Planlos mit Tom

December 2023 - February 2024
Mit dem Reisefahrrad ohne Plan und ohne Ziel- nur eine Richtung: Ab in die Wärme.
Mit im Gepäck: Neugierde, Abenteuerlust, Optimismus und sicherlich auch eine gewisse Portion Naivität.
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  • Day 40

    Ignoranz hinter Glas und Blech

    January 16 in Senegal ⋅ ☀️ 28 °C

    Das Bier der Zebrabar hat den sandigen Geschmack in meinem Mund weggespült. Es ist landschaftlich schön und es tummeln sich viele deutsche Touristen hier, mit ihren riesigen Motorrädern oder Campern. Teils fahren die mit umgebauten Lastwagen umher, wenn man nicht permanent darin wohnt in meinen Augen unglaublich dekadent. Nun verstehe ich, warum 250 EUR für Autos an der Grenze verlangt werden.
    Im Gespräch mit einigen Leuten merke ich, dass die teils keinen Plan haben und ihre Aussagen gespickt mit Vorurteilen sind. Die schwingen sich mit ihren dicken Bäuchen auf ihre Motorräder oder hinters Steuer von ihren Lastwagen und fahren von Campingplatz zu Campingplatz, und bleiben dort. Dabei haben die null Kontakt mit der Bevölkerung (wie auch, niemand von denen spricht französisch) und (ver-)urteilen von ihrem gefederten Sitz aus, hinter der Glasscheibe. Nicht alle sind so- eine Schweizer Familie, die ich hier getroffen habe, ist toll- wir haben eine gute Zeit.

    Versteht mich nicht falsch- ich liebe diese halben Panzer und würde darin aufblühen, z.b einen Land Rover Defender für die Apokalypse vorzubereiten und vielleicht mache ich das auch mal.
    Aber man muss sich einfach bewusst sein, man ist und bleibt hinter einer Glasscheibe, in einem Käfig, abgesondert und fährt steril wie in einer Seifenblase durch andere Welten.

    Das Fahrrad hingegen bietet keinen Schutz. Die ganze Wucht der fremden Welten prasselt ungebremst auf einen ein. Das muss man wollen.
    Es gibt Tage, da liebe ich es. Und da sind Tage, da wird es zuviel.
    Aber ich erkenne, dass das Fahrrad der ursprünglichen und nackten Form des Reisens sehr Nahe kommt.
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  • Day 42

    Taboud & Kinderlachen

    January 18 in Senegal ⋅ ☁️ 28 °C

    Taboud! Taboud! (Weisser, Weisser?) tönt es aus den Kindermündern. Manchmal auch Taboud, cadeau! Sie wollen also ein Geschenk. Ich kann es Ihnen nicht verübeln. Aber sie strahlen, lachen, sind voller Leben, alles ist bunt angemalt, Musik beschallt die Strassen, und keine arabischen Gebetsreden mehr aus Blechlautsprechern. Die Frauen tragen endlich keinen Schleier mehr.

    Die Korruption ist jedoch offensichtlicher geworden- bei der ersten Strassensperre wollte auch der Polizist ein Geschenk und meinte, ich solle ihm meinen Schlafsack geben. Das sei nur fair. Keine Sorge, ich habe meinen Schlafsack noch.

    Ich durfte in einem Dorf übernachten, das aus etwa 10 Häusern, 5 Familien mit sehr vielen Kindern und noch mehr Ziegen besteht. Gesprochen wurde nur Wolof, ein regionaler Dialekt. Der „chef de village“ hat mich zum Essen eingeladen (traditionell Reis und Fisch mit Gemüse), Tee gebracht und Wasser zum Waschen. Die selbstverständliche Gastfreundschaft rührt mich. Gefühlt hundert Kinderaugen haben jeden Schritt von mir argwöhnisch beobachtet. Nach einem Fussballspiel mit einem komplett zerfledderten Fussball mit all den Kindern ist das Eis rasch gebrochen und der Ort verwandelt sich in einen lachenden Kinderhort.
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  • Day 44

    Sand & Sturheit

    January 20 in Senegal ⋅ 🌙 23 °C

    Ich bin bereits seit gestern in Dakar.

    Gerne würde ich sagen, dass es eine schöne letzte Etappe gewesen war, aber das war es nicht.

    Nach gut 10 h im Sattel, rund 140 km (davon viel Sandpiste und Fahrrad stossen) hungrig, durstig, kein Geld mehr und Kreditkartenlimit erreicht, verkratzten Beinen und einer klebrigen Schicht Schweiss, Sonnenmilch, Sand und Abgasstaub im Dunkeln in Dakar angekommen.

    Aber jetzt bin ich da. 2000 km radeln später. Am westlichsten Punkt Afrikas.

    Ich habe heute auf eine kleine Insel Ngor übergesetzt, war bereits auf dem Surfbrett und bleibe hier bis zu meinem Rückflug am 26.01.

    Ob Daisy hier bleibt und ich meine Reise nach meinen Terminen ab Dakar in Richtung Gambia, Guinea, Sierra Leone ect fortsetze, weiss ich noch nicht.
    Wenn, dann nur mit klaren Regeln, die ich mir selber setzen muss.

    Ich entscheide morgen. Oder übermorgen. Oder Überübermorgen.

    Und gebe Bescheid.
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  • Day 48

    Seeigel & Entscheidung

    January 24 in Senegal ⋅ ☀️ 26 °C

    Ich habe mit Westafrika noch nicht abgeschlossen.

    Daisy bleibt hier während den Tests in Norddeutschland und ich kehre zurück. Schluss ist jedoch in 1.5 bis maximal 2 Monaten (Mitte bis Ende März), und ich konzentriere mich auf die Länder Gambia, Guinea-Bissau, Guinea und Sierra Leone.

    Ich will mir Zeit nehmen, nicht mehr so viele km radeln am Tag (max 70 km) und mich auf die Menschen vor Ort einlassen.

    In der Annahme, dass für mich ab Juli die Vorbereitungen für die Antarktis beginnen, bin ich vorher noch gut 3 Monate in der Schweiz. Was genau ich mache, weiss ich noch nicht, Ideen sind da. Ich freue mich bereits jetzt auf einen geregelten Tagesablauf & Freunde und Familie, muss aber vorher noch ein wenig tiefer ins „richtige“ Afrika vordringen, es lässt mich nicht los.

    Momentan geniesse ich einige Tage in einem Surfcamp auf Ngor.
    Ich bin aber mehr Stacheln von Seeigeln (neues Hasstier) mit Nadeln aus Fuss und Hand am entfernen als Wellen zu erwischen. Ich bin wohl der schlechteste Surfer hier, die Gebiete sind anspruchsvoll. Ein Wipeout am falschen Ort ist ungünstig- die Wellen brechen oft über Steine & der Meeresboden ist mit Seeigeln übersät. Ein bisschen zu viel Nervenkitzel für mich.
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  • Day 50

    Bis später

    January 26 in Senegal ⋅ ☀️ 26 °C

    Der Rückflug ist gebucht- am 08.Februar gehts weiter.

    Bis dahin wartet Daisy hier auf mich.

    Tüdelüüü

  • Day 64

    Rückkehr

    February 9 in Senegal ⋅ ☀️ 33 °C

    Klinisch saubere, schneeweisse Hotelbettlaken gegen sandigen Schlafsack, kalte Brise der Nordsee gegen brütende Hitze- knapp 12 h Reise mit Flugzeug, Bus und Boot war ich wieder mit Daisy vereint.

    Daisy hat gelitten. Die salzige Luft und Sand haben ihr zugesetzt- ich musste Daisy zuerst waschen, ölen, pflegen. Jetzt passt das Schaltwerk wieder plus/minus.

    Dann gings zügig los Richtung Süden- raus aus dieser Stadt. Es sind sowieso Wahlen und Tumulte zu erwarten, das muss ich nicht miterleben.
    Der Verkehr ist chaotisch und die Strassen völlig sinnfrei angeordnet- jeder fährt irgendwie.
    Fahrzeuge auf der falschen Spur sind keine Seltenheit und ich glaube, heute war ich ein paar Mal mit dem Fahrrad auf der Autobahn. Aber solange links von mir eine Kutsche fährt, alles halb so wild.

    Momentan bin ich in einer Lagune, nördlich von M‘bour. Das deutsche Paar ist hier aus der Westsahara- ich werde wohl 2-3 Tage mit Ihnen unterwegs sein :-)
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  • Day 65

    Glühende Strasse & Testosteron

    February 10 in Senegal ⋅ ☀️ 35 °C

    Mit dem deutschen Paar und ihrem Land Rover Cruiser gings mit ein paar Zwischenstopps nach Toubacouta- das ist schon ziemlich nahe an Gambia.

    Es ist knapp 40 Grad im Schatten - die Strasse glüht. Einen Tag bin ich so Rad gefahren, und schön war das nicht. Sobald ich wieder mit dem Rad unterwegs bin, werde ich mir etwas überlegen müssen.

    Riesige Bäume (Baobab) werden jetzt häufiger, dagegen wirkt der Land Cruiser wie ein Spielzeug.

    In der Nacht ein Schauspiel: Lutte Afriquaine- eine Art Wrestling; ähnlich dem Schwingen. Viel Tradition, viel Herzblut, viele Emotionen.
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  • Day 67

    Entschleunigt

    February 12 in Senegal ⋅ ☀️ 36 °C

    Wir befinden uns noch immer in diesem kleinen, für meinen Geschmack zu touristischen Dorf, nahe Gambia.
    Morgen gehts endlich weiter. Ich geniesse die Vorzüge des Kühlschranks aus dem Landcruiser des deutschen Paars (bei dieser Hitze löst sich alles auf), werde aber bald wieder alleine unterwegs sein.
    Reisen mit Fahrzeug ist komplett anders und weniger nahe an den Menschen. Wenn ich schon am reisen bin, dann bitte die volle Dröhnung.

    Nachmittags ist das Dorf ausgestorben- die Hitze ist nicht lange aushaltbar. Erst ab 5 Uhr abends blüht das Leben auf. Fussball, Boccia, Brettspiele, Lärm, Musik, Gebetsklänge in Dauerschleife bis in die frühen Morgenstunden.
    Die Welt ist hier einfach eine andere- das westliche Arbeitsmodell existiert hier nicht.

    Ein hässlicher Teil von Senegal ist der Sextourismus. Insbesondere ältere Frauen sollen sich hier um junge Senegalen scharren, mir fallen jedoch immer nur die alten Männer auf und lösen einen Würgereiz aus.
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  • Day 69

    Das war nicht so intelligent

    February 14 in Senegal ⋅ ☀️ 29 °C

    Natürlich wusste ich, dass man besser keine Fotos macht von Polizisten, Militärs oder Grenzbeamten in Westafrika.
    Trotzdem (so doof und risikoliebend ich halt bin) wollte ich die skurrile Szene einfangen- Alfred, der Deutsche, der sich mit einem Grenzbeamten in einer Hütte in desolatem Zustand eine hitzige Diskussion um den Preis vom Visum für Gambia liefert. Der Grenzbeamte, der die Preise googeln muss. Umgerechnet solls neu 100 Eur kosten. Korruption oder offiziell? Beides möglich. Ein Visa ist teilweise richtig teuer (Ghana z.b 175 $, melkt die Touris), und die Bestimmungen wechseln rasch.

    Ich lehne mich also zurück und schiesse versteckt ein Foto- dummerweise wird dies von einem anderen Beamten registriert.
    Die angeheizte Stimmung kippt augenblicklich. „You commited felony, you go to jail 3 days now and then back to Senegal“ sagte der Beamte wutentbrannt, bevor er mein Handy und Pass konfiszierte und uns stehen liess.

    Zweimal leer schlucken, Stossgebet zum Himmel, jetzt gehts los.

    Irgendwann werde ich vom Polizeichef befragt, ob ich ein Terrorist sei und Kontakt zu Rebellen habe (den Namen der Gruppierung habe ich vergessen). Auch er meinte, ich würde nun ins Hauptquartier abgeführt, Verdacht auf Spionage. Ein Glück steht das deutsche Paar für mich ein - wir würden gemeinsam reisen und müssen gemeinsam weiter. Sie hätten mich auch dort stehen lassen können, die Anschuldigungen galten nur mir.

    Rund zwei Stunden später lassen uns die Polizisten überraschend ziehen- mit Visum.
    Das Foto wird gelöscht.

    Aus einem nicht ersichtlichen Grund wurde ich wieder einmal laufen gelassen. Nicht das erste Mal löst sich eine wirklich unangenehme Situation überraschend einfach so auf - als ob jemand seine schützende Hand auf mich legen würde und meinen doofen Arsch regelmässig aus Situationen rettet, in die ich mich selber manövriert habe.
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  • Day 70

    Herzhaftes Lachen & Afrika Englisch

    February 15 in Gambia ⋅ ☁️ 40 °C

    Der Start war holprig- die ersten Tage in Gambia dafür umso wertvoller. Die Menschen sind äusserst aufgeschlossen, sehr freundlich und aufrichtig interessiert (und ich frage jetzt brav, bevor ich Fotos mache).

    Da die Temperaturen über 40 Grad steigen bin ich gezwungen, von 12 bis 5 Uhr Nachmittags im Schatten zu liegen. Sonst habe ich das Gefühl, mein Kopf platzt vor Hitze. Viele Kilometer mache ich nicht mehr, und das ist ok so.

    Beim Halt in einem Dorf mache ich genau da Rast, wo die Dorfpolizisten später die Verkehrskontrolle machen.
    Ich werde eingeladen zu vergorener Milch mit Couscous und Zucker, später zu traditionellem Reis mit Fisch. Im Laufe des Nachmittags erlebe ich so manche skurrile Szene; und bei vielen Begrüssungen entdecke ich in den Handflächen versteckt eine Geldnote, die in den Hosensack der Polizisten wandert.

    Die Polizisten haben so Freude mich kennengelernt zu haben, der eine bietet mir seine Schwester zur Heirat an, wenn er dafür in die Schweiz kommen darf. Er meinte ich müsse ja nicht immer hier sein, sondern pendeln.

    Gambia ist klein. 1888 sind britische Kriegsschiffe den Fluss landeinwärts gefahren und haben alles Land, das mit ihren Kanonenkugeln beschossen werden kann, zu britischem Kolonialgebiet erklärt. Später entstand Gambia daraus.
    Darum lande ich am Ende des Tages wieder am gleichen Platz wie die Deutschen, morgen trennen sich unsere Wege wieder.
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