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- May 7, 2023, 4:06pm
- ☁️ 21 °C
- Altitude: 34 m
- PortugalViana do CasteloCarreçoMontedor41°44’52” N 8°51’53” W
Casa do Adro | 26 km
May 7, 2023 in Portugal ⋅ ☁️ 21 °C
Der Tag startete etwas später, da wir (aktuelles Standard-Duo Theo und ich) den Wecker auf 8 Uhr stellten, um auszukosten, dass uns in dem Hostal kein anderer Pilger weckt und nervt. Entsprechend ging es heute „erst“ um 8:30 Uhr los. Eine Banane auf die Hand und los geht die Reise. Und was für eine Reise! Der erste Teil war sowas von nach meinem Geschmack, es ging durch grünen Wald über Stock und Stein, nebenher zeitweise ein Fluss, der mal ruhig und mal reißend verlief. Es erinnerte mich teilweise an Neuseeland. Viel Farn und dschungelartiger Wald. Die Luft roch lecker und ich konnte mich gar nicht satt sehen an dieser schönen Natur. Ich dachte, das wird der bisher beste Tag der Reise.
Um eine Ecke im Wald gebogen saßen zwei Mädels auf dem Boden, die eine war umgeknickt und rieb sich den Knöchel. Ich bot ihr meine Ibu-Schmerzcreme an, die mir Floris in Porto geschenkt hatte (er meinte er brauche sie eh nicht mehr, da er durch ist und ich kann sie sicher mal gebrauchen - wie er recht behalten hatte), die sie dankend annahm, die andere junge Frau wollte sie ebenfalls prophylaktisch auf die Knöchel und Füße schmieren. Da Theo Physiotherapeut ist und sich auskennt, hat er dem umgeknickten Mädel direkt Kinesio Tape zugeschnitten und am Knöchel fachgerecht angebracht. So konnten wir mit etwas Verzögerung, dafür aber zu viert, ein Stück weiter marschieren. Hier auf dem Jakobsweg wird wirklich viel und gerne geholfen, das ist sehr auffällig. Keiner hat viel, aber jeder teilt. Wie das Leben halt eigentlich sein sollte.
Ein Restaurant mit der Aufschrift „Pilger Menu“ brachte uns dazu, einzukehren. Es war aber leider nicht das typische Pilgermenü (Suppe, Hauptgericht, Nachspeise, dazu Wein oder Wasser), sondern einfach nur ein paar Gerichte für einen relativ angemessenen Preis. Es war ok. Da wir aber wussten, dass wir hinter unserem Zeitplan lagen, ging es zügig weiter. Wir hatten heute einen relativ fixen Zeitplan, da wir bis spätestens 16 Uhr bei unser Unterkunft sein mussten, damit die 2 reservierten Betten nicht weggegeben werden. Spoiler: Wir waren 15:53 Uhr da.
Die nächste Etappe ging durch schöne alte Wohnorte mit hübsch angelegten Gärten. Viele Einheimische sieht man nicht, aber wenn sie einem entgegen kommen, grüßen sie immer freundlich. Der abwechslungsreiche Weg führte dann über die Brücke „Ponte Eiffel“, die sich 645 Meter über den Fluss Lima streckt. Anschließend ging es in die Stadt Viana do Castelo, etwas industriell und viel Beton, aber eine wunderschöne Kathedrale auf dem Berg der Stadt. Es stand ein Fußball Event an, entsprechend waren dort viele Menschen sowie etwas Polizei unterwegs. Der Weg führte nun wieder direkt an die Küste, man konnte das Meer schon sehen.
Und dann war es doch noch länger als gedacht. Ich hatte mich gut verschätzt und war demotiviert. Der Wind wehte so stark, dass ich meinen Hut nicht weiter tragen konnte und ich hatte keine Lust ihn die ganze Zeit festzuhalten. Also nahm ich ihn ab und mir wehten die Haare ins Gesicht und ich musste den Scheitel versuchen regelmäßig zu ändern, damit ich keinen Sonnenbrand auf dem Kopf bekommen würde. Nervig. Ich packte mir Musik auf die Ohren, da ich hoffte, dass es hilft. Ich wusste nicht so recht was ich hören wollte. Die Wahl fiel auf ältere Musik und anscheinend war es die falsche. Die Lieder machten mich zunehmend wütend und sauer. Erstaunlich wie schnell ein Lied Erinnerungen in so extremer Weise auslösen können. Ich spürte die Anspannung in mir und alles tat auf einmal mehr weh als zuvor. Meine Schultern und Beine waren unerträglich. Ich schaute auf das Meer und war genervt von den Wellen, also schaute ich auf meine Füße und den Holzweg vor mir. Und dann sang Kummer „Der letzte Song“ und ich spürte nur wie mir die Tränen liefen. Wie Scheisse kann Vergangenheit sein und wieso holen mich die Zeiten gerade jetzt ein? Ich drehe mich um und schaue, ob Theo noch da ist. Ca. 20 Meter hinter mir ist auch er vertieft in Gedanken. Ich will gerade eh nicht reden, sondern nur noch an der Unterkunft ankommen.
Und nun sitze ich in der heutigen Unterkunft, esse meinen angeschmolzenen Twix und schaue müde aus dem Fenster und versuche meine Gedanken zu sortieren.Read more
Traveler 😘