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- Aug 20, 2023, 10:00pm
- 🌙 14 °C
- Altitude: 2,879 m
- GreeceCentral MacedoniaDio-OlymposMount Olympus40°5’10” N 22°21’30” E
DAS ENDE
August 20, 2023 in Greece ⋅ 🌙 14 °C
Was bleibt?
3 Wochen nach den 6 Wochen kommt noch der Versuch die passenden Worte für die Reise, das Projekt, das Abenteuer, die Herausforderung zu finden. Es wird kein blind positiver Reisebericht, aber es war auch keine Reise zu mir selbst mit Sinnsuche und tiefgründigen Gedanken zu dem, was ich bin. Es waren 6 Wochen, in denen ich meine Möglichkeiten nutzen wollte, um etwas zu bewegen. Deshalb wird dieser Text eher ein leicht kritisches Fazit, so aufrichtig wie möglich dessen, was ich in diesen 6 Wochen um mich herum wahrgenommen habe.
Es wurde eine Reise des Staunens. In erster Linie staunen, über wie viel und was man alles staunen kann. Staunen über banale Dinge. Die 4 großen B´s: Bäume, Berge, Blitze und meine Beine. Staunen, wie viel Dreck unter meine Fingernägel passt. Staunen, dass man trotz aller hygienischer Mängel (u.a. eine schimmelige Trinkflasche) gesund bleibt. Staunen, wie viel die Welt bereithält, wenn man mit dem Fahrrad Zuhause losfährt. Staunen, wie viel in derselben Welt falsch läuft. Staunen, dass unterwegs in jedem noch so kleinen Supermarkt für jeden noch so kleinen Einkauf eine Plastiktüte rausgegeben werden sollte. Selbst wenn der Einkauf nur ein Schokoriegel und eine Getränkedose war. Staunen über die entgeisterten Blicke, wenn ich sagte, dass ich die Tüte nicht brauche. Staunen, wie viel Aufwand nötig ist, um etwas für den guten Zweck zu bewegen, während man mitbekommt, wo so überall 8000€ rumliegen und verschwendet werden. Staunen, wie viel Geld das in diesem Zusammenhang ist und wie viel damit geholfen werden kann. Staunen über mich selbst und wie häufig ich es vermieden habe zu erwähnen, dass es sich bei dem guten Zweck um Hilfe für Geflüchtete, also einfach um Menschen die Hilfe benötigen, handelt. Staunen über das Gefühl mit dem Fahrrad am Mittelmeer anzukommen. Wo fast alle von uns den stressigen Alltag gerne für ein paar Tage hinter sich lassen und diese Tage für uns die besten des Jahres sind. Staunen über den Gedanken dabei, dass dieses Meer die tödlichste Grenze der Welt ist und dort in den letzten 10 Jahren 30.000 Geflüchtete ertrunken sind. Und das nur weil die EU, einst ausgezeichnet mit dem Friedensnobelpreis, diese Menschen als Spielbälle sieht und sich von menschenfeindlichen Parolen leiten lässt. Staunen darüber, wie gut Menschen sind. Staunen darüber, wie schlecht Menschen sind. Staunen darüber, wie ungerecht diese Welt ist. Staunen darüber, dass wir für diese Ungerechtigkeit verantwortlich sind. Staunen darüber, wie heuchlerisch wir mit dieser Verantwortung umgehen. Staunen darüber, wie schwierig es ist für all das die richtigen Worte zu finden.
Das gesamte Projekt fühlt sich kurze Zeit danach so an, als wäre es das Abenteuer meines Lebens gewesen. Wie gefährlich und abenteuerlich es wirklich war, habe ich nicht mitbekommen. Die größte Herausforderung und die größte Last dabei war aber nicht die körperliche Leistung, nicht das Gepäck, nicht die umgebenden Bedingungen, sondern dass es eine Spendenaktion war. Dadurch anderen Menschen zu helfen war aber gleichzeitig die beste Entscheidung, denn das war unterwegs die größte Motivation das Ganze auf diese ungewöhnliche Weise durchzuziehen. Sich mit Ungerechtigkeiten zu beschäftigen und darauf aufmerksam zu machen ist aber jederzeit und überall eine gute Entscheidung.
Die Probleme lassen sich durch so eine Aktion nicht lösen, die Spenden müssen schnell eingesetzt werden und werden daher bald aufgebraucht sein. Aber was bleibt ist die Frage, wie man mit all dieser Ungerechtigkeit umgeht. Diese Ungerechtigkeit hat viele Gesichter, die sich in jedem Alltag und überall zeigen. Will man das Beste für sich und von der Ungerechtigkeit profitieren, indem man in Kauf nimmt, dass es andere Menschen dadurch schlecht haben, damit man es selbst möglichst gut hat? Oder richtet man den Blick auf das große Ganze und versucht etwas dazu beizutragen, dass es auch andere Menschen gut haben? Sich mit Ungerechtigkeiten zu beschäftigen und darauf aufmerksam zu machen ist jederzeit und überall eine gute Entscheidung.
Was bleibt, wenn man das nicht tut?
Die Probleme lassen sich durch so eine Aktion nicht lösen, aber je mehr Menschen sich selbst nicht so wichtig nehmen, sondern mehr das große Ganze im Blick haben, desto gerechter wird die Welt.
Was bleibt, wenn man das nicht tut?
Dass ich zu einer solchen Aktion fähig bin, liegt daran, dass ich in meinem Leben als gesunder weißer Mann viele Chancen geboten bekommen habe, wovon ich die ein oder andere genutzt habe. Diese Chancen bekommt ein Großteil der Menschen nicht. Und das ist nicht das Resultat von persönlichem Fleiß, Wissen oder Verdienst, sondern von Strukturen, die auf vielen Ebenen gegen alles sprechen, wofür man so als Mensch stehen sollte. Und was sollte mir und anderen Leuten in dieser privilegierten Position das Recht geben, darüber zu urteilen, wie andere Menschen in benachteiligten Positionen mit dieser Ungerechtigkeit umgehen? Ich musste nichts opfern oder riskieren, um diese Chancen zu bekommen. Warum sollte ich andere Menschen, die viel opfern und riskieren müssen, von dem Versuch abhalten, ganz vielleicht auch einen Bruchteil dieser Chancen zu bekommen? Und die größte Ungerechtigkeit dabei ist, dass viele Menschen kein sicheres Zuhause haben. Und das überall in der Welt. Warum sollte man diesen Menschen nicht helfen? Warum sollte ich diesen Menschen nicht helfen? Jeder Mensch hat ein sicheres Zuhause verdient. Jeder Mensch hat die gleichen Chancen verdient.
Jeder Mensch hat ein sicheres Zuhause verdient.
Meine Reise ist zu Ende. Sie war erfolgreich, sie hat sich gelohnt, sie war all den Aufwand wert. Das Ziel 3000km ausschließlich mit dem Fahrrad zurückzulegen wurde erreicht. Das Ziel mit dem Fahrrad vor der MVI Unterkunft in Diavata zu stehen wurde erreicht. Das Ziel mit dem Fahrrad in Thessaloniki anzukommen wurde erreicht. Das Ziel auf dem Olymp zu stehen wurde erreicht. Das Ziel möglichst viele Spenden zu sammeln wurde erreicht. Was davon bleibt? Das liegt an jeder Person selbst. Es gibt viel zu tun und viel Gutes, wofür es sich lohnt einzustehen. Denn was bleibt sonst?
Für mich bleibt die Hoffnung, dass das wichtigste Ziel erreicht wurde: Dass etwas bleibt.
Danke an alle für alles, ich hoffe es hat was gebracht!Read more
Danke Pascal für dein Fazit. Dein Bericht rüttelt zumindest an dem Bewusstsein, in was für einer Komfortzone wir uns hier bewegen und was wir vielleicht gutes tun können. [G.]