• Rebecca C
  • Elias Huland
  • Rebecca C
  • Elias Huland

Cold nights, warm showers

Von Oktober 2022 bis Dezember 2023 sind wir, Rebecca und Elias, insgesamt 20.000 Kilometer durch den Balkan, Australien und Neuseeland und von Osttimor durch Südostasien bis Japan geradelt. Leia mais
  • Pandamania

    8–10 de out. 2023, China ⋅ 🌧 20 °C

    Entlang unendlicher Mandarinenplantagen radeln wir in die Millionenstadt Chengdu. Dort angekommen hören wir wieder von Linmei, die sich uns als Jane vorgestellt hatte, und ihrem Mann, die uns vor einigen Wochen in ihrem SUV überholt und mit ihrer Drohne gefilmt hatten. Sie wohnen in einem Vorort und laden uns für einen Nachmittag zu sich ein. Es gibt Kaffee und Kuchen, wir teilen Reisefotos und -geschichten miteinander und verbringen den Nachmittag mit ihrer Tochter, die klassische Musik liebt und wegen ihrer Begeisterung für Schumann über Duolingo erstaunlich gut Deutsch gelernt hat. Wir sind nun die ersten Deutschen, mit denen sie sich unterhalten kann. Abends kocht Linmei mit ihrer Mutter und Tante gemeinsam ein großes Essen für uns alle. Wir freuen uns über den schönen Tag und die Einblicke in ihren Lebensalltag.

    Bereits auf dem letzten 100 Kilometern vor Chengdu ist uns etwas aufgefallen, dass freilich auch schwer zu übersehen ist: Erst sind es nur schwarze Öhrchen an einem Mülleimer und mal eine runde Silhouette an einer Hausfassade oder Polizeistation. Dann sind es Zebrastreifen, Sitzbänke, Mülleimer, Hinweisschilder, Busse, Tunneleingänge und überlebensgroße Figuren. Spätestens in Chengdu ist alles, was auch nur den kleinsten Gestaltungsspielraum hat, in Pandaoptik gehalten.

    Das Nationaltier Chinas war einst fast im gesamten Land verbreitet, heute aber lebt es nur noch in Restbeständen in den wenigen verbliebenen Bambuswäldern. In Chengdu kann man die Pandas jedoch besichtigen. Es gibt eine Forschungs- und Aufzuchtstation, die einem riesigen Zoo, nur für Pandas, gleicht. Wir nutzen den Geheimtipp-Nebeneingang und sind dort quasi alleine, finden aber zunächst auch keine Pandas, sondern nur leere Gehege. Nach einem langen Spaziergang kommen wir den Tieren und damit auch den Menschenmengen näher. Mit Plüschohren in Pandaoptik dekoriert, wandern die Menschen von Gehege zu Gehege. Diese haben typisch chinesisch bildhafte Namen: Im Frühlingssonnen-Gehege ist aktuell leider kein Panda, dafür haben wir beim Gehege-des-alles-umarmenden-Mondes Glück. Neben dem schwarz-weißen Riesenpanda treffen wir auch auf die roten kleinen Pandas. Sie sind mit dem Riesenpanda zwar nicht enger verwandt, ernähren sich aber ebenfalls hauptsächlich von Bambus. Sie sind nicht minder süß und gleichen einer Mischung aus Fuchs, Dachs und Waschbär.

    Ansonsten stellen wir fest, dass sich die größeren chinesischen Städte ähneln - in den Randgebieten findet man die 20-stöckigen Wohnturm-Siedlungen, im Stadtzentrum viele Restaurantketten mit viel Leuchtreklame. Öffentliche Flächen sind meist bevölkert, von denjenigen, die zuhause nur wenig Platz haben: Im Volkspark von Chengdu etwa spielen die Menschen Badminton oder Mahjong. Es gibt außerdem noch schöne Teehäuser und ältere Herren, die einem für 3 Euro die Ohren putzen wollen - im wahrsten Sinne des Wortes: Sie sind mit einem Sortiment an Q-Tips ausgestattet und bieten den Teehausbesucher:innen ihre Dienste an. Wir verzichten dankend und kaufen uns stattdessen ein Softeis, mit dem wir durch den einsetzenden Nieselregen zurück zu unserer Unterkunft schlendern.
    Leia mais

  • Ton, Steine und Scherben

    11–12 de out. 2023, China ⋅ ☁️ 19 °C

    In Chengdu schicken wir die Räder per Zug-Spedition voraus und nehmen den Nachtzug, der uns am nächsten Tag in Xi'an bei der nächsten klassischen Sehenswürdigkeit ausspuckt: Der Terrakotta Armee. Andere Reisende, mit denen wir vorher gesprochen hatten, haben uns zwei Dinge über die Tonfiguren gesagt: Es ist voll, aber es lohnt sich. Beides ist wahr.

    Die vor mehr als 2000 Jahren erbaute Armee ist wahrhaftig pompös. In drei Hallen schauen wir uns die Figuren an, die die Archäolog:innen seit der Entdeckung im Jahr 1974 mühevoll ausgegraben und zusammengepuzzlet haben. Die über 8000 Figuren sind detailliert modelliert und waren einst kunstvoll bemalt und mit Waffen ausgestattet. Sie dienten als symbolische Wachen des pyramidenähnlichen Mausoleums eines frühen chinesischen Kaisers. Das Mausoleum selber liegt wenige Kilometer entfernt und wurde noch nicht freigelegt.

    Trotz der Menge an Ton, Steinen und Scherben wehen hier wenig Gesellschaftskritik und Revolutionsgeist durchs Land: Je mehr wir in den großen Städten sind, desto mehr fallen uns die vielen Polizisten und die blinkenden Polizeistationen auf, die an jeder großen Kreuzung Präsenz zeigen. Oft stehen die Beamten eher gelangweilt herum. Was hier genau kontrolliert wird, bleibt unklar. Man kann sich aber sehr gut vorstellen, dass jede mögliche Demonstration aufgelöst wäre, noch ehe sich zehn Menschen versammelt hätten.

    Sowohl im Zug, als auch im Museum wird statt eines Tickets die Personalausweis-Nummer gescannt und auch unsere Bezahl-Apps sind mit der Passnummer verknüpft. Die DSGVO findet hier leider keine Anwendung und die deutsche Debatte über Vorratdatenspeicherung führt hier wohl eher zu erstaunten Gesichtern. Falls der chinesische Staat wissen möchte, wo wir gerade sind und was wir gerade tun, kann er das sehr schnell herausfinden.

    Auch im Bahnhof werden unsere Pässe mehrfach kontrolliert und unser Gepäck durchleuchtet. Unsere Taschenmesser haben wir zum Glück mit der nicht ganz so strengen Spedition mitgeschickt - unsere Haarschneideschere ist den Beamten jedoch 4 mm zu lang und wird konfisziert. Auch im Zug nehmen die Eisenbahnbeamten ihre Fürsorgepflicht sehr ernst: Jede Tasche wird peinlich genau an Ort und Stelle gerückt. Es darf wirklich kein Rucksackbändel aus der Ablage herunterhängen.

    Und da das Ticketsystem uns nicht nebeneinander gesetzt hat, werden wir gleich zu kleinen Rebellen. Obwohl ringsherum noch sehr viele Plätze frei sind, bringt unser Verhalten hier die ein oder anderen Chinesin im Zug vollkommen durcheinander, denn eigentlich soll ja jeder auf dem zugewiesenen Platz sitzen und es gibt keine freie Entscheidungsmacht für niemand.

    In Xi'an bekommen wir nach einer weiteren länglichen Diskussion mit Hotelpersonal und Polizeibeamten ("this hotel does not have suitable facilities and business procedures to host foreigners") wieder ein kostenloses Upgrade in das teurere und ganz offiziell ausländertaugliche Hotel um die Ecke. So ziehen wir immerhin unseren Vorteil aus dem unverständlichen System.

    Wir begegnen insgesamt vielen Regeln, die uns irrational erscheinen, die aber dem Anschein nach von der Mehrheit der Menschen beflissen und gehorsam eingehalten werden. Bei jeder Sehenswürdigkeit wird man mit vielen Schildern schließlich auch darauf hingewiesen, sich zivilisiert und anständig zu verhalten ("Be civilized"). Gleichzeitig wird, sobald die Ordnungshüter kurz weggucken, in der Warteschlange auch gerne gedrängelt, geschubst oder die Ticketkontrolle umgangen. Wir wüssten ein paar Dinge - und noch viel mehr - die wir ändern würden, wenn wir Kaiser von China wärn.
    Leia mais

  • Dicke Luft trotz 9 Millionen Fahrrädern

    16–21 de out. 2023, China ⋅ ☀️ 21 °C

    Als wir nach einer weiteren Nacht im Zug morgens in Peking einrollen, fällt uns als erstes das auf, wofür die Stadt am bekanntesten ist: die dicke Luft. Matt leuchtend liegt ein grauer Schleier über den Gebäuden und raubt der Stadt jeglichen Glanz. Anfangs wabert der Smog so dicht um uns herum, dass wir nicht wissen, welches Wetter sich dahinter verbirgt und überrascht sind, als einige Regentropfen neben uns aufschlagen.

    Was früher alltäglich war, ist mittlerweile aber nur noch Ausnahme. Industrie und Verbrennerfahrzeuge wurden weitgehend aus der Stadt gedrängt und so haben sich die Zustände in den letzten Jahren verbessert. Am nächsten Tag dreht auch der Wind und es klart langsam auf. Die restlichen Tage können wir uns bei klarerem Himmel, Sonnenschein und frühherbstlichen Temperaturen den Sehenswürdigkeiten der Stadt widmen. Wir schlendern entlang der breiten, aber überraschend grünen Alleen des Botschaftsviertels und durch die ruhigen und erstaunlich possierlichen Hutongs - lokale Nachbarschaften, deren enge Gassen die Bewohner:innen vom Großstadttrubel abschirmen und die bei uns vermutlich Kieze oder Quartiere genannt würden. Wir besuchen auch die Verbotene Stadt, den gentrifizierten 978 Art District und das Olympiaviertel.

    Da unsere Fahrräder bereits weitergereist sind, müssen wir auf andere Verkehrsmittel zurückgreifen: In das größte Metrosystem der Welt kann man sich in Sekundenschnelle per Handy ein- und auschecken und für weniger als einen Euro an das andere Ende der Stadt fahren und mit den gefühlt mehr als neun Millionen bunten Leihfahrrädern, die überall zu Hunderten herumstehen, kommt man für wenige Cent ebenfalls schnell voran.

    In Peking begegnet uns neben dem Hauptstadt- auch ein Heimatgefühl. Wir verbringen Zeit mit Benni und Lisa, die wir aus Bonn kennen und die uns nach Peking eingeladen haben. Ein Tag mit Schokoaufstrich zum Frühstück und einer Runde Doppelkopf zum Abendessen ist eine Abwechslung zum Alltag auf Rädern. Das Deutschland-Gefühl wird nochmals verstärkt, als Lisas Kollege Eric uns zum Feierabend-Grillen der deutschen Botschaft mitnimmt. Aus dem Zapfhahn läuft Fürst Carl, wir essen halbgare Würste und eine wilde Variation deutscher Nudelsalate, während drinnen Peter Fox dudelt und Genderdiskussionen geführt werden.

    Zum Abschluss der Peking-Tage fehlt nur noch eine wichtige Sehenswürdigkeit: Die chinesische Mauer. Mächtig schlängelt sie sich auf ihrem Weg von Zentralasien zum gelben Meer über die Bergrücken im Norden Pekings. Für uns geht es am Abend zum nächsten Nachtzug; unser nächstes und letztes Ziel in China ist Qingdao, ebenfalls am gelben Meer.
    Leia mais

  • Deutsches Bier am gelben Meer

    17–18 de out. 2023, China ⋅ ☀️ 23 °C

    Unser letzter Stopp in China ist die Küstenstadt Qingdao, die für fast 20 Jahre unter dem Namen Tsingtao unter deutscher Kolonialherrschaft stand. Man sagt, dies sei auch der Grund dafür, dass Chinas bekanntestes und bestes Bier - das Tsingtao - hier gebraut wird. Dieses wird in der ganzen Stadt in Biergärten ausgeschenkt und an Zapfanlagen frisch in Plastikflaschen abgefüllt.

    Die Innenstadt versprüht ebenfalls deutschen Charme. Statt den üblichen tristen Beton- und Glasfassaden und bunten Tempeln besteht das Zentrum hier aus kleinen schmucken Häusern und großen schlichten Kirchen. Eine Seebrücke führt vom Kurhaus aufs Meer und lädt zum promenieren ein. Da hier die Regeln ernst genommen werden, werden wir gleich darauf hingewiesen, die Fahrräder an der Promenade entlang zu schieben bzw. abzuschließen.

    Auf dem Rückweg vom Abendspaziergang wird es dann doch wieder sehr chinesisch: Im Uferpark tanzen Menschen allen Alters in Aerobic-Kursen zu unterschiedlichen Rhythmen. Verschiedene Sportgruppen tanzen zu TCM (traditioneller chinesischer Musik), Techno-Remixen von eben jener und europäischem Hip-Hop. Daneben nutzen viele die öffentlichen Fitnessgeräte, spielen Badminton im Park oder skaten auf den Wegen. Das in vielen deutschen Städten verbreitete "Sport im Park" wirkt dagegen fast langweilig, das sonst oft starre China hier sehr frei und lebendig.

    Am nächsten Tag passieren wir im Terminal die letzte chinesische Sicherheitskontrolle, von wo aus die MS Golden Bridge V am Abend mit Kurs auf Südkorea ablegt. An Deck lassen wir die Reise durch China Revue passieren und stoßen mit einem lezten Tsingtao an. Als wir ablegen, verschwindet das Land hinter uns schnell im grauen Dunst der Dämmerung. Der Schlafsaal ist fast leer und das Gelbe Meer ist ruhig - beste Bedingungen also für einen erholsamen Schlaf vor dem nächsten Kapitel dieser Reise.
    Leia mais

  • Korea kommt: Wir Hanbok

    19–23 de out. 2023, Coreia do Sul ⋅ ☁️ 19 °C

    Am nächsten Tag erreichen wir gegen Mittag den Hafen von Incheon, einer Vorstadt der Hauptstadt Seoul in der Elias einst ein Auslandssemester verbrachte und auf die wir uns schon länger freuen. Schon am Fährterminal macht sich die Begeisterung der Koreaner:innen für Radfahrende bemerkbar: Der Zollbeamte ist ganz aus dem Häuschen, als wir ihm von unserer Tour berichten. Mit einem "I envy you. Welcome to Korea!" und einem neuen Aufkleber im Pass reisen wir ein.

    Nicht ganz so begeistert sind wir von den ersten Kilometern, die uns durch Industriegebiete mit vielen LKW führen. Erst als wir den Fluss Hangang erreichen, gibt es plötzlich sehr gut ausgebaute und gut genutzte Fahrradwege. Das Ufer ist ein langgezogener Park, in denen die Seouler:innen ihre fein frisierten und manikürten Hündchen ausführen. Die Parks sind gut gepflegt und voller Cafés, öffentlicher Toiletten und Wasserspender. Ubiquitär sind auch Convenience Stores, die ein breites Angebot koreanischer Fertigprodukte, etwa Instantnudeln, Kimbab (= koreanisches Sushi) und allerlei Mikrowellengerichte, anbieten. Als wäre das nicht schon praktisch genug, sind sie auch noch mit Heißwasserspendern, Mikrowellen, WLAN und Bänken ausgestattet.

    In Seoul ist es wesentlich kühler und herbstlicher als noch auf der anderen Seite des Gelben Meeres. Die Blätter an den Bäumen sind schon gelb und rot gefärbt und als wir am nächsten Tag ins Stadtzentrum radeln, sind wir froh, doch die lange Hose und den Pullover angezogen zu haben.

    Seoul ist auch acht Jahre nach dem letzten Besuch noch ebenso bunt und hip wie damals und die Anzahl winziger Cafés und Espressobars ist noch einmal in die Höhe geschossen. Wir verbringen drei Tage in der Stadt und treffen auch hier auf bekannte Gesichter: Wir freuen uns, dass wir bei Chris, einem ehemaligen Kollegen von Rebecca, übernachten dürfen. Mit Yongjae, dem damaligen Austauchpartner von Elias, laufen wir über den Uni Campus und essen koreanisches BBQ.

    Auch ein bisschen Kultur darf nicht fehlen, weshalb wir dem Blauen Haus - bis vor zwei Jahren Präsidentenpalast - einen Besuch abstatten. Wegen einer Aktionswoche ist dabei ein Spaziergang im Hanbok, dem traditionellen koreanischen Gewand, inklusive und trifft auf große Begeisterung bei dem koreanischen Publikum. Mit dem Boraksan besteigen wir einen der vielen bewaldeten Berge, die sich aus dem Häusermeer erheben und zum Gipfel hin erstaunlich steil und anspruchsvoll werden.

    Nach den mittlerweile in jeder Großstadt fast obligatorischen Besuchen bei Fahrradladen (neue Felge) und Decathlon (neue Isomatte), radeln wir am Montag wieder an den Hangang und folgen ihm flussaufwärts; hinaus aus der Stadt und hinein ins ländliche Korea.
    Leia mais

  • Medaillenjagd in Schlangenlinien

    23–29 de out. 2023, Coreia do Sul ⋅ ☀️ 17 °C

    Über den 4-Flüsse-Radweg geht es in sieben Tagen einmal quer durchs Land. Die Radwege sind gut und so geht es mal auf alten Bahntrassen, mal auf Nebenstraßen und mal auf nur für Fahrräder und Fußgänger:innen angelegten Flusswegen voran. Wir genießen es, das erste Mal seit Neuseeland wieder auf einem Radfernweg zu radeln und kommen so einfach voran wie kaum zuvor. Nur am dritten Tag gibt es einen Berg über die Wasserscheide - im Vergleich zu Indonesien oder Tibet ist auch dieser aber sehr überschaubar.

    Hier gibt es keinen Autoverkehr, keine Schlaglöcher und keine Ampeln - das einzige Hindernis sind kleine, meist harmlose, Schlangen, die sich auf dem Asphalt an den letzten warmen Strahlen des Jahres wärmen und nur träge die Fahrbahn verlassen, während wir in Schlangenlinien um sie herum fahren. Meist gelingt das gut, nur zweimal nicht: einmal bremst Elias so stark, dass Rebecca nicht mehr ausweichen kann und nach einer Kollision im Straßengraben landet. Ein anderes Mal ist eine Schlange im Laub versteckt und so träge, dass Rebecca sie einfach versehentlich überfährt. Glücklicherweise ist der Reifen weich und die Schlange scheint hart im Nehmen zu sein, denn sie schlängelt anschließend von der Straße, als wenn nichts gewesen sei.

    Rechts und links des Flussufers sind Anlagen aufgebaut, auf denen Gruppen älterer Koreaner:innen eine Mischung aus Golf, Mini-Golf und Krocket spielen. Mit klobig wirkenden Schlägern spielen sie große bunte Kugeln über die etwa 30 Meter langen Bahnen, um sie im Loch auf der anderen Seite zu versenken.

    Ansonsten säumen Gewächshäuser, Gemüsefelder, Cafés, Convenience Stores und kleine Orte den Radweg. Die Orte sind zwar belebt und die Menschen freundlich, dennoch sind sie nicht gerade romantisch dörflich, sondern versprühen optisch eher Ruhrgebietscharme. Außerhalb der Siedlungen gibt es regelmäßig Holzplattformen und Pagoden, die sich als perfekte Zeltplätze entpuppen. Zwar sind die Tage noch warm und trocken, doch oft wachen wir in der feucht-kalten Umarmung eines dichten Morgennebels auf und sind froh, dass das Zelt nicht direkt auf einer Wiese steht und kaum nass geworden ist. Dann packen wir alles schnell zusammen, um das Tageslicht der immer kürzer werdenden Tage gut zu nutzen.

    Mit uns auf dem Radweg sind vor allem viele Tagestourer:innen, die auf schicken Rennrädern in für diesen Radweg viel zu professioneller Aufmachung an uns vorbeisausen. Doch die koreanische Regierung hat sich etwas überlegt, um diejenigen zu belohnen, die einmal durch das ganze Land gefahren sind. An jeder Sehenswürdigkeit, was entlang des Weges vor allem Staudämme sind, wartet ein Stempelhäuschen, an dem man seinen zuvor gekauften "Fahrradreisepass" stempeln lassen kann. Wer alle Stempel gesammelt hat, kann sich am Ende eine Urkunde und Medaille abholen. Wie so oft gilt: Was auf einem Kindergebutstag gut funktioniert, funktioniert auch in Südkorea gut.

    Wir weichen ein paar Mal vom Weg ab und kürzen auch die ein oder andere Flussschleife ab. Den Fahrradreisepass haben wir gar nicht erst erworben und so fahren wir ohne Aussicht auf eine Siegermedaille Richtung Busan. Diese zusätzliche Motivation ist gar nicht nötig, denn stattdessen motiviert uns die Aussicht auf ein paar Ruhetage vor der Überfahrt nach Japan mehr als genug.
    Leia mais

  • Zum Abschied buntes Blinken in Busan

    30 de out.–2 de nov. 2023, Coreia do Sul ⋅ ☀️ 20 °C

    Nach einer guten Woche überqueren wir die Ziellinie des Four-River-Trails in Busan. Die zweitgrößte Stadt Koreas ist zwar nicht ganz so metropol wie Seoul, aber dennoch nach einer Woche Landleben eine quirlige Erfrischung.

    In Busan angekommen, beziehen wir für drei Tage eine kleine durchgestylte Einzimmerwohnung im 17. Stockwerk eines Hochhauses. Aus dem Fenster sehen wir, wie sich die Stadt entlang der Küste erstreckt. Die Tage verbringen wir damit, unsere Ausrüstung zu waschen und zu inspizieren und durch die unendlichen Märkte und Parks der Stadt zu spazieren.

    Zwischen riesigen Hafenanlagen bietet Busan lange Strände, moderne Wolkenkratzer und weitläufige Ausgehviertel. Dort werben Karaokeläden, Spielarcarden, Fotoboxen, Kneipen, Diskos, Eisdielen und alles was sonst noch Spaß macht mit Musik und bunt blinkenden Anzeigen um die Gunst der Passanten.

    Abends treffen wir uns mit Finn, einem Frisbee-Freund aus Lüneburger Zeiten, und Anika. Nach dem Essen sitzen mit Reiswein auf der Dachterrasse hoch über den bunt blinkenden Lichtern der Stadt. Es tut gut, ein paar Tage zu entspannen und das Stadtleben zu genießen, bevor wir am Donnerstag die Fähre nach Japan nehmen und von der Reling einen letzten Blick auf die regenbogen-bunt angestrahlte Hafenbrücke werfen.
    Leia mais

  • In die aufgehende Sonne

    3–8 de nov. 2023, Sea of Japan ⋅ ☀️ 23 °C

    Durchhalten, liebe fleißige Footprint-Leser:innen, das letzte neue Land unserer Reise steht an und es ist ein besonderes. Als wir in Busan auf der Reling der "New Camellia" stehen und die Regenbogenbrücke in der Nacht verschwinden sehen, machen wir uns Gedanken, was uns in Japan wohl alles erwarten wird. Und wir staunen nicht schlecht, als wir feststellen, wie lang die Liste typisch japanischer Dinge, Firmen und Namen wird, die uns aus dem Stehgreif einfallen, obwohl wir noch nie da waren. Und so freuen wir uns auf das Land von

    Bonsais, Bonzen und Bento-Boxen;
    Fuji, Fujifilm und Fujitsu (und Ju-Jutsu);
    Geishas, Ghibli und Gyoza;
    Hiroshima, Hokusai und Hello Kitty,
    Kobe-Rind, Kimonos und Kamikaze - nicht zu vergessen Karaoke und Karate,
    Mochi, Matcha und Miso, Mangas, Mitsubishi und Murakami;
    Naruto, Nihonga und Nintendo;
    Ninjas, Nikon und dem Nikkei;
    Onigiri, Origami und Onsens;
    Panasonic, Pikachu und Pokéball;
    Sumo, Sushi und Sake sowie Suzuki und Super Mario;
    Shimano, Shibuya und Shinkansen;
    Shintoschreine und Shiitake;
    Tennos, Tamagochi und Tatamis - und, ganz wichtig, Takeshi's Castle;
    Umami, Udon und Uniqlo;
    Wasabi, Walkman und Walfang;
    Yamaha, Yokohama, Yakuza, Yu-Gi-Oh und Yoko Ono.

    Das erste davon haken wir gleich auf der Fähre ab: Im Zwölferzimmer schlafen wir auf dünnen Futon-Matten mit einem harten Yoga-Block als Kopfkissenersatz. Ganz passend erreichen wir das Land im ersten Licht der aufgehenden Sonne. Im Hafen von Fukuoka stellen wir gleich fest, wie aufgeräumt hier alles wirkt. In der Innenstadt wollen wir unsere Fahrräder abstellen, doch die vielen freundlichen Ordnungshüter winken elegant ab und weisen auf die kostenpflichtigen Fahrradparkplätze, in denen die Räder in Reih und Glied und gut bewacht stehen können. "Wildes" Abstellen ist, zumindest in dieser Innenstadt, nicht gewünscht.

    Ansonsten prägt retro-futuristisches japanisches Design das Stadtbild: Bus- und Taxifahrer:innen sind akkurat und elegant uniformiert und tragen große Schiebermützen. Diner-Restaurants wirken wie aus einem amerikanischen 80er-Jahre Film und im Verkehr teilen wir uns die Fahrbahn mit vielen schmalen quadratischen Autos und verchromten LKW. Diese fahren weitestgehend extrem fahrradfreundlich und warten manchmal fast unangenehm lange auf eine geeignete Überholmöglichkeit. An Kreuzungen machen sie vor dem Abbiegen automatisch freundliche Ansagen, um Radfahrende zu warnen.

    Und auch weitere Dinge unserer Liste begegnen uns gleich am ersten Tag: Als wir im Supermarkt über die lange Sushi-Theke staunen, fallen wir fast über den Putzroboter, der hier seine Runden dreht. Die öffentlichen Toiletten sind nicht nur extrem sauber, sondern bieten das Rundum-Sorglos-Paket mit Geräuschsimulator, beheiztem Sitz und warmer Podusche. Jeder Convenience-Store verkauft auch ein paar Mangas und wenn mal kein Laden in der Nähe ist, wartet garantiert einer der unendlich vielen Getränke-Automaten, die mit Pokémon oder Maskottchen bedruckt sind, an der nächsten Ecke.

    Der schnellste Weg nach Tokio führt von hier nach Osten direkt auf die Hauptinsel Honshu, doch um die drittgrößte Insel Japans etwas kennenzulernen biegen wir nach Südwesten ab - nur sorum wird (ein) Kyushu daraus.

    Wir sind wieder am Meer und radeln in den ersten Tagen von Küstenort zu Küstenort. Schon wenige Kilometer hinter Fukuoka sehen wir den Zufahrtsweg zu einem Strand. Die Strandbars dort sind im November schon verrammelt und so stellen wir unser Zelt auf der Veranda eines der Gebäude direkt am Strand auf. Am nächsten Tag landen wir plötzlich auf dem Jahresevent der Region, der Parade von Karatsu. Traditionell gekleidete Japaner:innen ziehen große Wägen mit bunten Figuren an langen Seilen durch die Stadt. Immer wieder halten sie kurz inne und setzen im Anschluss zum Spurt an, um die schweren Gefährte mit Karacho durch die engen Kurve zu jagen. So bewegen sie sich stetig zu ihrem Zielort, dem Shintoschrein von Karatsu.
    Leia mais

  • Radrennen ohne Krafteinsatz

    5–9 de nov. 2023, Japão ⋅ ☀️ 26 °C

    Wir folgen ruhigen Küstenstraßen mit stets wechselnden Blicken auf die vorgelagerten Inseln, verzweigte Halbinseln und tief ins Landesinnere vordringende Buchten. Abends suchen wir Parks, kleine Häfen oder Shinto-Schreine mit Meerblick auf, an denen wir unser Zelt für eine Nacht aufstellen können.

    Unser erstes größeres Ziel in Kyushu ist die Großstadt Nagasaki. Für die Amerikaner war sie das zweite Ziel: Hier wurde am 9. August die zweite - und glücklicherweise bislang letzte - Atombombe in einem Krieg abgeworfen. Im Umkreis von einem Kilometer um den Detonationspunkt blieb kein Stein auf dem anderen - mehr als 20.000 Menschen starben unmittelbar nach der Explosion der Bombe. Eigentlich sollte eine andere Stadt an diesem Tag Ziel der Bombe werden, doch weil es dort bewölkt war, steuerte der Bomber kurzerhand das Alternativziel Nagasaki an und fand dort um 11:02 die folgenschwere Wolkenlücke.

    Der Stadt merkt man das Ausmaß der damaligen Zerstörung heute kaum noch an. Weite Teile ähneln deutschen Industriestädten - nach Kriegsende in Eile und mit wenig Geschmack wiederaufgebaut. Nur um den Ort, über dem die Bombe explodierte, wurde ein Park angelegt, in dem Denkmäler zum Frieden zwischen den Völkern aufrufen. Daneben ist Nagasaki auch als einstmals einziger internationaler Hafen im ansonsten abgeschotteten Japan bekannt. Eine französische Kirche und einige wenige weitere Gebäude im europäischen Stil zeugen davon.

    Hinter der Großstadt Kumamoto übernachten wir bei Attila und Sayuri, einem ungarisch-japanischen Pärchen, das Attilas französischen Sohn Ben aufzieht. Der Neunjährige ist seit einem Jahr in Japan und spricht, soweit wir das einschätzen können, bereits ziemlich gut Japanisch. Attila hat in Frankreich in der Fremdenlegion gedient und als Busfahrer gearbeitet, vor kurzem aber Sayuri kennengelernt und seine Liebe zu Brettspielen entdeckt. Nun ist er ihr nach Japan gefolgt und hat hier prompt ein Brettspielecafé eröffnet. Noch fremdeln die meisten Bewohner:innen der japanischen Provinz mit diesem Konzept, doch als wir uns gerade auf ein gemeinsames Spiel vorbereiten, kommt ein Nachbar vorbei, der im Ruhestand Englisch lernt und seit kurzem ebenfalls begeisterter Brettspieler geworden ist.

    Auch wenn wir es nicht aktiv vermisst haben, macht es auf Anhieb wieder Spaß, Fantasiestädte zu bauen und den Abendverlauf in die Hand der Spielkarten zu legen. Wir entdecken sogar ein Spiel mit Fahrrädern und radeln ganz anstrengungslos ein bisschen um die Wette. Dazu gibt es französische Crêpes mit Kaffee und Abends kochen wir für alle Kartoffeln mit Ratatouille und Spiegelei.
    Leia mais

  • Was für ein Onsen

    11 de novembro de 2023, Japão

    Von Kumamoto aus biegen wir wieder ins Inland ab und erreichen den ältesten Nationalpark Japans. Der namensgebende Vulkan Aso ist weiterhin aktiv und sorgte in den letzten Jahren für spektakuläre Aschewolken. Auch wir sichten bei der Anfahrt ein paar kleine Rauchwölkchen am Horizont, doch dann verdunkelt sich der Himmel und es fängt an zu regnen. Wir haben Glück und finden einen Shinto-Schrein mit leerem Nebengebäude, in dem wir für die Nacht trocken zelten können.

    Den ganzen nächsten Tag nieselt es nass-kalt, so dass wir von unserem Schrein nur schnell zum nächsten öffentlichen Rastplatz fahren und dort Unterschlupf suchen. Anders als in Deutschland sind diese Orte durchaus gemütlich - alles ist ordentlich und gepflegt, es gibt einen warmen und gemütlichen Aufenthaltsraum, im Hintergrund dudelt Kaufhaus-Wohlfühlmusik und Mikrowellen und Wasserspender gibt es selbstverständlich auch.

    Am Abend wollen wir dann doch noch ein paar Kilometer fahren. Auch wenn es eigentlich aufhören sollte, zu regnen, platscht es eiskalt auf uns herab, während wir zu einem Aussichtspunkt hinaufradeln. Oben angekommen hört der Regen zwar auf, doch stattdessen bläst nun ein stürmischer, kalter Höhenwind. Wir haben keine andere Wahl, als das Zelt schnell in einer windstillen Nische zwischen Kiosk und Toilettenhaus aufbauen. Doch der Kampf mit dem Wetter hat sich gelohnt: Am nächsten Morgen werden wir mit atemberaubenden Blicken auf die Vulkankegel belohnt.

    Den ganzen Tag strahlt die Sonne, während wir an der Vulkancaldera entlang durch gelbe Graslandschaften und herbstliche Bergwälder radeln. Auf der anderen Seite geht es dann wieder hinab zum Meer.

    Auch die Japaner:innen machen sich die geologischen Gegebenheiten ihres Landes zu Nutze: Besonders rund um den Aso gibt es viele heiße Quellen, an denen Badehäuser (japanisch "Onsen") erbaut wurde. Für kleines Geld bekommt man hier ein bisschen Wellness in Form eines heißen Bades. Die Küstenstadt Beppu gilt mit ihren fast 4000 Thermalquellen als eine der Geburtsstätten der Onsen-Kultur.

    Wir lassen uns das nicht entgehen und hüpfen am nächsten Morgen ins erstbeste Onsen. Dabei wird schon draußen nach Geschlechtern getrennt und entweder der rote oder der blaue Eingang gewählt. Drinnen gibt es dann jeweils eine Umkleide und einen Raum mit dem heißen Becken in der Mitte. Wichtig ist, dass man sich schon außerhalb des Beckens gründlich wäscht, bevor man sich hineinsetzt. So bleibt das Badewasser auch ohne Chlor sauber und appetitlich. Mit hochroten Köpfen, aber gut erfrischt und durchgewärmt, steigen wir wieder auf die Räder.

    Etwas Unsinn-ig ist hingegen unsere Tour von Radladen zu Radladen: Rebeccas Hinterradfelge hat mittlerweile drei große Risse und müsste getauscht werden. Von den fünf Radläden, die wir bisher angefahren haben, konnte uns leider keiner weiterhelfen. Oft stoßen wir hier auf die japanisch-zurückhaltende Höflichkeit. Mal ist das Rad erst in 10 Tagen lieferbar, mal müssten alle Einzelteile aufwendig separat bestellt und manuell zusammengesetzt werden, womit der Radtausch mit enormen Kosten verbunden wäre. Leider bekommen wir diese Informationen oft erst nach wiederholtem und direktem Fragen heraus - und sind uns trotzdem sicher, dass es auch pragmatischere Wege und schnellere Lieferzeiten geben müsste. Da bleibt uns erstmal nichts anderes übrig, als schonend und mit wenig Luft im Reifen weiterzufahren und weiter eine kompetente Anlaufstelle zu suchen.
    Leia mais

  • Heilige Rehe und Papierkraniche

    12–14 de nov. 2023, Japão ⋅ ⛅ 13 °C

    Nach der kurzen Runde durch Kyushu bringt uns eine Fähre auf die größte Insel Japans, Honshu. Landschaftlich ist diese zunächst recht ähnlich, sobald wir allerdings nicht mehr direkt an der Küste fahren, führt uns der Weg durch dichte Bambuswälder, deren riesige Halme am Wegesrand Richtung Himmel ragen.

    Wir nehmen Kurs auf Hiroshima, doch schon kurz vor der Stadt wartet eine Sehenswürdigkeit auf uns, die die Titelseite so manches Japan-Reiseführers ziert: Der Itsukushima-Schrein mit seinem berühmten Tor, das vor der Insel im Wasser steht. Das imposante Tor mit der leuchtend roten Farbe ist ein echter Hingucker und zieht tagsüber sehr viele Tourist:innen an. Auch andere Shintoschreine leuchten in dem gleichen Farbton "Japanrot", der extra von der Firma Osmo in Warendorf im Münsterland hergestellt wird.

    Der Schrein steht auf (bzw. vor) der Insel Miyajima, auf der neben den rund 2000 Einwohner:innen auch beinahe genau so viele Rehe leben. Diese galten einst als Boten der Götter. Wir haben einen Tipp bekommen und fahren hinter dem Schrein über einen Trampelpfad auf eine kleine Landzunge. Dort sind wir alleine und können in aller Ruhe das Tor und die Menschen, die sich dahinter gruppieren, bestaunen. Als wir dort am nächsten Morgen aufwachen, wird das Zelt schon von neugierigen Rehen beäugt. Dankenswerterweise lassen sie uns und unsere Vorräte unbehelligt. Gegen den Strom der ankommenden Tagesausflügler:innen machen wir uns auf dem Weg zur Fähre zurück ans Festland.

    In Hiroshima gibt es, ähnlich wie bereits in Nagasaki, viel Raum zum Andenken an die Expolsion der Atombombe. Im Friedenspark wirkt die berühmte Kuppel einer ehemaligen Fabrikhalle nahe des Einschlagsortes auch bei schönstem Wetter düster. Das Gebäude blieb als eines der wenigen in der Stadt stehen, da die Bombe fast senkrecht über ihm explodierte und die Mauern die vertikale Energie abfedern konnten. Das Museum selbst erfreut sich größten Andrangs - wir stehen in langen Schlangen vor den Exponaten, die eindrücklich veranschaulichen, wie die Bombe die Stadt komplett zerstörte und zehntausende Menschen entweder direkt tötete, verbrannte oder so verstrahlte, dass sie innerhalb der nächsten Wochen, Monate und Jahre starben.

    Berühmt ist besonders die Geschichte von Sadako Sasaki, die erst 1955 an Leukämie erkrankte und, in der Hoffnung auf Genesung einer alten Legende folgend, 1000 Origami-Kraniche faltete. Ihr persönlich haben die Kraniche leider nicht nachhaltig geholfen, sie erlag ihrer Krankheit noch im selben Jahr im Alter von 12 Jahren. Doch durch ihren Einsatz hat sie mit den Kranichen ein Symbol für die Hoffnung auf Frieden geschaffen, das bis heute berührt und weltweit wirkt.

    Doch der Tag in Hiroshima hat für uns auch frohsinnigere Seiten zu bieten: Wir finden endlich ein passendes Hinterrad für Rebeccas Fahrrad, das dann schnell eingebaut wird, bevor es für uns wieder aus der Stadt herausgeht. Mit der letzten Fähre setzen wir auf die vorgelagerte Insel Etajima über. Dort entkommen wir schlagartig dem Trubel der Stadt und können unser Zelt - mal wieder - an einem einsamen Strand aufschlagen.
    Leia mais

  • Über sieben Brücken

    16 de novembro de 2023, Japão ⋅ ☁️ 17 °C

    Nach dem Kurzbesuch in Hiroshima sind wir mit nur einer Fährfahrt aus dem trubeligen Stadtzentrum zurück in der Natur und Einsamkeit. In der Bucht vor Hiroshima, der Seto-Inlandsee, liegen viele, etwas verschlafene Inseln. Diese sind, zu unserem Glück, mit teilweise spektakulären Brücken miteinander verbunden. Und so radeln wir in den nächsten Tagen über insgesamt 10 Inseln. Der Weg ist immer nah am Wasser, meist flach und abseits der Verkehrs- und Touristenströme. Wir freuen uns, dass sogar einige Radrouten ausgezeichnet und Fahrradwege angelegt sind. Besonders bekannt ist der Shima-nami-kaido, der über sechs Inseln und sieben Brücken die größte japanische Insel Honshu mit der kleinsten, Shikoku, verbindet.

    Menschen sehen wir auf den Inseln eher wenige und - wie man es in Japan erwarten würde - vor allem alte. Auch in Etajima ist wohl schon länger kein Tourist mehr vorbeigekommen: Als wir unseren fast täglichen Gang in den Convenience Store machen, um hier einen Kaffee zu trinken und das freie W-LAN zu nutzen, erregen wir große Aufmerksamkeit. Die beiden Angestellten sind ganz angetan von unserer Reise und bewirten uns mit allem, was ihr Laden so zu bieten hat: Kaffee, frisch gebackene Süßkartoffeln und Chicken Nuggets. Die Ältere von beiden ist Kalligraphie-Künstlerin und malt uns zum Abschied für die weitere Reise einen Talisman auf eine Serviette.

    Auf der weiteren Strecke wechseln sich kleine Siedlungen mit Mandarinen- und Khaki-Plantagen ab. Am Straßenrand wird der Ertrag an unbemannten Ständen verkauft, in denen man das Geld einfach in eine Kiste legt. Wir wussten vorher gar nicht, dass Mandarinen in Japan wachsen und können nun sagen, dass wir selten so leckere Mandarinen gegessen haben.

    Die erste Nacht auf Shikoku beschert uns neben einem leichten Herbststurm einen erstaunlichen Rekord: Wir haben nun acht Nächte hintereinander auf insgesamt acht unterschiedlichen Inseln verbracht. Wo hat man diese Möglichkeit schon mal?
    Leia mais

  • Überraschung von oben

    19–22 de nov. 2023, Japão ⋅ ☀️ 5 °C

    Am Ende der vielen Brücken erreichen wir die Insel Shikoku und damit die kleinste der japanischen Hauptinseln. Sie hat den Ruf, etwas abgelegen zu sein und gilt als spirituelles Zentrum Japans. Ein bekannter Pilgerweg verbindet 88 Tempel und zieht Buddhist:innen aus nah und fern an. Wir pilgern nach der Ankunft erstmal zu einem Restaurant für lokale Spezialitäten: Okonomiyaki ist eine Art Pfannkuchen mit im Teig eingebackenem Kohl, der auf einer heißen Platte direkt auf dem Tisch ausgebacken und anschließend mit Sojacreme und Mayonnaise serviert wird. Er haut uns zwar nicht völlig vom Hocker, erweitert aber unser Bild der sonst so feinen und fettarmen japanischen Küche.

    Das eigentliche Highlight dieses Restaurant-Besuchs ist aber das Ambiente: Die Zeit scheint mal wieder in den 90er Jahren stehen geblieben zu sein. Die Gerichte und Preise finden sich handgeschrieben auf vergilbten Zetteln an den Wänden und die beiden Besitzerinnen haben die 70 sicher schon lange überschritten. Während sie in buckeliger Haltung und mit zittrigigen Händen den Teig anrühren, schauen sie im Fernsehen auf voller Lautstärke eine brutale Kriminalserie voller blutiger Morde. Wir hoffen im Hintergrund auf eine baldige Aufklärung, verlassen das Lokal dann aber, ohne dass der Mörder gefasst wird.

    In der nächsten Nacht stürmt und hagelt es ein wenig, doch das ist - zumindest aus deutscher Perspektive - für Mitte November wenig verwunderlich. Wir freuen uns vor allem, dass sich das Wetter im Laufe des Vormittags bessert und wir den geplanten Abstecher ins Landesinnere angehen können. Als wir noch an der Küste unterwegs sind, glauben wir, unseren Augen nicht trauen zu können: Die sich verziehenden Wolken geben den Blick auf weiß gepuderte Berge frei - offenbar hat der Sturm in den höheren Lagen Schnee gebracht.

    Unser Ziel ist ein Rastplatz mit Sauna auf etwa 800 Metern und je höher wir uns die Passstraße hinaufschieben, desto frostiger wirkt die Umgebung. Im letzten Abendlicht erreichen wir den Gipfeltunnel. Für seine fast sechs Kilometer brauchen wir noch eine gute halbe Stunde. Als wir ihn verlassen, weht uns ein Winterwind entgegen, den wir in dieser Art schon seit zwei Jahren nicht erlebt haben. Wir tauchen in eine malerisch Winternacht ein: Es ist bereits stockfinster und es herrschen Minusgrade, aber die Landschaft verbirgt sich unter einer einer dichten Schneedecke, die mit den Sternen um die Wette glitzert. Ungläubig werfen wir ein paar Schneebälle auf die nächstbesten Straßenschilder, bevor uns im Stehen zu kalt wird.

    Es sind dann nur noch zwei Kurven bis zum Rastplatz, die wir bergab allerdings recht vorsichtig fahren, da die Wege anfangen, zu frieren. Dort angekommen fragen wir, ob wir unter dem Vordach mit etwas Windschutz zelten können. Der freundliche Angestellte macht uns aber klar, dass es zu kalt zum Zelten sei und schließt uns kurzentschlossen den Ruheraum auf, in dem wir unsere Isomatten zwischen Sofas und Massagesesseln im Warmen ausrollen dürfen - Geld möchte er keines. Uns macht diese Menschlichkeit und Großzügigkeit ein warmes Gefühl im Herzen - nur bis in die Fingerspitzen reicht es nicht ganz. Und so lassen wir den Tag in den heißen Becken des Onsens ausklingen - natürlich jeder in seinem eigenen, denn wie in allen Onsens sind Männer- und Frauenbereich identisch, aber durch eine hohe Mauer voneinander getrennt.

    Der nächste Tag führt uns auf der anderen Seite wieder hinab ins Tal. Kaum haben wir den Schnee hinter uns gelassen, nehmen wir Bewegungen im Bambus wahr: Es handelt sich um eine Affenbande, die sich offenbar durch Hüpfen warm hält. Der Japanmakak, auch Schneeaffe genannt, ist der am nördlichsten lebende Affe der Welt. Wir fühlen uns ihm gleich verbunden, denn wenn es ihm trotz dickem Fell mal zu kalt wird, wärmt er sich tatsächlich ebenfalls gerne in heißen Quellen.

    Weiter fahren wir lange auf menschenleeren Nebenstraßen, bis wir plötzlich in einen Ort kommen, in dem erstaunlich viele Autos parken. Eine Frau kommt mit uns ins Gespräch und erklärt, dass hier gleich eine Party stattfinden wird. Um 10 Uhr morgens ist das wohl eher auf ihre Englischkenntnisse, als auf eine lokale Tradition zurückzuführen. Die Party besteht dann daraus, dass aus einem Fenster im Rathaus Reiskuchen und andere Süßigkeiten in die Menschenmenge geworfen werden. Erst sind Kindergartenkinder und Grundschüler:innen dran, dann Oberschüler:innen und nach einiger Zeit dürfen auch die Erwachsenen die guten Gaben sammeln. Auch wir bringen uns in Position und fangen alles, was aus den Fenstern in unsere Richtung geflogen kommt - alles Gute kommt diese Woche von oben.
    Leia mais

  • Retro-Türme und rote Tore

    22–26 de nov. 2023, Japão ⋅ ☀️ 19 °C

    Die sechste Fährfahrt in Japan bringt uns zurück nach Honshu, in die Gegend Kinsai, die lange Zeit das kulturelle Zentrum des Landes war. In Wakayama sind wir gerade von der Fähre herunter, als das Kulturprogramm auch schon beginnt: Wir besichtigen die Burg von Wakayama. Umgeben von einem breiten Burggraben steht sie mit mehreren weiß getünchten Stockwerken, die von dunklen und typisch ostasiatisch geschwungenen Dächern gekrönt werden, in einem herrlich herbstlich leuchtenden Park inmitten der Stadt. In den Augen von uns Lai:innen ähnelt sie damit allen anderen japanischen Burgen, denen wir bisher begegnet sind. Dennoch gilt sie als besonders eindrücklich, weshalb wir sie uns auch von innen anschauen.

    Die Nacht verbringen wir wieder auf einem spektakulären Zeltplatz: Am Ende einer kleinen Landzunge, die nur über einen schmalen Pfad zu erreichen ist, finden wir eine Wiese mit Blick auf die Meerenge zwischen Shikoku und Honshu. Beim Frühstück versuchen wir, die Schiffe und Boote zu zählen, aber es sind zu viele und ständig kommen neue hinzu. Von dutzenden kleinen Anglerschlauchbooten, über die schnittige Küstenwache bis hin zum Containerriesen ist alles dabei. Auch entlang der Küste sind die Angler schier endlos an der Zahl. An manchen Stegen sitzen sie eng gedrängt an nummerierten und zugeteilten Angelplätzen. Die Stimmung ist so friedlich und gelassen, dass wir kaum glauben, dass wir in weniger als 30 Kilometern in der drittgrößten Stadt des Landes sind.

    In Osaka verbringen wir zwei Tage. Nach der ruhigen Zeit in der Natur sind wir plötzlich wieder im bunten und schrillen Treiben der Großstadt. Besonders fallen hier die riesigen Werbefiguren auf. Überdimensionierte Tintenfische, Sushimeister und Sumo-Ringer thronen bunt beleuchtet und dreidimensional modelliert vor und über vielen Lokalen. Wir essen Takoyaki, typische frittierte Tintenfisch-Teigbällchen, und schlendern durch den Burgpark von Osaka, der um einiges größer ist, als der Cousin in Wakayama.

    Ein klarer Kontrast zum schrillen Osaka ist die Stadt Kyoto, die gleich nebenan liegt. Hier schieben sich zwar immernoch viele Menschen durch die Stadt, doch dieses Mal nicht durch von Leuchtreklamen dekorierte Straßenzüge, sondern durch das Labyrinth der Schreine, Parks und über 2000 (!) Tempel. Grell leuchten hier nur die herbstlichen Ahorn-Bäume und die berühmten japanroten Tore des Fushimi-Inari-Schreins. Da die Übernachtungen hier im Spätherbst unbezahlbar sind, fahren wir am Abend wieder aus der Stadt hinaus, über einen Berg, zu einem Zeltplatz am ruhigen Biwasee.
    Leia mais

  • Mehr Schrein als Sein

    28 de novembro de 2023, Japão ⋅ ⛅ 8 °C

    Nur eine kleine Bergkette hinter Kyoto erreichen wir den größten seiner Art in Japan, den Biwa-See. Er ist etwas größer als der Bodensee, als Naherholungsgebiet mindestens ebenso beliebt und ein wichtiges Refugium für Tiere wie die Biwa-Forelle und diverse Zugvögel.

    Wir drehen in zwei Tagen ein Runde um den See, dessen Radweg zu den insgesamt sechs (!) von der japanischen Regierung ausgewiesenen nationalen Radwegen zählt, die durch blaue Markierungen auf der Fahrbahn erkennbar sind. Teilweise ist er nagelneu und super ausgebaut, teilweise eher Schein als Sein; dann führt die blaue Linie über holprige Bürgersteige und baut für Radfahrende umständliche Kehren ein. Am Uferrand wechseln sich Angler, SUP-Verleihe, kleine Yachthäfen und, selbstverständlich, reihenweise Shinto-Schreine ab. Selbst in der Nebensaison ist am Wochenende einiges los - wir können uns nur zu gut vorstellen, wie es hier wohl an einem warmen Sommertag aussieht.

    Gegen Ende November macht sich langsam aber sicher die winterliche Kälte breit. Im Sonnenschein der Mittagsstunden wird es noch angenehm warm, doch wenn ein Wind aufzieht, sich Wolken vor die Sonne schieben oder der Morgen graut, müssen wir all unsere Kleidungsschichten auftragen, um selber warm zu bleiben. An die Kälte können wir uns gut anpassen, doch daneben wird nun auch die Kürze der Tage zu einer Herausforderung. Wir müssen unser Tagesprogramm also so straffen, dass wir die verbleibenden zehn Stunden Tageslicht gut nutzen. So stehen wir meist um halb sieben in der Morgenkälte mit der aufgehenden Sonne auf, frühstücken einen heißen Porridge und radeln los.

    Schwieriger als das frühe Aufstehen ist allerdings das frühe Ankommen: Bis zum Sonnenuntergang um halb fünf müssen wir eingekauft und einen Zeltplatz gefunden haben. Gegen 18 Uhr haben wir meist schon gegessen und kriechen in die Schlafsäcke, um noch einen Film zu schauen. Um 20 Uhr sind wir dann meist schon eingeschlafen - über zu wenig Schlaf können wir uns wirklich nicht beklagen.

    Vom Biwa-See aus biegen wir nach Süden ab und passieren wieder viele Schreine, große wie kleine. Der größte ist der Ise-Schrein. Dieser besteht aus zwei Dutzend Gebäuden, von denen einige dem Kaiser und seiner Familie vorbehalten sind. Es herrscht ein großes Treiben und abgesehen von uns sind fast alle Anwesenden schick gekleidet. Es ist schließlich der wichtigste Schrein im Shintoismus und Gläubige, die hier um den Beistand der Götter bitten, werden wohl meist erhört. Sie verbeugen sich, werfen eine Münze in den dafür vorgesehenen Behälter und klatschen zwei Mal in die Hände. Noch eine abschließende Verbeugung, dann geht es weiter zum nächsten Schrein und bald klappt es bestimmt mit Genesung, Kinderwunsch und Studienplatz.
    Leia mais

  • Pacific Re-Cycling Road

    1 de dezembro de 2023, Japão ⋅ 🌬 12 °C

    Für uns geht es wieder auf eine Fähre. Diese bringt uns von der Shima-Halbinsel zur Atsumi-Halbinsel auf der anderen Seite der Bucht. Dort eröffnet sich uns endlich die Weite des Pazifiks. Bis zum Horizont ist keine Insel zu sehen und man kann sich fast vorstellen, wie auf der anderen Seite des Meeres die Lichter von San Francisco und Los Angeles funkeln. Hier wird uns erst so richtig die Dimension dieses Ozeans klar: Die USA sind von hier fast genau so weit entfernt, wie Westeuropa.

    Trotzdem bietet der Strand mehr USA-Feeling, als Europa-Gefühl. Am Straßenrand stehen statt Ahorn und Ginkgo wieder Palmen und sogar vereinzelte Bananenstauden. Einige der Holzhäuser an der Küste sind in bunten Pastelltönen lackiert und abgeblätterte Schilder weisen auf Englisch auf geschlossene Surfshops in. Auch die Cafés haben ihre Verschläge schon winterfest aufgebaut.

    Passend dazu besuchen wir an einem kalten Tag eines der vielen sogenannten Family Restaurants am Wegesrand. Hierbei handelt es sich allerdings keineswegs um traditonelle inhabergeführte Restaurants, sondern um japanisch interpretierte Schnellrestaurants im Stile amerikanischer Diners. Das Mittagsangebot besteht meist aus einer panierten Frikadelle mit Kohlsalat und Reis. Viel besser als das Menü ist für uns jedoch die Tatsache, dass die All-you-can-Drink Getränkebar und Steckdosen am Sitzplatz im Preis inbegriffen sind. So verbringen wir zwei Stunden auf den bequemen Kunstlederbänken und radeln dann gut aufgewärmt, mit neuer Energie in den Handyakkus und Zuckerwellen in den eigenen Arterien eine sehr schnelle Nachmittagsetappe weiter.

    Selbst in diesen Fastfood-Ketten zelebriert die Bedienung stets die höflichsten Umgangsformen. Bei jedem Bestellvorgang und auch beim Bezahlen reihen sich unter stetigen Verbeugungen nahtlos Höflichkeitsformeln aneinander. Das Wechselgeld wird ganz sorgsam abgezählt und jede Münze einzeln benannt, damit jeder Gast die Rechnung ganz genau nachvollziehen kann.

    Neben der Höflichkeit ist die Hygiene die zweite ganz spezielle Alltagseigenschaft: Im Supermarkt sind Obst und Gemüse großzügig in Plastik eingepackt. Kekse gibt es oft in riesigen Verpackungen, die aber erstaunlich leicht sind. Wie bei einer Matrjoschka muss man geduldig eine Schicht nach der nächsten entfernen, bis man schließlich im Inneren beim Keks angekommen ist und einen großen Berg aus Plastik angehäuft hat.

    In diesem Moment hat man allerdings das nächste Problem, denn die Abfallpyramide steht hier Kopf: Vermeidung und Mehrweg spielen keinerlei Rolle, dafür ist das Recycling-System völlig aus dem Ruder gelaufen. Im Supermarkt gibt es regelmäßig bis zu 10 Mülleimer für die sortenreine Trennung des Mülls. Und damit nicht genug, denn dieser muss zuhause sorgfältig ausgewaschenen und getrocknet werden und die genauen Trenn-Vorschriften unterscheiden sich je nach Kommune. Und tatsächlich beobachten wir oft, wie Japaner:innen gewissenhaft und eifrig alles korrekt einwerfen.

    Wir stehen dann innerlich fluchend daneben und können keinen Müll entsorgen, weil unsere Tetrapaks nicht ausgewaschen und aufgeschnitten sind, unsere Plastiksammlung nicht sortenrein getrennt ist und das Entsorgen einer leeren Gaskartusche offenbar überhaupt nicht vorgesehen ist. Öffentliche Mülleimer für Restmüll gibt es nicht, jede:r Japaner:in nimmt den Müll einfach mit nach Hause. So fahren wir unseren stets wachsende Müllberg meist ein oder zwei Tage durch die Gegend, bis wir ihn endlich unauffällig und halb legal an einem Rasthof oder im Convenience Store loswerden können.

    Das Groteske der peniblen Mülltrennung wird dadurch auf die Spitze getrieben, dass Japan noch nicht einmal eine besonders hohe Recycling-Quote hat. Das meiste landet am Ende doch in der Müllverbrennungsanlage oder auf einer Müllhalde. Wir finden, dass der japanische Innovationsgeist, der bei den Toiletten so groß ist, sich vielleicht auch auf andere Abfallprodukte ausweiten ließe. So könnte man die emsige Müllsortierung auch durch einen tatsächlich kleineren ökologischen Fußabdruck zu belohnen.
    Leia mais

  • Ein Berg in 36 Ansichten

    4 de dezembro de 2023, Japão ⋅ ☀️ 7 °C

    Die letzte Woche auf dem Weg nach Tokio steht ganz im Zeichen eines Berges. Schon aus über 100 Kilometern, als wir noch an der Küste unterwegs sind, können wir den imposanten, schneebedeckten Gipfel des markantesten Berges Japans - vielleicht sogar der ganzen Welt - weit über allen ihn umgebenden Bergen sehen. Über die nächsten zwei Tage radeln wir durch Küstenstädte und Teeplantagen stets auf den Berg zu und bestaunen die wachsende Silhouette und die sich im Tagesverlauf wandelnden Lichteffekte und Wolkenformationen.

    Doch die Fahrt zum Fuji läuft nicht ganz ohne Hindernisse: Noch am Pazifik gibt Elias' Umwerfer den Geist auf und hängt nach einem blechernen Krachen nur noch traurig an der Kette. Zum Glück sind wir noch in der Großstadt Shizuoka und finden in einem Radladen ein passendes Ersatzteil. Vom Hersteller ist es zwar nicht für dieses Schaltwerk empfohlen und der Mechaniker will uns schon wieder fortschicken, doch nach etwas Überzeugungsarbeit unsererseits baut er es zügig ein und siehe da, natürlich funktioniert es fast perfekt.

    Das ist auch gut so, denn ausgerechnet für diesen Tag haben wir einen Zeltplatz an einem See direkt vor dem Fuji reserviert. Mit etwas Verspätung radeln wir den Anstieg rund um den Berg hinauf. Selbst im Dunkeln vermittelt die Silhouette vor dem sternenbehangenen Himmel einen majestätisch Eindruck.

    Erst am nächsten Tag offenbart sich aber die volle Pracht unseres Zeltplatzes: Der Sonnenaufgang malt goldene Muster auf den Berg und wir spazieren zwischen beraureiften Bäumen um den glatten See, in dem sich der Berg spiegelt.

    Der Fuji hat schon lange eine wichtige kulturelle und spirituelle Bedeutung für Japan. Wir können das gut nachvollziehen: Der symmetrische Kegel mit der weiß gepuderten Kuppe zieht uns schnell in seinen Bann. Aus allen Blickwinkeln machen wir Fotos - jeweils mindestens 36 unterschiedliche Motive. Damit stehen wir in der Tradition der großen japanischen Ukiyo-e-Künstler wie Hokusai und Hiroshige und ihrer berühmten Fuji-Ansichten.

    In diesem Sinne entspannen wir drei Tage (also 36 Stunden) in der Stadt Fujikawaguchiko. Wir lassen es uns mit stapelweise Pfannkuchen und Fujiblick zum Frühstück und Kaffee in der Hängematte noch einmal richtig gut gehen. Natürlich bleibt auch Zeit für ein Sake-Tasting, denn das Fuji-Wasser erfreut sich, ähnlich wie sein Namensvetter aus dem Südpazifik, eines sehr guten Rufes.

    Nach den drei Tagen rasen wir wieder bergab, Richtung Tokio. Auf dieser Straße kämpften die olympischen Rennradfahrer:innen 2021 mit aller Kraft um Gold, Silber und Bronze - für uns geht es dagegen in umgekehrter Richtung mit Rückenwind entspannt bergab. Golden leuchtende Ginkgo-Alleen zieren die Zielgerade und bereiten uns so unsere ganz private Siegerehrung.
    Leia mais

  • Tokio: Ein würdiges Ramen zum Abschluss

    10 de dezembro de 2023, Japão ⋅ ☀️ 19 °C

    Nach 5 Wochen und mehr als 2.000 Kilometern in Japan erreichen wir die Hauptstadt Tokio, die einen würdigen Rahmen für unsere letzten Tage in Asien bietet.

    Trotz der Tatsache, dass im Großraum Tokio rund 38 Millionen Menschen leben, wirken die äußeren Bezirke der Stadt mit ihren vielen kleinen Häusern und schmalen Straßen durchaus beschaulich. Viele Nebenstraßen sind vom Autoverkehr weitestgehend verschont und voller Radfahrender und Fußgänger:innen. Statt die oft überfüllte Metro zu nehmen, entscheiden wir uns daher, die Stadt mit dem Rad zu entdecken. Obwohl hier erstaunlich viel Fahrrad gefahren wird und dies auch recht angenehm möglich ist, gibt es wenig entsprechende Infrastruktur oder Beschilderungen und man muss sich seinen Weg mal auf der Straße, mal auf dem Gehweg selber suchen.

    In der Innenstadt, oder eigentlich einer der vielen Innenstädte, wird es dann doch voller und die Häuser wachsen in die Höhe. Wir besuchen ein Museum für japanische Holzdruckkunst und bestaunen unter anderem die große Welle von Kanagawa, die laut Beschreibung wegen ihres damals neuartigen Berliner Blaus neue Maßstäbe in der Ukyio-e-Kunst gesetzt hat. Farben aus Deutschland scheinen einen wichtigen Stellenwert in der japanischen Kultur zu haben.

    Ähnlich wie die große Welle im Museum schwappen draußen die Menschen aus dem Bahnhof Shibuya auf die berühmte "Alle-Gehen-Kreuzung", die sich bei jeder Grünphase mit bis zu 2.000 Menschen füllt. Auch das schicke Einkaufsviertel Ginza ist voller Menschen- und weihnachtlicher dekorierter Hunde. Im Stadtviertel Akihabara zeigt uns Naz, eine Freundin von Elias, wie man als Otaku die Zeit verbringt. Hier gibt es bunte Spielhallen, Sammelfiguren von allerhand Manga- und Videospielen und an jeder Straßenecke laden uns als Dienstmädchen verkleidete junge Frauen in das nächste Maid-Cafè ein.

    Diese Einladungen schlagen wir schweren Herzens aus, aber vom leckeren japanischen Essen verabschieden wir uns würdig. In einem Restaurant mit Sushi-Förderband essen wir uns am ständigen Strom der frisch zubereiteten Kleinigkeiten satt und über die letzten Tage probieren wir uns noch einmal durch alle möglichen Varianten der kultigen Nudelsuppe Ramen. Die wohl beliebteste Variante ist ausgerechnet jene aus Kyushu, die wir an unseren ersten Tagen in Japan schon ausgiebig getestet hatten.

    Sayonara, Japan!
    Leia mais

  • Jetpack und Brezen

    12 de dezembro de 2023, Áustria ⋅ ☁️ 10 °C

    Nach zwei Tagen in Tokio kommt unsere Zeit in Asien zu einem Ende. Zum letzten Mal machen wir uns auf die Suche nach Fahrradkartons und Verpackungsmaterial. Das geht recht reibungslos und die Kartons, Pappe und Luftpolsterfolie passen gerade noch in eine Nische von unserem kleinen Zimmer.

    Zum Glück ist dieses nah am Flughafen, so dass wir uns die Kartons am Abflugtag auf unsere Rücken binden und mit Sack und Pack über einen Flussradweg direkt in die Abflughalle radeln. Air China nimmt die Räder unkompliziert mit - ganz nach japanischer Art werden sogar noch einige FRAGILE Aufkleber liebevoll auf die Kartons geklebt.

    Der Hauptstadtflughafen in Peking, an dem wir zwischenlanden, ist der zweitgrößte Flughafen der Stadt und wird, seit ein neuer Flughafen eröffnet wurde und Corona die internationalen Fluggastzahlen kollabieren ließ, kaum noch benutzt. Wir verbringen unsere sieben Stunden Umstiegszeit daher in der Transit-Lounge des ansonsten trotz Außentemperaturen von -8 Grad ungeheizten Flughafens. Immerhin ist es in der Lounge warm, aber im Gegensatz zum oft dezenten und hochwertigen Japan, wirkt diese traurig: Protzige Plastiksessel und haufenweise einzeln eingeschweißte Kekse laden weder zum gemütlichen Verweilen, noch zum kulinarischen Genuss ein. Die beiden Mitarbeiter:innen, die vor dem Eingang sitzen, tragen wegen der Kälte Winterjacken, wirken etwas
    überfordert mit unserem Erscheinen und sprechen zudem kein Englisch.

    Wir fassen auf den Kunstledersofas etwas Schlaf, springen in den nächsten Flieger und erreichen 10 Stunden später europäischen Boden.
    Wien dient uns zum langsamen Ankommen, wir kaufen uns erstmal ein paar Brezen, schlendern um den Stephansdom und freuen uns, dass eine Galerie in der belebten Innenstadt als Spezialaktion japanische Holzdrucke verkauft.
    Leia mais

  • Jeden Tag ein neues Türchen

    13–20 de dez. 2023, Alemanha ⋅ ☁️ 7 °C

    Von München aus treten wir den Schlussspurt an: Wir schlagen uns einmal von Ost nach West durch Bayern und Württemberg bis nach Baden, wo wir den Rhein als Wegweiser für die letzten Kilometer erreichen.

    Vom Schnee der letzten Woche sind nur noch Pfützen geblieben und an einigen Stellen zwingen uns Hochwasser-Stellen zu kleinen Umwegen.

    Unterwegs öffnet sich für uns jeden Abend eine neue Türe: Dahinter verbergen sich immer eine warme Dusche und ein warmer Schlafplatz, aber immer auch viel mehr. Wir stoßen auf leckere Abendessen, eine Adventsfeier, eine Winzerei, eine Runde Doppelkopf, einen Weihnachtsmarkt, Reiseträume, Hütehunde und Kuschelkatzen.

    Und da unsere Gastgeber:innen immer an der Reise interessiert sind und immer unterschiedliche Fragen stellen, öffnen wir auch viele Türchen mit Erinnerungen, die wir auf unserer Reise aufgesammelt haben.
    Leia mais

  • Haangekommen und Glad to be beck

    21 de dezembro de 2023, Alemanha ⋅ 🌧 11 °C

    Als wir in Worms den Rhein erreichen, fühlt sich der Weg nach Hause schon sehr übersichtlich an. Ab Koblenz kommen die ersten bekannten Gesichter hinzu. Dort übernachten wir bei einer Kommilitonin. Am Bonner Rheinufer flicken wir den letzten Platten der Tour, als wir von einem jungen Mann gefragt werden, was wir denn in dieser Jahreszeit mit den bepackten Rädern vorhätten. Wir erklären, dass wir gerade aus München kämen und dafür eine gute Woche gebraucht hätten. Das überrascht ihn - hatte er doch gedacht, dass man mit dem Rad etwa einen Monat dorthin bräuchte.

    In der Bonner Altstadt trinken wir spontan einen Tee mit unseren ehemaligen Nachbarn, schlafen in unserer alten WG und sehen die ersten Freund:innen wieder. Kaum sind wir hier, ist es ein bisschen so, als wären wir gar nicht weg gewesen und die Zeit sei einfach stehen geblieben. Wir können vom Gefühl her gar nicht einschätzen, wie lange wir weg waren - laut Kalender sind es 438 Tage.

    Sturm Zoltan zum Trotz fahren wir am nächsten Tag auch noch die allerletzten Kilometer der Reise bis nach Haan. Vor einem besonders heftigen Schauer flüchten wir in Leverkusen in einen Lidl. Dort bemerkt eine ältere Dame, dass es doch heute nicht das beste Wetter für eine Radtour sei und erkundigt sich, wie weit wir noch fahren würden. Sie staunt, als wir ihr sagen, dass wir noch 20 Kilometer fahren müssen. Wir verraten ihr nicht, dass dies nur das letzte Promille unserer Reise sein wird. Sie wünscht uns dennoch eine gute Fahrt.

    Die letzten Kilometer haben es in sich: Der Sturm nimmt nochmal an Fahrt auf und wir kämpfen gegen den von Böen gepeitschten Regen an, bis die Zieleinfahrt in Sicht kommt. An dieser liebevoll mit Kreide auf die Straße gemalte Linie warten unsere Familien und Freunde begeistert auf unsere Rückkehr und mit einem tosenden Jubel fahren wir ein. Es folgt ein herzlicher Empfang mit Sekt, leckerem Buffet und einem ersten Interview zu unserer Reise.

    Nach dem Willkommensabend gehen wir schnell wieder in unsere Weihnachtsroutinen in Gladbeck und Haan über - auch hier wirkt fast alles unverändert, als sei die Welt im Herbst 2022 eingefroren und nun für uns wieder aufgetaut. Nach so viel täglicher Veränderung sind diese Konstanz und die weihnachtliche Gemütlichkeit sehr erholsam. Das viele gute Essen schmeckt nach Wochen voller Campingkocher-Kost in diesem Jahr besonders gut.

    Die Fahrräder dürfen sich auch erholen und werden vorerst in der Garage geparkt. Der virtuelle Tacho bleibt bei insgesamt 20.038 geradelten Kilometern stehen - als Linie reicht das von Deutschland nach Neuseeland oder vom Nord- bis zum Südpol.

    Und damit, liebe Leser:innen, endet unsere Tour. Dies wird deshalb auch unser letzter Blogeintrag sein. Wir hoffen, wir konnten euch mit diesem Blog einen lebendigen Eindruck unserer Reise vermitteln und vielleicht haben wir euch zwischendurch aus dem grauen Alltag in ferne Orte versetzten und die ein oder andere Träumerei anregen können. Wir haben uns sehr über eure Nachrichten und Kommentare gefreut und bedanken uns für die Reisebegleitung. Kommt mit viel Rückenwind in das neue Jahr!
    Leia mais

    Final da viagem
    21 de dezembro de 2023