Mit den Zugvögeln südwärts

September 2022 - May 2023
Erstmals starten wir unsere Reiseschlaufe ohne Rückkehrdatum und in der Absicht, den Winter über auf Achse zu sein. Südwärts gewiss: Südwest-Frankreich, Nordspanien, Portugal, Marokko? Es wird sich ergeben. Read more
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  • Day 9

    Gouffre de Lantouy - zauberhaft

    September 9, 2022 in France ⋅ ⛅ 18 °C

    Die kleine Radtour führt uns in ein einsames Waldtal hinter Salvanac-Cajarc. Im frühen Mittelalter stand dort die Abbaye de Lantouy. Der Standort erstaunt nicht, denn ganz in der Nähe ist heute noch die kristallklare Karstquelle Gouffre de Lantouy mitten im Wald zu entdecken. Ein wirklich zauberhafter stiller Fleck; da gelingt Entschleunigung und Besinnung wie von selbst.Read more

  • Day 9

    Per Rad um Cajarc

    September 9, 2022 in France ⋅ ⛅ 25 °C

    Angenehme Rundtour auf kaum befahrenen Nebenstraßen. Vom Vortag her weiß ich nun, dass man Getränk und Verpflegung stets mitführen sollte: die meisten Dörfer in der Umgebung haben keine Infrastruktur mehr und kämpfen um ihre Existenz. Die Mairie (Gemeindehaus) ist oft noch das bestrenovierte Gebäude, denn solange es noch eine Mairie hat, ist der Ort amtlich existent. In Larnagot sei es ein Engländerin, die neu wieder eine Epicerie eröffnet habe und deren Sohn betreibe eine kleine Bar. Good luck!

    Im ebenso kleinen Nachbarort Calvignac stosse ich auf eine fantastische Aussichtslage, ein liebevoll gestaltete Ausstellung historischer Fotos und auf eine weitere Überraschung: hier betreibt eine 40-köpfige (!) Crew von Freiwilligen während der Saison die einzige Bar, eingemietet im Gemeindehaus. Das Bistro Bellevue ist täglich von 10-20 Uhr geöffnet und bietet einfache Mittagsverpflegung und ein gelegentliches Kulturangebot (Konzert, Ausstellung). Chapeau!
    PS: Die (dynamischen aber mehrheitlich ergrauten) Mitglieder der Betreibergruppe suchen dringend Verstärkung aus den jüngeren Generationen.
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  • Day 10

    Markttag in Figeac

    September 10, 2022 in France ⋅ ⛅ 22 °C

    Ein lebhaft-buntes Land-Städtchen mit grosser Geschichte. Seit jeher eine wichtige Station auf dem Pilgerweg nach Santiago. Malerische Gassen und Hausfassaden und lebhafte Marktplätze.

    Der Geburtsort von Jean-François Champollion, dem das erstmalige Entziffern der altägyptischen Hieroglyphen gelang, hat ihm ein eigenes Museum errichtet. Auf dem lauschigen Platz gleich dahinter hat der amerikanische Künstler Joseph Kossuth eine 14x7 Meter grosse schwarze Bodenplatte verlegen lassen, eine Hommage an den "Stein von Rosette" mit der Hieroglyphen-Inschrift.

    Figeac war auch Sitz der bedeutenden Schreinerei Ratier, die sich in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts auf die Herstellung von hölzernen (und später metallenen) Flugzeugpropellern spezialisiert hatte. Was wiederum eine besondere Lage schuf für die Résistance während des zweiten Weltkriegs. Die Stadt wurde am 12.Mai 1944 durch eine SS-Division "gesäubert" und rund 800 Menschen wurden deportiert. Eine ausführliche und eindrückliche Schülerarbeit im Schaufenster des Musée de la Résistance gibt Aufschluss darüber. So geht bewusstseinsbildende Geschichts-Vermittlung!
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  • Day 10

    Figeac - überraschend vielseitig

    September 10, 2022 in France ⋅ 🌙 16 °C

    In den samstäglich lebhaften Gassen stosse ich auf einen Männerchor, der mit polyphonen okzitanischen Gesängen auf sich aufmerksam macht und neue Mitglieder wirbt. Originell, da würde ich mich glatt melden, wenn ich (hier) sesshaft wäre. Die Klänge erinnern auch an die korsischen und sardischen Hirtengesänge.

    In Innenhof-Café "l'arrosoir" (Gießkanne) herrscht lebhaftes Treiben zur spontanen Gitarrenmusik eines Chansonniers. Das Gemeinschafts- und Kulturkaffee sieht sich der Solidarwirtschaft verpflichtet (bio-regional-nachhaltig) und bietet auch kostenfreie Kulturveranstaltungen, finanziert über die - obligatorische - Mitgliedschaft.

    Gleich mehrere kunsthandwerkliche Gemeinschafts-Ateliers sind in ehemaligen Ladenlokalen verteilt; da wird gemalt, getöpfert, gebastelt, ganz selbstverständlich generationenverbindend.
    Die mit einem gemeinsamen Verkaufsladen verbundenen "FigeActeurs" verstehen sich als territoriale Agitatoren hinsichtlich ihrer Leitwerte "Gemeinschaftlichkeit, Wohlwollen, Kreativität, Offenheit und Innovation".

    Ein solidarisches Restaurant bietet Verpflegung für Alle und die FreeGo(Frigo)-Initiative lädt ein, die Überschüsse aus dem eigenen Kühlschrank im Quartierkühlschrank zu teilen. Das Gemeinschaftsgarten-Projekt schafft da die logische Ergänzung. Und selbst die Stadtgärtnerei wirkt mit: ein riesiger Treppenaufgang ist statt mit 0815-Blumenschmuck mit unzähligen und üppig wachsenden Kräutern bestückt. Genug für alle.

    Und schließlich stosse ich im Schaufenster einer Galerie auf eine wunderbare Zeichnung, die diese Vielfalt in der Stadt Figeac auf subtile Weise nochmals künstlerisch zusammenfasst. Herzerfrischend.
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  • Day 11

    Ein eindrückliches Stück Jakobsweg

    September 11, 2022 in France ⋅ ☀️ 22 °C

    Die stillen, kargen und weiten Hochebenen der Causses du Quercy sind für sich schon sehr beeindruckend. Hirten-Land. Mit der gegenwärtigen Trockenheit und der entsprechenden Herbstfärbung ist die Endlichkeit noch augenfälliger. Quelle trocken.

    Das Architekten-Kollektiv Encore Heureux (immer noch glücklich) aus Paris hat im Stile der traditionellen Hirten-Unterstände (okzitanisch: cayrou) auf diesem aufgesetzten Bergrücken eine Schutzhütte für die hier vorbeikommenden Jakobspilger errichten lassen. Zusammen mit der alten freistehenden Eiche ein Ort mit ganz besonderer Ausstrahlung.

    Das Werk sieht sich in der Tradition der art-refuge (www.artrefuge.fr) und damit der sanften Land-Art-Kunst von Andy Goldsworthy. Damit ergibt sich gleich ein neues Reiseziel für später mal: der art-refuge-Kunstwanderweg bei Digne in der Haute-Provence.
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  • Day 11

    Peche Merle - drunter und drüber

    September 11, 2022 in France ⋅ 🌙 22 °C

    Nach einer kurzen Fahrt über die Hochebene und hinunter ins Tal des Célé erreichen wir ein weiteres stilles Dorf mit Geschichte und einem kreativen Aufbruch-Geist: Marcilhac sur Célé mit seiner ehemaligen Abteikirche, deren einstige Grösse die Ruinen erahnen lassen.

    Weiter durch das beschauliche Tal mit imposanten Felswänden geht's zur prähistorischen Höhle Peche Merle. Dieses Höhlensystem mit den 29'000 Jahre alten Felsmalereien ist mit Führer zugänglich. Auch das Museum (und das Bistro, der Milkshake!) sind absolut lohnenswert. (Online-Reservation empfohlen)

    Da wir eh die Nacht hier auf dem oberen Parkplatz in der Sternen-Einsamkeit verbringen wollten, bot sich gleich noch ein weiteres Highlight an: der erdgeschichtliche 4km-Wanderweg "le chemin du temps, path of time" bei traumhafter Abendstimmung.
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  • Day 13

    Das irrwitzige Museum

    September 13, 2022 in France ⋅ ☁️ 29 °C

    Von St.Cirque Lapopie wechseln wir auf den einfachen und sympathischen Camping Municipal in Vers, direkt am Lot. Ein beschaulicher und unbedingt empfehlenswerter, sympathischer Ort.

    Auf dem Weg dorthin ein Abstecher zum "Museum de l'insolite", zum Museum des Aussergewöhnlichen, das von Bertrand Chenu, einem ebenso außergewöhnlichen "schrägen Vogel" geschaffen wurde. Unser Empfinden schwankt zwischen Witz und Faszination, zwischen Achtung und Bedauern. Philosoph, Künstler, Messie? Faszinierend sein ausgeprägter Sinn für das Absurde in unserer Welt. Karl Valentin auf französisch?

    Unglaublich, wenn man bedenkt, dass er diese Menge und Vielfalt an - teils altertümlichen - Gegenständen und Materialien eigenhändig zusammengetragen hat. Seine Immaginationskraft, in diesen Fragmenten deren Potenzial zu sehen, ist schlicht umwerfend.

    Gleichzeitig wird man den Eindruck nicht los, dass seine Phase der kreativen Schaffenskraft allmählich unter dem Staub der Jahre zu versinken droht. Die schiere Fülle der Ideen und Impulse wirkt auf mich anfänglich zwar inspirierend, nach einer guten halben Stunde dann aber zunehmend überfordernd. Vermutlich müsste man diese Impulse homöopatisch - in vielen kleinen Dosen - einnehmen.

    Dennoch: das Unperfekte und Absurde erscheint in unserer ach so perfekten Welt auch irgendwie heilsam.
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  • Day 14

    Alors ... Cahors

    September 14, 2022 in France ⋅ ⛅ 25 °C

    Die alte Stadt im Mäander des Lot, die wichtige Stadt auf dem Pilgerweg, die Stadt des besonders gehaltvollen Cahors-Weins: Unser Tagesausflug war informativ, der Markt war bunt und der Salatteller im "Au Comptoir d'Olt" war hervorragend. Ansonsten: Cahors hat man bald mal gesehen. Die kleinen ländlichen Dörfer mit Herz liegen uns einfach näher.Read more

  • Day 15

    Traumhaftes Paddeln auf dem Lot

    September 15, 2022 in France ⋅ ⛅ 20 °C

    Gestern noch unsicher wegen der steilen Ufer am Lot, der zahlreichen Schleusen und überhaupt..... . Dank Tipp der Campingwartin machte ich mich gestern Abend noch auf zum Haus des englischen Kunstmalers Jeffrey Stride hier in Vers. Nebst seiner Atelier-Galerie und seinem umfangreichen Werk interessierte vor allem auch der Umstand, dass er selbst leidenschaftlicher Paddler ist und die Gegend hier seit 50 Jahren bestens kennt.

    Ermutigt durch seine Tipps machte ich mich heute mit Packboat auf dem Rücken auf den Weg. Für 2 Euro bringt mich der Bus Lot-aufwärts nach St.Cirque Lapopie. Bootsaufbau. Besichtigung des ersten Steinwurf-Wehres mit Umtragestelle. Einpaddeln flussaufwärts bis unter das nächste Wehr. Dann geht's los: erfolgte der Bootsaufbau noch im Morgennebel, so gab's zum Start wunderbar sonniges Wetter, später kurze Regenschauer und auch mal etwas Wind. Alles was dazu gehört. Die fünf Schleusen hatte ich schließlich alle umtragen; trotz steiler Ufer und allzu hoher Hausboot-Stege war's mit etwas Kletterkunst zu schaffen. Mein neues - wesentlich leichteres - Faltboot Puffin Packboat Saranac hat dabei seine Vorteile rundum ausgespielt. Ideale Tour mit idealem Boot.
    Renata mochte bei der ersten Erkundung noch nicht mittun. Stattdessen liess sie sich vom Kunstkatalog von Jeffrey Stride inspirieren: lauter Wasserbilder, die am Lot entstanden sind und unzählige Stimmungen und Spiegelungen zeigen. Ideal zum Eintauchen.
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  • Day 17

    Rocamadour - sich ständig neu erfinden

    September 17, 2022 in France ⋅ 🌙 16 °C

    Rocamadour sei im Mittelalter einer der vier wichtigsten Wallfahrtsorte der (damaligen) Welt gewesen, neben Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela. Etwas nüchtern betrachtet, könnte man dies als Erfolg im damaligen Geschäftsmodell werten. Denn gewiss, die Pilgerei war - religiöse Motivation hin oder her - ein respektabler Geschäftszweig. Von den Hospizen über die Gaststätten, Handwerksbetriebe, kirchlichen Institutionen und Wegelagerer bis zu den Bienenzüchtern haben sie davon gelebt. Ja, letztere seien oft neben den Hospizen gewesen, weil deren Honig zur Pflege - insbesondere der wunden Füsse - verwendet worden sei. Die Pilgerei war zweifellos der Tourismus der damaligen Zeit.

    Mit dem hundertjährigen Krieg, der Reformation und schließlich der französischen Revolution wurde der Ort mehrfach verwüstet bzw. wurden die meisten religiösen Einrichtungen im Ort geschleift. Die Leute waren dankbar um das Baumaterial, das gleich für die nächsten Häuser verwendet werden konnte.

    Im 19.Jh hätte ein schwer kranker (und reicher) Pariser Priester, der hier eine wundertätige Heilung erfahren habe, den Anstoss gegeben und die Finanzmittel eingebracht, um Rocamadour als Wallfahrtsziel wieder zu beleben.

    Im Rahmen der "journées du patrimoine" hatten wir Gelegenheit, eine ausgezeichnete Führung durch das "Schloss" von Rocamadour, seinen Garten und die geheime Treppe zwischen Schloss und Sanctuaire zu erhalten. Was nach Aussen einigermaßen renoviert erscheint, ist im Inneren in marodem und desolatem Zustand. Deshalb hat die Diözese nun ein Renovationsprojekt gestartet; mit jungen Freiwilligen, mit Begegnungs- und Informationsveranstaltungen sollen Mittel und Nachnutzungs-Ideen zusammengetragen werden. Eine gute und glaubwürdige Initiative; und für uns - nach unserem halbjährigen Einsatz in Schloss Blumenfeld - ein kleines déjà-vu.
    Das abendliche Konzert des jungen Vokalensembles der Sinfonietta Garonna (Toulouse) im Schlossgarten war ein passender Hörgenuss zum Abschluss dieses überraschenden Tages.

    Fazit: Rocamadour ist, bei aller Distanz zum katholischen Geschäftsmodell, auf jeden Fall eine Reise wert, nur schon der spektakulären Lage und seiner Geschichte wegen. Und der Campingplatz von l'Hospitalet, oberhalb der Falaise ist unbedingt zu empfehlen.
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