Kurs Südost

April 2016 - May 2024
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  • Idylle an der Autobahn

    April 26 in Turkey ⋅ ☁️ 24 °C

    Die Hoffnung auf klare Sicht beim ersten morgendlichen Blick aus dem Zelt wird leider enttäuscht. Der Himmel zeigt sich weiterhin extrem dunstig, so dass uns die ersehnte klare Sicht auf die uns umgebende Bergwelt weiterhin verwehrt bleibt. Dafür bekommen wir Besuch von einer vorbeiziehenden Schafherde, was auch sehr schön anzusehen ist, im speziellen die verspielten kleinen Lämmer und Zicklein. Der Hirte hält auf ein paar Worte an, will uns auch direkt zum Frühstück in ein Zelt auf der anderen Seite der Straße einladen, wo auch seine Frau und seine Kinder seien. Wir haben allerdings bereits gefrühstückt und so schlagen wir das Angebot dankend aus und verabschieden uns vom weiterziehenden Hirten. Wir üben uns indes noch eine Weile in "Faulsein" im Zelt, spaßeshalber nehmen wir uns vor: "Wir bleiben einfach so lange hier, bis die Sicht wieder gut ist." Dieses Vorhaben scheitert zwar, aber tatsächlich ist es am Ende halb zwei, als wir nach gemütlichem Vormittag endlich abfahrbereit sind. Und von diesem Zeitpunkt an haben wir es mit dem Gegenteil von Gemütlichkeit zu tun. Bei Gegenwind der kräftigen Sorte müssen wir unsere Fahrräder davon überzeugen, uns bergauf zu befördern. Nach drei Kilometern ist die erste Anhöhe erreicht, nun geht es zur Erholung eine Weile abwärts weiter. Als der nächste Berg nach oben bittet, wird die Fahrt zum Kampf: Bei weiterhin sehr starkem Gegenwind sollen Steigungen im zweistelligen Prozentbereich bezwungen werden, das ist einigermaßen spaßfrei. Keuchend kommen wir aber oben an und stellen mal wieder fest: "Es ist bestimmt total schön hier.., wenn man nur klare Sicht hätte." Einige Kilometer geht es nun bergab, bis wir im Ort Başmakçı auf die Autobahn stoßen. Auf einer kleinen Straße, die vermutlich früher vor dem Bau der Autobahn die Hauptstraße war, fahren wir fortan parallel der großen, in die Berge gehauenen Asphalttrasse. Immer wieder wechseln wir die Seite, mal unter der Autobahn durch mal oben drüber. Leider hat auch der Wind in seiner Intensität nicht nachgelassen, zu seinem lauten Rauschen gesellt sich jetzt auch noch der Lärm des vorbeisausenden Verkehrs. Obwohl normalerweise Heiko den Wind als seinen Endgegner erklärt und gerne mal verflucht, schlagen die Umstände heute eher bei Claudia auf die Stimmung...! Eine Einkaufsmöglichkeit ergibt sich leider nicht auf unserer heutigen Fahrt, aber immerhin bekommen wir die Gelegenheit, an einer Wasserstelle unsere Trinkflaschen aufzufüllen. Reichlich geschafft vom ständigen Auf und Ab entlang der Autobahn frequentieren wir um kurz nach fünf eine kleine ebene Fläche oberhalb der Straße, die unser Nachlager werden soll. Es gibt Abendessen, Tee und Kekse und dazu einen Panoramablick im Abendrot auf die munter befahrene Autobahn. Vielleicht hat das Verkehrsrauschen in den Ohren ja jedenfalls einschläfernde Wirkung...Read more

  • Sicht wäre schön...

    April 25 in Turkey ⋅ ☁️ 22 °C

    Um halb sieben beginnt unser Tag mitten im Obstbaumblütenmeer. Wie immer lassen wir es gemütlich angehen und sitzen letztendlich um kurz nach zehn auf den Rädern. Die ersten zehn Kilometer bis in die etwas größere Stadt Niğde sind zügig absolviert, geht es doch ausschließlich bergab. Wir nutzen die Gelegenheit der guten Infrastruktur und füllen bei einem Optiker Claudias Kontaktlinsenlösungsvorrat und in einem Turkcell-Laden unser Datenvolumen auf. Durch Zufall finden wir uns auf der Weiterfahrt mitten im Marktgetümmel wieder, so dass auch gleich etwas Obst und Gemüse in unseren Taschen landet. Auf schnurgerader Straße verlassen wir Niğde, der Wind weht mal wieder mächtig von vorne, die unmittelbare Umgebung ist alles andere als attraktiv. Viel Müll liegt überall verstreut herum, dazwischen tummeln sich reichlich Hunde. Wir treffen auf einen Mann, der mit seinem Auto diese Straße entlangfährt und regelmäßig hält, um die Hunde mit Wasser und Futter zu versorgen. Nach Überqueren einer Hauptstraße erreichen wir bald das Dorf
    Sazlıca. Schon vorher hatten wir uns gedacht, dass es schön wäre, wenn wir noch irgendwo ein Brot ergattern könnten. Und tatsächlich kommt es noch besser! Zu unserer Linken entdecken wir eine Backstube, die sehr vielversprechend aussieht. Neben dem üblichen Brot werden auch gefüllte Poğaca und andere Backwaren angeboten. Vor allem lacht Claudia ein köstlich aussehendes flaches Gebäck an, welches laut Bäcker mit dem süß schmeckenden Tahini zubereitet wird. Wir werden von den Mitarbeitern zum Tee eingeladen und dazu wird uns eine in Häppchen geschnittene Hälfte des blätterteigartigen Tahini-Brotes serviert. In der Backstube herrscht reges Treiben, unsere Räder vor der Tür erregen interessierte Aufmerksamkeit. Mit einer Tüte voll Backwaren verlassen wir schließlich den Laden und verabschieden uns, vorher werden wir aber noch um ein gemeinsames Foto und unseren Instagram-Kontakt gebeten. Als wir ein halbe Stunde später noch einmal die Campingstühle aufstellen, um nach dem Tee vom Bäcker noch einen weiteren zu trinken, stellt Heiko fest, dass das eben erstellte Foto bereits mit Hinweis auf uns Touristen in Sazlıca auf Instagram gepostet wurde. Die weitere Fahrt führt uns mal wieder bergauf, etwas höher als 1600m liegt unser heutiges Zielgebiet. Unterwegs widerfährt uns noch ein Erlebnis der besonderen Art: Zwei riesige Schwärme Weißstörche fliegen direkt über unsere Köpfe hinweg. Staunend blicken wir in den Himmel und schauen den Vögeln fasziniert zu, wie sie elegant durch die Lüfte gleiten. In knapp über 1600m Höhe, also noch etwas unterhalb des Gipfels, spricht uns eine Wiese als Übernachtungsort an. Hinter einem Felshaufen erhoffen wir uns ein kleines bisschen Windschutz, hier richten wir uns häuslich ein. Leider ist der Himmel wolkenverhangen und sehr dunstig, so dass die Aussicht für uns sehr beschränkt bleibt. Die schneebedeckten Berge am Horizont lassen sich allenfalls erahnen. Diverse Schaf- und Ziegenherden sind noch unterwegs, die Glocken sind in unterschiedlicher Lautstärke aus allen Richtungen zu hören. Wir genießen diesen herrlichen Platz, sitzen bei Salat mit Poğaca vor dem Zelt und schlürfen den einen oder anderen Tee. Außerdem gibt es zum Nachtisch das köstliche Tahini-Brot, das vor allem Claudia hellauf begeistert. Es ist am ehesten beschreibbar als flaches Franzbrötchen mit Sesam- statt Zimtgeschmack und laut Claudia rangiert es unter den türkischen Delikatessen ab jetzt gaaaanz weit oben. Als irgendwann die Dunkelheit hereinbricht, wird es Zeit, die Campingstühle abzubauen und gegen Isomatte und Schlafsack einzutauschen.
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  • Blühender Zeltplatz

    April 24 in Turkey ⋅ ☁️ 23 °C

    Erneut lassen wir uns um acht Uhr das köstliche Frühstück des urigen Hotels schmecken. Bereits zuvor haben wir unser Hab und Gut in die diversen Packtaschen verstaut, so dass wir einigermaßen früh in die heutige, sehr höhenmeterreiche Etappe starten. Wir verabschieden uns von unserer freundlichen Gastgaberfamilie, steuern zum Zwecke der Verproviantierung noch kurz einen nahegelegenen Supermarkt an und dann schickt das Navigationsgerät uns auch schon bergauf. Etwa 300hm haben wir in den Beinen, als wir wenige Kilometer später den ersten Gipfel des Tages auf einer Höhe von 1770m erreichen. Eine Weile radeln wir noch, bevor wir uns die erste Pause gönnen. Im zugegebenermaßen winzigen Schatten eines kleinen Bäumchens stärken wir uns für den nächsten, ungefähr 20km langen Anstieg. Früher als gedacht erreichen wir am Nachmittag die Passhöhe auf 2180m. Das Erreichen dieses Punktes muss natürlich mit Erinnerungsfoto und Kekspause zelebriert werden, die just erradelte Marke stellt schließlich einen neuen Höhenrekord auf unserer Reise dar. Tadaaaa!!!! Kurz hinter der Kuppe füllen wir an einer Wasserstelle unsere Flaschen auf, dann dürfen wir ziemlich lange rollen. Zwanzig Abwärtskilometer sind es bis zur nächsten größeren Stadt namens Niğde, die wir allerdings erst morgen erreichen wollen. So halten wir also während der Abfahrt aufmerksam Ausschau nach einem potentiellen Schlafplatz. Die Suche gestaltet sich nicht einfach: Mal geht es rechts steil rauf und links steil runter, mal finden wir die Gegend aus unerklärlichen Gründen unheimlich. Und als sich perfekte Plätze in terrassenartig angelegten Obstplantagen anbieten, ist kein Mensch in Sicht, den man um Erlaubnis fragen könnte. Das Areal erscheint uns aber doch zu privat und kultiviert, um einfach eigenmächtig dort das Zelt aufzuschlagen. So rollen wir noch ein Stück weiter, bis wir schließlich einen Platz entdecken, mit dem wir zumindest "halbzufrieden" sind. Zwischen blühenden Obstbäumen und Feldern lassen wir uns nieder. Von der nahen kleinen Straße sind wir zwar gut sichtbar, aber es hat sich ja auch bisher noch nie jemand an unseren Lagerplätzen gestört, ganz im Gegenteil. Auf dem Gaskocher brutzelt Heiko Gemüse, vom gegenüberliegenden Hang sind das Mähen und das Glockengeläute einer Schafherde sowie das dazugehörige Hundegebell zu hören. Von uns nimmt an diesem Abend niemand mehr Notiz, also schließen wir die Zeltreißverschlüsse und sagen: İyi geceler!Read more

  • Wandertag

    April 23 in Turkey ⋅ ⛅ 26 °C

    Zur vereinbarten Zeit um acht Uhr begeben wir uns in das höhlenartige Frühstücksgewölbe. Von unseren Gastgebern, einem jungen Mann und seiner Mutter, bekommen wir ein herrliches Frühstück mit allerlei Köstlichkeiten serviert. Mit gut gefülltem Magen rüsten wir uns für den Tag. Die Räder haben Pause, dafür werden die Tagesrucksäcke mit Proviant gefüllt und das festes Schuhwerk geschnürt. Als wir unseren Gastgeber fragen, ob er uns ein Taxi rufen könne, bietet er sich kurzerhand selbst als Shuttle-Service zu unserem heutigen Ziel an. Nach etwa zwanzig Minuten erreichen wir das Ihlara-Tal an der Grenze zwischen den Provinzen Güzelyurt und Aksaray, welches wie auch die ganze Landschaft Kappadokiens durch die Vulkanausbrüche des Hasandağı entstanden ist. Geformt wurde das 14 Kilometer lange Tal durch den Fluss Melendiz. Vom Talrand im malerischen Ort Ihlara, wo wir uns absetzen lassen, steigen wir hinab in die 150m tiefe Schlucht, die auch "Grand Canyon der Türkei" genannt wird (naja...). Diese wurde unserer Internet-Recherche zur Folge im 8. Jahrhundert zum Rückzugsort byzantinischer Mönche, da sie in Zeiten der Verfolgung angesichts schwerer Zugänglichkeit ein ideales Versteck darstellte. 150 Kirchen werden am Melendiz-Fluss zwischen Ihlara und Selime vermutet, bislang wurde erst ein kleiner Teil davon entdeckt. Umgeben von üppigen Bäumen und steilen Felswänden auf beiden Seiten nehmen wir die 14 Kilometer in Angriff. Unterwegs nehmen wir die eine oder andere der versteckten Höhlenkirchen, die in die Seitenwände gehauen wurden, in Augenschein. Trotz deutlicher Spuren von Vandalismus sind hier noch teilweise gut erhaltene Wandmalereien mit Szenen aus dem Neuen Testament zu sehen. Es ist ein angenehmes Spazieren im nur spärlich von anderen Menschen besuchten Tal: Mal unter schattigen Bäumen, mal in der Sonne, begleitet von Krötengequake und Vogelgezwitscher, immer entlang des Flusses, verlaufen ist quasi ausgeschlossen. Auf halber Strecke erreichen wir das Dorfes Belisirma, welches auch einen Zugang zur Schlucht bietet. Hier tummeln sich dann auch doch viele Menschen, was offensichtlich daran liegt, dass diverse kleine Restaurants am Fluss zur Einkehr einladen. Auch wir gönnen uns Tee und Gözleme, bevor wir weiterziehen. Der zweite Teil unserer Wanderung unterscheidet sich deutlich vom ersten, denn die Schlucht wird breiter und offener. Uns gefällt dieser Abschnitt sehr gut, zudem sind wir auch wieder fast allein unterwegs, seit wir Belisirma hinter uns gelassen haben. Unsere Wanderung endet schließlich im Dorf Selime, wo wir schon auf unserer gestrigen Radel-Etappe an der in den weichen Tuffstein gehauenen und sich über mehrere Etagen erstreckende Felsenkathedrale vorbeigekommen sind. Wir sitzen auf einer Mauer vor der wahrlich beeindruckenden Kathdrale und hadern mit uns: Reingehen oder nicht reingehen? Einerseits wäre es doch schön blöd, sich die Besichtigung dieser faszinierenden Anlage entgehen zu lassen, wenn man schon direkt davor sitzt...., anderseits sind wir aber auch total platt. Ein Mann, der scheinbar für den Parkplatz zuständig ist, fragt uns, ob wir die Kirchen in der Schlucht gesehen hätten. Das Innere der Kathedrale würde genauso aussehen, nur ohne Malerei, erklärt er uns. Das ist für uns das Zeichen, dem Ruf unserer schwächelnden Körper zu folgen und ohne Besichtigung unseren Hotelgastgeber zwecks Abholung zu kontaktieren. Zurück in Güzelyurt plündert Heiko einen Supermarkt und bald darauf sitzen wir bei Tee und allerlei Leckereien im Garten unseres Hotels unter einer lilafarbenen und von schwarzen Hummeln umschwirrten Blütenpracht. Am frühen Abend raffen wir uns noch zu einer kleinen Erkundung von Güzelyurt auf. Nachdem Heiko einen kleinen Drohnenflug zur ca. fünf Kilometer (Anmerkung des Drohnenpiloten: Luftlinie 1,2km) entfernten festungsartigen Yüksek Kilise (hochgestellte Kirche) unternommen hat, spazieren wir zu dem in Google Maps verzeichneten Aussichtspunkt Bakı Noktası. Wir sind hellauf begeistert angesichts des großartigen Blicks über die Stadt mit ihrer historischen Architektur, die bisweilen mit den Felsen verschmilzt. Es ist schon fast dunkel, als wir vor dem Ausgang einer unterirdischen Stadt stehen und überrascht sind, dass Licht in der Höhle brennt. Der erste Blick hinein ist fast ein wenig gespenstisch, Schatten huschen vorbei, vielleicht Fledermäuse? Wir wagen einige Schritte hinein und schauen uns um, die Gänge verzweigen sich wie in einem Labyrinth. In die Tiefe steigen wir nicht hinab, sondern treten dann doch lieber den geordneten Rückzug an. In bzw. vor einem kleinen Lokal im Ortskern kehren wir zum Abendessen ein. Es ist nur noch ein Hauptgericht im Angebot, dieses wird uns aber nebst einer Linsensuppe sehr angepriesen. Wir bestellen also die Suppe sowie das Cicken-Reis-Gericht, um kurz darauf zu erfahren, dass es leider auch keinen Reis mehr gibt. Nun gut, Brot tut es ja auch und es schmeckt uns ausgesprochen gut. Satt und erfüllt mit den vielen Eindrücken des Tages fallen wir unter dem hohen Steingewölbe unseres Hotelzimmers in die Betten.Read more

  • Güzelyurt

    April 22 in Turkey ⋅ ☀️ 16 °C

    Früh sind wir wach und frühstücken bereits um sieben Uhr bei herrlichem Blick auf den Hasandağı. Und wenn es so schön ist, gibt es auch keinen Grund zur Eile. Halb elf ist es, als die Fahrräder bepackt und wir bereit zur Weiterreise sind. Durch Zufall haben wir entdeckt, dass in drei Kilometern Entfernung direkt an unserer Route eine unterirdische Stadt liegt. Da wir eine ähnliche Attraktion in Kaymaklı durch die Routenänderung aus dem Reiseprogramm gestrichen haben, drängt sich hier ein Besuch nun quasi auf. Die "Aziz Mercurius Yeraltı Şehri" im kleinen Dorf Saratlı ist schnell erreicht, unser Aufenthalt gestaltet sich allerdings recht kurz. Nach einem ersten Eindruck in der unterirdischen Stadt müssen wir feststellen, dass FlipFlops nicht das geeignete Schuhwerk für den Gang durch die tiefen, engen Gänge ist, wo eher Trittsicherheit gefragt ist. Wir verzichten also auf die vollständige Erkundung der Stadt und fahren weiter. Das, was folgt, betitelt Heiko als "Katalogradeln". Und tatsächlich könnte man meinen, er fährt vor einer Fototapete mit dem Motiv einer violett und gelb blühenden Wiese vor sonnenbeschienenem Schneeberg.
    Bald verspüren wir einen nicht unerheblichen Hunger, da kommt uns ein erreichter "Minigipfel" gerade recht, Gipfelsturm zieht ja bekanntermaßen Chipsbelohnung nach sich. Auf einer Schotterpiste rumpeln wir anschließend dem Hasandağı entgegen, der weiterhin dass Landschaftsbild dominiert. Nach ca. 6 Kilometern haben wir wieder Asphalt unter den Reifen und den Ort Selime vor der Nase. Hier werden wir durch die typischen Gesteinsformationen eindrücklich daran erinnert, dass wir uns im weitläufigen Gebiet Kappadokiens befinden. Zu unserer Linken passieren wir die Kathedrale von Selime, ein hoch aufragender Felskomplex mit Räumen, Fenstern, Treppen und einer Kirche auf der Spitze. Schon der Anblick dieser Felsenkathedrale von außen bestätigt, dass einem neben den Highlights der Gegend mit den Tälern rund um Göreme auch die weniger bekannten Stätten ein aufrichtiges Staunen entlocken können. Heute verweilen wir an dieser Stelle nicht, da wir vorhaben, am morgigen "Ruhetag" im Anschluss an eine Schluchtwanderung hierher zurückzukehren. Wir nehmen stattdessen den nächsten Anstieg in Angriff und werden oben angekommen mit einer fantastischen Aussicht auf das Dorf Yaprakhisar und die beeindruckende Landschaft belohnt. Wir nutzen diesen herrlichen Platz für eine Kaffee-Tee-Keks-Pause, bevor es auf den Endspurt in Richtung des heutigen Zielortes Güzelyurt geht. Unterwegs durchqueren wir das Dorf İhlara und können einen ersten Blick in die gleichnamige Schlucht werfen, die wir morgen besuchen wollen. Kurz bevor wir Güzelyurt erreichen befragen wir Google nach Hotels vor Ort und entscheiden uns für ein Haus, welches laut Beschreibung über mehrere einladende Terrassen mit Panaramablick auf Stadt und Hasandağı verfügt. Wir sehen uns schon vor unserem inneren Auge auf einer der Terrassen sitzen und den Sonnenuntergang genießen. Also los, nichts wie hin! Kurz nach Ortseingang werden wir von einem jungen Paar auf deutsch angesprochen. Vermutlich haben sie die kleine deutsche Fahne gesehen, die auch in diesem Jahr neben einer türkischen an Heikos Fahrrad weht. Die beiden kommen aus der Nähe von Hannover und sind vor etwa einem Jahr hierher, in die Heimat ihrer Familien gezogen. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie nun mit einem kleinen Market und damit, dass sie ein Erdbeer- und ein Lavendelfeld bewirtschaften. Nach kurzem Plausch fahren wir weiter, schließlich ruft die ersehnte Hotelterrasse. Der Standort ist schnell gefunden, das Hotel jedoch nicht..., schade. Das nächste Hotel, ebenfalls mutmaßlich mit Terrassen-Sonnenuntergangsoption, finden wir zwar, sind aber bei Ankunft vor dem Haus so genervt von der Aufdringlichkeit der uns sofort belagernden Mitarbeiter, dass wir weiterfahren. Schließlich steuern wir das Hotel Osmanoğlu an, das zwar im Netz sehr gut bewertet wird, unser Bild von chillenden Radlern auf Terrasse vor Berg und Sonnenuntergang aber nicht erfüllen kann. Vielmehr sitzen wir in einem hübschen Garten, der zu allen Seiten von altehrwürdigen Mauern umgeben ist und warten bei einen Kaffee darauf, unser Zimmer beziehen zu können. Über die kleine Enttäuschung der nicht vorhandenen Panorame-Terrasse tröstet die Tatsache hinweg, dass wir es mit überaus netten Gastgebern zu tun haben und ein sehr besonderes Zimmer zugewiesen bekommen. Ein großer, sehr hoher Raum, der eher einem Gewölbe gleicht, wird nun für zwei Tage unser Zuhause sein. Die Sonne ist inzwischen ohne uns untergegangen, also widmen wir uns nach ausgiebiger Dusche dem, was wir besonders gut können: Essen! Im Restaurant "Ailem" (Meine Familie) genießen wir ein leckeres 3-Gänge-Menü (heute köstliche Joghurtsuppe OHNE Pansen...), bevor wir den heutigen Tag für beendet erklären.
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  • Majestät Hasandağı

    April 21 in Turkey ⋅ ☀️ 17 °C

    Am Morgen stellen wir mit dem Aufziehen der Gardinen und Öffnen des Fensters erfreut fest, dass unser Plan ist aufgegangen ist: Der Himmel ist blau und es stürmt nicht mehr, wir haben die Zeit des Unwetters perfekt genutzt, super!
    Während des Frühstück brüten wir über der Landkarte und überlegen, wir wir weiterfahren. Die ursprüngliche Planung sieht vor, dass wir den Ort Kaymaklı ansteuern, um eine dort lokalisierte unterirdische Stadt zu besichtigen. Heiko hat aber bereits vor einigen Tagen die Möglichkeit ins Feld geführt, doch lieber noch einmal in Richtung Kappadokien zu fahren. Außer der unterirdischen Stadt ist Kaymaklı nicht besonders attraktiv und da könnte vielleicht ein weiterer Besuch der magischen Tuffsteinwelt mehr Freude machen. Claudia wirft mit einem Schwenk nach Süden noch eine dritte Option ins Rennen, welche zu der noch zum Gebiet Kappadokien gehörenden İhlara-Schlucht und zu dem laut Internet-Recherche hübschen Ort Güzelyurt führt. Motiviert durch den Reiz des Neuen entscheiden wir uns schließlich für Variante 3 und basteln direkt neue Routen in der App Komoot für die nächsten drei Tage. Trotz intensiver Bemühungen gelingt es Heiko aber leider nicht, die auf dem Handy angelegte und gespeicherte Route bzw. GPX-Datei auf unsere Navigationsgeräte zu übertragen. Dafür wäre ein Computer erforderlich, vielleicht kann man uns ja an der Hoteltezeption helfen. Wir begeben uns also erstmal in unser Zimmer und sortieren unser Chaos wieder in Fahrradtaschen. Im goldverzierten Fahrstuhl geht es schließlich bei sanfter Säuselmusik mit unserem Gepäckhaufen ins Erdgeschoss, wo die Räder darauf warten, beladen zu werden. Die Nutzung eines Computers im Hotel ist leider nicht möglich, das Gerät sei kaputt. Der Rezeptionist weist uns aber darauf hin, dass es in unmittelbarer Nähe ein Internet-Café gibt. Wir bedanken uns und und machen uns direkt auf den Weg zum beschriebenen Standort, um dort festzustellen, dass von dem genannten Internet-Café außer einem Ladenschild nichts mehr übrig ist und das scheinbar auch nicht erst seit gestern. Wir wollen nicht wirklich daran glauben, dass der Typ aus dem Hotel uns verar...t hat (es gäbe ja gar keinen Grund dafür...), möglich ist es aber schon. In Sichtweite befindet sich ein Vodafone-Geschäft, wo Heiko kurz darauf unser Anliegen vorträgt. Die Mitarbeiter sind extrem hilfsbereit und so sitzt Heiko kurz darauf auf dem Chefsessel und nutzt den Geschäftscomputer für unsere Zwecke, während der Mitarbeiter uns Kaffee kocht. Trotz einiger Fehlversuche haben wir am Ende immerhin auf einem Navi unsere neue Route, ein Luxus, der uns sehr freut. Nach zwei Zwischenstopps beim Obst- und Gemüsehändler sowie im Supermarkt verlassen wir dann am späten Vormittag die Stadt Ortaköy. Bereits nach den ersten Kilometern freuen wir uns darüber, uns für diese Route entschieden zu haben. Die Strecke präsentiert sich fantastisch, das Radeln ist ein absoluter Genuss.
    Als wir eine Weggabelung an einem kleinen Baum erreichen, von der aus man einen herrlichen Postkartenblick auf einen See hat, stellen wir fest: Hier waren wir schonmal! Tatsächlich kam Heiko schon die Ausfahrt aus Ortaköy bekannt vor und nun sind wir sicher. Genau an dieser Ecke sind wir im letzten Jahr in Richtung Kappadokien abgebogen. Nun radeln wir aber südwärts weiter und sind weiterhin absolut angetan von der Strecke.
    Zudem treffen wir wie so oft auf sehr viele unglaublich freundliche Menschen, was uns immer wieder begeistert. So hält zum Beispiel ein junges Paar mit dem Auto an, während wir auf unserm ersten Gipfel pausieren, heißt uns in der Türkei willkommen, stellt die üblichen interessierten Fragen nach dem Wohin und dem Woher, schenkt uns zwei köstliche Schokoriegel und fährt weiter. Einfach nett, immer wieder!
    Wir sind ohnehin schon fasziniert von der heutigen Fahrt und der Landschaft, aber es wird noch besser: Als wir über die Kuppe fahren, schiebt sich langsam aber sicher der schneebedeckte Hasandağı ins Sichtfeld. Wir sind restlos begeistert, was für ein majestätischer Anblick! Bei dem inaktiven Schichtvulkan mit einer Höhe von 3268 Metern handelt es sich um den zweithöchsten Berg Zentralanatoliens. Euphorisch gestimmt radeln wir weiter und sind einmal mehr glücklich darüber, diese Route genommen zu haben. Im weiteren Etappenverlauf fahren wir geradewegs auf den Hasandağı zu, der Anblick ist und bleibt beeindruckend. Auf dem letzten Gipfel des Tages schenken wir der Majestät unsere volle Auferksankeit. Wir fotografieren, filmen und bestaunen den imposanten Berg aus allen möglichen Perspektiven. Irgendwann schwingen wir uns wieder in den Radsattel und rollen in der Hoffnung abwärts, einen Panoramablick-Zeltplatz zu erspähen. Etwas enttäuscht sind wir zunächst, als wir nach einigen Bergabkilometern auf eine Hauptstraße stoßen, es findet sich aber am Ende doch noch ein wunderbarer Platz. Auf einem Feld mit herrlichem Blick auf den Hasandağı schlagen wir unser Lager auf und genießen den Abend. Lange halten wir es allerdings nicht draußen aus, denn es ist empfindlich kalt. Voller Vorfreude auf die morgige Etappe begeben wir uns in die warmen Schlafsäcke. Gute Nacht!
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  • İnci Hotel Ortaköy

    April 20 in Turkey ⋅ 🌬 20 °C

    Die Wettervorhersage hat nicht gelogen, das spüren wir schon beim Aufwachen. Es weht bereits ein kräftiger Wind, der blaue Himmel ist im Begriff sich zuzuziehen. Nach dem Frühstück stellen wir uns dem aufkommenden "Lodos". Gestern bereits etwas weiter gefahren zu sein, erweist sich heute als sehr gute Idee. Sehr langsam und nur mit viel Mühe kommen wir voran. Für eine Verschnaufpause kauern wir uns in den Windschatten eines kleinen Häuschens und stärken uns mit Sesamstangen und Keksen für den Endspurt. Der Sturm bläst unvermindert weiter, die Berge am Horizont sind mittlerweile im Dunst bzw. in dem vom Wind mitgeführten Staub kaum noch zu erkennen. Schließlich erreichen wir Ortaköy und finden auch zügig das vorab im Internet recherchierte İnci Hotel, wo wir einchecken. Das uns zugwiesene Zimmer ist insgesamt eher mittelprächtig, aber was am wichtigsten ist: Es weht kein Wind! Und die ausgiebige Dusche, die wir uns zuallererst gönnen, ist erstens sehr wohltuend und zweitens auch dringend nötig. Als alle Steckdosen mit Handys, Akkus, Drohne, Ebook-Reader, Powerbanks etc. belegt sind, widmet Heiko sich dem Waschen unserer Wäsche, während Claudia einen (stürmischen) Einkauf erledigt. Mit einer großen Portion Obstsalat nebst Joghurt im Magen verdödeln wir die folgenden zwei bis drei Stunden im Hotelzimmer, bevor wir uns am Abend noch einmal hinaus in Richtung eines Restaurants begeben. Die dort bestellte (und gegessene!) Mahlzeit wird vor allem Claudia nicht so schnell vergessen. Die Speisekarte kommt auf türkisch daher, aber was soll's, türkisches Essen ist ja lecker, passt schon. Heiko schlägt als Vorsuppe eine sogenannte "İşkembe Çorbası" vor, Claudia schließt sich an, klingt ja ganz gut. Nach den ersten Löffeln fragt Claudia sich dann doch, was sie da eigentlich genau isst. Vor allem die Einlage der Suppe ist nicht definierbar und die Konsistenz komisch weich knorpelig. Augen zu und durch, die Suppe wird ausgelöffelt, die Einlage ohne Kauen runtergeschluckt. Was auch immer es war, nun ist es weg, und der folgende Dürüm ist eindeutig besser. Zurück im Hotel befragen wir Google nach unserer Vorsuppe und wissen nun, dass es sich bei "İşkembe Çorbası" um ein türkisches Nationalgericht handelt und wir Kuttelsuppe, also Suppe mit gekochtem Pansen, gegessen haben. Immerhin ist auch zu lesen: "Kutteln sind eine wichtige Nahrungsquelle, die unser Immunsystem dank ihrer kalorienarmen, faserigen Struktur und ihres Reichtums an Mineralien wie Eiweiß, Phosphor, Kalzium, Zink, Selen und B12 unterstützt." Naja, immerhin..., trotzdem wird Rindermagen seeehr weit entfernt von Claudias Lieblingsspeise bleiben. Da beschließen wir den heutigen Tag doch besser noch mit der uns gut bekannte Baklava-Schokolade...Read more

  • Die Ruhe vor dem Sturm

    April 19 in Turkey ⋅ ☀️ 21 °C

    Um sieben Uhr sind wir wach und fangen direkt an, unser Lager zu räumen, so dass bereits gegen acht Uhr die Räder bepackt sind. Kurz verabschieden wir uns noch von dem älteren Herrn, auf dessen Wiese wir gezeltet haben, dann rollen wir vom Hof. Nur ungefähr einen Kilometer weiter bietet sich ein schöner Platz für unser Frühstück an. Unter großen Weiden an einem kleinen Bach mit lauten quakenden Kröten bauen wir Campingküche sowie -esszimmer auf uns stärken uns für den Tag. Wie so oft wird unsere Rast auch heute wieder von einer vorbeiziehenden Schafherde begleitet. Erst um elf Uhr machen wir uns auf den Weg, zum Start ist direkt der erste Berg zu erklimmen. Oben in etwa 1300m Höhe angekommen rufen uns zwei Männer heran, die gerade an einem Haus werkeln oder eher vor selbigem von der Arbeit pausieren. Die beiden bieten uns zwei Stühle an und laden uns zum Tee ein und so verweilen wir hier für eine sehr nette halbe Stunde.
    Auf dem erreichten Höhenniveau geht es auf unserer Etappe wellig weiter. Die Landschaft ist herrlich, die Fahrt ein Genuss. Und wenn wir noch vor zwei Tagen leichte Zweifel hegten, heute sind sie wie weggeblasen. Felsig zeigt es sich hier und da, ansonsten viel saftiges Grün und stets die Aussicht auf ein Postkartenbergpanorama. Nach unserer heutigen Chipspause radeln wir deutlich weiter als ursprünglich geplant, was einen strategischen Grund hat. Für morgen ist laut Wettervorhersage erneut Sturm angekündigt. Auch von den Männern, mit denen wir Tee getrunken haben, erhielten wir eine entsprechende Warnung. Der "Lodos" werde morgen erwartet, ein Wind aus Süden oder Südosten, der mit Sturmböen oder auch schweren Sturm- bis orkanartigen Böen einhergehen kann. Jaja, wir haben ihn schon kennengelernt, diesen Schurken, nun kennen wir auch seinen Namen. Unser Plan sieht vor, heute die Ruhe vor dem Sturm zu nutzen und möglichst weit zu fahren, um morgen vor Einsetzen des gegen Mittag erwarteten starken Windes die Stadt Ortaköy und mit ihr ein windgeschütztes Hotelzimmer zu erreichen. Im Idealfall zieht der Sturm durch, wenn wir mal wieder uns und unsere Kleidung einer Reinigung unterziehen und sämtliche elektronischen Geräte mit Strom versorgt werden. Als die Tachos noch 28 Restkilometer bis Ortaköy anzeigen, stellen wir unweit der Straße unser Zelt an einem Feldrand auf. Während wir uns noch fragen, auf wen oder was die vielen Löcher im Boden zurückzuführen sind, zeigen sich tatsächlich die Bewohner der unterirdischen Höhlen: Ratten sind es, die im Untergeschoss unseres Zeltes hausen. In der Hoffnung, dass sie sich nicht durch den Zeltboden knabbern und wir über Nacht neue Mitbewohner bekommen, kriechen wir in unsere Schlafsäcke.
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  • Gesellig in Kaçarlı

    April 18 in Turkey ⋅ ☀️ 24 °C

    Als wir am Morgen aufwachen, dominiert weiterhin das Geräusch des Sturms, Regen und Gewitter sind aber ausgeblieben. Zu behaupten, dass wir in einer Sandkiste sitzen, wäre zwar etwas übertrieben, aber dieses feine rote Zeug überall im Zelt ist alles andere als angenehm. Wir fällen den Entschluss, unsere sieben Sachen zu packen und aufzubrechen, unser Frühstück wollen wir an einem windgeschützten Ort nachholen. Eigentlich gelingt uns der Abbau des Zeltes trotz des starken Windes recht gut, hätte Heiko da nicht eine Kleinigkeit im Zelt vergessen. Auf diese Kleinigkeit in Form von Bananen wird er aufmerksam, als er sich auf das zusammengerollte Innenzelt kniet, um die letzte Luft entweichen zu lassen. So gut es geht beseitigen wir Obstmatsch aus dem Seitenfach des Innenzeltes, um anschließend unseren ungeschützt dem Wind ausgesetzten Platz zu verlassen. Nur einen Kilometer weiter entdecken wir am Eingang eines kleinen Dorfes eine windgeschützte Ecke zwischen verlassenen und recht verfallenen Häusern, die wir für unser Frühstück nutzen. Es dauert nicht lange, da gesellt sich ein interessierter Dorfbewohner zu uns. Ein Gespräch wird allerdings nicht nur durch unzureichende Sprachkenntnisse erschwert, der Mann ist obendrein noch tracheotomiert und kann demzufolge nicht sprechen. Nach einer kurzen Konversation mittels Handy, Zettel und Stift verabschiedet er sich wieder. Wir stellen uns indes frisch gestärkt unserem heutigen Endgegner, dem Wind. Tja, und wenn man schon in der Ebene trotz Anstrengung nur 8km/h erreicht, macht das Erklimmen eines teilweise biestig steilen Berges nicht wirklich Spaß. Das vermutet wohl auch der Autofahrer, der extra anhält, um uns eine Flasche Wasser zu schenken. Irgendwann erreichen wir aber tatsächlich den höchsten Punkt und genehmigen uns an einem halbwegs windgeschützten Platz (man wird zwangsläufig bescheiden in dieser offenen und baumarmen bzw. -losen Gegend...) die Standardbelohnung: Chips! Die meisten Höhenmeter des Tages sind aber geschafft, durch hügeliges Terrain kämpfen wir uns weiter durch den Wind, über dessen Stärke auch der freundlich blaue Himmel nicht hinwegtäuschen kann. Jede noch so kleine Richtungsänderung, die den direkt frontalen Windangriff kurz außer Kraft setzt, ist eine Wohltat. Erst am Nachmittag, nachdem wir bei Heißgetränk und Kuchen eine Pause eingelegt haben, flaut es etwas ab. So radeln sich die letzten Tageskilometer etwas entspannter, bevor wir mal wieder die Augen nach einer Schlafgelegenheit offen halten. Es ist halb sechs, als wir im kleinen Dorf Kaçarlı fündig werden. Als Heiko zwei Männer fragt, ob es okay wäre, auf dem gegenüberliegenden großen Spielplatzgelände zu zelten, bieten diese einen anderen, laut ihrer Aussage sichereren, Platz in Sichtweite an. Wir nehmen das Angebot dankend an und richten unseren Lagerplatz auf der zugewiesenen Wiese vor einer kleinen Mauer ein. Etwas irritierend erscheint uns die Tatsache, dass es auf dieser Wiese auch ein bewohntes Haus sowie zwei Hunde gibt und wir uns folglich auf einem Privatgrundstück befinden, aber das nehmen wir einfach mal so hin. Nach dem Abendessen bekommen wir Besuch von einem Ehepaar mit zwei kleinen Kindern, İsmail stellt sich uns als der İmam des Dorfes vor. Kurz darauf kommt ein älterer Herr dazu, der das Haus bewohnt, auf dessen Grundstück wir lagern. Nach kurzem Wortwechsel verabreden wir, später gemeinsam Tee zu trinken. İsmail muss vorher noch die Aufforderung zum Gebet vom Minarett der Moschee rufen und auch seine Frau samt Kindern sowie der ältere Herr ziehen erstmal wieder von dannen. Wir wissen nicht genau, wann und wo später etwas stattfinden soll, warten also einfach mal ab und vertreiben uns vor dem Zelt die Zeit. Bald kommt der ältere Herr mit einem Tablett, auf welchem reichlich Teegläser und Kekse stehen. Kurz darauf erscheint eine ältere Frau und bringt einen Schal, der wohl als Teewärmer dienen soll. Der ältere Herr verschwindet wieder, um einige Minuten später eine große typisch türkische "Doppelkanne" Tee zu unserem Platz zu balancieren. Eine weitere Frau kommt dazu und stellt ein silbernes Tablett mit reichlich türkischen Süßigkeiten auf unseren kleinen Campingtisch. Und schließlich sind auch İsmail uns seine Familie wieder da und steuern Datteln uns Sonnenblumenkerne bei. Ein Junge im Teenageralter schleppt einige dicke Sofakissen ran und so sitzen wir im schwachen Schein der Straßenlaterne zu zehnt vor unserem Zelt auf dem Boden im Kreis, trinken Tee, knabbern viel zu viel Süßes und unterhalten uns in dem Maße, wie es die Sprachkenntnisse zulassen. Gegen 22 Uhr findet der gesellige Abend sein Ende und wir läuten die Nachtruhe ein.Read more

  • Überall Sand...

    April 17 in Turkey ⋅ ⛅ 20 °C

    Kühl ist es noch am Morgen, wenngleich die Nacht gefühlt wärmer war als die letzte. Eingemummelt in unseren Schlafsäcken frühstücken wir in aller Ruhe und als die ersten Sonnenstrahlen uns erreichen, wird es dann auch sofort merklich wärmer. Um viertel vor zehn verlassen wir unseren Platz am fröhlich zwitschernden Vogelbusch und strampeln zum Einstieg der heutigen Etappe bergauf. Am höchsten Punkt erreichen wir die Stadt Balâ, wo wir wie geplant einkaufen und unsere Taschen mit Proviant für drei Tage füllen. Deutlich schwerer als zuvor rollen wir schließlich stadtauswärts, zu unserer Freude erwartet uns eine längere Abfahrt. Balâ liegt hinter uns, vor uns eröffnet sich uns der Blick in eine schier endlos wirkende Weite. Unabhängig voneinander haben wir beide das Gefühl, den Großraum Ankara nun endgültig zu verlassen.
    Unser erster Pausenplatz gleicht einem Schafherden-Drehkreuz. Aus allen Richtungen tauchen die netten Wolltiere in Begleitung ihrer Hirten, zumeist auf einem Esel reitend, und einer Meute Hunde auf. Wenn die berittenen Hirten aufeinander treffen, wird ein Pläuschchen gehalten, während die laut kläffenden Hundemeuten sich mutmaßlich eher als Gegner oder Konkurrenten verstehen. Auch bei uns hält ein Hirte für ein kurzes Gespräch an. Er nimmt wahr, dass wir seinen Esel sehr nett finden und steigt prompt ab, um Heiko den Platz auf seinem Reittier anzubieten. Nach kurzem Esel-Probesitzen zieht die Herde samt ihrem Hirten und seinen 12 (!) Hunden weiter, während wir uns Kaffee/Tee und Kuchen gönnen. Eine Weile radeln wir noch durch welliges Terrain weiter, bevor die Aufmerksamkeit wieder potentiellen Übernachtunsplätzen gilt. So ganz sind wir noch nicht in diesem Urlaub angekommen, Claudia ist einigermaßen platt, Heiko plagen intermittierend Zahnschmerzen und der Wind kommt uns scheinbar am allerliebsten direkt von vorne ins Gesicht geblasen. Auch die Gegenden, durch die wir bislang gefahren sind, bieten keinen Anlass für euphorische Stimmungsausbrüche. Wir fragen uns, woran das liegen mag. Sind vielleicht die sensationellen Eindrücke unserer Herbstreise noch zu präsent? Sind unsere Ansprüche dadurch zu hoch? Würden wir genauso empfinden, wenn dies unsere erste Reise in die Türkei wäre? Ist es die Spannung und der Reiz des Neuen, was inzwischen etwas verblasst ist? Wir wissen es nicht, sind aber guter Hoffnung, dass noch viele schöne Eindrücke und Erlebnisse auf uns warten. Es ist 17 Uhr, als Heiko anhält und linker Hand der Straße in einen sandigen Fahrweg geht, um die Lage zu inspizieren. Daumen hoch lautet das Ergebnis, hier können wir bleiben. Auf einem kleinen, unbewirtschafteten Stück Wiese inmitten großer Felder lassen wir uns nieder. Unter blauem Himmel verspeisen wir den traditionellen und immer wieder leckeren Gemüsetopf mit Brot. Claudia liest gebannt ihren Krimi zu Ende, während Heiko angesichts deutlich aufkommenden Windes das Zelt, bzw. den bis zu diesem Zeitpunkt lediglich vorbereiteten Footprint neu ausrichtet. Als wir es uns im Zelt gemütlich machen, nimmt der Wind weiterhin an Stärke zu und verdient inzwischen eher den Namen Sturm. Er drückt mächtig in die Zeltwände, der Zeltboden scheint an den nicht durch uns oder andere Gegenstände beschwerten Stellen durch die kräftigen Böen abheben zu wollen. Zusätzlich ist es durch die Kombination aus trotz fester Abspannung flatternden Zeltplanen und dem Rauschen des Windes so laut, dass man sein eigenes Wort kaum verstehen kann. Am schlimmsten erweist sich aber die Tatsache, dass der Sturm feinen Sand in das Innere des Zeltes treibt (Heikos Flüche sind an dieser Stelle nicht zitierfähig...). Der Zeltboden, die Schlafsäcke und alles, was nicht nicht innerhalb von Tasche oder dergleichen befindet, ist bald von einer rötlichen Staubschicht überzogen. Der Blick nach draußen verheißt nichts Gutes. Finster sieht es aus am Horizont, ein Gewitter erscheint uns nicht unwahrscheinlich. Was das wohl für eine Nacht wird...
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