Peking-Moskau

May - June 2017
A 19-day adventure by Guido Kaufmann Read more
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  • Day 19

    Wieder zuhause

    June 6, 2017 in Switzerland ⋅ 🌧 13 °C

    Meine Reise endet mit diesem letzten Blogeintrag. Dankbar und glücklich über das Erlebte auf dieser so faszinierenden und gut verlaufenen Reise bin ich 18 Tage nach meinem Abflug heute wieder in Zürich eingetroffen, und es braucht nun gar keine weiteren Worte mehr, ausser einem Dankeschön an euch alle für das Interesse an meinen Blog und die vielen positiven Reaktionen dazu, sowie einem ganz grossen «Thank you» an meine vier Freunde Amanda, Kersty, John und Chris aus Australien, mit denen ich dieses tolle Erlebnis teilen durfte: We had a great time together and I will miss you...Read more

  • Day 18

    Besuch im Kreml

    June 5, 2017 in Russia ⋅ ⛅ 13 °C

    Vielleicht sind es die vielen spannenden Agentenromane aus seinem Umfeld, die ich gelesen habe oder die Kindheitserinnerungen an den kalten Krieg, wo er für mich immer gleichbedeutend war, mit dem wohl am strengsten bewachten Ort der Welt und dem Machtzentrum der Sowjetunion, die für mich auch heute noch den Kreml mit einer geheimnisvollen Aura belegen. Längst ist er jedoch zu einer touristischen Attraktion jedes Moskaubesuchs geworden. Seit dem Tode Stalins in den Fünfzigerjahren kommt man nach dem Passieren von ein paar normalen Security-Checks, wie sie heute in der Welt ja fast überall üblich sind, problemlos hinter die fast zweieinhalb Kilometer langen Mauern, welche diesen von den Zaren erbauten Regierungssitz umgeben.

    Heute ist es nur noch der Amtssitz des russischen Präsidenten, den man mit etwas Distanz begutachten muss. Alle übrigen Gebäude sind für die Bevölkerung geöffnet und laden zum Besuch ein. Vladimir Putin arbeite jedoch lieber in seiner Datscha (den russischen Ferienhäuser in den Wäldern ausserhalb der Stadt), was ein Geschenk sei, wie unsere Führerin beim Rundgang durch den Kreml erklärt, denn so würden die Strassen nicht wie bei den früheren Präsidenten täglich gesperrt, wenn er zur oder von der Arbeit heimfahre und damit das morgen- und abendliche Verkehrschaos in der Stadt verstärkt.

    Nebst den vielen Kathedralen und dem riesigen Kremlpalast, den man aus dem Fernsehen von den kommunistischen Parteitagen mit den tausenden von Parteifunktionären noch kennt, ist es vor allem die Rüstkammer, wo sich ein Besuch lohnt. Es ist eine Schatzsammlung aus einem halben Jahrtausend der russischen Geschichte. Kleider, Schmuck oder Möbel; alles immer mit Gold und Edelsteinen aus der ganzen Welt verziert, mit denen die Fürsten und Zaren ihren enormen Reichtum demonstrieren, präsentieren sich in den Hallen und sind alle mit irgendwelchen spannenden Anekdoten belegt. Wie etwa die wunderschöne aus einem südeuropäischen Königreich geschenkte Kutsche mit den kunstvollen Schnitzereien, deren Herstellung wohl tausende von Stunden Arbeit verschlang, jedoch zum Wenden einen so grossen Radius beanspruchte, dass sie völlig unpraktisch war und nie zum Einsatz kam. Wahrscheinlich ging es aber auch weniger darum, als um das Präsentieren dieses Schmuckstücks, war es scheinbar zu Zarenzeiten üblich, jedes Geschenk mit einem doppelt so teuren zu verdanken.

    Nachdem die Russen in den letzten zwanzig Jahren schrittweise die Erinnerungen an die siebzig Jahre Kommunismus haben verschwinden lassen, Städte wie Leningrad, Stalingrad, usw. wieder umbenannten, Hammer und Sichel oder die UdSSR-Schriftzüge von den Gebäuden und Denkmälern verschwanden, begann sich wieder eine sehr reiche Oberschicht zu bilden, welche sich der Reichtümer dieses Landes zu bedienen begann. Der Prunkt im am Nachmittag noch besuchten berühmten Luxuskaufhaus Gum mit allen teuren Labeln aus der ganzen Welt, das unmittelbar an den Roten Platz angrenzt und die Vielzahl der dort vorfahrenden schwarzen Luxuslimousinen lassen den Gedanken aufkommen, dass sich in Russland der Kreis der Geschichte somit offenbar wieder geschlossen hat.
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  • Day 17

    Moskau putzt sich heraus

    June 4, 2017 in Russia ⋅ ⛅ 11 °C

    Nach 7964 Kilometern auf Schiene, einer letzten Nacht im Bett des Schlafwagens, wo um vier Uhr morgens bereits die Sonne durch das Fenster hinein blinzelte, trafen wir auf die Minute genau in Moskau ein.

    Schon eine Stunde ausserhalb dieser Grossstadt reihte sich Hochhaus an Hochhaus, gebaut im typischen, schnörkellos schlichten Stil des Kommunismus der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Es war damals kein Wohneigentum der darin lebenden Bevölkerung, der Staat hatte sie erstellt und teilte ihr die Wohnungen zu, welche dann höchstens innerhalb der Familien weitergegeben werden konnten, ansonsten aber wieder an den Staat zurück gingen für die Nächsten auf der Warteliste. Erst in den Neunzigerjahren, mit dem Zerfall des Kommunismus in der Sowjetunion wurde das Privateigentum für Wohnraum eingeführt. 12 Millionen Menschen leben heute offiziell in Moskau, 14 Millionen sind es scheinbar inoffiziell.

    Welch ein Kontrast zu diesen grau-beigen, quadratischen, mehrfach nebeneinander kopierten Wohnblocks dann im Stadtzentrum. Für die riesige unverkennbare Kremlanlage, die plötzlich vor uns auftauchte, und mit ihren mächtigen roten Mauern und Türmen, hoch über dem der Stadt den Namen gebenden Flusses Moscow, einen überwältigenden Anblick bot, zeichneten italienische Architekten verantwortlich. Diese waren aufgrund einer damals geschickt eingefädelten Ehepolitik der Zarendynastie ins Land gekommen und bauten diesen bekannten Befestigungsring um den Regierungssitz.

    Gleich daneben, in einem noch grösseren Kontrast zur im Vergleich dazu richtig trostlos erscheinenden Architektur des Kommunismus, die Basilius Kathedrale, mit den bekannten Zwiebelkopftürmen in den leuchtenden Farben blau, grün und weiss. Auch wenn zwischendurch noch Gottesdienste in einem der Türme stattfinden, wird dieses Wahrzeichen von Moskau heute vor allem als Museum für die Ikonenmalerei Russlands verwendet. Es hatte für mich etwas Ehrfürchtiges, am frühen Morgen des Pfingstsonntages durch die so wunderschön ausgeschmückten Hallen der Kathedrale zu laufen und die farbenstark gestalteten, goldig leuchtenden Bilder der Märtyrer und Heiligen auf mich wirken zu lassen.

    Als dritter Architekturstil fielen mir auf der nachmittäglichen Stadtrundfahrt noch die Bauten Stalins auf, der es liebte auf allen Gebäuden noch irgendwelchen Statuen oder Verschnörkelungen zu platzieren. Dieser tyrannisch herrschende Regierungschef, der durch seine politischen Säuberungen soviel Leid über Russland brachte, aber trotzdem immer noch eine Beliebtheit zu geniessen scheint, leitete grosse Bauprogramme in Moskau, um in dieser so schnell wachsenden Stadt, viel Wohnraum zu schaffen.

    Der Übergang mag nun etwas abrupt sein: Auch Staatspräsident Vladimir Putin lässt gegenwärtig in Moskau überall die Baumaschinen auffahren. Die grossen Boulevards werden über Kilometer neu belegt, die öffentlichen Plätze saniert und nebst der Basilius Kathedrale entsteht gar eine neue, riesige Parkanlage. Ein Bauprogramm, das jedoch exakt heute in einem Jahr fertig sein muss, denn dann startet in Russland die Fussball-WM 2018 und für diesen Prestigeanlass putzt sich das Land gerade unübersehbar heraus, nicht nur in Moskau.
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  • Day 16

    Über den Ural nach Moskau

    June 3, 2017 in Russia ⋅ ☀️ 22 °C

    Das rund 2500 Kilometer lange Uralgebirge ist geografisch die Grenze zwischen Europa und Asien und erstreckt sich von der kalten Tundra im Norden über die Taiga bis zur Wüstensteppe im Süden. Nachdem ich ja gestern schon mal einen Fuss über die Grenze gesetzt hatte, ging es heute vom auf der asiatischen Seite des Urals liegende Jekaterinburg aus definitiv westwärts, zum Ziel meiner Reise, der russischen Hauptstadt Moskau, über eine Distanz von exakt 1668 Eisenbahnkilometer, mit einer letzten Übernachtung im Zug. Meine Erwartungen an das Uralgebirge waren jedoch zu hoch, und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Knapp 500 Meter über Meer lagen die Hügel, über welche die das Gebirge durchquerenden Trasses der Eisenbahn führten, und dabei vom Zug aus kaum auszumachen.

    Die vor 300 Mio. Jahren entstandenen Berge waren mal rund 7000 Meter hoch, doch die Verwitterung hatte zwischenzeitlich Schicht um Schicht abgetragen und dadurch die Erze und Mineralien zu Tage gefördert, für die das Gebirge seine Bekanntschaft erlangt hat. Die wissenschaftliche Erklärung für die Entstehung dieser weltweit einzigartigen Mineralienvorkommnisse basiert auf dem Aufeinandertreffen der beiden kontinentalen Platten von Europa und Asien und den damit verbundenen zahlreichen vulkanischen Akivitäten, wo jeweils Magma als Ursprungsmaterial für die unterschiedlichen Gesteinsbildungen freigesetzt worden war.

    Zarenexpertin Irina, die mich beim Ausflug ins Ural-"Gebirge" begleitete, kannte noch eine alternative, nicht auf geologischen Theorien basierende Begründung für die enorme Edelsteinvorkommnisse: Als nämlich der liebe Gott die Erde erschuf und die Edelsteine auf der Welt gleichmässig verteilen wollte, flog er mit den Schätzen in der Hand über Sibirien. Dabei sei ihm so kalt geworden, dass er die Hände in seine Hosentaschen stecken musste und kurzerhand über dem Ural alle Steine auf einmal runterfallen liess. Eine weitere alte, schöne Geschichte aus der Bevölkerung, wie sie uns in den letzten zehn Tagen in Russland immer wieder begegnet sind.

    Als Abschiedsgeschenk überreichte mir Irina dann auf dem Bahnhof von Jekaterinburg noch einen kleinen Jaspinstein, der mir auf meiner weiteren Reise durch Russland Schutz und Glück bringen möge. Um diesen Schutz sollte ich schon eine Stunden später dankbar sein, als vier sturzbetrunkene, äusserst aufdringliche Russen in mein Abteil stürzten, mit einem "gut Freund" auf die Schulter klopftend mich in ihren Kreis zogen und dann um jeden Preis an der "Wodkaparty" teilhaben lassen wollten. Nach einer zur Hälfte im Abteil verschütteten Flasche zogen sie es aber glücklicherweise vor, ihren Rausch erstmal etwas auszuschlafen, begleitet von einem unüberhörbaren Schnarchen (siehe Video).
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  • Day 15

    Der letzte Zar Russlands

    June 2, 2017 in Russia ⋅ ⛅ 22 °C

    «Den Konjunktiv gibt es nicht in der Geschichte» - mit diesen Worten, in denen eine gewisse Melancholie unüberhörbar mitschwang, schloss Irina den fast fünfstündigen Rundgang durch Jekaterinburg und verschiedener Gedenkstätten vor der Stadt, wo wir heute der Geschichte des letzten Zaren Russlands, Nikolaj II, nachgingen. Wenn der erste Weltkrieg nicht gewesen wäre, hätte Russland heute vielleicht immer noch ihre Monarchie, wollte sie uns damit sagen, denn viele Russen trauern dieser Zeit nach, als der beliebte Zar das Grossreich noch führte.

    Die Geschichte des Zarentums hat in Jekaterinburg ihr tragisches Ende gefunden, als in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 1918 die gesamte Zarenfamilie, Nikolaj II, seine Frau Alexandra, sowie die fünf Kinder Aleksej, Olga, Tatjana, Marija und Anastasia im Keller ihres Hauses, wo sie im Arrest waren, von den Bolschewiken heimtückisch erschossen wurden - zusammen mit ihren ergebenen nächsten Dienern, die eigentlich hätten fliehen dürfen, aber nicht von der Seite der Familie wichen und mit ihr in den Tod gingen. Die Geschichte des letzten Zaren ist aber auch stark mit der russischen orthodoxen Kirche verbunden, Nikolaj II und seine ganze Familie gelten als Märtyrer, sind inzwischen heiliggesprochen worden und zieren die zentralen Ikonen in jeder der vielen neu erbauten Kirchen. Da wo die Zarenfamilie den Tod fand, steht heute die grösste, von weitem sichtbare, wunderschöne «Kirche des Blutes», mit dessen Erbauung die russische Bevölkerung Sühne leisten wollte für das Verbrechen, das sie am Zaren und damit indirekt an Gott begangen hatten.

    Unser Rundgang hatte jedoch am Morgen etwa 40 Kilometer ausserhalb von Jekaterinburg begonnen, wo die sterblichen Überreste der Familie damals in aller Eile wegen der heranrückenden weissen Armee in einer Grube verscharrt worden waren, erst 1978 aufgrund der Öffnung des Staatsarchives und den gefunden Aufzeichnungen zu diesem Ereignis lokalisiert werden konnte und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des damit wieder erlaubten Praktizierens des Glaubens, ein Männerkloster erbaut worden ist, das heute einen bedeutenden Wallfahrtsort darstellt.

    Als ich mit Irina eine der vielen Holzkirchen des Klosters betrete und mich dabei automatisch bekreuzige, errege ich offenbar die Aufmerksamkeit eines der Aufsicht haltenden jungen Mönche, der sofort unterbruchlos, mit einer für eine Kirche nicht angemessenen Lautstärke auf mich einzureden beginnt und erst durch Irina mit den Worten, ich sei «halt» Katholik gestoppt werden kann. Überraschend freundlich, mit einem wohl leicht schlechten Gewissen, aufgrund meiner perplexen Reaktion, zeigte er mir dann wie ich die Finger gemäss orthodoxem Ritual korrekt hätte zusammenführen sollen und ermahnte mich zu mehr Ruhe und Gelassenheit im Leben, da ich das Bekreuzigen offenbar zu schnell vollzogen habe.

    Weil gerade das bedeutende Pfingstfest bevorsteht, sind alle Kirchen mit wunderschönen grün leuchtenden Birkenzweigen als Zeichen des Heiligen Geistes ausgeschmückt. Die auf dem Gelände und in den Kirchen überall vorhandene Symbolik, wie beispielsweise die 7 (statt normalerweise 3) Kirchentürme als Erinnerung an die 7 Mitglieder der Zarenfamilie oder die 23 Treppenstufe hinauf zur Kirche des Blutes als Bezug zur 23-jähigen Herrschaft des Zaren und den 23 Stufen, die in den Keller des Hauses führten, liessen die mit der Geschichte des Regenten bis ins Detail bewanderte Irina bei diesem Rundgang natürlich aus dem Vollen schöpfen, und wir realisierten gar nicht, dass wir ja gar kein Mittagessen eingenommen hatten, was dann anschliessend mit einem üppigen, usbekischen Essen jedoch mehr als kompensiert wurde, und mit einem ausgedehnten Abendspaziergang durch diese faszinierende Stadt seinerseits wieder kompensiert werden musste.
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  • Day 15

    Mit einem Fuss wieder in Europa

    June 2, 2017 in Russia ⋅ ⛅ 21 °C

    ... im Ural, an der Grenze von Europa und Asien.

  • Day 14

    Eine riesige Schatzkammer

    June 1, 2017 in Russia ⋅ ☀️ 14 °C

    Die letzten beiden Reisetage führten uns durch die westsibirische Tiefebene mit ihren unendlichen Weiten. Dennoch ist die Gegend, insbesondere entlang der Eisenbahnlinien, deutlich stärker bevölkert als die zuvor passierten Regionen des sibirischen Berglandes und der Mongolei.

    Sibirien ist eine riesige Schatzkammer und verfügt über den grössten Vorrat an Bodenschätze der Welt. Die im letzten Jahrhundert durch die Sowjetunion intensivierte Gewinnung führte zu einer richtiggehenden Bevölkerungsexplosion in Sibirien. Aus kleineren Städten wurden so Millionenmetropolen, wie zum Beispiel die von uns als erste passierte Stadt Krasnojarsk, wo vor hundert Jahren nur knapp dreissigtausend Einwohner wohnten und die heute 1.1 Mio. Menschen zählt. Aber auch die Hauptstadt Sibiriens, Novosibirsk, ist mit ihren 1.6 Mio. Einwohnern bereits die viertgrösste Stadt Russlands, und die hell erleuchteten Wolkenkratzer, die sich uns bei der nächtlichen Durchfahrt präsentierten, erinnerten mehr an eine amerikanische Grossstadt als an das Herz von Sibirien, wie man es sich gemeinhin vorstellt. Vor Jekaterinburg, wo wir die nächsten beiden Tage uns nochmals mit Land und Leuten ausserhalb des Zugsabteils intensiver auseinandersetzen wollen, reiht sich eine Industriestadt an die andere. Man merkt es auch auf dem Bahnsteig oder im Zug. Es herrscht ein emsiges Treiben. Die Erschliessung Sibiriens durch die transsibirische Eisenbahn hat natürlich wesentlich zu dieser wirtschaftlichen und bevölkerungsmässigen Entwicklung der Westsibirischen Tiefebene beigetragen, denn erst so wurde eine effiziente Förderung der Rohstoffe möglich.

    Was findet sich denn in dieser Schatzkammer alles? Da ist natürlich das Holz aus der russischen Taiga, dem weltweit grössten Wald, wo ein Viertel aller Waldreserven unserer Erde zu finden sind, vor allem Nadelwald (Kiefer, Fichten und Tannen) dominiert. Die mich so faszinierenden, bekannten Birkenwälder bilden nur den Abschluss und machen lediglich etwa zwanzig Prozent aus. Unter dem Boden sind es dann vor allem die Energierohstoffe Erdöl, Erdgas und Kohle sowie die Metalle Eisenerz, Gold, Zinn, usw. die abgebaut werden, aber auch Uran (90% des weltweiten Vorrates). Entsprechend befinden sich auch strategische Zentren der russischen Rüstungsindustrie in dieser Gegend, wie zum Beispiel in Omsk, das zwischenzeitlich durch Touristen besucht werden darf, bis vor kurzem jedoch eine «geschlossene Stadt» war. Fotografieren ist teilweise immer noch verboten, wie wir unmissverständlich aufgeklärt wurden.

    Russland tut sich aktuell jedoch sehr schwer mit der Nutzung dieser Bodenschätze, die notwendigen Voraussetzungen für den Abbau können aufgrund der finanziellen Situation Russlands nicht geschaffen werden oder die vorhandenen Mittel fliessen in falsche Kanäle. Die vielen zerfallenen Industriebauten die wir entlang der Eisenbahnlinie sahen, verdeutlichten uns dies immer wieder.
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  • Day 13

    Unsere Hausmutter vom Zug

    May 31, 2017 in Russia ⋅ ☀️ 12 °C

    Seit etwas mehr als 40 Stunden sind wir auf der aktuellen Etappe nun bereits im Zug, quer durch die sibirische Tiefebene Richtung Uralgebirge, wo dann in Jekaterinburg der letzte grössere Halt vor Moskau ansteht. Dabei wird mir nochmals die Grösse Russlands bewusst, das sich ja über elf Zeitzonen erstreckt, und wir in diesen zwei Tagen von Irkutsk nach Jekaterinburg alleine deren drei durchqueren.

    Allmählich haben wir uns alle ganz gut im Zug eingelebt und die Rituale der Transsibirienreisenden durch Beobachten und zwischendurch auch Experimentieren angeeignet, um die Zugsfahrt auch voll geniessen zu können. Davon möchte ich heute etwas ausführlicher berichten.

    Sehr schnell merkt man, die wichtigste Person ist nicht der Lokführer, der sowieso alle paar Stunden wechselt, sondern die Schaffnerin (seltener ein männlicher Schaffner), die jedem Wagen zugeteilt wird und im Stile einer resoluten Hausmutter für Ordnung schaut, dies im eigentlichen wie auch im übertragenen Sinne. Bei den doch noch recht primitiven sanitären Einrichtungen ist man da froh darum, aber auch die saubere Bettwäsche und Handtücher, das Ofenfeuer für heisses Wasser für einen Kaffee oder eine Suppe, das Regulieren der Temperatur bei den so stark schwankenden Temperaturen, sowie das rechtzeitige Schliessen und Öffnen der WC-Türen gehören in ihren Verantwortungsbereich. Und wenn das alles klappt, lässt sich in den Zügen doch schon ganz gut leben.

    Die Schaffnerin schaut aber auch - wahrscheinlich ausserhalb ihres eigentlichen Auftrages -, dass keines ihrer Schäfchen auf dem Weg verloren geht oder Ärger mit der Polizei bekommt. Denn auch wenn wir fünfzig Stunden am Stück unterwegs sind, gibt es doch alle zwei oder drei Stunden irgendwo einen kleinen Halt zwischen zwei und dreissig Minuten, wo dann die meisten Passagiere die Möglichkeit nutzen, kurz auf dem Bahnsteig von den vielen bereitstehenden Händlern, welche die Ankunftszeiten der grossen transkontinentalen Züge natürlich bestens kennen, etwas Essbares oder frisches Trinkwasser zu kaufen. Wachsam hält sie uns dabei im Auge und hilft schon mal schlichten, wenn eine Preisverhandlung scheitert oder ein unbedarfter Tourist etwas fotografiert, was man besser hätte sein lassen und ein Militär die Kamera konfiszieren will, wie meinem Kollegen passiert. Oder ohne Worte beim Vorbeigehen unsere Wodkaflasche für den nächtlichen Schlummerbecher temporär (!) einzieht, um zu verhindern, dass wir mit der ganz kurz darauf patrouillierenden Polizei grösseren Ärger bekommen würden, da Alkohol in den Zugsabteilen - wahrscheinlich aus gutem Grunde - eigentlich verboten ist.

    Wie hätten wir das auch alles wissen sollen, sind doch alle Reglemente auf Russisch, die Piktogramme gewöhnungsbedürftig, und die Schaffnerin versteht uns ebenso wenig wie wir sie, so dass sie uns das zu Beginn hätte sagen könnte. Ihre über die Jahre stets weiter verfeinerten Gesten sind aber meist gut-, und wenn ihre Lautstärke des unverständlichen Gemurmels dabei noch deutlich zunimmt, sogar unmissverständlich. Man lege sich besser nicht mit ihr an, steht in jedem Reiseführer, denn sie komme in der Hierarchie "unmitttlbar unterhalb Gott", um noch etwas präziser zu sein.

    Und manchmal ist man auch einfach nur froh, wenn sie einem nach einer gestenreichen Nachfrage die Hand entgegenstreckt und die Uhrzeit mitteilt, um im ganzen Zeitwirrwar (Bahnhofsuhr und Fahrplan ist Moskauzeit, im Zug leben wir nach Lokalzeit und das Handy zeigt die Zeit eines Telekommunikationsanbieters an, die auch plus/minus eine Stunde varieren kann) die Übersicht zu bewahren und weiss, wann Zeit für einen Halt ist oder der Speisewagen endlich öffnet.

    Und wenn sich zwei Jungverliebte auf der Plattform aus einer innigen Umarmung lösen müssen, um sich vielleicht tausende von Kilometer voneinander zu entfernen, kann man das tröstende Wort auch ohne Russischkenntnisse erahnen, das sie den zwei beim letzten Aufruf im mütterlichen Ton mitgibt.
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