macht’s nicht besser!“

    Nun zur Geschichte des Fürsten: Um 1780, als die Straßen noch schiefer gepflastert waren als unser Humor, herrschte in Stralsund Friedrich Wilhelm von Hessenstein. Ein Mann von Rang: Friedrich Wilhelm von Hessenstein – Sohn eines Königs, ohne Krone, aber mit Autorität. Er residierte in Stralsund als Generalgouverneur und nahm seine Aufgabe, die Stadt zu ordnen, sehr ernst. Nun stürzte er eines nachts, so böse... Dies ließ ihn schier verzweifeln: die Stralsunder Bürger gingen nachts einfach so auf die Straße – ohne Laterne!
    Das war ihm zu viel.
    Eines Tages also ließ der Fürst verkünden: „Von nun an ist es jedermann untersagt, sich nach Einbruch der Dunkelheit ohne eine mitgeführte Laterne im öffentlichen Raum zu bewegen. Zuwiderhandlungen werden mit Strafe belegt!“ So stand es im Erlass. Klipp und klar.

    Aber was taten die Stralsunder? Sie murmelten, schmunzelten – und trugen Laternen, aber ohne Licht mit sich – es blieb dunkel in den Straßen. Es folgte prompt ein zweiter Erlass: „Von nun an ist es jedermann untersagt, sich nach Einbruch der Dunkelheit ohne eine mitgeführte, angezündete Laterne im öffentlichen Raum zu bewegen. Zuwiderhandlungen werden mit Strafe belegt!“ Aber was taten die Stralsunder?
    Die Stralsunder wiederum schummelten wieder: Sie entzündeten winzige Kerzen, so schwach, dass man eher dachte, sie hätten Glühwürmchen in der Laterne.
    Wir lachten bei dieser Unterhaltung von Thilo und Anna herzlich. Sie gingen von dannen, und wir auch in eine andere Richtung, folgten unserem Priester Richtung Kniepertor.

    Harald zeigte uns ein Denkmal von dem Freiheitskämpfer Ferdinand von Schill. Der Name klingt groß, und das war er auch – ein preußischer Major und Freiheitskämpfer gegen Napoleon. 1809 versuchte er mit einer kleinen Truppe in Stralsund einen Aufstand – der allerdings nicht so richtig zündete. Ferdinand von Schill war eine der schillerndsten, tragischsten und zugleich berühmtesten Gestalten der deutschen Freiheitskämpfe gegen Napoleon. Sein letzter, dramatischer Auftritt fand 1809 in Stralsund statt – und endete mit seinem Tod. Was danach mit ihm – insbesondere mit seinem Kopf – geschah, gehört zu den düstereren Kapiteln der Geschichte.

    An dieser Stelle schlenderten wir hinter das Denkmal, wo Anna schon im barocken Kostüm auf uns wartete. Sie erzählte flüsternd: „Habt ihr schon gehört? Der Bruder von Napoleon, Jérome, hat ein Kopfgeld von 10.000 sundischen Mark auf Schills Kopf ausgesetzt – und der ist jetzt verschwunden! Was für ein Skandal!“
    Genau in diesem Moment tauchte Thilo auf, trug ein mit Leinentuch bedecktes Fußballgroßes Etwas unter dem Arm. „Der Herr Doktor, haben Sie die Neuigkeiten schon gehört?“ fragte Anna.
    Thilo schüttelte den Kopf. Er lässt sich die Neuigkeiten ausfürlich erklären. Sie fragt ihn nach einer Weile, ob er denn wisse, wo der Kopf sei oder was mit ihm geschehen seien könnte... Der Doktor drehte sich zu uns um und zog das Leinentuch langsam weg – und da lag er: der Kopf des Freiheitskämpfers, in Formaldehyd eingelegt. Ein kollektives Raunen ging durch unsere Gruppe.
    So makaber das war, so humorvoll beendete Harald unseren Rundgang: Mit warmen Worten, Flyern in der Hand – und einem letzten Blick auf das leicht bekleidete Mädchen mit dem frechen Grinsen, das uns schon vom Anfang an begleitet hatte.

    Die drei Schausteller verbeugten sich, wir applaudierten und jubelten – was für eine Zeitreise! Informativ, unterhaltsam, manchmal absurd – aber immer mit dem perfekten Stralsunder Flair...
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  • Kaffeedurst und Küstenwind

    11. kesäkuuta, Saksa ⋅ 🌬 17 °C

    Nach der dramatischen Enthüllung des Schill-Kopfes – ein wahrhaft makabrer Höhepunkt unserer Zeitreise ;0) – war es an der Zeit, den Kopf freizubekommen. Also steuerten wir das Scheel-Haus an, ein stattliches Gebäude, das heute als Hotel und Restaurant dient. Hier fanden wir nicht nur eine dringend benötigte Toilette, sondern auch ein gemütliches Kaminzimmer, in dem wir bei Kaffee und Bier die Ereignisse des Tages Revue passieren ließen.

    Gestärkt und erfrischt setzten wir unseren Weg fort und kamen an der ältesten Bar in Stralsund vorbei: der „Zur Fähre“ in der Fährstraße 17. Diese urige Kneipe wird seit 1332 urkundlich erwähnt und gilt als eine der ältesten Hafenkneipen Europas. Ein echtes Stück Geschichte, das uns zum Schmunzeln brachte.

    Unser nächstes Ziel war der Hafen, wo das Traditionsschiff „Gorch Fock“ vor Anker lag. Ursprünglich 1933 in Hamburg gebaut, diente es lange als Segelschulschiff der Deutschen Marine. In den letzten Jahren war das Schiff jedoch nicht immer im aktiven Einsatz. 2015 wurden schwere Schäden festgestellt, die eine umfassende Sanierung erforderlich machten. Ursprünglich auf etwa 10 Millionen Euro veranschlagt, stiegen die Kosten aufgrund von Korruptionsvorwürfen und der Insolvenz der beauftragten Elsflether Werft auf etwa 135 Millionen Euro . Nach fast sechs Jahren Renovierung wurde die „Gorch Fock“ 2021 wieder in Dienst. Seit Mai 2024 liegt es als Museumsschiff im Stralsunder Stadthafen und lädt Besucher ein, in die Geschichte der Seefahrt einzutauchen.

    Doch unsere Reise war noch nicht zu Ende. Wir hatten noch ein Ziel vor Augen: Kap Arkona. Und nicht nur das – wir wollten auch die vermisste Jacke von Margriet noch abholen. Also machten wir uns auf den Weg, gespannt, welche Abenteuer uns noch erwarten würden...
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  • Rügen: Fossiles Harz und hungrige Herzen

    11. kesäkuuta, Saksa ⋅ 🌬 17 °C

    Nach so viel Historie, Schauspiel und Stadtabenteuer war jetzt erstmal: Jackenjagd. Margriets Jäckchen lag noch in Middelhagen – was ja laut Karte gar nicht so weit aussah. Aber Rügen hat seine eigenen Maßstäbe.

    Was wie ein kurzer Schlenker wirkte, entpuppte sich als ausgedehnte Inlandsmission. Von Middelhagen bis Kap Arkona war’s dann doch ein kleiner Roadtrip deluxe. Als wir endlich dort ankamen, war der Tag schon deutlich ins Spätprogramm gerutscht – und unser Magen in den Werbemodus: Bitte jetzt Futter einwerfen!

    Ursprünglich hatten wir uns für die „gemütliche“ 7-Kilometer-Wanderung am Kap entschieden, aber als unsere Füße protestierten und der Sonnenstand eher nach Abendbrot denn nach Abenteuer rief, wurden kurzerhand nur noch 4 Kilometer daraus. Flexibilität ist schließlich die wahre Tugend des Reisenden!

    Am Kap angekommen, begrüßte uns die Stille des Vorabendtourismus: viele Läden bereits dicht, Restaurants im Feierabendmodus – nur der Wind und ein letzter Candy-Wagen blieben treu.

    Und genau dort fand die Rettung in Zuckerform statt: Eine Tüte gebrannte Mandeln für jede – romantisch knuspernd mit Blick aufs Meer. Die eigentliche Krönung aber kam vorher: Wir hatten zufällig einen kleinen Bernsteinladen entdeckt – der Duft von Holz und Geschichte lag in der Luft – und, wie es das Schicksal wollte, fanden wir beide Ohrringe, die uns anlachten wie frisch verliebte Fossilien.

    Der Bernstein, so erzählte uns die Verkäuferin, sei uraltes Baumharz aus der Zeit der Dinosaurier, millionenfach älter als unsere Tourenfüße – und dabei deutlich eleganter. Unsere neuen Schmuckstücke enthielten zwar keine Mücken à la Jurassic Park, aber dafür Glanz, Seele und einen Hauch von Ostseemagie.

    Schließlich stapften wir weiter zum berühmten Leuchtturm. Dort war die Küche leider bereits im „Heute keine Pommes mehr“-Modus. Also auf zur Steilküste – immerhin braucht man ja Bewegung zum Verdauen, auch wenn’s noch nichts zu verdauen gab. Margriet hatte es mit der Treppe nicht so („Geh schon mal vor...“), also stieg ich heldenhaft voran – runter zur Küste.

    Unten angekommen: steinig, wild, wunderschön. Die Kreidefelsen leuchteten weiß wie frisch gebleichte Geschichtsseiten. Und am Horizont – ein paar Sonnenschirme. Vielleicht doch noch ein Restaurant? Hoffnung keimte auf.

    Wir kamen schließlich im kleinen Fischerdorf Vitt an – charmant wie aus einem alten Seemannslied und vielleicht, nur vielleicht, mit einem Hering auf dem Grill...
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  • Vitt und das Bier am Ende der Welt...

    11. kesäkuuta, Saksa ⋅ 🌬 17 °C

    Vitt. Das klang schon wie ein nordischer Seufzer. Als wir das kleine Fischerdörfchen erreichten, lag es da wie aus der Zeit gefallen – direkt an der Wasserkante, eingerahmt von Steilküste und Stille. Nur: Von Leben keine Spur. Das Restaurant am Hafen, das wir insgeheim schon als Abendretter gefeiert hatten, hatte seine Sonnenschirme bereits zusammengeklappt wie Segel vor einem Sturm. Geschlossen. Feierabend. Küchenschluss. Kalte Küche, kalte Realität.

    Ein einzelner Stuhl stand verlassen am Ufer, als hätte sich der letzte Gast einfach in Luft aufgelöst. Das ganze Dorf war still. Fast gespenstisch. Leben hier überhaupt noch Menschen – oder sind das nur sehr gut erhaltene Kulissen aus dem 19. Jahrhundert?

    Doch wir gaben nicht auf. Ein paar Schritte weiter, am Ende der gepflasterten Mini-Dorfstraße, hörten wir Menschenstimmen. Vor der Dorfschänke „Zum Goldenen Anker“ saßen tatsächlich noch Gäste draußen – eine letzte Bastion der Zivilisation. Ich stürmte hinein, energisch und hungrig, mit der Hoffnung auf einen Teller irgendwas Warmes im Blick.

    Hinter dem Tresen stand eine resolute Dame mit weinrotem Lippenstift und dem Blick einer Frau, die schon viele hungrige Touristen kommen und gehen sah.

    Bevor ich auch nur den Mund aufmachen konnte, sagte sie mit einem leicht amüsierten Lächeln:

    „Nichts mehr zu essen. Nur noch was zu trinken.“

    Ich schwöre: Sie hatte die Worte direkt aus der Gedankenblase über meinem Kopf gelesen.

    Ich nickte ergeben. Bier ist ja bekanntlich auch flüssiges Brot. Also zwei kühle Biere bestellt, raus zu Margriet, tief durchgeatmet. Die Sonne senkte sich langsam über die Ostsee, der Himmel glühte wie ein Bernstein im Abendlicht. Wir prosteten uns zu. Auf den Tag. Auf die Treppen. Auf das überlebte Abenteuer Kap Arkona.

    Auf dem Rückweg, leicht beschwingt vom Bier und der Abendstimmung, filmten wir noch ein paar Kornblumen am Wegesrand, wie sie im Wind tanzten – als würden sie sich bedanken, dass wir sie nicht übersehen haben.

    Dann rein ins Auto, zurück Richtung Süden – und in Monte Gristow fielen wir einfach nur noch in unsere Betten.

    Was für ein Tag. Was für eine Insel. Was für eine Reise.
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  • Füße im Wasser, Salami im Gepäck

    12. kesäkuuta, Saksa ⋅ ☀️ 14 °C

    HIDDENSEE:

    Margriet erzählte mir, dass sie in ihrem Buchclub das Buch „Kruso“ von Lutz Seiler gelesen hatte und deshalb unbedingt mal nach Hiddensee wollte. Klar, ihr Wunsch ist mein Befehl – und heute war es endlich so weit! Früh aufstehen war angesagt, denn um 8:30 Uhr legte die Fähre in Schaprode ab. Die Parkplatzsituation war diesmal alles andere als entspannt, sämtliche Plätze waren belegt, und wir mussten am Stadtrand parken. Gerade noch rechtzeitig schafften wir es auf die Fähre, die kurz darauf den Anker einholte und Richtung Insel ablegte.

    Während die Küste kleiner wurde, fragte ich Margriet, worum es in „Kruso“ genau geht. Sie erzählte mir von Lutz Seiler, einem Lyriker, der mit diesem Roman eine faszinierende Geschichte über das Leben auf der Insel in den letzten Monaten der DDR erzählt – eine Mischung aus Robinsonade, literarischer Poesie und einer Milieustudie der Aussteiger. Es geht um Ed Bendler, der auf Hiddensee als Tellerwäscher arbeitet, und seine Begegnung mit Kruso, dem charismatischen Kopf einer Gegenkultur. Das Buch ist voller Sprachbilder, zwischen sozialer Realität und surrealer Poesie, eine echte literarische Reise.

    Ich ergänzte: „Hiddensee ist ja auch eine autofreie Insel, bekannt für ihre unberührte Natur, die Künstlertradition und die entspannte Atmosphäre.“ Keine Autos, nur Fahrräder, Pferdekutschen und Füße. Sandstrände, Dünen, Heideflächen und der berühmte Leuchtturm Dornbusch – Hiddensee ist ein echtes Naturparadies und Heimat vieler berühmter Künstler und Schriftsteller wie Gerhart Hauptmann.

    Auf der Fähre kam gerade die Durchsage, dass wir nicht in Vitte anlegen würden, wo wir eigentlich frühstücken wollten, sondern in Kloster. Kein Problem – ich schlug vor, von Kloster aus nach Vitte zu laufen, dort zu frühstücken und dann am Strand entlang nach Neuendorf zu spazieren. Margriet war sofort dabei.

    In Kloster angekommen, war um halb zehn noch alles ruhig und verschlafen. Nach einer halben Stunde durch die herrliche Natur kamen wir in Vitte an – dem größten Ort der Insel und touristischem Zentrum. Bei „Tante Hedwig“ fanden wir perfekten Kaffee und ein leckeres Frühstück. Der Service war klasse: Ein junger Mann aus Leipzig, der zuvor in Brasilien und in Kopenhagen lebte, arbeitet bis zum Studiumsbeginn hier auf der Insel.

    Der kleine Laden lockte mit regionalen Leckereien – Lamm- und Rindersalami, selbstgemachte Marmeladen. Natürlich mussten wir alles probieren und zack – Salami für zuhause eingepackt. Wer kann da schon nein sagen?

    Nach dem Frühstück entschieden wir uns, den Weg entlang der Westküste nach Neuendorf zu laufen. Schuhe und Socken aus, Füße ins kühle Meerwasser – das Rauschen der Ostsee, die Natur, die frische Luft – pure Entspannung! Knoblauchzehen am Strand - war ein ungewöhnlicher Anblick.Trotz der Beliebtheit bei Urlaubern hat Hiddensee seine Seele bewahrt, und genau das machte den Tag so besonders. Neuendorf war in Sicht...
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