E1-Deutschland.Mitte

мая - октября 2015
Auf dem E1 durch das Mittelgebirge Deutschlands. Vom Steinhuder Meer zum Taunus am Rhein.
E1-Tag 16-40, Mehrtagestouren, 597km.
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  • E1-40-D-Walluf am Rhein (21km)

    11 октября 2015 г., Германия ⋅ 🌧 6 °C

    Ungeduldig unterwegs auf dem Aar-Höhenweg und durch den Taunus (3/3)

    Nur zwanzig Kilometer sind es noch bis zum Ziel! Heute ist viel Zeit, um die Sachen in aller Ruhe in den Rucksack zu verstauen.
    Eigentlich hatte ich bisher, ob nun zwei, drei oder fünf Tage unterwegs, immer dasselbe dabei. Alles passt in den kleinen grauen Rucksack hinein, der mich dieses Jahr begleitet. Bin ich mehr als drei Tage unterwegs, wird die schmutzige Wäsche halt mal mit REI in der Tube im Handwaschbecken gewaschen. Das war nie ein Problem, denn am nächsten Morgen waren die Sachen fast immer trocken. Falls nicht, wird körpergetrocknet. ;-)
    Ein Leitspruch, den jeder Wanderer früher oder später beherzigt: Nur wer wenig Gepäck mitnimmt, hat es leicht. So halte ich es auch.
    Bereits viertel vor Acht stehe ich vor der Tür zum Frühstücksraum. Ich habe Hunger. Doch die Tür ist verschlossen.
    „Es gibt noch nichts, erst um 8“, meint der Wirt. Er lässt nicht mit sich verhandeln. Da kann man nichts machen, ich muss die Zeit mit einen kleinen Spaziergang im nahen Kurpark überbrücken. Punkt Acht bin ich zurück und nun steht die Tür zum Frühstücksraum weit offen. Und da staune ich nicht schlecht, was alles auf meinem Tisch aufgefahren wurde: Nutella, Honig, Marmelade, Käse, Schinken, Wurst, Müsli mit frischer Milch, Brötchen, Quark, Obst und Kuchen. Wer soll das nur alles essen? Ich bekomme sogar noch Proviant mit auf den Weg. Ein tolles Haus!
    Weiter geht es dem Ziel entgegen, das nun nicht mehr weit ist. Der Gedanke daran erzeugt ein Kribbeln in meiner Magengegend. Die Ungeduld wächst. Am liebsten würde ich gleich hinter der nächsten Bergkuppe, die ich keuchend erklimme, den Rhein erblicken. Doch ich muss mich gedulden, erst heute Nachmittag werde ich mein Etappenziel erreichen, das ja auch ein weiterer Meilenstein meiner E1-Wanderung darstellt.
    Wieder geht es durch bunten Blätterwald. In der Ferne lugt ein Fernmeldeturm über den Baumwipfeln hervor. Er gibt mir die Richtung vor. Dort hinauf geht es. Eine Stunde später ist der sanfte Anstieg geschafft, ich passiere den Fernmeldeturm auf der Hohen Wurzel. Damit habe ich die höchste Stelle im Taunus erreicht, von nun an geht es bergab. Es macht mein Wandern gleich leichter.
    Ich komme an einem eingezäunten Waldstück vorbei. Auf einem Schild steht TERRA LEVIS – Land des Sprühregens. Hier liegt der dritte Bestattungswald, dem ich auf meiner Wanderung begegne.
    Der Taunus ist ein beliebtes Naherholungsgebiet des Rhein-Main-Gebietes. Und tatsächlich, je näher ich meinem Ziel komme, desto mehr Menschen begegne ich. Sie tragen Körbe und Tüten in den Händen, sind einzeln oder in großen Trauben unterwegs. Ihnen gemein ist die gebückte, suchende Haltung, sie spähen auf dem Waldboden nach Pilzen und Esskastanien, die es hier in Hülle und Fülle gibt.
    Der Wald öffnet sich, macht Platz für blauen Himmel. Geblendet von der hellen Sonne stehe ich wie angewurzelt am Waldrand, schaue überrascht ins weite Rheintal, das sich vor mir ausbreitet. Auf einen solchen Anblick war ich nicht vorbereitet, er überwältigt mich. Man kann bis nach Wiesbaden, Mainz und Rüdesheim schauen, deren Gebäude und Schornsteine weit entfernt in der Sonne glitzern. Direkt vor mir: Weinberge, die bis ins Tal reichen. Lange bleibe ich stehen, sauge in mich auf, was ich sehe und ganz allmählich begreife ich, dass ich angekommen bin. Mein Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen. So viele Tage bin ich gewandert, habe mich so sehr auf diesen Moment gefreut und nun ist er plötzlich da. Kindliche Freude erfüllt mich.
    Doch Glücksgefühle sind flüchtig und sie verebben rasch.
    Ich bin bereit für das letzte Stück, das mich die Weinberge, deren Rebstöcke voller Weinbeeren hängen, hinab ins Tal bringen soll. Bald bin ich am Bahnhof Walluf, greife in die Tasche, ziehe mein Smartphone heraus, aktiviere den Bildschirm und drücke auf den Komoot-Funktionsbutton <Tour beenden>. Mit dem Speichern ist die Tour jäh zu Ende, der letzte Schritt von sechshundert in diesem Jahr gewanderten Kilometern ist gelaufen.
    Doch da ich schon hier bin, möchte ich auch einen Blick auf den Rhein werfen. Ein paar Schritte nur und da liegt er vor mir: der Fluss meiner diesjährigen Sehnsucht. Es gibt eine Fähre, die mich im nächsten Jahr auf die andere Rheinseite bringen soll. Ob es stimmt, möchte ich herausfinden. Tatsächlich gibt es eine Fahrradfähre, deren Betrieb aber für dieses Jahr bereits eingestellt ist. Doch im nächsten Frühjahr wird sie wieder übersetzen. Das genügt ja.
    Auch am Rhein gibt es Cafés. Genau gegenüber der Fähre ist eines. Dort sitze ich nun und bestelle Apfelkuchen und Milchkaffee. „Milchkaffee gibt’s nicht!“, die Bedienung ist offenbar etwas mürrisch gestimmt. Meine gute Laune will sie offenbar nicht teilen. Na, dann eben einen Latte Macchiato. Den gibt’s. Na also, geht doch, meine gute Laune kriegt sie nicht klein!
    Später nehme ich die Vorortbahn nach Frankfurt und erfahre, dass der Zug nach Hamburg vierzig Minuten Verspätung hat. Wegen der Flüchtlinge, sagt man mir. So endet die Tour, wie sie begann: mit der Flüchtlingsproblematik.
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  • E1-39-D-Bad Schwalbach (30km)

    10 октября 2015 г., Германия ⋅ ☁️ 11 °C

    Ungeduldig unterwegs auf dem Aar-Höhenweg und durch den Taunus (2/3)

    Um neun Uhr schon bin ich in dem kalten, feuchten Morgen wieder unterwegs. Es geht einen Feldweg entlang, das Getreide auf den angrenzenden Feldern ist längst abgeerntet. Nackter, lehmiger Boden, darüber die Weite des graue Himmels. Ob heute noch die Sonne rauskommen wird? Es sieht nicht danach aus.
    Bald geht es abwärts, zurück zur Aar. Unterwegs stoße ich auf den E1, der hier den Höhenweg ein Stück begleitet, aber bald wieder Richtung Osten abbiegt. Er strebt nach Frankfurt, macht wie üblich seine Schleifen. Der Aar-Höhenweg führt direkter nach Süden. Deshalb habe ich mich in der Taunusregion gegen den E1 entschieden. Erst im nächsten Jahr werde ich wieder auf ihn treffen und ihm dann vermutlich bis zum Bodensee folgen. So jedenfalls habe ich es geplant.
    Kaum bin ich zurück an der Aar, schraubt sich der Höhenweg wiederum in die Höhe. Er heißt ja auch nicht umsonst so. Mehr noch als gestern folgt er heute dem Lauf der Aar, windet sich Kilometer für Kilometer am Fluss entlang, so dass ich manchmal das Gefühl habe, überhaupt nicht voran zu kommen. Ein schöner Rastplatz mit großer Bank nahe am felsigen Abhang lädt zum Verweilen ein. Ich breite aus, was mein Rucksack an Proviant hergibt und genieße den herrlichen Ausblick auf die gegenüber liegende Burg Hohenstein, deren Ruinen von ihrer Zerstörung im dreißigjährigen Krieg zeugen. Vor einem halben Jahrhundert wurde sie zum Hotel- und Gaststättengebäude umfunktioniert, der angrenzende Hotelkomplex wirkt klotzig.
    Links oberhalb der Burg rotieren ein paar Windkrafträder. Eines aber steht still. Ich sinniere, warum es sich nicht dreht und fordere das Unerhörte heraus. Es ist nur so eine Idee, doch ich frage mich, ob die Kraft meiner Gedanken ausreichen würde, dieses Windrad in Gang zu setzen. Ich starre das Windrad an und denke konzentriert: "bewege dich!". Es ist nur ein Spiel, aber was soll ich sagen - kurz darauf beginnt es sich zu drehen! Erst nur langsam, dann immer schneller. Oh, war ich das jetzt oder geschah das zufällig?
    Bunter Blätterwald umgibt mich. Der Weg folgt weiter der Aar, windet sich um einen Hügel herum. Allmählich werde ich ungeduldig, es geht mir viel zu langsam voran. Da scheint eine Abkürzung durch das Unterholz möglich, nach Karte wäre eine Einsparung von einem Kilometer drin. Also ab ins Unterholz, den Hügel hinab. Aber so einfach, wie ich es mir das vorgestellt hatte, geht es nicht. Unten angekommen, stoppt ein Bach meinen Vorwärtsdrang. Hier geht es nicht weiter. Zurück? Nein, niemals zurück! So transformiert der Wanderer schnell mal zum Abenteurer, der sich ein paar Steine schnappt, sie ins Bachbett schmeißt, eine schmale Furt formt und den Bach trockenen Fußes überquert. So dachte ich es mir jedenfalls. Doch die andere Uferseite entpuppt sich als feuchte und schlammige Fläche. Das hatte ich so nicht kalkuliert. Als ich die andere Uferseite betrete, versinken die Stiefel im Morast. Ein Zurück geht jetzt wirklich nicht mehr, auch wenn ich wollte. Doch die Stiefel versinken nicht völlig, die Füße bleiben trocken. Den Gore-Tex Stiefeln sei Dank! Jetzt schnell den Hang hinauf, schon bin ich zurück auf dem Weg. Trotz der dreckigen Stiefel - das hat Spaß gebracht. Und eine Abkürzung war es tatsächlich.
    Am Nachmittag erreiche ich Bad Schwalbach. Wie üblich zum Ende eines Wandertages treibt mich der Gedanke an Kaffee und Kuchen. Dieses Mal werde ich in einem REWE Supermarkt fündig. Ein älterer Herr macht mir Platz mit den Worten: "Da soll sich der Wandersmann mal 'ne richtige Ruhepause gönnen." Nett von ihm, aber sehe ich so fertig aus? Schon möglich, es liegen dreißig Kilometer hinter mir.
    Nach der Pause geht es durch den Ort. In der Fußgängerzone stoße ich auf ein bemerkenswertes Fachwerkhaus. Während die eine Seite im historischen Stil originalgetreu restauriert wurde, versah man die andere mit einer modernen Fassade aus Glas. Hier ist es gelungen, das Alte mit Modernem zu vereinen. Es ist ein Gasthaus daraus geworden, das sinnigerweise den Namen Glas-Werk (Glas und Fachwerk) trägt. Spontan bleibe ich zum Abendessen.
    Zur heutigen Herberge, dem Malepartus, was "Wohnung des Fuchses“ -also Erdloch- bedeutet, ist es nun nicht mehr weit. Ganz so schlimm wie der Name suggeriert, ist das Hotel zwar nicht, aber es scheint- wie der ganze Ort - in die Jahre gekommen zu sein. Ein Investitionsstau ist nicht zu übersehen, auch wenn hier und da schon renoviert wurde.
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  • E1-38-D-Berghausen (22km)

    9 октября 2015 г., Германия ⋅ ☀️ 15 °C

    Ungeduldig unterwegs auf dem Aar-Höhenweg und durch den Taunus (1/3)

    << In Limburg a.d.Lahn geht es weiter. Auf einer dreitägigen Tour folge ich zunächst der Aar auf dem Höhenweg Richtung Quelle. Ab Bad Schwalbach geht es dann direkt über den Taunus Richtung Süden weiter. Am Rhein ist in Walluf (bei Wiesbaden) nicht nur das Ziel dieser Tour erreicht, sondern auch die E1-Fernwanderung für dieses Jahr beendet. >>

    Am Samstagmorgen um acht Uhr dreißig sitze ich im Hamburger Hauptbahnhof am Gleis 11 und warte - noch etwas dösig - auf den Zug nach Gießen. Ich bin viel zu früh unterwegs. Eine Menschenmasse fließt am Bahnsteig gegenüber die Treppe hinab, verteilt sich langsam über dem Bahnsteig und erstarrt. Ein Mann führt den Aufzug an, hält ein Schild hoch, um gesehen zu werden. Die ihm nachfolgen, sind junge Männer mit südländischen Gesichtszügen. "Das sind Flüchtlinge!", durchfährt es mich. Ich schaue genauer hin. Als erstes fallen mir die bunten Sportschuhe auf, die sie tragen. Sie leuchten in grellen Farben und heben sich seltsam grotesk von ihrer gedeckten Bekleidung ab. Sie haben kein Gepäck bei sich. Manche haben die Arme vor die Brust verschränkt. Vielleicht ist es ihnen in der zugigen Bahnhofshalle zu kalt? Oder sie fühlen sich unwohl, so wie ich im Moment. Der Mann an der Spitze wedelt mit seinen Armen und dem Schild, auf dem mit großen Lettern das Wort SWEDEN geschrieben steht. Er bringt die jungen Männer dazu, sich Schuljungen gleich in langen Zweierreihen aufzustellen. Schließlich stehen sie ruhig vor dem Zug, dürfen auf sein Zeichen den Waggon entern. Das geschieht völlig lautlos, aber schnell und geordnet. Sobald sie im Zug sind, zerbricht die gerade geschaffene Ordnung wieder. Hastig werden freie Plätze ergattert. Diejenigen, die keinen abbekommen haben, laufen im Zug hin und her. Ein paar Passagiere ergreifen die Flucht, hasten in andere Waggons, machen so ungewollt Platz für die Flüchtlinge. Die Waggontüren schließen sich, der Zug rollt an. Bald ist er verschwunden, hinterlässt einen Bahnsteig, so leer wie zuvor. Es ist, als hätte das Schauspiel nie stattgefunden. Doch es war real und unzählige solcher Szenen sind an Bahnhöfen und sonstwo in ganz Europa gerade an der Tagesordnung, denn unzählige Menschen sind auf der Flucht vor Bürgerkrieg, Verfolgung, Zerstörung, Armut und was weiß ich. Sie kommen unter Entbehrungen aus ihren Heimatländern, aus Afrika und Nahost, in die noch sicheren Gebiete Europas. Die meisten wollen nach Deutschland, andere nach Schweden - wie offenbar diese Gruppe. Sie wollen in Länder, von denen sie gehört haben und von denen sie doch nichts wissen. Was wollen sie hier? Was erwarten sie von uns? Was erwartet sie überhaupt? Europa hat bisher keine befriedigende Antwort gefunden. Auch ich sitze hier gerade ratlos und fühle lediglich, dass ich froh bin, dass sie weiter gefahren sind. Vieles in unserem Land wird sich vermutlich verändern.
    Dann kommt mein Zug. Ich steige ein, setze mich auf den für mich reservierten Platz. Gegenüber sitzt schon ein Mann, ansonsten bleibt das Sechserabteil unbesetzt. So haben wir Glück, dass viel Raum für eine bequeme Reise bleibt. Ich ziehe meine Wanderstiefel aus und strecke die Beine von mir. Eigentlich möchte ich jetzt noch etwas ruhen, aber der Mann spricht mich an. Wir kommen ins Plaudern. Nach einer Weile kommt er zum Kern, erzählt mir, dass er eine Weile noch als Coach arbeiteten würde, aber bald in den Vorruhestand geschickt werde. "Nicht ganz freiwillig", schließt er ab. Ich betrachte ihn und finde, dass er noch recht jung aussieht. "Dabei bin ich noch gar nicht alt! Und ich habe noch viel vor!", schiebt er nach, als habe er meine Gedanken gelesen. "Im nächstes Jahr werde ich mit meiner Frau nach Österreich übersiedeln. Wir wollen ein Haus in den Bergen kaufen." Das ist doch ein guter Plan für jemanden, der bald viel Zeit haben wird. Heimlich beneide ich ihn dafür sogar ein bisschen. Schwupps sind wir in Hannover, er muss hier aussteigen. Ich hätte ihm noch länger zuhören können. Wer weiß, welche Impulse er mir noch gegeben hätte.

    Einige Stunden später komme auch ich an. Während ich vor dem Bahnhof die frische Luft einatme, erinnere ich mich an den Limburger Dom, die reizvolle Altstadt und an das nette Café, in dem ich das letzte Mal den leckeren Milchkaffee genoss. Ein Kaffee am Ende einer Wanderung ist stets eine wunderbare Belohnung und ein Stück Kuchen dazu das Sahnehäubchen. Mir kommt das herrliche, sommerliche Wetter in den Sinn, das vor vier Wochen hier herrschte und mich zum Schwitzen brachte. Heute ist es bereits herbstlich kühl. Es ist bestes Wanderwetter, also los geht's!

    Ich wende mich gleich Richtung Süden, vom schönen Limburg sehe ich nichts mehr. Es geht Feldwege entlang, irgendwann stoße ich auf den Aar-Höhenweg, der mir jetzt für zwei Tage die Richtung vorgeben wird. Er wird mich die Aar stromaufwärts geleiten. Am dritten Tag verlasse ich den Höhenwanderweg dann, um über den Taunus nach Süden dem Rheintal zuzustreben.
    In der Ferne sehe ich eine verfallene Burg. Aber ich bin schon auf so viele Ruinen gewesen. Diese hier lasse ich aus, denn sie ist klein und schon sehr kaputt.

    Ich bin schon zweieinhalb Stunden zu Fuß unterwegs, es ist Zeit für eine Rast. Ein Einheimischer gibt mir den Rat, es mit der Eisdiele „La Dolce Vita“ zu versuchen. Die Eisdiele sei etwas Besonderes. So ist es! Der Besitzer hat sich offenbar von dem gleichnamigen Kinofilm von 1960 inspirieren lassen. In dem Streifen von Frederico Fellini geht es um schöne Frauen, Flirten, Partie und den Sinn des Lebens. "Geht es nicht immer darum?", frage ich mich, während ich in der Eisdiele die zahlreichen Bilder betrachte, die allerlei Szenen des Films widergeben. Ich bestelle zwei Kugeln in der Waffel und setze mich nach draußen in die pralle Sonne. Während ich schlecke, bewundere ich ein Plakat, das Anita Eckberg in all ihrer dralligen Weiblichkeit präsentiert. La dolce vita! Wie süß ist doch das Leben.

    Weiter geht's mal auf dieser, mal auf jener Seite der Aar. Die Bäume am Wegesrand und im nahen Wald haben schon ein buntes Kleid übergeworfen. Der Herbst ist im vollen Gange. Er scheint mir die schönste Jahreszeit zum Wandern zu sein, zumindest, wenn er so schön ist wie im Augenblick.

    In Schließheim muss ich die Aar für heute verlassen, denn jetzt geht es Richtung Nachtquartier. Es war schwierig, eines zu finden, denn viele Hotels und Pensionen sind ausgebucht. Ich fand ein freies Zimmer abseits der Route in Berghausen und der Name ist wahrlich Programm! Denn nun geht es bergauf, und bald verliert sich der Weg. Es geht eine Wiese entlang, die im feuchten Morast endet. Irgendwo muss ich den Weg verpasst haben. Aber wie geht es nur weiter? Zurück? Niemals! Dann doch lieber durch den Knick, irgendwo auf der anderen Seite muss der Weg doch sein. Ich zwänge mich durch die Hölzer, muss danach noch einen tiefen Graben überwinden und dann endlich finde ich auf den Weg zurück. Und weiter geht es bergauf. Puh!

    Ein kurzen Blick zurück zum Verschnaufen. Die versinkende Sonne färbt über der anderen Seite des Tals die Wolken bereits rot. Wie schön es aussieht! Es beginnt zu dämmert, achtzehn Uhr ist schon durch. Fünf Kilometer liegen noch vor mir. Das wird eng heute! Ich kann einer Straße folgen. Das ist besser, als im schon finster werdenden Wald auf schmalem Pfaden über Wurzel zu stolpern. Doch auch die Straße verläuft durch den Wald und ich fürchte, dass Autofahrer mich im Zwielicht am Straßenrand nicht mehr erkennen. Gottlob ist nur wenig Verkehr. Kommt mal ein Auto vorbei, springe ich schnell von der Straße in den Grünstreifen. Die letzten Kilometern ziehen sich endlos hin, doch dann kann ich den Berghof ausmachen, der als heller Punkt verheißungsvoll am Ende des dunklen Dorfes Berghausen liegt. Ich trete ins Licht und werde herzlich willkommen geheißen. Im Restaurant steht heißes Essen auf den Tischen, die Gäste prosten sich heiter zu. Auch ich habe Hunger und vor allem - Durst. Also schnell ein Pils gezischt! Das erste Bier nach dem Wandern ist immer das Schönste. Dann verschwinde ich kurz auf mein Zimmer, nach einer raschen Dusche sitze ich gleich wieder im Restaurant, bestelle Wildschweinschinken und Köstritzer Schwarzbier. Der Schinken schimmert tiefrot und das Bier schwarz mit weißer Krone. Eine sehr gelungene Farbkomposition! Beides schmeckt wunderbar und ich gebe zu, das ich mehr Köstritzer koste, als mir gut tun. Beschwipst lande ich im Bett und bin froh, den Körper nach einem langen Tag auf einer guten Matratze ausstrecken zu können.
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  • E1-37-D-Limburg an der Lahn (12km)

    14 сентября 2015 г., Германия ⋅ ⛅ 20 °C

    Entspanntes Wandern auf dem Lahnwanderweg (5/5)

    Zunächst geht es noch ein Stück die Lahn entlang, vorbei an einem alten Judenfriedhof, einem Waldfriedhof und einer alten Schanze, auf der vor Jahrhunderten 250 tote Soldaten verscharrt wurden. Das Highlight ist der Besuch von Limburg, der berühmte Dom ebenso wie die tolle Altstadt. Fast bleibt dafür nicht genug Zeit, denn an der Autobahnbrücke vor Limburg wird gebaut, der Lahnwanderweg ist für Wanderer gesperrt. Aber man kann sich über Verbote auch mal hinwegsetzen, finde ich...
    Da ich Limburg an einem Montag besuche, bleibt die sonst vermutlich große Schar an Touristen weitgehend aus. So macht der Besuch eines der zahlreich vorhandenen Cafés richtig Spaß. Die späte Heimfahrt nach HH dauert lang und das derzeit herrschende Flüchtlingsproblem, das auf den Bahnhöfen in Gießen, Kassel und HH fühlbar ist, holt mich früher in die Realität zurück als mir lieb ist.
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  • E1-36-D-Runkel (25km)

    13 сентября 2015 г., Германия ⋅ 🌧 18 °C

    Entspanntes Wandern auf dem Lahnwanderweg (4/5)

    Der Tag beginnt mit einem Rundgang durch Weilburg, Besichtigung des Renaissance-Schlosses von außen nebst Schlossgarten. Die Etappe führt ganztägig auf dem Lahnwanderweg oder dem Lahn-Radweg die Lahn entlang. Die Strecke überzeugt durch ursprüngliche, abwechslungsreiche Landschaft, geruhsame Stille und völlige Abgeschiedenheit. Kleine Orte und einige Campingplätze säumen den Weg. Die Strecke ist wegen des guten Untergrunds schneller gegangen als geplant, so dass am Tagesziel in Runkel viel Zeit für den Besuch einer Konditorei (lecker Walnusskuchen) und einer ausgiebigen Besichtigung der alten Burg Runkel bleibt. Die Unterkunft (Pension Unterm Burgfels) besticht durch ihre naturgetreue Restaurierung. Ich erhalte ein ganz kleines, sehr niedliches Zimmer und am nächsten Morgen von einem niedrigen Deckenbalken eine dicke Beule an der Stirn.Читать далее

  • E1-35-D-Weilburg (13km)

    12 сентября 2015 г., Германия ⋅ ⛅ 23 °C

    Entspanntes Wandern auf dem Lahnwanderweg (3/5)

    Vor der eigentlichen Wanderung gibt es eine Besichtigung des gut erhaltenen neugotischen Schloss Braunfels. Wer wie ich die Ritterzeit interessant findet, kommt voll auf seine Kosten. Nach recht kurzen Strecke lockt der Besuch des Tiergarten Weilburg mit heimischen Tierarten (u.a. Wölfe). Die Unterkunft Aktivhotel Lindenhof in Weilburg ist nicht die erste Wahl gewesen. Empfehlen kann ich es nicht.Читать далее

  • E1-34-D-Braunfels (30km)

    11 сентября 2015 г., Германия ⋅ ⛅ 19 °C

    Entspanntes Wandern auf dem Lahnwanderweg (2/5)
    Eine lange Etappe durch Wälder und Wiesen. Weitblicke erfreuen das Herz. Auf halber Strecke wartet die hochgelegene Burg Greifenstein mit ihrer erhalten gebliebenen Wehranlage bei bester Sicht über den Hessischen Westerwald auf einen Besuch. Durch das Greifensteiner Land geht es über Leun hinab nach Braunfels. Eine schöne Übernachtung im Alten Forsthaus und ein Spätsommerfest mit fetziger Musik auf dem Marktplatz runden den Tag ab.Читать далее

  • E1-33-D-Herborn (9km)

    10 сентября 2015 г., Германия ⋅ ⛅ 17 °C

    Entspanntes Wandern auf dem Lahnwanderweg (1/5)

    # wer E1-Tag 32 sucht, der sucht vergebens. Es gibt ihn nicht 🙃 #

    << Eine fünftägige Tour von Dillenburg nach Limburg an der Lahn auf den Spuren des Lahnwanderwegs, teilweise auch auf dem Lahn-Radweg.
    Es gibt schöne Schlösser, alte Burgen und Städtchen zu bestaunen. Vor allem aber beeindruckt die Ruhe und Abgeschiedenheit der Lahn. >>

    Mit der Bahn geht es von Hamburg nach Dillenburg, von dort auf einem Verbindungsstück nach Herborn. Den Abend rundet eine Rundgang durch die Altstadt und die Burg ab.
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  • E1-31-D-Dillenburg (31km)

    23 августа 2015 г., Германия ⋅ 24 °C

    Unter Schmerzen - Zweiter Teil des Rothaarsteigs (2/2)

    Am nächsten Morgen weckt mich das Muhen der Kühe. Der erste Gedanke gilt meinem Rücken, doch er ist ruhig.
    Unten wartet ein reichhaltiges Frühstücksbuffet. Das Pärchen, das mich gestern so einseitig unterhalten hat, sitzt bereits am Nebentisch, setzt gleich an, das Gespräch von gestern fortzusetzen. Als ich erwähne, dass ich ein Morgenmuffel bin, haben sie ein Einsehen. Erst nach dem Frühstück habe ich Lust auf ihre Gesellschaft. Wir schauen uns die Kuhweide hinterm Haus aus der Nähe an, versuchen die Kühe anzulocken, aber die haben ähnliches wohl schon zu oft erlebt. Jedenfalls fallen sie nicht auf uns herein. Wir verabschieden uns mit den Worten: „Wir treffen uns bestimmt noch einmal im Wald.“ Aber das geschieht nicht und so endet wieder eine flüchtige Begegnung, die folgenlos bleibt. Schlimm ist das nicht.
    Eine Weile führt der Rothaarsteig die einstige Eisenstraße entlang, eine mittelalterliche Handelsstraße.
    <<Die Eisenstraße verdankt ihren Namen dem Erz, das jahrhundertelang auf diesem Weg befördert wurde. Die Händler wurden von Rittern in mächtigen Burgen oder Wallanlagen vor feindlichen Angriffen beschützt. Die Dillburg ist eine davon. Dank der Steinpflasterung konnten die schweren Lasten auf Fuhrwerken bei jedem Wetter transportiert werden, der Weg verlief auf dem Kamm des Rothaargebirges, weil es in den Tälern damals zu sumpfig war.>>
    Nach einer Stunde erreiche ich einen Rastplatz, der Kaffebuche genannt wird. Rechts ragt die einst mächtige Buche als vermodernder Stumpf empor. Sie gab diesem Platz den Namen. Links davon wurde ein für den Rothaarsteig typischer Rastplatz installiert, der wie üblich aus einer Eckbank, zwei schmalen Bänken und einem quadratischen Tisch für das mitgebrachte Picknick besteht. Hinter dem Rastplatz ist eine Informationstafel angebracht und gibt mir Auskunft, was es mit der Kaffebuche auf sich hat: „an dieser Stelle sprudelte einst eine Quelle, mit ihrem frischen Wasser wurde Kaffee aufgebrüht, der dann unter der Buche genossen wurde.“
    Hier raste ich für einen Moment, doch ein Kaffee wird mir nicht kredenzt. Bald geht es weiter durch den Wald. Der Weg führt nun für lange Zeit sanft bergab, denn allmählich nähere ich mich dem südlichen Ende des Rothaargebirges.
    Das Abstoppen beim Abwärtsgehen bekommt meinem Rücken nicht, bei jedem Schritt wird er ein bisschen mehr gestaucht und das tut sehr weh. So beginne ich nach Abkürzungen zu spähen, weiche bei Offdilln von der geplanten Route ab, nehme dafür ein Stück Landstraße in Kauf, auf der es keinen Fußweg gibt. Kurz vor Weidelbach treffe ich auf einen lokalen Wanderweg, der seinen Wegewart wohl nicht sehr interessiert. Er ist fast nicht begehbar, wilder Ginster wächst mitten auf dem Weg und das wohl schon seit Jahren. Das Gras ist kniehoch. Jetzt bloß keine Zecke einfangen, denke ich besorgt, während ich bedächtig vorwärts schleiche. Immer tiefer geht es in den Wald und es scheint, als sei hier seit Jahren kein Mensch mehr gewesen. Eine Lichtung gibt Raum für einen üppig blühenden Heideteppich. Das erinnert mich an eine Etappe im letzten Jahr, die durch die schöne Lüneburger Heide führte. Ich sehe die brennende Heide und die weite, sandige Landschaft wieder vor mir.
    Der Pfad mündet auf einen breiten Weg. Nun geht es sich wieder besser. Ein hoher, windschiefer Hochsitz, aus dünnen Fichtenstämmen grob zusammen gehämmert, verspricht einen grandiosen Blick ins Tal. Ich wage mich auf der wackeligen Leiter hinauf, sie ist nur angelehnt. Die Sprossen halten, der Ausblick vom Hochsitz ist umwerfend. Vor mir verliert sich der Weg im Grün des Waldes. In der Ferne verschmelzen blass schimmernde Berge mit dem Blau des Himmels, als Topping garniert von zart schimmernden Schleierwolken. Lange sauge ich den überwältigenden Anblick in mich auf und es dauert ewig, bis ich satt bin.
    Jetzt wäre eine Kaffeepause toll. Ich hoffe in Oberroßbach ein Café zu finden. Doch schnell ist klar, dass es das hier nicht gibt. Es ist Sonntagnachmittag, kein Mensch ist zu sehen. Tankstelle und Kiosk haben geschlossen. Sogar die Kirche hat zu. Etwas frustriert setze ich mich auf die Stufen des Kirchenportals und knabbere lustlos auf einem Energieriegel herum.
    Kaum bin ich zurück im Wald, führt ein schmaler Pfad den nächsten Berg hinauf. So beginnt ein mörderischer Aufstieg, der mir den Schweiß nur so aus den Poren treibt. Mein Rücken protestiert umgehend, doch es hilft nichts, ich muss da jetzt hoch. Oben angekommen, lockt eine Bank zur Verschnaufpause. Wer sie errichtet hat, muss sehr wohl um die Mühen des Aufstiegs gewusst haben. Doch leider sitzen schon zwei feiste Frauen auf der Bank. Sie müssen meinen schweißtreibenden Aufstieg eine Weile schon beobachtet haben. Was sie aber nicht sehen können, ist mein Rücken, der mich gerade fast in die Knie zwingt. Aber das lasse ich mir nicht anmerken, als ich vor den beiden Dicken stehe und höflich „Guten Tag“ sage, während ich mir insgeheim wünsche, sie würden Platz machen, damit ich mich setzen, den Rücken strecken und das herrliche Gefühl spüren kann, wenn der Schmerz ganz langsam den Körper verlässt. Aber sie sitzen bräsig auf MEINER Bank und für einen kurzen Moment hasse ich sie dafür. Aber das wissen sie ja nicht und schnell verlasse ich den Platz ohne ein weiteres Wort. Vermutlich fragen Sie sich, wer dieser grummelnde, unfreundliche Mensch wohl war.
    Nun geht es so steil hinab, wie es eben bergauf ging. Jeder Schritt staucht meinen Rücken und jeder Schritt tut weh. So erreiche ich unter großen Schmerzen Manderbach, das im Tal liegt. Ich genehmige mir eine Abkürzung, die mich mitten durch den Ort und nicht wie vorgesehen um ihn herum führt. Von einem unbebauten Grundstück stibitze ich einen roten Apfel. Zur Strafe werde ich von angriffslustigen Wespen verfolgt. Es geht an tristen Häusern mit spießig anmutenden Vorgärten vorbei. In diesem Ort herrscht eine gepflegte Langeweile. Ein Haus sieht aus wie das andere.
    Der nächste Hügel heißt Galgenberg, den ich nun hinauf schnaufe. Der Rücken schmerzt gleich wieder, aber immerhin geht es mir hier nicht an den Kragen wie manch' anderem an dieser Stelle in grauer Vorzeit.
    In der Ferne ist die Dillenburg zu sehen. Dort liegt mein heutiges Etappenziel. Die Burg möchte ich trotz der Rückenschmerzen unbedingt noch besichtigen. Wieder wähle ich eine Abkürzung. Eine steile Treppe führt direkt zur Burgmauer hoch, doch dann ist der Weg durch einen Bauzaun versperrt. So muss ich zurück, um die ganze Burgmauer herum. Dann endlich bin ich oben. Das Besondere dieser Burg ist der Wilhelmsturm, der normalerweise bestiegen werden kann. Er wird nur gerade saniert. So muss mir der Blick von der Burgmauer hinab über die Stadt Dillenburg reichen. Auch von hier hat man eine weite Sicht über Stadt und Land. Der Blick schweift zurück zu den Anhöhen, über die ich heute gekommen bin. Von hier sehen sie so klein aus und sind unerhört weit entfernt. Das alles bin ich heute gelaufen? Wahnsinn!
    Das heutige Auf und Ab in Kombination mit den Rückenschmerzen war unglaublich anstrengend. Ich brauche dringend eine Pause. Auf dem trockenen Rasen im Burghof strecke ich die müden Beine aus, dehne den mich peinigenden Rücken und bewundere im Liegen die Pracht des Wilhelmsturms, der hier schon seit 1875 in den Himmel ragt. Trotz seiner Mächtigkeit sieht er so filigran aus, als sei er einem Märchen entsprungen. Jeden Augenblick könnte Rapunzel in luftiger Höhe auf einer Turmzinnen erscheinen. Leise raune ich vor mich hin: „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!“. Weiter komme ich nicht, denn ich bin eingeschlafen. Als ich die Augen wieder öffne, ist die Sonne ein ganzes Stück verrückt. Wolken sind aufgezogen. Einen Moment noch bleibe ich liegen, schaue den gemächlich vorbei ziehenden weißen Tupfen nach. Mußevolle Momente.
    Ich muss denselben Weg zurück, den ich gekommen bin. Noch einmal geht es ganz um die Burg herum, dann die lange, steile Treppe hinab. Endlich stehe ich wieder in der Fußgängerzone, lasse mich beim erstbesten Italiener nieder, bestelle Pizza und Bier. Beides kommt rasch. Das Sitzen fällt schwer, der Rücken leidet. Die Pizza ist riesig, ich schaffe sie nicht. Der Wirt möchte sie mir einpacken, doch ich lehne dankend ab. Es macht ihn traurig.

    18:30 Uhr, es ist noch genügend Zeit bis zur Abfahrt. Mir fällt ein, dass ich noch das Portal des Rothaarsteins besuchen könnte, es soll ganz in der Nähe sein. Das wäre doch ein schöner Abschluss der Tour. Mit dem Begriff Portal hatte ich ein großes Tor verbunden, durch das man würdig schreitet, um den Abschluss des Rothaarsteigs zu zelebrieren. Doch im Hofgarten steht statt Portal nur ein Holzklotz, auf dessen Spitze die weiß-rote Wegmarke des Rothaarsteigs prangt. Ich bin ein kleines bisschen enttäuscht. Dafür bekomme ich eine Erkenntnis geschenkt, während ich mir das "Portal anschaue". So oft hatte ich mich während der Tour gefragt, was die geschwungene Linie auf der Wegmarke zu bedeuten hat. Hier plötzlich geht es mir auf: es symbolisiert die vielen Hügel, über die der Steig bergauf und bergab führt. So ist auch das geklärt.
    Der Rothaarsteig ist gegangen, ich wende mich ab, strebe dem Bahnhof zu. Meine Kraft ist aufgebraucht, ich kann nicht mehr. Der Rücken schmerzt. Die Rückfahrt ist lang, doch das Sitzen tut wohl.
    Es ist nach Mitternacht, als der Zug im Hamburger Hauptbahnhof einrollt. Noch schnell mit dem Bus nach Hause.
    Wie wohlig es sein kann, in den eigenen Kissen zu versinken, weiß man erst nach solch anstrengenden und schmerzhaften Wandertagen.
    Doch schon während sich die Augen schließen, ersehne ich die nächste Wandertour herbei.
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  • E1-30-D-Lahnquelle (24km)

    22 августа 2015 г., Германия ⋅ 22 °C

    Unter Schmerzen - Zweiter Teil des Rothaarsteigs (1/2)
    Weiter geht es durch eines der schönsten Waldgebirgslandschaften Deutschlands auf dem Rothaarsteig - dem Weg der Sinne.
    Eine zwei Tagestour von Hilchenbach nach Dillenburg.

    Ein Samstag Ende August. Es ist schon Mittag, als in Hilchenbach eintreffe. Die Anreise mit dem Zug dauert nun schon ebenso lang wie die Wanderung selbst. Dabei ist die Entfernung von Hamburg zum Ausgangspunkt zwanzig Mal so weit wie die Tour. Ökologisch gesehen mag es bedenklich sein, so weite Distanzen mit dem Zug zurückzulegen, um dann nur eine zweitägige Tour zu wandern. Doch es ist anders schwer machbar. Nur kurze E1-Touren lassen sich derzeit ohne Probleme in meinen Arbeitsalltag integrieren. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass ich weiterhin mit kleinem Rucksack unterwegs zu kann. Heute ist das besonders wichtig, denn seit Tagen meldet mein Rücken einen unspezifischen Schmerz genau dort, wo der Rückenwirbel sich mit dem Becken verbindet. Ein verspannter Muskel vielleicht oder ein Hexenschuss, der Ischiasnerv oder gar eine Bandscheibe? Alles ist möglich, doch wie immer ging ich nicht zum Arzt, frei nach dem Motto: „Was kommt, geht auch wieder." Bislang war der Schmerz erträglich und er soll mich ja nicht vom Wandern abhalten. Es wird mich schon nicht umbringen, denke ich. Ich halte das aus! Denn ich will ja wandern!
    Die ersten Schritte fallen sehr schwer, die Bewegung der Beine verursacht mir Schmerzen im Kreuz.
    Bevor es wieder in den Wald geht, mache ich einen Abstecher in den Ortskern, der nur wenige hundert Meter entfernt vom Bahnhof liegt. Die Häuser gaukeln Fachwerk vor, dahinter steckt Beton der achtziger Jahre. Nur die Kirche am anderen Ende des Marktplatzes, beschattet von mächtigen Eichen, scheint wirklich alt zu sein. Die riesige, massive Holztür steht offen, neugierig trete ich ein. Das Kirchenschiff strahlt die typisch weiße Schlichtheit aus, die evangelische Kirchen zu eigen ist. Die Kirchenbänke sind mit weißen Rosen geschmückt, der Altar üppig in Blumen getränkt. Hier wird bald Hochzeit gehalten, da will ich bei den Vorbereitungen nicht stören. Ich ziehe mich rasch zurück.
    Noch schnell einen Kaffee in der Eisdiele um die Ecke. Nicht to go, sondern im Sitzen. Gehen werde ich heute noch genug. Nach dem schnellen Kaffeegenuss werfe ich den Rucksack über und los geht's hinein in das nächste Kapitel meines Abenteuers, das mich jedes Mal ein Stück mehr mit Deutschland vertraut werden läßt. Ich freue mich auf diesen Tag, so wie ich mich bisher auf jeden Wandertag gefreut habe. Was werde ich heute Schönes erleben?
    Doch die Wanderfreude wird schon bald getrübt, denn die Rückenschmerzen melden sich bei jedem Schritt. Es ist nicht wirklich schlimm, doch sie machen aufmerksam auf die eine Stelle, wo sich die fünf beweglichen Wirbel des Kreuzbeins mit dem starren Becken verbinden. Irgendetwas ist dort nicht in Ordnung.
    Ich bin langsamer als üblich, darauf bedacht, nicht über Wurzeln zu stolpern, die mich aus dem Gleichgewicht bringen könnten. Denn das quittiert der Rücken mit einem schmerzhaften Stich.
    Ein Schild am Wegesrand informiert über einen Ruheforst, der hier angelegt wurde. Verstorbene können an dieser Stelle außerhalb eines Friedhofes beigesetzt werden. Zu Lebzeiten sucht man sich einen Baum, Strauch oder Stein aus, unter dem man nach dem Ableben zur Ruhe gebettet wird. Ich finde, es ist eine gute Idee! Der Körper wird nach dem Tode wieder Bestandteil der Natur. Ohne Firlefanz.
    Ein steiler Weg führt hoch zur mittelalterlichen Burgruine Ginsburg. Der Aussichtsturm wurde vor Kurzem frisch renoviert. Vom Turm hat man eine herrliche Aussicht, danach lockt mich die Kaffeestube zur ausgiebigen Pause. Ich brauche eine Weile, bis ich auf dem Stuhl im Freien schmerzfrei sitzen kann. Ich blinzele in die Sonne und habe mit der Bestellung keine Eile. Der Pfannkuchen mit Apfelmus, der schließlich vor mir steht, schmeckt köstlich und ich merke erst jetzt, wie viel Hunger ich hatte. Seit Stunden bin ich schon unterwegs. Eine große Gesellschaft kommt schwatzend den Weg herauf, setzt sich an den Nebentisch, bestellt eine Runde Bier. Bald werden sie lustig und laut. Da mache ich mich lieber wieder auf den Weg. Es ist auch Zeit, denn mein Weg ist noch weit.
    Auf einer Wiese lege ich mich einfach ins Gras, blinzle in die Augustsonne, die den Boden schön angewärmt hat. Was gibt es Schöneres? Mußevolles Nichtstun. Viel zu lange liege ich dort, schließlich ist es noch weit bis zur Unterkunft. Doch kaum stehe ich, spüre ich wieder diesen dumpfen Schmerz, der heute einfach nicht weichen will. Die ersten Schritte sind hakelig, während mein Blick in die Ferne eine schöne Fernsicht erhascht. Wie schön der Rothaarsteig doch ist! Die Freude darüber lässt mich den Schmerz beinahe vergessen.
    Ich überquere die Benfe, laut schnatternd fliegen ein paar Enten auf. Ich habe sie wohl erschreckt. Sie flattern über einen Bach, die langen Hälse weit nach vorne gereckt. Es scheint, als käme hier nicht oft jemand vorbei. Vor mir braucht ihr Flattervögel doch keine Angst zu haben.
    Fast zwanzig Kilometer bin ich gelaufen. Zeit für eine weitere Pause! In der Nähe soll es einen Biergarten geben. Tatsächlich finde ich ihn, doch er entpuppt sich als kleine Holzhütte, die aber geschlossen hat. So drehe ich ab und gehe durstig weiter.
    Es geht wieder einmal bergan, schöne Weitblicke sind der Lohn der Strecke.
    Kurz vor dem Örtchen Lahnquelle verläuft der Weg parallel zur Straße. Er ist voller Wurzeln. Über eine davon stolpere ich, denn ich kann nicht mehr. Der Oberkörper muss das Stolpern abfangen, dem Rücken gibt es den Rest. Ich will einfach nur noch ankommen, für heute ist es genug.
    Endlich kommt das Ortsschild <Lahnquelle> in Sicht. Kühe dürfen auf einer großen Wiese hinter einem Stall grasen. Ich brauche auch dringend etwas zwischen die Zähne und kann es kaum noch erwarten, endlich anzukommen, mich auszustrecken und meinen Rücken zu schonen. Hinter der nächsten Kurve sehe ich das Forsthaus Lahnquelle. Auf der Terrasse sitzen Gäste beim Bier. Ohne Umschweife setze ich mich dazu, winke die Bedienung heran und sie weiß gleich, ohne dass ich etwas sagen muss, was ich will. Kurz darauf steht ein großes Krombacher vor mir. Ich setze an und trinke es in einem Zug aus. „Aaahhh!“, entfährt es meiner Kehle. Schon ist das Wandern wieder Lust. Nun kann ich einchecken. Mühsam schleiche ich die Treppe rauf, schließe die Zimmertür auf. Das Zimmer ist zwar klein, die Dusche darin noch kleiner. Doch das Wasser ist heiß und was braucht es mehr, um den Schweiß des Tages abzuwaschen? Der Rückenschmerz rinnt gleich mit in den Abfluss, das warme Wasser belebt die Sinne. Schnell ist die Kleidung gewechselt und bald sitze ich wieder draußen zwischen den Gästen des Hauses, bestelle Wiener Schnitzel und Bier. Während ich warte, spricht ein älteres Pärchen mich an. Sie erzählen viel und unaufgefordert, ohne Pause, so dass ich fast nichts erwidern muss, was mir im Moment sehr angenehm ist. So erfahre ich, dass sie aus dem Rheinland kommen, über das Wochenende zum Wandern hier sind, sie es nicht weit haben, ihr großer Hund vor kurzem vergiftet wurde, es nun wieder gut geht, aber er kann noch nicht wieder gut laufen, das macht auch nichts, denn der Mann hat's auch mit den Knien, wurde schon operiert, aber danach ging's nicht besser. Nun, man wird halt nicht jünger…
    Ich höre dem Redefluss einfach nur zu. Die Rheinländer sind eben sehr redselig. Von mir erfahren sie nicht viel, wollen wohl auch gar nichts wissen. Irgendwann werde ich müde und verabschiede mich. In meinem Mini-Zimmer versinke ich sogleich in einen tiefen, erholsamen und traumlosen Schlaf.
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