Mit dem Frachter nach Island

September - October 2024
Mit der MV Jonni Ritscher von Rotterdam über Teesport/ Nordengland nach Island und zurück. Read more
  • 16footprints
  • 3countries
  • 14days
  • 128photos
  • 14videos
  • 6.3kkilometers
  • 0.5sea miles
  • Day 1

    Goudriaan

    September 24 in the Netherlands ⋅ ☁️ 16 °C

    Hatte ich nach den Erzählungen eines Kollegen schon lange mal vor: Mit einem Frachtschiff übers Meer schippern. Heute aber geht's erstmal per Auto durch Stau und Regen nach Goudriaan, einem kleinen Dorf mit akzeptablen Übernachtungspreisen, kurz vor Rotterdam. Um 19 Uhr bin ich da, gehe noch was essen.Read more

  • Day 2

    Driving4u

    September 25 in the Netherlands ⋅ ☁️ 14 °C

    Auf die Jonni Ritscher kommt man nicht selbst, sondern nur mit einem speziellen taxi service. Empfohlen wird driving4u. Hört sich gut an, bin auch um halb elf an der angegebenen Adresse - und hab erstmal Schiss, dass ich komplett falsch bin. Das ist eine schöne kleine Vorort-Reihenhaussiedlung, aber doch kein Büro!?!
    Die netten Leute, die ich frage belehren mich eines besseren: ich bin schon richtig und das ist das Büro. Nur leider keiner da. Aber ich habe ja meinen Puffer nicht gebraucht also warten.
    Read more

  • Day 2

    An Bord angekommen

    September 25 in the Netherlands ⋅ ☁️ 18 °C

    Es kam dann doch ein Fahrer und auf dem Parkplatz wartete schon Rinus, einer meiner Mitfahrer. Im Auto saß dann Ellen und zu dritt wurden wir erst zum immigration office gebracht und dann zur Hafenanmeldung und schließlich zum Schiff. Pässe abgeben, registrieren und dann geht's viele steile Treppen hoch vom Poop Deck (für Landratten: das Erdgeschoss des Schiffs) zum E-Deck, auf dem unsere (auf Frachtschiffen sagt man wohl) Kammern sind. Das Gepäck wird gebracht, Ellen ist besonders froh darüber. Das wird gutes Training weil.... das Essen auf dem Poop Deck serviert wird und Kammerservice is nicht, also (@ Frank): jede Menge Treppen. Jetzt ist gleich Sicherheitsunterweisung und dann um 17 Uhr Abendessen. Das Ablegen ist für irgendwann heute später Nachmittag angekündigt.
    Safety familiarisation macht Basilio, ein netter Philipino, geht auch schnell. Aber klar - um 17 Uhr ist ja auch schon Abendessen😬. Das Ablegen ist übrigens Stand jetzt für ungefähr twenty hundred vorgesehen. Der Steward kommt mit einer Rolle Panzerband und sagt: Order vom Capt'n heißt, alles festzurren wegen bumpy sea. Gute Nacht!?
    Wirklich los geht's dann um twentyone hundred. Nach einem Cuba libre (von wegen kein Alkohol an Bord🤣) bei Rinus schauen wir dem Ablegen zu. Schon beeindruckend mit welcher Millimeterarbeit dieser 180 m Koloss seitwärts (!) vom Kai wegbewegt wird. Und dann sind wir unterwegs, erst an Rotterdams skyline vorbei und dann nach ca. 1 1/2 Stunden raus auf die Nordsee.
    Read more

  • Day 3

    In der Nordsee

    September 26, North Sea ⋅ 🌧 11 °C

    Super Start: gleich mal beinahe das Frühstück verpasst weil ich nicht checke, dass das Handy auch ohne Telefonempfang automatisch die Zeitzone anpasst. Und wir bleiben hier während der ganzen Reise auf deutscher Zeit. Naja, bin nicht der einzige 😂 und die Crew scheint darauf vorbereitet. Das Wetter ist jetzt nicht soo besonders: neblig und regnerisch. Also lesen.
    Nach dem pünktlich (!) eingenommenen Mittagessen entdecke ich mit Ellen den Innenaufgang zur Brücke. Von dort oben sieht man den Nebel sehr gut. Wir sind schon sehr nahe an Teesport aber fahren momentan gegen den Wind wieder von der Küste weg. Es hat Windstärke 7-8 und die Wellen sollen so um die 4 m hoch sein. Ich finde, das Schiff liegt recht ruhig.
    Aber das Wetter ist zu schlecht um in Teesport anzulegen und so warten wir was passiert. Eventuell fahren wir auch gleich weiter nach Island, einiges unserer Ladung wird in Reykjavik am Montag benötigt. Mal sehen.
    Nach dem Dinner gehe ich nochmal auf die Brücke und der Capt'n sagt: wir warten auf besseres Wetter in Teesport, dauert vielleicht bis Samstag früh, was ja vermutlich auch heißt, dass wir 2 Tage länger unterwegs sind...
    So gegen twenty hundred wird es bisschen unruhiger und dann wieder ruhiger: Wir haben gedreht und driften jetzt wieder langsam in die Gegenrichtung auf Teesport zu, mit ca. 3 kn. Angeblich wird übermorgen das Wetter besser, gute Nacht.
    Read more

  • Day 4

    Widerspenstiges Teesport

    September 27, North Sea ⋅ 🌬 11 °C

    Heute morgen (rechtzeitig 🤣) aufgewacht und es war blau. Von oben bis unten. Also oben wars auch noch ein bisschen grau-weiss, aber kein Vergleich zu gestern. Nach dem Frühstück bißchen auf der Brücke, bißchen draußen - mir gefällt's. Beim Mittagessen sind wir mal wieder alle 4 Passagiere zusammen:
    Ellen aus der Nähe von Xanten mit dem großen Koffer, Jane aus England aber mit ihrem holländischen Mann in Holland lebend und Rinus aus Amsterdam, seit letzten Herbst in Rente.
    Rinus fuhr früher zur See und hat genau diesen Trip vor wenigen Wochen schon mal gemacht, er ist sozusagen der "senior expert" unter uns Passagieren.
    Der Kapitän und der Chefingenieur, die mit uns in der Messe sitzen, erzählen, dass sie keine Freigabe für direkten Kurs nach Island haben, sondern warten müssen bis das Wetter das Einlaufen in den Hafen Teesport erlaubt. Womöglich heute Abend oder auch morgen früh. Bis dahin mäandern wir weiter vor England's Küste.
    Ich bin gern und zunehmend häufiger auf der Brücke, heute gibt's den ersten Sonnenuntergang auf See.
    Read more

  • Day 5

    Endlich in Teesport

    September 28 in England ⋅ 🌙 9 °C

    " I don't know, maybe this afternoon or maybe this evening, they have to decide". So heißt das heute morgen und "they", das ist der Charterer, also die Firma, die das Schiff (mit Mannschaft) chartert um damit Warenhandel zu betreiben. Also gut. Da wir uns beim Frühstück gut über Gott und die Welt - also eigentlich nur über die Welt - unterhalten, vergeht die Zeit wieder sehr schnell während die Jonni Ritscher entweder hoch und runter fährt oder driftet. Dennoch: Wen auch immer man fragt, eine so lange Wartezeit hat hier in den vier Jahren, die das Schiff diese Route fährt noch keiner erlebt. Aber das Wetter ist schön, in der Sonne warm und die Aussicht gut.
    Als ich um 3 Uhr auf einen Kaffee in die Messe gehe, treffe ich den Chefingenieur und ob der Nachfrage nach Neuigkeiten kommt er ins Erzählen. Naja, um 5 gibt's ja Abendessen. Danach auf die Brücke und so gegen 7 Uhr heißt es, um 9 - also twentyone hundred - kommt der Lotse an Bord. Tut er dann auch und dirigiert die Jonni mit unnachahmlichen Anweisungen ("poort twenntei, pliehs - ssänk juh sör") an ihren Liegeplatz, wo wir um 22.15 Uhr festmachen. So, die Crew fängt an die Ladung zu verarbeiten, morgen um six hundred soll es schon wieder raus gehen, Richtung Island. Mal sehen, wie die mit diesen 2 Tagen Verspätung umgehen.
    Read more

  • Day 6

    Durch den Pentland Firth

    September 29, North Atlantic Ocean ⋅ ☁️ 12 °C

    Die Nacht war dann tatsächlich etwas lauter, weil auch vor meiner Kammer be- und entladen wurde. Aber der Essensplan kennt da nix und um 7 Uhr deutet sich auch die Dämmerung schon an.
    Wir sind seit 6 Uhr unterwegs und laufen mit 90 RPM und so ca. 20 kn nahe der Maximallast unserer knapp 17.000 KW starken Maschine nach Norden. Ich schlendere ein bißchen auf dem Schiff herum und unterhalte mich mit einem Crewman und Mackey, dem 3. Offizier. Bis auf den Capt'n, den 1. Offizier, den 2. Ingenieur (Russen) und den 1. Ingenieur (Deutscher) sind alles Philipinos (@Jürgen: Erinnerst du dich an die Crew in der Seilbahn in Batumi?). 6 Monate auf See und dann ein paar Monate (wieviel hängt vom Erzähler ab) ist nicht jedermanns Sache, aber sie verdienen wenigstens gut und seit Skype-Zeiten sehen sie die Trennungszeit nicht mehr so eng.
    Um 15 Uhr sind wir etwas nördlich von Aberdeen und für ca. 19.30 Uhr ist die Fahrt durch den Pentland Firth geplant. Das ist die Meerenge zwischen Schottland und den Orkneys, und gilt laut Wikipedia " wegen seiner extremen Strömungs- und Windverhältnisse als eines der schwierigsten Seegebiete im Grenzbereich zwischen Nordsee und Nordatlantik".
    So, pünktlich durch den Pentland Firth geschippert ohne anzubockeln und jetzt gibt's für 2 Tage nur noch Atlantik - der Capt'n sagt: "nau, juh chähv interrnät, näggst 2 deis noh interrnät". Ich denke: Gute Nacht.
    Read more

  • Day 7

    Into the great blue open

    September 30, North Atlantic Ocean ⋅ ☀️ 11 °C

    Rein in das große blaue Nichts. Wenn man nur ein bißchen nach Südwesten schielt, dann kommt nach Wasser erstmal Wasser. Und dann Wasser. Und erst wenn man anfangen würde sich zu wundern, dann winkt die Freiheitsstatue am Horizont. Irgendwie... cool.
    Da wir ja an Bord bei mitteleuropäischer Zeit bleiben, ist Sonnenaufgang erst nach dem Frühstück. Passt. Ich verbringe die meiste Zeit des Vormittags achtern auf dem Poopdeck. Von der Brücke ist zwar die Aussicht besser, aber hier fühlt man sich näher am Meer. Grade als mir dann doch kühl wird und ich hochgehen will sehe ich einen Blas an Steuerbord, aber leider ziehen die Wale in die entgegengesetzte Richtung.
    Dann, oben auf der Brücke, bekommen Mackey (3rd Officer) und der Capt'n mit, dass ich nach Walen ausschaue und schauen mit - deutlich besser als ich. Immer wieder Blas. Einmal schwimmt einer recht nah an uns vorbei, aber ich bin zu langsam. Egal, ist auch so toll. Nach dem Lunch bin ich bald wieder oben, aber die Wale haben irgendwie Pause. Kurz vor halb vier piept's ziemlich laut: Alarm - Test, wir wurden vorgewarnt. Also Helm auf, Warnweste an und runter aufs A-Deck zur Musterstation. Dort werden wir mit Schwimmwesten versorgt, prüfen ob die Lampe funktioniert und der Sicherheitsoffizier fragt die Crewmitglieder ab, was ihre Aufgaben sind. Dann dürfen wir wieder ins Warme - es ist doch deutlich frischer geworden.
    Am frühen Nachmittag sieht es nach Regen aus, aber es bleibt trocken. Leider wird es gegen Abend dafür ziemlich diesig/neblig und wir sehen keinen Blas mehr.
    Und dann regnet es und dann wirds auf einmal wieder klarer und zack, tauchen 3 Wale fast direkt vor den Bug auf! Stark. Leider wissen sie nicht so recht, wohin ausweichen, so dass sie abtauchen. Wir sehen noch zwei oder drei mal einen Blas, aber eher weiter weg und es wird langsam dunkel. Ich bin bis fast 10 Uhr auf der Brücke weil die Stimmung so schön ist.
    Read more

  • Day 8

    In Reykjavik

    October 1 in Iceland ⋅ ☁️ 9 °C

    Morgens laufen wir um kurz vor 9 Schiffszeit (heisst: kurz vor 7 Ortszeit) in den Containerhafen von Reykjavik ein (zuvor sind wir an der Südküste Island's vorbeigefahren, war halt dunkel🤷‍♂️). Das Löschen der Ladung beginnt sofort.
    Um 10.30 Uhr lassen Ellen, Jane und ich uns zum Hafengate fahren ( selbst laufen ist zu gefährlich), von dort mit dem Taxi in die Stadt. Wir verabreden uns auf 15 Uhr (Schiffszeit) in einem vegetarischen Lokal und dann geht jeder für sich los (Jane ist Vegetarierin und freut sich sehr auf gutes vegetarisches Essen, an Bord gibt's immer Fleisch. Immer).
    Obwohl Regen vorhergesagt war, ist es meist trocken und windstill und gar nicht soo kalt. Ich schlendere durch die Straßen, vorbei an der Hallgrimskirkja, die aussieht wie ein space shuttle, durch die regenbogenbunte Skólavörðustígur, Harpa (Konzerthaus), Alþingishúsið (Parlament), Dómkirkjan (Dom von Reykjavik). Das Penismuseum lasse ich aus. Eine Werbung für Vagina city tours (" enough penis, let women show you Reykjavík") überzeugt mich auch nicht. Dafür gibt's nach dem leckeren vegetarischen Curry zum Cappuccino ein Dessert namens Orgasm. Schmeckt gut.... der Käsekuchen mit Heidelbeertopping, aber mehr als einer geht nicht. So gegen 6 Schiffszeit sind wir zurück und ich bewundere noch ein bisschen die Präzision, mit der die riesigen Kräne die Container vom Schiff heben. Laut Plan sollte es um 9 Uhr schon wieder weiter gehen, aber um halb zehn wird immer noch geladen. Auch gut.
    Read more