Ich gehe.

février - octobre 2024
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    19 septembre 2024, Finlande ⋅ 🌬 8 °C

    Wenn drinnen vier Leute schlafen und ein Hund, es draußen rumort und pfeift, dann bin ich pünktlich um sechs wach. Es ist ein wunderschöner Sonnenaufgang, der mich draußen erwartet. Der Wind hat zwar zum Morgen hin nachgelassen, aber die angemeldeten 90 km/h am Nachmittag lassen mich doch zügig und vor allem leise aufstehen, um die anderen Beischläfer nicht unnötig zu stören. Entsprechend flott bin ich auch schon um halb acht bereit abzumarschieren. Mein Plan ist für heute, bis in gut 10 km zur nächsten Hütte zu gehen, um dann da einen halben Ruhetag mit Wäsche und dergleichen zu machen, während es draußen stürmt. Wenn ich nur ein Bild sehen würde von der Landschaft und dem Wetter, würde ich es nicht vermuten, dass hier gerade heftiger Wind weht und alle sich versuchen, davor abzuducken. Die Finnen kehren heute um, statt weiterzuziehen, da ihnen und speziell für den Hund dieses Wetter doch zu garstig ist. Ich brauche keinen Kilometer, bis ich merke, dass ich viel zu dick angezogen bin und den Hoodie direkt wieder wegmachen kann. Trotz des starken Windes ist es nicht wirklich kalt und läuft sich über diese hell erleuchtete Landschaft so wunderbar. Die Sonne scheint mir von Osten her aufs Gesicht und die Farben sind alle wieder da. Der Weg läuft sich deutlich angenehmer als der gestrige und im Rucksack fehlen schließlich auch ein paar hundert Gramm, das macht es halt aus. Ich genehmige mir gefühlt nach jedem Kilometer eine Pause und betrachte still rundherum die Landschaft, einerseits gegen die Sonne, wo ich nicht so sehr viel sehe außer dunstige Hügelketten, andererseits die direkt von ihr beschienenen Berge, die in einem merkwürdig türkisen Grünton schimmern. Ich vermute, es ist von den Flechten, die großflächig auf den Steinen wachsen. Mein kategorischer Apfel um halb acht darf nicht fehlen, schließlich schleppe ich diesen schweren Kram nicht umsonst durch die Gegend. Wie ich um neun so vor mich hinziehe und ein Lied vor mich hinjapse, überholt mich rechter Hand ein wenig gegen das Licht der Sonne eine Herde Rentiere. Ich bleibe stehen, sie tun dasselbe, beäugen mich, nehmen meine Witterung auf und einige von ihnen kommen immer näher. Eine günstige Gelegenheit, ein paar Fotos zu machen und irgendwann spreche ich sie an und erkläre Ihnen, dass ich doch nun auch weiter muss. Sie kreuzen vor mir in Ruhe den Weg und als ich nicht allzu lange weiter gelaufen bin, sehe ich, dass sie jetzt linker Hand neben mir herlaufen, natürlich in 30-40 Metern Entfernung. Irgendwann haben sie aber scheinbar doch verstanden, dass ich nicht ihr Sami-Hirte bin, kreuzen deshalb zügig noch einmal meinen Weg und verschwinden hinter dem nächsten Hügel. Nachdem ich etwas mehr als die Hälfte des Weges hinter mir habe, nimmt der Wind wieder stärker zu. Es sind Böen dabei, die mich den einen oder anderen Ausfallschritt machen lassen und so fühle ich mich bestätigt, den Weg heute nur bis zur nächsten Hütte zu machen. In einiger Entfernung etwas talwärts sehe ich nordöstlich den Jogasjärvi und Porojärvi. Es ist also nicht mehr so wahnsinnig weit und ich beginne langsam auch talwärts zu laufen. Da begegnen mir die einzigen Wanderer des Tages, es sind fünf Finnen, die gerade von der Hütte Meekonjärvi autiotupa kommen, wo ich hin will. Sie warnen mich vor, der Wind im Tal ist extrem stark und das ist tatsächlich dann auch meine Wahrnehmung. Je tiefer ich komme, desto mehr muss ich mich abstützen mit den Wanderstöcken und kräftig dagegen halten, ganz ähnlich dem letzten Sturm. Und auf dem See Meekonjärvi sehe ich auch schon wieder, wie der Wind das Wasser hoch saugt und weit durch die Gegend bläst. Der feine Unterschied zum letzten Sturm: Es regnet nicht dabei. Und so komme ich Punkt elf an der Hütte an, sie ist nicht groß, wirkt wie eine Almhütte, urgemütlich. Ich mache mich direkt daran, mich im Fluss und meine Sachen zu waschen, schüre ein Feuer an, damit alles trocknen kann und ganz nach Hausfrauenart steht Kochen, Backen und Flicken auf dem Plan. Es gab im Supermarkt Jeansflicken zum Aufbügeln. Ich heize mir auf dem Gaskocher einen der Töpfe bis auf Bügeleisentemperatur und spiele damit dieses heiße Spiel. Und was soll ich sagen? Besser könnt‘ ich’s a‘ net machen. Wie lange diese Uffditscher halten, wird sich in der Praxis in den nächsten Tagen zeigen, aber für fünf Euro war es mir das wert. Und wenn ich ehrlich sein soll, etwas fancy sind die Dinger schon. Ich denke noch mal über die Modemesse in Mailand nach. Am Nachmittag versuche ich mich an Pfannkuchen, es gab fertiges Pulver, das ich mit Wasser anrühren kann. Grundsätzlich funktioniert das auch, aber in der Pfanne ist das Wenden geradezu unmöglich und so ist es am Ende ein Pfannkuchen nach Hilde‘s Art. Am Abend sind dann auch die Schuhe mal wieder frisch gebohnert, das haben sie mir verdient. Apropos Schuhe: Über fünfzig schwedische Meilen haben sie mich jetzt schon gebracht und es gibt keine Erscheinungen wie bei den Vorgängern. Das ist ein guter Grund zum Freuen.
    Der große Regen für den Nachmittag ist komplett ausgeblieben, also wettermäßig schon ein schöner Tag, schließlich habe ich sturmfrei im wahrsten Sinne und das auch noch bis in die Nacht hinein. Obwohl es nur diese paar Sachen sind, die ich mache und bewerkstellige, im Handumdrehen ist der Tag rum. Es ist 19 Uhr deutscher Zeit und ich bin soweit, dass ich mich hinlegen kann. Bevor ich das tue, präsentiert sich aber noch der Mond in wunderbarer Riesenoptik als Betthupferl über den Seen. Und wie ich jetzt so liege, wird es draußen jetzt erst richtig gallig, die Hütte rüttelt sich und scheppert, dass es nur so kracht. Gute Nacht! Aber nein, es geht auch anders. Ab halb neun ist relativ schlagartig alles still und der Sturm hat sich gelegt. Schon komisch, wie schnell das doch nach stundenlangem Getöse auf einmal vorbei sein kann.
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  • Am Morgen entlang des Meekonjärvi.
    Der Wald ist inzwischen ziemlich kahl.Die weißen Wellenkämme sprechen für sich.Boote und Ausrüstung zu einer nahen Sami-Siedlung.Der erste Schneeschauer...Herrliches Hochland.Ein zarter Schneeschauer am Nachmittag.

    20. September

    20 septembre 2024, Finlande ⋅ ☁️ 2 °C

    Durch das selbe Fenster, durch das der Mond mir am Abend die Augen zugemacht hat, weckt mich heute am Morgen die Sonne. Es ist kurz vor sieben und sieht fantastisch hell aus. Der Wind kam in der Nacht noch einige Male lautstark zurück, jetzt ist es zwar noch windig, aber überschaubar. Alle wichtigen Vorbereitungen habe ich gestern Abend schon getroffen und so ist das Frühstück und Zusammenpacken schon um halb neun erledigt. Ich ziehe los in meinen letzten Tag in Finnland. Auch wenn der Wind nicht mehr akut ist, so ist doch die Luft heute deutlich kälter. Ein nacktes Bad im Fluss wie gestern würde ich jetzt um keinen Preis nehmen wollen. Erst mal quere ich den Fluss Bierfejohka unweit der Hütte, spare mir damit einen Umweg von anderthalb Kilometern über die Brücke. Ab jetzt zieht es sich erst mal um den Meekonjärvi direkt am Fuße des Megonbákti entlang durch großes Geröll. Freundlicherweise hat man hier dicke Holzplanken über einige Stellen geführt, so dass diese Blockfelder gut zu passieren sind. Entlang des Sees fällt mir auf, dass sämtliche Birken schon komplett ohne Blätter sind, da wird der Sturm seinen Anteil haben, aber insgesamt schreiten wir ja auch massiv in Richtung Winter fort. Nachdem ich den See hinter mir gelassen habe, geht es für gute 3 km entlang seines Zuflusses Vuomakasjoki, also konstant leicht bergauf. Ich mag das sehr, wenn der Weg an Flüssen entlang führt, weil das Bild sich ständig ändert, gerade jetzt bei dem tollen Sonnenschein und auch die Geräuschkulisse für mich sehr angenehm ist. Da sind Wasserfälle und Stromschnellen und ein Stück weit geht es an einer ziemlich steilen Felswand oberhalb des Flusses entlang. So steil, dass hier sogar mit einer Art Handlauf gesichert ist. Die kalte Luft bringt mich doch dazu, zumindest Mütze und Handschuhe herzunehmen, wenn schon keine Jacke. Die Finnen in der letzten Hütte hatten laut ihrer Vorhersage für heute das Wetter als „worse“ bezeichnet, ich freue mich innerlich über diese neue Definition. Nichtsdestotrotz ist mein Gedanke, dass jeglicher Niederschlag heute bei der Kälte als Schnee käme. Gegen zehn erreiche ich den See Vuopmegašjávri, direkt an seinem Auslauf überquere ich den Fluss per Hängebrücke und treffe dort auf einen Finnen mit Schäferhund. Es wird jetzt tatsächlich, wie ich es erwartet hatte, immer dünner mit Wanderern hierum, die meisten Finnen gehen nach oder kommen von Halti, einer Hütte nicht mehr so wahnsinnig weit von hier. Von der Brücke aus sehe ich schon die Hütten und wundere mich gleichzeitig, dass ich denn schon so früh dort ankomme, schließlich sind es gute 13 km. Ein Wegweiser-Schild etwas dichter dran weist mir den Weg und nordet mich noch mal neu ein, ich habe noch 5 km zu machen. Da es sich bei dem Wetter aber wunderbar läuft und auch mein Rucksack heute wieder ein gutes Stück leichter ist, fliege ich geradezu über die durchaus steinigen Wege. Nach dem See biegt es rechts weg Richtung Norden und zieht sich wieder an einem kleineren Fluss aufwärts, bis ich den Pitsusjärvi erreiche. Auch hier wähne ich mich bei den Hütten, die ich sehe, schon wieder an meinem Zwischenziel, wieder werde ich am nächsten Schild darauf hingewiesen, dass da immer noch 2 km zwischen sind. Okay, so denn, es geht jetzt direkt am See entlang, der Wind ist hier besonders streng, da ihn natürlich über die Riesenwasserfläche nichts und niemand bremst. Gegen halb eins habe ich das Objekt der Begierde dann erreicht, in den Bergen voraus kann ich nicht gut einordnen, ob ich dort Regen oder Nebel sehe. Aber jetzt ist erst mal Pause und dann sehen wir weiter. Noch während ich zur Pause sitze und das Treiben da draußen so betrachte, erkenne ich, dass es Schnee ist, der vom Westen durch die Berge hergezogen kommt. Da ist er nun also, der erste Schnee, der bei gleichzeitig blauem Himmel und heftigem Wind hier durchweht. Da hab ich mir für meine Mahlzeit und ein kurzes Schläfchen hinterher wohl genau die richtige Zeit ausgewählt, denn als ich wieder aufbreche, ist alles wieder so wie vorher. Ab jetzt zieht es sich kontinuierlich hoch auf den Berg auf über 950 m.ü.M. Es sind Hochwiesen mit inzwischen komplett trockenem Gras, das in der Sonne wunderschön aussieht und sich biegt, wenn der Wind darüber fährt. Irgendwie stelle ich mir so auch Patagonien vor, wo der Wind hoch in den Bergen eben genauso durch das Gras fährt. Die Farben leuchten je nach Sonnenstand mehr oder weniger intensiv und ich folge meinem langen Schatten. Wenn ich mich umdrehe, sehe ich in weiter Entfernung in den Bergen, wie schneeverhangen alles ist, während ich voraus zwei Hochseen habe, zwischen denen der Weg hindurch führt. Hier oben ist der Wind sogar wieder angenehm ruhig und es könnte für einen Wandertag nicht schöner sein. Gegen vier habe ich den höchsten Punkt der heutigen Wanderung erreicht, das Gelände ist steinig, aber trotzdem für diese Umstände ganz gut zu laufen. Ab jetzt zieht es sich in einem weiten Tal abwärts, in dem der Kopmajoki fließt. Mal geht es recht dicht an dem ziemlich trockenen Flusslauf entlang, dann zieht es sich wieder seitlich an steilen Wänden hoch raus der teils schluchtartigen Landschaft raus. Als ich um halb fünf zu einer der letzten Pausen sitze, nehme ich hinter mir wahr, dass es sich ziemlich zugezogen hat. Während ich dann weiterlaufe, irgendwann schon in 3 km Entfernung die Hütten sehe, zieht ein leichter Schneeschauer heran. Es fühlt sich für mich wie der zärtlichste Wintereinbruch aller Zeiten an, so als wollte er sagen: „Fabian, erschreck dich nicht, du sollst nur wissen, dass ich jetzt da bin.“ Schließlich kommt aus der selben Richtung auch gleichzeitig die Sonne und wirft einen langen Schatten vor mir auf den Weg, während gleichzeitig feinste Schneeflocken von hinten angeweht kommen. Für eine halbe Stunde ist dann nochmal Ruhe und ich habe wieder die Nachmittagssonne pur, während auf den letzten 20 Minuten noch einmal ein Schauer einsetzt und mich etwas größere Schritte machen lässt. Ich habe keine Lust, jetzt so kurz vor dem Ziel noch den Poncho überzuziehen. Das klappt auch und so bin ich um kurz nach halb sechs an der Hütte Kopmajoki autiotupa. Wenige Minuten vor mir ist scheinbar aus anderer Richtung ein Wanderer angekommen, er schlägt aber in einiger Entfernung sein Zelt auf, während ich mich direkt in der Hütte einniste, ein Feuer anmache und erst mal einen Kaffee koche. Danach gibt es noch was zum Essen, etwas Lektüre aus dem Gästebuch und es dauert nicht allzu lange, da steht der Mond, heute schon wieder abnehmend, am Himmel. In der kleinen urgemütlichen Hütte beginnt es Stück für Stück dämmerig zu werden, so dass ich mir eine Kerze anzünde und nur noch das Tagebuch schreibe. Bin sehr gespannt, wie es morgen früh draußen aussieht.En savoir plus

  • 21. September

    21 septembre 2024, Norvège ⋅ ☁️ 2 °C

    Der Winter ist da! Es hat in der Nacht leicht geschneit und am Morgen ist alles mit einer leichten Decke gepudert. Da ich heute eine spezielle Mission vorhabe, habe ich mir den Wecker auf um sechs gestellt, aber trotzdem noch eine gute halbe Stunde länger geschlafen. Ich arbeite zügig in merkwürdig dämmerigem Licht mein Morgenprogramm durch, ins Porridge gibt es heute Schokoladenmousse und Honig, das gibt Kraft für den Weg. Als ich mit dem Frühstück durch bin und auf meine Uhr sehe, starre ich eine Zeit lang, da es gerade halb sieben ist. Es dauert ein paar Sekunden: Verdamm’ ich, das Handy hat ja die finnische Zeit. Also bin ich schon um halb sechs aufgestanden. Na gut, es soll nicht mein Schaden sein so kann ich schon um kurz nach halb acht losmarschieren. Ich will heute eine Abkürzung nehmen, der eigentliche Weg zieht sich Richtung Norden, macht dann einen Riesenbogen und wird für einige Tage nach Südosten verlaufen im wunderschönen Reisadalen. Ich habe einen alten Pfad, oder vielleicht ist es auch keiner, in meiner Karte, mit dem ich direkt eine Querverbindung mache und mir damit anderthalb Tage einsparen kann. Dazu laufe ich noch die nächsten 4 km entlang des Somasjärvi bis zur nächsten Hütte, passiere gegen halb neun zum letzten Mal eine Grenze auf meinem Weg, nämlich die nach Norwegen. In der Somashytta halte ich mich eine Zeit lang auf und plane, wie ich wohl den Zufluss Rahpesjohka am besten überqueren kann. Er ist in einer Art Delta mit einigen Verzweigungen und das Wasser steht deutlich tiefer, als dass ich einfach darüber hüpfen könnte. Da es draußenrum sehr kalt und stark windig ist, hoffe ich einen Weg zu finden, ohne dass ich furten muss. Wahrscheinlich genau deshalb komme ich irgendwie nicht los. Aber es muss ja gemacht werden und der Gedanke, mehr als einen Tag einzusparen reizt mich einfach genauso wie mal wieder abseits der Pfade auf eigene Faust zu laufen. Und so schultere ich noch vor halb zehn meinen Tornister, gehe direkt von der Hütte runter Richtung Wasser und selbst wenn ich jetzt eine Stunde lang am Bach auf und ab suche, wäre es das wert. Schon die 200 m bis dahin lassen ein paar Stellen erahnen, der Fluss ist hier in drei Arme aufgeteilt, jeweils mit kleinen länglichen Inseln. Ich stapfe durch kleinere gefrorene Wasserstellen am Rand, habe inzwischen einen Plan und denke: „Könnte klappen, Herr KaLeun.“ Und tatsächlich dauert es vielleicht 5 Minuten, bis ich durch flache Stellen erst ein Stück flussabwärts, dann entlang der Insel und über ein paar Steine das andere Ufer erreicht habe. Ich lache schallend laut in die Landschaft und sage: „Wenn das jetzt die ganze Prüfung für heute war...“, bin mir aber auch sicher, es werden noch unangekündigte Leistungskontrollen folgen. Ich habe mir heute den Kompass rausgenommen, da ich zwischendurch immer mal wieder die Richtung bestimmen muss und so ziehe ich los in Richtung Nordost über leicht hügeliges Hochland und das einzige, was diesen Weg von einem richtigen Wanderweg unterscheidet, ist das Strauchwerk am Boden, durch das ich die ganze Zeit mit den Füßen laufen muss sowie die kleinen Erhebungen ständig im Untergrund, über die es immer wieder hoch und runter geht. Und natürlich immer wieder Wasser- und Sumpfflächen, wo ich frei Schnauze rechts oder links drumherum muss. Nach einer guten halben Stunde komme ich in den Reisa Nasjonalpark. Der Wind pfeift mir jetzt von hinten hauptsächlich vor den großen Rucksack, deshalb habe ich schon vorhin die Jacke ausgezogen und trage nur noch meinen Schurwoll-Hoody, was vollkommen okay ist. Der atmet einfach viel besser und ich schwitze nicht alles nass. Rundherum beobachte ich immer wieder das Wetter, die Sonne ist noch hinter Wolkenschleiern verdeckt, während ich im Norden schon eine ganze Menge Blau am Himmel sehe. In einiger Entfernung in den höheren Bergen sehe ich aber auch Schneeschauer durchziehen, für mich ist das sowas von ideales Wanderwetter. Gegen halb elf auf einer weiten Hochebene nehme ich Rentiere war, und da ich mich eh gerade zur Pause setzen will und weit ins Land beobachten kann, sehe ich immer mehr von ihnen, die hier oben völlig ungestört ohne jegliche Menschen grasen können. Ein kleiner See in meinem Weg soll kein Problem sein, ich werde ihn an seiner linken Seite umlaufen und stehe aber kurz darauf vor seinem Zufluss, nicht sonderlich breit, aber deutlich zu tief, da könnte ich selbst ohne Rucksack nicht durch. Kurz überlegt, um den See am anderen Ende drumrumlaufen ist mir zu weit, so gehe ich an diesem Zufluss ein Stück entlang und kurz darauf komme ich an eine flache Stelle mit Steinen, die ich wie so viele andere Bäche einfach überschreiten kann. Das Navigieren klappt heute erstaunlich gut, die Landschaft hat zwar keine riesengroßen Fixpunkte zu bieten, da sie leicht nur wellig und hügelig ist, aber der eine oder andere Felsblock reicht mir als Anhaltspunkt und ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich Peilung nehme, wie exakt ich doch in der Richtung bin. Trotz der Tatsache, dass es Winter geworden ist, ist das Wetter einfach wunderbar, es ist hell, der Himmel großflächig blau mit einer ganzen Armada an Wolkenkonstellationen. Gegen halb eins komme ich an ein Tal, in dem es eine Reihe von Hügeln, Seen und Sumpfstellen gibt und da es sich einigermaßen zugezogen hat, ich also auch den ersten Schneeschauer heute bekommen werde, habe ich mich unten im Tal windgeschützt an einem teils ausgetrockneten See zur großen Mittagspause niedergelassen. Der Rucksack ist schnell mit dem Poncho abgedeckt, ich zieh die Regenjacke über, das reicht aus, da es zumindest momentan nur feiner Griesel ist. Nach der Pause habe ich das Bild, dass ich mir im Kopf vorhin als Überblick über das Tal gemacht hatte, mehr oder weniger vergessen. Es fängt jetzt stärker an zu schneien und diese kleinen Hügel lassen ohnehin das Bild ständig neu erscheinen nach jeder Überquerung. Ich komme an zwei Seen, zwischen denen ich hindurch muss, allerdings sieht es sumpfig aus anhand des Sumpfgrases, dass ich sehen kann. Ein erster Versuch und schnell ein paar Schritte zurück, da es doch zu tief für die Schuhe wird. Ein paar Meter weiter der nächste Versuch, das selbe Ergebnis. Ich gebe mir noch einen Versuch dichter an einem der Seen, obwohl ich gerade dort natürlich noch tieferes Wasser erwarte. Beim Durchschreiten trete ich jeweils mit dem Fuß seitlich das Gras um, da es meine Aufstandsfläche vergrößert und mich nicht so tief einsinken lässt. Und siehe da, es klappt und ich habe dieses Stück geschafft, stehe jetzt vor einer Fläche Weidenstrauchwerk, das mir teils bis zu den Schultern reicht. Das ist wüst kreuz und quer wachsendes, ziemlich hartes Gestrüpp, durch das es sich äußerst schlecht laufen lässt. Und gerade die Regensachen wie der Poncho bleiben sehr häufig hängen und sind natürlich für diese mechanische Belastung nicht unbedingt gemacht. Aber da muss ich durch. Durch den nassen Schneeschauer der letzten 20 Minuten sind diese Büsche auch alle sehr nass jetzt, da ich keine Regenhose anhabe, ist meine Hose samt Unterhose in gut 5 Minuten komplett durch und ich merke, wie mir das Wasser innen an der Unterhose bis runter in die Schuhe läuft. Aber jetzt noch die Regenhose herzuholen fällt aus, ich habe ja nur noch ein paar Stunden zu laufen. Nach gut 30 m durch dieses hässliche Strauchwerk stehe ich unerwartet vor einem dieser tiefen, aber nur circa 1,50 m breiten Wasserdurchläufe, die sich so schön geschwungen hier durch die Landschaft von See zu See winden. Überspringen wäre im besten Falle ohne Rucksack möglich, aber selbst Anlauf nehmen ist hier völlig unmöglich. Dieses glasklare kalte Wasser geht mir mindestens bis zum Bauchnabel und so gehe ich durch dieses schlecht zu laufende Umfeld etliche Meter nach rechts, bis sich dieser Kanal Richtung See windet und keinen Zentimeter in seiner Breite nachlässt. Ein gutes Stück in die andere Richtung offenbart mir exakt das selbe. So frisch durchnässt ist es doch eine große Freude, jetzt hier zu stehen und zu wissen, dass ich wohl den Weg durch das Sumpfland wohl zurück muss, um dann sehr großflächig um diese Seen herumlaufen muss. Ein kleiner Hügel, der von hier aus aber erreichbar ist, ist meine letzte Hoffnung, vielleicht doch erst mal einen Überblick und doch einen Ausweg zu finden. Auch wenn es das nicht hergibt, es ist mehr eine Art Verzweiflungstat, gehe ich noch einmal in eine andere Richtung los, um es einfach versucht zu haben. Auf dem Weg dorthin spreche ich wie so oft wieder laut mit mir selbst und sage: „Jetzt muss mindestens ein kleines Wunder geschehen, sonst wird das hier nichts.“ Und nachdem ich wieder an einer zu breiten und tiefen Stelle stehe, sehe ich in gut 50-60 Metern Entfernung Steine im Wasser. Da ist es, das Wunder! Ich kann dort ganz normal an einer flachen steinigen Stelle herüberschreiten und meinen Weg bergauf aus dem Tal heraus fortsetzen. Ab jetzt läuft es wieder wie geschnitten Butterbrot. Der angedeutete Pfad in meiner Karte wäre um diesen Hügel eher herumgelaufen, ich steige oben drüber und setze mich zur Pause, während ich von hier schon einen ersten Schimmer vom heutigen Ziel habe, dem Reisadalen. Es ist wieder richtig hell außen rum, ich sehe auf der anderen Seite dieses tiefen Tals, wie Schneeschauer über die Berge ziehen, es ist wunderbar zu beobachten.
    Und ab jetzt geht der Weg für mich auch konsequent abwärts, laut Karte wird es am Ende ein tiefer Taleinschnitt sein, in den ich hinabsteigen und bis runter in das Haupttal laufen muss. Je näher ich komme, desto mehr wird der Grund felsig und es sind eine Art Felsterrassen, auf denen ich laufe und immer wieder an abgebrochenen Stellen so etwas wie Treppen nutzen kann, um tiefer zu kommen. Zwischendurch eine ganze Menge Birken und ich merke mehr und mehr, dass es immer wieder völlig unklar und nicht zu erkennen ist, wann es jetzt wirklich tiefer und steiler abwärts geht. Da ist ein kleiner Bachlauf, an dem ich versuche abwärts zu steigen, aber es läuft sich so schlecht, dass ich mir doch wieder eigene Wege suche. Und es wird mir mit der Zeit immer klarer, dass das kein tiefes Tal ist, in das ich hinunter muss, sondern eine Schlucht, von der ich noch keine Ahnung habe. Da die ganze Landschaft aber zum Reisadalen hin, so wie ich es auch schon auf der gegenüberliegenden Seite erkennen kann, als Steilwände abfällt, muss ich durch diesen Gang darunter kommen. Es fällt jetzt hier auf anderthalb Kilometern von 500 m.ü.M. auf etwas über 100 m.ü.M. ab, der Fluss Reisaelva läuft gut fünfzig Kilometer Luftlinie von hier in einen Fjord im Nordmeer. Ein ganzes Stück tiefer habe ich irgendwann den kleinen Wasserlauf wieder erreicht direkt an einer Stelle, an der er sehr steil über Geröll tief hinab in diesen Canyon läuft. Das wird mein Weg, neben ihm werde ich hinabklettern, obwohl das verdammt steil aussieht und ich keine Vorstellung habe, wie tief es eigentlich wirklich jetzt da runtergeht, bis ich am Fuß angekommen bin. Ich nehme mir Zeit und arbeite mich Block für Block, Schritt für Schritt runter und stehe irgendwann mitten untendrin, sehe an beiden Seiten senkrecht hoch und nehme wohl wahr, dass ein Teil dieses Gesteins natürlich mit dem Schmelzwasser hergespült wurde, der größte Teil aber herabgestürztes Material von diesen Felswänden rundrum ist. Und so hoffe ich, dass heute alles an Ort und Stelle liegen bleibt, während ich mich hier unten in diesem teilweise nur 3 m breiten Durchgang bewege. Während ich anfangs dachte, dass nur der Einstieg runterwärts steil ist, geht selbst der weitere Verlauf ziemlich steil abwärts und ich klettere sehr aufwändig Meter für Meter am Grund dieser Schlucht entlang in der Annahme, dass ich irgendwann in einem breiten Auslauf unten im Haupttal Richtung Fluss herauskomme. Als großer Fan von „Das Boot“ geht mir immer wieder die Szene durch den Kopf, wie der Alte bei einem Tauchtest weit tiefer als die Werksgarantie zulässt dem Leitenden Ingenieur befiehlt, dessen Gesicht schon schweißnass und voller Zuckungen ist: „Tiefer LI, tieeefer!….Das muß das Boot abkönnen.“ Ich habe mich gedanklich damit arrangiert, es gibt keinen anderen Weg und steige Stück für Stück herab, aber jetzt das: Ein recht schmaler Durchlass, ein Wasserbecken, das von hier nur über einen Sprung abwärts erreichbar wäre und viel zu tief ist, um durch zu kommen. Ich nehme den Rucksack runter, um dichter rangehen zu können, da ich es nicht glauben kann. Es ist halb fünf, die Zeit Richtung Abend läuft und für mich endet dieser Weg hier! Ich sammle mich einen Moment und da klar ist, dass niemand kommt und mich aus diesem Jammertal holt, schultere ich den Rucksack und beginne wieder zurück, Stein um Stein, aufwärts zu steigen. Komplett wieder dahin, wo ich herkam, macht keinen Sinn, da laut Karte alles nördlich dieser Schlucht zum Tal hin völlig unbegehbar ist. Ich muss also auf der anderen Seite dieser Schlucht herauskommen, als wo ich eingestiegen bin, habe aber vorhin auf der Seite nur Steilwände gesehen. Ungefähr an der Stelle, an der ich an dem Wasserlauf heruntergestiegen bin, erkenne ich zu meiner linken jetzt einen schmalen, sehr steilen Aufstieg, den ich versuchen kann, sonst muss ich in der Schlucht noch weiter aufwärts steigen ohne Ahnung, wie lange. Ich nutze diese eine Chance und klettere auf dem schmalen Stück über ziemlich kleinteiliges rutschiges Geröll aufwärts und habe an einigen Stellen mein Tun, für Hände oder Füße etwas geeignetes zu finden. An einer Stelle hocke ich länger als 5 Minuten und denke mir aus, wie jetzt der nächste Schritt genau aussehen kann, da ich über mir mit dem Rucksack anecke und ich irgendwie nicht weiterkomme. Mit Geduld und Spucke packe ich aber auch diesen einen Schritt und ab hier beginnt jetzt ein wenig Moos und Vegetation, das den Untergrund besser zusammenhält. Irgendwann bin ich tatsächlich diesseits der Schlucht ausgestiegen, und wie ich oben stehe, schreie ich laut darunter in dieses graue Loch. Meine Hände und Füße sind einigermaßen zittrig und ab jetzt heißt es, einen Weg nach unten zu finden. Gedanklich habe ich mich schon darauf eingestellt, falls es doch dämmrig wird, irgendwo hier oben im Zelt zu übernachten. Es geht auch hier noch ein Stück weit auf Terrassenfelsen, dann wird es mehr Wald und der Untergrund ist mit sehr dickem Moos und Heidelbeerkraut bewachsen. Laut der Karte geht es zwar steil abwärts, aber es müsste begehbar sein. Sehen tue ich immer wieder etwas anderes. Auf dem Weg nach unten stehe ich immer wieder vor steilen Abhängen, an denen ich nicht weiterkomme. Heißt also, immer wieder weiter Richtung Süden wieder steil abwärts, was glücklicherweise bei diesem Untergrund ganz gut möglich ist. Schon von weitem habe ich eine Hochspannungsleitung gesehen, die parallel zum Reisadalen ziemlich weit unten, aber immerhin noch auf dem Berg entlang geführt ist. Mehr und mehr nehme ich sie als meinen letzten Weg runter ins Tal wahr, allerdings muss ich da erst mal hinkommen. Es gehen eine Reihe von Seitentälern oder Schluchten in Richtung der, in der ich vorhin untendrin war. Dann komme ich an eine Stelle, an der ich denke, von hier könnte es runtergehen. Ich sehe in gut 200 m Luftlinie von oben schon die Hütte, aber sie ist für mich bis dahin unerreichbar. Wieder den Rucksack runter und an eine Kante näher ran gelaufen, um zu sehen, ob hier eine Passage möglich ist. Nein, keine Chance. Und so muss ich um den nächsten tiefen Taleinschnitt herumlaufen, d.h. erst mal wieder steil aufwärts, triefnass schwitzend und nebenbei immer die laufende Zeit im Auge und den nächsten Schneeschauer. Aber auch dieses obere Ende dieser kleineren Schlucht erreiche ich und bin circa um sechs inzwischen ziemlich mit meinen Kräften durch, aber unterhalb der Stromtrasse und erkenne hier sogar einen kleinen Pfad, der sich jetzt nach unten zieht. Das ist meine Rettung. Von hier aus sehe ich sogar die Stelle, wo die tiefe Schlucht von vorhin aus dem Berg herauskommt. Das Wasser läuft an einer Steilwand als kleiner Wasserfall herunter. Ich kann also dankbar sein, dass ich nur vielleicht die Hälfte der Schlucht untendrin durchschreiten konnte, sonst wäre ich spätestens an der Stelle am Ende gewesen gewesen. Dieser Pfad jetzt hier geht zwar auch sehr steil abwärts, aber ich weiß, hier sind schon diverse Leute gelaufen und ich muss das Rad nicht neu erfinden. Als kleine Aufmerksamkeit und Kraftquelle stehen an diesem Hang Unmengen von Heidelbeeren und wenn ich die Tage schon mal von den dicksten jemals gesprochen habe, toppen diese es noch einmal. Die meisten sind sogar unbeschadet vom Frost, deshalb nehme ich mir trotz fortschreitender Zeit ein paar kurze Pausen, um mir diese wunderbaren Früchte händeweise reinzustopfen. Nachdem das letzte Stück steil abwärts passiert ist, stehe ich im Tal im Wald auf flachem Boden und bin überglücklich, dass es geschafft ist. Aus der Leistungskontrolle ist eine richtige Prüfung für mich geworden. Die Hütte, die ich von oben gesehen habe, ist eine private und die Vuomatakka, die ich suche, noch gute 500 m entfernt direkt am Fluss. Auf dem Weg dahin fallen mir beim Laufen fast schon die Augen zu, aber das spielt keine Rolle mehr. Um kurz vor sieben erreiche ich die kleine offene Hütte, das Dach ist bewachsen und sie gehört dem Staatsforst. Innen drin ist es dank eines einzigen Fensters recht düster, aber dafür umso uriger. Ich schüre sofort ein Feuer an, hänge alle Sachen zum Trocknen auf, koche mir ein deftiges Abendbrot und habe mich schon den ganzen Tag darauf gefreut, mir aus dem Milchpulver und der Schokomousse einen schönen Kakao zu machen. Als die Kanne Wasser auf dem Ofen heiß ist, rühre ich die Ingredienzen hinein und da fällt mir das Pulver ein, mit dem ich Pfannkuchen machen kann. Die ja an sich nicht so brachial gut geworden sind und so rühre ich einfach das Pulver mit in meinen Kakao rein, es ergeben sich Stück für Stück kleine Klümpchen. Völlig unerwartet habe ich mir eine Klumpensuppe gemacht. Die gab es bei meiner Oma manchmal und ich habe sie als Kind geliebt. Also eine süße Puddingsuppe, in der eine Art Pfannkuchenteig als Diepchen eingelassen wird und die dann Klumpen ausbilden. Meine sind zwar nicht so groß, aber ich fühle mich, als würde meine Oma jetzt mit hier am Tisch sitzen und in edelstem Plattdeutsch sagen: „Junge, iß dich man‘d satt.“
    Abschließend zum heutigen Tag kann ich sagen, dass bei aller Mühe, die ich hatte, das Glück angesichts des Wetters und einem komplett unbeschädigten Satz Knochen mal wieder ganz auf meiner Seite war. Danke.
    Diesen Akt werde ich mein‘ Lebtag nicht vergessen.
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  • 22. September - Ruhetag

    22 septembre 2024, Norvège ⋅ ⛅ 4 °C

    Für heute habe ich mich dank der gestrigen Anstrengungen und des Sonntags für einen halben Ruhetag entschieden. Gute 10 km von hier gibt es einen tollen Wasserfall, den mir ein Österreicher vor kurzem empfohlen hat und ganz in seiner Nähe eine Hütte. Ich werde da hingehen und den Rest des Tages zubringen. Also habe ich heute morgen bis um halb acht ausgeschlafen und ganz in Ruhe gefrühstückt. Mein Blick geht raus auf den Fluss, in dem ich immer mal wieder Fische springen sehe, ich höre einen Specht hämmern und vorhin saß sogar mal eine Kohlmeise am Fenster. Das Wetter ist prächtig, es könnte höchstens etwas Niederschlag geben, aber so tief hier unten im Tal ist das, wenn überhaupt, einfach nur ein wenig Regen. Der Vormittag geht mit Tagebuch schreiben, etwas Holz machen und allgemeiner Sonntagsruhe recht zügig vorbei. Wie ich um elf gerade draußen am Holzhacken bin, kommen just in dem Moment zwei Kanus auf dem Fluß vorbei. Es sind zwei Pärchen aus Norwegen, die in Kautokeino gestartet sind. Wir unterhalten uns ein paar Sätze und dann lassen Sie sich wieder von der Strömung mitnehmen. Bei blauem Himmel mache ich mich um zwölf auf den Weg, der heute ein völlig anderer als die letzten Tage ist. Alles ist viel ruhiger, wirkt wärmer und gemütlicher. Der Fluss so breit und still, kein Wind und ich kann für hier sagen: „Der Herbst ist zurück“. Insgesamt fühlt es sich hier an wie in eine völlig andere Welt gebeamt. Ich laufe auf Laub und teilweise Kiefernnadeln, es riecht nach Herbstlaub, all das habe ich oben über die Berge nicht gehabt. Und waren die Farben auf den Hochebenen eher rot, orange und braun, so ist es hier deutlich das Gelb der Birkenblätter und teils grell farbiges Herbstlaub von anderen Bäumen. Aber auch die Kiefern machen ein völlig anderes Bild, sehr beeindruckend. Der schmale Pfad führt die meiste Zeit nahe am Wasser entlang, nur manchmal zieht es sich weiter hinter in den Wald, der aber nie sonderlich breit ist, da der Fluss natürlich zu beiden Seiten steil aufragend von Bergen gesäumt ist. Ich komme gut vorwärts und mache deshalb auch immer mal zwischendurch eine kleine Pause, genieße die Stille dieses Tals. Mit der Sonne jetzt könnte ich sogar sagen: „Der Sommer ist zurück“. Vieles erinnert mich an die Zeit im Mai am Bergslagsleden, als es auch so hell und warm war. Gegen halb drei passiere ich die Nedrefosshytta und direkt einige Meter weiter bringt mich eine Hängebrücke auf die andere Seite des Reisaelva. Hier geht es jetzt etwas aufwändiger teils durch Geröllfelder, aber auch an einer ziemlich steilen Passage entlang, die aus gutem Grund mit einem Stahlseil als Handlauf gesichert ist. Später nach einer Art Weggabelung ist es nur noch etwas mehr als ein Kilometer zum Imofossen-Wasserfall, der es aber mächtig in sich hat. Es geht steil hoch in felsiges Gebiet, das direkt an der Oberkante einer steilen Schlucht verläuft, in der tief unten der Fluss durchrauscht. Das erinnert mich schon etwas an gestern, aber das hier ist der offizielle Wanderweg. Genau um vier erreiche ich den Wasserfall, lasse den Rucksack am Weg zurück und steige durch diverse Felsen bis zu dem Punkt, wo ich ihn in voller Größe sehen kann. Das ist schon sehr beeindruckend, wie der ganze Fluss hier um 90° verdreht zur eigentlichen Richtung aus einem Stück Felsen herauskommt. Und auf der anderen Seite hoch oben vom Berg her kommt ein weiterer Wasserlauf, der sich als kleiner Bruder in Szene setzt. Nachdem ich mir das ganze Schauspiel aus verschiedenen Perspektiven eine Zeit lang angesehen habe, mache ich mich auf das letzte kurze Stück Richtung einer Staatsforst-Hütte. Bis zur Immogammen ist es nur ein halber Kilometer und der Fluss hat hier wieder seine normale Breite und ruhige Form. Da steh ich nun und wundere mich, wie klein denn eine Hütte sein kann. Mein Rucksack wirkt, als wäre er halb so hoch wie dieses gemütliche kleine Holzhaus. Ich habe zu tun, mich und den Rucksack durch die Tür zu hieven und nachdem ich heute im Voraus Holz gemacht habe, stecke ich mir ein Feuer an und lasse diesen Sonntag gemächlich ausklingen. Solange es noch hell und nicht zu kalt ist, sammle ich ein paar Preiselbeeren, sitze dann im Stübchen, während der Ofen vor sich hinbollert.En savoir plus

  • 23. September

    23 septembre 2024, Norvège ⋅ ☁️ 3 °C

    Auf in eine neue Woche! Um sechs rausgepellt finde ich mich in der Hütte mit dem wenigen Licht kaum zurecht. Nachdem es mir irgendwann zu blöde ist, mache ich doch die Tür auf, auch wenn ich damit die Kälte reinlasse. Es ist draußen rum trocken und heute morgen für mich gefühlt besonders still. Im Wald sehe und höre ich lediglich einige Vögel und das leichte Plätschern des Flusses, der Himmel ist leicht bewölkt mit einigen wenigen blauen Schimmern. Es geht kein Wind und fühlt sich geradezu merkwürdig an.
    Punkt acht ist das Stübchen durchgefegt und ich breche auf, um das Reisadalen zu verlassen. Normal müsste ich mehr als einen Kilometer zurücklaufen, um auf den Weg zu kommen, mache aber heute daraus eine Montagmorgen-Gymnastik und nehme den direkten Weg durchs Geröll und im Wald steil hoch über gute 400 m. Es wird ohnehin ein Ausstieg aus dem tiefen Tal, von gut 200 m.ü.M. geht es wieder hoch auf über 500 m. Dabei scheint mir von Zeit zu Zeit die Sonne ins Gesicht, schließlich laufe ich Richtung Südosten. Gegen halb neun ein letzter Blick zurück in dieses schöne Tal und wenn ich den Blick in die Ferne schweifen lasse, sehe ich im Nordwesten in den höheren Bergen, dass sie alle jetzt schon mit Schnee bedeckt sind, während es hier rum komplett ohne ist. Es zieht sich mit leichtem Auf und Ab den ganzen Vormittag durch weitläufig verteilte Birken, dann auch wieder komplett kahles Hochland und relativ häufig auch an Sumpfflächen entlang. Die werden in den nächsten Tagen deutlich mehr und sind in ihrer gelben, grünen und braunen Färbung wunderschön anzusehen. Hier oben fällt auch auf, dass das Kraut der Heidelbeeren großflächig rot wird, was natürlich tolle Kontraste setzt. Die Luft ist ziemlich kalt und ich nehme heute Morgen wieder Mütze und Handschuhe zu Hilfe. Die Kälte als solches kann ich auch auf einigen Seen erkennen, sie haben zumindest teilweise eine dünne Eisschicht. Je weiter es auf Mittag geht, desto mehr versteckt sich die Sonne in einem leichten Grauschleier und während ich mich um zwölf zur großen Pause am Wegesrand niedergelassen habe, sehe ich in einiger Entfernung in den Höhenlagen Schneeschauer durchziehen. Es dauert nicht allzu lang und noch während ich sitze, ist es auch bis hier herangezogen. In Erwartung weiteren Schneefalls bekleide ich mich mit Poncho und Regenhose, beim Weiterlaufen merke ich aber, dass das nur ein kurzer Einstand war und befreie mich recht zügig wieder. Es mag auch dieses Wetter sein, am hauptsächlich leicht grau bedeckten Himmel sind keine großen Veränderungen, die Landschaft ist so unaufgeregt dahin, dass ich den Pfad einen Kilometer im Voraus sehen kann, dazu die Windstille, all das macht diesen Tag zu einem äußerst stillen Tag. Als würde das ganze Land still auf den Schnee warten. Meine Gedanken gehen heute hauptsächlich um die nächsten Tage, wenn ich Kautokeino passiert habe. Wie lange werde ich wohl noch laufen können und wie lange wird es mit dem Wetter noch so freundlich sein? Die Antwort darauf werde ich mir natürlich selbst geben müssen, aber für einige Tage wird es schon noch gehen. Meine geplante Strecke heute ist um die 25 km und da ich nicht so wahnsinnig steil auf und ab muss, läuft es sich auch prächtig, der Pfad ist meistens sehr gut begehbar, teils sandiger oder einfach erdiger Untergrund. Am Nachmittag komme ich dann an den See Ráisluoppal, hier hat es feinen Sandstrand und daran schließt sich als nächstes der Ráisjávri an. An seinem Ufer gibt es laut meiner Karte eine Hütte und eine Picknick-Site. Gegen halb fünf erreiche ich die Hütte, es ist eine größere vom Staatsforst, in der allerdings nur die Haupttür bis in den Windfang offen ist. Die zwei Türen rechts und links in die jeweiligen Räumlichkeiten sind verschlossen, aber immerhin gibt es einige Meter entfernt einen größeren Shelter, in dem ich mich einrichte und die Nacht zubringen will. Das Thermometer am Haus zeigt -2°, es liegt ganz feiner Schneegriesel in der Luft. Während ich in diesem Unterstand mein Essen zubereite und mich aufhalte, ist weiterhin dieses Gefühl der absoluten Stille. Kein Lüftchen bewegt sich, kein Geräusch, kein Wellengang vom See, einfach nur totale Ruhe.
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  • 24. September

    24 septembre 2024, Norvège ⋅ ⛅ 3 °C

    Vom Himmel hoch, da komm ich her!
    Nicht nur das Fräulein Smilla hat ein Gespür für Schnee, sondern auch mein gestriges war genau das richtige. Seit dem Einbruch der Dunkelheit hat es begonnen zu schneien, heute morgen liegen einige Zentimeter und es schneit fröhlich weiter. Ich hab mich bis um halb sieben noch mal rumgedreht, mein Schlafplatz war grandios und ich kann mir nicht helfen, seit ich den Schnee heute am Morgen gesehen habe, hat jemand eine Langspielplatte mit Weihnachtsliedern aufgelegt. Ich kriege die nicht mehr aus dem Kopf raus. Freundlicherweise konnte ich im Eingangsbereich der Hütte an einer Steckdose alle meine Geräte aufladen, ich werde sie heute wohl einige Male brauchen zwecks fehlender Orientierung. Um halb neun ist alles angerichtet, ich habe mich auf Schnee eingestellt und stiefele los, der Schnee knirscht noch unter meinen Schritten. Ich möchte heute nach mehr als 28 Kilometern am Abend bei Madam Bongo einkehren, ich hoffe, sie ist empfänglich. Den ersten Kilometer geht es noch am See entlang, dabei schrecke ich einen riesengroßen Seeadler auf, kann ihm noch eine Weile zusehen, wie er über dem Wasser verschwindet. Es sind hier überall eine Menge von Quad-Spuren, da entlang des Sees einige Sami-Häuser stehen. Daher auch die Stromversorgung selbst in der Hütte. Schon als sich der Pfad vom See wegzieht, verliere ich die Spur das erste Mal und stapfe durch tiefes Kraut mit Schnee obendrauf, gerade hier in dieser Sumpfgegend schmatzt es laut bei jedem Schritt, der etwas tiefer geht. Nach einiger Zeit und nochmal Peilung nehmen bin ich wieder zurück. Als es etwas abwärts geht, drehe ich die erste Pirouette, gerade so noch gutgegangen, dass ich nicht auf dem Maul liege. Es soll nicht die einzige bleiben. Nach gut 3 km stehe ich an einem Rentierzaun, sehe sogar eine rote Markierung, aber keinerlei vernünftige Öffnung oder einen Überstieg. Und so muss ich mir an einer Stelle, an der er mit Bändern irgendwie verknotet ist, selber helfen und das Machwerk lösen und wieder binden. Aber immerhin bin ich auf dem richtigen Weg. Gegen zehn zur ersten Pause hat das Schneien aufgehört und es zieht rundrum mehr und mehr Nebel auf. Das, was vorhin noch Schnee war, kommt jetzt als Regen und so fühlt sich auch der Schnee beim Laufen immer nasser an. Den Pfad verliere ich zwischendurch immer wieder mal, je nachdem, über welchen Untergrund ich gerade laufe. An einigen Stellen ist der Schnee verweht und knietief, während im Sumpfgras fast gar keiner liegt. Ich bin gedanklich darauf eingestellt, dass das Bild heute wohl den ganzen Tag nur ein milchig schwarz-weißes sein wird, zumal der Regen mit dem stärkeren Wind mich ohnehin nicht weit gucken lässt. Die einzige Abwechslung sind alle Stunde mal ein paar Moorhühner, die wegfliegen und einmal bringe ich ein paar Rentiere auf, die gerade zur Ruhe gelegen haben. Trotzdem verteufele ich diesen Tag nicht, es ist zwar kein Schönwettertag, aber es spielt auch nicht gerade die Schicksalsmelodie. Es könnte viel schlimmer sein, zum Beispiel jetzt einen Schneesturm, in dem ich nicht 50 m im Voraus gucken könnte so wie jetzt im Moment und überhaupt keinen Pfad wahrnehmen würde. Apropos Melodie: Mit eigenem Gesang habe ich gegen „Oh Tannenbaum“ gekämpft und gewonnen. Dabei hat mir heute besonders die Zeile „From the coalmines in Kentucky to the California sun…“ ein ewiges Grinsen ins Gesicht genäht. Angesichts der Witterung heute fallen meine Pausen entweder kürzer oder ganz aus. Hütten am Weg gibt es nicht und da kommt mir gegen eins, als ich fast die Hälfte des Tagesmarsches bewältigt habe, ein Objekt von Rentierzüchtern ganz gelegen. Es ist ein eingezäuntes Gelände, wahrscheinlich werden hier die Rentiere zusammengetrieben, markiert und sortiert. Außerhalb steht eine Kote und mehrere primitive Hütten, die normalerweise verschlossen sind. Eine davon ist offen, innen drin zwei Bettgestelle und ein recht vermüllter Raum, der mir aber für die halbe Stunde zum einfach still da sitzen und was essen taugt. Den Rest des Tages marschiere ich straff, soweit das auf diesem Untergrund geht, am Nachmittag wird der Schnee immer matschiger und gerade auf dem Pfad oder wenn es mal wieder eine Quad-Spur ist, ist er so nass, dass er bei jedem Schritt einen Meter weit umherspritzt. Später am Nachmittag, als ich gerade noch einmal zu einer kleinen Pause sitze, stelle ich fest, dass ich inzwischen über 1 km vom richtigen Weg weg auf einem falschen bin. Bin so fröhlich einer dieser ATV-Spuren gefolgt und habe nicht noch einmal nach der Navigation geguckt. Die Hälfte der falschen Strecke laufe ich auf dem Weg wieder zurück, dann kürze ich ab und gehe über Land, bis ich wieder richtig bin. Gegen fünf, als ich gerade mal wieder einen Bach überqueren will, nehme ich zum wiederholten Male wahr, dass das Licht sich verändert hat. Es ist einerseits neblig, aber trotzdem zwischendurch heller geworden, manchmal wirkt der Nebel eher blau, manchmal eher gelb. Womit ich heute überhaupt nicht mehr gerechnet habe, dass ich gegen halb sechs noch einmal einen Farbfilm einlegen darf. Die Sonne hat sich doch durch den Nebel gekämpft und zeigt sich für einige Minuten lang zusammen mit etwas blauem Himmel. So schnell sie gekommen ist, so schnell ist sie auch wieder verschwunden. Aber es dauert auch wieder nicht lange, bis sie wieder hervorkommt und der Nebel sich soweit lichtet, dass der Himmel zum größten Teil blau mit wunderschönen Wolkenformationen und dank der fortgeschrittenen Stunde auch Farben ist. Ein völlig neuer Eindruck dieser verschneiten Landschaft, den ich auf den letzten 5 km genießen kann. Allerdings muss ich nebenbei trotzdem auf die Uhr schauen, denn ab um sechs wird das Tageslicht immer schwächer und ich mag es überhaupt nicht, auf solchen Wegen mit so vielen Unebenheiten, Steinen und Löchern in der Dämmerung zu laufen. Nachdem ich dieses Farbenspiel eine gute Stunde lang genießen konnte, zieht sich die Sonne wieder zurück, ich merke, wie es kälter wird und auch die Oberfläche des Schnees und des Weges beginnt zu überfrieren. Den letzten Kilometer laufe ich in der Dämmerung und sehe kurz darauf vor mir den Ort Čunovuohppi. Hier stehen diverse Häuser in der Nähe des Sees Stuorajávri, sie wirken wie Wohnhäuser, hier und da brennen auch Lichter. Die als Madam Bongo in den Karten vermerkte Hütte erweist sich als ein Wohnhaus, vor dem zwar ein ATV steht und in dem auch Licht brennt, aber niemand öffnet. Vermutlich war das Objekt früher mal eine Wandererhütte, so ganz genau werde ich daraus nicht schlau. Da alle meine Sachen soweit nass sind und ich sie bei der Kälte auch in keinster Weise trocknen kann, habe ich das Zelten für heute gedanklich gestrichen und gehe zum nächsten Haus, um nach irgendeiner Art von Unterkunft hier herum zu fragen. Aber auch hier ist zwar Licht, aber niemand da, ebenso am nächsten Haus. Bei dem gehe ich ein paar Meter ums Haus herum, weil ich doch über das Zelt nachdenke und wo ich es hinstellen kann. Dabei fällt mir ein Nebengebäude ins Auge, dass wie eine Toilette aussieht und da sie offen ist, klippe ich auch an der Tür eines weiteren Gebäudes, das für mich ganz unerwartet auch offen ist. Es ist eine kleine Werkstatt, in der allerlei Sachen ordentlich aufgehängt sind, unter anderem Ski, Schneeschuhe und derlei Sachen. Auch wenn ich niemanden fragen kann, ob es recht ist, beschließe ich kurzfristig, hier drin zu übernachten. Es gibt Strom und eine kleine elektrische Heizung, so dass ich die nassen Sachen trocknen und vernünftig übernachten kann.En savoir plus

  • 25. September - Finish

    25 septembre 2024, Norvège ⋅ 🌧 5 °C

    Ich schreibe den 25. September und der Eintrag ist besonders: Mein Wanderweg endet heute Abend nach 3900 Kilometern zusammen mit dem Nordkalottleden für dieses Jahr in Kautokeino. Die Entscheidung dazu ist gestern den ganzen Tag über in meinem Kopf zu Ende gereift. Nicht, weil es mal geschneit hat, vielmehr weil einige meiner Theorien im Kopf sich bestätigt haben und gute Gründe dafür sprechen, es gut sein zu lassen. Da ist natürlich das Wetter, um das es sich meistenteils dreht. Der Winter hat mich eingeholt und auch wenn es jetzt noch nicht so tierisch kalt ist, wird es ab jetzt eine Mischung aus nass und kalt sein, bis es dauerhaft weiß wird. Das Laufen auf verschneiten Pfaden ist in verschiedener Hinsicht müßig und wird mehr ein Krampf als eine genussvolle Reise. Das, was die Sonne noch hergibt, reicht zum Laden nicht mehr aus und ab morgen gibt es Richtung Norden am Weg so gut wie keine Hütten mehr, in denen ich trocken übernachten, aufladen oder meine Sachen trocknen kann. Außerdem ist die Tundra ab Kautokeino nicht mehr bergig wie bisher, sondern eher flach und trist, so wie ich es auch gestern schon erlebt habe, also wenig aufregend. Das alles zusammen hat mir diese Entscheidung recht leicht gemacht und ich würde jetzt, wenn ich weitergehe, ohne irgendwelchen Spirit unterwegs sein. Stattdessen trete ich eine neue Reise in etwas südlichere Gegend an, um ein Winterquartier und einen Job zu finden. Auch wenn die nicht mehr in der Art zu Fuß ist, wird sie sicher für mich aufregend werden. Ich freue mich innerlich so sehr darauf und habe eine so großartige Vorstellung davon, nach dem Winter auf dem Fahrrad die Strecke bis da hoch zu Ende zu bringen und dann wieder Richtung Süd einzuschlagen. Gerade heute bekomme ich zwar auch die Nachricht, daß mein „Fahrrad-Kurier“ Kai seine Nordkap-Tour aus wichtigsten persönlichen Gründen nicht antreten kann, das hat absoluten Vorrang. Da ich bis dato für alles am Ende eine Lösung gefunden habe, wird es auch hier einen Weg geben.
    Und ich bin so sehr dankbar und glücklich für jeden einzelnen Tag bisher, wie ich ihn voller unglaublich toller Begegnungen, Erlebnisse und bunter Bilder hatte. Auch für jeden Tag „Verspätung“, der mir diese faszinierende Welt in so schönem Licht und noch viel mehr Farben gezeigt hat. Und natürlich auch für dieses große Geschenk, gesund und munter hier zu sein ohne ernsthafte Verletzungen oder Probleme.

    Um halb acht stehe ich auf, es ist heute nicht sehr weit, statt 20 km Wanderweg werde ich auf 13 km der Straße folgen. Am Morgen schleiche ich erst mal los, um fürs Frühstück und die Katzenwäsche Wasser zu besorgen, fülle mir doch dabei am letzten Tag auf dem halben Kilometer dahin in sumpfigem Gelände fast noch die Schuhe ab. Das ging grad noch mal gut. Nachdem ich die Werkstatt wieder in Originalzustand gebracht und mir diese tollen Schuhe aus Rentierfell genauer betrachtet und befühlt habe, ziehe ich bei leichten Minusgraden, aber trocken los. Mit dem Wissen um das Ende der Tour ist das jetzt ohnehin nur die paar Kilometer Straße laufen, damit ich dann in Kautokeino auf einem kleinen Campingplatz für einen oder zwei Tage zivil unterkommen kann. Der Himmel ist bedeckt, es wird mit der Zeit immer wärmer und nach dem Mittag habe ich immer mal wieder leicht einsetzenden Niesel. Da reizt es mich ja fast zu trampen, aber am Ende packe ich es doch selbst. In dieser kleinen Stadt zieht es sich noch gute drei Kilometer und da lese ich ein Schild „kaffe og rom“, also nicht Kaffee auf römische Art, sondern ein Café mit Zimmervermietung. Schon als ich im Flur dieses menschenleeren Hauses stehe, zieht es mich direkt wieder raus. Es ist so runtergekommen oder vielleicht auch nie schöner gewesen, da ziehe ich gerne noch weiter. Es geht ganz in der Nähe der Kirche entlang, in der ich mal eine Zeit lang einkehre, hier ist gerade Konfirmationsunterricht, sonst wäre sie zu. Und dann ist es auch nur noch ein halber Kilometer, vorbei am Rema1000-Supermarkt und ich spreche bei Ole am Duottar(Tundra)-Camping vor. Die kleine Bikerstube, wie er sie nennt, soll meine sein, für die zweite Nacht gibt es sogar einen Rabatt. Eine Sauna hat es hier und er wird am Abend in der Grillhütte Feuer anmachen. Da bin ich doch genau richtig. Kurz darauf schnappe ich mir für den Weg zum Kaufmannsladen das Damenrad mit Körbchen drauf, scheinbar ist es aus der O-Maria-Hilf-Baureihe. Was für ein Gefühl! Wer um meinen Hang zum Fahrradfahren weiß, hat eine Vorstellung, wie göttlich es nach acht Monaten ist, mal wieder so einen Hobel zu reiten und sei es nur auf drei Gängen. Mit ein paar frischen Sachen und einem Sixpack geht es zurück. Als ich den Schlüssel zurückgebe, steht in der Rezeption gerade die junge Japanerin Momo und checkt ein. Ole macht uns kurz bekannt und erzählt ihr, dass ich heute hier nach gut viertausend Kilometern meinen Fußweg beende, mir erklärt er, dass sie mit ihrem Bruder Hiroki auf dem Weg zum Nordkap sind, er wird von da aus in Kürze eine Rekordfahrt auf dem Fahrrad starten. Na das ist ja mal was, gut dass wir uns alle am Abend nach der Sauna und dem Essen rund ums Feuer wiedertreffen. Dazu gesellt sich dann noch Satsuki, eine weitere Begleiterin und so wird es zusammen mit Ole ein sehr spannender Abend bei Bier und Kaffee mit Schuß. Zum einen ist da natürlich die ab übermorgen geplante extreme Biking-Tour vom Nordkap nach Tarifa bei Gibraltar innerhalb siebzehn Tagen, mit der sich Hiroki ein weiteres Mal ins Guinnessbuch eintragen will. Aktuell hält er unter anderem den Weltrekord für die Durchkreuzung der USA, also von der kanadischen Grenze bis Mexiko und anschließend von Los Angeles nach New York in 30 Tagen, 16 Stunden und 25 Minuten. Aber auch die Art und Weise, wie sie diese Tour so günstig wie möglich gestalten ist beachtlich und es ist auch äußerst interessant, von diesen bescheidenen Leuten aus ihrem Leben und der Kultur im Norden Japans zu hören. Der Abend hätte nicht schöner sein können.
    Gegen zehn beende ich diesen besonderen und tollen Tag, werde morgen noch hier ruhen und mich ab übermorgen in Richtung Kiruna durchschlagen.
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  • 26. September

    26 septembre 2024, Norvège ⋅ 🌧 2 °C

    Der Tag wird ein ziemlich ruhiger werden. Und es ist richtig entschieden, hierzubleiben. Es wird den ganzen Tag regnen und schneeregnen, so dass alles draußen rum keine große Freude ist. Am Morgen sitze ich mit Momo in der Küche und wir frühstücken zusammen, unterhalten uns ein wenig. Nebenbei läuft meine Wäsche durch und ich sortiere im Laufe des Tages in meinem Rucksack ein wenig neu. Am Nachmittag habe ich mir noch mal die Sauna eingerichtet und direkt danach schwinge ich mich auf das Damenrad, radle 3 km zum Pitstop, um dort zu essen. Ole hat für den Abend wieder Feuer angekündigt, da es noch ein paar andere Gäste gibt, je ein deutsches und ein holländisches Paar mit ihren Wohnmobilen und Charlotte, eine Britin, die neben mir wohnt und mit dem Gravelbike unterwegs ist. Sie hat nach einem halben Jahr Arbeit in Helsinki die letzten Tage für diese Tour genutzt und wird morgen noch mal unterwegs sein, bevor sie nach London zurück muss. Es ist eine sehr interessante kleine Runde im Feuerschein.En savoir plus

  • 27. September

    27 septembre 2024, Suède ⋅ ☁️ 1 °C

    Heute wird ein schöner Tag. Ich bin mir ganz sicher, das Wetter hat schon den Anfang gemacht mit einem blauen Himmel, obwohl draußen alles überfroren ist. Ich habe intuitiv genau richtig gehandelt und gestern bei dem Wetter hier Ruhetag gemacht. Am Morgen treffe ich Charlotte noch mal, wir unterhalten uns ein wenig und verabschieden uns dann, sie will wegen der Glätte erst ein Stück mit dem Bus weiter rausfahren, so dass sie von der Straße wegkommt. Ich nehme mir Zeit zum Frühstücken und Duschen und habe um zehn alles soweit vorbereitet, dass ich mich von den anderen Gästen und natürlich von Ole ausgiebig verabschieden kann. Er hat mir, einfach weil er ein cooler Typ ist, eine große Pappe und den Filzstift zur Verfügung gestellt, damit ich sach- und fachgerecht mein Schild nach DIN-Norm zum Trampen vorbereiten kann. Und so steh‘ ich ab um zehn an der E45, die direkt hier am Campingplatz vorbeigeht. Der Verkehr ist nicht so übermäßig viel und natürlich sind viele lokale Fahrer dabei, für die meine Ansage SWE/FIN keinen Sinn macht, mich mitzunehmen. Ich bin ohnehin darauf eingestellt, dass die Fahrt über gut 330 km bis nach Kiruna ein loses Stückwerk durch Norwegen, Finnland und Schweden wird, wo ich vielleicht auch noch mal im Zelt schlafen werde. Manche Fahrer geben mir zu verstehen, dass sie nur Kirchturmcruiser sind, nicht mal der Politi-Wagen fühlt sich genötigt, anzuhalten, als ich ihnen grinsend mein Anliegen zur Schau stelle. Und so braucht es eine gute Dreiviertelstunde, die ich immer weiter an der Straße entlang gehe, bis ich gegen das Sonnenlicht in gut 100 Metern Entfernung ein Auto sehe, wo jemand steht und winkt. Ich bin mir nicht sicher, ob es mir gilt, aber es wirkt so. Ich lege einen Zahn zu und tatsächlich ist der Fahrer erst an mir vorbeigefahren, da er sein Auto einigermaßen voll hat, aber mein Grinsen im Gesicht und der Bart haben ihn überzeugt, doch noch anzuhalten, wie er mir später erzählt. Es ist Stig, der als Jäger hier unterwegs war und jetzt vorzeitig schon nach drei Tagen zurück nach Oslo muss, da sein junger Jagdhund sich im Kraut und Schnee zu sehr die Beine aufgerieben hat. Der Doc hat dem Dog mindestens sieben Tage Jagdpause verordnet. Man bedenke, er fährt heute zwölf Stunden und morgen noch mal zehn bis nach Hause, das ist dann schon ärgerlich. Zu meinem Glück geht sein Weg aber fast über Kiruna und nachdem ich meinen Rucksack auf dem Rücksitz verstaut habe, wird es wieder einmal eine dieser merkwürdig schönen Begegnungen. Dass er ausgerechnet da entlang fährt, wo ich hin muss, Germanistik studiert hat und fließend Deutsch spricht, dass es bei uns, wie wir es nennen, wie ein Schweizer Uhrwerk auf Anhieb gepasst hat und uns die paar Stunden bis um halb drei sehr gut unterhalten können. Dazu noch ein strahlend blauer Himmel… Dann schmeißt er mich raus, nicht ohne mir noch ein Bier mitzugeben und keine 10 Minuten später sitze ich von Svappavaara aus die letzten fünfzig Kilometer im nächsten Auto eines Minenarbeiters, der gerade Feierabend gemacht hat und für den es eine Selbstverständlichkeit ist, mich mitzunehmen, da er tatsächlich nach Kiruna muss. Um drei stehe ich in Nya Kiruna und Ivar hat mir geschrieben, dass er aktuell noch arbeitet, sich aber zum Feierabend direkt bei mir melden will. So habe ich ein paar Stunden Zeit, durch einen Teil der neugebauten Stadt zu schlendern, das Shopping-Zentrum für einen Kaffee und warmen Aufenthalt zu nutzen, aber auch ein paar der alten, am Stück umgezogenen Häuser zu betrachten. Für nächstes Jahr ist zum Beispiel der Umzug der Kirche geplant, das gesamte Gotteshaus wird Stück für Stück demontiert und in die neue Stadt transportiert. Dazu ist zu wissen, die Mine in Kiruna ist die größte unterirdische Eisenerzmine der Welt und kommt in anderthalb bis zwei Kilometern Tiefe der Stadt immer näher. In 2020 gab es minenbedingt ein schweres Erdbeben, seit 2016 hat man begonnen, die Stadt um gut drei Kilometer umzuziehen.
    Da ich bisher nicht weiß, wann Ivar überhaupt Feierabend macht und ob ich bei ihm heute unterkommen kann, gucke ich mir schon mal aus, wo ich am Rande der Stadt, ganz in der Nähe der Mine einen Shelter habe und da ich in der Stadt viel Zeit habe, spreche ich beim Vorbeischlendern schon mal beim ersten Anbieter von Wintertouren vor, wie es denn mit Arbeit aussieht. Gegen sechs stehe ich am Bus, um die vier Kilometer raus Richtung Mine und „Altstadt“ zu fahren. Dabei komme ich mit einer Schwedin ins Gespräch und wir werden dabei durch Ivars Rückruf unterbrochen. Sie reicht mir im Bus dann freundlicherweise ein Tempo an und ich frag mich: „Hab ich ’ne Rotznase?“ Ach nee, Füße hoch, runter von der Leitung, es ist ihre Rufnummer reingekritzelt. Die Frau will mir helfen, weil sie im Ansatz vorhin verstanden hat, was ich hier tue und vorhabe. Gegen halb acht habe ich meine Unterkunft für heute gefunden, es ist in einem sehr kleinen Park eine Holzbude im Format ähnlich einem Überseecontainer, in der die großen Schachfiguren lagern. Da leg ich doch den König direkt neben den Läufer…
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  • 28. September - Kiruna

    28 septembre 2024, Suède ⋅ 🌙 0 °C

    Die Nacht im Schachfigurenkabinett war schon kalt, aber dank geschlossener Tür gut. Um eins rum hat kurz für eine bis zwei Sekunden der ganze Boden kurz gebebt, es war eine der Sprengungen, die sie immer zwischen eins und drei in der Nacht anderthalb Kilometer unter der Erde machen. Sehr beeindruckend. Am Morgen scheint die Sonne durch ein faustgroßes Loch vom Osten her in mein Schlafzimmer. Um neun raffe ich mich auf und frühstücke, halb und halb noch im Schlafsack.
    Dann mache ich mich auf, einen halben Kilometer von hier entfernt ist ein Hostel, das günstigste, was ich in Kiruna ausmachen konnte. Ich laufe durch den verlassenen, teils auch schon abgerissenen Teil der Stadt, fühle mich wie in Pripyat nahe Chernobyl, obwohl ich da noch nie war. Aber es wirkt schon gespenstisch, die Häuser verlassen, aber intakt, viel mit Zäunen abgesperrt und nur der Wind pfeift hier durch. Direkt hinter dem Bauzaun ist das Hotel, ich erkundige mich um die Preise und hänge in der Lounge bis zum Nachmittag rum, dann will ich raus nach Jukkasjärvi zu Ivar. In diesem Dorf gibt es unter anderem das weltbekannte Icehotel, das jedes Jahr aufs Neue gebaut wird.
    Der Busfahrer winkt mich einfach durch, ich denke so: „Der ist ein cooler Typ!“. Etwas später erfahre ich, dass im September wegen einer Systemumstellung der Nahverkehr hier kostenfrei ist. Bin ich mal wieder zur richtigen Zeit am richtigen Platz. Nach einem Essen beim Dönermann in der Neustadt stehe ich auswärts Schwedens nördlichster Stadt und hoffe darauf, dass mich jemand die 15km mitnimmt. Und nach zwanzig Minuten ist es John, der selbst von hier aus grundsätzlich Richtung Süden und immer als Tramper in den Urlaub fährt. Von daher ist es für ihn eine Freude, mich mitzunehmen und auch einen Umweg zu fahren, um mich direkt an meinem Ziel abzusetzen. Kurz darauf kommt auch Ivar und wir haben einen schönen Abend in dem Wohnwagen, der über den Winter seine Wohnung ist. Er sagte mir, der Typ, der letzten Winter da drin gewohnt hat, lebt auch noch und sie hatten 45* unter Null. Also Mut zur Lücke! Unter anderem fügt er mich auch der Winter Workers Powercrew hinzu, einer WhatsApp-Gruppe, die erst ein paar Tage alt ist, aber so unheimlich schnell wächst, wie hier auch die Kontakte wachsen.
    Ich übernachte bei ihm, morgen muss er wieder arbeiten und ich werde zurück nach Kiruna gehen.
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