• TiniWini

Endless Summer

...immer der Sonne entgegen Leia mais
  • Von Felsenratten und frechen Affen 2

    16 de janeiro de 2019, África do Sul ⋅ ⛅ 23 °C
  • Kapstadt 1

    18 de janeiro de 2019, África do Sul ⋅ 🌧 19 °C

    Ich stehe auf dem Table Mountain am südlichsten Zipfel Afrikas und schaue auf diese pulsierende Stadt voller Geschichte, voller Gegensätze, voller Kulturen hinab.

    So viel Schönheit.

    So viel Ungerechtigkeit.

    Cape Town ist eine Stadt, in die man sich leicht verlieben kann. Gewaltige Berge, grüne Wälder, weiße Sandstrände, Botanische Gärten, ein Nationalpark mitten im Stadtzentrum, kulinarische und kulturelle Vielfalt, Weingüter, Stadtparks, endlose Shoppingmöglichkeiten, sensationelles Nightlife (oh yeah), Tiere aller Art und natürlich der Atlantische Ozean.
    Objektiv betrachtet, müsste ich vor lauter HURRA schreien gar nicht mehr aufhören können.
    Mein stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden jedoch zerreißt mich innerlich fast.
    Neben diesen ganzen Barhoppern, Anzugträgern, Beachbums, Mercedesfahrern, Hafenpromenadeflanierern, Touristenmassen und Villabewohnern leben in Kapstadt ca. eine Million Menschen in den geballten Townships und sieben- bis zehntausend Menschen auf Straßen, unter Brücken, an Stränden und in Hauseingängen. Sie leben in einer Parallelgesellschaft.
    Ich bin schockiert über die Anzahl der Menschen, die den Gehsteig ihr Zuhause nennen. Schockiert über bettelnde Kinder.
    Es bricht mir das Herz, die uns schon öfters aufgetragene Regel zu befolgen: Schau den Menschen nicht ins Gesicht. Jeder ist ein potentieller Krimineller.
    Da laufe ich hochprivilegiertes Mädchen auf Endless-Summer-Reise durch die Straßen und ständig kommen verwahrloste Menschen auf mich zu und fragen nach Geld. Eine Frau meines Alters kommt in Decken gewickelt auf uns zu und fragt mit großen leeren Augen, ob wir ihr bitte helfen können. Wir hören ihr zu und als sie sich von Herzen dafür bedankt, dass wir ihr überhaupt zuhören, wächst mein Kloß im Hals. Sie sagt, sie will gar kein Geld. Nur etwas zu essen. Ich fühle mich schlecht. Die Ungerechtigkeit treibt mir Tränen in die Augen. Wie kann es sein, dass diese junge Frau fremde Menschen anbetteln muss, damit sie heute Nacht nicht hungert und ich in ein schickes Restaurant zum Abendessen spaziere?! Nicht weil ich besonders hungrig wäre. Nur weil es halt gerade Abendessenszeit ist.

    Der Unterschied zwischen sauarm und saureich ist in dieser Stadt wirklich extrem.
    „Apartheid still exists. But it’s not any more about blacks and whites. Today it’s about the haves and the not-haves.” Ken führt uns in seiner Free Walking Tour zu den verschiedensten Orten und Denkmälern Kapstadts und erzählt dabei sehr persönliche Geschichten, vor allem von der Apartheid-Ära.
    Immer wieder kommt er dabei natürlich auf Nelson Mandela zu sprechen.

    Nelson Mandela. Vor einigen Wochen waren wir in Mthatha nahe seines Geburtsortes im Nelson-Mandela-Museum. Seine Biographie, sein Mut, sein Gedankengut und sein eiserner Wille, mit friedlichen Mitteln etwas ändern zu wollen, beeindruckt mich zutiefst. Ken erzählt die herzzerreißende Geschichte von Mandelas erster Rede als freier Mann aus Sicht seiner Eltern:
    1990 seien sie mit dem Zug von Johannesburg nach Kapstadt gefahren, um zu sehen, wer dieser Nelson Mandela ist. Kaum ein Südafrikaner wusste zu dieser Zeit wohl, wie Mandela aussieht, da er im Fernsehen nie gezeigt wurde. Die Propaganda habe ihn stets als Terroristen dargestellt.
    Als seine Eltern in Kapstadt ankamen, wollten mit ihnen Hundert Tausend andere Menschen Nelson Mandela sehen und hören. Und dann stand er da (mit der typischen südafrikanischen Verspätung, wie Ken lächelnd hinzufügt) und predigte Vergebung und Versöhnung. 27 Jahre eingesperrt, 18 davon auf Robben Island und trotzdem war dieser Mann bereit, Denjenigen zu vergeben, die für seine Inhaftierung verantwortlich waren.

    Ken fordert uns auf, zu überlegen, ob wir nicht auch jemanden zu vergeben hätten. Er spricht darüber, wie Hass im Herzen der Liebe den Platz nimmt. Und dass es doch eigentlich viel mehr in der Natur des Menschen liege, Liebe im Herzen zu haben.

    Er führt uns in das Viertel „District 6“ und erzählt von seiner 94 jährigen Freundin, die 1968 wie 60.000 andere Schwarze und Farbige gewaltsam aus ihrer Wohnung im District 6 vertrieben wurde. Das komplette Viertel wurde „gesäubert“, es wurde zu einer weißen Zone erklärt. Menschen wurden aus ihrem Umfeld, ihren gesellschaftlichen Verbindungen entrissen und je nach Hautfarbe in Townships in den Cape Flats verfrachtet, wo sie von nun an eng auf eng wohnen mussten.
    Dies führte verständlicherweise zu Missmut, zu Aggression. Viele Menschen konnten ihren Job nicht mehr weiter machen, da dieser in Laufnähe ihres eigentlichen Wohnortes im District Six lag. Die Lebensumstände verschlechterten sich für viele der Zwangsumgesiedelten drastisch. Einfach nur weil sie keine weiße Haut hatten.
    Ken berichtet von der zugespitzten Situation in den Townships: kleine Jungen im zarten Alter von 12 Jahren sehen sich schon als Gangsterbosse, halten Knarren in der Hand und sind völlig zugedröhnt von Crystal Meth.

    Ken vermittelt uns außerdem einen Eindruck davon, wie komplex und ungerecht die Situation zwischen den Hautfarben heutzutage immer noch ist. Die Diskriminierung geht jedoch auch in die andere Richtung. So habe er als Weißer beispielsweise schon fünfmal seinen Job verloren. Aufgrund seiner Hautfarbe. Unternehmen müssen im Rahmen der sogenannten „Black Empowerment“- Agenda einen bestimmten Prozentsatz Farbige einstellen. Was umgekehrt natürlich bedeutet, dass ein bestimmter Prozentsatz Weißer dann seine Arbeitsstelle verliert.

    Die Free Walking Tour von Ken ist super informativ und unglaublich berührend. Mir schwirrt der Kopf.

    Mit all diesen Geschichten und Eindrücken treffen wir Warren, einen „Capetonian“, den wir vor vielen Jahren auf Nias kennen gelernt haben. Ich frage ihn, wie er mit der Armut und dieser immer noch schwierigen Hautfarben-Situation in seinem Land umgeht.
    „I grew up in a bubble“ ist seine Antwort.

    Hä? Kapstadt eine rosarote Blubberblase?
    Also ich empfinde das anders.

    Warren ist Fotograf und begleitet seit drei Jahren Häftlinge in Kapstadts Gefängnis. Er dokumentiert, wie Boxtraining Aggressionen und Frust Luft macht und kriminelle Energie in sportlichen Ehrgeiz umgewandelt werden kann.
    Dadurch bekommt er tiefe Einblicke in verschiedenste Biographien.
    Als ich ihm von der mich immer noch stark berührenden Begegnung mit der Frau erzähle, die uns um Essen angebettelt hat, meint er: „The most important thing is, that we stop treating them as cockroaches.”
    Ein Leben auf der Straße. Verzweifelt und hoffnungslos. Mehr als Kakerlake denn als Mitmensch wahrgenommen werden.

    Wie war das nochmal gleich mit „Die Würde des Menschen ist unantastbar“?

    Mich beschäftigt die Arm-Reich-Schere in Südafrika so sehr, dass ich Sally aus Johannesburg (bei deren Eltern wir auf der Entenfarm geschlafen haben) anschreibe und
    frage, wie sie damit umgeht.
    „Yes I hear you, the poverty here is really hectic and it never gets easier unfortunately. I also think we have come to recognize it as the norm which is so unreal.“
    Wenn man nicht in Haisterkirch, sondern in Kapstadt oder Johannesburg aufgewachsen ist, hat man sich offenbar in gewisser Weise daran gewöhnt, dass massenweise Obdachlose auf den Straßen liegen, dass die Weißen die Villen am Strand bewohnen und die Schwarzen für sie arbeiten, dass man immer auf der Hut sein muss vor Kriminellen, dass vor und hinter jeder Stadt tausende Menschen eng zusammengepfercht in Bruchbuden ohne ausreichende hygienische Versorgung hausen und gleich daneben Casinos, Clubs, Segelyachten, Shoppingmeilen, Mercedesläden und die edelsten Hotels stehen.

    So viel zur einen Seite der Medaille.

    Die andere Seite der Medaille beschreibt sich um einiges leichter und mit weniger Kloß im Hals.

    Denn an sich ist Kapstadt eine unglaublich faszinierende Stadt voller Möglichkeiten.

    Als Tierlieberin erwähne ich hier natürlich als erstes unser Treffen mit den Pinguinen. Diese afrikanische Spezies brütet ausschließlich in Namibia und Südafrika auf insgesamt 25 Inseln und an zwei Orten am Festland: Boulders Beach in Simon’s Town und Stony Point in Betty‘s Bay.

    Selbstverständlich besuchen wir beide Orte. Es ist einfach nur zuckersüß, wie tollpatschig die kleinen Frackträger in äußerst aufrechtem Gang herumwatscheln.
    Unfassbar lustig hört sich auch ihr Brunftruf an, der klingt, als würde ein Esel geschlachtet.

    Ein anderes tierisches Highlight sind die Seelöwen, die auf Duiker Island leben. Wie völlig verspielte Welpen tümpeln sie im Wasser herum, springen in die Luft, drehen sich um die eigene Achse, versuchen mit dem Schwung einer Welle auf einen Felsen zu schwappen, stupsen sich gegenseitig an und schauen ganz interessiert zu uns herauf. Wir stehen an der Reling eines Bootes und schauen ganz interessiert auf sie hinab.
    Wie gerne würde ich jetzt mit ihnen spielen und tümpeln und stupsen. Das unberechenbare Wetter hat uns hier jedoch leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kein Schnorcheln mit den Seelöwen. Gleicher Grund wie vor ein paar Tagen, als unser „White Shark Cage Diving“ abgesagt wurde: Der Ozean ist zu raff. Der Swell zu groß.

    Das Wetter in Kapstadt ist absolut unberechenbar. 3 Klimazonen an einem Tag ist völlig normal hier, erzählen uns Capetonians.

    So entfällt wegen zu starkem Wind auch mein Paragliding und den wunderschönen Klippenwanderweg wollen wir in strömenden Regen auch nicht machen.

    Oft meint es das Wetter aber auch gut mit uns und die Sonne strahlt in vorbildlicher Endless-Summer-Manier. So beispielsweise, als wir den Sonnenuntergang vom Table Mountain aus anschauen und als wir DEN scenic drive, den sogenannten Chapmans Peak Drive fahren, eine kurvige Küstenstraße mit den großartigsten Ausblicken auf Strände, Gebirge und Inseln rund um Kapstadt.

    Einen überaus faszinierenden Ausblick auf die Gebirge des Table Mountain Nationalparks haben wir auch beim Open Air Konzert von „Freshly Ground“, einer südafrikanischen Band, die Felix vor 11 Jahren hier kennengelernt hat.
    Das Setting ist traumhaft: mitten im Botanischen Garten Kirstenbosch sitzen hunderte Menschen auf Picknickdecken an einem Grashang, an dessem Fuße die Bühne platziert ist. Ein bisschen wie ein natürliches Amphiteater.
    Sensationell! Dort treffen wir auf die Amerikanerinnen Shannon und Kendall, die wir bereits auf Sansibar kennengelernt haben (Shannon war dort meine Yogalehrerin). Es ist ein richtig herzliches Wiedersehen mit zwei ganz tollen Seelen.
    Mit den beiden gehen wir dann an unserem Abschiedsabend, nachdem wir uns den spektakulären Sonnenuntergang vom Signal Hill aus angeschaut haben, im berühmten Restaurant „Mama Africa“ essen.

    Dort werden wir noch ein letztes Mal so richtig gefüttert.
    Mit Dekorationen in den knalligsten Farben.
    Mit afrikanischen Rhythmen einer Marimba-Band.
    Und mit KUDU.

    Endlich bekommt Felix sein geliebtes Kudu zwischen die Kiefer und isst das Wild, auf das er seit unserem ersten Nationalpark so wild ist.

    Es ist unser letzter Abend in Afrika, in Kapstadt.

    Mich wird auf Ewig etwas mit dieser für mich so gefühlsintensiven Stadt verbinden. Schon allein wegen meinem hier gestochenen Tattoo.

    Ein Endless-Summer-Tattoo, das mich für alle Zeiten an diese großartige Reise erinnern soll.

    Eine Reise, auf der ich so oft schon meiner geliebten Sonne beim Aufgehen und Untergehen zuschauen durfte.

    Ist nicht auch jeder Sonnenaufgang eine Chance, neu zu beginnen?

    Oder wie Mady Morrison, meine Lieblings-Online-Yoga-Lehrerin sagt: „Jeden Morgen wenn du aufstehst und den Tag beginnst, hast du die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung, glücklich zu sein.“

    Ob diese Weisheit auch für die bettelnde hungrige Frau von vor einigen Tagen funktioniert, ist fraglich.

    Ganz genau mit diesen gemischten Gefühlen verlasse ich heute die Regenbogennation Südafrika.

    Was für ein unbeschreiblich vielseitiges, vielschichtiges und vor allem wunderwunderschönes Land.
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  • Tschüss Afrika

    23 de janeiro de 2019, Botsuana ⋅ ⛅ 24 °C

    Ich schaue aus dem kleinen Fenster des Flugzeuges und erfreue mich an dem letzten afrikanischen Sonnenuntergang dieser Reise.
    Wie farbintensiv die Natur doch sein kann, fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Über dem weiten Horizont schichten sich von glühend-rot über grell-orange und blass-gelb hin zu sachtem blaugrau die intensivsten Farbnuancen, bis die Schichten sich allmählich im tiefen Dunkelblau des Universums verlieren.
    Noch ein letztes Mal sehe ich das Kap der guten Hoffnung, den Tafelberg und den Lionshead.
    In den letzten Tagen von unten hinaufgeguckt und jetzt gucke ich auf diese Naturwunder hinab.
    Wir fliegen über ein Gebirge in Südafrika, auf dem ich neulich noch stand. Über Salzwüsten in Botswana, in denen ich vor ein paar Wochen noch Erdmännchen beobachtet habe. Über die Viktoriafälle, über die ich vor nicht allzu langer Zeit schon etwas tiefer geflogen bin. Über einen Nationalpark in Sambia, in dem ich vor wenigen Monaten den ersten Leoparden meines Lebens gesehen habe.
    Aus der Vogelperspektive sehe ich diese Länder unter uns hinwegziehen und, wie in einem kleinen Turbozeitrafferrückblick, zieht vor meinem inneren Auge nochmals unsere gesamte Afrikareise an mir vorbei.

    Welch Privileg diese Reise ist, war mir von Anfang an klar. Während der letzten Monate im afrikanischen Kontinent jedoch wurde mir immer noch bewusster, was für ein Luxusleben ich führen darf.
    Ich bin dankbar für diese privilegierte Situation, in die ich einfach so hineingeboren wurde. Aber ich fühle auch eine gewisse Last, fühle mich verantwortlich, anderen, weniger vom Leben bevorzugten Menschen etwas von meiner Freiheit, meiner Bildung, meiner Leichtigkeit abzugeben. Andere an meinem „Reichtum“ teilhaben zu lassen. Mein Glück zu teilen.

    Ich hoffe ganz inständig, dass mir dies noch oft im Leben gelingt.

    Ich sitze also hier im Flugzeug, das mich auf einen neuen Kontinent bringen wird und verdaue Eindrücke, Erlebnisse und Gefühle der letzten Monate.

    Knapp unterhalb der Äquators haben wir die Reise begonnen.
    Knapp überhalb des Äquators setzen wir sie nun auf einem anderen Kontinent fort.

    Von der Südhalbkugel auf die Nordhalbkugel.

    Von Linksverkehr nach Rechtsverkehr.

    Von Schilling, Kwatcha, Pula, Metical und Rand zu Peso.

    Von Muzungu zu Gringo.

    Ich freue mich unglaublich auf die neuen Abenteuer, die das Leben für uns bereit hält. Dieses tolle tolle Leben.

    Und während ich hier so herum sinniere, schnarcht Felix neben mir friedlich vor sich hin.
    Jeder verarbeitet aufregende Zeiten eben auf seine eigene Weise ;)

    Wie beruhigend, dass manche Dinge einfach immer gleich bleiben...
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  • Bienvenidos a Bogotá

    25 de janeiro de 2019, Colômbia ⋅ 🌧 18 °C

    „Bailo desde infancia“ - verkündet der kleine alte Mann stolz, lächelt ein lückenhaftes Lächeln und bewegt sich rhythmisch zur Salsamusik, die aus seinem Radio trällert.
    Er fährt uns in seinem Uber-Taxi durch Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens und erzählt uns, dass nicht nur er seit Kindheit tanzt, sondern quasi alle „rolos“, wie sich die Einwohner Bogotás selbst nennen. Sollte die Polizei uns anhalten, seien wir „amigos“, sagt er. Uber ist in Bogotá illegal.

    Nach einem 20 stündigen Aufenthalt in Istanbul, bei dem wir unerwarteter- und erfreulicherweise von Turkish Airlines ein Hotel inklusive Essensbuffet spendiert bekamen und kalte europäische Luft schnuppern konnten, sind wir nun in Kolumbien angekommen.

    Wir schlendern durch die Straßen des hippen Viertels La Candelaria und bestaunen die fantasievollen, farbintensiven Graffitys, die den Stadtteil unglaublich lebendig und quirlig erscheinen lassen. Wir kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
    Was mich jedoch noch mehr erfreut, ist, dass aus jedem dritten Fenster ein Sound herausschwingt, der meine Hüften entzückt zucken lässt. Endlich ist es soweit! Nach über vier Monaten Salsaentzug spüre ich ganz deutlich, dass ich die kommende Zeit wieder voll auf meine Kosten komme.

    Als wir von Südafrika weggeflogen sind, war ich ein wenig wehmütig, da ich gerne noch länger die afrikanischen Länder bereist hätte.
    Jetzt, wo ich in Bogotá bin, freue ich mich extrem über den Kontinentswechsel. Alle reden spanisch, überall hört man Musik auf den Straßen und kulinarisch hat uns das Land auch sofort überzeugt.
    Unsere erste bombastische Essenserfahrung, eine Geschmacksexplosion in einer so abgefahrenen Location, dass sie kaum in Worte zu fassen ist, haben wir im „Andres del Carne“.
    Ursprünglich ein kleines Fleischlokal, ist es Jahr für Jahr gewachsen und hat mittlerweile über 2.000 Sitzplätze. Diese abartige Dimension bekommt man jedoch überhaupt nicht mit, da die Sitzgelegenheiten so verstreut versteckt verwinkelt in den mit bunten Lichtern, blinkenden Schildern, bemalten Puppen, Flaschen, Telefonen, Schuhen und vielem anderen behangenen Gängen und Räumen und Etagen angeordnet sind, dass man völlig den Überblick und die Orientierung verliert. Nicht nur räumlich, sondern auch mit der 40-seitigen kunterbunt illustrierten Speisekarte benötigt man die Hilfe der völlig verrückt gekleideten Bedienungen. Als wäre die Reizüberflutung nicht schon eingetreten, laufen auch noch ständig kleine Bands durch die Gänge oder verkleidete Elfe mit Riesenhintern wuscheln einen über den Kopf und wenn man sich gerade wieder seinem Essen zuwendet, löst eine in traditionelle Tracht gekleidete Frau eine Konfettikanone direkt neben deinem Ohr.
    Es ist ein Spektakel für alle Sinne.
    Da wir völlig überfordert sind, bestellen wir einfach die Empfehlung unserer Bedienung Anna-Maria: Patacones con queso y hogao (mit Käse überbackene Kochbananenrösti und Tomatensoße) und Arepa de Chócolo con queso (mit Käse gefüllter Maisfladen).
    Diese landestypischen Gerichte schmecken hervorragend und machen richtig Vorfreude auf mehr.

    Bogotá ist eine gigantische Stadt. Das Ausmaß wird uns erst so richtig bewusst, als wir vom Berg „Cerro de Monserrate“ aus auf die Stadt hinabblicken. Häuser wohin das Auge reicht. Es sieht faszinierend aus, wie diese Stadt 2600m über dem Meeresspiegel auf einem Plateau liegt (es ist die dritthöchste Hauptstadt weltweit) und von den Anden umringt wird.
    Die Kirche auf dem Gipfel des Monserrate liegt auf 3150m Höhe. Eigentlich hatten wir vor, die 1500 Treppenstufen zur Kirche hoch zu gehen. Da uns hier oben jedoch schon die zehn Stufen zum Eingang der Kirche aus der Puste bringen, sind wir ganz froh, dass der Treppenweg gesperrt war und wir mit der Drahtseilbahn hochfahren mussten.

    Offensichtlich sind wir die Höhe nach so vielen Wochen auf „Sealevel“ nicht mehr gewöhnt.
    Oder wir werden halt doch einfach alt. Vor allem Felix ;)

    Wir beobachten, wie die Sonne über Bogotá untergeht und die Stadt langsam aber sicher in klitzernd flackernden Lichtern aufgeht.

    Was für ein wundervoller Einstieg in diesen zweiten Abschnitt unseres Endless Summers.
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  • Desierto de la Tatacoa 1

    28 de janeiro de 2019, Colômbia ⋅ 🌧 23 °C

    Ich wasche mir die Hände auf der Toilette des Busbahnhofes in Neiva, schaue in den Spiegel und bin total begeistert von meinem Outfit. Grüne kurze Hose und rosa langes T-shirt. Eine ganz neue Kleiderkombination. Wenn sich die Kleiderauswahl auf zwei Handvoll reduziert und man seit vier Monaten immer das gleiche anhat, freut man sich einfach über eine unerwartete Outfitneuerung.

    Meine neu entdeckte Kleiderkombi habe ich der Tatsache zu verdanken, dass wir frühmorgens im kühlen Bogotá losgefahren sind und ich mich nun auf dem Weg in die Wüste Tatacoa nach und nach aus meiner langen Kleidung pelle.

    Das letzte Stück in die Wüste fahren wir mit einem Jeep, hinten auf der offenen Ladefläche. Außer uns sind drei Franzosen und Marc, ein Deutscher an Bord.
    Jeder redet mit jedem. Es ist ein richtiges Sprachenwirrwarr. Wir reden Spanisch mit dem Fahrer, Deutsch mit Marc, Englisch mit den Franzosen, Marc spricht Französisch mit ihnen. Ich bin begeistert, wie gut er diese Sprache kann. Spanisch beherrscht er auch fließend. Und ja. Gut sieht er auch noch aus.
    Mein Mann bemerkt wohl, wie ich Mark anhimmle, denn als die Franzosen in Villa Vieja aussteigen, will auch er mit exzellenten Französischkenntnissen glänzen. Ich sehe ihm an, wie er seine Verabschiedung im Kopf gründlich vorbereitet, wie die Neuronen feuern und dann kommt es: Die Franzosen sagen fröhlich „Goodbye!“ in die Runde, woraufhin es aus Felix ganz stolz und etwas zu laut „Aujourd‘hui!!“ ruft.
    Da er ja ein schlaues Kerlchen ist und weiß wie man solch eine peinliche Situation entschärft, schiebt er direkt noch ein „Gerard Depardieu!“ hinterher.
    Mit so einem Witzbold hat man einfach immer was zu lachen.

    Und dann verschlägt es uns die Sprache - vor purer Schönheit.
    Wir fahren in eine Landschaft, die unwirklich, ja fast außerirdisch wirkt.

    Die Tatacoa Wüste ist ein 330 Quadratkilometer großes Areal quasi direkt am Äquator (nur 3 Grad nördlich). Die Landschaft ändert sich in diesem Gebiet unglaublich schnell und die Felsformationen sind einfach nur bezaubernd.

    Unsere Unterkunft liegt völlig abgeschieden mitten in der Wüste.
    Von dort aus kann man wunderbar den gigantischen Sternenhimmel bewundern, der sich wie eine Kuppel über die Desierto de Tatacoa spannt. Die Sternenpracht ist absolut atemberaubend.
    Von unserem Hostel aus erkunden wir dann die verschiedenen Bereiche der Wüste. Und zwar auf dem Rücken eines Pferdes.

    Das Reiten macht mir extrem viel Spaß und erinnert mich total an meine Pferdekindheit.
    Manche Dinge verlernt man einfach nie. Kaum in den Sattel meiner „La Paloma“ geschwungen, fühle ich mich direkt pudelwohl und würde am liebsten direkt in richtiger Cowboymanier losgaloppieren. Aber da war ja noch was. Felix.
    Unbeholfen sitzt er auf seinem „Mustarda“ und fragt hektisch, wie man das Pferd denn bitte lenken kann. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase jedoch klappt es bei den beiden auch gut und wir galoppieren tatsächlich zu dritt durch die Prärie.

    Da es die ganze Nacht durchgeregnet hat, waten unsere Pferde teils knietief durch Schlamm und nicht nur einmal befürchten wir stecken zu bleiben.
    Aber die Tiere sind ja keine verzogenen Dressurpferdchen, sondern wilde Geländegäule, sie klettern felsige Aufstiege hoch, brettern über Stock und Stein und drücken sich (und dadurch natürlich auch uns) durch dornige Büsche hindurch.

    Es gibt verschiedene Bereiche in der Wüste: die rote Wüste, die graue Wüste und die Steinwüste. Am spektakulärsten finde ich die rote Wüste. Sie wirkt wie ein Labyrinth aus skurrilen Felsformationen in den verschiedensten Rot-, Braun- und Orangetönen.

    Unsere Führerin Jenny zeigt uns die verrücktesten Steingebilde, beispielsweise „Tortuga“ (Schildkröte), „La foca” (Robbe), “Crocodilo” und “La camela”.

    Am allermeisten sind wir jedoch von der knallpinken Kaktusfrucht begeistert, die man an einem dünnen Stil aus dem Kaktuspelz herausziehen kann und die total süß schmeckt. Sie sieht aus wie eine pinke Mini-Peperoni.

    Nach den Ausritten in die wilde Wüste kühlen wir uns im Pool unseres Hostels ab. Ja. Verrückt. Ein Hotelpool mitten in der Wüste.

    „Boah das hat gebrrrrant und gestochen als ich in Pool bin, ich dachte da beißt mich ein Fisch oder sowas in Arsch.“
    Nein. Es sind keine blutrünstigen Piranhas im Pool - Felix hat nur einen wunden Po vom Reiten ;)

    Mit diesem langwährenden Andenken an diese faszinierende Landschaft verlassen wir nach drei Tagen die zauberhafte Wüste Tatacoa.
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  • Valle de Cocora

    31 de janeiro de 2019, Colômbia ⋅ 🌧 18 °C

    Wer denkt, dass wir hier im Sabbatjahr immer ausschlafen, liegt falsch. An den allermeisten Orten wachen wir zwischen 6 und 7 Uhr auf. Man lebt einfach mit der Sonne. 21 Uhr ist das neue Mitternacht, dafür ist man morgens um 6 dann schon richtig fit, wenn der Nachbarshahn einen wachkräht und es schon richtig schön warm, hell und sonnig ist.

    Auch hier in Salento, einem kleinen bunten Dörfchen in den Anden, werden wir morgens um 6 vom Kikerikiiiiiii des stolzen Nachbargockels geweckt.
    Nach einem leckeren Frühstück, das uns die Besitzer des Hostels in liebevoller Mama- und Papa-Manier servieren, machen wir uns auf den Weg nach Cocora.

    Von der erdig-steinigen Wüste Tatacoa führt uns unser Weg nun also in das feucht-grüne Tal Cocora.

    Von Salento aus bringt uns ein Jeep in das „Valle de Cocora“, von wo aus wir einen Rundwanderweg durch dieses wunderschöne Tal gehen.
    Ich kann gar nicht genug einsaugen von dieser frischen saftig grasigen Luft, die mich so sehr an den Frühling auf dem Land erinnert. Was ein heimatlicher Geruch!
    Es riecht nach Erde, nach Grün, nach frisch gemähtem Rasen, nach Moos, nach nasser Rinde. Ich höre nichts als das Rauschen des Baches und das Schmatzen der Kühe. Wären da nicht die Palmen, könnte es das Allgäu sein.
    Da kriege ich gerade ein bisschen Heimweh.

    Von einem auf den anderen Schritt befinden wir uns in einem dichten Dschungel und es ist plötzlich gar nicht mehr allgäuerisch.

    Der Weg ist unfassbar schön. Wir laufen auf einem kleinen Pfad, über Stock und Stein, über Bäche und wackelige Hängebrücken. Auf und ab. Auf und ab. Es ist schweißtreibend. Aber ich genieße jeden Schritt. Wandern erdet mich. Nach einem super steilen Aufstieg landen wir bei einem kleinen Häuschen, wo wir heiße Schokolade mit Käse bekommen. Klingt komisch, schmeckt aber verrückterweise echt lecker. Und das Beste: Kolibris. Überall Kolibris. Winzig klein und abartig schnell. Sie schimmern in den buntesten Farben. Bei manchen ist der Schwanz länger als der komplette Vogel. Unglaublich lustig sieht es aus, wenn sie ihre spitze lange Zunge aus ihrem spitzen langen Schnabel rausschießen und so versuchen, Nektar aus den Blüten zu lutschen oder kleine Insekten zu catchen.

    Ich kriege natürlich wieder gar nicht genug vom Beobachten und sehe nur widerwillig ein, dass wir weiter sollten. Eine Stunde lang geht es nun steil bergauf. Der feuchte Dschungel wird immer lichter, bis wir schließlich am höchsten Punkt angelangen, von wo aus man einen imposanten Blick auf das Tal hat. Haben sollte. In unserem Fall blicken wir auf wolkenverhangene Hügel. Eine richtig mystische Stimmung.

    Und dann zieht es auf. Die Wolken kämpfen noch eine kurze Weile mit der Sonne und treten dann aber glücklicherweise den Rückzug an.

    Unter strahlend blauem Himmel eröffnet sich uns eine Szenerie, wie wir sie noch nie gesehen haben.

    Stufenartige Hügel, die an Reisterrassen erinnern.
    Grün in allen Nuancen.
    Es leuchtet förmlich.

    Und inmitten dieser Grünpalette stehen sie - die höchsten Palmen der Welt. Spindeldürr und kerzengerade. Diese Nationalbäume Kolumbiens wachsen bei einem Durchmesser von 10-40 cm bis zu 60 Meter hoch und können mehrere hundert Jahre alt werden.
    Diese sogenannten Wachspalmen haben eine solch wichtige Bedeutung für die Kolumbianer, dass sie sogar auf dem 100.000 Peso Schein abgebildet sind.

    Ich bin jetzt schon ganz begeistert, wie vielseitig dieses Land ist.

    Von einem Aussichtspunkt aus schauen wir uns den Sonnenuntergang über Salento an und freuen uns des Lebens.

    Salento ist wirklich ein süßes „pueblito“, wie die Kolumbianer ihre Dörfchen nennen. Unglaublich aber wahr: ich dachte nicht, dass es jemanden gibt, der beim Reden noch mehr verniedlicht als meine liebe oberschwäbische Mama.
    Aber die Kolumbianer tun es.
    Alles wird verniedlicht. Aus Mama wird Mamacita, aus Peso wird Pesito, aus Jaqueta wird Jaquetita, aus Queso wird Quesito, aus Cerveza wird cervezita.

    Ich liebe diese Sprache immer mehr!

    An einem Strassenstand kaufen wir uns zum Abendessen Arepa de Chocolo (gegrillter Maisfladen mit Käse drauf) und einen tinto (schwarzer kleiner Kaffee) bei zwei lustigen Herren mit Hut, die sich übermäßig darüber freuen, dass wir sie auf spanisch anquatschen.

    Die Kolumbianer haben es jetzt schon geschafft, mit ihrer Warmherzigkeit mein Herz zu erobern. Ich freue mich auf die vielen Begegnungen und Gespräche, die ich mit ihnen noch haben werde.

    Und morgen geht das Abenteuer in diesem zauberhaften Land auch schon weiter: wir fahren nach Medellin.
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  • Medellín 1

    5 de fevereiro de 2019, Colômbia ⋅ ⛅ 17 °C

    Ich habe mich verliebt.
    Und zwar in eine Stadt.
    Medellin.

    Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll zu schwärmen.
    Was beeindruckt mich am allermeisten? Ich glaube es sind die Menschen. Die paisas, wie die Einwohner Medellins und Umgebung genannt werden, haben mein Herz erobert.

    Sie sind so unfassbar freundlich, positiv eingestellt, dankbar, lebensfroh und sind eines ganz besonders: STOLZ. Man sieht es schon an ihrem Gang, an ihrem Blick und wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt, spürt man schnell den tiefen Stolz, den sie in sich tragen. Sie berichten gern darüber, wie sehr sie ihre Stadt und deren Bewohner lieben.

    Zwei Wochen war ich nun hier, eine davon mit Felix und eine alleine. Felix’ Surfsucht hat ihn schonmal vor an die Karibikküste getrieben. Und meine Tanzsucht hat mich hier gehalten. So habe ich in den vergangenen vierzehn Tagen viele paisas kennengelernt und beobachtet. Die warme Art, wie sie miteinander umgehen, wie sie Touristen mit offenen Armen empfangen und an ihrer puren Lebensfreude teilhaben lassen, versprüht in der ganzen Stadt einen unglaublich angenehmen und positiven Flair. Unterstützt wird diese fröhliche Stimmung natürlich auch von der Salsa-/ Bachata- und Reggaetonmusik, die einfach überall präsent ist. Ich habe fast alle Einheimischen, die ich getroffen habe gefragt, ob sie tanzen. Und ungelogen: Alle haben bejaht. Vom dicken Taxifahrer über das kleine Mädchen in der Metro bis zum Rezeptionisten des Hostels. Alle tanzen sie und alle leben sie das Tanzen. Schon in der frühesten Kindheit werden hier die Grundsteine für den perfekten Hüftschwung gelegt.
    Die kolumbianische Tanzlust hat mich komplett in ihren Bann gezogen. Und wie es das Glück will, befand sich gegenüber meines Hostels die Tanzschule Encanto mit den überragenden Tanzlehrern Aldo, Giannis und Marly.
    Die drei Venezuelaner sind Tanzgötter. Anders kann man das nicht sagen. Wie grazil, wie rhythmisch, wie geschmeidig, wie elegant und lässig zugleich kann man sich eigentlich bewegen?
    Vor lauter Liebe zur Musik und zum Tanz schienen sie manchmal zu vergessen, dass sie gerade unterrichten, da sie oft mit geschlossenen Augen, Hand auf dem Herzen voller Gefühl den Text mitsangen und abgefahrene Schritte hinlegten, denen ich voller Bewunderung folgte (oder auch nicht). Tanzen ist Fühlen statt Denken. Genau dieses Gefühl vermitteln einem die drei begnadeten Tänzer mit ihrer unbeschreiblich positiven Energie.

    Ich war in den zwei Wochen Medellin fast jeden Abend irgendwo beim Tanzen, oft mit Aldo, Marly und Giannis. Tagsüber hatte ich je ein bis zwei Stunden Tanzunterricht bei ihnen: Salsa, Bachata und natürlich Ladystyle mit Marly. Also falls ich mich ab jetzt divenhaft elegant bewege, habe ich das der kleinen süßen Marly zu verdanken ;)

    Sie ist wirklich ein Vorzeigebeispiel, was die Herzlichkeit der paisas angeht.

    An dieser Stelle möchte ich unbedingt ein paar Anekdoten erzählen, die mein Herz erwärmt haben und die vielleicht ein kleines bisschen deutlich machen können, wieso ich mich in diese Stadt und ihre Menschen verliebt habe.

    Monsa war unsere Stadtführerin bei der Free Walking City Tour. Täglich leitet sie ca 50-70 Touristen durch ihre Stadt. Dass sie nach 5 Minuten jeden einzelnen Namen unserer 25-köpfigen Truppe kannte, hat mich schon sehr beeindruckt. Aber es kommt noch besser.
    Im Anschluss an die Führung habe ich sie nach Tipps für Salsabars gefragt. Sie gab mir ein paar Namen und meinte, falls sie auch tanzen geht, melde sie sich bei mir.
    Und sie tat es wirklich: obwohl ich nur eine ihrer Hunderten Touristen täglich war, schrieb sie mir eine Mail mit einer Begründung, weshalb sie leider nicht zum Tanzen kann, aber dass ich gerne ihre Freundin kontaktieren kann, der sie auch schon Bescheid gegeben habe. So ging ich abends mit Freunden von Monsa aus. Am nächsten Morgen war auch schon eine neue E-Mail da, in der Monsa sich erkundigen wollte, ob alles geklappt hat und ob ich Spaß hatte. Ist das nicht unfassbar nett?

    Ein anderes Mal standen Felix und ich keine 10 Sekunden am Busterminal, schauten wohl verwirrt aufs Handy und schon fragte jemand, ob wir Hilfe brauchen.

    Eine weitere herzergreifende Begegnung hatte ich mit einem ungefähr 60jährigen Taxifahrer. Er sollte mich zur deutschen Schule fahren, wo ich ein Gespräch mit der Rektorin hatte. Erst gab er wirklich alles, mich trotz des Feierabendverkehrs pünktlich zu meinem Termin zu bringen. Dort angekommen regelte er am Einlasshäuschen alles mit dem Security-Menschen, brachte meinen Ausweis hin und kam mit meinem Besucher-Umhängeschild zurück. Dann begleitete er mich bis zum Gebäude der Rektorin (“si claro señorita”), um dann in seinem Taxi eine geschlagene Stunde auf mich zu warten. Das hat er einfach so aus Nettigkeit getan. Kostenlos. Weil er meinte, dass ich ja sonst ewig laufen müsse, bis ich wieder ein Taxi finde. Als ich aus dem Gespräch kam, erkundigte er sich ganz interessiert, ob ich dann ab jetzt in Medellin arbeiten könne. Als ich ihm erzählte, dass das Gespräch sehr gut lief, meinte er: „Señorita! Herzlich willkommen auf diesem wundervollen Stück Erde. Sei mit offenen Armen begrüßt! Mögen dir hier alle Türen offen stehen!“
    Diese ehrlich gemeinte Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft berührten mich tief. Während der kompletten Fahrt unterhielten wir uns prächtig auf spanisch und ich bin immer noch mächtig stolz, dass ich so ziemlich alles verstanden habe.
    Mein Taxifahrer, wie viele andere Autofahrer auch, gab des Öfteren an roten Ampeln den bettelnden Flüchtlingen aus Venezuela ein paar Münzen aus dem Fenster. Er meinte, dass es Nachbarn seien und dass man ja wohl zusammenhalten muss. Einer jungen Venezuelanerin reichte er ebenfalls Münzen mit den Worten: „Con mucho gusto linda!” (Sehr gerne, du Schöne!)

    Eine letzte Anekdote möchte ich erzählen. Von José, einem Mitarbeiter meines überragenden Hostels Los Patios. Eines Abends nahm er mich einfach mit seinen Freunden auf einen Aussichtspunkt in ein Restaurant. Ganz begeistert bestellten sie alle möglichen typischen Gerichte, freuten sich des Lebens, dass ich alles liebend gerne probierte und am Ende bestand José auch noch darauf, für mich zu bezahlen. (Und das obwohl er genau wusste, dass ich einen Freund habe!!). Er schwärmte die ganze Zeit von seiner Stadt und erzählte, wie stolz er auf ihre Entwicklung sei und wie toll er die Menschen hier finde. Sie seien einfach so unglaublich warm zueinander und empfangen immer alle mit offenen Armen.

    Ich könnte an dieser Stelle noch von vielen weiteren Begegnungen in Medellin berichten, die mein kleines Herz berührt haben.

    Abgesehen davon ist Medellin ein Träumchen, was das Klima angeht. Zurecht wird sie auch Stadt des ewigen Frühlings genannt. Aufgrund der moderaten Temperaturen sind die Menschen hier einfach ganzjährig beschwingt, wie mir oft genug erzählt wurde.

    Medellin liegt in einem schmalen Tal mitten in den Anden (deshalb auch das angenehme Klima), zerklüftete Berggipfel rahmen die Stadt in allen vier Himmelsrichtungen ein.
    Die Stadt boomt. Da sie aber nicht in die Weite wachsen kann, muss sie dies in die Höhe tun und so ragen endlose Hochhäuser und Bürotürme in den Himmel. Scheinbar greifbare Beispiele für den Ehrgeiz, der diese Stadt zum Vorreiter für Kolumbiens Neuanfang gemacht hat.

    Die Stadt hat von der Metro, den Cable Cars und einem guten Arbeitsmarkt bis zu grünen Parks
    und kultureller sowie kulinarischer Vielfalt alles zu bieten. Nicht zu vergessen: das sensationelle Nightlife. Wir haben es selbst getestet! Und es lässt sich wirklich verdammt gut feiern in Medellin ;)

    Was für eine großartige Stadt!
    Ich bin verliebt.
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  • Medellín - City Walking Tour

    6 de fevereiro de 2019, Colômbia ⋅ ⛅ 21 °C

    Wie ich solche Begegnungen liebe!
    Wenn man interessante Menschen trifft, kommt einem eine stundenlange Busfahrt schnell mal viel kürzer vor. Auf der Fahrt von Salento nach Medellín saßen zwei Mädels neben uns. Ich habe sie beobachtet, wie sie kichern und Notizen in ihr gemeinsames Reistagebuch machen. Kurz habe ich richtig Sehnsucht nach meinen Freundinnen bekommen. Reisen mit Felix ist der absolute Traum. Aber er ersetzt halt trotzdem nicht meine Mädels und manchmal vermisse ich einfach weibliche Vertrautheit.
    Als unser Bus nach der Essenspause fast ohne die Mädels losfuhr, kamen wir mit ihnen ins Gespräch und ziemlich schnell wurden die fremden Mädels zu Janina und Anna. Unglaublich liebenswerte und interessante Menschen. Wir plapperten die gesamte Busfahrt durch, feierten die gesamte Nacht in Medellin durch und gemeinsam erleben wir die Stadt nun bei einer „Free Walking City Tour“.

    Monsa ist unser Guide und führt uns 3 Stunden lang durch ihre Stadt, erzählt von Pablo (den sie entweder PE, he oder Voldemort nennt), zeigt uns Gebäude wie den alten Bahnhof, Plätze wie den Parque de las Luces und vermittelt uns vor allem das kolumbianische Lebens-Gefühl. Monsas Ansicht nach haben Kolumbianer ein selektives Gehirn. Sie meint, dass wir ja sicherlich schon bemerkt hätten, dass sie ein glückliches Volk seien. Trotz der schlimmen Vergangenheit. Das liege daran, dass sie sich an den glücklichen kleinen Momenten erfreuen können. Auch wenn diese für Außenstehende gar nicht so besonders toll wirken.

    Als Beispiel hat sie das 1990er WM-Fußballspiel von Deutschland-Kolumbien parat, das 1:1 ausging. Kolumbien war somit raus. Für viele Länder wäre das vermutlich ein trauriger Tag gewesen. Die Kolumbianer haben sich jedoch so extrem über das eine Tor gegen DIE Fußballnation Deutschland gefreut, dass man meinen hätte können, Kolumbien wäre Weltmeister geworden.

    Eine andere Anekdote erzählt von der Tour de France im selben Jahr, bei der ein Kolumbianer mitgefahren ist und eine Etappe gewonnen hat. Daheim angekommen wurde er gefeiert, als hätte er die ganze Tour de France gewonnen.

    Ein paar Monate zuvor wurde der Präsidentschaftskandidat Galán im Auftrag von Pablo Escobar bei einer Wahlkampfrede erschossen.

    Im Nachhinein erinnern sich die Kolumbianer dann aber eher an das erfolgreiche Fußballspiel und die Tour de France als an das dramatische Ereignis, berichtet Monsa.

    Sie meint, sie hätten so vieles, wegen dem sie traurig oder schlecht gelaunt sein könnten, aber sie versuchen immer alles positiv zu sehen. ‚Wenn wir fast am ertrinken sind, schwimmen wir uns hoch und halten uns an einem Ast fest‘, berichtet sie mit stolzen Augen. ‚Wir sind glücklich über diesen Ast. Und nicht traurig über das Fast-ertrinken‘.

    Lächelnd schaut sie in die Runde und meint: ‚Und wenn wir Kolumbianer positiv sehen können, dann können es auch andere Nationen: einfach tief durchatmen und lächeln!‘

    Was für eine gesunde Lebenseinstellung, von der man sich immer wieder ein Scheibchen abschneiden kann ;)
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  • Guatapé 1

    7 de fevereiro de 2019, Colômbia ⋅ 🌧 17 °C

    „Halleluja meine Wadeln! Ich geh keinen Meter mehr zu Fuß.“

    Es ist mal wieder so weit. Felix ist kurz vor dem Aufgeben. Dabei haben wir unser eigentlich Ziel, das Dörfchen Guatapé noch gar nicht erreicht.
    Aber von vorne.

    Etwa eineinhalb Stunden Busfahrt von Medellin entfernt liegt ein kleines Örtchen, das gleichermaßen Touristen wie Einheimische anzieht.
    Der Grund dafür sind die kunterbunt bemalten Häuser, auf deren Fassaden sich die kreativsten Reliefs befinden, welche meist auf die Art des Ladens oder die Arbeitswelt der Bewohner des Hauses hindeuten.
    Bevor wir uns diese Farbenpracht jedoch mit eigenem Auge anschauen, erklimmen wir die 659 Stufen auf den Gipfel des „El Peñón de Guatapé“ , ein riesiger Monolith, der monströs aus der hügelig- tümpeligen Landschaft des Flusses „Naro“ emporragt. Als hätte ein Riese hier einfach mal sein Spielzeug liegen lassen.
    Von oben genießen wir die grandiose Aussicht auf das umliegende Tümpel-Insel-Gelände, wo übrigens Pablo Escobar jene Unterkunft erbauen lassen hat, die er nach seiner Tochter benannt hat: La Manuela.

    Auf halbem Wege hinunter zur Haupstrasse bietet uns ein TukTuk-Fahrer an, uns nach Guatapé zu fahren. „Wir lassen uns doch nicht dahin kutschieren. Das ist viel zu teuer!“ schimpft Felix.

    Keine zwei Minuten später klagt und jammert er über seine schmerzende Knie vom vielen bergab gehen und er bereut, die Dienste des TukTuk Fahrers nicht angenommen zu haben. So positiv und optimistisch Felix auch ist - eins ist er mindestens genau so: ein Jammerlappen.

    Eine Cola und viel gutes Zureden meinerseits später kommen wir dann in dem Dörfchen an. Wir schlendern durch die Straßen Guatapés und bewundern die bemalten Häuser, die verzierten Türen und Fenster, die kunterbunten Blumentöpfe.
    Guatapé ist zweifelsfrei das bunteste Dorf, das wir je gesehen haben. Ein Feuerwerk der gesamten Farbpalette. Quicklebendig. Es geht richtig geschäftig zu. Touristen und Einheimische wuseln gleichermaßen durch die Gassen und gackern in den kleinen Cafés.

    Ein beliebtes Ziel der Touristen ist die Finca „La Manuela“. Alle paar Meter wird uns eine Tour dahin angeboten, es ist fast schon aufdringlich. Ein Flitzpipe springt mir in den Weg und ruft mir übertrieben laut „Pablo Escobár?“ entgegen. Ich antworte lachend: „No. Tini Metzler!“

    Wir entscheiden uns gegen die Pablo-Tour, setzen uns lieber in ein kleines Café und beobachten das bunte Treiben. People Watching. Eines unserer Lieblingshobbies.

    Die Buntheit dieses Dorfes macht fröhlich, die Spritzigkeit ist geradezu ansteckend.

    Warum gibt es eigentlich in Deutschland nicht mehr bunt bemalte Dörfer? Das würde doch die allgemeinen Stimmung erheblich heben und zudem noch Touris anziehen.

    Ich tagträume schon von einem kunterbunten Haisterkirch -angemalte Mülleimer, eingehäkelte Laternenpfosten, angepinselte Kühe , tausende Touristen - da schießt es mich von meinem Sitz im Bus an die Decke.

    Wir sind auf der Heimfahrt nach Medellin und sitzen unglücklicherweise direkt über den hinteren Rädern, was bedeutet, dass es uns bei jedem der zahlreichen Schlaglöcher und Bumper hoch- und mich aus meinen Tagträumen katapultiert.

    Was für ein erfrischend bunter Tagesausflug!
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  • Medellín- Comuna 13

    7 de fevereiro de 2019, Colômbia ⋅ ⛅ 17 °C

    Als Melissa noch zur Schule ging, war es für sie völlig „normal“, dass sie sah, wie Menschen auf offener Straße am helllichten Tage erschossen wurden.
    Während sie uns durch ihr Viertel, die Comuna 13 in Medellín führt, erzählt sie von der schrecklichen Situation dieses „barrios“ während ihrer Kindheit. In den 80er/90er Jahren konnte man hier ohne Todesangst kaum auf die Straße gehen. Anfang der 90er Jahre hatte Medellín die höchste Mordrate der Welt. Die Stadt wurde jahrelang vom Drogenboss Pablo Escobár und seinen Anhängern beherrscht. Aber auch nach seinem Tod 1993 kämpfte immer irgendeine illegale Gruppe um die Vorherrschaft: paramilitärische Gruppen, Guerilla-Milizen, Drogengangs. Die Spirale der Gewalt drehte sich weiter, das öffentliche Leben erstarb quasi komplett, da sich keiner mehr auf die Straße traute.

    Melissa zeigt auf ein Graffiti, das mehrere Elefanten zeigt, die mit weißen Tüchern wedeln.
    Es soll an die sogenannte „Operation Orion“ erinnern: Im Jahre 2002 veranlasste der damalige Präsident Álvaro Uribe Vélez, dass das Militär gewaltsam alle Guerilla Kämpfer aus der Comuna 13 vertrieb. Über 1.000 Polizisten und Soldaten rückten in gepanzerten Fahrzeugen und Hubschraubern an und schossen auf alles, was sich bewegte. Melissa erzählt, dass dabei 400 Menschen getötet und noch viel mehr verletzt wurden. Etliche davon waren unschuldige Zivilisten. Viele gelten noch heute als vermisst.
    „I was very scared!” erinnert sie sich. Von ihrem Haus aus sah sie die Helikopter, hörte die Schüsse und die ganze Familie fürchtete um ihr Leben.
    Eine alte Frau, die immer noch lebt, ist an diesem Tag raus auf die Straße und hat mit einem weißen Bettlaken wedelnd um eine Feuerpause gebeten. Viele Bewohner schlossen sich ihr in Solidarität an und daran soll das Elefanten-Graffiti erinnern.
    Der alte Elefant symbolisiert die traurige Vergangenheit und der junge Elefant symbolisiert die hoffnungsvolle Zukunft.

    Die Comuna 13 ist heutzutage ein Viertel voller Hoffnung und Kreativität. 1996 wurden Cable-Cars in Medellín installiert, welche die Verbindung vieler ökonomisch schwacher Viertel (wie der Comuna 13) in den steilen Hängen mit dem Stadtkern im Tal erleichterten.
    2012 wurde eine Serie Rolltreppen (insgesamt 384m) in die steilen Gassen der Comuna 13 gebaut, was die Lebensqualität der Locals nochmals um einiges verbesserte.

    Ich hänge Melissa förmlich an den Lippen, als sie von der gewaltsamen Vergangenheit ihres Viertels und ihrer Stadt erzählt. Und ich freue mich über den Glanz in ihren Augen, als sie stolz von den Fortschritten der letzten Jahre erzählt. Ein Viertel, das sich (genauso wie die gesamte Stadt) gerade erst von der kriminellen und grausamen Vergangenheit erholt, äußert seine politische Einstellung durch Kunst. Street Art, HipHop, Breakdance, Graffiti.
    Viele der Wandbilder sind erst ein paar Wochen oder Monate alt, was verdeutlicht, wie frisch das Aufblühen dieses barrios noch ist.

    Melissa kennt so ziemlich alle Künstler und kann zu jedem Graffiti eine Geschichte erzählen. Immer wieder muss ich schwer schlucken.

    Die meisten Graffitis verdeutlichen den Spagat, den die Menschen in der Comuna 13 heute vollbringen müssen: Einerseits schauen sie hoffnungsvoll in die Zukunft (grüne Augen, stolze Gesichter, lachende Elefanten, prächtiger Haarschmuck, knallbunt) andererseits erinnern sie sich an die furchtbare Vergangenheit (rote Augen, Tränen, zerbrochene Stoßzähne, schwarz weiß).
    Als Melissa vor einem Panda-Graffiti steht und berichtet, dass dies an die getöteten Kinder der Schreckensherrschaft erinnern soll, wird mir richtig schwer ums Herz.
    Für einen von ihnen, Sergio Cespedes Serna, der im zarten Alter von 7 Jahren während der „Operation Orion“ erschossen wurde, hat man ein Denkmal erbaut: eine Rutsche. Melissa animiert uns, unser inneres Kind herauszulassen und in Gedenken an Sergio zu rutschen.
    Na das lassen wir uns doch nicht zweimal sagen.

    Während des gesamten Spaziergangs durch die Comuna 13 spüren wir deutlich die Energie des Aufschwungs, den Zusammenhalt der Gemeinschaft („We are one big family in this comuna!”), die Hoffnung auf eine gute und friedliche Zukunft und vor allem den tiefen Stolz über die beachtlichen Fortschritte der letzten paar Jahre.

    „If you give a book, you can change minds!“ meint Melissa und berichtet davon, dass nächstes Jahr eine öffentliche Uni in ihrem Viertel gebaut wird, an der 8.000 Menschen studieren können.

    Die Tour mit Melissa durch die Comuna 13 ist sehr ergreifend und ich verstehe immer mehr, woher die positive Grundstimmung in dieser Stadt rührt. Nicht mehr Furcht ist hier das bestimmende Lebensgefühl, sondern Hoffnung.
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  • Pablo Escobár - Kingdom of fear

    12 de fevereiro de 2019, Colômbia ⋅ 🌧 20 °C

    Irgendwo zwischen Verehrung und Hass befindet sich ein breites Spektrum an Gefühlen, die die Menschen in Medellín für Pablo Escobár empfinden.
    Jessica, die Führerin meiner „Don’t say his name - Tour” meint, dass alles was man über ihn sagt, von der Perspektive abhängt. Jeder hier in Medellín habe seine eigene Geschichte mit ihm und aufgrund der eigenen Erfahrung mit diesem Mann gehen die Meinungen über ihn extrem auseinander.
    Jessica betont immer wieder, wie schwer es ist, neutral über ihn zu reden.
    Während der Tour werden wir an verschiedenste Orte und Gebäude gebracht, die allesamt wichtige Eckpunkte in Pablos Biographie darstellen. Unser Fahrer hat damals sogar für ihn gearbeitet. Auf meine Frage, wie er ihn wahrgenommen hat, meint er, dass Pablo ein ordentlicher Arbeitgeber und ein sehr gastfreundlicher Mensch war, der seine Gäste herzlich empfangen habe. Schon an dieser Stelle spüre ich deutlich die gespaltene Meinung über den einst mächtigsten und kriminellsten Mann Kolumbiens.

    Unsere erste Station ist das Monaco-Gebäude. Ein bombensicheres siebenstöckiges Haus in einem reichen Stadtviertel, das Pablo 1968 für seine Familie erbauen lassen hat. Sie bewohnten die oberen beiden Penthousewohnungen. In den unteren Etagen waren die Bediensteten untergebracht.

    1988 haben die Los pepes (People persecuted by Pablo Escobár) eine Autobombe vor dem Haus gezündet. Das Haus blieb stehen, aber Manuela (seine damals 4jährige Tochter) wurde für ein Jahr taub, woraufhin Pablo Rache schwor. Seiner Meinung nach ging von ihm nie Gewalt aus. Er habe sich immer nur gewehrt und seine Familie beschützt.

    Wir stehen vor dem Gebäude, das heute komplett in Plakate eingehüllt ist. Plakate, die an die Schreckensherrschaft erinnern sollen.

    „Respeta nuestro dolor, honra nuestras víctimas. 1983-1994 46.612 vidas menos.”
    (Respektiere unseren Schmerz, honoriere unseren Opfer. 1983 bis 1994: 46.612 Menschenleben ausgelöscht)

    “We must remember that we are dealing with real pain, suffering and lost lives.”

    “It is not fiction. It is reality. We will never forget the constant fear and pain that we went through.”

    “Esta es una lucha ética para recuperar los valores que la mafia nos arrebató.”
    (Dies ist ein ethischer Kampf, um die Werte zurück zu gewinnen, die uns die Mafia entrissen hat)

    Ich habe Glück, das Monaco - Gebäude noch mit eigenen Augen sehen zu dürfen. In einigen Tagen (am 22.2.19) wird das Haus abgerissen und an seiner Stelle ein Park erbaut. Der „First memorial park for the victims of Pablo Escobar“.

    Für unseren zweiten Stopp fahren wir eine gute halbe Stunde aus der Stadt heraus, schlängeln uns enge Kurven durch schnuckelige Dörfer hoch und gelangen irgendwann an einen Grenzposten mitten im Dschungel. Hier habe Pablo eigene Sicherheitsmänner stationiert, überall im Umkreis von 2 Kilometer rings um „La catedral“ - ein berühmt berüchtigtes „Gefängnis“, das er für sich selbst gebaut hat.
    Die Grenzposten waren aber eher dazu da, die Regierung und die staatliche Polizei draußen zu halten, als ihn drinnen, erzählt Jessica.

    Sie führt uns auf dem Gelände herum. Mich beschleicht ein seltsames Gefühl. Vor noch gar nicht so langer Zeit ist Don Pablo höchstpersönlich hier umherspaziert, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den dicken Bauch vor sich her schiebend. Ich stelle mir vor, wie er auf diese Weise in seinem Gefängnis auf und ab läuft, und die
    Aussicht über die ganze Stadt genießt. Er war ein schlaues Kerlchen, denn er hat La catedral so bauen lassen, dass er die Stadt und vor allem den Flughafen im Blick hat. Von der Stadt aus konnte man sein „Gefängnis“ jedoch nicht sehen. 13 Monate hatte er sich und ein paar seiner Kumpels 1991 hier eingeknastet. „Eingeknastet“.
    Während Jessica uns herumführt, wird schnell klar, das dies wohl das komfortabelste Gefängnis aller Zeiten war. Sauna, Fitnessstudio, Jacuzzi, Fußballfeld, Basketballplatz, Restaurant, Casino, Diskothek, Helikopterlandeplatz, Pferdeställe, Entertainmenträume und und und.
    Inoffiziell wurde das Gefängnis „Hotel Escobár“ oder „Club Medellin“ genannt.
    Außerdem gab es Telefone, Fax Geräte und Radios, mit denen er weiterhin seine Geschäfte führen konnte, welche ihm zu Höchstzeiten 60 Million US$ PRO TAG einbrachten.
    Jessica zeigt uns zwei Steintische im Freien mit eingearbeiteten Schach- und Mensch-ärgere-dich-nicht-Felder drauf. Sie weist wieder auf die zwei Gesichter Pablos hin. Einerseits war er ein Gastgeber vom Feinsten und hat auch gerne einfach mal gespielt. Andererseits war er ein kaltblütiger Mörder.
    Ich stehe auf dem Hubschrauberlandeplatz, schaue auf die Pferdeställe, von wo eine Musik in spanischer Sprache kommt, die mich augenblicklich an die Serie Narcos erinnert. Die Vorstellung, dass Pablo genau hier stand, einer ähnlichen Musik lauschte und auf „seine“ Stadt hinabblickte ist so... ich weiß auch nicht. Ergreifend? Abartig? Furchteinflößend?

    Heute gehört das gesamte Gelände der katholischen Kirche und obdachlose alte Menschen können hier leben.

    Wir dürfen eigentlich das gesamte Gelände ablaufen. Lediglich ein Gebäude ist versperrt. Dort wird das ganze edle Mobiliar (wie thronartige, samtbezogene Stühle) und andere Einrichtungsgegenstände (wie goldene Buddha-Statuen) der
    „Catedral“ gesammelt.
    Jessica berichtet davon, wie der Tourismus erst seit dem Friedensabkommen mit der FARC vor vier Jahren so richtig boomt und dass Kolumbien gerade erst lernen muss, wie man am Besten mit der Geschichte Pablos umgeht und wie man sie den Touristen präsentiert.

    Auch den elektrischen Zaun, der auf der sechs Meter hohen Mauer rund um das Gelände angebracht war, hatte Pablo selbst unter Kontrolle. Dass dies ein Gefängnis sein sollte, gleicht einem schlechten Witz. Die Polizei war jedoch damals so froh, dass dieser Mann erstmal nicht mehr auf den Straßen Medellins unterwegs war, dass sie ein Abkommen mit ihm schlossen. Sie würden ihn dort in seinem Luxusgefängnis in Ruhe lassen, solange er aufhört, Menschen umzubringen.

    Unsere dritte Station ist das Fußballfeld „El Dorado“, welches Pablo in dem Stadtviertel bauen lassen hat, in dem er aufgewachsen ist. Die Menschen haben ihn dafür geliebt. Für ihn war dies ein praktischer Zug, weil er dadurch viele Teenager hatte, die ihn verehrten, die körperlich fit waren und die wegen ihres Alters nicht ins Gefängnis gesteckt werden konnten. So hat er nach und nach unzählige Teenager für ihn arbeiten lassen. Er machte den jungen Menschen Versprechen wie: „Wenn du stirbst, baue ich ein Haus für deine Mama.“ Da eigene vier Wände für Viele eine utopische Vorstellung waren, war ein solches Angebot natürlich sehr verlockend.
    Menschen, die ihn trotz seiner Gräueltaten vergötterten, haben in irgendeiner Weise von seiner (schizophrenen) sozialen Ader profitiert. So hat er zum Beispiel im
    Norden Medellins 700 Häuser bauen lassen und sie den Menschen geschenkt. Statt auf einer Müllhalde zu leben, wohnten sie nun in Häusern. Kein Wunder war er in vielen Augen der „Robin Hood Medellins“.

    Als letzten Stopp besuchen wir sein Grab auf dem Friedhof „Montesacre“. 1993 wurde er von der Polizei auf den Dächern Medellins erschossen. So steht es zumindest überall geschrieben. Jessica jedoch erzählt, dass vor einigen Jahren ein Mann ins Polizeirevier Medellins lief, sich als Pablos Sohn ausgab (Pablo hatte ja bekanntermaßen mehrere Gschpusis wie Felix sagen würde) und behauptete, dass Pablo sich (sehr ehrenvoll) selbst umgebracht hatte. Daraufhin wurde sein Skelett wieder ausgebuddelt und bei der Untersuchung kam wohl heraus, dass dies stimmt.

    Welches nun auch sein wahres Ende war - es war das Ende einer furchtbar gewaltsamen Zeit, von der sich die Stadt immer noch erholen muss.

    In der Schule wird nicht über Pablo Escobar gesprochen. Jessica meint, man weiß einfach nicht, wie man seine Geschichte in einer neutralen Weise unterrichten kann.
    Die Kinder wachsen somit auf mit tausend verschiedenen Geschichten von tausend verschiedenen Erfahrungen mit und von Pablo Escobar.

    Wie auch mit dem jungen Tourismus, muss ihr Land erst lernen, mit der grauenvollen Vergangenheit umzugehen.

    Dies merkt man schon allein daran, dass die Tour „Don’t say his name” heißt. Die Meinungen der Öffentlichkeit gehen einfach so extrem auseinander, dass man seinen Namen nicht laut ausspricht.

    Je länger ich in Medellín bin, desto vielschichtiger erscheint es mir. Und mein Respekt den Einwohnern gegenüber wächst jeden Tag aufs Neue. Solch eine positive und vor Lebensfreude strotzende Einstellung, obwohl eigentlich fast jeder auf irgendeine Art und Weise unter dem „Narcos Traffic War“ gelitten hat und zum Teil noch heute leidet.

    Einen halben Tag verbringen wir zusammen mit Jessica, die all ihr Wissen und ihre Geschichten über „El Patròn” mit uns teilt.
    Wir. Das sind außer mir nur zwei andere Menschen. Beide Deutsch und einer davon wohnt sogar in Ravaschpurg. Schön, mal wieder a bissle Schwäbisch zu hören ;)
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  • Guachaca - Kolumbiens Karibikküste 1

    18 de fevereiro de 2019, Colômbia ⋅ 🌙 27 °C

    Ich sitze am Costeño Beach und schaue auf das raue Meer. Da donnern ganz schön krasse Wellen rein. Man könnte nicht meinen, dass dies die Karibik ist. Aber genau so wie das ganze Land, präsentiert sich auch der Ozean sehr vielfältig.
    Ich drehe mich nach rechts und sehe scheinbar unendlich langen palmengesäumten Strand, der nach und nach im salzigen Dunst der tosenden Brandung verschwimmt. Ich drehe mich nach links und blicke auf eine Flussmündung. Meer trifft Süßwasser. Mein Blick folgt dem Lauf des Flusses in den dichten Dschungel hinter mir. Mich würde nicht wundern, wenn da jetzt Balu auf dem Rücken mit Mogli auf seinem dicken Bauch dahertreiben würde. Die Szenerie ist wirklich wie aus dem Dschungelbuch geklaut.
    Mein Blick schweift weiter und ich sehe, wie sich der Dschungel hinter mir immer weiter anhebt. Grüne Berge, die sich immer mehr in Gebirge verwandeln, je weiter das Auge reicht.
    Dschungel, der zu grünen Bergen anwächst. Grüne Berge, die zu einem Gebirge anwachsen.
    Wie so oft schon auf der Reise wird mir erst jetzt, wo ich mittendrin sitze klar, wo ich mich überhaupt befinde. Ich sitze am Rande der Sierra Nevada, dem höchsten Küstengebirge der Welt.

    Wir verbringen hier ein paar geruhsame Tage. Um nicht ständig neue Menschen kennen zu lernen, müssen wir fast schon mit Scheuklappen herumlaufen. Das klingt vielleicht komisch (und fühlt sich auch so an), aber wenn man monatelang schon kein richtiges Zuhause beziehungsweise privaten Rückzugsort hat, braucht man ab und zu einfach mal Zeit zu zweit und Zeit allein. Surfen, Yoga, lesen, in der Hängematte pfläzen, Reiseberichte schreiben, Fotos sortieren, Musik hören, den Schlafmangel des Großstadtlebens nachholen, die weitere Reise planen, baden.

    Am Strand liegen bunt bemalte Holzboote, deren Lack langsam aber sicher abblättert.
    Riesige blaue Schmetterlinge hüpfen elegant in der Luft herum.
    In dieser zauberhaften Szenerie stehen immer wieder kleine Holzhütten mit Dächern aus Palmenwedel, in denen wir frisch gemixten Ananas-Maracuja-Saft kaufen und frischen Fisch mit Kokosnussreis und Patacones (plattgedrückte und gebratene Kochbananen) essen.

    Von trubeligen Großstädten über sandige Steinwüsten und saftig grünen Tälern hin zu einsamen Karibikstränden mit gigantischen Gebirgen im Hintergrund - wie vielfältig dieses Stückchen Erde doch ist.
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