Balkan im Bulli

April - May 2022
A 38-day adventure by Bert & Rike Read more
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  • Day 1

    Schön, aber länger als gedacht

    April 22, 2022 in Germany ⋅ ☁️ 6 °C

    Endlich geht es los. Diesmal nicht mit den Motorrädern, sondern mit dem Bulli. Wir werden sehen, ob das in den sozialen Medien gefeierte Vanlife so schön ist wie das erprobte Bikerlife. Auf der A3 in Richtung Frankfurt kommen wir erst einmal in eine Vollsperrung. Die Motorradfahrer schlängeln sich durch die Rettungsgasse, was wir auch tun würden, doch sie werden ebenfalls vor der Unfallstelle gestoppt. Es steht also immer noch 0:0 unentschieden zwischen Bulli und Bike.
    Unser erster Stopp ist Ludwigsburg, dort gibt es noch etwas Geschäftliches zu erledigen und en passant treffen wir Amelie. Big hugs, Töchterchen. Nein, mit dem Riesenrad sind wir nicht gefahren, aber ein schönes Fotomotiv ist es gleichwohl.
    Am nächsten Abend noch ein Kinobesuch: Sönke Wortmanns „Eingeschlossene Gesellschaft“ spielt in einem Lehrerzimmer, in das ein verzweifelter Vater mit Pistole eindringt, um für seinen Sohn den entscheidenden Punkt zur Abizulassung zu erzwingen. Das Kollegium ist gespalten, die typischen Rollen werden messerscharf porträtiert und am Ende zeigt sich: egal, welcher Haltung die einzelnen zuneigen, niemand ist unbescholten. Wie kann man da über andere ein Urteil fällen, und sei es eine Note vergeben?
    Von Ludwigsburg geht es zur Alpe Kammeregg, dort möchten wir meinen (Berts) 60. Geburtstag feiern. Das Ganze ist für das letzte Juli-Wochenende geplant, und am Samstag würde eine Wanderung auf den Grünten naheliegen. Aber ist das eine gute Idee? Und welche Runde bietet sich an? Die, die wir laufen, könnte etwas überambitioniert sein. Sehr schön, aber länger als gedacht. Über die Grüntenhütte geht es zum Jägerdenkmal, auf den Grünten, dann zum Grüntenhaus und über Schwandalpe und Roßalpe zurück. 4,5 Stunden Gehzeit und 750 Höhenmeter ist für eine Geburtstagswanderung zu viel, das muss überdacht werden. Immerhin werden Ende Juli keine Schneefelder mehr da sein, so dass die kitzelige Stelle am Sendemast sicher begehbar sein sollte. Aber es wäre doch schön, es bis zum Grüntenhaus zu schaffen, denn dort hat Rike schon mehrfach als „Wwoof“-erin mitgearbeitet, und als wir Lutz dort oben treffen, gibt es ein herzliches Hallo und den berühmten Grünteneintopf.
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  • Day 2

    Hilft, Verlorenes wiederzufinden

    April 23, 2022 in Italy ⋅ 🌧 13 °C

    Eine den Stadtbewohnern von Rimini gehaltene Predigt fand kein Interesse, also sprach er zu den Fischen, die ihm andächtig zuhörten. Immerhin. Auch sonst ist der Heilige Antonius gefragt, u.a. als Schutzpatron der Bäcker, Schweinehirten, Sozialarbeiter und Reisenden. Er hilft gegen Unfruchtbarkeit, Pest, Fieber und Schiffbruch. Und er kann als Unterstützer zum Wiederauffinden verlorener Gegenstände angerufen werden, weshalb er laut Wikipedia in Bayern auch „Schlampertoni“ genannt wird. Ebenso soll er bei der Partnersuche helfen, wozu Single-Wallfahrten nach Padua angeboten werden. Tinder auf katholisch und analog, wenn man so will. Ganz schön geschäftstüchtig, der Vatikan. Auch in Sachen Devotionalien. Oder sollte man lieber Merchandising dazu sagen? Rike kauft jedenfalls ein Armbändchen mit Sankt Antonius, was allerdings nicht verhindert, dass ich mein Iphone-Ladekabel nicht mehr finde. Völlig verfrüht kommt das Ersatzkabel zum Einsatz, das war eigentlich erst in Woche zwei oder drei unserer Reise erwartet bzw. vorgesehen.
    Das Ganze spielt sich in Padua ab, denn dort findet sich die Antonius-Basilika (mit seinem Grab). In dieser Basilika sitzt ein Ordensbruder in einer Holzkabine, seine Mission ist die Vergabe von Pilgerstempeln. Er hat es auf Position 1 in der heutigen Bilderfolge geschafft, da er so regungslos und unwirklich in seiner Kemenate sitzt, dass man zunächst denkt, er wäre eine Wachsfigur. Hat er die vollständige innere Ruhe gefunden?
    Nach unserem Paduabesuch fahren wir in die Villa Goetzen nach Dolo. Nein, im Bulli wollten wir noch nicht übernachten, der Campingplatz inmitten des Hafengebiets und der aufziehende Regen scheinen uns für den Start ins Vanlife noch ungeeignet, also dann lieber in einer venezianischen Villa übernachten und von dort aus morgen auf die Fähre nach Griechenland.
    Der Tagesstart übrigens war in Imst. Ohne es wirklich erkären zu können, übernachten wir dort gerne im Gasthof Neuner, der direkt an der B 171 liegt (wirklich direkt an der Straße!), keinerlei Charme aufweist und dessen letzte Investitionen in Mobiliar und Ausstattung 30 Jahre zurückliegen. Das gesamt Marketingbudget fließt dafür in unglaublich große Wiener Schnitzel und beeindruckende Wursttürme am absolut veganerfeindlichen Frühstücksbuffet. Aber irgendwie verbinden wir auch schöne Anreiseerinnerungen (gemeinsam mit den Kindern zu fünft in einem Zimmer) auf dem Weg ins Ötztal mit dem Gasthof Neuner. Old habits die hard. Nor do good memories, luckily.
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  • Day 3

    Erst hektisch, dann wie in Zeitlupe

    April 24, 2022, Adriatic Sea ⋅ ⛅ 15 °C

    Wir sind viel zu früh am Fähranleger in Fusina. Die Anfahrt führt durch ein verwirrendes und abweisendes Hafengelände. Zwei erfahrene Wiesbadener Mobilcamper (Typ Kastenwagen) werden uns später auf der Fähre berichten, dass sie direkt am Check-In der Fährgesellschaft die Nacht in ihrer rollenden Unterkunft verbracht haben. Aber warum? Ist es Ziel des Vanlifes, an möglichst hässlichen Plätzen zu übernachten? Da war unsere italienische Villa mit einem Frühstücksraum in den 4711-Farben türkis und gold ansprechender. Und die mit einer Creme überbordend gefüllten frischen Teilchen sowieso.
    Unser Plan, in der Schlange vor der Fähre alles Nötige für die Überfahrt von Venedig nach Igoumenitsa ordentlich neu zusammenzustellen und in eine Tasche zu packen, geht nicht auf. Wir werden unmittelbar nach Ankunft an allen vorbei gewunken, da ein Mitarbeiter der Reederei mit geschultem Blick erkennt, dass unser Bulli genau jetzt in eine wie für ihn geschaffene Lücke tief in den Bauch der Fähre muss. Hektik macht sich breit. Wo sind die Papiere? Die Pässe? Rike muss aussteigen und als Fußgängerin auf die Fähre. Warum? Werden wir uns wiedersehen, wenn ja, wo?
    Am Ende wird alles gut. Wiedervereinigung auf Deck 8. Die Außenkabine riecht streng (wie mögen erst die Kabinen duften, in denen Haustiere zugelassen sind?) und ist tiefgekühlt. Woran man nichts machen könne, in einer Stunde würde es besser. Was sich so als nicht richtig herausstellt, oder die griechische Stunde dauert viel länger. Wie überhaupt alles auf einem Schiff wie in Zeitlupe stattfindet. Die Langsamkeit der Fortbewegung scheint sich auf Schiffspersonal und alle Mitreisenden zu übertragen. Die wiederum sind entweder Rentner (viele) oder Trucker (auch viele, die sich häufig temperamentvoll unterhalten, vielleicht auch streiten, aber durchweg in unverständlichen Sprachen) oder Familien mit Kindern, die noch durch die Schule zu gebildeten Menschen gemacht werden müssen (wenige). Außerdem vier Biker (zweimal BMW, zweimal Harley, letztere mit dicken Bäuchen) und zwei allein reisende Rucksack-Touristinnen mit alternativem Touch, verklärtem Blick und Kindle-Reader.
    In diesem Slow-Motion-Setting bleibt viel Zeit. Zum Beispiel um den Lido vor Venedig zu bewundern sowie die gesamte zugehörige Lagunenlandschaft, die eine eigentümliche Melancholie ausstrahlt. Auch Felix Masterarbeit will ein letztes Mal gelesen werden, und Rike nutzt die geschenkte Entschleunigung, um in einem Zug einen Krimi zu verschlingen. Ich selbst tippe diesen und die zwei Vorgängerblogs ein und beginne ein sehr stimmungsvolles Buch, das die Geschichte einer Familie im Banat erzählt und den poetischen Titel „Die Unschärfe der Welt“ trägt. Das passt, denn auch auch die Fährfahrt macht alles unschärfer, verschwommener und unwirklicher … Ihr merkt: Es wird Zeit, dass die Schaukelei ein Ende hat und der Kopf wieder klar wird. Noch 3 Stunden bis Igoumenitsa …
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  • Day 4

    Ravioli alle

    April 25, 2022 in Greece ⋅ ⛅ 16 °C

    Und das kommt so: Die Fähre ist zu spät in Igoumenitsa. Wahrscheinlich ist sie das immer. Und dann fehlt der Fahrer des in erster Reihe stehenden LKWs. Überhaupt unglaublich, wie dieses Auto- und LKW-Gewirr sich wieder entknotet. Irgendwann rollen wir auch wieder vom Schiff und denken, dass wir es bis zum ausgesuchten Campingplatz Vassiliki Beach im Süden Lefkadas schaffen werden. Natürlich müssen wir zwischenzeitlich noch den Luftdruck prüfen, weil das Warnlämpchen Druckabfall anzeigt. Den wir aber nicht haben. Und irgendwie zieht sich somit alles etwas hin. Wir atmen auf, als wir den Campingplatz sehen und gratulieren uns gegenseitig, dass wir das gerade noch im Hellen geschafft haben. Der Camperneuling baut nämlich gerne noch vor Sonnenuntergang seine Wagenburg auf.
    Allerdings wäre es gut gewesen, doch noch einmal vorher anzurufen. Vassiliki Beach hat nämlich noch geschlossen. Immerhin: Eine halbe Stunde später finden wir einen offenen Platz in der Nähe von Nydri. Die Rezeption ist nicht mehr besetzt, aber wir interpretieren das als „freie Stellplatzwahl“ und stehen wenige Augenblicke später zwei Meter vor dem Ufer mit Blick auf eine wirklich sehr schöne kleine Bucht. Dies allerdings hungrig. Und um uns herum ist nicht viel los. Außer ein paar kläffenden Hunden und einem jungen deutschen Paar mit Kleinkind in Elternzeit (Campertyp: Kastenwagen mit individuellem Innenausbau) will sich zu dieser Jahreszeit noch niemand auf dem Desimi Beach Campingplatz aufhalten. Von offenen griechischen Tavernen und weinseligem Alexis-Sorbas-Leben jedenfalls keine Spur. Weshalb der Gaskocher erstmals in Betrieb genommen wird und die Notfalldose Ravioli ihre kurze Mitreise unerwartet schnell beendet.
    Erkenntnis des Tages: Quartiersuche über Booking.com auf Motorradfahrten funktioniert, Campingplatzsuche für den Bulli aufs Geratewohl nicht. Im Vergleich Bikerlife zu Vanlife steht es somit jetzt 1:0 für Bikerlife.
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  • Day 5

    Der schönste …

    April 26, 2022 in Greece ⋅ ☀️ 18 °C

    … Strand Griechenlands heißt Porto Katsiki. So steht es überall, im Lonely Planet, in den Hitlisten der schönsten Strände auf Pinterest und in unserem (übrigens empfehlenswerten) „Roadtrip-Handbuch“ (früher: Reiseführer) mit dem Titel „Balkan-Halbinsel“. Also los, da müssen wir hin. Schon die Anfahrt auf engen Küstenstraßen ist mit atemberaubenden Ausblicken gespickt, allerdings weder auf viel Verkehr noch auf große Campervans ausgelegt. In der Hochsaison kann das hier verkehrstechnisch bunt werden, aber noch ist der Andrang überschaubar, und unser kleiner Bulli bewährt sich bei der Anfahrt. Die Steilküste mit Badebucht sieht dann tatsächlich aus wie aus dem Bilderbuch. Wir lernen (und sehen es an einem unbegehbaren, in sich verschobenen Treppenpfad), dass es 2015 ein Erdbeben gab, das einige Strandzugänge an der steilen Westküste Lefkadas zerstörte. Aber zum Kiesstrand von Porto Katsiki sind es nur wenige Stufen, und die sichelförmige Bucht wird von der Sonne auch Ende April schon ordentlich aufgeheizt. Jedoch ist das türkis-blaue Wasser mit 15 Grad hinterhältig kalt (im September wird es 8-10 Grad wärmer sein), was nur hartgesottene Schwimmer oder adipöse Menschen gut aushalten können. Rike ist ungefähr 60 Sekunden im Wasser, mein Aufenthalt unterschreitet 30 Sekunden. Dass Pauline und Sam vor einigen Wochen auch hier waren und den einsamen Strand mit einer Hebefigur feierten, entdecke ich gerade hier in einem Find Penguins Footprint: herzliche Grüße an Euch beide!
    Zurück auf unserem Campingplatz „Desimi“ tauschen wir uns noch mit einem Schweizer Ehepaar aus (eigentlich Typ Luxuswohnmobil, aber unterwegs in einem fast bescheiden anmutenden Mercedes Marco Polo). Sie Holländerin, er Schweizer, auf dem Rückweg einer (fünfmonatigen) Reise, die sie teilweise in einer Wohnmobilgruppe unternommen haben. Sie waren in Jordanien und im Oman und sind nun zurück auf dem Weg nach Schaffhausen. Und sie haben sich im Internet zwischenzeitlich ein größeres Fahrzeug gekauft, mit dem es für die Mitsechziger bald nach Südamerika geht. Ein wackeres Völkchen, diese Vanmobilisten, zumindest die meisten, die man um diese Jahreszeit antrifft. Und allesamt sehr kommunikativ, vielleicht dürsten sie nach langer Zweisamkeit auf engem Raum auch nach alternativen Gesprächspartnern. Dies würde mit Sicherheit auch für zwei ältere Camping-Spezialisten aus Bad Tölz gelten, die seit nun 36 Stunden ihr Lager aufbauen. Typ KIA-SUV in (nicht zu kräftigem) rot-metallic mit Wohnwagen Fendt, großes Vorzelt, mobile Küchenzeile … und am Ende hissen sie die bayerische Fahne. Wir grüßen uns freundlich bei der Abfahrt, ein Gespräch galt es aber auf das Entschiedenste zu vermeiden. Kein Zweifel: sie haben jeden unserer kleinen und großen Anfängerfehler beobachtet und hätten uns sehr gerne gute Ratschläge gegeben.
    Unser Campingplatz-Gastgeber Dimitri ist im Übrigen ausnehmend freundlich sowie ein Freund der Gartenzwerge und des Bargelds. Wie auch immer: Der Platz liegt großartig, fünf von fünf Sternen.
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  • Day 6

    Wer hat den Größten?

    April 27, 2022 in Greece ⋅ ☀️ 23 °C

    Ein Fahrtag steht an. Etwa 250 km sind es bis Delphi. Das Orakel wartet auf uns, Ausgangspunkt soll der Campingplatz Delphi sein. Dessen erhöhte Südwest-Lage ermöglich einen herrlichen Blick auf eine Bucht des Golfes von Korinth, über Olivenhaine hinweg.
    Der Platz ist zu dieser Jahreszeit noch nicht stark frequentiert und wird vor allem von sehr großen und sehr teuren Campmobilen besucht. Einige springen ins Auge. Die niederländische Familie mit drei semmelblonden Kindern hat sich ein altes Feuerwehrauto umgebaut und will uns unter #durchfamilyadeventures auf Instagram an ihrer heilen Welt teilhaben lassen. Daneben der trutzig-trotzige Mercedes-LKW-Van mit deutscher Flagge und dem Schriftzug „Tourist“ über der Fahrerkabine. Neben uns das „Bimobil“ auf Sprinterbasis, dessen Augsburger Bewohner uns über ihr Nummernschild ihre Geburtsjahre 54 und 59 mitteilen. Und direkt neben uns erneut ein Paar in Elternzeit mit Kleinkind, das nur ausnahmsweise (zum Wäsche waschen) einen Campingplatz anfährt und ansonsten lieber mit ihrem Nissan-Pickup (mit Dachzelt) in Albanien in unwegsamen Gegenden unterwegs ist.
    Dagegen ist unser Bulli-Setup geradezu schlicht. Wir haben es trotzdem nett und stellen unseren California Beach mittags vor eine Palme, damit er seinem Namen Ehre macht. Und wir holen die Klappstühle heraus, weil man das als Camper so macht und es auch irgendwie praktisch ist.
    Keine Angst: Morgen enden die Betrachtungen über das Vanlife. Dann gibt es endlich alte Steine und griechische Götter.
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  • Day 7

    Zukunft ist Frauensache

    April 28, 2022 in Greece ⋅ ☀️ 22 °C

    Kassandra konnte in die Zukunft sehen. Geglaubt hat ihr allerdings niemand. Und Pythia, die geschäftsführende Priesterin des Orakels von Delphi, blieb in ihren futuristischen Aussagen regelmäßig uneindeutig. Was zu einigen herben Enttäuschungen in der Männerwelt führte. So wollte Krösus eigentlich nur wissen, ob er die Perser schlagen würde. Dass sich die Antwort, er würde „ein großes Reich zerstören“, letztlich auf seine eigenen Ländereien bezog, hatte er so nicht verstanden. Auf diese Weise verflüchtigte sich sein Reichtum wieder. Der Herr gibt´s, der Herr nimmt´s. Es ist also so eine Sache mit den weiblichen Prophezeiungen, wobei ich politisch korrekt hinzufügen möchte, dass ein Zusammenhang zwischen Geschlecht und Vorhersagequalität nicht erwiesen ist. Das Theater in Delphi ist jedenfalls großartig (5.000 Menschen passten da hinein), und das Stadion ebenso. Denn wie wir lernen, gab es im antiken Griechenland keineswegs nur die eine olympische Sportstätte, sondern die panhelenischen Wettkämpfe fanden an verschiedenen Orten statt. Die Kurzstrecke über 178 m war zu schaffen, allerdings mussten sie die Sportler nackt zurücklegen. Wo bleibt denn da das Schamgefühl? Vor der Arena beobachten wir einen Franzosen in einem T-Shirt mit DDR-Emblem (warum?), ihm mangelt es ebenfalls daran. Ein Apollon-Tempel rundet das Bild ab. Als der zuständige Gott für Musik, Kunst, Licht und Prophezeiung bietet sich das an. Zusammenfassung Delphi: Fünf von fünf Kultursternchen, wunderbare Steine und Geschichten … und eine großartige Lage.
    Weiter geht es zum Kanal von Korinth, der die Peloponnes strenggenommen von einer Halbinsel zu einer Insel macht und den Seeleuten 400 Kilometer Umweg erspart. Allerdings ist er zwar sehr tief (was sich findige Bunjee-Jumping-Anbieter zunutze machen), aber nicht besonders breit, so dass große Schiffe da nicht durchpassen. Was auch egal ist, da er seit 2021 nach einem Erdrutsch auf unbestimmte Zeit gesperrt ist. Unser Campingplatz bringt uns in Startposition für Epidaurus, davon morgen mehr. Er liegt mitten in einem Anbaugebiet für Orangen. Es duftet süßlich-aromatisch. Rike erwirbt von einem Straßenhändler einen Sack frischer Früchte. Das stellt sich als vorschnell heraus, eröffnet uns doch der Campingplatzbetreiber, wir könnten einfach seine Apfelsinen pflücken.
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  • Day 8

    Can’t Remember

    April 29, 2022 in Greece ⋅ ☁️ 21 °C

    Nachdem Rike ihre Yogaübungen abgeschlossen hat, fahren wir eine kurze Strecke zum Theater von Epidauros. Ein beeindruckendes Halbrund tut sich vor uns auf. Gebaut im 4. Jhdt. vor Chr. hielt es 14.000 Plätze (sic!) für seine Besucher aus Athen, Sparta und Korinth bereit und beeindruckt mit einer überraschend guten Akustik. Wir erhalten eine unverhoffte Hörprobe, denn eine stimmgewaltige und sangesgeschulte Besucherin gibt spontan eine kleine Arie zum Besten, was uns einen schönen, anrührenden Moment schenkt. Die gesamte Anlage ist eine Kultstätte für den Heilgott Asklepios, entsprechende Tempel- und Altaranlagen lassen sich begutachten, und erneut gehört ein (sehr schönes) Stadion zu Anlage.
    Weiter geht es nach Nafplio, einer hübsch anzusehenden Hafenstadt, in der man alles haben kann: touristischen Nepp, Luxusmarken, griechische Sandalen, Salatbesteck aus Olivenholz und „Xynomyzithra“. Das ist ein in Filoteig ausgebackener Molkekäse mit Sesam und Honig. Ich mag so etwas, muss allerdings konzidieren, dass er etwas schwer im Magen liegt.
    Außerdem kann man in Nafplio an diesem Wochenende - da Yachtmesse - ein Motorboot kaufen. Wenn man so etwas mag und ein wenig gespart hat. Das erste Schiff, das wir sehen, ist etwa 80 Meter lang. Es liegt einem auf der Zunge: Erstbesitzer wahrscheinlich ein russischer Oligarch. Daneben aber auch kleinere Boote, manche mit harmlosen Namen wie „Endless Summer“, manche für Bösewichte (z.B. die komplett schwarz lackierte „O’Pati“) und manche, die auf Steuerhinterzieher als Vorbesitzer hindeuten („Can´t Remember“).
    Unser Campingplatz „Semeli“ in der Nähe von Leonidi ist etwas schlicht und vor allem laut: erst singen griechische und österreichische Kletterer (es gibt einen Kletterfelsen in Leonidi) lange und falsch Zeltlagerlieder. Als sie endlich in ihre Kuppelzelte kriechen, beginnen Straßenhunde ausdauernd zu kläffen, und als das irgendwann endet, fangen bereits die griechischen Gockel an, um die Wette zu krähen. Nicht gut.
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  • Day 9

    Don’t Drink and Drive

    April 30, 2022 in Greece ⋅ ⛅ 20 °C

    Monemvasia ist ein kleines, in den Felsen geklebtes Örtchen, das nur durch einen schmalen Damm mit dem Festland verbunden ist. Die fast 200 m über dem Wasser aufragende Festungsanlage machte es sicherlich zu seinen Hochzeiten uneinnehmbar. Mit seinem Labyrinth aus Gassen, Treppen und Pfaden stellt es einen schönen Abenteuerspielplatz für ältere Touristen dar. Und es ist außerordentlich zugig, was Rike in einem Torbogen mit flatternder Hose austestet.
    Eine Stunde weiter sehen wir die Überreste eines missglückten Wendemanövers. Es ranken sich verschiedene Mythen um das Wrack der Dimitrios, ich tippe auf übermäßigen Ouzo-Genuß. Don’t Drink and Drive. Seit den 80er Jahren liegt das Schiff am Valtaki-Beach und bietet schaurig-schöne Einblicke in den Schiffsbauch. Bzw. was davon noch übrig ist.
    Zuvor fahren wir auf einer sich die Küste hinauf- und hinabwindenden Straßen durch schöne grüne Landschaften. Rike stellt mit botanisch geübtem Blick fest, dass alle Pflanzen hier sehr groß seien, der Riesenfenchel (Bild) gibt ihr recht. Zwischen den Olivenhainen sehen wir immer wieder Solaranlagen. Das sieht angesichts der Sonneneinstrahlung plausibel aus, lohnt hier ein Investment?
    Wir übernachten am Beach Mavrovouniou, in der Nähe von Gythio. In Kürze werden hier große Meeresschildkröten zur Eiablage an Land kommen. Wir gehen am späten Abend einmal schauen, ob eine evtl. etwas zu früh dran ist, aber die innere Uhr der „Caretta caretta“ scheint zu funktionieren, noch kein Tier da.
    Gythio selbst ist ein lebhafter kleiner Hafenort. Wir positionieren uns abends in einem Lokal direkt an der Straße (wobei ehrlich gesagt alle Tavernen an der Straße sind), essen gegrillten Red Snapper und hören uns den Klang alter 3er BMWs an, deren Auspuffanlagen jeweils den Wert des gesamten Fahrzeugs übersteigt.
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  • Day 10

    Schrill und klebrig

    May 1, 2022 in Greece ⋅ ☁️ 19 °C

    Schlechtes Wetter kündigt sich an. Dem wollen wir ausweichen. Athen lockt mit Geschichte und einem warmen Hotelzimmer. Campingpause.
    Unser abendlicher Rundgang durch Psyrri und Monastiraki zeigt uns die schrille Seite Athens. Höhepunkt ist das Little Kook, eine quietschebunte Mischung aus Alice im Wunderland und Weihnachten. Das Ganze gilt als Café, man kann dort wohl auch etwas zu sich nehmen, aber darum geht es nicht. Wer perfekten Süßkram sucht, also wir, ist im „Mona Lisa“ mit dem programmatischen Claim „L’Atelier del Gelato“ ohnehin besser aufgehoben. Wer könnte bei diesem „Visual Merchandising“ widerstehen? Wir nehmen eine frische Waffel mit Pistazien, die zum Schluss noch liebevoll mit flüssiger Schokolade übergossen wird. Unglaublich klebrig und in der sich durch die Gassen schiebenden Menschenmenge schwierig zu essen, aber herrlich.
    Da dieser Footprint ohnehin ausschließlich gastronomisch geprägt ist, noch ein letzter Tipp: Hoocut serviert alles Mögliche in Pitatschen, zum Beispiel Wildschweinwurst, schnell und günstig. Es ist so eine Art griechischer Fastfood-Betrieb, aber durchaus lecker und mit netter Atmosphäre. Last not least die finale Erkenntnis des Tages: das Nymphenbier hat das fantasievollste Dosendesign. Bisher unser griechischer Hopfenfavorit.
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