Ghana 2023

February - March 2023
Um dem Rostocker Ekel-Januar, dem Unialltag und meiner Doktorarbeit zu entfliehen, reise ich für sechs Wochen nach Ghana, davon verbringe ich vier bei der Organisation You4Ghana mit einer Famulatur und zwei auf eigene Faust mit Urlaub. Read more
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  • Day 28

    Koforidua und Fahrt nach Atimpoku

    March 11, 2023 in Ghana ⋅ ☁️ 3 °C

    Nach einer erholsamen Nacht in richtigen Betten, wollten wir Koforidua erkunden. Auf dem Plan standen der Beads-Market und eine Wanderung zu Wasserfällen in der Umgebung. Aber Pläne sind in Ghana bekanntlich schwer einzuhalten, besonders wenn eine der Mitreisenden über Nacht einen Magen-Darm-Infekt entwickelt.

    Svenja ging es wirklich nicht gut, trotzdem kämpfte sie sich mit uns die anderthalb Kilometer die Straße herunter zum großen Glas- und Keramikperlenmarkt, dem Beads-Market. Richtig groß ist der Markt nur Donnerstags und wir waren früh dran, deshalb sah das Gelände eher trostlos als quirlig und bunt aus. Einige Lädchen hatten allerdings geöffnet und wir arbeiteten uns durch die Unmengen an Kettchen und Armbändern, immer auf der Jagd nach schönen Souvenirs. Wie auf den meisten Märkten in Ghana war das Angebot an den unterschiedlichen Ständen sehr gleich und beim Gros der Perlen zweifelte ich doch stark daran, dass sie nicht irgendwo industriell in Massen hergestellt wurden. Egal, Hauptsache hübsch sind sie!

    Es versprach ein sehr heißer Tag zu werden und ziemlich schnell verzogen wir uns wieder vom Markt, um etwas zu frühstücken. Das Hostel und der Markt lagen in einem ruhigen Randviertel Koforiduas, aber Jonas hatte einen Imbiss mit guten Bewertungen herausgesucht, der nur wenige Minuten entfernt sein sollte, Flora´s Eatery.

    „Slow food“ ist für mich eigentlich ein sehr positiver Begriff. Die ghanaischen Dimensionen dieser Langsamkeit bringen mich und meinen Magen allerdings regelmäßig an die Grenze der Belastbarkeit.
    Wir waren die einzigen Gäste in Flora´s Eatery und uns bediente ein sehr netter Ghanaer, der völlig überrascht und etwas überfordert damit schien, dass überhaupt jemand Essen bestellen wollte. Spätestens als er eine halbe Stunde nach unserer Bestellung losging, um die Eier für unsere Omeletts zu kaufen, wussten wir, dass wir unseren Tag hier verbringen würden.

    Wir machten das Beste draus und spielten Karten, wir hatten es ja gemütlich mit Ventilator in einer Art Gartenlaube. Außerdem ging es Svenja zunehmend schlechter und die Sonne brannte auf uns herab, weshalb wir unsere Wanderung sowieso gestrichen hatten. Als das Omelett dann fertig war, wurden wir gefragt, ob wir nicht gleich noch Mittagessen bestellen wollten und wie wir nix Besseres zu tun hatten, warteten wir weitere anderthalb Stunden auf unsere Spaghetti mit Tomatensoße.

    Zurück im Hostel gab es eine Lagebesprechung. Svenja brauchte dringend Ruhe, um sich auszukurieren, deshalb beschlossen wir, dass sie mit Jonas als Begleitung zurück nach Obomeng fahren sollte. Tanja, Laura und ich würden wie geplant weiter nach Atimpoku fahren, um den Volta-Fluss und den Staudamm zu erkunden. Jonas und Svenja nahmen sich einfach ein Taxi, wir anderen drei waren natürlich geizig und abenteuerlustig und fuhren mit dem Trotro.

    Abgesehen von der reinen Strecke und Fahrtzeit war diese Trotro-Fahrt die mit Abstand schlimmste meines ganzen Aufenthalts. Der Wagen war eine absolute Schrottkarre, der Fahrer hatte scheinbar einen ganz, ganz dringenden Termin an unserem Zielort, wir weit ab von vernünftigen Straßen und kurz vor Schluss entlud sich die Schwüle des Tages in einem hefigen Wolkenbruch, der die Sandpisten für eine knappe Stunde in Flüsse verwandelte. Zu dem Zeitpunkt steckten wir in einem Dorf in einem Verkehrskollaps fest und es ging weder vor noch zurück, während das Wasser durch das undichte Dach tropfte.

    Jeder Schrecken hat ein Ende und mit Einbruch der Dunkelheit kamen wir an unserem Hotel an, dem „Sweet Green“. Wir wurden sehr herzlich von Abigail begrüßt und fühlten uns sofort wohl in unserem schönen, frisch renovierten Zimmer. Der Flur war nach außen hin offen und dort sitzend genossen wir unser Abendessen in der jetzt frischen und kühlen Luft. Was für ein Trip!
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  • Day 27

    Ausflug ins Kakao Institut

    March 10, 2023 in Ghana ⋅ 🌧 33 °C

    🎵Yo, ich bin fresh Dumbledore, back from the underground, back for more! 🎶

    Der letzte Footprint ist lange her, deshalb: Ich lebe noch, mir geht's gut, ich bin nicht an Durchfall gestorben, ich war einfach nur faul.
    Ich werde versuchen, die fehlenden Tage noch nachzuholen, aber ich möchte nicht weiter ins Hintertreffen geraten und lege deshalb einfach mit dem heutigen Tag los. Außerdem ist Anachronie ein beliebtes Stilmittel, also werdet ihr damit schon zurecht kommen.

    Heute sind Tanja, Laura, Svenja, Jonas und ich zu einem langen Wochenende in die Volta-Delta Region aufgebrochen. Die anderen werden am Montag zurück nach Obomeng fahren und ich werde noch eine Nacht in Accra verbringen, bevor ich dann früher als ursprünglich geplant nach Deutschland zurückkehre.

    Unsere heutige Etappe führte uns zunächst nach Tafo, einer kleinen unscheinbaren Stadt in der Eastern Region nördlich von Accra. Hier gibt es fast nix und der einzige Grund, hier ein Trotro zu verlassen, ist das "Cocoa Research Institute of Ghana" - unser erstes Ziel!

    Torben hatte für uns telefonisch einen Termin mit Führung organisiert und auf dem weitläufigen Campus und Forschungsgelände angekommen fanden wir auch recht schnell den Public Affairs Officer Geoffrey, der uns bereits erwartete. Geoffrey war der Meinung, dass ich der Guide der Gruppe sei und bat mich in sein Büro, um das Geld für die Führung zu bezahlen. Wie Alles in Ghana dauerte es unnötig lange, bis die Quittung ausgefüllt und alle Fragen geklärt waren, letztlich standen wir in seinen Unterlagen als "Besuchergruppe der Universität für Medizin Deutschland". Hauptsache es klingt offiziell!

    Die Führung begann mit einer kurzen Präsentation Geoffreys über die Geschichte der Kakaopflanze in Ghana. Dann zeigte er uns die unterschiedlichen Labore für Schädlingsbekämpfung, Bodenqualitäten, Molekularbiologie und Pilzerkrankungen und die Testbereiche zur Kakaofermentierung und - trocknung. Es war wirklich interessant, besonders der Leiter des molekularbiologischen Labors nahm sich viel Zeit und erklärte uns ausführlich seine Arbeit, nachdem er gemerkt hatte, dass wir die Grundlagen der Gensequenzierung aus unserem Studium gut kannten.

    Dann kam der Teil der Führung, auf den wir uns am meisten freuten: Das Aromalabor! Dort werden die Bohnen aller Züchtungen und Farmen regelmäßig getestet und den Bauern ihre Fehler zurückgemeldet. Dazu werden die von der Bauern fermentierten und getrockneten Bohnen standardisiert geröstet und dann zu 100%iger Schokolade verarbeitet und diese dann professionell verkostet.

    Je nach dem, welche Fehler in der Verarbeitung gemacht wurden, entwickeln sich charakteristische Fehlaromen. Egal, ob zu lange fermentierten wurde, oder zu kurz getrocknet, oder ob der Farmer minderwertige Bohnen beigemengt hat, alles wird hier durch die geübten Zungen der Forscher entdeckt.

    Davon durften wir uns selbst überzeugen und eine ganze Reihe von Proben testen. Zugegebener Maßen war selbst die korrekt verarbeitete Schokolade ohne jeglichen Milch- oder Zuckerzusatz nicht gerade lecker, aber trotzdem konnten wir deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen, auf verschiedene Arten falsch verarbeiteten Bohnen schmecken!

    Um den bitteren Nachgeschmack zu überdecken, gab es im Anschluss eine weitere Verkostung, dieses Mal von richtiger Schokolade. Pur, oder mit Zitrone oder Kaffee oder Chilli, die Auswahl war groß und wir langten ordentlich zu, immerhin hatten wir noch kein Mittagessen gehabt!

    Eigentlich wollten wir jetzt gerne ordentlich Souvenirs kaufen, aber der Shop des Instituts hatte beinahe nichts auf Lager und so mussten wir zwar mit unserem Geld, aber ohne Schokolade mit Geoffrey zurück zu seinem Büro, um die Tour dort zu beenden.

    Mit einem weiteren Trotro ging es dann nach Koforidua, hier hatten wir unser Hostel gebucht. Erst bei Ankunft stellte sich heraus, dass der Name "Gnat" nicht für ein cooles, hippes Tourihostel steht, sondern für "Ghana National Association of Teachers" - wir waren in der ghanaische Variante eines Kongresszentrums gelandet. Für 5€ die Nacht im Doppelzimmern war uns das aber egal, genauso wie die Tatsache, dass unsere Zimmer aktuell keinen Strom hatten und das ganze Gebäude dabei war auseinanderzufallen.

    Den Abend verbrachten wir in der Stadt in einem richtigen Restaurant, dem Linda d'Or, mit typischen ghanaische Gerichten. Die Portionen waren riesig und erklärten, warum die Chefin sich über unsere große Bestellung lustig gemacht hatte. Im Anschluss gingen wir noch in eine Bar und ließen den Abend Karten spielend ausklingen.
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  • Day 18

    Bobiri Butterfly Sanctuary

    March 1, 2023 in Ghana ⋅ ⛅ 25 °C

    Frische Brötchen, Kaffee und Tee, Milch, Minipfannkuchen, Muffins, selbstgemachte Marmeladen, frisch gekochte Eier- das Frühstück war herrlich!

    Die Regenwolken hatten sich über Nacht verzogen und zum ersten Mal einen knall blauen Himmel hinterlassen, denn all der Staub und Dreck war aus der Luft gewaschen worden. Ein letztes Mal erwogen wir, einfach noch länger im Hostel zu bleiben, aber dann packten wir doch unsere Sachen um auszuchecken. Die Unterkunft selbst war mal wieder ein Schnäppchen (12€ p. N.), aber die Souvenire schlugen ordentlich zu Buche. Egal, hier war das Geld sicher gut aufgehoben!

    Mit den Taxis ging es dann zur Trotro-Station, von wo wir zu unserem nächsten Halt fahren wollten: Dem Bobiri Butterfly and Forest Sanctuary.

    Ghana hat einige Nationalparks zu bieten, allerdings sind die meisten davon nicht touristisch erschlossen und ohne Campingausrüstung und Guide kaum begehbar. Dieser sollte laut meinem Reiseführer jedoch ein Besucherzentrum bieten, theoretisch sogar mit Übernachtungsmöglichkeit.
    Außerdem lag er nah an der Verbindungsstraße von Kumasi nach Nkawkaw, also perfekt, um einen Besuch in die Rückfahrt zu integrieren.

    Mit etwas Verhandlungsgeschick überzeugten wir den Trotro-Fahrer zu einem guten Preis den ganzen Tag unser Shuttle zu spielen und konnten so ganz entspannt bleiben, als wir auf holprigen Pfaden in den Wald einbogen und keinen Empfang mehr hatten.
    Fast eine halbe Stunde ging es in die Wildnis und immer mehr bunte Schmetterlinge tauchten zwischen dem Dickicht auf. Dann öffnete sich der Wald zu einer großen Lichtung hin, auf der einige verstreute Gebäude das Sanctuary bildeten. Überall blühen Sträucher und Bäume und wurden von den Schmetterlingen angeflogen.

    Vor dem Haus begrüßte uns der Parkranger und führte uns dann auf eine Veranda mit Blick auf den Wald. Er betreut zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen den Park und lebt auch dort.
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  • Day 14

    Kumasi und die Ashanti

    February 25, 2023 in Ghana

    Wochenende! Und Wochenende bedeutet, viel Zeit für einen Ausflug zu haben. Deshalb ging es heute früh los Richtung Kumasi, wo wir die Nacht verbringen wollten. Mittlerweile waren wir Trotro-Experten und so saßen wir gegen 10:00 Uhr in einem wirklich modernen, nicht all zu vollen Trotro, dessen Motor offensichtlich noch so gut war, dass der Fahrer wie ein Irrer nach Kumasi brettern konnte. Lebensgefahr gegen frühere Ankunft, ein guter Deal!

    Wie schon im letzten Footprint erwähnt, ist Kumasi die zweitgrößte Stadt des Landes und ehemalige Hauptstadt des Ashanti-Reichs. Die Ashanti sind die größte Volksgruppe in Ghana und die Stadt ist immer noch Sitz des Königs, viele Ghanaer betrachten Kumasi als das eigentlich Zentrum des Landes.

    Im Hostel angekommen, war ich total überrascht: Es war einfach nur schön und gemütlich! Der erste Ort in Ghana, der liebevoll gestaltet, ordentlich und wirklich sauber war. Das Hostel wurde von einer Organisation betrieben, die ghanaischen Frauen Arbeit, Ausbildung und einen sicheren Platz zum Leben bieten möchte. Direkt angeschlossen ist eine Schneiderei und Webwerkstatt und die dort hergestellten Produkte waren im ganzen Hostel zu sehen: Kissen, Gardinen, Bettdecken oder Servietten in den buntesten Stoffen zierten die Möbel. Natürlich gab es auch eine große Auswahl an Kleidung und anderen schönen Dingen zu kaufen und mir war sofort klar, dass ich hier ordentlichen Souvenirs besorgen werden würde.
    Als wäre das noch nicht genug, war auch unser Mehrbettzimmer tip-top geputzt und wir hatten ein eigenes, großes Bad mit fließend Wasser und richtigem Duschkopf! Die eigenen Ansprüche verschieben sich in Ghana ziemlich schnell…

    Ich war super gelaunt und hätte am liebsten direkt den Aufenthalt verlängert, um das Hostel so richtig auszukosten, aber am Montag mussten wir leider wieder in der Klinik sein. Also wollten wir keine Zeit verlieren und machten uns auf den Weg in die Innenstadt zum Kumasi Central Market.

    Der Kumasi Central Market ist der größte Markt Westafrikas. Das war er schon immer und bis 2018 bestand er aus einem Gewirr hunderter kleiner Gassen mit tausenden Ständen, in dem man schlichtweg alles kaufen und sich wunderbar verlaufen konnte. Dann wurde das ganze Gelände dem Erdboden gleichgemacht und eine gewaltige, mehrstöckige Markthalle errichtet, um Ordnung ins Chaos zu bringen. Jetzt befinden sich die meisten Stände dort, quadratisch, sauber, und irgendwie seelenlos.
    Natürlich war der Markt trotzdem beeindruckend und seine schiere Größe erschlagend, aber die Atmosphäre und Lebendigkeit eines natürlichen gewachsenen Ortes, wie sie die kleineren Märkte zum Beispiel in Nkawkaw besaßen, vermisste ich.

    Vom Markt aus gingen wir zu Fuß zum Ashanti-Kulturzentrum. Dabei handelt es sich um eine Parkanlage um deren zentrale Grünfläche in kleinen Gebäuden verschiedene ashanti-typische Werkstätten untergebracht sind, etwa Schmuckmacher, Töpfer oder Instrumentenbauer. Außerdem gibt es ein Archiv zur Ashanti-Geschichte und natürlich mehrere Souvenirläden.

    Leider war das ganze Gelände nicht gut in Schuss, die meisten Werkstätten hatten geschlossen und die Waren in den Souvenirläden waren so sehr eingestaubt, dass offensichtlich war, wie wenig Publikumsverkehr hier herrschte. Außerdem gab es kaum Informationen, keine Tafeln oder ein Museum, wo man mehr über die Ashanti hätte erfahren können.

    Eigentlich wollten wir uns auch noch den Ashanti-Palace angucken, den Sitz des Königs. Aber wir hatten nicht auf die Zeit geachtet und da er schon geschlossen hatte, machten wir uns stattdessen auf den Weg zurück ins Hostel.

    Wir waren gerade rechtzeitig dort angekommen, denn über der Stadt zog ein gewaltiges Gewitter auf. Von jetzt auf gleich fegten die Sturmböen durch die Stadt und mit unserer Hilfe konnten gerade noch so die meisten Dinge nach Innen geholt werden, bevor der Sturzregen begann. Der Lärm war ohrenbetäubend, denn das Haus hatte lediglich ein Wellblechdach und funktioniert wie ein Resonanzkörper für das Prasseln der Tropfen, eine Unterhaltung war kaum noch möglich. Innerhalb kürzester Zeit viel Straßenbeleuchtung aus und wir konnten es uns nur gemütlich machen.

    Nach einer halben Stunde war das schlimmste vorbei, es blitzte und donnerte nicht mehr und der nur noch ein leichter Nieselregen war über. Das Timing war perfekt, denn so konnten wir das Abendbrot auf der überdachten Terrasse essen und die jetzt saubere, kühle Luft genießen. Das Essen war super lecker und wir hatten viel Spaß mit den anderen Gästen, die zusammen mit uns an einem großen Tisch saßen.

    Eigentlich hatten wir geplant in eine Bar und feiern zu gehen, aber der es regnete immer noch. Für uns wäre das zwar kein Problem gewesen, aber es ist fast unmöglich und viel teurer bei solchem Wetter in Ghana Taxis zu bekommen, weil die Fahrer es einfach nicht gewohnt sind, auf den nassen, schlammigen Straßen zu fahren. Deshalb machten wir es uns stattdessen wieder gemütlich, schlugen kräftig im Hostelshop zu und spielten den restlichen Abend Karten.
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  • Day 13

    Wanderung zum Prayers Mountain

    February 24, 2023 in Ghana ⋅ 🌧 35 °C

    Es geht bergauf, im doppelten Sinne! Zum einen hatte ich Gestern Abend angefangen, Antibiotika gegen meine Magen-Darm-Probleme zu nehmen und siehe da, es ging mir schon heute Morgen deutlich besser. Zum anderen ist Dr. Ahiabor freitags grundsätzlich nicht im Krankenhaus und hat uns deswegen frei gegeben und Tanja, Luna und ich wollten den freien Tag für eine kleine Wanderung zum Praiers Mountain nutzen!

    Wohl wissend, dass Wandern bei den lokalen Tagestemperaturen eine Qual werden würde, gingen wir bereits kurz vor 08:00 Uhr los, um möglichst lange die "kühle" (25 °C) Morgenluft genießen zu können. Nach etwa sechs Kilometern durch Obomeng und entlang der Straße nach Nkawkaw kamen wir an der Stelle an, an der der Pfad den Berg hinauf begann.

    Der Weg führte uns durch lichten tropischen Bergwald, die meisten Bäume trugen nur wenige Blätter, da sie einen Großteil während der Trockenzeit verloren hatten. Es wurde zunehmend wärmer und vor allem schwüler, mein Hemd klebte mir am Körper. Nach einer Stunde erreichten wir dann das Ziel des Pfades, eine steinige Freifläche am Fuße einer gewaltigen Steilwand. Tatsächlich dachte ich, dass wir wirklich bis zur Spitze des Berges wandern würden, aber dorthin gab es überhaupt keinen Weg und ehrlich gesagt, war ich da auch nicht böse drum, mittlerweile brannte die Sonne trotz der diesigen Luft auf uns herab.

    Unter der leicht vorgeneigten Steilwand war eine erhöhte Terasse aus Steinen errichtet und seitlich mit einer Stahltür verschlossen worden. Ich wollte gerade Fotos machen, da kam ein Ghanaer über die Terasse auf uns zu. Sein Name war Godson (Ghanaer bekommen bei Geburt einen traditionellen Namen und suchen sich oft später einen zusätzlichen englischen selbst aus) und nach eigener Aussage war er Priester. Er lud uns ein, uns die Stätte zu zeigen und führte uns über die Terasse an der Wand entlang.

    Beim Prayer Mountain handelt es sich um eine Art Freiluftkirche, Christen können dort heraufwandern und beten. Zu großen Festen wie etwa Ostern finden dort Gottesdienste statt und die Besucher übernachten dann teilweise unter freiem Himmel auf der Fläche.

    Zusammen mit Godson waren noch fünf andere Ghanaer dort, angeblich allesamt Priester. Ehrlich gesagt habe ich da große Zweifel dran, aber da es in Ghana kein Theologiestudium wie in Deutschland gibt, sondern stattdessen Prediger, die ihre Berufung aus mehr oder minder großen Visionen und Wundern zogen, war es letztlich einfach Auslegungssache.

    Generell gibt es in Ghana an jeder Ecke eine eigene Kirche und große Werbetafeln der unterschiedlichen Prediger und Gemeinden sind absolute Normalität. Religion spielt hier im Alltag noch eine große Rolle und religiöse Führer haben einen ordentlich Einfluss auf die Meinungsbildung in der Gesellschaft.

    Nach einer Selfie-Session ging es dann wieder zurück zur Straße. Für den Rückweg gönnten wir uns dieses Mal ein Taxi, mittlerweile war die Temperatur einfach unerträglich geworden und wir kamen pünktlich zu einem späten Mittagessen wieder in Obomeng an.

    Den Rest des Tages faulenzte ich in der Unterkunft, bis es am Abend wieder etwas kühler wurde und wir zu fünft noch ein Workout auf dem Hof machten. Dann hieß es noch Sachen zu packen, denn am nächsten Morgen wollten wir alle zusammen nach Kumasi, der zweitgrößten Stadt Ghanas und Hauptstadt der Ashanti-Region fahren, um dort das Wochenende zu verbringen.
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  • Day 11

    Ein Tisch für die Schule

    February 22, 2023 in Ghana ⋅ ⛅ 31 °C

    Dank Loperamid konnte ich die Nacht beinahe durchschlafen, trotzdem war es schön, am Morgen einfach liegen bleiben zu können.

    Theoretisch wollte ich mich den Tag über schonen und hoffentlich auskurieren, aber am Abend hatte Uwe mir erzählt, dass er in der Schule in Obomeng einen großen Tisch für die „Mensa“ bauen würde und ich konnte einfach nicht widerstehen, etwas Praktisches zu tun und ihm zu helfen. Das ganze Gebäude war ein Projekt von You4Ghana, es sollte den Schülern eine Sitzmöglichkeit zum Essen und den Verkäuferinnen einen Platz zum Kochen bieten.

    Eigentlich handelt es sich nicht um ein geschlossenes Gebäude, sondern um einen großen Unterstand mit hüfthohen Mauern auf einem richtigen Fundament. Die Bänke und Tische für die Schüler hatte Uwe bereits vor einiger Zeit fertiggestellt, aber dann war das Holz ausgegangen, weshalb die Türen und der Verkaufstresen noch fehlten. Letzterer sollte unser Tagesprojekt werden.

    Gegen 10:00 Uhr zogen wir mit Hammer, Nägeln und einer alten Handsäge los, elektrischen Werkzeug gab es nicht. Das Holz war am Vortag geliefert worden, wir mussten es allerdings erst noch quer über das Schulgelände tragen. Schon jetzt merkte ich, dass es extrem anstrengend werden würde, bei 35 Grad zu arbeiten, der Schweiß floss ordentlich.

    Uwe hatte 12 Jahre als Tischler in Ghana gearbeitet und hatte einen genauen Plan im Kopf. Er sägte die Bretter zu und ich nagelte sie zunächst zu den Fußstützen zusammen. Diese wurden durch lange Latten verbunden und über diese an der Wand befestigt. Wirklich stabil sollte das Ganze dann durch die breiten Bretter für die Arbeitsfläche werden.

    Über den Tag versenkte ich bestimmt ein-, zweihundert Nägel und unter Uwes Anleitung am Ende sogar wie ein Tischler mit zwei bis drei Schlägen! Wir kamen schnell voran und so stand schon die Grundkonstruktion, als Torben uns zum Mittag mit Gulasch und Bier versorgte, eine willkommene Abkühlung.

    Gegen 16:00 Uhr waren wir dann fast fertig, aber scheinbar war weniger Holz geliefert worden, als Uwe bestellt hatte, deshalb mussten wir unser Werk unvollendet zurücklassen. Trotzdem war ich einfach glücklich und zufrieden, wirklich etwas geschafft zu haben und etwas in Ghana zurückzulassen – und sei es nur ein unfertiger Tisch!
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  • Day 10

    Krankenhausalltag mit Durchfall

    February 21, 2023 in Ghana ⋅ ☀️ 31 °C

    Jetzt hatte ich ihn zwei Tage lang, meinen ghanaische Alltag:
    Ab 04:00 Uhr kräht der Hahn jede halbe Stunde, um 07:00 Uhr gehorchen ich ihm und stehe auf. Die Mädels, die in Nkowkow im Krankenhaus eingeteilt sind, sitzen dann meist schon im Kasack am Frühstuckstisch, da sie früher los müssen als Tanja, Luna und ich.

    Ein Frühstück, wie wir es kennen, gibt es im ghanaischen Speiseplan nicht, es werden eigentlich die gleichen Gerichte gekocht, wie auch zu Mittag oder zu Abend, und Brot gibt es nur eine Sorte: großes, weiches Kastenweißbrot.
    In unserer Unterkunft ist das anders, hier gibt es Tee und Kaffee und immer abwechselnd Pfannkuchen, Rührei oder Porridge, dazu ein paar Marmeladen, die andere Freiwillige aus Deutschland mitgebracht haben.

    Gegen 08:15 Uhr nehmen wir drei dann ein Taxi nach Atipie und nach etwa zehn Minuten sind wir dann am Krankenhaus. Je nach dem, wie wir uns selbst eingeteilt haben, gehen wir dann in die unterschiedlichen Bereiche und versuchen irgendetwas zu lernen.

    Meinen ersten Eindruck muss ich leider korrigieren, ich habe die Hoffnung hier viel zu lernen mittlerweile aufgegeben. Außer Dr. Ahiabor habe ich noch keinen Arzt getroffen, der überhaupt Interesse gezeigt hat mich in die Visite oder Gedankengänge einzubinden. Konkret zu tun gibt es sowieso nichts, keine große Zahl an Blutentnahme oder Flexülen, die gelegt werden müssten, keine vernünftigen Patientenakten, die man studieren könnte.

    Spannend sind lediglich die Eindrücke, die man hier im Krankenhaus bekommt. Wie die OP-Säle ausgestattet sind, wie unorganisiert die Leichen"halle" ist, wie der Begriff "Sterilität" ordentlich gedehnt wird.

    Der Vorteil daran, nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich völlig überflüssig zu sein, ist, dass allen egal ist, ob man überhaupt da ist. Eigentlich könnten wir jederzeit einfach Feierabend machen oder gleich ganze Tage frei nehmen.

    Davon musste ich auch gleich Gebrauch machen, dann leider sind meine Verdauungsprobleme schlimmer geworden. Ich hatte die letzten beiden Nächte wegen vieler Toilettengänge nicht durchschlafen können und spätestens, als ich heute beim Kaiserschnitt als Assistenz den Uterus in der Hand hielt und schon vor Bauchkrämpfen Schweißausbrüche bekam, beschloss ich, früher zu gehen und mir Morgen mal einen Tag Pause zu gönnen.

    Das beste Zeichen dafür, wie zäh Gestern und Heute waren, ist wohl, dass ich einfach gar keine Fotos gemacht habe - deshalb seht ihr einfach einige der letzten Woche!
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  • Day 8

    Zurück nach Obomeng

    February 19, 2023 in Ghana ⋅ ☀️ 31 °C

    Aufstehen, surfen, duschen, frühstücken mit Blick auf den Golf von Guinea - daran könnte ich mich gewöhnen.

    Ehrlicher Weise war ich aber trotzdem froh, dass heute die Rückfahrt anstand, denn ich hatte das Gefühl, meine Zeit in Ghana hier in Kokrobite zu verschwenden. Das Big Milly's war als Pause vom alltäglichen Leben konzipiert, aber genau das wollte ich ja erst entdecken.

    Also hieß es Sachen packen und die Rechnungen begleichen. Theoretisch einfach, praktisch war das IT-System des Hotel grottig und es dauerte eine halbe Stunde, bis ich endlich bezahlen konnte. Eine Mitarbeiterin erklärte uns noch die einzelnen Stationen, die wir mit Taxis und Trotros ansteuern mussten und dann ging es los.

    Zunächst mit zwei Taxis zur Hauptstraße, dann mit zwei Trotros zur Circle Station. Der Name ist irreführend und stammt von einem riesigen Kreisel, der vorher dort gestanden hatte und das Herzstück des Verkehrsinfarkts der Hauptstadt gewesen war. Deshalb wurde er vor einigen Jahren komplett abgerissen und durch eine aberwitzige Brückenkonstruktion ersetzt, unter der sich jetzt die größte Trotrostation Ghanas mit Verbindungen in alle Richtungen des Landes befindet.

    Mit viel Nachfragen und Herumgerufe suchten wir uns den Weg im Chaos und letztlich trafen wir die andere Hälfte unserer Gruppe tatsächlich an den Trotros Richtung Kumasi wieder.

    Diesmal hatten wir leider keinen Uwe, der uns bei der Auswahl eines Trotros behilflich war. Das Trotro auf der Hinfahrt war zwar schon eine neue Erfahrung gewesen, aber schlimmer geht bekanntlich immer!

    Wir wurden so eng zusammengestopft, dass wir uns kaum bewegen konnten und mit offenen Kofferraumtüren ging es los. Der Motor war offensichtlich in keinem guten Zustand, jeder Hügel musste mühsam erklommen werden und die Sonne heizte den Innenraum brutal auf. Als ob das nicht schon genug wäre, hatte ich am Morgen Verdauungsprobleme und Durchfall bekommen, litt also die gesamte Fahrt unter Darmkrämpfen. Immerhin musste ich in den fast vier Stunden nicht auf Toilette, das wäre nämlich schlicht nicht möglich gewesen.

    Endlich in Nkawkaw angekommen ging es dann noch mit zwei Taxis nach Obomeng und wir erreichten völlig fertig unsere Unterkunft und damit zu meiner großen Erleichterung auch endlich ein Klo. Außer viel Schweiß und Nerven kostete uns die Fahrt fast nix, insgesamt nur ca. 7€ pro Person.

    Wir waren so kaputt, dass wir kaum in der Lage waren, Luna und Tanja zu begrüßen, die am Wochenende angekommen waren. Die beiden waren auch Medizinstudentinnen und im gleichen Krankenhaus wie ich eingeteilt.

    Nach dem Abendbrot gab es noch eine nette Überraschung: Nach viel Verwirrung und mehrmaligem Nachrechnen waren wir uns letztlich sicher, dass das Hotel uns fast 400 Cedi zu wenig berechnet hatte, fast 35€! Das war ein schöner Ausgleich für die unorganisieete Abrechnung...

    Hundemüde gingen wir alle früh ins Bett um die Fahrt zu vergessen und uns von den Strapazen zu erholen.
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  • Day 7

    Strandurlaub

    February 18, 2023 in Ghana

    Ein Grund in das „Big Milly´s“ zu fahren, ist die Möglichkeit zu Surfen. Zu viel darf man allerdings nicht erwarten: Auf einer Website zur Vorhersage für Surfbedingungen, bekommt der Strand in Krokrobite im Optimalfall zwei von zehn Sternen. Klingt wenig, ist wenig. Da ich noch blutiger Anfänger bin, war mir das aber egal, ich wollte eh nur Weißwasserwellen angehen.

    Direkt am Morgen um 08:00 Uhr hatte ich mich mit Isa bei „Joshua´s Surfschool“ verabredet, einem kleinen Schuppen direkt an unserem Strandzugang. Joshua war ein super netter, ghanaischer Surflehrer, aber wir waren geizig, deshalb mieteten wir lediglich zwei Boards (5€/h) und verzichteten auf eine Einführungsstunde. Von dort mussten wir etwa 15 Minuten den Strand entlanglaufen, um zum Surfspot zu kommen. Die Szenerie verändert sich nicht und so stürzten wir uns mit dem Slum im Rücken in die Wellen, ein komisches Gefühl.

    Die Brandung war ziemlich kräftig, mein Anfängerboard riesig und ich total ungeschickt, entsprechend viel wurde ich einfach nur herumgeworfen. Aber letztlich bekam ich doch zwei, drei Wellen und nach einer guten Stunde hatten wir genug Salzwasser geschluckt und traten den Rückweg an.
    Wieder im Resort angekommen, die Temperatur war mittlerweile deutlich gestiegen, hatten wir Lust auf etwas Frisches. Also zogen Isa und ich uns schnell um und machten einen Spaziergang in der umliegenden Gegend, auf der Suche nach Obst und anderen Leckereien. Letztlich bestand unser Frühstück aus Mango, Papaya, ghanaischen Orangen und Black Berries.

    Black Berries sind keine Heidelbeeren, sondern eine wirre Mischung aus Nuss und Beere. Unter der harten, dünnen Schale, die etwas an Bucheckern erinnert, ist eine pelzige, weiche Frucht mit einem kleinen, harten Kern. Sobald ich mich an die Konsistenz gewöhnt hatte, fand ich sie richtig gut! Die ghanaische Orange ist etwas anders als die klassischen europäischen Varianten. Sie ist grün und wird nicht geschält und gegessen, sondern nur gekappt und dann direkt in den Mund ausgequetscht.

    Den Rest des Tages passierte nicht viel, die Mädels genossen den Strand, aber ich hatte schon genug Sonne abbekommen und fläzte mich im Schatten des Pavillons. Wie ich schon vermutet hatte, handelte es sich um ein Erholungswochenende und da ich noch keine Erholung brauchte, langweilte ich mich etwas.

    Am Abend war „Cultural Night“ mit einem Auftritt einer Trommlergruppe und einer Gruppe Akrobaten. Die Tänzer erzählten mit ihren Bewegungen echt unterhaltsame Geschichte zum Rhythmus der Musiker, unter anderem die einer Gruppe Fischer auf Brautschau.

    Müde vom Nichtstun und zu faul für ausgiebigen Smalltalk mit den anderen Gästen ging ich nach der Vorstellung ziemlich direkt ins Bett, immerhin wollte ich am nächsten Morgen wieder Surfen gehen!
    Der zweite Tag im Big Milly´s lief genau so ab, wie der erste: Surfen, Frühstücken, Faulenzen. Mal lief ich etwas am Strand herum, mal schrieb ich Reisetagebuch und mal ergab sich ein nettes Gespräch mit den anderen Leuten im Hotel, aber etwas Spektakuläres erlebte ich nicht.

    Dafür sollte es am Abend wieder Programm geben: Reggea-Night! Tatsächlich füllte sich das Big Milly´s ab 18:00 langsam mit Abendgästen, größtenteils Ghanaer aus Accra, die hier ihr Wochenende verbringen wollten, bis es am Ende richtig voll wurde. Und dann, so ab 20:00 Uhr, fing die Band an zu spielen. Die Stimmung war super, viele waren auf der Tanzfläche und aus der Ecke mit dem Billiardtisch zogen dicke Schwaden Marihuana herüber. Es war keinen Grad abgekühlt und mein T-Shirt klebte mir am Körper, fast wie zuhause im LT-Club, herrlich.

    Ich hatte am Tag Emmanuel kennengelernt, er war Teil der Akrobatengruppe vom Vorabend. Auf der Tanzfläche traf ich ihn wieder und er machte es sich zur Aufgabe, einem Körperklaus wie mir ghanaische Dancemoves beizubringen. Das Ergebnis war – sehenswert. Jedenfalls hatte ich extrem viel Spaß und verließ die Tanzfläche erst gegen 00:30 Uhr.
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  • Day 5

    Big MILLY'S Backyard

    February 16, 2023 in Ghana

    Komm, wir fahren an den Strand!

    In Rostock eine Sache von zwanzig Minuten, in Ghana eine Tagesaktion. Zugegeben, es sind auch 170km statt nur elf, aber alleine die Zeit, die wir brauchten, um ein Trotro zu finden hätte in Deutschland für die Strecke gereicht.

    Unser Ziel war Krokobite, ein Küstenort westlich von Accra. Dort ist das „Big Milly´s Backyard“, ein unter Volunteers und Touristen sehr beliebtes kleines Strandresort. Eigentlich war es mir etwas zu früh, um Obomeng direkt wieder zu verlassen, immerhin war ich erst zwei Tage dort. Aber Henning und Bent waren schon in Krokobite gewesen und die Mädels wollten als geschlossene Gruppe dieses Wochenende gehen, also war es die beste Gelegenheit, die ich kriegen würde.

    Nach dem Frühstück, es gab Porridge mit Wasser, da Milch und Milchprodukte in Ghana praktisch nicht vorhanden sind, packten wir unsere Sachen zusammen und liefen zur Hauptstraße um zunächst in zwei Taxis (wir waren zu siebt) nach Nkawkaw zu fahren. Dort wollten wir uns mit Vilana und Uwe an der Trotro-Station treffen, die ghanaische Version eines Busbahnhofs.

    Fernreisen mit Trotros in Ghana sind eine unplanbare Sache. In ein Trotro passen je nach dem, wie stark gequetscht wird, 12 – 17 Personen. Eine feste Abfahrtszeit gibt es nicht wirklich, der Trotro-Fahrer wartet einfach so lange, bis möglichst viele Plätze belegt sind, die Fahrt soll sich ja auch lohnen. Das genau System, nach dem die Station organisiert ist, habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden, ohne Uwe hätten wir sicherlich größere Probleme bekommen, besonders weil unsere Gruppe so groß war. Zwischen all den Trotros und Autos liefen unzählige Verkäuferinnen herum, die ihre auf den Köpfen getragenen Waren feilboten: Bananenchips in süß oder deftig, Obst, Getränke, Eis, Teigbällchen, Eier, Tigernuts, Smartphonezubehör, alles lachhaft günstig.

    Irgendwann kam dann ein Ghanaer an das Trotro und sammelte unser Geld für die Tickets ein. So richtig hatten wir nicht verstanden, ob das seine Richtigkeit hatte, aber zum Glück machte er sich nicht aus dem Staub sondern schien tatsächlich dort zu arbeiten, zumindest kam er mit kleinen Zettelchen wieder, die unsere Tickets waren.

    Nachdem wir mehrmals um das Gebäude gefahren waren, entweder weil andere Trotros an uns vorbeimussten oder aus völlig unersichtlichen Gründen, war der Wagen voll und es ging endlich los. Die Sonne knallte auf das Auto, aber die Straßen waren ziemlich frei und mit offenem Fenster ließ es sich aushalten. Am Straßenrand wechselten sich einfachste Wellblechverschläge und lichte Wälder immer wieder ab, bis die Wälder irgendwann ausblieben und wir uns im Großraum Accras befanden.

    Accra selbst ist eigentlich nicht so groß, aber da immer mehr Menschen in die Stadt gezogen sind, gibt es mittlerweile keinen Unterschied mehr zwischen Accra und den umliegenden Gemeinden: Es handelt sich um eine Aneinanderreihung mehr oder minder baufälliger, maximal zweigeschossiger Betonhäuser mit vielen Hütten und Verschlägen rundherum. Grün gibt es kaum und eine Zonierung der Stadt im Sinne europäischer Großstädte in Stadtzentren, Wirtschaftsbereiche und Vorstädte gibt es nicht. Die auf Säulen errichtete, gut ausgebaute Schnellstraße bot einen tristen Ausblick auf ein Meer aus Wellblechdächern soweit das Auge in der von Staub und Luftfeuchtigkeit trüben Luft schauen konnte. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass in dieser Metropolregion fast fünf Millionen Menschen größtenteils in ärmsten Verhältnissen leben.

    Das Trotro hielt jetzt immer mal wieder an, um Fahrgäste aussteigen zu lassen, und an der Tuba Junction war es dann auch für uns so weit. Von hier war es noch ein gutes Stück zum Strand, also organisierten wir uns erneut zwei Taxis für die letzten sieben Kilometer. Der Weg führte jetzt wieder über die typischen Sandstraßen und die Bebauung um uns herum wurde zunehmend ärmlicher. Henning und Bent hatten uns schon darauf vorbereitet, dass das Resort regelrecht im Slum liegt und auch die umliegenden Strandbereiche besonders abends nicht für Touristen geeignet seien.

    Und so wurden wir direkt vor dem Tor zu „Big Milly´s“ abgesetzt, dem Ziel unserer Tour. Big Milly´s war für ghanaische Verhältnis sehr westlich und schon luxuriös, für den Europäischen Blick sympathisch und einfach. Es handelte sich um mehrere kleine, bunt verputzte Hütten mit Ziegel- oder Strohdächern, die sich um einen großen Pavillon und einen grünen, sauberen Garten mit bunt blühenden Sträuchern unter großen Palmen gruppierten. Um den sandigen Hauptplatz herum lagen die Bar, ein überdachter Bereich mit Billardtisch, ein Surfladen und Souvenirshops.
    Wir hatten zwei Zimmer gebucht, die in einem zweistöckigen Haus ganz hinten im Garten lagen. Leider waren keine Räume mit Klimaanlage mehr verfügbar gewesen, aber dafür gab es fließend Wasser und ein richtiges Bad mit Dusche.

    Von dem Platz aus ging es durch ein Tor in der Mauer direkt hinaus auf den feinen Sandstrand. Die Idylle unter Palmen wurde leider durch Müll, Baracken und Bauruinen zerstört, trotzdem freuten wir uns auf ein Bad. Die Atlantikwellen brachen kräftig an der flachen Küste und das Wasser selbst war im Gegensatz zum Strand müllfrei, vermutlich, weil die Gezeiten alles, was von der Küste aus im Wasser landete, wieder an Land spülten. Bei 27 °C Wassertemperatur machte es einen Heidenspaß sich in die hohen Wellen zu werfen. Ich war schon sehr lange nicht mehr im Atlantik baden gewesen und hatte ganz vergessen, wie salzig dieser war.

    Ich hielt es nicht all zu lange am Strand aus, weil die Sonne erbarmungslos auf uns herniederbrannte, mittlerweile waren es 35 Grad im Schatten.

    Zum Abendessen setzten wir uns in das Restaurant des Resorts, ein leicht erhöhter Pavillon mit direktem Blick auf die See. Die Mädels, allesamt schon einige Wochen in Ghana, freuten sich darauf, endlich mal wieder einen Cheeseburger zu essen, während ich natürlich viel mehr Lust auf den ghanaischen Teil der Speisekarte hatte. Letztlich entschied ich mich für Banku mit gebratenem Fisch, eine Art Knödel aus Mais- oder Maniokmehl mit saurer Milch, sehr lecker!

    Am Strand hatten wir eine Ghanaerin getroffen, die uns von einem Bandauftritt in einer Bar einige Meter den Strand runter, dem „Dizzy Lizzy´s“, erzählt hatte. Also rafften wir uns, eigentlich müde von der Anfahrt, auf, um noch etwas trinken zu gehen. Die Bar lag auch direkt am Strand und wir saßen, erneut mit direktem Blick auf die Brandung an einem großen Tisch und ließen es uns gut gehen. Die Band spielte African Pop-Lovesongs und machte ordentlich Stimmung in der fast leeren Bar, sodass wir irgendwann anfingen zu tanzen.
    Während einer Pause lernte ich Lizzy kennen, die Besitzerin und Namensgeberin. Lizzy war eine geschätzt 60/70-jährige Engländerin, die vor dreißig Jahren als Freiwillige nach Ghana gekommen war und sich in das Land verliebt hatte und irgendwann dieses Grundstück am Meer erwarb. Sie lud uns direkt ein, nächste Woche wiederzukommen, dann sei die Band, deren Managerin sie auch noch war, nämlich in voller Stärke da und noch viel besser.

    Es fühlte sich zwar schon viel später an, aber letztlich gingen wir gegen 22:00 Uhr zurück und schlafen. Ohne Bettdecke und mit dem Deckenventilator auf höchster Stufe war es beinahe angenehm und ich freute mich auf den nächsten Morgen, an dem ich seit langer Zeit mal wieder Surfen gehen wollte.
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