• Susanne Kühne
  • Susanne Kühne

Von Flensburg zur Zugspitze

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  • Tag 20: Von Riesa nach Dresden

    29 April 2022, Jerman ⋅ ☀️ 17 °C

    Ein Tag mit Lust, Freudentanz, Fummelei und Pullern. Und mit Butterbemme, Eierschecke und Karlsbader Schnitten. Dazu den guten Wein der Elbhänge bei Meißen.
    Nach einem herrlichen Abend mit viel viel Spaß (ich sage nur der Glocken läutende Bär in Wittenberg...) bei den wunderbaren Gastgebern Diana und Harpo (die Bärlauchwürstchen aus Oschatz sind die Wucht und ich darf sogar im Trabi probesitzen) krabbeln wir in den Wohnwagen der Familie und lachen uns in den Schlaf.
    Noch im Einschlafen denke ich über die abendlichen Erzählungen über das Zeithainer Lustlager in der dortigen Gegend nach. Veranstalter war Kurfürst von Sachsen, August der Starke, im Jahr 1730. Zum einen war es wohl die größte Truppenschau Europas, vor allem aber das gigantischste Barockfest seiner Zeit (mit allem was so dazu gehört...der Phantasie seien alle Tore geöffnet...). Es wurde bald als "Spektakel des Jahrhunderts" bekannt. Etliche europäische Fürsten waren geladen, auch der preußische Soldatenkönig Friedrich I., der zu dem Fest notierte: "Die drei Regimenter Kronprinz gut, Weissenfeld gut, sehr gut. Pflugk (kann man mal wieder nachlesen) sehr miserabel, schlecht. Befehlshabung gut. Von der Kavallerie habe ich Kommandos gesehen, die finde ich sehr propre."
    Am nächsten Morgen verlässt uns Franz hin zu seiner Familie. Noch mal ganz fest gedrückt und für die wunderbare Begleitung bedankt und dann fängt Claudi plötzlich an zu drängeln. Komisch, sonst ist sie eigentlich nicht so. Bis, ja bis sie zielstrebig auf einen Mann am Straßenrand zufährt. Was will sie denn von dem? Und dann kann ich es kaum glauben. Mein so lieber Freund Uwe aus Dresden! Mit Fahrrad. So eine superschöne Überraschung!
    An der nun wieder wunderschön dahinfließenden Elbe entlang (an einem Turmdrehkran vorbei, der am Anfang des letzten Jahrhunderts mit elektrisch betriebenen Winden das böhmische Floßholz aus dem Wasser zog) liegt plötzlich eine riesige Industrieanlage, das Chemiewerk WACKER. Ende des 19. Jhd. wurde dort Salicylsäure, der Grundstoff des Aspirins, hergestellt, heute vieles andere. Sicherlich ein wichtiges Werk, aber in dieser schönen Landschaft tut es dem Auge schon echt weh.
    Plötzlich ein Aufschrei von Claudi: "Die Pullerburg!" und sie zeigt auf ein wunderbares Schloss auf der anderen Elbseite. Es ist das Schloss Hohenstein, in dem wohl früher kleine Bettnässer behandelt wurden.
    Langsam verändert sich die Landschaft, sie wird hügelig, hohe Felsen ragen am Ufer empor. Wir radeln in das Gebiet der sächsischen Weinstraße und es wird immer schöner und schöner (toll das Schloss Diesbar-Seußlitz mit seinem wunderschönen Park). Dann plötzlich der Blick auf die Meißener Albrechtsburg. Fantastisch. Und genauso ist Meißen mit seinen wunderbaren Gassen, den alten Häusern und dem so beeindruckenden Porzellan (absolut unbezahlbar). Bezahlbar ist aber der "Meißner Fummel". Warum dieses so brüchige Gebäck so heißt, ist mir immer noch nicht klar und schmecken tut es auch nicht. Aber es gibt eine wunderbare Geschichte dazu. Demnach verkehrte zwischen Dresden und Meißen regelmäßig ein sächsischer Kurier des Kurfürsten, der wohl gern ein Gläschen zu viel trank....Daraufhin befahl der Kurfürst der Bäckerzunft Meißens ein leicht zerbrechliches Gebäck herzustellen, was heil nach Dresden gebracht werden musste... Die Geburtsstunde des "Meißner Fummels".
    Wir bringen ihn nicht heil nach Kötzschenbroda. Dafür lass ich mir die Eierschecke (eine Art Käsekuchen) schmecken...ich hätte allerdings auch ne Butterbemme (ein Butterbrot) nehmen können und genieße den Blick auf dieses schnuckelige Städtchen.
    Uwe kneift dann vor dem "Brand" (eine Straße hoch in die Weinberge), so dass Claudi und ich alleine strampeln müssen. Um so mehr freue ich mich über das schon liebevoll vorbereitete Nachtlager in Claudis Heim und die Karlsbader Schnitten, die ich gleich serviert bekomme.
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  • Tag 21/22: Dresden

    1 Mei 2022, Jerman ⋅ ☀️ 18 °C

    Pause! Ich hatte mir ja mal bei meiner Planung der Tour gedacht, dass ich so nach fünf oder sechs Tagen ein/zwei Ruhetage einschiebe, um auf mich und meinen Körper aufzupassen. Plötzlich sind zwei Wochen vergangen und ich hab das mit der Ruhe irgendwie vergessen. Aber meine Beine nicht, die haben sich nämlich gemeldet (die brannten im "Brand"). Und während ich so nach ner Ferienwohnung rund um Dresden suchte, tippte mir Franz auf die Schulter. "Kannst bei uns wohnen, wir sind für ne Woche im Urlaub." So genieße ich jetzt - nach einem etwas exzessiven Abend mit Claudi (wie viele unterschiedliche Fruchtschnäpse waren es noch mal?) - sein fantastisches, so gemütlich eingerichtetes Heim und erhole mich bestens. Das Fahrrad bleibt in der Garage und ich "öffel".
    So schlenderte ich gestern mit viel viel Zeit (und vielen vielen anderen) durch Dresden und bewunderte mal wieder den Zwinger, die Semperoper, das Schloss, die Elbterrassen und natürlich die Frauenkirche am Neumarkt. Nur, es war wie verhext, überall Baustellen! Ein Blick in die Kamera und das beste Motiv im so schönen "Elbflorenz" (wohl nach seiner klimatisch begünstigten Lage im Elbtal und seiner mediterran geprägten Architektur so benannt) wird mit nem Baustellenschild oder -zaun "verziert". Also keine Fotos, dafür aber ein Besuch der Frauenkirche - so dachte ich zumindest. Als ich dort mit einem Schild "heute geschlossen" begrüßt wurde und auf dem Neumarkt wohl der ausgefallene Weihnachtsmarkt gerade nachgeholt wird (selbst dicke Socken und Mützen gibt es zu kaufen), gab ich auf. Dann eben Sonnen auf Franz Terrasse. Plötzlich ein Anruf - Claudi.
    Und dann hat der verhexte Tag tatsächlich etwas mit Hexerei zu tun. Gegen Abend werde ich von Claudi und ihrer Familie abgeholt und wir fahren immer weiter gen Osten, in die Oberlausitz. Je näher wir unserem Ziel kommen, um so häufiger sieht man kleinere und größere Feuer brennen - ja klar, Walpurgisnacht!
    Im Garten von Oma und Opa ist das Feuer auch schon geschichtet und mitten drin steckt eine liebevoll ausgestopfte Hexe, die kurze Zeit später lichterloh brennt. Bei Bratwurst und selbstgemachtem Rumtopf genieße ich diesen schönen Brauchtumstag in einer "echten Oberlausitzer Familie". Es ist schon sehr sehr lieb, dass ich dazu eingeladen und so herzlich aufgenommen werde..
    Heute muss ich dann früh raus, die Flottenparade der Weißen Flotte findet seit drei Jahren das erste Mal wieder statt. Und ich bin dabei! Mein Dampfschiff , der Schaufelraddamper "Stadt Wehlen", ist einer der ältesten Personendampfer Europas und fährt sei 1879 auf der Oberelbe. Er wird, wie auch die meisten der am Kai liegenden Schiffe, tatsächlich noch von einer Dampfmaschine (man kann sie im Schiffsinneren bewundern) angetrieben und auch das Schaufelrad ist keine Attrappe. Bei Brückendurchfahrten wird der Schornstein einfach eingeklappt.
    Pünktlich um 10 Uhr legt die Flotte (mit Livemusik auf jedem Schiff) nach und nach ab und in einer langen Parade fahren wir an Elbschlössern und am "Blauen Wunder" vorbei (die 1891 errichtete stählerne Loschwitzer Brücke erhielt wegen ihres hellblauen Anstrichs ihren Namen) - aber auch an der "Waldschlösschenbrücke", wegen der Dresden im Juni 2009 von der Liste der Weltkulturerbstätten gestrichen wurde (auch die besonders schützenwerte kleine Hufeisennase und eine 200 Jahre alte Rotbuche hielten den Bau nicht auf...jetzt gibt es dort beide nicht mehr...).
    Ich sitze auf dem Oberdeck mit einem herrlichen Blick auf den Fluss und die Sehenswürdigkeiten ...und auf Klaus aus Wilsdruff. Der sitzt mir gegenüber. Schweißer sei er in der DDR gewesen, soweit sei es ihm damals ganz gut gegangen. Aber kein Vergleich zu jetzt, ihm ginge es richtig gut und den meisten anderen auch...
    Klaus ist mein großer Griff, immer wieder macht er mich auf kleine und große Sehenswürdigkeiten aufmerksam. Und er erzählt aus seinen DDR-Tagen. Meißner Porzellan habe er in den Westen zu seinen Verwandten auf "Dienstreisen zum Klassenfeind" geschmuggelt, was hätte er ihnen auch sonst schenken können. Und 5 Mark hätte er bekommen, wenn er am 1. Mai zum Demonstrieren gegangen sei. Sonst wäre vermutlich keiner hin...
    Klaus berichtet aber genauso interessant über das Schloss Pillnitz (schenkte August der Starke seiner Mätresse Gräfin von Cosel und nahm es ihr auch wieder weg), in der eine 226 Jahre alte Kamelie gehegt und gepflegt wird. Dann macht er mich auf den am Elbhang liegenden Luisenhof, ein Ausflugslokal direkt an der Bergbahn, aufmerksam. "Dort gibt es Transitenshows.."
    Wir haben noch viel Spaß miteinander und er verabschiedet mich mit den Worten: "Lieber ne coole als ne verbiesterte Alte"... Seine Frau saß übrigens die ganze Zeit am Nebentisch....
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  • Tag 23: Moritzburg

    2 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 16 °C

    August der Starke. Vor rund 350 Jahren wurde er geboren. Wer in Sachsen und insbesondere rund um Dresden unterwegs ist, entkommt ihm, Friedrich August I. - Kurfürst von Sachsen und später auch König von Polen - nicht. Eitel muss er gewesen sein und egozentrisch. So protzte er wohl gerne und angeblich nicht zu Unrecht mit seiner Mannes- (so genau weiß man nicht, wie viele illegale Nachkommen er zeugte, von 365 ist die Rede) und insbesondere seiner Körperkraft. Noch im Alter von 40 Jahren soll er ein Hufeisen mit bloßen Händen zerbrochen haben...
    Der 30-jährige Krieg mit seinem Elend und seinen Entbehrungen war zu Ende, aber man hatte ihn noch gut im Gedächtnis. Leben was das Zeug hält, hieß die Devise der Mächtigen. Es war Barock mit all seiner Üppigkeit, Völlerei und ungehemmten Sex. So soll August bei einer Körpergröße von 1,76 Metern rund 120 Kilo auf die Waage gebracht und "anerkannt" zehn Mätressen sein eigen genannt haben (umworben, ins Bett gezogen und dann abgeschoben...). Verheiratet war er im übrigen auch.
    Aber auch Politik wurde gemacht. So versucht er während seiner Regierungszeit den Einfluss des Adels zurückzudrängen und im Geist des Absolutismus zu regieren. Herrschaft durch Gottes Gnade. Seine Politik kostet Geld, viel Geld, Geld, was er nicht hat. In seiner Gier polnischer König zu werden (den polnischen Thron konnte man damals tatsächlich kaufen) verkauft August ganze Landstriche Kursachsens, nimmt riesige Kredite auf und erhöht die Steuern. Nur dank eines klugen Beraters ging Sachsen nicht zu Grunde und August sanierte nach und nach den Haushalt. Der "Merkantilismus" war geboren. In dieser Zeit entstehen die Leipziger Messe und auch die Meißner Porzellanmanufaktur. "Made in Sachsen" war gegründet.
    Ein besonderer Genuss war für August den Starken die Jagd, die Hetzjagd. Da bot es sich doch geradezu an, das damalige Jagdhaus Moritzburg (benannt nach dem Besitzer Herzog Moritz) und die dazugehörigen riesigen Jagdgründe zu erwerben.
    Kurz in ein Schloss umgebaut und den Park mit etlichen barockenen Gebäuden und sogar einem Hafen versehen. Ein Jagd- und ein Lustschloss halt.
    Und es ist wirklich eine Lust, sich diese wunderschöne Anlage anzusehen. Kaum jemand da an einem Montag. Und so genieße ich die vielen vielen Vögel im Schlosspark, die Stille in den Jagdgründen und bewundere die so schönen barocken Puttenfiguren. Es ist schon märchenhaft hier und darum auch kein Wunder, dass hier der Weihnachtsklassiker "Drei Nüsse für Aschenbrödel" gedreht wurde.
    Ein weiterer herrlicher Tag zum Relaxen... und mit Völlerei... Ich werde nämlich gleich zum Essen abgeholt.
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  • Tag 24: Von Boxdorf nach Reinsberg

    3 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 18 °C

    Gestern noch ein wunderschöner Abschlussabend unterhalb der Frauenkirche mit meinen wackeren sächsischen Begleitern Claudi, Franz und Uwe und auch der liebe Isi, der nix mit Fahrradfahren am Hute hat, kommt dazu. Noch einmal wird viel gelacht und zum Abschied unser Traditionsgetränk der Becherovka - leider nicht - getrunken (es gab nur Averna...) und damit ist meine Zeit an der Elbe vorbei.
    Heute starte ich mit ausgeruhten Beinen bei herrlichstem Sonnenschein immer gen Westen, tja, bis mich mein Bike tatsächlich zum ersten Mal im Stich lässt. Die Schaltung geht nicht bzw. kaum noch. Ein bissl hilflos bin ich schon, da ich keine Ahnung vom Reparieren habe. Aber just in dem Moment läuft mir Ronny über den Weg, genauer radelt er an mir vorbei. Kurz gequatscht und er bringt mich zu seiner Arbeitsstelle, der Fahrradwerkstatt der "Lebenshilfe". Kurz an ein paar Schräubchhen gedreht und wir machen eine Probefahrt. Alles Prima! Und Ronny erzählt mir, dass die Lebenshilfe nicht nur geistig behinderten sondern auch ihm, einem psychisch kranken Menschen, hilft. Er habe Kfz-Mechaniker gelernt und sei dem Arbeitsdruck nicht gewachsen gewesen. Immer habe er am unteren Ende der Nahrungskette gestanden, das habe ihn immer weiter runtergezogen. Nun lebe er seit sechs Jahren in der Einrichtung der Lebenshilfe und seit vier Jahren könne er sein berufliches Können in der Fahrradwerkstatt super einbringen. Plötzlich sei er einer der Leistungsträger und das tue ihm unendlich gut.
    Und ich freue mich mit ihm, er wirkt so positiv und optimistisch.
    Glücklich über mein nun einwandfrei funtkionierendes Bike radel ich immer weiter gen Westen, in die Berge des östlichen Erzgebirges. Und die haben es wirklich in sich. Ich fühle mich plötzlich in die Höhen des Sauerlandes versetzt (superschöne Ausblicke, aber manchmal eben auch sch... Berge) und schnaufe die Anhöhen hinauf. Bei einer streike ich. 15% Steigung mit 22 Kilo Gepäck.... aber schieben geht auch.
    Ich weiß, in Mohorn muss ich abbiegen. Was ich aber nicht weiß, in dem winzigen Örtchen Mohorn ist Knox. Sagt mir immer noch nichts. Bis ich davor stehe und das Räuchmännchen und die Tüten erkenne. Ich stehe vor der Produktionsstätte der Knox-Räucherkerzen (Knox ist seit 1865 die älteste deutsche Produktionsstätte). Früher wurden diese kleinen Hütchen tatsächlich in Handarbeit, meist in Heimarbeit, gefertigt. Sie wurden geknetet. Für 1 Kilo bekam man sage und schreibe 25 Pfennige... Im Ausstellungs- und Verkaufsraum kann ich es dann nicht lassen, jetzt befindet sich ein "Original Erzgebirge Knox-Räuchermännchen" auf dem Weg zu mir nach Hause.
    Ja, und heute will ich es tatsächlich noch einmal wagen. Das Zelten. Mein in Dortmund mit viel Beratung gekaufter Schlafsack (da geh ich nieeeeee wieder hin) befindet sich auch auf der Heimreise und heute wird im neuen gekuschelt...und hoffentlich nicht gefroren....
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  • Tag 25: Von Reinsdorf nach Wolkenburg

    4 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 16 °C

    Fix und fertig von 800 Höhenmetern, die ich heute irgendwie bewältigt habe, komm ich gegen 17 Uhr am Silberbergwerk, meiner heutigen Unterkunft, an. Was freu ich mich auf ein riesgenroßes Alster mit ner ebenso großen Portion von Irgendwas, hauptsache megaviel. Schon, als ich den Gasthof mit seinem echt schönen Biergarten erblicke, läuft mir das Wasser im Munde zusammen. Und dann...nix. Den Zimmerschlüssel in die Hand gedrückt (sie finden das Zimmer da oben rechts..) und "heute ist Ruhetag, das steht da irgendwo im Internet", ist er weg, der Wirt. Ach ja, ich könnt zur Vogelschänke fahren, die sei nicht weit weg, der Anstieg sei ganz sanft.
    5 Kilometer nur bergauf in der kleinsten Übersetzung!!!! Vor Wut oder vielleicht auch aus Erschöpfung kommen mir die Tränen. Was tut es mir da gut, dass ich so nett und echt superlecker bewirtet werde. Die Vogelschänke werd ich bestimmt nie vergessen, das Silberbergwerk schon.....
    Ein blödes Finale eines eher abwechslungsreichen Tages. Nach einer doch immer noch frösteligen Nacht (ich beschließe erst ab 10 Grad wieder zu zelten) brauch ich echt lange, bis ich loskomme. Das Zelt muss trocknen, der Kocher will nicht so, wie ich will, und das Einpacken dauert heut irgendwie viel zu lange.
    Dann gleich ein mega Anstieg - es braucht echt lange, bis ich die Tour genießen kann.
    Aber die wieder mal so wunderschönen Ausblicke kann man gar nicht ignorieren und so radel ich irgendwann trotz heftiger Anstiege glücklich dahin. Ich komme durch Hirschfeld, dem Geburtsort von Katharina von Bora (Martin Luthers Frau) ,lerne in Bieberstein viel über die Anfänge der Volksschule, die die Reformation ganz nebenbei mit sich brachte, und bewundere die vielen überdimensional großen Schwibbögen (die typischen Lichterbögen aus dem Erzgebirge) an den Häusern.
    In Hainichen bitte ich einen älteren Mann, der echt schlecht zu Fuß ist, um Wasser für meine Trinkflasche. "Ja klar, sehr gerne, ich weiß, wie wichtig das ist! Ich war Profi-Radrennfahrer." Stolz erzählt er mir von seinen Erfolgen, beim Bodensee-Radklassiker sei er zweimal ganz vorne mit dabei gewesen. Aber nun sei er kaputt, seine Kniee und sein Rücken... das wäre halt so im Profisport. Davon wolle er aber keine Sekunde vermissen...
    Leider verlasse ich damit auch die schöne Landschaft und Kilometer um Kilometer radel ich einfach nur ab (Chemnitz muss nicht schön sein und die Gegend nördlich davon ist es definitiv auch nicht). Erst mit Erreichen der Mulde (einem kleinen Flüsschen) kurz vor der Thüringenschen Grenze wird es wieder richtig schön.
    Und ich werde heute Nacht bestimmt richtig schön schlafen.
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  • Tag 26: Von Wolkenburg nach Gera

    5 Mei 2022, Jerman ⋅ ☁️ 18 °C

    Ich hätte nie gedacht, dass ich willenlos einem Mann in den Wald folge....Ach, überhaupt, heute ist ein Tag der besonderen Männer.
    Beim Frühstück (das mich mit dem Silberbergwerk versöhnt) lerne ich den mehrfachen Weltmeister der Rettungshunde (seiner ist ein belgischer Schäferhund) kennen. Heute sei sein letzter Trainingstag für die kommende WM in Rumänien. Aber nicht nur Weltmeister sei er, er sei auch in der ganzen Welt als Ausbilder und Prüfer gefragt. In China sei er gewesen, in der Ukraine, in Skandinavien, Südamerika...und auch in Mexiko. Dort habe einen Hundefreund, der seine sehr erfolgreichen Geschäfte an der Grenze zu den USA mit Mineralöl mache. Ein riesiges Anwesen habe er, alles purer Luxus. Im Garten leben Giraffen, Elefanten, Löwen....Nein, nein, der Besitzer sei kein Neffe von Pablo Escobar....ganz ehrliches Geld....
    Die Wolken der Regennacht sind verzogen und ich starte mit erstaunlich gut erholten Beinen in Richtung Gera. Kaum bin ich ein paar Meter gefahren, überholt mich sehr zügig eine ältere Frau, stoppt und ich habe für die nächsten Kilometer eine sehr nette Begleitung. "Schade", meint sie, "dass wir uns nicht gestern begegnet sind. Ein Sofa hätten wir auf jeden Fall gehabt. Wäre bestimmt ein toller Abend geworden."
    Weiter geht's durch eine nun wieder schöne, leicht hügelige Landschaft immer an der Mulde entlang. Überall duftet es nach blühenden Obstbäumen, Wiesenblumen und Raps. So gelange ich wieder einmal in eine Auenlandschaft, in der ich fasziniert anhalte. Es ist soooo schön, das helle Frühlingsgrün der Bäume und Gräser, der Kuckuck, der ruft, die Sonne, die ihren Weg in den Laubwald findet. "Ich weiß, wo ein Waldkauz zu sehen ist", höre ich da eine Stimme. Hinter mir steht ein Mann mit seinem uralten Fahrrad. Auf dem Kopf eine Kappe, die schon seinem Urgroßvater gehört haben könnte, und im Korb einen geöffneten Klappspaten. Auf dem Weg zum Kauz zeigt er mir einen Silberreiher, Schwäne, das blaublühende altlantische Hasenglöckchen und erzählt mir über die Überschwemmungen der Mulde im Katastrophenjahr 2002. Immer weiter geht es in den Wald und dann plötzlich: "Da ist er!" Ich brauche schon ein wenig, um ihn in den Baumwipfeln zu finden, aber um so faszinierter bin ich, als ich ihn entdecke. Was für ein Geschenk wird mir gemacht!
    Eine fantastisch blühende japanische Zierkirsche müsse er mir auch noch zeigen...Ein letztes Foto, ein herzliches Dankeschön und es trennen sich unsere Wege.
    Mich führt meiner nach Glauchau. Eine ehemals bestimmt sehr sehr schöne, jetzt aber "sterbende" Stadt. Überall Leerstand und Zerfall, eine seltsame Stimmung dort.
    Immer weiter durch das so schöne Vogtland gelange ich nach Meerane. Was für ein Gegensatz zu Glauchau, alles liebevoll gepflegt, wunderbare Villen, herrliche Gärten. Und ein Thüringer Bratwurstand auf dem Fahrrad. Wie lecker! Der Bratwurstmann erzählt mir, dass er sich eigentlich in den 60er Jahren auch habe "wegmachen" wollen, aber seine Frau nicht. Also sei er geblieben und habe sich arrangiert. Wär dann auch soweit okay gewesen. Als er dann von seinen Radreisen mit dem "Dreigang-Rad" nach Rumänien, Ungarn, in die Tschechoslowakei berichtet, glänzen plötzlich seine Augen und er wirkt glücklich.
    Und dann treffe ich Frank. Ich fotografiere gerade seinen so schönen Schwibbogen auf der Garage, als er dahinter hervorkommt. Erst überm Zaun und dann in seinem Garten bei ner Flasche Bier erzählt er von seinem Leben. 76 sei er jetzt, sei früher Radrennen gefahren und später Bauingenieur geworden. In den letzten Jahren habe er so manches wegstecken müssen, fast wäre er daran zerbrochen. Aber das sei Vergangenheit, ihm gehe es so was von gut. Er habe so viele Hobbys, fahre immer noch Fahrrad (jetzt mit E und Komoot), töpfere, schnitze und hätte ganz viel Spaß an Menschen. Während er so erzählt, verliebe ich mich in seine Augen. Sie sprühen vor Wärme, Energie und Lebensfreude, einfach toll. Zum Abschied zeigt er mir seine selbstgebaute Weihnachtspyramide und ich habe das Gefühl, einem ganz besonderen Menschen begegnet zu sein. Schade, dass ich mal wieder das gemeinsame Foto vergesse.
    Weiter geht es im Örtchen Ponitz am Schloss von Wolfgang Conrad von Thumbshirn (Mitbegründer des Westfälischen Friedens) vorbei, ich passiere die Burg Posterstein und die Ronneburg (in der Hans Fallada eine Zeit lang lebte und dichtete) und komme voll erfüllt mit den Begegnungen des heutigen Tages in Gera an.
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  • Tag 27: Von Gera nach Jena

    6 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 16 °C

    Auch das sind Begegnungen. Es ist warm, ich bin schon etliche Kilometer gestrampelt und wie gerufen ein riesiges Schild: Softeis. Wie lecker. Kindheitserinnerungen werden wach. "Original DDR-Softeis, nicht so ein neumodischer Kram, nur so darf es schmecken" erfahre ich. Plötzlich, als klar wird, woher ich komme: "Ihr Wessis habt mir meine schöne DDR kaputt gemacht..." Irgendwie schmeckt das Eis da nur noch halb so gut und ich seh zu, dass ich weiterkomme. Und es wird nicht besser. Als ich bei der Zimmersuche das Angebot ablehne, weil zu teuer, heißt es nur: "Wir leben nicht mehr im Sozialismus" und es wird sehr deutlich aufgelegt.
    Schon der Morgen ist eher semi. Mein altes Handy, das nur die Gesamttour aufzuzeichnen soll, hat sich aufgehängt...die bisherige Tour ist definitiv weg. Ist schon sehr schade.
    Egal. Dafür hatte ich gestern noch einen sehr schönen Abend. Es gab den für die Region typischen Mutzbraten (Schweinekamm mit verschiedenen Kräutern in Schwarzbier für mehrere Tage eingelegt und dann über dem offenen Buchenfeuer gegrillt). Ein dickes Lob an den Koch! Und ebenso an die Kellnerin, die scheinbar überall Augen hat. Sie rennt, macht, tut, und ist dabei superfreundlich. Das sag ich ihr dann auch und wir kommen ins Quatschen. Sie erzählt, dass sie direkt nach der Wende mit ihrem Mann mit dem Trabbi bis nach Korsika und Griechenland gefahren sei. Bis heute hätten sie Kontakte dorthin, es sei so toll überall in der Welt Freunde zu haben..
    Was mir gestern auch noch auffällt: Die Kneipen hier in der Region sind voll. Alt und Jung, Familien, Stammtische, eine wunderbare Atmosphäre, etwas, was es bei uns kaum noch gibt. Ob es an den bezahlbaren Preisen liegt? Für ein wirklich gutes herzhaftes Essen mit zwei Getränken zahlt man nie mehr als 20 Euro...
    In Gera bin ich dann mutig, ich gehe zu einem fremden Friseur...und komm echt manierlich wieder raus. Tut schon gut, auch auf diese Weise mal wieder was für sich zu tun.
    Rund um den Markt ist alles wunderbar restauriert, nur leider komme ich nicht in die "Höhler". Durch das Geraer Bierbrauerprevileg von 1487 waren alle Hausbesitzer berechtig, Bier zu brauen oder brauen zu lassen. Da die Hauskeller für die Lagerung nicht die idealen Bedingungen boten, grub man einfach unter die vorhandenen Keller noch weitere Keller...die Höhler.
    Sonst hat die Stadt fast einen mediterranem Charakter. Die Orangerie, herrliche, teils im römischen Stil erbaute Villen, große Parks und Alleen bekomme ich zu sehen.. und das mit etlichen Originalen ausgestattete Geburtshaus von Otto Dix (bedeutender Maler des 20. Jahrhunderts). Er war in seiner Zeit sehr umstritten, da er sich in seinen Bildern aber auch mit Worten immer wieder kritisch äußerte. Die ausgestellten Bilder sind oft sehr düster, handeln von Krieg und Verdammnis, dennoch bleibe ich an so manchem hängen. Ich werde von ihnen auf eine seltsame Weise berührt. Dabei hatte sein erster Kunstlehrer über ihn geurteilt: "Du wirst nie Maler, du bleibst ein Schmierer!" (seine Bilder werden für Millionen Euro gehandelt..)
    Tja, und dann verpasse ich meine Route, die "Thüringer Städtekette". Erst viel zu spät merke ich es, eine Rückkehr nach Gera ist einfach zu weit. Aber immer weiter an der Bundesstraße ohne Fahrradweg will ich auch nicht. Also die nächste Möglichkeit rechts ab...und 2 Kilometer mit 13 % Steigung geschoben. Meine letzten Müsliriegel und meine letzten Kräfte gehen dabei drauf, aber ich werde belohnt. Ich fahre danach durch kleine beschauliche Dörfchen mit Wasserkanälen, wunderschönen Fachwerkbauten und kleinen Straßen.
    Zum Schluss wird es mit dem Bergauf/Bergab noch mal ziemlich heftig, aber das ist jetzt schon vergessen.
    Ich denke eher noch darüber nach, dass ich beim Bezahlen meines Abendessens kein Trinkgeld geben darf. Das sei "Familientradition seit der Oma". Da lässt sich auch nicht drüber verhandeln.
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  • Tag 28: Von Jena nach Erfurt

    7 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 18 °C

    Jena, die Stadt an der Saale, die Stadt der Wissenschaft. Eine Stadt der Gegensätze auf engstem Raum. Das riesige Areal des Universitätsklinikums, der JenTower (das höchste Bürogebäude in Thüringen), der Zeiss Bau (das älteste Hochhaus Deutschlands, Bauherr Carl Zeiss), das Zeisswerk und die Jenaoptik stehen fast Seite an Seite mit mittelalterlichen, klassizistischen und Jugendstilgebäuden sowie einer alten Stadtmauer mit Pulverturm. Trotz dieser Gegensätze eine schöne Stadt mit viel viel Leben. In manch kleiner Gasse reihen sich kleine Geschäfte, schöne Kneipen und Cafès aneinander, es bringt Spaß durch sie zu schlendern.
    Ja, und dann ist da die Stadtkirche Sankt Michael, in der immer noch die Kanzel steht, von der Martin Luther einst predigte. Plötzlich höre ich Posaunen- und Trompetenklang und entdecke im Obergeschoss vier Bläser. Die Fensterflügel sind weit geöffnet und die Passanten und Marktbesucher bekommen ein kleines Konzert geboten. Ich stelle mich einen Moment zu ihnen und genieße die schöne Atmosphäre.
    Aber ich werde auch mit sehr trauriger, schrecklicher Geschichte konfrontiert. Dem Todesmarsch. Quer durch Jena wurden am 11. April 1945 von schwer bewaffneten SS-Männern mehr als 4.000 Menschen aus dem nahegelegenen KZ Buchenwald getrieben, viele überlebten es nicht. Den mutigen Helfern in Jena (Zustecken von Milch, Brot, Wasser...) drohte selber der Tod. Der Hintergrund? Die Konzentrationslager sollten vor Eintreffen der Alliierten evakuiert werden, die Nazis wollten ihr grausames Tun verwischen..
    Dann wird's schwer. Welche Mayo soll's bei "FritzMitte" auf meine Fritten sein? Trüffel, Honig-Limone-Dijonsenf, Harrisa, Curry-Mango? Ich wähle Parmesan-Rosmarin - perfekt!
    Ich verlasse die Stadt über das Schlachtfeld der Schlacht von Jena - Auerstedt (1806), bei der Napoleon das preußisches Heer vernichtend schlug. Heute beschauliche Wiesen, Felder und kleine Wäldchen, durch die ich mit Genuss radel.
    So gelange ich nach Weimar, die Stadt an der Ilm. Der Stadt der großen Dichter und Denker, Musiker,Maler.... Goethe, Schiller, Wieland..., Richard Strauss, Franz Liszt, Bach..Lucas Cranach..Walter Gropius (mit seiner Bauhaus-Universität), alle haben hier gewirkt und ihre Spuren hinterlassen.
    Was aber wäre Weimar ohne Goethe. Er hat dort gelebt, gewirkt und die Großen seiner Zeit beeindruckt. In Regierungsämter wurde er eingespannt, leitete die Kriegskommission, die Finanzverwaltung, den Wege und Bergbau...Er gestaltete den Landschaftspark an der Ilm ("Weimar ist eigentlich ein Park, in welchem eine Stadt liegt") und besuchte durch ein "heimliches Gässchen" seine Charlotte von Stein (natürlich rein platonisch). Sein Nachlass im Goethe-Schiller-Archiv wurde von der UNESCO als Weltdokumentenerbe aufgenommen.
    Und er traf Friedrich Schiller, der auch in Weimar wohnte und arbeitete. Zwischen beiden entstand eine enge Freundschaft, die bis zu Schillers Tod hielt. Er soll ermordet worden sein und Goethe soll als Freimauerer von der geplanten Ermordung Schillers gewusst und ihn nicht gewarnt haben...Wahrheit?-Lüge? -Man wird es wohl nie herausbekommen. Aber ein gemeinsames Denkmal haben sie. Sie stehen Seite an Seite auf dem Weimarer Theaterplatz.
    Weimar ist wunderschön. So viele kleine Gässchen und verwunschene Ecken neben beeindruckenden und bedeutenden Gebäuden. Trotz der vielen Touristen eine Art der Ruhe, die mich innehalten und genießen lässt.
    In dieser Stimmung radel ich weiter, bis ich den weit sichtbaren Turm des KZ Buchenwald erblicke. Er wurde von der DDR Regierung bereits 1954 als Mahnmal errichtet. Da werde ich von einem alten Mann auf seinem E-Bike angesprochen. Ein nettes Gespräch entwickelt sich. Er erzählt von seinen vielen Radreisen an den Flüssen unserer Republik und gibt mir den einen oder anderen Tipp. Dann zeigt er auf auf Buchenwald (ich habe beschlossen, es auf meiner Reise nicht erneut zu besuchen) und spricht plötzlich von Politik. "Die Ukrainer sind alle verkappte Nazis..was interessiert es uns, was die Russen da machen...der Scholz und seine Vasallen drücken uns ihre Meinung auf, ziehen uns in einen Krieg....das Volk hat hier nichts mehr zu sagen...wir brauchen eine humane Diktatur.."
    Ich suche schleunigst das Weite, aber sein Gedankengut beschäftigt mich noch lange. Wie kann ein so alter Mann (ich schätze ihn auf Mitte 80), vermutlich im 2. Weltkrieg geboren, die DDR und die Wende erlebt, so schrecklich denken.
    Erst als ich an der Dorfkirche von Tröbsdorf vorbeifahre, komme ich auf andere Gedanken. Eine unscheinbare Dorfkirche vom großen Lyonel Feininger gemalt, kaum zu glauben. Aber er lehrte von 1919 bis 1925 im Bauhaus in Weimar und suchte sich in der Umgebung immer wieder Motive (die Kirche erkenn ich auf seinem Bild allerdings nicht..).
    Meine heutige Unterkunft liegt in Schwerborn, einem kleinen Dörfchen nördlich von Erfurt. Wieder einmal ein "lebender" Gasthof, in dem gerade eine diamantene Hochzeit gefeiert wird. Das kommt mir so wunderbar bekannt vor, alle in großer Runde, Reden, DJ... Und als die Blasmusik als "Überraschungsgast" ein Ständchen bringt, gelacht und getanzt wird, fühl ich mich richtig wohl und heimisch.
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  • Tag 29: Von Erfurt nach Schnepfenthal

    8 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 14 °C

    Was für eine Überraschung! Lea, ihr Marius und mein so süßer Enkel Lasse in Erfurt! Die drei haben mit Freunden vier Tage "Urlaub auf dem Bauernhof" ganz in der Nähe gemacht und fahren heute wieder mit dem Zug gen Frankfurt. Was freu ich mich, die drei zu sehen!
    Aber zuvor beim Frühstück noch ein schönes Gespräch mit meinem Wirt. Er erzählt, dass sein Schwiegervater ein Jahr nach der Wende mit viel Mut den Gasthof gekauft und mit viel Liebe (das merkt man überall) nach seinen Vorstellungen renoviert hat. Und mindestens genauso viel Mut hätten seine Frau und er gehabt, als Schwiegerpapa nicht mehr konnte. Beide hätten ihre guten Jobs gekündigt und seien nun mit ganzem Herzen Gastwirte. Es sei zwar "stets und ständig", aber sie hätten es nie bereut. Es brächte einfach so viel Spaß, glückliche und zufriedene Gäste zu haben, das könne kein anderer Job so bieten. Und was man das bei ihm merkt! Zum Abschied steckt mir René noch seine Visitenkarte zu. "Schick mir ein Bild, wenn du oben auf der Zugspitze stehst!" Versprochen!
    Mit Lea und Family treffe ich mich (mit viel Lachen und Knutscherei) auf Erfurts Wahrzeichen, der steinernen Krämerbrücke. Kaum zu glauben, dass auf dieser 1325 erbauten Brücke bis heute eng an eng uralte mittelalterliche mehrstöckige Gebäude stehen und sogar bewohnt werden. Sie soll die längste durchgehend mit Häusern bebaute und bewohnte Brücke Europas sein. Es ist so beeindruckend schön, an den 32 Fachwerkhäuschen (früher waren es sogar 62) mit Galerien, kleinen Geschäften und Souvenierlädchen vorbeizuschlendern.
    Leider vergeht die gemeinsame Zeit viel zu schnell und bald entdecke ich wieder alleine die Landeshauptstadt Thüringens. Eine so große Stadt mit einem fast vollständig erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern habe ich zuvor noch nie gesehen. Ein wenig abseits vom Rummel (auch am Sonntag ist es hier megavoll) entdecke ich sogar enge und verschränkte Gässchen, in denen man das Mittelalter regelrecht zu spüren vermag.
    Alte Patrizierhäuser, das alte Rathaus ....es gibt unendlich viel zu sehen. Über allem ragt der imposante 650 Jahre alte Erfurter Dom mit der Gloriosa (der größten freischwingenden, aus dem Mittalter stammenden Glocke der Welt). In ihm wurde Martin Luther zum Priester geweiht.
    Aber noch etwas fällt auf, was mich bereits seit Weimar begleitet. An vielen öffentlichen Gebäuden aber auch Privathäusern hängen lange Goldfolien vor den Fenstern. "Gold statt Braun" ist zu lesen. Hiermit soll (soooo wichtig in den heutigen Tagen) an das Ende des 2. Weltkriegs am 08. Mai 1945 und an die Verbrechen der Nazis erinnert werden. Insbesondere in Weimar wurde dafür ein besonderer Ort gewählt und beeindruckend inszeniert. Der Balkon am Hotel Elephant, auf dem Hitler sich regelmäßig bejubeln ließ, ist weit sichtbar rundum goldverhüllt....
    Irgendwann geht's weiter. Die Landschaft ist weitläufig, leicht hügelig mit vielen Feldern und Wiesen, Ich hänge meinen Gedanken nach und nehme meine Umgebung nur oberflächlich wahr. Doch, stopp, was war das? Ich mache kehrt und stehe vor einem seltsamen steinernen Kreuz mit einer kaum entzifferbaren Inschrift. Ein wenig weiter noch so ein Kreuz. Und ich habe mal wieder Glück. Ein Ehepaar, was grad wandernd vorbeikommt, klärt mich auf. Es seien aus dem Mittelalter stammende sogenannte Sühnekreuze, die als Symbol für die Beendigung einer Blutfehde wegen eines begangenen Mordes oder Totschlages aufgestellt wurden. Oft sei sogar die Mordwaffe des Getöteten in den Stein gehauen...
    Mit den ersten Ausblicken auf den Thüringer Wald gelange ich in die kleine Stadt Gotha, die im Gegensatz zu Erfurt in einen sonntäglichen Schlaf gefallen scheint. So genieße ich in aller Stille das Schloss Friedenstein von Herzog "Ernst dem Frommen" (gilt als frühester barocker Schlossneubau Deutschlands) und die ebenfalls wunderbar renovierte mittelalterliche Altstadt.
    Und dann wäre ich fast vorbeigefahren, an dem Gründungslokal der SPD. Nur ein ganz kleines Schildchen weist auf diesen so geschichtsweisenden Ort hin, die ehemalige Gaststätte Tivoli.
    Kleine Dörfchen mit freilaufenden Hühnern, im Ort grasenden Kühen, freiliegenden Wasserläufen und wiederum herrliche Ausblicke auf den Thüringer Wald bringen mich dann nach Schnepfenthal. Mein Landgasthof hat heute Schlachtfest...und der Maibock ist angestochen..
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  • Tag 30: Von Schnepfenthal nach Eisenach

    9 Mei 2022, Jerman ⋅ ☀️ 16 °C

    "Seien Sie immer gut bewahrt und beschützt", mit diesen schönen Worten einer älteren Dame mache ich mich auf den Weg zum Schloss Tenneberg hoch über dem Städtchen Waltershausen. Die Sommerresidenz der Gothaer Herzöge soll einen sehr sehenswerten romantischen arkadengeschmückten Schlosshof mit einem kleinen Café mit superleckerem Kuchen und eine weitbekannte Puppenausstellung haben. Aber es ist Montag...und damit (vermutlich wie alle Museen in Deutschland) geschlossen...
    Also wieder bergab. An dem kleinen idyllisch verlaufenden Flüsschen Hörsel entlang genieße ich den Blick auf eine der höchsten Erhebungen des Thüringer Waldes, den rd. 900 m hohen Großen Inselsberg, dessen Aussichtsturm ein nahezu 360-Grad-Panorama über den Thüringer Wald bieten soll (das nächste Mal...). Was ist das? Neugierig sehe ich mir den schwarz-rot-gold gestrichenen Betonpfosten in einem mit hohen Drahtzaun geschützten Gartengrundstück an. Eine Reminiszenz an die DDR! In ca. zwei Meter Höhe prangt das alte Staatswappen der DDR und gleich daneben ein alter Begrenzungsstein mit "DDR"-Aufschrift...
    Weiter geht's.
    So gelange ich nach Eisenach. Die Stadt der Wartburg (UNESCO-Welterbe) und des Burschenschaftsdenkmals (hoch über der Stadt, ein Kriegerdenkmal für die gefallenen Burschenschaftler im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 ), Martin Luthers, Johann Sebastian Bachs, der heiligen Elisabeth und unsrer Mama, die hier geboren und aufgewachsen ist. Die "Ostzonen-Besuche" bei unseren Großeltern, Tanten und Onkeln, Cousins und Cousinen erinnere ich noch wie heute. Die Angst bei der Reise mit dem Interzonenzug über Gerstungen, die Schikanen der Grenzer, der Zwangsumtausch von 25 DM pro Tag und Person (der auch als "Eintrittsgeld" genannte Mindestumtausch stand im Zusammenhang mit den Devisenproblemen der DDR), der Ritt zur Wartburg auf einem Esel (leider ist diese 120-jährige Tradition vor 2 Jahren aufgegeben worden), die vielen schönen Ausflüge in die Eisenacher Umgebung mit dem Wartburg meines Onkels, die Wanderungen durch die Drachenschlucht (eine wildromantische teils nur schulterbreite Klamm mit engen Holz- und Gittersteigen), die leckere Thüringer Bratwurst und insbesondere die Herzlichkeit, mit der wir aufgenommen wurden.
    Was macht man mit 10 Ostmark, die man als 12-jähriges Mädchen von seiner Oma geschenkt bekommt? Man kauft sich auf einen Schlag das so leckere russische Vanilleeis mit Schokoladenüberzug (die Portion 50 Pfennige)!....wie es mir danach ging, weiß ich nicht mehr...
    Was hat sich die Stadt seit meinen Kindertagen verändert! Sie ist mit all ihren schönen Fachwerkhäusern, großen Villen, liebevoll gepflegten Plätzen und Plätzchen ein richtiges Schmuckstück geworden, das ich auf einer Stadtführung neu entdecke.
    In einer dieser Villen wuchs unsre Mama mit ihren Geschwistern, einer Köchin, einer Kinderfrau, einer Musiklehrerin und einer Hausdame hochherrschaftlich auf (klar, dass ich dort mal kurz vorbeigucke und das nun wieder wunderschön hergerichtete Schmuckstück bewundere). Mein Opa konnte es sich wohl leisten. Erst als selbständiger Kaufmann, später als Mitarbeiter bei der "BMW Zweigniederlassung Eisenach", in der damals der so populäre Dixi 3/15 (in BMW 3/15 PS umbenannt) gefertigt wurde.
    Luther- und das Bachhaus (das jährlich von insbesondere tausenden Touristen aus Fernost besucht wird), beide weltberühmt, aber auch das über 250 Jahre alte "schmale Haus" mit nur 2,05 m Breite und 20 qm Grundfläche (es gilt als das schmalste Fachwerkhaus Deutschlands) und noch so vieles mehr (Taufkirche Bachs,...meine übrigens auch..., ein altes Stadttor...) befinden sich in dieser wunderbaren Stadt.
    Mit Staunen und Schmunzeln über Luthers Wortschöpfungen (ich wusste nicht, dass Wörter wie Feuereifer, Nächstenliebe,Gewissensbisse, Machtwort... von Luther erfunden wurden) und Sprichwörter ("Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz") verlasse ich Eisenach. Aber noch nicht meine Kindheitserinnerungen. Ich radel durch das liebliche frühlingsgrüne Marienthal, in dem sich das berühmte "Rosenwunder" zugetragen haben soll.
    Es ist historisch belegt, dass Landgräfin Elisabeth von Thüringen (1207 -1231) ein großes Herz für Arme und Bedürftige hatte, Armenspeisungen veranlasste und selber Kranke pflegte - wohl nicht immer zur Freude der damals Herrschenden, so auch ihres Gemahls Landgraf Ludwig. So soll sie sich eines Tages mit unter ihrem Mantel versteckten Fladenbroten von der Wartburg geschlichen haben. Wie es kommen musste, begegnete sie ihrem Ludwig, der wissen wollte, was sie unter ihrem Umhang verstecke. Doch als sie ihren Umhang zurückschlug, trug sie nur Rosen bei sich....
    Mein Weg führt mich immer steiler bergauf, erst radelnd, dann schiebend, dann geht nichts mehr. Mit dem Gepäck komme ich auf dem felsigen und sandigen Waldweg keinen Meter mehr weiter. Schlau sein, denk ich, Gepäcktaschen ab, Rad auf den Berg und die Taschen zu Fuß hinterher! Mit Schwung werfe ich die Taschen auf den Weg...und eine daneben. Sie rollt und rollt und rollt den Abhang hinab ....und bleibt ganz unten - kaum sichtbar - liegen. Schreien, Heulen oder Lachen??? Ich kann nur über meine eigene Blödheit lachen, rutsche mehr oder weniger geschickt den steilen Abhang hinab und klettere ihn dann mühsam mit vielen vielen Pausen wieder hinauf.
    Nach einer dann noch etwas längeren Pause geht's weiter hinauf zu den sogenannten Sängerwiesen (1847 traten dort, mitten im Wald, 28 Männerchöre mit über 1.200 Sängern zu einem Sängerwettstreit an) und einem phantastischen Blick auf die 1067 erbaute Wartburg, in der Luther als "Junker Jörg" versteckt in nur elf Wochen das Neue Testament vom Lateinischen ins Deutsche übersetzte.
    Noch einige Kilometer durch den so schönen Thüringer Wald und ich erreiche glücklich und erschöpft von diesem ereignisreichen Tag in Eckardtshausen das alte Fachwerkhaus meines Cousins Jens, der mich mit selbstgemachter Wildschweinbratwurst herzlichst empfängt.
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  • Tag 31: Eckardtshausen

    10 Mei 2022, Jerman ⋅ ☁️ 22 °C

    Bergfest! Bis heute bin ich seit meinem Start genau vor einem Monat rund 1.600 km mit ca. 9.000 Höhenmetern (und damit ziemlich genau die Hälfte meiner geplanten Tour) gefahren. Wahnsinn, wie schnell das gegangen ist!
    Mittlerweile habe ich mich von meinem Zeltsack getrennt (die Zeit für Auf- und Abbau ist, wenn man alleine unterwegs ist, einfach zu lang...er ist jetzt in Frankfurt) und mein Hintern ist "eingefahren". Braucht vielleicht jemand eine wunderbare Gesäßcrème?
    Ein Tag, der mit Ausschlafen, Wäsche waschen, relaxen, einer kleinen Wanderung in die Umgebung und heute abend mit einer selbstgemachten Pizza ehrenvoll begangen wird.
    Wie anders ist es, sich mal wieder auf "Schusters Rappen" zu bewegen, was für ein Unterschied zum Biken. So manches nehme ich viel bewusster wahr, die vielen vielen Insekten, die Schmetterlinge, die kleinen und großen Blumen (Felder wilder Anemonen und Erdbeeren, Schlüsselblumen, blauer Akelei...) die Greifvögel über mir....alles noch ein bisschen ruhiger, noch ein bisschen entspannter. Für heute sehr schön, aber das Radeln gefällt mir doch besser...
    Ich gelange durch einen riesigen Buchenwald zu der an einem kleinen See gelegenen ehemals wohl sehr schönen Sommerresidenz der Herzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach, Schloss Wilhelmsthal. Es wird gerade viel renoviert und vielleicht erstrahlt sie in den nächsten Jahren wieder in ihrem alten Glanz. In dem nicht mehr zu begehenden Festsaal sollen einige Werke des Komponisten Georg Philipp Telemann uraufgeführt worden sein.
    Oberhalb des Schlosses liegt das dem Zerfall anheim gegebene ehemalige DDR-Ferienlager Maxim Gorki, durch das ich neugierig schlendere. Zwei bis drei Wochen durften die Kinder in derartigen Betriebsferienanlagen in den Sommerferien verbringen. Bei Abenteuerspielen, Lagerfeuer und vielen anderen schönen Angeboten dürfte sie das pädagogische Ziel, die Erziehung der Kinder zu einer "sozialistischen Persönlichkeit", in ihrem Kinderparadies nicht interessiert haben. In diesem Zusammenhang ist sicherlich spannend und bisher kaum erforscht, dass in den Jahren 1954-1961 mehrere zehntausend Kinder aus der Bundesrepublik Deutschland mit Sonderzügen in die DDR reisten und in den Betriebsferienlagern ihre Ferien verbrachten.
    Auf meinem Rückweg trennen mich plötzlich nur noch wenige Meter und ein Zaun von einem imposanten Urvieh. Das schottische Hochlandrind mit seinen riesigen Hörnern betrachtet mich interessiert, begleitet mich dann ein Stück zu seinen im Bach stehenden Kollegen und entscheidet sich dann doch für die Wiese und das frische Gras. Und ich entscheide mich für den Liegestuhl auf Jens Terrasse.
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  • Tag 32: Von Eckardtshausen nach Morschen

    11 Mei 2022, Jerman ⋅ ☀️ 25 °C

    Schwalben über Schwalben! Sie begleiten mich heute den ganzen Tag weit über mir. Beim Frühstück auf Jens Terrasse, überall in den kleinen Fachwerk-Örtchen, durch die ich fahre, und jetzt auf meiner Veranda. Und wenn die Aussage über ihre Flughöhe und das kommende Wetter stimmen sollte, bleibt es auf jeden Fall morgen sehr sehr schön. Ob das Gleiche auch für Fledermäuse gilt (die gestern Abend in Kopfhöhe um uns schwirrten), weiß ich nicht...
    Es ist schon ein Idyll, in dem Jens lebt, und was er mir gestern Abend bei einem kleinen Ausflug mit viel Herz zeigt. Der alte Richtplatz, die wunderbaren Blicke auf den Rennsteig und die Wartburg ...und den kleinen so kleinen Ort Möhra mit seiner so großen Bedeutung. Es ist der Stammsitz der "Luther's" und bis heute sollen dort tatsächlich welche wohnen. Immer wieder hat Martin wohl in dem so schön hergerichteten Ort seine Verwandten besucht und in der Dorfkirche gepredigt, so angeblich auch einen Tag vor seiner "Entführung" auf die Wartburg. Das hielt der Kupferstecher Schwerdgeburth in einem Stich fest...und die "Möhraer" 500 Jahre später als "Standbild" mit mehr als 50 Dorfbewohnern. Super getroffen!
    Noch ein letzter Blick auf die Wartburg und das schöne Umland und ich verlasse den Thüringer Wald. Es bleibt hügelig, überall leuchten die Rapsfelder und um mich herum summt und brummt es... Ein weißer Berg! Was ist das? Schon von Weitem beherrscht er die Landschaft und auch, als ich in Dankmarshausen fast unmittelbar vor ihm stehe, nur Fragezeichen. "Sieht schon komisch aus unser Monte Kali", sagt in diesem Moment eine junge Frau zu mir, die grad mit einem wunderschönen Blumenstrauß aus einem Blumenladen kommt. Ein verspäteter Muttertagsgruß, "aber der kann jetzt noch ein bisschen länger warten". So erfahre ich, dass ich vor einer 520 m hohen Salzhalde des Kalibergbaus stehe, Salz als Abfallprodukt, das aufgrund von Verunreinigungen weder als Streu- noch als Speisesalz verwendet werden kann. Und er wächst und wächst dieser Berg..im Jahr 1973 mit der Aufschüttung begonnen, bestand er 2017 bereits aus rund 209 Millionen Tonnen Salz. Und es kommen pro Förderstunde weitere 900 Tonnen hinzu... "Und wenn sie noch mal in der Gegend sind, dann buchen Sie unbedingt eine Führung aufs Gipfelplateau des "Kalimandscharo", es lohnt sich!"
    Den Berg hinab und ich stehe an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zwischen den kleinen Ortschaften Kleinensee und Großensee, einen Steinwurf voneinander entfernt. Wohl ein letztes Mal auf meiner Reise werde ich mit diesem traurigen Kapitel deutscher Geschichte konfrontiert. Im Sommer 1952 wurde hier die Grenze geschlossen - erst mit einfachen Drahtverhauen und Schlagbäumen, dann mit einem doppelreihigen Stacheldrahtzaun. Aber auch das nicht genug, Anfang der 70er Jahre wurde eine meterhohe Mauer aus Betonelementen gezogen...man sollte sich doch nicht sehen und zuwinken dürfen.. Zum Glück vorbei.
    An einer uralten Linde, die mächtig gestützt werden muss, halte ich fasziniert inne. Ob es sie ohne diese menschliche Hilfe noch gäbe? Weiter geht's am schön erhaltenen ehemaligen Schmalspurbahnhof von Bebra vorbei (Bebra selbst ist wohl eher keine Reise wert) nach Rotenburg an der Fulda und damit aus Hessen in die mit vielen vielen Fachwerkhäusern bebaute "Türkei". Eng aneinanderklebende Häuschen, eine enge Gasse und ganz hinten das Haus der "Sippe Türk(e)"...der Name ist geblieben.
    Wie schön ist es, anschließend durch das Naturparadies der Fuldaauen zu radeln. Ich lasse mir (im Gegensatz zu den vielen an mir vorbeihuschenden Radlern) viel Zeit, halte immer wieder an, beobachte die Wasservögel und das sanft dahinfließende Wasser. Es ist so ein Glück hier zu sein.
    Kurz vor meinem Ziel passiere ich noch die riesige Anlage des ehemaligen Klosters Haydau (heute ein Luxushotel) und eine wunderschöne alte Poststation mit Postkutsche.
    Und für morgen beschließe ich: Mund zu bei der Bergabfahrt! Die Insekten gehören den Vögeln!
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  • Tag 33: Von Morschen nach Waldeck

    12 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 17 °C

    Es war einmal eine alte Fährfrau....so dürften die Gebrüder Grimm, die hier im Nordhessischen über die Lande zogen und die mündlich überlieferten Geschichten sammelten und aufschrieben, den heutigen Tag begonnen haben. ..Sie lebte in einem kleinen Dorf in unmittelbarer Nähe zum Städtchen Melsungen in einer kleinen Ferienwohnung. Nachdem sie am heutigen Morgen nach der Explosion ihrer Fahrradflasche mit kohlesäurehaltigem Birnen-Holundersaft noch schnell alles - sogar die Decke - sorgfältig gereinigt hatte, machte sie sich wie jeden Tag auf den Weg. Schon nach wenigen Kilometern kam sie an ihre geliebte kleine Fähre über die Fulda. Aber, oh Schreck, die Fähre, die an stählernen Seilen über den Fluss geführt wird, hatte das Ufer verlassen. Leicht schwankend hing sie in der Mitte des Wassers. Und so begann der Tag der armen alten Fährfrau schon mit schwerer Arbeit. Sie drehte und drehte mit der am Fährsteg befindlichen eisernen Kurbel, bis die Fähre das Ufer erreichte. Und weil auf der anderen Seite schon die ersten Fährgäste warteten, schob sie ihr Fahrrad auf die Fähre, kurbelte und kurbelte erneut (denn auch auf der Fähre gab es nur eine Kurbel) und gelangte nach vielen Minuten erneuter schwerer Arbeit glücklich ans andere Ufer. Und wenn sie nicht gestorben ist (...fast...), dann lebt sie auch noch heute.
    In Melsungen beobachte ich beim Frühstück das lebhafte Treiben der "Bartenwetzer" auf dem Königsplatz am historischen Rathaus. Heute ist Markttag und der Duft aus den vielen Ständen mit primär regionalen Produkten zieht mir um die Nase. Um mich herum ein phantastisches Fachwerkensemble mit den für Nordhessen so typischen roten Balken.
    Es ist schon interessant, dass Namen oder Bezeichnungen bis heute benutzt werden, auch wenn die namensgebenden Zeiten schon längst vorbei sind. Im Mittelalter lebten die meisten Melsunger vom Holzeinschlag und bevor sie zum Holzschlagen in den Wald zogen, trafen sie sich jeden Morgen auf der alten Steinbrücke über die Fulda. Eine kurze männliche Begrüßung und dann wurden am Sandstein der Brücke die Barten (Äxte) gewetzt (geschärft). Die Bartenwetzer-Brücke und die Wetzmulde im Sandstein sind bis heute tatsächlich erhalten.
    Bergauf und bergab verlasse ich durch Wiesen und Wälder das idyllische Fuldatal. Bis zur Mündung der Schwelm unterhalb der Altenburg (mit einer eisenzeitlichen Ringwallanlage) bleibt es wunderschön, ich könnte "AB HOF ERNDE GUDES HEU" mitnehmen und mit weißblühenden Schneebällen mein Fahrrad schmücken.
    Was dann kommt, radel ich möglichst schnell (bei teils heftigem Gegenwind) ab. Kilometerlang nur Zuckerrübenfelder.., an einer riesigen Zuckerrübenfabrik mit dem so typischen Geruch vorbei und endlich erreiche ich Fritzlar mit dem die Stadt überragenden Dom.
    Im Jahr 723 soll der Mönch und spätere Erzbischof Bonifatius zufällig etliche Menschen erblickt haben, die eine Eiche, die dem Gott Donar geweiht war, voller Inbrunst anbeteten. Aus Zorn über dieses heidnische Treiben fällt Bonifatius die Eiche, baut eine Kapelle (jetzt der Dom) und legt damit den Grundstein für die Stadt...Bis heute steht er mit der Axt in der Hand vor dem Dom (er hat wunderbare farbenprächtige Kirchenfenster) und wacht über seine Schäfchen.
    Vom Büraberg, auf dem der Dom steht, habe ich eine tolle Sicht auf die so schöne fachwerkgeprägte Altstadt und auf die Eder, an der ich anschließend entlangfahre. Erst noch mit vielen anderen Radlern, dann bin ich endlich wieder fast allein unterwegs. Das vielstimmige Vogelgezwitscher, die immer ausladender werdenden Ederauen, die rastenden und brütenden Vögel, das mal schnell, mal langsam dahinfließende Wasser...ein unendlicher Genuss!
    Kurz vor dem Edersee habe ich plötzlich Begleitung. Nur noch ein Schneidezahn lächelt mich an und die weit über die Schulter hängenden Haare wehen wirr im Wind. Nach Korbach will er auf seinem High-End Triathlonrad (zu irgendwelchen Skatmeisterschaften). Für die nächsten Kilometer habe ich dann einen "Wasserfall" (aber einen sehr netten) neben mir: "Komm aus Willingen (den Ort im Upland/Hochsauerland kennt jeder Kegel- und Fußballclub, wenn's ums Feiern geht)... hatte da ne echt gut Gaststätte am Laufen...hab se aber in die Insolvenz gefahren..hatte keinen Bock mehr...hab jetzt 250.000 € auf`m Konto...und nur noch ein Zimmer bei meinen Eltern...und mein Fahrrad...fahr überall hin, wo ich Bock hab...wohn meistens bei Freunden...oder im Zelt in der freien Prärie...alles, was ich besitze, hängt hier am Zelt (ist echt nicht viel)....ist echt geil so...
    Plötzlich taucht eine Westernstadt vor uns auf, mit alten Kutschen, nem Office, hölzernen Wohnhäuschen und sogar nem Saloon. Pause! Wir sind in "Zündstoff-City" am Edersee (man kann dort sogar übernachten) und setzen uns zu zwei jungen Frauen. Und wie klein ist mal wieder die Welt, sie sind Polizistinnen und kommen aus Frankfurt. Kurz geschnackt und ein schnelles Getränk und ich bin wieder allein unterwegs. Das letzte Stück durch den Wald muss ich mal wieder schieben, was mir heute aber echt nichts mehr ausmacht. Noch einen wunderbaren Blick auf den Edersee und ich bin in Waldeck angekommen.
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  • Tag 34: Von Waldeck nach Olsberg

    13 Mei 2022, Jerman ⋅ ☁️ 14 °C

    Schloss Waldeck, eine Burganlage aus dem 11. Jahrhundert, ist schnell besichtigt, aber an der 1961 in Betrieb genommenen Bergbahn muss ich stehen bleiben! Die knallbunten zwei-Personen Gondeln, das Rattern bei der Bergfahrt, alles ist so retro und total urig. Und bei meiner Begeisterung achte ich auf nix...und werde dann fast von einer der wieder heraufkommenden Gondel umgehauen.
    Ich verlasse mit Gedanken an den Frühstücksplausch mit meiner Wirtin den Edersee (flächenmäßig der zweitgrößte Stausee Deutschlands, er dient zur Regulierung des Wasserstandes der Weser und des Mittellandkanals) und eines der größten Naturschutzgebiete unseres Landes, den Nationalpark Kellerwald-Edersee. Seit Jahrzehnten fahre sie jedes Jahr mit Mutter und Mann für zwei Wochen ins Kleinwalsertal zum Skifahren...super sei es dort...und seit 10 Jahren bekomme ihre Mama den Super-Super-Senioren Skipass für nur 80 Euro für 14 Tage...sie ist 90!
    Nach einem heftigen Anstieg geht's durch den nördlichsten Zipfel des Kellerwalds auf den Ederseebahn-Radweg, der mich mit einer nur 2 %igen Steigung nach Korbach führt. Mit dem Bau der Bahnstrecke (1909 - 1913) sollten Baumaterialien und Maschinen zum Edersee, zur Baustelle der Sperrmauer gebracht werden. Und wenn es passte, durften auch Passagiere mit (die 4. und damit billigste Wagenklasse kostete damals pro Kilometer zwei Pfennige). Seit 2009 ist dieses Relikt der alten Zeit nun Radweg.
    Auf diesem passiert es dann auch fast. Wie so oft schon sind mir in den letzten Tagen uralte Herrschaften auf ihren E-Bikes entgegen gekommen, die so wackelig unterwegs sind, dass sie weder Rad- geschweige denn Autofahren sollten..So auch heute. Schon von weitem sehe ich den alten Herrn den ganzen Radweg einnehmen, mal rechts, mal links. Wohin soll ich nun ausweichen? Ich wähle die falsche Seite...nur knapp der Kollision entkommen. Alles gut gegangen, aber als "Rowdy" werde ich trotzdem beschimpft...
    Bei meiner Einfahrt nach Korbach werde ich vom ehemaligen Pranger der kleinen Fachwerkstatt begrüßt. Viel mehr (vielleicht noch die zwei gotischen Hallenkirchen) gibt es dort aber nicht zu sehen und so verlasse ich die Stadt und kurze Zeit später auch das Bundesland Hessen.
    Es geht nun in meine alte Heimat, hoch und immer höher ins Hochsauerland. Ich fahre durch viele kleine schmucke Ortschaften, die sich an die Berghänge schmiegen, und habe immer wieder wunderschöne Ausblicke auf die herrliche Berglandschaft.
    Im Örtchen Nieder-Schleidern erscheint es besonders erwähnenswert, dass es im Jahr 1842 noch sechs lutherische gegenüber 15 katholischen Familien gab und dass sich bis heute die Verteilung zwischen Katholiken und Protestanten die Waage hält...
    Da erscheint es viel spannender, von der "Weiberschlacht" in Wissinghausen zu berichten. Am 14. Januar 1765 sollten mal wieder die Steuern erhöht werden, die Dorfbewohner bewaffneten sich mit Äxten, Forken und Knüppeln...es soll hoch hergegangen sein. Und ganz vorne in den ersten Reihen die Frauen, die wohl tatkräftig mitgemischt haben sollen..
    Der Schlossberg mit seinen 790 m Höhe raubt mir mit seinem stetigen steilen Aufstieg fast die letzten Körner, als mein Handy klingelt. Meine so liebe Freundin Lisa. "Wo bist du? Ich komm dir entgegen!" Plötzlich geht's ganz schnelll und fast zeitgleich kommen wir an der Ruhrquelle an. Ein winzig kleines Rinnsal, was da mitten im Wald unweit von Winterberg in 667 m Höhe aus dem Berg kommt. Ein Bächlein, das nach 219 km mächtig angewachsen in Duisburg in den Rhein mündet und einem ganzen Ballungsraum seinen Namen gibt..
    Aber das interessiert uns in diesem Moment irgendwie nicht. Lachen, gackern, knuddeln..., was Freundinnen halt so machen, wenn sie sich lange nicht gesehen haben. So radeln wir die letzten Meter gemeinsam nach Wiemeringhausen (hier hau ich so schnell nicht wieder ab..)
    Und mit meinen alten Freunden Inge und Jochen, die extra wegen mir vorbei kommen, wird es noch ein schöner langer Abend.
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  • Tag 35: Wiemering- und Assinghausen

    14 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 16 °C

    "Ich wohne dort, wo andre Urlaub machen, warum soll ich wegfahren?" Das war das Motto meines Schwiegervaters und daran hielt er sich fast sein Leben lang. Und es ist wirklich wunderschön, sein Hochsauerland, das Land der "tausend Berge". Das schon etwas raue Klima und die hohe Lage (etliche Gipfel zwischen 700 und 843 m Höhe) sollen der Grund dafür sein, dass es hier, wie nur in wenigen Regionen Deutschlands, im Winter durchschnittlich mehr Niederschlag als im Sommer gibt ."Hier gibt's nur Sommer und Winter", hab ich mal ne Winterbergerin sagen hören.
    Gerade der Winter spielt hier eine besondere Rolle, was insbesondere die Menschen mit dem gelben Nummernschild jedes Jahr gern aufs Neue entdecken. Rund um Winterberg ist mittlerweile ein riesiger Ski-Zirkus mit Gondeln, Sesselliften, Rodelhängen und Skihütten entstanden und oft ist es hier brechendvoll.
    Zum Glück entdecken aber auch immer mehr Besucher, wie schön es hier zu den anderen Jahreszeiten sein kann. Ein riesiges Netz von Wander- und Radwegen quer durch das Rothaargebirge und die herrlichen Aussichten sind schon ein besonderes Naturerlebnis. Wenn man hier losmarschiert, sieht man oft stundenlang kein Dorf, kein Städtchen, nur pure Natur! Leider hat in den letzten Jahren der Borkenkäfer schwer zugeschlagen, so dass so manch schöner Waldstrich einfach nicht mehr das ist.. Falls man nach solch einer Wanderung so richtig Lust auf heimischen goldgelben Gerstensaft haben sollte: Veltins, Warsteiner, Krombacher, man hat die Qual der Wahl...
    Ach ja, mit so ein paar Irrtümern sollte man auch mal aufräumen. Das Sauerland hat seinen Namen weder von den sauren Böden noch vom Charakter der Einheimischen....sondern bedeutet nur "südliches Land" (früher mal Suderland, das Land südlich von Dortmund und Soest). Und nicht der Kahle Asten mit seinem Astenturm (von dem man unbedingt mal die phantastische Aussicht genossen haben sollte) ist der höchste Berg sondern der Langenberg. Beide trennen immerhin 1,6 Meter!
    Noch eine Tradition gibt es hier, die man unbedingt erzählen sollte. Wenn früher ein Haus gebaut wurde, dann bekam es beim Richtfest einen Namen vergeben, den sogenannten Hausnamen. Oft richtete sich dieser nach dem Beruf des Bewohners oder der Lage des Hauses. Diese Hausnamen haben sich bis heute erhalten und wenn beim Ortsgespräch über jemanden gesprochen wird, spricht man von Klagges, Krusens oder Kaufmanns und jeder weiß, wer damit gemeint ist. Wenn ich dann als Zugezogene "Guten Morgen Frau Ufermann" freundlich grüße und mit lautem Lachen geantwortet wird, weiß man schon, dass man mal wieder mit dem Nachnamen falsch gelegen hat. Bei meinem ersten Besuch in meinem späteren Dorf Assinghausen wurde ich mit den Worten vorgestellt: "Das ist Kaufmanns Ulli seine"...
    Die heutige Wanderung auf den "Strüker Stein" (ein 6 m hoher Stein, erst seit 2007 "dank" Orkan Kyrill auch von weitem sichtbar) und ein Stückchen weiter die Fernsicht auf die "Bruchhauser Steine"(vier bis zu 92 m hohe aus der Landschaft herausragende Felsen mit einer Geschichte bis in die Jungsteinzeit) genießen Lisa und ich trotz gaaaaanz viel Gequatsche total. Es ist schon sehr sehr schön, in der alten Heimat zu sein,
    Und ich freue mich total auf den heutigen Abend, an dem ich all meine Mountainbike-Mädels wiedersehen werde, mit denen ich früher die hiesigen Wälder unsicher gemacht habe.
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  • Tag 36: Von Brilon nach Wickede

    15 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 24 °C

    Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn. Und zwei Hühner? Die finden ein grünes Portemonnaie in einer grünen Wiese... und meinen Fahrradhelm bei meiner Freundin Petra auf der Bank.
    Es ist gestern abend wohl doch zu spät geworden, aber es war einfach zu schön mit meinen "Asker" Mädels. Zwölf Frauen auf einem Haufen, die Nachbarn werden's nicht überhört haben... und die Ballonfahrer, die direkt über unseren Köpfen dahinglitten, bestimmt auch nicht.
    Auf jeden Fall wird es heute morgen etwas hektisch, als mich meine Freundin Karin bei Lisa abholt. Nein, nicht mit dem Fahrrad, mit dem Bulli geht's nach Brilon. In den kommenden 20 Minuten erhol ich mich noch ein bissl von der Nacht (brauch ich auch...) und werd dann von Karins Willi mit einem phantastischen Frühstück begrüßt, herrlich!
    Alles dabei? Dann kann's ja losgehen!...und mein Helm? ....liegt bei Lisa. Aber ich hab ja eine total liebe Freundin. Der Helm kommt nach Olsberg, zu meiner Freundin Petra. Also jetzt los..., nur noch mal kurz Karins Fahrrad abgestellt und da liegt es schon in der Wiese...wo war noch mal das grüne Portemonnaie?
    Endlich haben wir es geschafft und dann ein seltsames Grunzen. Kurze Zeit später lange Hälse, die sich uns neugierig entgegen recken. Kaum zu glauben, eine ganze Schar Emus mitten im Sauerland! Ist schon echt schön, diese großen flugunfähigen Vögel, die eigentlich in Australien beheimatet sind, ein bissl zu beobachten. Sie scheinen sich auch zwischen Fichten und Raps wohlzufühlen.
    Schnell sind wir dann auf dem Ruhrtalradweg, der uns mal schön direkt am Fluss, häufig aber eher nicht so schön an der Straße entlang in Richtung Ruhrgebiet führt.
    Nicht nur im Ruhrgebiet, auch im Sauerland ist die Geschichte der der Ruhr eng mit Industrieanlagen verbunden, die über Jahrzehnte die Ruhr verschmutzten. Weiße schaumige Flocken aus den Zellstoffwerken, braune Brühe von den Feldern...wie schön ist es da, dass jetzt immer mehr kleine und größere Ruheräume für Tiere und Pflanzen geschaffen werden und das Wasser so klar ist, dass wir kleine und große Fische beobachten können.
    Apropos Pflanzen. Man sollte sie wohl mal probiert haben, die Wildshauser "Holzwurst". Sie muss eine Delikatesse gewesen sein! Ein bisschen pürierter Schimmelpilz der Sorte Oidium Laktis verfeinert mit ein paar Gewürzen und die Spezialität aus dem Sauerland fand in den späten 40er Jahren ihren Weg bis nach Süddeutschland.
    Warum sollte man sich bei dem so schönen Wetter nicht auch in die Fluten stürzen? Überall sehen wir beim Vorbeifahren kleine und große Schwimmer, Kajaks und Boote in den klaren Fluten. Ein richtiger Sommertag, den wir quasselnd und ständig lachend in Wickede beenden.
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  • Tag 37/38: Wickede-Dortmund und Zuhause

    17 Mei 2022, Jerman ⋅ ☁️ 20 °C

    Ein so schönes und gleichzeitig ein so seltsames Gefühl. Ich komme von Wickede nach Hause und bin gleichzeitig immer noch auf Reisen. Ich freue mich riesig bei meinem Helmi zu sein und - oh Überraschung! - meine Dortmunder Freunde zu sehen! Dennoch möchte ich nicht bleiben - obwohl es ein so wunderschönes Zuhause ist und ich so liebevoll empfangen werde. Meine Reise ist noch nicht fertig, alles in mir drängt danach, dieses wunderbare Erlebnis zu Ende zu bringen.
    Und so werde ich mich bereits morgen wieder auf meine Minna schwingen (irgendwann war der Name da) und weiterradeln. Babsi und Ulla kommen bis Köln mit - wie schön, weiterhin von lieben Freundinnen begleitet zu werden!
    Gewitter! Als Karin und ich gestern auf den Regenradar blicken, gibt's nur eine Entscheidung. Möglichst schnell und ohne Umwege nach Dortmund, dann schaffen wir es vielleicht im Trockenen. Natürlich vergessen wir das mit der Eile, als wir dann auf dem Sattel sitzen. Es gibt immer noch sooooo viel zu bequatschen (da fährt man halt langsamer und bleibt auch mal stehen..) und von den Anhöhen oberhalb des Ruhrtals hat man die ersten wirklich schönen Ausblicke auf Dortmund, die auch unbedingt beschrieben werden müssen... Das Wasserschloss in Aplerbeck mit einer friedlich grasenden Nilgans-Familie, die so idyllisch dahinfließende renaturierte Emscher (ehemals zu einer "Abwasser-Kloake" verkommen), der wunderbar angelegte Phoenix-See mit dem angrenzenden Naherholungsgebiet (als "Phoenix aus der Asche" aus einem ehemaligen gigantischen Stahlwerksgelände geschaffen), das in dieser Landschaft etwas skurril anmutende ehemalige Hochofenwerk Phoenix-West mit seinem Skywalk und natürlich der Blick auf "unser" Stadion, alles Stationen, die man nicht auslassen kann.
    "Susi!", schallt es da plötzlich und meine frühere Arbeitskollegin Tiffi radelt auf uns zu. Lachen, drücken, ein bisschen erzählen und wir radeln die nächsten Kilometer gemeinsam.
    In unserem Garten (immer noch bei herrlichstem Sonnenschein) gehen dann bei einem gigantischen Erdbeerkuchen zwei wundervolle Tage mit Karin zu Ende, die per Bahn wieder sicher nach Brilon zurückkehrt.
    Dann darf es losgehen, mit dem Gewitter. Und das lässt es sich auch nicht zweimal sagen. Wassermassen, Blitz, Donner, alles was dazu gehört...aber brav nur so lange, bis meine Dortmunder Freunde kommen. Und sie kommen alle, das ist so superschön! Bei Bratwurst und Brötchen wird's ein toller Abend!
    Und heute? Ein toller, wunderbarer Tag mit meinem Helmi....
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  • Tag 39: Von Dortmund nach Ratingen

    18 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 25 °C

    Das Ruhrgebiet. In ihm wohnen rd. 5 Millionen Menschen, zählt man auch noch die Rheinschiene dazu (für mich Norddeutsche gehören Düsseldorf und Köln sowieso zum Ruhrgebiet..) kommt man auf rd. 10 Millionen! Auch wenn die Stadtgrenzen oft nur anhand des Ortsschildes zu erkennen sind, so ist man hier dennoch sehr stolz auf seine Herkunft und besteht auch darauf. Man kommt zwar aus dem "Pott", aber immer noch aus Bochum, Wattenscheid, Gelsenkirchen oder eben Dortmund. Man nimmt hier kein Blatt vor den Mund...hart aber herzlich! Wunderbar! Man weiß einfach immer, woran man ist. Mit einer großen Offenheit, oft mit einem kumpelhaften "du", werden hier Fremde begrüßt und schnell und ehrlich in die Gemeinschaft aufgenommen. Man kann sich hier nur wohlfühlen (ich auf jeden Fall!)..und mit der schönen Landschaft kann ja noch werden..
    Der Bergbau, die Zechen, die Kokereien, die Stahlindustrie, alle mit ihren weit sichtbaren qualmenden und brennenden Schloten, prägten über Jahrhunderte die Region. Heute muss man ins Museum (unbedingt ins UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein in Essen), um die alte Zeit zu erleben. Eine verdammt harte Zeit, oft eine Gefahrengemeinschaft, die die Menschen hier prägte. Man musste miteinander, also konnte man es auch. Und das ist halt bis heute geblieben.
    Nicht eine Zeche ist mehr in Betrieb, die Abraumhalden werden nach und nach begrünt und mit zum Teil futuristisch anmutenden begehbaren Skulpturen versehen, die großen und kleinen Flüsse entgiftet und renaturiert. Eine Region im Wandel, den es in solch einer einschneidenden Form Anfang des 19. Jhd. wohl schon einmal gegeben hat. Wie im Münsterland oder am Niederrhein soll es hier ausgesehen haben...Duisburg und Dortmund als größte Städte hatten wohl nur rd. 5.000 Einwohner. Mit der Industriealisierung und der kommerziellen Erschließung des Bergbaus war es dann mit der Idylle vorbei. Das Ruhrgebiet als Lieferant von Kohle und Stahl, ein Garant für Arbeitsplätze. Innerhalb von wenigen Jahren explodierte die Bevölkerungszahl...leider war es auch mit der guten Luft vorbei.. Von der Wäsche, die frisch gewaschen nach draußen gehängt und grau gefärbt wieder reingeholt wurde, wissen die Alten noch zu erzählen.
    Ulla, Babsi und ich verlassen Dortmund über den Radweg "Rheinischer Esel", die ehemalige Bahnstrecke zwischen Dortmund und Bochum. Zechen mit den wunderbaren Namen "Gottessegen", "Ringeltaube" oder "Nachtigall" wurden damals beliefert, aber die Marktfrauen gaben der Bahnstrecke ihren Namen. Wie bepackte Esel trugen sie wohl ihre Waren mit sich....
    In Witten dann der Wechsel auf den Ruhrradweg, der uns die nächsten 50 km begleitet. Und wie schön ist er heute! Kaum zu glauben, dass wir mitten durch das Ruhrgebiet fahren. Nur grün um uns herum, wunderbare Auen, überall kleine und große Vögel, herrliche Gerüche der in voller Pracht stehendend Blüten und sogar Seerosen können wir bewundern.
    Plötzlich kommen wir nicht mehr weiter. Große Augen blicken uns an und weichen keinen Schritt zur Seite. Und wirklich Mut haben wir auch nicht...was also machen? Wir warten einfach mal und beobachten so halb relaxt ein Schlauchboot mit Managern zwecks Teambilding. Sie kämpfen sich durch...und wir auch. Allerdings mithilfe eines mutigen Radfahrers. Er klopft der "Liesel" auf den Hintern..und die Rinderherde lässt uns tatsächlich durch.
    Die so vielen Küken der Kandagänse interessieren sich an unserer Weiterfahrt auch nicht so recht, und so bleibt uns manches Mal nur ein Schlenker oder eine Vollbremsung, um sie nicht über den Haufen zu fahren. Ich find es total faszinierend und wunderschön, dieses besondere Naturerlebnis mitten im sonst so verschmähten Ruhrpott erleben zu könnnen.
    Und die Ruhr bietet noch so viel mehr. Der Hengsteysee, der Kemnader See, der Kettwiger See, alles Stauseen, die die Wasserversorgung des Ruhrgebiets sicherstellen sollen, sind auch riesige Freizeit- und Erholungszentren. Segeln, rudern, angeln, schwimmen, faulenzen, sich lieben..., alles erleben wir.
    Nur eins erleben wir nicht. Geöffnete Biergärten. 40 Kilometer mit "heute geschlossen", "heute Ruhetag", "wegen Renovierung geschlossen", "ab 15 Uhr geöffnet"... es ist zum Verzweifeln. und als es dann endlich soweit ist, gibt's nur noch zwei Stückchen Kuchen vom vergangenen Wochenende. Aber egal, die Rhabarberschorle schmeckt und natürlich kommt danach ein geöffneter Biergarten nach dem anderen...
    Und in Ratingen, unserer heutigen Station, krönt das "Alt" einen wunderschönen Tag (es ist schon wichtig zu wissen, dass man irgendwann den Bierdeckel auf das leere Glas legen muss, sonst bringt der Kellner unaufgefordert einfach das nächste...)
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  • Tag 40: Von Ratingen nach Köln

    19 Mei 2022, Jerman ⋅ ☁️ 27 °C

    Auch wenn ich genau hingeguckt hab, aber "platte Daumen" hab ich auf dem so schönen Ratinger Marktplatz mit seinem Markttrubel bei keinem der "Dumeklemmer" entdeckt. Dabei sollen sie sie haben, denn immerhin haben sie wohl mal dem heiligen Suitbertus den Daumen im Stadttor eingeklemmt, als dieser den damals heidnischen Bürgern das Christentum bringen wollte. Verflucht hat er sie und fortan wurden alle Kinder (so sagt es zumindest die Sage) mit platten Daumen geboren. Und so kommt man dann zu seinem Spitznamen, übersetzt "Daumenklemmer", den man trotz der Jahrhunderte, die mittlerweile vergangen sind, nicht mehr los wird...die Ratinger halt.
    Nur wenige Kilometer, dann sind wir schon an der Rheinpromenade in Düsseldorf. Kindergärten, Schulausflüge, Jogger, schwangere und nicht schwangere Mütter, Geschäftsleute in der Pause, Arbeiter, Schicki-Mickis....ein Potpourri der Berufe, Nationen, Interessen, die sich hier tummeln. Und mittendrin der Rhein, der ruhig und gemächlich dahinfließt.
    Ein kurzer Abstecher in die Altstadt (leider nicht zu meinem Töchterchen Sophie, die grad Malle genießt ) und zum Medienhafen mit seinen teils futuristisch anmutenden Gebäuden und dann wir sind endlich wieder in der Schönheit und Stille der Natur. Kilometerlang. Der Rheinradweg, immer den Rheinschleifen folgend, ist wunderschön angelegt. Kaum durch Ortschaften, keine großen Straßen...nur durch die Auwälder und Feuchtwiesen des größten Naturschutzgebiets Düsseldorfs, häufig mit Blick auf den hier so breiten Strom.
    Ein seltsamer Garten, an dem wir dann plötzlich vorbeifahren. Riesengroß, sehr sehr unterschiedlich gestaltet und mittendrin hier und dort ein "Hackeweibchen" oder ein emsiger muskulöser Kerl mit Spaten in der Hand. "Urban Gardening" für die, die keinen Garten vor der Haustür haben. Städtischer Grund für alle, die Spaß am Gärtnern und am Ernten der eigenen Saat haben. Eine tolle Idee, die immer mehr Freunde findet. Und viel schöner als die riesigen Spargelfelder und großflächigen kommerziellen Gärtnereibetriebe, an denen wir kurze Zeit später vorbeiradeln.
    Kurz hinter Benrath dann mit der Fähre rüber nach Zons, das "Rothenburg des Rheinlands"...für uns aber leider nicht. Über uns ziehen sich drohend immer mehr Gewitterwolken zusammen, so dass lediglich ne Rhabarber-Schorle im so schönen "Alten Fährhaus" drin ist. Das mittelalterliche Städtchen, die Befestigungsanlage aus dem 14. Jhd. und die 600 Jahre alte Windmühle werden auf unsre Bucket-Liste geschrieben...
    Die Bayer-Werke in Dormagen und Leverkusen, die Ford-Werke in Köln...immer im Nacken die sich zu dunklen drohenden Wolkengebilden aufbäumende Gewitterfront. Ein faszinierendes Lichtspiel zwischen Sonne und drohendem Starkregen über dem Kölner Dom und unsere Wege trennen sich. Schnell, schnell umarmt und verabschiedet und ich sprinte (soweit ich die Kraft noch dazu habe) los. Es könnte ja noch klappen...
    In meinen Schuhen steht das Wasser, die Radsachen triefen, aber mein Sohnemann Marius nimmt mich trotzdem liebevoll zur Begrüßung in die Arme. Mit seiner Teresa und ihren Freunden wird es noch ein total schöner Abend im "Früh". Heute gibt's also Kölsch, aber die Regel mit dem Bierdeckel bleibt die gleiche....
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  • Tag 41: Köln

    20 Mei 2022, Jerman ⋅ ☁️ 25 °C

    Ein nackter sorgfältig eingeölter Körper, noch einmal überprüft ob alles sitzt... und man ist bereit. Bereit für die Olympischen Spiele und seine Konkurrenten aus dem gesamten griechischen Reich. Sei es beim Diskuswerfen (bis zu 7 kg schwer soll so ein Diskus gewesen sein) oder Hundertmeterlauf... Körperhüllen waren "out". Man wollte doch zeigen, wie schön der durchtrainierte nackte Körper ist. Die Rutenschläge für einen Fehlstart dürften entsprechend "einfühlsam" gewesen sein. So tauche ich heute bei Sturm und Starkregen im Deutschen Sport- und Olympiamuseum in die Geschichte der Olympischen Spiele ein. Leider ist es das dann auch schon fast mit den fesselnden Infos, vielleicht noch das erste Leichtathletik-Trikot der Frauen, ansonsten wäre ein "pimp your museum" schon echt angebracht..
    Also schnell zurück ins Leben.
    Römer, Dom, Altstadt, Karneval, Kardinal Wölki,Christopher-Street-Day, Sporthochschule, Multi-Kulti, Kneipenszene, Kölsch, FC Kölle, die Höhner, eine der teuersten Städte Deutschlands.....und, und, und...all das verbindet man mit der heimlichen Hauptstadt NRW's.
    CCAA oder auch "Colonia Claudia Ara Agrippinensium" (heute sagt man glücklicherweise nur noch Köln) war der Name, den sich im Jahr 50 nach Christus Agrippina, die Ehefrau des damaligen römischen Kaisers Claudius, als Namen für die neu ernannnte "römische Kolonie" gewünscht haben soll. Ein für damalige Zeit riesiges Straßennetz, die ersten gemauerten Häuser und Villen, Thermen (für jeden Bürger und auch Sklaven kostenlos).... und Wasserleitungen wurden gebaut. Mit Holzrohren (98 Kilometer lang!) sollen jeden Tag 20 Millionen Liter frisches Quellwasser aus der Eifel herbeigeschafft und in den Haushalten verteilt worden sein. Und das Schmutzwasser? Durch Gullys in unterirdische Kanäle und von dort ab in den Rhein.
    Menschen aus allen Gegenden des römischen Reiches wurden von der neuen Stadt angezogen und sie brachten neben dem Wissen über Architektur und Medizin ihre Speisen und Getränke mit. So soll es bald alles gegeben haben: Getreide, Fleisch und Früchte von den örtlichen und weit entfernten Bauernhöfen, kostbare Stoffe aus Asien, Marmor vom Mittelmeer, Oliven aus Spanien, Wein aus Griechenland.... der Rhein machte es möglich
    Und nach den Römern? Das dunkle Mittelalter. Die Allmacht der katholischen Kirche, durch die Straßen fließende Abwässer, Bad- und Körperhygiene verpönt, zu essen nur das Wenige, was die durch irgendwelche Kriege zerstörten Felder noch hergaben, Krankheit, Siechtum, Hexenverbrennungen...
    Zum Glück sind diese schlimmen Zeiten vorbei, aber als ich so durch die Stadt schlendere sind die vielen Obdachlosen, Drogensüchtigen, Alkoholkranken und der so häufig achtlos weggeworfene Müll leider nicht zu übersehen. Auch so mancher Hundebesitzer scheint mitten in der Fußgängerzone sein "Beutelchen" vergessen zu haben,..
    Schade, denn es gibt so wunderbare Ecken. Die Rheinterrassen, die wunderschönen Gassen und typischen Häuschen der Altstadt, die so gut besuchten Brauhäuser von Früh, Reissdorf, Mühlen, Gilden, Zion ...mit den stets ruppig bedienenden "Köbes" , die kulturelle Vielfalt der Menschen, die Genüsse aus aller Welt , die großen und kleinen Kulturereignisse...das römische Colonia im neuen Gewand.. All dies lässt die Stadt auf eine ganz besondere Art pulsieren. Eine Stadt für junge Menschen, eine Stadt, die einem erlaubt, das zu sein, was man ist oder sein möchte.
    Noch ein kurzer Abstecher zum Dom und ich genieße in einem kleinen Straßencafé das pure Leben....Viva Colonia!
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  • Tag 42: Von Köln nach Bad Honnef

    21 Mei 2022, Jerman ⋅ ☁️ 17 °C

    "Hexen! Hexen, die dort am Rheinstrand einen magischen Kreis bauen"...so dürfte heute vormittag so manch ein Spaziergänger auf der Kölner Rheinpromenade gedacht haben. Und ich mittendrin. Magisch angezogen von der Kölner Kunsttherapeutin, Federkreis- und Objektkünstlerin Susanne Müller-Geiger.
    Kaum bin ich bei Teresa und Marius gestartet, fällt es mir ein. Das gemeinsame Foto! Gekocht, gelacht, erzählt, eine richtig schöne Zeit miteinander verbracht...aber an ein Foto denkt keiner von uns. Sehr schade.
    Aber von dem so schönen Sandstrand mit dem in der vergangenen Sturmnacht angetriebenen Strandgut will ich dann doch ein Foto machen. Fahrrad abgestellt, Schuhe aus und ein Gefühl von Urlaub am Meer stellt sich ein. Der warme feinkörnige Sand, das leicht kühle Wasser, die klare Luft - alles nur wenige Kilometer von der Kölner Innenstadt entfernt, ich genieße ...und bemerke einige Frauen, die anders sind, die ihre ganze Aufmerksamkeit einer äußerst interessanten Frau schenken. Neugierig nähere ich mich der Gruppe und werde spontan eingeladen.
    So bin ich plötzlich die Fünfte im Bunde beim Mandala-Workshop am Rheinstrand. Vorgaben gibt es nicht, wir sollen einfach uns und unsere Kreativität einbringen. Steine, Federn, Muscheln, Gräser...alles darf verwandt werden und langsam, langsam entsteht unter sanfter Anleitung von Susanne ein kleines Kunstwerk. Wir suchen, schleppen heran, diskutieren, gestalten und fast nebenbei sind wir nicht mehr die Fremden, die sich kaum oder gar nicht kannten. Fast freundschaflich trennen sich nach über zwei Stunden unsere Wege. Ein ganz besonderes Erlebnis mit ganz besonderen Frauen, die völlig unkonventionell ihre Ideen und Vorstellungen leben. Mutig und stark sind sie!
    Noch ganz eingenommen von der besonderen Atmosphäre meiner Begegnung radel ich dahin und gerate fast in eine Art Trance. Die rhythmische Bewegung der Beine, das immer gleich bleibende Tempo, kein störender Wind, der ruhig dahinfließende Rhein, die sanft dahingleitenden Schiffe, die immer wieder hinter den Wolken hervorkommende Sonne....mit geht's einfach verdammt gut.
    Das Gefühl lass ich mir auch nicht von unserer völlig menschenüberfüllten ehemaligen Bundeshauptstadt nehmen. Einmal kurz auf den Bonner Marktplatz geblickt und ich mache kehrt. Das kann ich heute nicht, mag es kulturell auch sonstwie interessant sein.
    Da genieße ich doch lieber den Blick auf die andere Rheinseite, auf den Petersberg mit dem ehemaligen Gästehaus der Bundesregierung und den Drachenfels!
    Schnell mit der Fähre übersetzen und ich stehe in Königswinter vor der ältesten in Betrieb befindlichen Zahnradbahn Deutschlands. Abenteuerlich ruckelnd und ein wenig antik miefend geht's dann an den Ort, wo Siegfried den Drachen erschlagen und in seinem Blut gebadet haben soll. Ob ich fast auf den Schwanz eines Nachkommen dieses Ungeheuers trete, kann ich nicht sagen, aber als Fotomotiv stellt sich mir die Echse zumindest dankbar zur Verfügung.
    Was ist das für ein phantastischer Blick über das Rheintal, der sich von dem Felsen bietet. Kilometerweite Sicht über das Siebengebirge, die Eifel, sogar der Kölner Dom ist in der Ferne noch erkennbar.... ein Ort zum Innehalten und Genießen (trotz der vielen Menschen, es verläuft sich hier irgendwie). Man kann so sehr nachvollziehen, dass sich Maler, Dichter, Denker von diesem besonderen Ort immer wieder angezogen fühlten und ihn über die Jahrhunderte in Bildern, Gedichten und Geschichten festhielten.
    Weiter geht's und ...der Radweg ist gesperrt. Kein Problem, denk ich mir, man darf ja auf dem Fußweg weiterfahren, zumindest sagt dies ein großes Schild. Mein Tempo, alles gut, und plötzlich von links ein Gefährt, was direkt vor mir an mir vorbeischießt. Beide sind wir erschrocken, der rasende E-Rollstuhlfahrer entschuldigt sich und eigentlich ist alles schon erledigt, als sich seine Frau als schreiende, wütende, Schrecken verbreitende Furie auf mich stürzt. Mit beiden Händen hält sie meine Arme fest und beschimpft mich als "hirnlose blöde Kuh". Ich hätte auf dem Fußgängerweg nichts zu suchen. Mein vorsichtiger Hinweis, dass der Radweg gesperrt sei, verhallt in ihrer Schimpftirade. So bleibt mir nur, die "Dame" abzuschütteln und schnell das Weite zu suchen. Ihr armer Mann!
    Hexen, Drachen, Furien... ein bewegter Tag, der seinen würdigen Ausklang im Unkeler Biergarten direkt am Rhein findet.
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  • Tag 43: Von Bad Honnef nach Boppard

    22 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 21 °C

    Was ich gestern noch vom Rheinradweg geschwärmt habe, so enttäuscht bin ich heute. Ich habe zwar meistens Sicht auf den 1.232,7 km langen Strom, aber viel zu oft über Bahngleise oder Bundesstraßen hinweg.
    Noch viel mehr nerven mich aber die vielen Radfahrer und Fußgänger, ein zähfließender Verkehr wie auf der Autobahn....und zusätzlich noch Kinder, Bälle, Hunde, die plötzlich vor dir sind..ich überlege ernsthaft, demnächst Sonntags meine Ruhetage einzulegen.
    Vielleicht trägt all dies auch dazu bei, dass ich nicht so recht Lust habe, irgendwo länger innezuhalten.
    Dabei ist so manches dann doch sehenswert. Unkel und Linz zum Beispiel, zwei kleine idyllische Fachwerk-Örtchen. Aber auch die Überreste der Brücke von Remagen, die eigentlich Ludendorff-Brücke heißt. Am 7. März 1945 überschritten die Amerikaner die Brücke und viele Historiker sind sich wohl einig, dass dies das Ende des 2. Weltkriegs beschleunigt haben soll. Tausende von Menschen wurden wohl vor weiteren Bombenangriffen auf Städte und Dörfer bewahrt. Vielleicht mag dies auch ein Grund dafür sein, dass so viele der Ortschaften, die ich heute noch passiere, von wunderschönen Altbauten geprägt sind.
    Dann die ersten Weinhänge! Und mit ihnen Burgruinen, kleine und große Schlösser (die wohl oft reichen Winzern gehören sollen), irgendwie an den Berg geklebt....
    Und noch mehr Geschichte. In Rheinbrohl treffe ich auf einen alten Wachturm und damit auf den Beginn des von den Römern erbauten Limes. Bis nach Regensburg soll er gereicht haben...
    Nach einer Pause in einer herrlichen Strandbar erreiche ich das "Deutsche Eck" (erhielt seinen Namen von den dort ehemals lebenden "Rittern des Deutschen Ordens") in Koblenz . Da ich rechtsrheinisch fahre, ist der Zusammenfluss von Mosel und Rhein nicht zu übersehen ...und auch nicht der überdimensionierte Kaiser Wilhelm I., der darüber wachend auf seinem Pferd sitzt. Das Standbild wurde ihm post mortem als Ehrbezeugung zur "vollendeten Einigung Deutschlands" erbaut. Ein Relikt alter Heldenverehrungen...
    Noch ein kurzer Blick auf die auf schroffen Felshängen erbaute Festung Ehrenbreitstein (eine preußische Befestigungsanlage aus dem 16. Jhd.) und ich begebe mich wieder unter die vielen Sonntagsausflügler und mit ihnen zur Lahnmündung mit Burg Lahneck und dem weißen Schloss Stolzenfels.
    In Boppard ist dann heute Schluss und die echt italienische Pizza mit Blick auf den Rhein lässt mich mit dem Tag ein wenig Frieden schließen.
    Wie gut, dass mein Gasthof etwas außerhalb liegt, und so "genieße" ich bei gefühlten 40 Grad in meinem Dachzimmer die Ruhe des Abends...
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  • Tag 44: Von Boppard nach Rüdesheim

    23 Mei 2022, Jerman ⋅ 🌧 23 °C

    Jetzt bin ich in der Weinseligkeit angekommen. Rüdesheim am Rhein, die Stadt im Rheingau, die Stadt des Rieslings. Dank meiner Zimmerwirtin lande ich nicht in der Drosselgasse (Weinlokal an Weinlokal in einer zwei Meter breiten und 144 m langen Kopfsteinpflaststraße mit jährlich angeblich drei Millionen Besuchern) sondern in der Strausswirtschaft der Familie Philipp eine Straße weiter. Sooo schön ist es hier. Ich habe die Wahl zwischen Limburger Käs mit Musik, Spundekäs, Käsescheiterhaufen oder "Grüne Soße" mit Ei und Kartoffeln (für die ich mich entscheide) und lausche den Erzählungen der Wirtin. Mindestens 75 % der Weinanbaufläche des Rheingaus gehören demnach dem Riesling. Die verschiedenen Böden der Weinberge (Kiesel, Quarzit, Mergelböden, Löss, Schiefer und Sandstein) in Kombination mit den warmen Sommern und den milden Wintern lassen einen hervorragenden Wein entstehen... was ich nur bestätigen kann (ich bestelle gleich 24 Flaschen...).
    Kaiser Karl dem Großen muss man wohl danken, dass es die "Straussen" überhaupt gibt. Er soll den Winzern einen Ausschank direkt ab Hof erlaubt haben, ein Geschäft, was die Winzer gerne mitnahmen. War kein Platz da, räumte man Wohnzimmer oder auch Schlafzimmer frei, stellte ein paar Bänke auf, und schon war jedem geholfen. Und "schnöggelig" war man auch nicht. Es gab nur einen Riesling...im Keller in 3-Liter Krüge abgefüllt und reihum ausgeschenkt. Erst in den 60er Jahren sei dann das Essen hinzugekommen.
    Und wie wir Deutschen so sind, kamen auch die Regeln. So darf in Hessen eine "Strausse" nur vier Monate aufmachen (in anderen Bundesländern ähnlich)...man soll ja nicht Konkurrenz zur örtlichen Gastronomie mit Schnitzel und Pommes, Rouladen mit Rotkohl werden...
    Je später der Nachmittag um so mehr Gäste... und so sitze ich schnell nicht mehr alleine. Wieder sind es interessante Frauen, die ich kennenlerne - alles Einheimische. Eine Gymnasiallehrerin für Deutsch und katholische Religion, die begeistert von Waldpädagogik erzählt, eine Witwe, die bereits seit vielen Jahren alleine die Welt bereist (Länder wie Myanmar, Usbekistan, Niger...) oder eine Erzieherin, die nach 30 Jahren Luxemburg wieder in ihre Heimat zurückgekehrt ist...spannend, ihren Erzählungen zu lauschen.
    Schon der heutige Morgen fängt interessant an. Meine jungen Wirte kommen aus Moldavien und haben erst vor einem Jahr das etwas heruntergekommene Hotel in Filsen (bei Boppard) gekauft. Ich bewundere so sehr ihren Idealismus und ihren Glauben daran, dass sie etwas erreichen werden....Und wenn nächstes Jahr ihre Töchter kommen, dann wird alles gut....Was ihnen auf jeden Fall gelingt, ist ein phantastisches Frühstück und ich starte wider Erwarten trocken (eigentlich soll es in Strömen regnen) in Richtung Fähre, die ich gerade noch so erreiche...
    Fortan geht es durch das UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal. Die Strecke zwischen Koblenz und Mainz gilt als das schönste Stück des gesamten Rheins zwischen Alpen und Nordsee. Und es ist wirklich schön hier zu radeln. Straße und Bahn sind nicht mehr zwischen mir und dem Rhein sondern rechts daneben, die Landschaft wirkt rau und wild und die Weinorte sind wunderschön. In Bad Salzig bewundere ich die größte freihängende Kuckucksuhr der Welt (warum hängt die eigentlich nicht im Schwarzwald?), in St. Goar das Loreley-Haus (in ihm soll einst die "Lurlei" ihre Jugendjahre verbracht haben) und in Boppard die wunderschönen alten Fachwerkhäuser. Aber die schönsten Ausblicke sind immer wieder auf den Rhein und die teils enorm hohen Felsen mit gefühlt unendlich vielen Burgen (ca. 30 sollen es sein). Der berühmteste ist wohl der Loreley-Felsen, auf dem sich die schöne Nixe Loreley ihr langes Haar mit einem goldenen Kamm gekämmt und dabei betörend gesungen haben soll. Der Lockruf ihres Liedes soll für alle tödlich geendet haben...
    Und noch jemand soll grausam den Tod gefunden haben..., Hatto, der Erzbischof von Mainz. Dieser soll zur Strafe für seine Grausamkeit von Mäusen im Binger Mäuseturm bei lebendigem Leib verschlungen worden sein...den Turm im Rhein sieht man noch heute...
    Eine weitere grausame Begegnung könnte ich haben, erspare ich mir aber (zumindest in meiner Welt), den Rüdesheimer Kaffee. Eine Mischung aus Kaffee, 4 cl Asbach Uralt, 3 Würfelzucker, Sahne und Schokoladenraspeln, das Ganze flambiert...
    Da bleibe ich doch lieber beim Riesling...
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  • Tag 45: Von Rüdesheim nach Wiesbaden

    24 Mei 2022, Jerman ⋅ ☁️ 20 °C

    Blutwurz, Wasserschläuche, Sumpfschwertlilien, Eichenprozessionsspinner, Kanadagänse mit ihrer Jungschar..das erste soll bei Durchfall helfen, beim nächsten bekommt man nasse Füsse und die dritten sollte man nicht anfassen....alles begegnet mir in den so breit ausladenden Rheinauen in Richtung Wiesbaden.
    Mit leichtem Rückenwind, einem Wechselspiel zwischen Sonne und Wolken, kühler frischer Luft nach dem nächtlichen Regen und einer fast menschenleeren Einsamkeit, die ich immer mehr zu schätzen weiß, gleite ich dahin. Fasziniert und auch betroffen betrachte ich die mit Moos überwachsenen Brückenreste der Hindenburgbrücke, einer ehemaligen Eisenbahnbrücke bei Rüdesheim, die in den letzten Kriegstagen von den Deutschen gesprengt wurde (im 1. Weltkrieg gebaut, diente sie wohl ausschließlich dem Nachschub der deutschen Truppen an der Westfront). Für den Krieg gebaut, vom Krieg zerstört...
    Zum Glück gut erhalten ist der Oestricher Kran aus dem Jahr 1744, ein Hebe- und Verladekran für die Weinkisten und -fässer, die ihren Weg in die Welt finden sollten. Der Kranmeister kassierte das "Krangeld" und überwachte die Arbeiten...für die Jungs in den im inneren des Krans befindlichen Laufrädern war es verdammt harte und gefährliche Arbeit. Ein bis zwei "Kranknechte" pro Laufrad. Rutschte einer aus, war es meist mit beiden vorbei, da die schwere Last beim Hochziehen nicht arretiert werden konnte. Die Laufräder wirbelten durcheinander und man hatte keine Chance, ihnen zu entkommen.
    Ich kann bei meiner Weiterfahrt den wunderbaren Gerüchen der in voller Blüte stehenden Rosenbeete der kurfürstlichen Burg Eltville (ein Teil der Stadtbefestigung aus dem 14. Jhd.) nicht entkommen. Gerne halte ich inne und genieße den Blick auf den Rhein.
    Durch das kleine Weinörtchen Walluf und den so idyllisch angelegten Schiersteiner Hafen erreiche ich das Schloss Biebrich. Das so beeindruckende Barockschloss mit seinem so schönen Schlossgarten (bis 1934 im Besitz des Nassauer Herzogs, dann Verkauf an den Staat Preußen) beendet meine Reise am Rhein.
    "Väterchen Rhein", immer wieder ein Schauplatz von Mythen und Legenden. Am bekanntesten wohl das Nibelungenlied (um 880 AC von einem unbekannten Dichter erschaffen) mit dem sagenumwobenen Schatz der Nibelungen, den Hagen irgendwo "an einem dunklen Ort" im Rhein versenkt haben soll...
    Der so bedeutende Strom entspringt in Graubünden in der Schweiz und mündet nach rd. 1.230 km in den Niederlanden in die Nordsee. Ein Strom, der für so viele Menschen Leben, Arbeit und Freizeitgenuss bedeutet. Viele Städte entnehmen ihm Wasser zur Trinkwassergewinnung, der Weinanbau an den Rheinhängen, Strom durch Wasserkraftwerke, Kühlwasser für die Dampfkraftwerke am Oberrhein, die meist stillgelegten Kernkraftwerke und die Rheinschiffart mit den Ausflugsschiffen und Transportkähnen. Er ist eine "Bundeswasserstraße", eine der wichtigsten Binnen-Wasserverkehrswege weltweit. Rund 1.600 Schiffe fahren täglich auf ihm, eine Flotte, die auf ca. 6.900 Schiffe geschätzt wird. Rund 310 Mio. Tonnen werden jedes Jahr so transportiert. Sollte man allerdings einem "Schubleichter" in die Quere kommen, heißt es schnell sein, er hat einen Bremsweg von ca. einem Kilometer...
    Ach ja, Gold kann man hier übrigens auch finden! Den Sand des Rheins gerüttelt und geschüttelt und es werde Gold! Bis 1866 wurden daraus Flussgolddukaten geprägt. Falls man mal einen finden sollte: er ist erkennbar an der Umschrift "EX AURO RHENI"...
    Ich genieße meine "uralte" Heimat, die schöne Stadt Wiesbaden, in der ich beim BKA polizeilich das Laufen lernte. Es war schon sehr schön hier und die Stadt ist es auch geblieben. Die vielen alten hochherrschaftlichen Villen, die Wilhelmstraße (eine Prachtstraße mitten durch die Stadt), die schöne Altstadt...
    Heute abend, bei meiner so lieben Freundin Marina, werden wir bestimmt noch in vielen Erinnerungen schwelgen. Und wie schön, so manch eine/einer aus meiner alten "Klasse" ist auch mit dabei...
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  • Tag 46: Von Wiesbaden nach Frankfurt

    25 Mei 2022, Jerman ⋅ ⛅ 18 °C

    Die Jugendzeit mit all seinen Erlebnissen und Erprobungen, Irrungen und Wirrungen, der Suche nach Orientierung, den vielen menschlichen Begegnungen, dem zum ersten Mal auf eigenen Beinen stehen...... eine Herausforderung, die verbindet, die eine Gemeinschaft bildet, die man in dieser Form vermutlich nie wieder erlebt und vermutlich auch nie vergisst. Sei es in der Schule oder in der Ausbildung oder im Studium, es wächst eine Vertrautheit, die offenbar ein Leben lang hält und verbindet. So war es zumindest am gestrigen Abend. Teils seit Jahren nicht gesehen, sitzen wir (die ersten Fachhochschulstudenten des BKA) zu sechst auf Marinas Terrasse und es ist so, als sei unser letztes Treffen erst gestern gewesen. Es wird erzählt, geschwärmt, geblödelt und gelacht und die Zeit vergeht wie im Fluge. Schön, dass so spontan so viele gekommen sind. Ein wunderschöner Abend!
    Heute morgen werde ich von Marina noch einmal liebevoll bewirtet und ich verlasse mit vielen schönen Jugenderinnerungen und einem seligen Lächeln Wiesbaden.
    Noch mal kurz am Rhein entlang und ich erreiche gegenüber der Mainzer Altstadt die Mündung des Mains in den Rhein. Damit beginnt ein neuer Abschnitt meiner Reise. Der Main mit einer Länger von 527 km ist einer der wenigen Flüsse, der trotz vieler Schleifen und Kurven seine Fließrichtung von Ost nach West kaum verändert. Er war im 19. Jhd. die Grenze zwischen den Einflussphären der Großmächte Österreich und Preußen und bis heute gilt zumindest aus bayerischer Sicht die Meinung, dass die Mainlinie Deutschland in den nördlichen und südlichen Teil "spaltet". Alles nördlich vom Main ist Norddeutschland....
    Das Rhein-Main-Gebiet gilt verkehrsgeographisch als die Mitte Deutschlands und Europas.
    In Mainz-Kastel soll vor 2.000 Jahren eine von den Römern erbaute Brücke gestanden haben, von der absolut nichts mehr zu sehen ist. Nur der Ortsname erinnert noch an das alte Castell, das damals zum Schutz der Stadt Mainz (damals noch Mogontiacum) am Fuß der Brücke erbaut worden sein soll. Heute steht an gleicher Stelle eine vor 200 Jahren auf Eichenpfählen erbaute und super erhaltene Verteidigungsanlage (ein sog. "Reduit").
    Fast zart und zierlich wirkt der Main nach der langen Reise am so mächtigen Rhein auf mich. Ruhig und beschaulich fließt er ohne erkennbare Strömung dahin. Kaum zu glauben, dass hier die Flößerei bis ins 20. Jhd. eine so große Bedeutung hatte (die Flößer bündelten große Mengen von Baumstämmen und transportierten sie rheinabwärts bis nach Holland).
    Trotz dieser eigentlich so schönen Stimmung kann ich mich nicht so richtig darauf einlassen. Irgendwas ist mit mir, ich fühle mich schlecht, habe Kopfschmerzen, hab nicht so recht Kraft in den Beinen. Pause.
    Ein Biss in mein Käsebrötchen und plötzlich überfällt mich ein regelrechter Heißhunger. Ich stürze mich auf alles, was ich noch so dabei habe. Alte Kekse, Reste eines Müsliriegels... die Gier nach Zucker ist riesig. Also weiter in den nächsten Biergarten und erst als ich die Zuckerstückchen meines Kaffees langsam im Mund zergehen lasse, geht es mir endlich besser. So kann ich dann auch über die Legende des Schweinediebs aus Flörsheim nachdenken.
    Still und heimlich schlich sich der böse Bengel in den Stall eines Bauern und steckte sich ein Schwein in einen Sack, der so schwer war, dass er ihn kaum tragen konnte. Erschöpft von seiner Last ließ er sich an einer Mauer nieder, legte den Sack obendrauf, das Seil, das den Sack verschloss, um den Hals und schlief ein. Das Schwein aber zappelte und zappelte, fiel mitsamt Sack die Mauer hinab.....und so wird man dann von seinem eigenen Diebesgut erhängt....
    Der Weg bleibt wunderschön, selbst durch die Farbwerke in Frankfurt-Höchst mit seiner so imposanten Brückenkonstruktion. Was dann kommt, erinnert mich in vielem an den Ruhrtalradweg zwischen Dortmund und Essen. Man kann es nicht glauben, dass man sich mitten in der Mainmetropole Frankfunrt befindet, so schön verläuft der Weg. Herrlich blühende Holunder, große Wiesenflächen, immer am Main entlang, dann der Wechsel an das Flüsschen Nidda, in der einige Mutige sogar baden. Auf einem kleinen See ein Schwanenpaar, das sein Jungen ausführt...mein Unwohlsein von heute mittag ist völlig vergessen. Eine wunderbare Stille, die man in solch einer Stadt nicht zu finden glaubt.
    So erreiche ich Lea, ihren Marius und meinen kleinen süßen Lasse, bei denen ich bis Montag bleiben und bestimmt die gemeinsame Zeit genießen werde.
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