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- 1 Apr 2021, 14.04
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Privilegien und wie wir sie nutzen
1 April 2021, Jerman ⋅ ⛅ 18 °C
Ich habe gestern mit Alex telefoniert. Sie ist vor wenigen Tagen in die Schweiz zurückgekehrt, nachdem sie die letzten Wochen Bihac, einer Stadt im Bosnien nahe der kroatischen Grenze verbracht hat. In dieser Region halten sich momentan viele Flüchtlinge auf, in der Hoffnung irgendwie über die Landesgrenze in die EU gelangen zu können. In den Medien ist davon eher spärlich zu hören. Ein "Problem" von dem in Europa nicht gerne gesprochen und geschrieben wird, weil es in direktem Kontrast zu den Werten steht, deren sich dieser Länderverbund verschreibt. An diesen Grenzen scheiden sich nicht nur Politik und eine gemeinsame Währung, sondern auch die Gewinner und Verlierer der Globalisierung und des Klimawandels. Eine unsichtbare aber gewollte Grenze zwischen Arm und Reich und zwischen priviligierten und unpriviligierten Menschen. Eine Trennlinie zu deren Verteidigung auch der Verlust von Würde oder Leben in Kauf genommen wird.
Derweil findet eine starke Verdrängung und Verwischung diese Thematiken statt, die sogar darin gipfelt, das die Verteidigung der Menschenrechte zu einem Akt der Kriminalität wird. Fast scheint die naive Hoffnung zu bestehen, dass sich "solcherlei Geschichten" irgendwie in Luft auflösen werden und diese Krise dafür nur lange genug ausgesessen werden muss. Derweil leiden vorallem Geflüchteten. Sie mussten den letzten Winter unter Umständen überstehen, die wohl den Titel "würdelos" tragen könnte. Ähnlich Geschichten spielen sich anderen Orten ab, dass bei uns bekannteste Beispiel ist wohl Moria in Griechenland.
Alex erzählte mir von ihrem kulturellen Schock bei ihrer Rückkehr. Es fiel ihr sehr schwer, nachdem sie all das Leid und die Not der Menschen vor Ort erfahren hat, einfach wieder in den Alltag einzusteigen, wie wir ihn kennen. Ihr ist bewusst, welche Privilegien wir hier als allzuschnell als selbstverständlich erachten.
Auch ich habe mich in der Vergangenheit schon öfters diesem Thema beschäftigt. Und vor einigen Jahren erstaunliches herausgefunden. Wer in der Schweiz geboren wurde, hatte sehr viel Glück. Es kommt tatsächlich einem 4er im Lotte gleich, machen wir doch nur etwa 0.1% der Weltbevölkerung aus. Wer in unserem Land lebt und 50'000 Franken im Jahr verdient, gehört sogar zum einkommensreichsten Prozent dieser Welt. Selbst wenn wir hier am Existenzminimum Leben sind wir noch unter den Einkommensreichsten 5% zu finden. Höhere Preise für Mieten, Krankenkassen, Lebensmittel bereits eingeschlossen. Wenn wir also der von der "Elite" oder dem reichsten Prozent dieser Welt ankreiden möchten nichts gegen solcherlei Zustände zu tun, dann beschuldigen wir uns sogar selbst.
Was für uns normal ist oder vielleicht sogar an unseren Vorstellungen von minimalem Komfort kratzt, ist alles im Grunde genommen andere als selbstverständlich. Weshalb aber, nehmen wir dies so selten war?
Zum einen besitzen wir die Tendenz, uns mit jenen zu vergleichen, die mehr besitzen als wir. Zum andern vergleichen wir uns natürlich vorwiegend mit unserem direktem Umfeld. Beides verzerrt die Wahrnehmung was eigentlich "normal" wäre enorm.
Wir besitzen, selbst wenn unser Konto komplett leer wäre unglaubliche Privilegien: Wir haben Zugang zu hochwertigen Bildungseinrichtungen und eines der besten Gesundheitssysteme weltweit. Wir haben ein Justizsystem, dass nicht auf Willkür beruht. Wir können und dürfen unsere Ansichten frei äussern und haben Medien, die unabhängig berichten könn(t)en. Wenn wir einen Schweizerpass besitzen, können wir wählen und gewählt werden. Wir können jede Arbeit aufnehmen die wir möchten und unseren Wohnsitz frei bestimmen. Wir sind frei in der Wahl unserer Partner*in(nen), in der Ausübung unserer Religion und in unserer sexuellen Orientierung. Wir haben ein Anrecht auf ein minimales Einkommen und ein Dach über dem Kopf, ganz egal wie unsere Situation gerade ist usw.
Dies mag dazu verleiten unglaublich stolz auf all diese Privilegien zu sein und unser Land als weltweites Vorbild zu betrachten. Dabei wird aber gerne vergessen, das vieles dieser Errungenschaften einen langen und manchmal blutigen Weg in der Geschichte hinter sich haben. Unser Land, Europa und auch Teile des amerikanischen Kontinents verdanken ihren Wohlstand zu einem massgeblichen Teil den bis heute andauernden kolonialistischen und ausbeuterischen Strukturen von Kapitalismus und Neoliberalismus. Wir sind reich weil andere arm sind. Wir konnten uns bilden weil andere derweil für uns zu Hungerlöhnen und unter schrecklichen Bedingungen für uns arbeiten.
Es gibt also einen hohen Preis, den zumeist andere für unsere Freiheit zahlen.
Gewiss, wir können mit unseren Handlungen und unserem Konsum dazu beitragen, dass diese Strukturen abgeschwächt werden. Aber ganz abwerfen könnten wir sie nur durch einen kompletten Ausstieg oder Systemwechsel. Und selbst dann verbleibt die Ungewissheit, ob das neue System wirklich gerechter sein wir. Zu viel in unserem derzeitigen System beruht noch auf diesen alten Strukturen, als das wir es mit etwas grünem Konsum gänzlich verändern könnten.
Ist Aussteigen und der damit einhergehende Verlust der Privilegien also die einzige Lösung?
Sollten wir uns für unsere Privilegien schämen?
Ich für meinen Teil kann heute beide Fragen mit einem klaren Nein beantworten. Und
die beiden lassen sich auch zusammen beantworten. Zum einen ist schwierig Privilegien abzuwerfen. Wir können zwar ihre Nutzung verweigern, aber die meisten bleiben trotzdem als Möglichkeit und Recht bestehen.
Sie zu verweigern hat in vielen Fällen wenig oder keine Auswirkungen auf den Rest der Welt und beruhigt höchstens unser Gewissen. Manche sind aber auch schlicht Errungenschaften, deren Erhaltung sich lohnt, wie ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem.
Es gibt deshalb noch einen weiteren Weg.
Er geht darüber Scham und nicht das Privileg selbst abzulegen. Privilegien sind Macht und Macht können wir nutzen um Veränderungen zu bewirken. Achtsam verwendet, können wir damit unseren Mitwesen dazu verhelfen selber mehr Rechte und Möglichkeiten zu erlangen.
Wenn wir einen hohen Verdienst besitzen, können wir durch gezielte Spenden und Interventionen Strukturen beeinflussen. Wenn wir unsere freie Meinung äussern dürfen ohne Angst auf Repression, so können wir dies nutzen um auf Missstände aufmerksam zu machen. Wenn wir Zeit haben, können wir diese nutzen um direkt zu intervenieren oder politische Instrumente zu aktivieren, um Veränderungen und Abhilfe zu schaffen.
Während uns Scham und Abwehr bremst und lähmt, bringt uns Akzeptanz und Integration weiter.
Dieses Wissen hat mich vor einigen Jahren dazu ermutigt in einem ersten Schritt den Pladge bei Giving what we can zu unterzeichnen und fortan 10% meines Einkommens an eine Organisation zu spenden, die damit möglichst viel Wirkung erzielt. Bis heute sind daraus gar 15% daraufs geworden.
Hier kommen wir an einen Punkt, der mich schon ebenfalls schon länger beschäftigt.
Ist die Nutzung unserer Privilegien zum Allgemeinwohl hin nicht eher ein Pflicht denn eine Kür? Müssen wir die Vorstellung von "Wohltätigkeit" vielleicht überdenken und zum Schluss kommen, das es falsch wäre unsere Rechte und Mittel nicht für altruistischen Zwecke sondern nur für uns selbst zu nutzen? Wie würde wohl ein Welt aussehen in der dieses Ideom selbstverständlich wäre?
Diese Fragen kann und will ich in den nächsten Monaten auch auf die praktische Ebene meiner Entwicklungszeit herunterbrechen. Das Privileg so etwas tun zu dürfen, birgt in sich immer auch die Frage mit sich, was dabei meine Pflicht sein könnte. Die Antwort wird sich mit der Zeit geben.Baca selengkapnya