Backpacking China

August - September 2019
A 22-day adventure by Hulahula Read more
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  • Day 21

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    September 5, 2019 in Germany ⋅ ☁️ 0 °C

    Nachtflug, wie angenehm, wir haben tatsächlich geschlafen, mehr oder weniger. Der Anschluss in Amsterdam klappt super, noch eine gute Stunde im Flieger, übernächtigt, reiseversifft und still, mit lauter Schwarz gewandeten Business Leuten und wir sind wieder in München, das Gepäck rutscht bald komplett auf unseren Trolley. Der Parkservice bringt uns brav zum Parkplatz im Umland vom Flughafen und ich muss jetzt Autofahren, igitt, eine ganze Stunde noch und dann noch eine.
    Es ist Vormittag als ich die Kinder in ihrem
    Zuhause auslade. Ein harter Abschied. Nach drei so intensiven Wochen mit so viel Nähe. Es ist sehr still auf meinem Weg zu meinem Haus. Zeit für viele Gedanken.

    Wie wars jetzt eigentlich so? So in China, drei Wochen mit drei Kindern und auf eigene Faust?
    China ...also. Die Reise war bisher die nachhaltigste und beeindruckendste Reise, die ich unternommen habe. Die Erlebnisse, die Bilder, die Gefühle, auch nach Wochen ploppen die unglaublich intensiv klar und vollständig im Geiste auf. Das Gefühlspendel bewegt sich mit allen Zwischentönen in Extremen von fasziniert bis genervt, von glücklich bis frustriert, von mega entspannt bis gestresst. Ein Abenteuer.
    Eine Reise nach China beginnt schon mit den intensiven, umfänglichen und teilweise sehr nervigen Vorbereitungen, im Land selbst bleibt man konzentriert, es wird viel von individual Reisenden gefordert. Reisen in China ist sicher kein Urlaub, dennoch überwiegen eindeutig die guten Momente, der Aufwand und die Umstände lohnen sich unbedingt.
    Wenn wir von unserem Reisen in diesem Land erzählen, dann zuerst von den Restriktionen, der Reglementierung, der Überwachung, der Schikane, von der schwer erfassbaren Gesellschaft und dem ungewohnten Verhalten der Menschen, den unausweichlichen Massen. Das alles kennen wir Freiheit verwöhnte und selbstbestimmte Menschen nicht, umso mehr wiegt es in der Erinnerung und prägt die Eindrücke einer Chinareise wesentlich.
    Nach dem Luft holen kommt dann aber auch unmittelbar das, was mich noch viel tiefer berührt, diese unfassbar schönen Landschaften, die eigenwillligen und großartigen Städte, die Kultur, das leckere Essen, die überraschenden, regionalen Küchen, das angenehme Fortbewegen, das sich zu 100% erfüllende Klischée, die komplett unerwarteten Entdeckungen und Aussergewöhnlichkeiten, die kleinen, unzähligen Szenarios des Alltagslebens, diese ganz andere Welt.
    China ist so riesengroß und hat so unglaublich viele Facetten und wir haben nur einen Bruchteil davon gesehen. China ist überwältigend, beeindruckend und eine Lebenserfahrung.

    Mir kamen bei Gesprächen auch viele Vorbehalte zu einer Reise in dieses kommunistische Land mit seinem totalitären Regime zu Ohren, „ausgerechnet China...“
    Meine Meinung dazu ist, gerade deshalb auf eigene Faust zu den Menschen in diesen Ländern zu reisen, als Europäer mittendrin, im Alltag, teilnehmen, wahrnehmen, die Kultur und die Kunst wertschätzen, respektieren, Rucksack zeigen, da sein, eigenständig, zuhören, wenn es denn mal möglich ist. Und wenn die Reise dazu dient, am eigenen Leib zu erfahren, wie wichtig Freiheit ist, was es bedeutet selbstbestimmt und frei zu sein, in einer Demokratie zu leben, Privatsphäre zu haben, zu erfahren, was Überwachung und ständige Kontrolle bedeutet, wie sich die anfühlt und zu wissen, wie schnell man aus dem Raster fällt und staatlicher Willkür ausgesetzt sein kann. Was immer man für sich aus dieser Erfahrung macht, gerade deshalb auch China.
    Ich bin mir sicher, dass auch wir mit unseren Rucksäcken Eindrücke und Gedanken hinterlassen haben. Wer weiss, welchen Samen wir damit gesät haben und wozu das einmal gut sein wird.

    Und ja, ich würde wieder nach China reisen, jetzt weiss ich ja wie es geht.
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  • Day 20

    HimmlischerFrieden

    September 4, 2019 in China ⋅ ⛅ 0 °C

    Und heute, ja heute, ist ein großartiger Tag, ein Tag, an dem sich ein Kreis schließt, ihr kennt das Gefühl, wenn ihr das letzte Puzzleteil einsetzt, das Gefühl haben wir heute, himmlischer Frieden für unsere Reiseseelen.
    Ich weiss jetzt gar nicht, ob ich das vorher schon erzählt habe, nämlich, dass während der letzten zwei Wochen, die wir herumgetingelt sind, Jackie uns Tickets für die Verbotene Stadt online geschossen hat, jawohl, wir sind drin! Und er hat sie sogar vorfinanziert, richtig nett, und deshalb haben wir gestern das Angenehme auch mit dem Nützlichen verbunden und ihm die Eintrittsgelder plus dicken Tip übergeben.
    Übrigens heisst der Kaiserpalast offiziell Palastmuseum, soll ja schließlich keine romantische Sehnsucht nach den alten Zeiten und ihren Herrschern geweckt werden.

    Aber erstmal muss der Tag leider mit Ärger beginnen. Und der geht so: Ich stehe eine Stunde vor den Kindern auf, um unsere Flüge für Heute Nacht einzuchecken. Obwohl ich direkt am
    Counter vom Hostel sitze, arbeitet die KLM App per VPN sehr zäh. Als ich endlich durchkomme und unsere Daten eingegeben habe, rattert die Kiste ewig und es kommt schließlich der Hinweis, dass wir die Strecke mit China Southern fliegen und wir deshalb jetzt auch über China Southern einchecken müssen. Na servas. Also China Southern App laden. Bitte warten.... bitte warten... alles auf Chinesisch... na super... intuitiv finde ich den Schalter für Englisch: Bitte warten... Bitte erst Account anlegen... Mach ich glatt... Bitte warten... Account per Mail bestätigt... Login... bitte warten... bitte warten... VPN beendet.... nochmal alles von vorne.... nach dem zweiten Versuch ist es nicht besser... bitte warten... bitte warten... VPN crash... dritter Versuch, ich bin drin... Hello China Southern... Leude!...
    Ich schaffe es sogar die Flüge aufzurufen, aber Check-in nicht möglich, die Meldung sagt nicht wirklich warum, es geht halt nicht... noch ein Versuch... bitte warten... bitte warten... geht nicht... über die App gehts einfach nicht... ich gebe auf.
    Nächster Besuch auf der offiziellen China Southern Website. Alles in Chinesisch... nix Englisch... echt jetzt?... vergiss es... ich habe jetzt glatt zwei Stunden damit vertan... Die Kinder sind seit ner Stunde wach, fertig geduscht, gestriegelt, gepackt, reisefertig und frühstückshungrig... und geduldig, noch.
    Ich wende mich schwer frustriert an die eloquente Dame an der Rezeption und bitte sie um Hilfe.
    Sie versucht es an ihrem Rechner gleich auf der Southern Seite - und sie bekommt die gleiche Meldung wie ich: Die Flüge sind auf uns gebucht, aber Check-in nicht möglich. Sie puzzelt eine weitere Weile auf der Website herum, schließlich ruft sie direkt bei der Fluggesellschaft an.

    Noch eine Stunde weg. Jetzt ist es schon halbelf, um neun wollten wir eigentlich los. Mit unseren Onlinetickets für den Palast sind wir in einem Zeitfenster mit Eintritt vor 12 Uhr gebucht, und dann ist es doch noch eine gute Strecke bis zum finalen Gate: Erst durch den Hutong zum Tiananmen Platz, den überqueren, unter der breiten Straße durch, zum Tor des Himmlischen Frieden - da wo Maos riesiges Portrait drüber hängt, wer kennts nicht... - dann den großen Vorplatz vom Palast durchqueren bis ganz hinter zu den Gates, die Dimensionen und Strecken dieser Orte durften wir ja schon erfahren, ganz zu schweigen von den diversen Kontrollposten zum Platz des Himmlischen Frieden und den Umleitungen zur Unterführung der großen Straße. So eine ganz leise Panik fühle ich in mir dann doch aufsteigen, es könnte eng werden. Und, ach ja, frühstücken, das war doch was...

    Die nette Rezeptionistin weiss um unser Vorhaben und bietet uns mit dem
    Blick auf die Uhr und hochgezogenen Augenbrauen an, dass sie den Check-in für uns erledigen würde. Knutschen könnte ich sie!
    Die Situation mit unseren Flügen ist nämlich die, stellt sich heraus, dass wir für den Check-In nicht freigeschaltet sind, weil wir einen der vorangegangenen Flüge, also von Deutschland nach China, laut System nicht wahrgenommen haben sollen, wir sind also gar nicht in China.
    Ähhhm, Moment...

    Die Situation zu klären dauert. Die Fluglinie wird sich in einer halben Stunde wieder melden.
    Die Nette notiert unsere Daten, Passnummern, etc und schickt uns auf die Piste, sie macht das jetzt. Wie unglaublich nett ist das!
    Was bin ich erleichtert und schwupp steigt meine Laune ganz nach oben. Die Kinder dagegen sitzen unter einer dunklen Wolke von Ungeduld und Hunger. Nur noch unser Gepäck im Storage Room verstauen und raus, ein schnelles Frühstück suchen und dann Spurt.

    Raus in die Hitze. Das letzte Mal in Peking gabs strömenden Regen, heute knalle Sonne, 36 C, danke Petrus.
    Frühstück, dringend, jetzt! Ein kleiner Stand auf dem Weg, mit einer kleinen, lächelnden Frau in einer Box mit einem großartigen Rezept, es gibt eine Mischung aus Crêpes und Döner: Auf einem salzigen Crêpes wird ein Ei verstrichen, Huhn, Gemüse, Salat, Saucen, bäm! So lecker! Dazu Trinkjoghurt. Streetfood at its best, dieses Frühstück versöhnt uns wieder mit allem.

    Ausser mit Chronos, dem Herrn über die Zeit, der uns im Genick sitzt. Wir spurten. Damned, vor dem Tiananmen Platz eine lange Warteschlange - Polizeikontrolle, Schleuse, jeder einzelne wird gefilzt, die Taschen, der Körper, Ausweise her! Viermal alles Ok, warum auch nicht, großer, paranoider Bruder.
    Die Zeit, die liebe Zeit, die Kinder sind toll dabei, laufen mit, schauen dabei zwar etwas angespannt, aber der Kaiserpalast ist schließlich auch ihnen wichtig. Meine hammer tapferen Reisekinder, ich bin ja so stolz!
    Erfreulicher Weise gibt es heute keine Kontroll-Schikanen an der Unterführung. Hello again! Herr Mao lächelt erneut vom dem Tor des Himmlischen Frieden auf seine braven Schäfchen herunter, wir schlängeln uns elegant durch die zum Eingang drückende Herde, über alle Plätze, bis ganz hinter zu den Gates.
    Es ist Zehn vor Zwölf.
    Hui. Schwitz.
    Unsere online registrierten Pässe sind auch unsere Eintrittskarten, check in, wir sind drin, wie geil.

    Total verschwitzt, total durstig, in der Steinwüste. Grün oder Bäume? Fehlanzeige, nur Stein, soweit das Auge reicht. Als erstes suchen wir am Rand des ersten Hofes rettenden Schatten, fallen in uns zusammen und trinken all unsere Flaschen leer. Diese Hatz hätte es jetzt echt nicht gebraucht.

    Wieder regeneriert, fast getrocknet, und motiviert betrachten wir den Lageplan der Verbotenen Stadt und bestimmen unsere Route. Dieses ganze Palastdings ist... na? - ja genau! ...es ist riesig, riesengroß, gigantisch! Es gibt Stimmen, die behaupten, man hätte die ganze Schose in zwei Stunden abgeradelt. Das halten wir für unschaffbar, vielleicht, wenn man komplett durch rennt. Die armen Reisegruppen im Schweinsgalopp.

    Bevor wir so richtig starten, leihen wir uns Audioführer, die in einem sehr putzigem Deutsch die Abschnitte der Anlage erklären und nette Geschichten dazu erzählen. Leider geben bald zwei davon ihren Geist auf. Die Guides sehen aus wie iPhones, aber set up in China halt. So lauscht erst der eine von uns und erzählt es dann dem anderen. Fynn macht das richtig profimässig. Die Kisten starten bei Überschreiten von Checkpoints an erwähnenswerten Gebäuden automatisch ihre Ausführungen, das ist zwar tricky, aber auch etwas lästig, weil nicht stoppbar.

    Der erste große Platz ist der, den wir aus ‚Der Letzte Kaiser‘ kennen. Der Minikaiser spielt kichernd mit großen wehenden Tüchern und rennt dabei aus der großen Halle, die Tücher lichten sich und vor ihm kniet auf dem riesengroßen Platz unterwürfigst der ganze Hofstaat. Ein tolles Bild und wir sind jetzt mittendrin, in der Geschichte, schon aufregend, wir in Kaiserperspektive. Die gesamte Anlage und ihre Geschichten sind großartig, riesengroß und als Lebensraum für ein ganzes Leben doch so klein. Steine, Steine, Steine, kein Grün, in seiner Großartigkeit auch bedrückend und beklemmend.

    Ich werde hier jetzt nicht durch die vielen himmlischen, harmonischen und westlichen und östlichen Gebäude und Tore führen, treppauf, treppab, das bestaunt ihr dann besser mal selbst oder lest einen Kulturführer darüber, wie auch immer.
    Erwähnenswert aber auf jeden Fall die flankierenden Museen mit all ihren Kronen, Juwelen, Gegenständen, Kostümen, Pracht und Prunk, unglaubliche Handwerkskunst und Reichtum, sehr schön inszeniert.
    Immer wieder sehen wir Chinesinnen in historischen Outfits, die vor den Bauwerken für Fotos gegenseitig posieren, ganz für sich privat, für Insta, für ihr Karma, whatever, auf jeden Fall nicht für Touristen, das macht unsere Zeitreise perfekt.

    Erwähnenswert auch die Geschichte der Konkurbine, die im Audioguide bei einem Brunnenschacht in einem bestimmten Garten startet.
    Sie war die Lieblingskonkurbine vom Kaiser, die Frau, die er wohl richtig geliebt hatte, er hatte ihr einen eigenen Teil des Palastes mit eben diesem Garten eingerichtet und die Kaiserin hat sie dafür gehasst. Solange der Kaiser anwesend war, wurde sie von ihm beschützt. Als er aber wegen eines Krieges fliehen musste, gab die Kaiserin promt den Auftrag, die vorerst zurückgebliebene Geliebte verschwinden zu lassen, genau in diesem Brunnen. Platsch. Drama, Baby. Sind das Geschichten?
    Das Buhlen um Gunst, Macht und Vorteile diverse muss am chinesischen Hof ein großer Zeitvertreib gewesen sein. Intrigen, Verrat und Mord, dann noch die Eunuchen... bestimmt gibt es darüber zig Filme.

    Die Hitze macht uns fertig. Viele viele Pausen, literweise Wasser, die Weitläufigkeit der ausgesetzten Plätze, das ist definitiv anstrengend - und fesselnd zugleich.
    Am von uns aus hinteren Ende der Palastanlage erreichen wir die kaiserlichen Gärten. Gärten, naja, Kieswege, ein paar krumme Gehölze, ein paar Bäume, Pavillons, Steinhaufen, die einmal mehr die prominentesten Gebirge des Landes darstellen sollen, große Vasen, Steine, Steine und Steine. Nix Grün.

    Auf dem Rückweg bestaunen wir die Schlafgemächer der kaiserlichen Familie und das Bett des Kaisers selbst. Möbel, Interieur, das ist es, was wir sonst in den Hallen und Räumen vermisst haben. Die ausgestatteten Räume haben gleich eine ganz andere Ausstrahlung, sie werden lebendig irgendwie.

    Es ist jetzt schon späterer Nachmittag und wir laufen auf einer anderen Route zurück zu unserem Eingangsbereich. Das Gelände ist richtig leer jetzt, keine Reisegruppen mehr, kein Trubel, späte Nachmittagssonne. Die roten Wände der Paläste, die bunten Dächer, die weissen Treppen, alles beginnt in wärmsten Tönen zu leuchten. Eine wunderbare Ruhe liegt über allem, eine unglaubliche Stimmung. Von manchen erhabenen Palästen können wir die ganze riesige Kaiserstadt überblicken. Innehalten, genießen, wow. Himmlischer Frieden. Wir sind einer Meinung, egal wie anstrengend das bisher war, der Palast ist ein absoluter Höhepunkt.

    Leise Töne irritieren uns plötzlich. Aus der Ferne klingt: Blasmusik, eindeutig. Gebt euch das. Chinesischer als chinesisch geht es gar nicht und dann bayrische Blasmusik in der Luft. Wie geil. Natürlich versuchen wir der Quelle näher zu kommen, durch die Mauer, das Tor, hinter dem die Kapelle mutmaßlich aufspielt, werden wir aber nicht mehr durchgelassen. Das Gelände wird Schritt für Schritt zum Feierabend gesperrt und die Besucher rausgeschoben. Wie schade, eine schräge Sache das.

    Schnell sind wir dann draussen und wieder vor den Toren der Verbotenen Stadt. Nicht da, wo wir rein sind, nein, an irgenddeinem Ausgang an der Seite. Was bedeutet, ca drei Kilometer aussenrum zurück zum Tiananmen Platz hatschen. Wähh. Und wenn‘s nicht so interessant wäre, in diesem Land zu flanieren, könnten wir jetzt glatt jammern. Aber der Weg ist das Ziel und viel zu spannend.

    Tiananmen Platz, in der Abenddämmerung, grandios irgendwie, aber auch paranoider Parade- und Überwachungswahnsinn. Emsig werden auf und um den Platz die Aufbauten für die 70-Jahrfeier der Staatsgründung zusammengeschraubt. Was auffällt, ist die Beflaggung der großen Laternen- und Überwachungsmasten auf unserem weg zur U-Bahn. Neben der chinesischen Flagge hängt nämlich auffälliger Weise jeweils eine deutsche.

    Eine wartende Menschenmenge entlang von Absperrgittern verhindert unseren Weg weiter zur U-Bahn. Wir Ahnungslosen wundern uns langsam, Blasmusik, Deutschlandfähnchen, Absperrgitter... wir sind neugierig. GoogleApp übersetze bitte: „Entschuldigen Sie bitte, worauf warten Sie hier?“ Der dritte befragte Chinese zückt sein Handy und lässt uns wissen: „Ein Politiker kommt gleich, sieben Uhr“ - und macht ein Foto von uns.
    Es ist jetzt halbsieben, wir beschließen zu warten und gesellen uns zu den anderen am Absperrgitter, die Mädels ganz vorne. Schließlich kann es sich bei einem so großen Bohei um sicher keinen ganz unbedeutenden Politiker aus Deutschland handeln.
    Hinter der Absperrung sehen wir ein Podest mit Podium und Mikrofonen, daneben einen ewig hohen Fahnenmast mit chinseischer Flagge.

    Bis sieben vertreiben sich die Chinesen die Zeit mit Deutsche Mädels filmen, die sich wiederum die Zeit damit vertreiben Chinesen zu filmen, die deutsche Mädels filmen. Ein lustiges Spiel. Scheiß Sprachbarriere.
    Und dann öffnet sich das Tor des Himmlischen Frieden - das Tor unter Maos Portrait - und im Stechschritt marschieren Soldaten aus dem Kaiserpalast in maximaler Synchronität auf das Podest zu. Respekteinflößend und beängstigend hallt der harte Takt der Stiefel unisono über den Platz. Dazu hallen die lauten Befehle der Offiziere. Gespenstisch. Ich habe so etwas noch nie miterlebt und bin auch nicht traurig darüber. Auch die Kinder sind komplett gefesselt und fasziniert. Eine gefährliche Magie.
    Im Ergebnis der Parade wird das Podest mit der Fahne von den Militärs geometrisch umstellt, die Fahne fürchterlich umständlich vom Mast eingeholt, zusammengefaltet und begleitet von der ganzen Militärmischpoke, etwas zügiger in wieder den Palast zurück getragen. Nu sind se alle wieder weg. Und die Politiker? Nichts, das Podest bleibt leer. Keine Frau Merkel oder bayrischer Ministerpräsident oder sonstwer.
    Die Menge raunt und kommt in Bewegung. Und jetzt kommt das, was mich wirklich beeindruckt. Wie schnell die Versammlung aufgelöst wird!
    Einzelne Personen treiben, wie Hirtenhunde eine Schafherde, die Menschen von den Absperrungen weg Richtung der Ausgänge vom Platz, Fahrzeuge von weiter Aussen mit großen Schiebern nehmen der Menge immer mehr Freiraum, engen sie ein, nicht aggressiv aber unaufhaltsam. Offensichtlich ist das Volk dieses Treiben hier gewöhnt, trottet artig davon, und innerhalb kürzester Zeit ist keine Menschenmenge auf dem Platz mehr vorhanden, in Luft aufgelöst. Irre. Dann trollen halt auch wir uns.
    Wir haben nämlich noch eine Verabredung mit Jackie, im Hostel, ganz privat, wir wollen zusammen zum Abschied Essen gehen.
    Natürlich müssen wir aufgrund von weiteren Absperrungen um den Platz wieder einen Umweg gehen, vorbei an der hübsch illuminierten Parteizentrale, auffällig unauffällige kleinere Trupps von Geheimpolizei marschieren an uns vorbei, wir tauchen ein in das Gassengewirr der Hutongs.
    Es ist jetzt dunkel, die Restaurants und Shops und Boutiquen und die erwartungsvoll flanierenden Menschen zaubern eine sehr schöne Stimmung auf unserem Heimweg.
    Jackie wartet schon auf uns, er ist mit dem Fahrrad gekommen. Er hat uns ein typisch Pekinger Restaurant ausgesucht, ganz traditionell. Da gibt es also die Küche, die wir von den Chinesen bei uns so kennen, wir sind gespannt.
    Jetzt haben wir endlich die Chance, uns mit einem Einheimischen zu unterhalten und Antworten auf alle unsere Fragen zu bekommen.
    Und wir nutzen sie und fragen und reden und er erzählt, ganz unspektakulär, ganz alltägliches und superinteressant.
    Als Geschenk hat er uns Tee mitgebracht. Viele kleine Portiönchen von verschiedenen Teesorten, die er uns ausführlich erklärt, er liebt Tee und ein Freund hat einen entsprechenden Laden, aus dem er absortiert hat.

    Bevor unsere Essensbestellung serviert wird, bekommen wir ein paar dieser Teesorten zubereitet. Besonders gut schmeckt mir der weisse Tee, schon mal probiert? Entgegen meines Wissens lässt man in China wohl viele Sorten nur sehr kurz ziehen, um das beste Aroma zu bekommen.

    Selbstverständlich sitzen wir an einem großen runden Tisch mit Drehscheibe. Denn jeder möchte von den Auberginen mit Schwein, dem Lamm mit Zwiebelgrün, den frittierten Shrimps im Teigmantel, den Datteln und der Yamswurzel mit Morcheln und Gemüse probieren. Ein Festessen, ein würdiges Essen zum Abschied. Jackie erklärt uns geduldig und sehr bemüht seine Kultur und die Küche und die Gewohnheiten seiner Landsleute. So ein Glück, dass wir ihn kennenlernen durften.

    Um 21:30 beginnt dann der Countdown unserer Heimreise. Wir laufen komplett mit Essen befüllt zurück zum Hostel, holen unsere nicht weniger prall gefüllten Rucksäcke und marschieren zur nächsten größeren Straße zum Treffpunkt mit dem Flughafentaxi, das uns Jackie organisiert hat, irgendein Verwandter wohl, eh klar. Lach.
    Zeit von unserem netten Kumpel Abschied zu nehmen, herzlich, aber doch chinesisch distanziert.

    Um 23:00 erreichen wir den Flughafen. Auf den Toiletten machen wir uns frisch und ziehen uns für den Flieger um.
    18 kg wiegt mein Rucksack jetzt, viele Kilo Souvenirs und Mitbringsel. Und tonnenweise Erinnerungen und Gedanken im Kopf und Emotionen im Herzen, gerade wiegen sie sehr schwer, die Freude, die Melancholie und der Abschied. Erleichterung aber auch, dass wir bald wieder freie Menschen sein dürfen, raus aus der Kontrolle und Überwachung, raus aus der Matrix.

    Ein letztes Mal piepen meine Batterin beim Securitycheck, ich werde aber von der Polizei durchgewunken, wir flutschen durch die Immigration, Visa ausgestempelt - wir sind offiziell raus aus China.

    Todmüde Warterei am Gate, bis wir den mächtigen A380 endlich beboarden dürfen.
    Um 1:40 heben wir ab, es geht wirklich wieder Nachhause. Und ich sage wie es ist, wie wir uns jetzt alle fühlen: zufrieden und satt und irgendwie auch seltsam erleichtert, wieder frei, wieder privat.
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  • Day 19

    VonDreibeinigenFröschen

    September 3, 2019 in China ⋅ ☀️ 30 °C

    6:00 Uhr Wecken, gnadenlos, wir müssen schließlich wieder einen Zug erwischen, ein letztes Mal auf dieser Reise.
    Der Bahnhof für die Hi-Speed-Trains befindet sich eine U-Bahnstation hinter dem Flughafen, auf dem wir von Guilin gelandet sind, also eine ziemliche Strecke, erfreulicher Weise ohne Umsteigen.
    U-Bahn fahren können wir. Morgens um diese Zeit sind die Züge voll, Rush Hour. Unsere prall gefüllten Rucksäcke stöhnen unter dem Shoppingfluch, also ihre Träger stöhnen, denn Sitzplätze gibts keine, nur höflich genervte und morgendlich missgelaunte Mitfahrer, die zum x-ten Mal von einem dieser dicken Dinger angebumpt werden und bei ihrem Mobile Morgengruß gestört werden. Die Köpfe bleiben zwar gesenkt, aber sie müssen uns hassen.

    Es ist ein Riesenbahnhof. Was sonst. Das Wo-ist-der-Ticketcounter-Spiel erreicht das nächste Level, wenn dieser gigantische Bahnhof nicht sogar der Endboss aller chinesischrn Bahnhöfe ist, er hat mehrere Etagen. Und wieder einmal sind englische Hinweise Fehlanzeige. Online Tickets hier, Online Tickets da, aber kein Ticketcounter mit einem Mensch drin. Immerhin wissen wir, von welchem Gleis unser Zug geht. Gleis 1. Dann gehen wir doch mal wenigstens in diese Richtung.
    Tatsächlich entdecken wir ein Schild mit dem Symbol für Ticketservice mit lebendem Organismus inside. Dritter Stock, wir müssen in den dritten Stock, das wissen wir jetzt, nachdem
    wir die Schnitzeljagd im ersten und zweiten Stock erfolgreich absolviert haben.
    Dritter Stock. Die Rolltreppe wirft uns am
    Anfang, nein, eher am Ende der ewigen Halle raus, nämlich da, wo gefühlt die Gleisnummern 1.099 bis 999 liegen. Wir müssen Gleis 1, wir haben Proviant für drei Tage, das sollte reichen.
    Der Marsch beginnt. Die müden Augen erspähen endlich den gelobten Ticketschalter. Nur, der ist zu. Immerhin klebt ein Pfeil drauf, zum nächsten, ca eine Tagesreise entfernt. Die Karawane zieht weiter, die Massagen gestern nur noch eine wehmütige Erinnerung. Schalter zwei, auch zu, Pfeil, weiter. Gleis 19 bis 11, wir haben es fast geschafft. Ein Leuchten, eine Schlange, Schalter Nummer drei ist offen. Yes! Aber muss ja, eigentlich. Die Ticketprozedur ist nur noch ein routiniertes Kinderspiel und Gleis 1 am Horizont in Sicht.
    Wir sind da. Erleichterung, Pause, Frühstück, Milchbrötchen und Bananen, Klo, warten.
    Egal wie routiniert man sich in China fühlt, in größeren Städten immer zusätzliche Zeit und Proviant für Orientierungsläufe einplanen, das ist mein heisser Tipp!
    Das Gate zu Gleis 1 öffnet sich, wir wackeln zu unserem Wagen, unseren Plätzen, 1.300 entspannte Gleiskilometer liegen vor uns.
    Ich kann jedem Zugfahren in China nur empfehlen, statt Übernachten im Hotel lieber eine Nachtfahrt über eine weite Strecke.

    4 Stunden 35 Minuten später sind wir wieder zurück in Beijing. In dieser Zeit schafft die Bahn in Deutschland gerade mal die Strecke München - Berlin und ist noch stolz drauf. Unser Hostel ist nicht das, wo wir zu Beginn unserer Reise gewohnt haben, für die letzte Nacht wohnen wir im Three Legged Frog Hostel, unweit des Tiananmen Platzes und der Verbotenen Stadt.
    Das Hostel mit dem lustigen Namen liegt inmitten von einem Hutong, in einem Hofhaus, von der U-Bahn ist es ein ordentlicher Hatscherer, aber ein schöner. Verwinkelt nähern wir uns Gasse für Gasse im chinesischen Alltag unserer Bleibe.

    Der Empfang ist superherzlich und in bestem
    Englisch, eine Wohltat. Über den hübschen Innenhof geht es quer rüber zu unserem riesigen 5-Bettzimmer. Tatsächlich lungern ein paar versprengte Backpacker im Hof herum.
    Schön ruhig ist es, sehr chinesisch, aber dennoch im typischen internationalen Hostellook. Fünf Uhren mit den Zeiten der Welt an der Rezeption, Flaggen, Postkarten, Heisswasserspender, Bookexchange und Lümmelecke mit Beamer, ein Zuhause in der Welt.

    Wir wollen erstmal nix mehr bis zum Abend ausser chillen, Kaffee trinken, das riesen Zimmer im schönen Hof genießen, die Rucksäcke ganz leer räumen, ausmisten und final packen, denn Morgen ist tatsächlich unser letzter Tag.

    Abends haben wir ein Date, mit Jackie, in Huas Restaurant. Ihr erinnert euch? - der vom Anfang der Reise! Er arbeitet da heute wieder und er hat uns einen Tisch reserviert auf Halbacht.
    Heute Abend gibt‘s noch einmal fette Pekingente, yeah, yeah!
    Vor dem Resto ist eine Warteschlange. Aber mit dem Zauberwort ‚Jackie‘ sind wir auch schon gleich drin. Er hat uns schon erwartet, nach einer für Chinesen herzlichen Begrüßung führt er uns zu dem hammer Tisch, den er uns freigehalten hat. Dieses Mal sitzen wir im Erdgeschoß, direkt vor der Bühne, inmitten dieses tollen, quirligen, schmatzenden, duftenden und geschäftigen Treibens, zwischen allerlei lebendigem Angebot und zubereitetem Getier, mit einer sehr verlockenden Menükarte vor der Nase.
    Wir bestellen Heute zwei Enten, Jackie empfiehlt uns eine davon als Babyduck zu bestellen. Um die Wartezeit zu verkürzen, ordern wir noch eine mittlere Portion Clayfish, Krebse in einem
    Sud zum Niederknien. Ich staune immer wieder über die Kinder, wie begeistert sie sich an unbekanntes Essen wagen. Ausserdem bestellen wir Heute auch gleich eine ganze Karaffe mit dem Wundergetränk, von dem Fynn beim ersten Mal so begeistert war.

    Serviert werden dann drei Enten, eine reguläre und zwei mal Babyduck, dazu wieder Entensuppe.
    Die Enten sind ein Gedicht! Vorallem die Babyducks. So knusprig, so zart, so entig, so saftig, so lecker, so viel, so satt, so schade. Schande, aber irgendwann ist dann Schluss mit Platz im Bauch. Nur Fynn isst und isst und isst.
    Zwischen Reispapier rollen, dippen, schmatzen und genießen werden auf der Bühne fast direkt vor unserer Nase chinesisches Allerlei Varieté zum besten gegeben.
    Nudelakrobatik zum Beispiel. Ein tänzelnder junger Koch macht erst den Robodance und dehnt und fügt dann einen Teigklumpen verspielt zusammen und zieht ihn wieder auseinander und fügt ihn wieder zusammen und dehnt ihn erneut und fügt... bis er schließlich ein Gebilde aus hunderten filigranen Nudelsträngen dem staunenden Publikum vor die Nase hält. Ta-dää.
    Wirklich toll finde ich aber die Dame, die Arien aus einer chinesischen Oper vorträgt. Für unsere Ohren eine ziemlich schrill-schräge Angelegenheit, aber irgendwie sehr faszinierend und fesselnd. Nach ihr tritt ein Opern-Dämon auf und vollführt dämonische Tänze, großartig! Das nächste Mal: Pekingoper, ganz klar.
    Jackie überreicht uns zum Abschied im Namen des Restaurants noch hübsche Chopsticks in einer hübschen Box und wir verabreden uns für Morgen Abend zum Essen. Auf eine Weise ist Jackie sehr herzlich, warm und verbindlich, auf der anderen Seite ist er sehr nüchtern und distanziert. Diese Zweigesichtigkeit irritiert mich immer wieder, ich muss noch viel über die chinesische Art lernen. Vielleicht ist es auch einfach nur Unsicherheit.

    Dicke dicke Bäuche sitzen rechtzeitig vor Betriebsschluss in der U-Bahn und lassen sich Nachhause rollen, zickizacki durch die Hutonggassen geeiert und dann leuchtet und das zum Dreibeinigen Frosch Hostel einladend entgegen mit unseren wunderbaren Betten. Nachts in den Hutongs, das hat eine ganz besondere Ausstrahlung, etwas beruhigendes, geborgenes. Wir fühlen uns doch nicht etwa wohl?
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  • Day 18

    Shanghighlight

    September 2, 2019 in China ⋅ 🌧 23 °C

    Shanghai. Von der ersten Minute an hat uns diese besondere Stadt gefallen, über dieser Stadt liegt etwas Besonderes. Schon bei der Suche nach unserer Bleibe haben wir ihren Charme und Dynamik wahrgenommen. Im krassen Gegensatz zum fast schon beschaulichen und bürgerlichen Peking, fängt uns diese Stadt sofort, mit ihrem Leben, dem Charme von alt und neu, traditionell und modern, schnell und langsam, überwältigend und beschaulich, designig und dem völlig normalen asiatischen Siff, den wir in Peking fast schon vermisst haben. In Peking standen auch auffällig viele Besen an jeder Ecke herum, sehr suspekt. SH ist die größte Stadt Chinas, mit 23 Millionen Einwohnern in der Metropolregion, wusste ich auch nicht.
    Viele gefärbte Haare, gut gekleidete Leute, Fashion, Urbanität, Streetart, Design, die Kultur einer bewegten, modernen Großstadt. Ein Vergleich mit New York wird mir von Wissenden mit einem Kopfnicken bestätigt - ich selbst war da noch nie und kenne die Stadt nur aus Filmen.

    So freuen wir uns auf Tag zwei in dieser Stadt.
    Und ich mich vorher über meine ruhige Stunde, die ich wie so oft, mit Planungen und geweisstem Nescafe verbringe, bevor ich mich um 8:30 wieder bei meinen Mitreisenden unbeliebt mache.
    Ein Motivationszuckerl habe ich jedoch: es regnet nicht, es ist nur angenehm bewölkt.

    Dampfendes Dim Sum steht auf der spannenden Frühstückskarte. Wir mixen zum alles Probieren.
    Die drei lachenden Wantan Schweinchen wieder und ein größerer Teigbeutel gefüllt mit heisser Suppe und Krebsfleisch sind die Frühstücksstars, intensiver Krebsgeschmack zum Frühstück allerdings eher irritierend, toll anzusehen aber diese kunstvolle, wabbernde Teigblase, also rein damit. Gut dass ich bei einem Streetfood Vlogger auf Youtube gesehen habe, wie man diese Dinger isst, ohne sich den Mund dabei zu verbrennen.

    Die Auswahl der heutigen Highlights ist groß. Fynn will Wolkenkratzer, ich will Garten, die Mädels beides, wir alle die ganze Stadt.
    Also starten wir Richtung Pudong, das auf der anderen Seite des Flusses liegt, der übrigens Huangpu heisst, und gut mit der U Bahn - natürlich - zu erreichen ist. Wir fahren die Rolltreppen hoch und von jetzt an gehen unsere Blicke nur noch nach oben, weit oben, bis unsere Nacken knacken. Eine große Runde beeindruckend hoher Gebäude um uns, unten lustige riesige Verkehrsblumen und Streifen, geformt aus großen Straßenschleifen und geschwungenen Wegen, auf denen sich um die Gebäude herum bewegt wird.
    Eines der Gebäude sieht mit seinem Durchblick in den obersten Stockwerken aus wie ein Flaschenöffner, das Shanghai World Financial Center, das zweithöchste Gebäude der Welt, der Shanghai Tower, ist leicht gedreht wie ein Korkenzieher, der Fernsehturm mit seinen zwei Kugeln, Oriental Pearl TV Tower offiziell, wie eine sehr eigenwillige Science Fiction Vision aus den Siebzigern, obwohl der erst Mitte der 90er gebaut wurde.
    Das bemerkenswerteste Gebäude ist der Shanghai Tower, architektonisch aussen wie innen, und mit der höchsten Aussichtsplattform der Welt. Das wollen wir uns geben, zwar 20 Euro pro Nase, aber allein der Aufzug wird schon als Erlebnis beschrieben.
    Aber wie meine Formulierung vielleicht schon ahnen lässt, aus unserer Skyscraper Experience wird leider nix. Es regnet zwar nicht, aber Wolken verhüllen penetrantest das obere Viertel des Towers. Bringt ja dann nichts, also lassen wir‘s, durchaus ein wenig enttäuscht.
    Aber der TV Turm, der ist wolkenfrei und nah und für eine Fotosession hervorragend. Wir gehen ganz nah dran und er ist bei all seiner zweikugeligen Lächerlichkeit aus der Ferne, aus der Nähe groß und beeindruckend, aber immer noch schräg. Tja, Berlin, the Shanghai TV tower has got two balls, sorry.
    Hier setzen wir auch unsere Selfiemodel Strichliste fort, sogar ich bekomme mein drittes Shooting. Der Turm ist als Selfie Hintergrund einfach zu schön. Nele, unser liebes, strahlendes Blondchen, liegt in der Beliebtheit unbestritten vorn. Wir haben Spaß.
    Ein besonderer Anblick ist ein Gruppe buddhistischer Mönche in ihren rot-orangen Gewändern und Ledersandalen, die in dieser Betonwelt über Brücken schreiten und mit ihren Mobiles Fotos machen, nicht weniger beeindruckt als wir, was ein Kontrast.

    Nächstes Ziel: Der gestern verschlossene Yuyuan Garten, Papas Wunsch. U Bahn fahren, straight zum Eingang hoppeln, ohne Shopping Stops.
    Tja, der Garten. Den hat sich Seinerzeit eine reiche Familie als Ruhezone mitten in die Stadt bauen lassen, heute ein touristisches Highlight. Die renovierte Altstadt drumherum, das Teehaus, der Teich, die Zickzack Brücke - der Garten komplettiert das ganze Bild vom historischen Shanghai, und als Kulisse zu dieser Oase, die Wolken kratzende Skyline der Stadt.
    Ja, er ist schon schön, der Garten, aber... Aber wir haben schon schönere gesehen, sagen wir‘s so.

    Das Idyll ist umfriedet von einer hohen Mauer, dadurch wirkt der Ort auf mich eher beengt, auch wenn er eine größere Fläche einnimmt. Ich empfinde ihn als sehr zugebaut, zu gut gemeint, durchzogen von bekiesten Wegen, vorbei an diversen Pavillions mit ihren geschwungenen Giebeln, immer wieder Durchgänge in kleinere Nischen mit kleineren Wasserstellen, Orte der harmonisierenden Kontemplation, und dieser typischen chinesischen, arrangierten Steindeko überall plus Bepflanzung. Diese Löchersteindeko soll wohl die Atmosphäre der bergigen Landschaften Chinas schaffen. Sehr verspielt, typisch chinesisch, meine Harmonie ist es nicht.

    Es gibt einen größeren Teich voll mit Koi Karpfen, grünes Wasser mit leuchtendem Orange, hübsch.
    Den Teich kann man auf einem Steg überqueren. Die vielen, vielen Kois, so leuchtend, so neugierig, so hungrig, so groß, so tumb, was auch immer, und so nah und dicht an der Wasseroberfläche, dass man sie anfassen kann. Weit geöffnete Mäuler drängeln sich uns schlurzend entgegen, stumme Schreie nach Brot und Liebe. Das beschäftigt uns eine Weile. Immer wieder stehen wunderschön traurige Trauerweiden am Wasser und die liebe ich ja sehr. In China sehr oft zu sehen, schon in Peking und an diversen Flussufern, mit Bank, zum Sitzen, Sein und Nachdenken. Eine Freude, eine mal wirklich schöne Ecke in diesem Garten, wie ich finde. Sehr schön auch runde Mauerdurchgänge von Abteilung zu Abteilung, ach, kuck mal ...hallo Herr Frodo! Von den Mauern drohen gelegentlich große, sich schlängelnde, schwarze Drachenfiguren und mit dem
    Blick über die Mauern, Shanghais Skyline.

    Wir essen in all der Harmonie ein Eis, Fengshui für den Gaumen, Eis in China ist ein Must! Es gibt hier so dermaßen leckeres Steckerleis, so viel haben wir noch nie gegessen, Milcheis, aber auch Fruchteis aus frischen Früchten, ich sage nur: Mango, ein Traum, Melone, mmmh!
    Was auch noch lecker ist für Zwischendrin und sehr populär und überall zu haben, sind diese weissen, süßen Trinkjoghurts. Jedes Geschäft hat sie, meist ungekühlt, trotzdem lecker und Energiespender. Auch von denen haben wir viele getrunken. Der richtige Pusher jedoch ist asiatischer Red Bull, nicht so ein kraftloser Schlabber wie in Europa. Wenn gar nichts mehr geht, der richtet einen wieder so richtig auf, sagt der Koffein resistente Kaffee Junkie.

    Ja ja, der Garten, der hat schon durchaus was, da wollen wir mal nicht so sein - und auch einen Ausgang. Schnell ist man wieder mitten in der Altstadt, also der echten, bewohnten, lebendigen, der, die hinter den Souvenirläden liegt. Wir beschließen die im Zickzack zu durchstreifen bis wir in das Tianzin Viertel gelangen. Real Life, Tim und Struppi sind ganz nah. Kleine Sträßchen, kleine Häuser, kleine Lädchen, kleine Männchen. Es wirkt ungewohnt, in einem Laden unzählige Schüsseln am Boden stehend zu sehen, aus Plastik und Metall, in denen Luftschläuche blubbern, um verschiedenste Arten von Muscheln und Krustentieren lebendig zu halten, dahinter noch neonbeleuchtete Regale mit Schuhen im Angebot, mitten in der Großstadt. Es ist ein ungewohnter Anblick, endlose Berge von türkis-pastellig schimmernden Enteneiern hinter trüben Holzfenstern zu entdecken, man gewöhnt sich an diese Haushaltwarenläden mit ihren neonschrillen Plastikeimern, Bürsten, Besen und so weiter, Man gewöhnt sich nicht an die immer wieder patroullierenden Behördeninspizienten, was immer die inspizieren. Gemüselädchen an der Ecke, ein offener Fleischer, gackernde Hühner, duftende Küchen, Kleinstwagen und E-Roller, trocknende Wäsche, Stromkabelverhau an den Masten, öffentliche WCs und rennende Kinder, die dringend dahin müssen, schlurfende Alte. Straßenleben eben. Vergesst nicht, euch die chinesischen Schriftzeichen dazu vorzustellen. Gemalt, geprägt, Werbebanner, gedruckt, verblasst, shabby, bunt vor stadtergrauten Fassaden, ein Fest für grafische Augenblicke. Für uns lateinische Buchstabenleser sind diese Schriftzeichen immer noch mehr dekorativ als informativ und sehr exotisch.
    Wir sind in echt in China, hallo, wie geil! Manchmal wachen wir auf in diesem Film.

    Ein Kiez, ein Kleinstadtidyll, drumherum Wohnblocks, die sich immer näher schieben. Ganze Straßenzüge sind schon geräumt, die Läden und Türen vernagelt und warten auf die Abrissbirne. Hier wird von den Inspektoren inspiziert, dass ja niemand mehr die verbarrikadierten Läden wiederbelebt.

    Wir stehen wieder an einer großen Straße, mit Bäumen, belebt, bunt, Restaurants, viele Menschen. Das Tianzin Viertel. Von der großen Straße weg gehen lauter kleine Gassen, schön bunt, irgendwie anders. Viele kleine Läden, Boutiquen mit ausgefallenerem, eher jungem Design, Schickschnack, Streetart, trendige Bars und Cafés, kurzum, eine Art Künstlerviertel, das versucht nicht mainstreamig zu sein.
    Im Gewirr der Gassen finden wir ein Resto, das DIY Suppen und anderes anbietet. Wir sind früh nachmittags etwas ausserhalb der chinesischen Essenszeiten und so quasi allein in diesem SB Ding, das so umwerfend leider nicht ist.
    Das leckere Joghurteis am Stiel in unseren Händen begleitet uns hinaus aus dem Tianzin Viertel zur französischen Konzession, auch ein beliebtes Viertel. Es könnte auch New York, Berlin oder London sein irgendwie, sehr westlich. Von Laubbäumen - ich tippe auf Platanen - übertunnelte Alleen, links und rechts Wohnhäuser. Schön ist es hier, ganz anders wieder einmal, ein freundliches Licht, Shanghai hat so viele Gesichter. Schon jetzt ist klar, zwei Tage sind viel zu kurz für diese großartige Stadt. Wir gerne würde ich hier mehr entdecken. Wir schlendern diese charmanten Straßen entlang, die gut eine Filmkulisse für eine Romcom sein könnten.

    Unser Ziel in der Konzession ist ein Massagestudio, das im Planet wegen Qualität, Preisen und der hübschen Damen lobend erwähnt wurde. Das Ambiente der Räumlichkeiten ist eher nüchtern und pragmatisch.
    Wir haben großes Glück, dass gerade vier Plätze im Double Rainbow frei sind. Eine Stunde chinesische Massage, genial, und wir haben uns die echt verdient. Die letzte hatte ich in Dubai und die wirkte wahre Wunder. In Shanghai gibt es viele Massagesalons, tendenziell eher gehobener Standard und entsprechend teuer, dieser hier ist wirklich erschwinglich für einen Papa mit drei Kindern.
    Am Ende schwärmt jeder von uns, bei jedem wurden die Triggerpunkte intensivst bearbeitet, was zeitweise etwas unangenehm sein kann, aber im Ergebnis totale Entspannung bedeutet. Das einzige Ding ist, dass der Planet neben der Qualität und den günstigen Preisen, die exotische Schönheit der Massagedamen gepriesen hatte. Das mit der Qualität und den Preisen stimmt durchaus…
    In Realität waren die exotischen Damen jedoch eher ältere, eher schräge Herrschaften, die größtenteils blind sind - aber eben einen genialen Job machen. Ein etwas überraschendes Szenario, wir haben den Witz vom Planet vielleicht nicht richtig verstanden, egal, ein bisschen Lachen mussten wir dann aber schon.

    Als wir den Salon verlassen, ist es bereits dunkel. Wir beschließen die U-Bahn Nachhause zu nehmen, auf viel Laufen hat keiner mehr Bock.
    Fynn mag noch schnell eine Hose kaufen, die er Gestern in einem Shop auf der Fussgängerzone entdeckt hatte.
    Zu Essen soll es Heute Ente geben. Laura und ich hatten am Vorabend ein Schild von einem Entenrestaurant direkt neben unserem Hotel entdeckt. Also stehen wir jetzt davor und versuchen herauszufinden, wo wir da jetzt genau hin müssen. Der Übersetzer muss einmal mehr ran. Die Botschaft ist ernüchternd: Auf dem
    Schild wird für eine Vorbestellung für ein Entenmenü zu irgendeinem Feiertag im Herbst geworben, nix Ente jetzt also, vier mal berechtigt enttäuschte Gesichter mit Flunsch.
    Eine angemessene Alternative zu Ente muss schnell her.
    Hot Pot again, der vom letzten Mal, der könnte durchaus trösten. Und er tut es. Dieses Mal werden wir von der Chefin selbst in bestem Englisch beraten. Unser Buffet in großer Hunger Größe kann sich sehen lassen. Es schmeckt wieder leckerst, Hot Pot is einfach ne dolle Sache.
    Ich staune, wieviel in so Kinder rein geht, wenns richtig schmeckt.
    Zuhause müssen wir noch Snacks kaufen und die Rucksäcke packen, denn Morgen geht es leider schon wieder weiter, zurück nach Peking.
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  • Day 17

    SwimmingInTheRain

    September 1, 2019 in China ⋅ 🌧 20 °C

    Papa planlos muss Heute schon um Sieben aufstehen, Pläne machen, vorher aber Kaffee, unbedingt. Zwei Tage unbekanntes Shanghai wollen angemessen bespaßt sein. Der Planet widmet der Metropole und ihren vielen Möglichkeiten natürlich mehrere Seiten und macht die Wahl nicht gerade leicht und ich habe einiges zu lesen und zu filtern und an Maps und Beschreibungen abzufotografieren.
    Das alte Shanghai und das moderne würde ich gerne kennenlernen, das geschäftige Shanghai der Wolkenkratzer und der jungen, dynamischen Szene und das alte Shanghai mit Tempeln, Gärten und der Französischen Konzession. Unweigerlich muss ich bei Shanghai auch an Tim & Struppi in China, Opiumhöhlen und schmuddelige Gassen denken, den Hafen, die Skyline mit dem charakterstiftenden Oriental Pearl TV Tower, mit seinen gleich zwei Kugeln noch alberner als der Fernsehturm in Berlin - oder schicker.
    So wie’s in der Theorie aussieht, lassen sich die vier vielversprechendsten Viertel mit ihren Sehenswürdigkeiten mit der dicht vernetzten U-Bahn und Laufen gut in zwei Tagen schaffen.

    Halbneun beginnt der Tag auch für den Rest der Reisegesellschaft. Frühstücken müssen wir ausserhalb. Unser Appartmenthotelhaus liegt supergünstig, nur 2 km vom Bund und nur ein, zwei Häuserblocks von der großen Einkaufsstraße und Fußgängerzone Nanjing Road entfernt, der Peoples Square und Opernhaus sind um die Ecke, die U Bahn haben wir nach nur zehn Minuten erreicht. Gut gemacht, Reisepapa.
    Ich muss eh sagen, dass wir mit unseren Unterkünften ein gutes Händchen hatten. Wir hatten uns im Vorfeld zusammen auch fast ein ganzes Wochenende mit der Auswahl beschäftigt, verglichen und abgewogen. Bis auf Peking, würde ich unsere Unterkünfte glatt noch einmal buchen. Wie ich anfangs schon berichtet hatte, gibt es in Peking charmantere Viertel, in denen man logieren könnte. Aber wir waren ja in der Planungsphase froh, dass wir überhaupt eine Bleibe gefunden haben, aus der uns der Staat nachträglich nicht rausgeschmissen hat, und die final gebuchte hatte schließlich verkehrstechnisch eine perfekte Lage. Also, Meckern gilt nicht.

    Direkt vor dem Gebäude reihen sich der Straße entlang mehrere kleinere Lokale aneinander. Eines davon ist das Hotpot Restaurant von gestern abend, ein anderes bietet Wantans an, gedämpft oder in Suppe. Gestaltet - und das ist schon einmal ein erster augenfälliger Unterschied zu Peking - sind die Restaurants allesamt sehr geschmackvoll und stylisch, fast schon designig, sehr schön! Selbst chinesisch rustikal kann hier schick sein, der Prenzlauerberg lässt grüßen.
    Es ist schon immer ein Act bis sich ein jeder unserer illustren Runde für seine Bestellung entschieden hat. Wer teilt was mit wem und was wird eifersüchtig nicht geteilt, das ganze mit etwas Morgenmuffel gewürzt.
    Die Teigtaschen mit ihren verschiedenen Füllungen und Dips schmecken großartig.

    Als wir auf die Straße treten, regnet es und es ist frisch, frische 20 Grad dann, wenn man aus tropischen 34 Grad kommt. Wir sind für einen langen Tag im Regen eindeutig zu dünn und wasserdurchlässig bekleidet, vor allem Nele.
    Also ist erst einmal Shoppen angesagt.
    Die Neugier auf die mondäne Shoppingmeile Nanjing Road war eh und so haben wir unser erstes Ziel voraus.
    In diversen Läden erstehen wir Socken, T Shirts, warme Jacke, Regenjacke. Die Läden heissen
    Miniso, H&M, Giordano, Uniclo, Bershka, die üblichen Verdächtigen, ein, zwei chinesische Fashionstores werden ebenfalls gescannt. Roter Kapitalismus.

    Eindeutig angemessener gekleidet laufen wir die restlichen Meter zum Bund, der berühmten und reichen Promenade am Fluss mit ihren historischen Gebäuden alter Banken und Handelshäuser, gegenüber die Skyline des modernen Shanghai.
    Zumindest können wir sie erahnen. Die hohen Häuser stecken tief in den Wolken. Nur manchmal blitzt die zweite Kugel oder gar die Spitze vom TV Tower durch. Wir müssen uns heute zunächst mit dem Wissen zufrieden geben, dass Shanghai die Stadt mit der zweithöchsten Wolkenkratzerdichte der Welt ist, dass das zur Zeit zweithöchste Gebäude mit seiner bemerkenswerten Architektur direkt vor unserer Nase steht, nur das Burji Kalifa in Dubai ist höher, genauso wie andere architektonische Highlights und Kuriositäten.
    Es schüttet. Es schüttet wie aus Eimern und unsere Schuhe sind komplett nass, nach einer Stunde unterwegs sein. Das wird ja noch lustig heute. Squitsch, squatsch - wir haben Schirme und Pullis, aber wieviel Spaß macht es, wenn die Füsse nass sind. Wir gesellen uns unter einer Arkade zu anderen begossenen chinesischen Leidensgenossen. In einem Kiosk decken wir uns mit ein paar tröstenden Snacks ein und diesen dünnen, bunten, rettenden Regenmänteln.
    So warten wir geduldig unter der Brücke bei Chips, Redbull, Sojamilch und Pissgeruch auf Wetterbesserung.

    Wie auch immer der chinesische Petrus heisst, er erhört unsere genervten Sprüche und drosselt den Regen auf ein erträgliches Maß. Weiter geht‘s, wir suchen unseren Weg Richtung Altshanghai mit den als Must See vielgerühmten Yuyuan Gärten samt Tempel des Stadtgotts.
    Es war mir bekannt, dass auf dem Weg ein Bazar ähnliches Gassengewirr mit vielen lustigen Ramschläden liegt, ein Magnet für ausgehungerte Shoppingqueens. Ramschläden! Es gibt sie doch! Wir bleiben gnadenlos kleben im Bazar, verlieren uns immer tiefer in den Gassen, jeder Klüngel bekommt seine Aufmerksamkeit. Diese durchsichtigen Regenschirme, die viele hier benutzen, sind eine Begehrlichkeit, die wir einkaufen. Bis auf ein Plüschtierchen sind die Damen und Herren aber erfreulich zurückhaltend, ist halt doch viel Schrott, und 16 Uhr mittlerweile. Die Kassen vom Garten schließen um 16:30, wir beeilen uns, kommen aber aus einer ungünstigen Richtung und müssen nahezu komplett um die ummauerte Anlage wandern.
    In einem Gewirr von großen, mehrstöckigen, aber traditionell-historisch anmutenden chinesischen, renovierten oder neu erbauten - man weiß es nicht - Häusern folgen wir den Kassenschildern. Auf jeden Fall befinden sich in den Häusern hochwertigere und hochpreisigere Souvenirläden und Geschäfte. Wenn es denn in Altshanghai mit diesen Häusern einmal so ausgesehen hat, dann war es schon sehr hübsch, wenn es eine Disneyland ähnliche Fiktion ist, ist es gut gemacht. Man kläre mich auf!
    Wir passieren das landesweit bekannte Teehaus, das über einem Gewässer stelzt. Erreicht wird dieses über eine lange steinerne Brücke, die im Zickzack angelegt ist. Wären nicht so viele Menschen auf ihr, wäre auch die sehr schön!
    Wir erreichen den Eingang zum Garten und die Kassen, 16:31 Uhr. Plöd jetzt, is aber so. Ein paar Spitzchen der Bäume und Pagoden im Garten hinter der Mauer erhaschen wir noch bei unserer Kehrtwende.
    In der renovierten Altstadt tummeln wir uns in einem Laden mit ausgesprochen schönen Chopsticks und suchen die schönsten für die Lieben daheim aus, welche aus weißem Porzellan mit blauer Zeichnung.
    Diese romantische Altstadtinszenierung hinter uns bummeln wir durch das wahre alte Shanghai.
    Ganz anders als Peking mit den niedrigen Hofhäusern. Shanghai baut in die Höhe, aber bedingt nur in der Altstadt. Eigentlich sehen die ein/zweistöckigen alten und teilweise ranzigen Häuser genauso aus, wie man sich chinesische alte und ranzige Altstadthäuser vorstellt. Stein, dunkles Holz, rote Laternen, kleine Lädchen, sehr pittoresk und filmkulissig. Es macht viel Spaß hier durchzuspazieren - es regnet kaum noch.
    In der Dämmerung erreichen wir wieder den Bund, die Skyline von Pudong, dem Wolkenkratzernest auf der anderen Seite des Flusses, schaltet gerade ihre Lichter an. Bunt es ist, sehr bunt, in wechselnden Farben, da in Pudong, auf unserer Uferseite gülden leuchtend dagegen der Bund, schön anzuschauen. Besonders auch, weil sich die Lichter nicht nur im Fluss spiegeln, sondern auch im regennassen Asphalt, die wilden Wolkenfetzen sorgen für eine sehr theatralische Kulisse.
    Die befremdliche Bezeichnung Bund kommt übrigens vom Hindustani Wort Band, Deich, Damm bedeutend, und das im weitesten Sinne wurde bei den Engländern in China zur Bezeichnung für Kai, The Bund, mich hat der Name zunächst irritiert. Aber schön isser, der Bund, wir fotografieren begeistert und posen wie bescheuert in den zwei Kulissen, einerseits die Partylichter von Pudong und hinter uns die alten ehrenwerten Banken- und Hotelgebäude eindrucksvoll in goldenem Licht inszeniert, eine beeindruckende und gelungene Inszenierung, wie ich finde.

    In dieses goldene Lichtermeer der Bankenpromenade tauchen wir ein, um langsam zurück zur Nanjing Road zu gelangen, von der aus wir unsere große Runde heute Mittag begonnen haben.
    So manche Überlegung über heute Vormittag in diversen Läden Erspähtes, ist über den Tag zu einem Kaufwunsch heran gereift. Und weil wir wieder dadorten sind, gehen wir diesem Begehr nach und suchen die glitzernden Orte der Verheissung und der Erfüllung noch einmal auf. Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, mit Teenagern unweit einer solch glanzvollen Einkaufsmeile zu wohnen.
    Auf diese Schnickschnack Jagd hat Fynn keine Lust mehr und trollt sich dezent genervt in unser nahes Hotel. Alleinsein und Zocken, zwei gute Gründe.

    Die Damen und ich hingegen lassen uns wieder im glitzernden Lichtstrom treiben und erstehen die eine oder andere Handyhülle und anderen habenwill Kleinkram. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass wir uns gerne in ordinären Fussgängerzonen aufhalten. Dem ist nicht so. Wir sind immer noch unübersehbar in Asien, in China, und so ist der Gesamteindruck des hiesigen Lebens ein besonderer, ein exotischer, selbst in den Fußgängerzonen mit den weltweit üblichen Shops. Es ist etwas anderes, wie hier Geschäfte gemacht werden. Hunderte in Aircon unterkühlten Läden gelangweilt herumstehende Fashiongirls, die sich im Sturzflug auf herein tröpfelnde Kunden werfen und mit Kleidungsvorschlägen zuballern. Süß aber: Hilfe! Oder sie tuscheln kichernd zwei Kleiderständer weiter, während sie das Einkaufsverhalten westlicher Teenies beobachten. Oder sie laufen zwischen Warenpyramiden herum und preisen über ihr Headset verstärkt die Vorzüge ihrer Offerten. Sehr komisch, aber laut: Hilfe!
    So manches Geschäft manchmal ein Museum: In einem mehrstöckigen Kaufhaus gibt es ausschließlich getrocknetes Essen. Sehr schräg, zwei Stockwerke mit mumifizierten Lebensmitteln, die platt gehauenen halben Schweinsköpfe haben nachhaltig beeindruckt.
    In Anbetracht des erschlagenden Angebots sind wir jedoch äusserst zurückhaltend, schließlich muss jeder seinen Rucksack am Ende selbst tragen.
    Blingbling Schauen macht hungrig. Eine Suppenküche in unserer Hotelstraße suchen wir uns aus. Wer mag Pansen und Rinderfett? Und Chili? Es gibt auch milde Versionen ohne die fiesen Einlagen. Am Nachbartisch fängt ein Mann im Muscleshirt an zu weinen, seine Freundin reicht ihm besorgt Tücher - ich bin sehr froh, dass ich das Chili weggelassen habe.
    Was ist das für ein schönes Gefühl, wieder alle Kinder um sich zu haben und die Füße nach so einem eindrucksvollen Tag hochlegen zu können!
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  • Day 17

    HiShanghai

    September 1, 2019 in China ⋅ 🌧 20 °C

    Wir müssen Heute einen Flieger erwischen, unsere nächste Etappe heißt Shanghai.
    Um 7:30 sollte es Frühstück geben, gibt‘s aber nicht. Alles schläft und der Esstisch ist noch unberührt. Das ist tendenziell ungünstig. Ich gehe zur Küche, wo immerhin schon jemand vor sich hin dengelt. Die Englischkenntnisse der Küchenhilfe reichen immerhin soweit, dass sie unsere Problematik versteht, zumindest schaltet sie dei Gänge hoch, alarmiert eine weitere Dame und die Herdfeuer werden angeschmissen. Zehn Minuten später kommen Kaffee, Eier mit Speck und Toastbrot auf den Tisch. Geht doch.
    Unsere Belange sind offensichtlich bekannt, denn uns wird unaufgefordert das für 8 bestellte Taxi bestätigt. Oder war vielleicht die Panik in meinem Blick Anlass für diese beruhigende Information?
    Die nette Lady vom Empfang, die uns sonst so nett zur Seite steht, trudelt dann auch irgendwann während des Frühstücks ein. Sogleich werden auch von ihr noch einmal die Abläufe für unsere Weiterreise wiederholt und bestätigt. Es war einfach irritierend, in ein morgendliches Szenario zu geraten, das jetzt nicht vermuten ließ, dass wir rechtzeitig im fernen Guilin erscheinen würden, um einen bestimmten Flieger zu erwischen.
    Kurz vor Neun schließen wir dann aber letztendlich die Taxitüren und brummen los, mit dem Ziel internationaler Flughafen Guilin.

    In chinesischen Großstädten gibts ja gerne mal zwei Flughäfen oder zwei Bahnhöfe, können auch gut drei sein, ganz zu schweigen von mindestens drei Busbahnhöfen, mindestens. Den Terminal sollte man in Großstädten besser auch wissen oder bei Zweifeln gegebenenfalls gleich noch eine halbe Stunde Transferzeit dazu rechnen.
    Guilin International hat Gottseidank nur zwei Terminals und die liegen erfreulicher Weise gleich nebeneinander.
    Es ist Sonntag und der Verkehr low, so erreichen wir trotz der morgendlichen Verzögerungen nach einer guten Stunde Fahrt, entspannte zwei Stunden vor Abflug den Airport.

    Und die zwei Stunden Vorlauf vor Abflug braucht man als Ausländer auch in China. Den Check-In Schalter suchen ist die erste Challenge. Der Flughafen ist groß und nur gelegentlich „international“, zumindest soweit das die Beschilderung angeht. Das macht den Einstieg in die Prozedur etwas unübersichtlich, aber die eingespielten China-Haudegen finden natürlich die richtigen Schalter recht bald.
    Unsere Rucksäcke haben auf wundersame Weise ziemlich an Gewicht zugenommen, sagt die Waage. In meinem Rucksack reist jetzt aber auch der 1,5 Kilo Lonely Planet Schinken mit, nur so nebenbei erwähnt.
    Die erste Station, die die eingecheckten Gepäckstücke durchlaufen ist ein großer, grauer Kasten mit einer Lampe drauf, in dem sie verschwinden, ein Scanner. Ist alles in Ordnung, dann leuchtet die Lampe normaler Weise Grün.
    Meine Lampe blinkt Gelb. Die adrette Politesse ist sogleich zur Stelle, ich muss mit ihr mitkommen, ohje.
    Gepäckkontrolle im Gitterzimmer gleich hinter den Gepäckbändern, bitte Rucksack öffnen.
    Aber, äh, wonach suche ich jetzt genau? Meine Feuerzeuge habt ihr doch schon... Lange Politessenaugen wühlen interessiert in meinem Verhau mit... ähhm, vielleicht... ist... es... ja... mein Messer ...?
    Nicht? ...o ...hm... ah, jetzt, ja! Moment, Idee! Ich krutschtl meine Box mit lauter so praktischen Reisedingen gefüllt, hervor, öffne die Kiste und umgehend strahlen mich zufriedene Behördenaugen an. Yeeees, die Batterien! Da haben wir’s! Nicht ein Päckchen, nicht zwei Päckchen, nein! Ganze drei Päckchen Batterien habe ich im Rucksack, und ganz schön schwer eigentlich, nebenbei bemerkt... Die Behördendame ist‘s zufrieden und deutet mir, dass ich diese Art von Batterien durchaus mitnehmen darf und sie wieder einpacken kann. Falscher Alarm, das wars dann, vielen Dank der Herr.
    Jetzt darf ich den Rucksack noch einmal aufs Band legen, er verschwindet in der Röhre, das Licht bleibt Grün und wir bekommen endlich unsere Reisepässe wieder zurück.
    Jetzt geht‘s zur Security, zur richtigen. Die eingehende Prozedur flutscht wieder und wir finden uns bald im Flieger sitzend.
    Von Guilin nach Singapur sind es nur 1.200 km, für den Direktflug sind aber ganze 3:45 h angesetzt, verwunderlich lang für diese Strecke.
    Des Rätsels Lösung ist ein Zwischenstopp in einer Stadt, deren Name wir nicht verstehen und kennen und auch nicht kennen müssen. Wir bleiben in der Maschine sitzen, einige Leute steigen aus, andere ein. Während der guten Stunde Flug zur Stadt ohne Namen wurden in Windeseile Getränke und gar nicht so schlechtes warmes Essen verteilt und die Reste umgehend wieder eingesammelt. Respekt.

    Am frühen Nachmittag landen wir in Shanghai. Eigentlich sollten wir erst spät abends landen, mit einer anderen Maschine, aber die wurde wenige Tage vor Reisebeginn von der Fluglinie ersatzlos gestrichen. Und hier muss ich Trip.com erneut begeistert lobend erwähnen. Nicht nur, dass man äusserst zuverlässig und unkompliziertest über die App Züge und Flüge innerhalb Chinas unbürokratisch buchen und bezahlen kann, und seien es noch so provinzielle Verbindungen, nein, man kümmert sich beim Kundenservice bei Stornierungen extrem bemüht um Alternativen. Und wenn das bedeutet, dass direkt mit der chinesischen Fluglinie telefoniert, verhandelt und bestätigt werden muss. Ein unglaublich toller Service und sehr beruhigend!
    So führte sie Stornierung dazu, dass wir ein paar Flüge früher in Shanghai ankommen und uns somit quasi der ganze Nachmittag als ein Mehr an Zeit in dieser Stadt geschenkt wurde.

    Die haben wir dann auch gebraucht, um mit der U-Bahn in die City zu kommen und unser Appartment zu finden. Das Ding war nämlich, dass die Straße, in der unser Appartment liegen sollte von keinem der Navis korrekt lokalisiert werden konnte. Die GPS Koordinaten von Booking waren falsch und die Markierung wurde in der einen wie anderen Karte schlichtweg falsch gesetzt. Die Gegend hat zwar gestimmt, aber an den markierten Stelle war kein Hotel, sondern ein Stadthighway oder eine Bank. Super, und das in voller Montur mit schweren Rucksäcken.
    Weiteres Herumirren und Straßensuchen. Irgendwie haben wir dann die gesuchte Straße über Lauras Handy doch noch gefunden, in einer ganz anderen Ecke und Richtung. Eine murrende und etwas angesäuerte Karawane tippelt entlang breiter Straßen und im Schatten hoher Hochhäuser, hoffnungsvoll in die Richtung anderer Hochhäuser.
    Wir sind ganz nah, fast ganz nah, denn ein Eingang, wo der Cursor auf der Karte blinkt, ist nicht zu finden. Der einzige Zugang in der Nähe in ein bewohntes Haus, ist der zu einem Hotel, in dem wir aber definitv nicht gebucht haben, wir haben ein privates Appartment gebucht.
    Ratlos gehen wir zur Rezeption des Hotels und zeigen eine kryptische Nummer, die bei der vagen Adressangabe wohl die Nummer des Appartments sein sollte, vermuten wir zumindest. Große Augen des Rezeptionisten, in denen wir große Fragezeichen erkennen können. Aber er bestätigt, dass die Adresse dieses Hotel ist, er diese Nummer jedoch nicht kennt. Er zeigt auf die Aufzüge. Ein Teil der Aufzüge fährt von Stock 25 bis 49, der andere von 1 bis 24. Unsere Nummer 1724. Also versuchen wir es so: 17. Stock, Zimmer 24. Gespannt laufen wir durch barock tapezierte Gänge mit dazu passendem, dick gepolsterten Teppichboden, vollkommen hässlich. Und plötzlich stehen wir vor einer Tür mit der Nummer 1724. Aber um hineinzukommen benötigt man eine Keycard und so etwas haben wir nicht. Also wieder runter zur Rezeption. Wir zeigen dort nochmals unsere Daten, die wir von Booking zu diesen Appartment bekommen haben. Eine Telefonnummer wird angerufen und es meldet sich tatsächlich jemand, die Besitzerin! Sie sagt, wir würden mit einem Code ins Appartment kommen, den sie uns per SMS schickt, nicht mit einer Keycard, und schön, das wir’s gefunden haben! Aber wo Bitteschön soll man diesen Code eingeben, wenn da nur dieses Schloß an der Tür ist? Also wieder rauf in den 17. und zur Tür. Und kurz fühle ich mich wie Gandalf im Herr der Ringe, der Stunden lang versucht die Tür zu Minastirith aufzuzaubern, aber einfach nicht auf den richtigen Zauberspruch kommt, wo doch die Lösung so nahe lag. Und so geht es eben uns vor der Tür mit der Nummer 1724. Die einfache und naheliegende Lösung ist die, dass man das vermeintliche Keycard-Schloss nur kurz berühren musste, um eine blau leuchtende Touchscreen Tastatur zu aktivieren. Meiomeiomei! Code rein und klicke-di-klick, eine lange Odyssee endet glücklich und erleichtert in einen kleinen Appartment mit atemberaubenden Ausblick vom 17. Stock auf Shanghai.

    Es ist also so, dass ein Teil des Hauses vom Hotel belegt ist, zwischen den Hotelzimmern aber Privatappartments gestreut sind. Warum hat die Besitzerin nicht gleich als Adresse den Namen vom Hotel angegeben? Man weiß es nicht.
    Promt klingelt Lauras Telefon, die Besitzerin ist dran. In sauberem Englisch gratuliert sie uns zu unserer bestandenen Challenge und kündigt an, das gleich ihre Putzkraft kommt und das Sofa in ein zweites Bett umbaut und auch gleich die Miete kassiert. Derweil machen wir uns im Zimmer breit und frisch und drängeln uns im Fenstererker mit dem atemberaubenden Blick hinunter auf die Straße und dem weiten Blick über die Stadt. Das Appartment ist recht klein, aber ausreichend und gemütlich, mit Kaffeekocher und Bad mit Dusche, was will man mehr! Die Laune steigt massiv, die chinesische Putzdame baut und bezieht Bett, kassiert und verschwindet wieder. Shanghai, wir kommen!

    Es dämmert, als wir zum Orientierungslauf aus dem Hotelbau treten. Die Straße um die Ecke blickt am Ende direkt auf den bunt leuchteten Oriental Pearl TV Tower, das Wahrzeichen Shanghais. Der ist noch ein gutes Stück weg, dennoch beginnen wir in diese Richtung zu gehen. Auf dem Weg registrieren wir gleich mehrere Restaurants nebeneinander, die keinem von uns mehr nach ein paar hundert Metern Laufen aus dem Kopf gehen wollen. Wir haben allesamt Hunger, der TV Tower kann warten.
    Ein hübsch dekoriertes Lokal bietet Hotpot an, genau das richtige für uns jetzt, denn in Shanghai hat es gerade mal etwas über 20 Grad und wir frieren fast nach den 34 Grad im Süden.

    Ein nettes Kerlchen gibt uns die Karten, alles auf Chinesisch! Kurz überlegen wir wieder zu gehen, aber das Essen am Nachbartisch sieht einfach zu lecker aus. Also kämpfen wir uns mit der ÜbersetzerApp durch die Karte, aber nicht allein. Die junge Bedienung zückt ihr Handy und leitet uns mit der englischen Übersetzung seiner Texte an. Erst bestellen wir eine einfache Brühe, dann das hauchdünn geschnittene Fleisch, Lamm und Rind, dann diverse Gemüse und Dips. Der ganze Vorgang zieht sich durch die geduldige Tipperei und Abstimmerei mit dem Kellner zwar etwas, aber das, was wir dann auf den Tisch bekommen ist ein Fest! So unglaublich fein und lecker, wir schlemmen bis kein Fitzelchen mehr in uns hineinpasst. Richtig richtig gut, und zu guter Letzt die allerfeinste Brühe, die wir aus dem Hotpot löffeln. Der ganze Spaß kostet am Ende keine 50 Euro. Ein unerwartetes Finale und eine großartige Belohnung für diesen schönen, aber anstrengenden Reisetag von Yangshuo nach Shanghai!
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  • Day 16

    ChefsDeChine

    August 31, 2019 in China ⋅ ⛅ 30 °C

    Die liebe Morgenroutine haben wir bis 9:30 gut erledigt, denn dann werden wir zu unserem Kochkurs abgeholt! Ich freu mich schon sehr drauf, den komplett mit allen Dreien zu machen.
    Erst werden wir zum Markt gebracht, der gar nicht so klein ist, aber schwer zu finden, weil der nur über ein Doppeltor von der Straße aus betretbar ist. Eine kleine, rote, quirlige Dame namens Mandy - oh Mandy - stellt sich uns am Eingang als Kochcoach für die nächsten drei/vier Stunden zu vor. In Chenglish werden wir über den Markt gewirbelt, kleine Sachkunde, so einiges Unbekanntes bekommt einen Namen.
    In der Fleischabteilung hat man nicht nur den Hunden das Fell über die Ohren gezogen, sondern auch den Katzen. Nele und ich haben uns das von Laura und Fynn nur berichten lassen, Nele hat die Besichtigung dieses Mal verweigert. Ich habe noch nie von einem Land gehört, dass dort Katzen gegessen werden, nicht einmal in Vietnam. Die haben da zwar alle verstümmelte Schwänze, aber sie sind häufiger anzutreffen als alle anderen Tiere.

    Nach dem kurz gehaltenen Exkurs in die Welt der Rohstoffe und Zutaten werden wir in ein Dorf kutschiert, in dem sich die Kochschule befindet. Die Alternative Location für den Kurs wäre ein Restaurant namens Cloud 9 in der Fußgängerzone gewesen, ein Dorf schien uns aber viel romantischer, wenigstens authentischer als Kulisse. Und das ist es dann auch tatsächlich, die Arbeitsplätze in einem großzügigen, offenen Haus mit Holzdach und Hahnengeschrei vom Kräutergarten gleich nebenan, was ein inspirierendes Ambiente. Die rote Mandy - oh Mandy - verteilt blaue Schürzen. Mit von der Partie ist noch ein jüngeres amerikanisches Paar. Die arbeiten in der amerikanischen Botschaft in Peking und machen langes Wochenende in Yangshuo. Er groß, schlacksig, pickelig und nicht sehr redselig, sie eher eine Kurze, isst wohl gerne und kann sprechen.
    Wir konzentrieren uns dann aber lieber mal auf‘s Kochen. Vor uns steht ein Brenner, Schneidebretter, Beilmesser, Gewürze, das vorbereitete Gemüse und das Fleisch.

    Fünf Gerichte werden es sein, deren Zubereitung wir lernen. Aber nicht nur die, sondern auch die richtige Handhabe der Küchenutensilien samt die Deutung der Rauchzeichen zur richtigen Woktemperierung. Fünf Gerichte also.
    Eierdumplings als Vorspeise, dann gedünstetes
    Huhn mit Knoblauch, Knoblauchgrün und Datteln,
    Süßkartoffelblätter Gemüse, Auberginen mit Ingwer und Knoblauch und zu guter letzt Gemüse mit Schweinefleisch. Ich werde die Rezepte jetzt aber nicht en Detail beschreiben, keine Sorge.
    Mandy erklärt und führt jeden einzelnen Schritt vor, wie wir das Beilmesser richtig halten, wie wir diese kleinen, hübschen Gemüsestreifen damit zustande bekommen, wie Knoblauchzehen massenhaft schnellst zerkleinert werden, woran wir sehen, dass der Wok die richtige Temperatur hat und wieviel Spaß Kochen Lernen machen kann. Chinesisch Kochen geht so dermaßen ratzefatze, wenn man die Abläufe kennt und entsprechend vorbereitet hat, dass bevor man es sich versieht, fünf leckere Gerichte fertig gezaubert sind.
    Die Eierdumplings waren mein persönliches Highlight, sowohl in der Zubereitung als auch als Gericht. Geschlagenes Ei wird in den Wok gegeben, in die Mitte des etwa Handteller großen Eierflecks wird ein wenig Fleischfüllung gegeben, dann wird das Ding in der Mitte geknickt und geschlossen, der halbkreisförmige Dumpling verklebt am Rand, noch ein wenig die Fleischfüllung garen, aufpassen dass nix verbrennt, fertig!
    Das Hantieren mit dieser Wokschaufel und lenkenden Stäbchen geht überraschend gut dabei. Die Abfolge der Kochgänge geht recht zügig von statten und gemerkt hat sichs keiner so richtig, aber wir habens ja gefilmt.

    Gegessen wird das Menu in großer Runde in einem offenen Raum gleich nebenan mit Gartenblick und wieder diesem Bergpanorama. Wir probieren unsere Kreationen natürlich gegenseitig und jedes schmeckt so ein bisschen anders, obwohl die gleichen Zutaten verwendet wurden.
    Das Ami-Couple lässt das meiste von den Leckereien stehen und verdrückt sich dann ziemlich schnell. Seltsame Gesellen. Wir essen, genießen und palavern noch ein Weilchen. Zum Abschied gibts dann noch ein Zettelchen mit den Rezepten und ein freundliches Lächeln. Früher Nachmittag sind wir komplett abgefüllt wieder im Zimmer.
    Der Nachmittag ist frei. Dösen, Zocken, Schreiben, Reden. Ich mag gerne noch ein bisschen mit dem Rad herumcruisen, an schönen Stellen verweilen und vielleicht Fotos machen. Dafür kann ich jedoch keinen gewinnen und zuckel alleine los.
    Es hat was, auch mal ohne Anhang im eigenen Tempo unterwegs zu sein. Radeln, stopp, schauen, radeln, stopp, schauen, Foto, schauen, radeln, stopp... spätestens jetzt schon hätten die Kinder mich genervt von der Brücke gestürzt...
    Das Nachmittagslicht hat schon immer wieder etwas besonderes. Es wärmt die Welt und das Herz und bringt so viel Freundlichkeit ins Ambiente. Ich atme tief durch. China duftet nicht, manchmal riecht es, aber es duftet nicht. Bali duftet, Indien duftet - oder stinkt bestialisch - und China? also ich rieche nichts. Selbst die Wäsche nach dem Laundryservice - nix. Noch in Malaysia haste gerade die frische Wäschetüte aufgemacht und warst dann gleich ein Weichspülerduftjunkie. So lecker. Oder in Indien, oder Little Indias diverse, die Jasminblüten in den Haaren der Frauen vor dir im Bus... ein Heiratsgrund. Und China? Essensduft vielleicht? Das könnte sein... hm, ich halte die Nase weiterhin offen.
    Aber die Augen haben ordentlich was zu Schauen. Nur zu schnell gewöhnt man sich an den Anblick der chinesischen Besonderheiten, Ornamentik, Schriftzeichen, Exotik. Viele von uns tragen die Klischees in unseren Kopf herum, und sei es die vom Chinarestaurant oder die Chinatown von Bangkok, und so kommt mir diese chinesische Ästhetik fast selbstverständlich vor auf diesem Filmset hier und doch auch wieder sehr unwirklich. Aber es ist real, es ist echt echt und ich stehe mittendrin und es lebt, lärmt, bewegt sich und duftet gelegentlich zumindest nach Essen, und rauchenden Männer an Spieltischen. Zwickt‘s mi! Es ist einfach großartig! Reiseglück.

    Ich erkenne den Eingang zur Markthalle wieder und ein paar hundert Meter weiter erspähe ich rechts die Fußgängerzone und beschließe mir dieses Ding einmal näher anzusehen. Ein bunter Laden neben dem anderen, eine Shoppingmall-Burg in Chinaarchitektur um einen sehr frei interpretierten Zen-Weiher herum drappiert. Starbucks, McDonalds, klar, gefühlt eh alle 150 Meter in China. Miniso der zehnte, hahnebüchen dekorierte Restaurants. In einem ertrinken die Gäste schier in einem Plastikblumenmeer aus nach Hilfe schreienden Farben. Viele Süßigkeitenläden. Vor einem stehen in folkloristischen blauroten Plasikkostümen zwei muskulöse Männer gegenüber an einem großen Pott, kreisen die Hüften in einem anderen Zyklus als die Arme, mit denen sie einen Schwengel halten und so tun, als würden sie irgendeine Masse umrühren. Dabei singen sie in ihre Headsets so etwas ähnliches wie „Backe, backe Kuchen“. In Dauerschleife, ohne Pause, stundenlang, live und echt. Was ein Job. Davor auf der Straße ein älterer Mann in einem nicht weniger albernen Kostüm, der sein Produkt anpreist und die Leute auf der Straße anlabert, ebenso verstärkt über sein Headset. Megatrashig, geil.
    Und Schnickschnackläden und ich denke an meine Kinder und ich vermisse sie, weil das gefällt, amüsiert und unterhält sie sicher genauso wie mich, denke ich. Also 180 Grad gewendet und zurück ins Hotel.
    Die Kinder sind jedoch nicht im Zimmer. Ich finde sie unten auf der Terrasse am Flussufer und sie beschnitzen kleine Bambusrohre, da sollen später mal Kugelschreiberminen rein.
    Bald sind sie fertig, erfreut und willig und wir radeln erneut die zehn/fünfzehn Minuten zur Fussgängerzone.
    Die ist jetzt schon etwas vollerbunterlauter als vor einer Stunde, der Abend dämmert auch schon und die Bonbonshows ungebrochen in vollem Gange. Die Läden saugen uns ein und spucken uns auch wieder aus, manchmal sogar mit einer kleinen Neuerwerbung. Zaubertrickringe kaufen wir uns von einem Straßenhändler, Fynn hat den Trick bald ziemlich gut raus. Es gibt bunte Keksbällchen mit Trockeneisrauch gefüllt. Sogar Modeläden mit sehr witzigen Designerklamotten. Wir lesen German Bratwurst neben dem Erdinger Weissbierlogo. Zwei Rot karierte Chinesendirndl kichern uns an. Der Wirt sieht deutsch aus, wir gehen hin und fangen an, mit ihm zu ratschen. Er und sein Partner kommen aus Rosenheim, gleich um die Ecke bei mir Zuhause, und seit sieben Jahren versuchen sie aus den chinesischen Nahrungsmittelangebot bayrisch schmeckende Schmankerl zusammenzu ...äh ...batzen. Die Fotos auf der Speisekarte sehen sehr abenteuerlich aus, die German Currywurst genauso wie die Schweinshaxn. Hätte ich mir meinen Abendessenhunger damit nicht versaut, würde ich‘s glatt mal probieren. Kuriose Sache. Nur, so richtig glücklich und motiviert klang er bayrische Expat jetzt nicht.
    Im Laufe des frühen Abends machen auf der Fussgängezone immer mehr GoGo Clubs auf, so wie in Thailand, nur etwas keuscher, noch, aber mit schrilleren Outfits in noch schrilleren Bars, die da heissen Bad Panda Bar oder E.T. Space Bar. Also doch gar nicht so schlecht für‘s Amüsmoh, die Meile.

    Der Verzicht auf Schweinshaxen hat nicht nur Heimat- sondern auch Hungergefühle geweckt. Dumm nur dass das Gastronomieviertel so ganz in der anderen Richtung der Altstadt liegt. Plötzlich allegemeiner Riesenhunger, Essen muss her, schnell. Der nächste Imbiss wird besetzt, Mama kocht. Zweierlei Dumplings und Schweinefleisch süßsauer werden serviert. Ach sooo, soo muss Schweinefleisch süßsauer schmecken! Dreimal die beste Wahl, so unglaublich lecker ist das. Mama eben.

    Und wie‘s so ist nach dem Essen, die Müdigkeit überfällt uns gnadenlos. Wir müssen über die Fußgängerzone auch wieder zurück. Der Betrieb hat jetzt voll aufgedreht. Es ist ordentlich voll, aber noch kein Geschiebe, selbst die Bars füllen sich langsam mit Cowboys, auf die schon blonde Manga-Damen warten. Glitzer, glitzer, bling, bling, was ein Spektakel. Geplärre, Gezeter, Gestampfe und Gekaufe. Fynn mag noch einen Laserpointer erwerben und schlägt mit Laura für den Lichtstab einen guten Preis raus. Die letzten Meter zu unseren Fahrrädern sind geschafft, jetzt reichts dann auch.
    Bald wird die Straße wieder still und irgendwann, bei einem roten Leuchtschild biegen wir ab in unser sehr geschätztes Hotel. Die Kinder gehen schon mal hoch, ich mache noch kurz das Taxi und die Zeiten für Morgen klar. Dann verschwinde auch ich im Schatten unseres dunklen Aufganges. Vor dem Schlafen müssen wir noch unser Gepäck flugtauglich packen. Danach sieht das Zimmer ja wieder richtig geräumig aus! Bis Morgen!
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  • Day 15

    DasLebenIstEinLangerRuhigerFluss

    August 30, 2019 in China ⋅ ☁️ 30 °C

    Ein bisserl Ausschlafen gönnen wir uns heute bis 9:00. Gefrühstückt wird das Frühstück heute mit Dach überm Kopf, es regnet, nicht schlimm, aber halt nass. Heute rüsten wir uns besser als gestern für die Feuchtigkeit von oben, man lernt ja schließlich dazu. Wechselklamotten in Tüten, Regenschutz über die Rucksäcke und Regenschirme. Dazu muss ich noch sagen, gestern hat uns der Regen überrascht, er war auf keiner Wetter-App angesagt. Egal, Heute ist heute. Als wir losradeln tröpfelt es nur noch, eine Viertelstunde später, als wir mitten in der Stadt sind, wieder Regen. Aber das Schicksal hat es gut mit uns gemeint und wir landen direkt unter der Markise von einem Regenmantelgeschäft, also in erster Linie ein Anglerladen, und zur Anglerausrüstung gehört natürlich auch, na?
    Vier Plastikmäntel in schrecklichen Farben bitte!
    Blau, Gelb, Pink, Pink. Und wer bekommt den zweiten pinken Mantel? Papa Clown, klar. Einer kostet nen Euro. Der bunte Radel Vierer erreicht nach bekannter Route durch die Stadt wieder das große Portal der Ruhe von gestern, vom Stadtlärm zur Stille der E-Scooter.
    Vor der Brücke über den Yulong River und vor dem Ancient Banyan Tree biegen wir heute rechts ab statt gerade aus und folgen der kleinen Straße entlang dem Fluss.
    Und das ist die Idee für heute. Entspannt immer den Fluss entlang, bis wir irgendwann auf der anderen Seite wieder zurück radeln.
    Es regnet jetzt ordentlich, warm immerhin, wir radeln unverzagt und ohne Murren. Die nasse Landschaft im nassen Licht hat ihren ganz besonderen Reiz. Satte Farben, wenn auch trüb, Wolkenfetzen und Nebelschwaden verleihen der eh schon besonderen Natur noch mehr Mystik. Dazu die Stille, die den ruhigen Fluß begleitet. Very zen! Nur an den nassen Hosen klebt das Bewußtsein des Irdischen und halten meine Aufmerksamkeit in der Realität. Das ist gelegentlich auch besser so, denn immer wieder schleicht sich ein E-Auto an oder es donnert einer dieser LKWs vorbei, vollgepackt mit Bambusfloßen, mit denen später weiter flussaufwärts eine Passage inklusive Steuermann für diverse Etappen gebucht werden kann.

    Ich stoppe häufig, um Fotos zu machen, den vergrößerten Abstand zu den vorneweg radelnden Kindern muss ich dann in einem kleinen Spurt wieder aufholen. Ich pedaliere mit Schirm statt Regenhaut, denn sonst würde ich darunter höllisch schwitzen.
    Irgendwann warten die Kinder dann auf mich, mit diesen bestimmten Blicken: Nass, Hunger, Durst, Pause. 200 Meter zuvor war am Wegesrand ein Glashaus direkt am Reisfeld, das sehr einladend aussah und das nicht nur mir aufgefallen war. Einstimmig kehren wir um und ein.
    Es ist ein Teehaus mit selbst gemachten, ausgefallenen Tees, Eis, Kakao und kleinen Gerichten, alles organic, ein Stück Individualität und modernes China. Die Getränke und die taiwanesischen Nudeln halten, was die Karte blumig versprochen hat. Es ist sehr schön bei Regen in diesem Glashaus zu sitzen, heisse, leckerste Getränke zu genießen und hinaus in die triefende Natur zu blicken und sich zu unterhalten. Die eineinhalb Stunden fliegen.
    Der Regen hat nachgelassen und wir schwingen uns wieder auf die Sattel. Ein kleiner Weg zweigt links ab, den wir zunächst zu Fuß erforschen. Er führt uns durch Reisfelder und Bambuschwerk zum Flussufer. Hinter einen kleinen Brücke befindet sich dann ein kleinerer Weg, der direkt am Flussufer entlang führt.m, hier fahren keine Autos. Das ist es doch, wir holen unsere Räder.

    An einer breiteren Stelle des Flusses steigen wir ab und zwischen Steinen herum und testen abwechselnd unsere zwei neuen Steinschleudern, die wir auf dem Markt gekauft haben, richtig coole Dinger. Die üppige Vegetation am Fluss ist fast tropisch, immer wieder Bambusinseln am Uferweg. Das Tal in dem wir gerade sind, ist ständig umgeben von diesen einzigartigen Kalkbergen, Harmonie pur.
    Immer wieder gondeln diese schmalen Bambusfloße an uns vorbei, auf zwei Stühlen sitzen fotografierende Touristen, ein großer bunter Schirm schützt sie vor den Elementen und ein Steuermann hält das Floß mit langem Bambusstab auf Kurs. Manchmal geht es über kleinere Wasserfallstufen etwas rasanter, das ist die Challenge bei dieser Tour, es darf gekreischt werden, liebe Chinesendamen, und es darf heldenhaft beschützt werden, liebe Chinesenherren. So werden Helden gemacht und Herzen erobert.

    Ein gepflasterter Weg führt uns im weiteren zu einem kleinen hübschen offenen Holzpavillion, ein Pagödchen, mit Bänken darunter. Was für eine Einladung! Eine Bank für jeden, nur sehr selten ein Spaziergänger, nur Schmetterlinge und leise kreischende Damen und es hat aufgehört zu regnen.
    Diese Ruhe in dieser fantastischen Landschaft, das ist einfach zu viel der Harmonie, irgendwie döst irgendwann jeder einmal ordentlich weg oder schaut nur zufrieden in die Naturunde oder beschäftigt sich sonstwie mit allem, was da so kreucht und fleucht.
    Wir verlieren das Zeitgefühl, ist das nicht schön?
    Drei Stunden verchillen wir so. Das ist glaube ich das erste Mal, dass wir so richtig zur Ruhe kommen, und das ganz ohne omnipräsente chinesische Gesellschaft.

    Wir beschließen den Uferweg so lange zu beradeln, bis er irgendwann aufhört. Bis dahin müssen wir die Räder immer wieder über hübsche, kleine Steinbrücken hieven, unter denen ein Bewässerungskanal in die zurzeit hellgrünen Reisfelder führt. Immer wieder und immer öfter ziehen Floße an uns vorbei, hier muss irgendwo win Bus sein... Insgesamt begegnen wir auch ganzen drei Hochzeitsshootings auf den Dämmen, die quer in den Fluss hineinragen und die begehbar sind. Die Landschaft ist natürlich eine atemberaubende Kulisse, mit Brautkleid und schwarzem Anzug mit Fliege, ein fast schon kitschiger Fotobackground. Sehr lustig, wie oft das Setting „Braut mit fliegenden Hochzeitskleid trifft auf schmalem Damm bei untergehender Sonne auf erwartungsvollen Bräutigam, mit offenen Armen laufend“ wiederholt werden muss, bis DAS Bild im Kasten ist. Ins Wasser gefallen ist immerhin keiner. Aber ungelogen und ganz neidlos, es ist eine nachvollziehbare Romantik, ein bisschen zu dick aufgetragen vielleicht. Ach, dieses poetische Volk. Auf dem Foto sieht es vielleicht auch noch so aus, als ob die Liebenden gerade über das glitzernde Wasser laufen, die beiden Hochzeits Klöpse in Zartrosa und schwarzer Wursthaut mit Fliege.
    Da hat sie uns auch schon wieder, die Realität und die Endstation der Floßpassagen. Das Tal, die Reisfelder, der Bambus, der Fluss, die Berge, der Sonnenuntergang am Horizont, zum Niederknien, das geht ganz ganz tief rein ins Herz, sage ich euch.
    Schwerst beeindruckt und entspannt radeln wir zurück in die Stadt, immer wieder verwundert über die Art und Weise, Bedürfnisse und die Ausprägungen des einheimischen Tourismus.
    Beim Kletterfels zum Beispiel, sind bei allen Routen die Haken schon in der Wand und am Ende der Route hängen riesenhafte Teddybären, mitten am Fels, ein sehr schräger Anblick. Alles supersafe, convenient, gelenkt, strukturiert und absolut risikofrei, kurze, gepflasterte Wege, Treppenstufen, inszenierte Natur. Die wahre, wilde Natur sieht man an diesen touristischen Orten meist nur aus sicherer Entfernung. Besser so, bevor eine begeisterte Masse alles niedertrampelt. Es ist gar nicht so leicht und bedarf eines gewissen Aufwands, sich in diesem Land individuell spontan off the beaten track zu bewegen. Also das geht natürlich schon, aber ich zumindest bräuchte da einfach etwas mehr Zeit und Muße für Orientierung und Planung.
    Es ist wie immer egal, in welches Restaurant am Ort man einkehrt, die Speisekarten sind wirklich nahezu identisch. Die Location macht oft nur den Unterschied. Wir suchen uns Heute Abend eines der Lokale in der Stadt direkt am Fluss aus. Eine unangenehme Dame mit rauher Stimme belabert uns prompt und penetrantest mit dem Menü eines der Restaurants, die sich hier aneinander reihen. Als wir nicht anspringen, versucht sie es mit diversen Rabattstufen.
    Wir gehen unbeeindruckt in die Lokalität daneben, weil wir nämlich draußen dinieren wollen, auf der Terrasse über dem Fluss mit Blick auf Hafen und Stadt, das gibts im anderen Resto nämlich nicht. Kaum haben wir und gesetzt, kommt eine Bedienung und versucht uns im geschlossenen Gastraum zu platzieren, wo auch alle anderen Gäste sitzen, in Aircon unterkühltem Kaltlichtambiente. Wir wollen Terrasse, als einzige Gäste. Es ist wunderschön da draussen zu sitzen. Das Mückenargument lassen wir auch nicht gelten und sprühen uns demonstrativ ein. Der Ventilator über uns wird ausgeschaltet, wir wollen trotzdem Terrasse. Das Licht wird reduziert. Wir bleiben. Man ist anscheinend sehr besorgt um uns und es ist so gar nicht nachvollziehbar, warum wir gerne an der ungekühlten Luft zwischen diversen Insekten speisen wollen. Dann haben wir sturen Langnasen-Böcke auch schon unsere Gerichte ausgesucht und bestellen bei der resignierten Dame. Das Essen mundet einmal mehr sehr gut bis auf die Tatsache, dass gefüllte Bittergurken tatsächlich richtig bitter sind. Die waren so appetitlich fotografiert in der Speisenkarte.

    Mit aufgestockten Wasservorräten und Knabberzeug kommen wir Zuhause an und verbringen die Zeit bis zum Schlafengehen mit zocken und schreiben und ratschen.
    Wenn wir nachts auf dunklen Straßen mit den Rädern unterwegs sind, haben wir übrigens Stirnlampen an. Der letzte hat dann das Rotlicht am Hinterkopf. Beruhigend auch immer wieder die Tatsache, dass der Straßenverkehr hierzulande nicht sehr schnell ist.
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  • Day 14

    MuddyWaters

    August 29, 2019 in China ⋅ ☁️ 34 °C

    Was steht Heute an? Ausschlafen! Spät frühstücken, Toast mit Eiern, chillen. Um 14 Uhr wedelt der unternehmungslustige Reiseleiter von Papareisen mit seinem Knoblauchfähnchen wieder zum Aufbruch.
    Aber erstmal Essen, logisch. Ein kleineres Familienlokal hat so nachmittäglich spät noch die Küche auf. Immer rein mit uns. Die Speisekarte kann kein Englisch, die Familie auch nicht. Das kann ja heiter werden. Wir googleübersetzen uns durch die teilweise abenteuerlichen Speiseinterpretationen. Es ist kompliziert, aber wir finden was.
    Aber ganz ehrlich, keiner von uns kann sich mehr an das Essen erinnern, das wir bestellt haben. Es war sicher nicht schlecht, wie das Essen überhaupt in China.
    Woran wir uns aber alle noch erinnern ist, dass der Knabe des Hauses uns das Essen mit Kippe im Mund serviert und bevor er uns die Teller lustlos auf den Tisch stellt, das Essen mit seinem Rauch beräuchert. Er ist sich über seine absolut dümmliche Respektlosigkeit wohl gar nicht bewußt - oder vielleicht doch? - egal, unser Wohlwollen hat er damit sofort verspielt, es gibt ja doch Grenzen. Wir essen lästernd und mit bösem Blick schnell und tschüss.
    Schon heftig, dieses hirnlose Scheisserchen.

    Tief durchatmen und weiter. Das Ziel ist der Moon Hill, ein Berg mit einem Loch im oberen Teil, das mit der Landschaft dahinter aussieht wie ein Halbmond.
    Um auf die richtige Straße zu kommen, müssen wir erst einmal durch den verkehrsreichsten Teil der Stadt. Der ist gut und einigermaßen sicher zu bewältigen, weil es erstens keine Raser gibt, zum anderen läuft parallel zur großen Straße noch eine kleinere für Langsamere, wie wir mit Rad. Auf großen, belebten Straßen abbiegen ist uns sicherer über die Fussgängerampeln. Ein Stück noch auf der großen bis zu einem großen Tor, einem Kontrollpunkt. Ab hier dürfen keine Busse mehr fahren, ab hier beginnt der ruhige Teil und die Attraktionen. Viele Familien leihen sich hier teilweise sehr abenteuerliche E-Scooter und eiern sich damit ins Ausflugsglück, mit dem Rad sind wir schneller.

    Links und rechts der Straße kleine Imbisskioske mit Kokosnüssen oder Melonen zu trinken.
    Auch immer wieder Hotelkonglomerate mit schier unendlichen Kapazitäten. Links und rechts ist die Strasse auch immer wieder von touristischen Attraktionen gesäumt: Tropfsteinhöhlen, Kletterwänden, Tempel, sogar ein Erlebnisschwimmbad mit großen Rutschen. Die Attraktion, die ich eigentlich als erstes besuchen wollte, ist ein riesiger und uralter Banyanbaum. Das Ding ist, dass jede auch nur im Ansatz sehenswerte Option hier nicht frei zugänglich ist und Eintritt kostet, dazu ist so viel Kiosk-Souvenir-Selfie-Schnick-Schnack drumherum gebaut, dass man nach der eigentlichen Sehenswürdigkeit oft schon mal suchen muss. Aber um in China etwas zu finden, heisst es nicht selten, immer der Masse nach und sehen, wo die längste Schlange steht, da findet sich dann meist auch der Hotspot.
    Für nen Baum, auch wenn er steinalt ist, sehe ich das jetzt aber nicht unbedingt, heisst es in unserem Fall doch immer gleich Eintritt mal Vier. Also lassen wir den links liegen und fahren weiter.

    Eine Frau auf einem E-Scooter bremst bei uns und fragt, ob wir zur Golden Water Cave möchten und dafür günstigere Tickets bei ihr kaufen wollen. Diese Cave ist tatsächlich unser nächster Stopp, aber diese Ticketnummer klingt etwas zweifelhaft. Aber ich bin neugierig und so frage ich, wie das so sein kann, sie spricht recht gut Englisch. Die Antwort ist einleuchtend. Sie bekommt online Tickets zum Einheimischenpreis, die mit kleinem Aufschlag immer noch billiger sind, als Touristentickets. Das Geld ist erst fällig, wenn wir die Tickets in der Hand halten. Zehn Euro sind zehn Euro und ich lasse mich fangen.
    Das Ganze ist offensichtlicher Betrug am Staat und das Aufsichtspersonal sieht zu. China.

    Nach einer sehr seltsam anmutenden Prozedur haben wir die Karten und tatsächlich fast zehn Euro gespart. Der Zugang zur Tropfsteinhöhle erfolgt in Gruppen und wir werden an eine halbe Busladung dran geklebt, der wir dann in angemessenem Abstand folgen. Chinesen lieben bunte Lichter und so ist die gesamte Höhle knallebunt illuminiert. Die Höhle an sich und die Tropfsteinformationen sind großartig, blendet man das Lichtspektakel mal aus.
    Warum wir aber eigentlich hier sind und was die Höhle zu etwas ganz besonderem macht, ist das bebadbare Schlammbad und heisse Quellen tief im Berg.
    Vorher müssen wir aber noch an diversen Fotostationen vorbei und einer Halle, in der Perlenmuscheln erworben werden können, die dann geöffnet werden und deren Perle man dann bekommt, na super. Dann gabs noch eine Höhlenhalle mit fluoreszierenden Artikeln wie Armbändern usw., nerviger Weise ging das Licht da immer aus und an. Desweiteren wurde Schnaps mit eingelegten Schlangen vertickt, sowie Heilschlamm zu dem ein Moderator auf einer Bühne die heilende Wirkung angepriesen hat.
    Was wirklich nervt in China, sind die omnipräsenten Verkäufer die, egal wo sie anzuteffen sind, entweder in ein Megafon oder in ein Mikrofon mit Verstärker plärren, im Ladengeschäft genauso wie am Straßenstand. Übel wird es dann im Kaufhaus, wenn von allen Seiten mehrere Verkäufer ihre Produkte megafon anpreisen - und Chinesisch ist jetzt nicht gerade die Sprache der Engel... nur raus hier!

    Wir fliehen also durch den hinteren Teil der Höhle bis es wieder ruhig ist, unbunt und ziemlich dunkel. Fast hätten wir ihn übersehen, den Schlammpool zur Linken, null inszeniert oder angekündigt.
    Eine Frau spült mit einem dicken Wasserschlauch verkleckerten Schlamm vom Boden und weist uns harsch zu den Umkleiden weiter hinten.
    Wir haben unsere Badesachen dabei und ziehen uns um. Während wir in den Kabinen sind, zieht die halbe Busladung unserer Gruppe zügig durch diesen spärlich beleuchteten und feuchten Teil der Höhle, der eigentlichen Attraktion, mit der diese Höhle beworben wird.
    Nur, nicht sehr einladend gestaltet, das Ganze. Das Becken ist fast menschenleer, nur noch zwei junge Damen aus den Niederlanden, die ebenfalls noch im Schlamm sitzen. Wir staksen und waten in das ungewohnte Element.
    Das große Becken liegt unter einer niedrigen Felsdecke und wird nach Hinten immer finsterer. Im Raum ist es kühl, aber nicht unangenehm, da wir noch gut von draussen aufgeheizt sind. Der Schlamm fühlt sich seltsam an, oben ist er etwas flüssiger, zum Boden hin immer zäher und richtig schlammig. Das Becken ist vielleicht achtzig Zentimeter tief, eingefasst und zum Weg abgegrenzt durch eine Betonwand. Taucht man den Körper komplett unter, hat man das Gefühl von Schweben aber auch des langsamen Versinkens. Ich muss unweigerlich an diese Filme denken, in denen Menschen langsam im Moor versinken und bevor sie ganz versinken, die gekrampfte Hand aus dem Schlamm ragt, mit dem Goldschatz im letzten Griff, aber 80 cm Tiefe sind vollkommen OK und kein Grund zur Panik. Und einen Goldschatz gibts hier auch nicht.
    Klar macht es Spaß im Schmodder herumzuturnen und lustige Dinge auf seinen Körper zu malen, bis uns dann doch langsam kalt wird. Gelegentlich kommen auch kleinere Grüppchen vorbei, die uns im Schlammbad etwas irritiert ansehen, wie so Zootiere, und sich wundern, wie man sich da freiwillig hinein begibt.
    Es gibt als Duschen Wasserrohre mit Hahn in einer Nische, die einen ordentlichen Schwall raus lassen. Der ist auch nötig, denn der Schlamm sitzt überall.
    Umfassend entschlammt und mit Haut, glatt wie ein Babypopo, durchschreiten wir weiter die Höhle. Wieder Becken zur Linken, diesmal sind es die heissen Quellen. Wenigstens halten wir die Füße rein. Ja, schön warm, wie ne Badewanne. Leider wird die Höhle bald geschlossen und uns bleibt keine Zeit für ein Bad. Immerhin sieht der Warmwasserbereich nicht ganz so spärlich aus und wird wenigstens von ein paar Lämpchen dezent coloriert. Kurz nach diesen Becken stehen wir wieder im Tageslicht. Es ist jetzt bewölkt, wie angenehm!
    Nur ein paar hundert Meter noch und es befindet sich rechts der Zugang zum Moon Hill. Der Blick auf denselben wird uns von Eintrittscountern, Bäumen und Imbissbuden verwehrt. Den Eintritt würden wir uns dann schon leisten wollen, bekommen am Counter dann eine Absage, weil wegen des Wetters ließen sie keine Leute mehr auf den kleinen, wie immer konvenient betreppten Berg steigen. Aber wenn schon nicht hoch gehen, wenigstens einen kurzen Blick auf das Wunderwerk würden wir gerne werfen, also ein paar Schrittchen hinter die Schranke bitte...
    Ich weiss immer noch nicht, was Nein auf chinesisch heisst, aber die Mimik der Counterdamen ist schon ausreichend. Kein Wille, kein Weg, keine Chance. Unflexibles und unlockeres Pack.
    Also kehren wir um.
    Es tröpfelt.
    Es regnet.
    Es schüttet.
    Innerhalb von Sekunden total durchnässt hechten wir in einen Imbiss. Zum kleinen Hunger und zur großen Freude der Kinder trifft es sich hervorragend, dass hier Hamburger gereicht werden, ein guter Zeitvertreib. Bestellt, verspiesen, Regeninferno überbrückt.

    Wir durchfahren erneut das Portal in die hupende und brummende und lärmende Stadt zurück. Es waren nur kleine Hamburger, mittlerweile dämmert es, Dinnerzeit, Hunger again. Am Strassenrand der großen, breiten Straße, die in die Stadt führt, fuchteln die Werber vor ihren hell erleuchteten Restaurants mit ihren Menükarten. Bleibste stehen, haste gleich ne Karte vor der Nase. Wir machen vor einem etwas weniger nach Touristenbude aussehenden Resto halt. Ein aufgeschreckter Ober sieht uns von Innen über den Gehsteig auf der Fahrbahn, sucht hektisch nach einer Karte und stürzt zu uns. Wir müssen jetzt schon mal grinsen, auch wenns gemein rüber kommt, aber das war jetzt schon filmreif.
    Das Menü sieht gut aus, das Resto auch, die Preise auch, also warum nicht.
    Die dicke und heftige Aircon über unseren Köpfen spüren wir sofort, wir sind nass, erst Regen, dann wieder schwitzen, plus Aircon, keine gute Mischung. Mit Wechsel T-Shirts, Tüchern und am Tisch Umsetzen versuchen wir die Wirkung zu dämpfen. In China ist es in Restaurants und Supermärkten schnell mal zu kalt, also immer was Warmes dabei haben, blöd nur, wenn das Zeugs feucht ist..
    Na ja, jetzt geht‘s ja, und wir lassen uns Ente, Taro mit Speck und Rind mit Bambus schmecken.
    Gut befüllt und auf gefühlte 10 Grad runtergekühlt freuen wir uns auf die warme Nachtluft draussen.
    Zwischen den Lokalen gibt es kleine Lädchen mit Schnick Schnack. Die müssen natürlich durchgekämmt werden. Fynn und ich kaufen uns zwei Decks Ultraman Spielkarten in schickem Metallicdruck, die Mädels schauen nach Schreibwaren und Kleinkram. Auffällig ist das gegenseitig total genervte jüngere Ladenbesitzerehepaar mit zwei Kindern. Sie ist sauer, dass er nicht mithilft, die Lieferung einzuräumen und er, dass er nicht in Ruhe zocken kann, die beiden Kleinkinder schieben die kleineren Kisten durch den Laden und spielen Kisten Einräumen... fies. Ist aber nicht unser Krieg.
    Zahlen, Bummeln, Niesen, nachhause Fahren. Noch’n schöner Tag!
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  • Day 13

    InChinaEssenSieHunde

    August 28, 2019 in China ⋅ ☀️ 33 °C

    Wieviel schöner kann ein Tag noch beginnen?
    Morgendliche Nebel ziehen zwischen diesen besonderen Bergen, lösen sich langsam auf und geben nach und nach die Bühne frei für die aufgehende Sonne, den ruhig dahin fliessenden Li, das üppige Grün des Bambus am Flussufer, dahinter diese unglaublich gefälligen Bergkuppen. Morning bliss.
    Es ist der erste Blick aus dem Fenster und ein glücklicher Frieden um 6 Uhr morgens. Dazu ein Kaffee... und noch einen...
    Die Kinder schnaufen noch so entspannt ihre Träume aus. Mit meinen Kindern eine solch besondere Reise zu machen ist einfach großartig.

    Zeit zum wecken. Die Kinder sind darauf gefasst, dass heute Early Bird angesagt ist. Es ist immer wieder ein Schauspiel zu beobachten, wie jedes Kind auf seine ganz eigene Weise nach dem Aufwecker vom Schlafkoma in den Wachzustand findet. Die Aussicht auf den schönen Tag, der uns Heute erwartet, der Anblick der Berge, vom Bambus und dem Flusse im warmen Licht der Morgensonne, stimmt die verschlafenen Bagage etwas milder.
    Besonders erfreulich ist, dass Fynns Entzündung komplett weg ist, keine dicke Backe mehr, keine Schmerzen. Was für eine Erleichterung, jetzt kann auch er wieder die Reise voll genießen.

    Ohne Murren wird still die Morgenroutine durchgezogen bis wir kurze Zeit später gut gelaunt auf unseren Rädern sitzen. Heute ist Markttag in Fuli Town, in einem Dorf, ca eine gute halbe Stunde flussabwärts und auf der anderen Uferseite. Es ist noch kühl, soweit es das hier überhaupt sein kann, aber kühl genug um vergnügt durch traumhafte Landschaften zu radeln. Hellgrüne Reisfelder, grüne Berge, Riesenbambus, tropische Vegetation, Bauern, Büffel, Enten, Reiher und alles in diesem magischen Licht der Morgensonne, die Vögel zwitschern. Ich radle hinter meinen wunderbaren Kindern, absolutes Reiseglück.
    Wir erreichen eine kleine Ortschaft, von der aus eine Fähre über den Fluss setzt. Die kleine Ortschaft ist ein richtiges chinesisches Dorf, genau so, wie man es sich vorstellt.
    Kleine Häuser mit schweren Holztüren, Bauernhöfe, Hähne krähen, Enten watscheln, krumme Menschen mit ihrem ganzen Leben auf den Schultern, ein alter Mann rasiert einen alten Mann am Straßenrand, Gemüse werden geputzt, endlich ist es auch mal schön schmutzig, ein Idyll für uns Touristen. Wir werden sogar nett gegrüßt!
    Eine Abzweigung führt hinunter zum Flußufer, wo der Anlegesteg für die Fähre ist, eher eine Betonrampe. Die kleine Fähre wartet noch auf uns, bis wir mit unseren Rädern an Bord sind.
    Eineurofünfzig pro Nase kostet der Transfer mit Rädern, ein stolzer Preis für die kurze Passage von vielleicht hundertfünfzig Metern.
    Die Fähre ist voll von alten huzligen Marktweibern, die tapfer ihr Joch mit zwei schwer beladenen Körben voll Gemüse und Eiern und Obst bis zum Boot geschleppt haben. Die Bauern tragen vorwiegend diese flachen Kegelhüte aus Bambus gegen Sonne und Regen, ziemlich essentiell für diese Menschen und für uns fotogene Dinger.
    Aber wir sind mindestens genauso interessant für die Leute auf dem Boot. Mitunter fühlt es sich komisch an, ständig angestarrt, fotografiert und gefilmt zu werden, fast schon nervig. Chinesen kennen da entweder keine Scham und halten lustig drauf oder sie filmen heimlich aus dem Off und sind sichtlich peinlich berührt, wenn man sie dabei ertappt.
    Das Schiff leert sich am Anleger auf der anderen Seite sehr schnell und der ganze Tross kennt eigentlich nur eine Richtung. Wir sperren unsere Räder am Pier ab, denn es geht erst einmal mehrere Treppen hoch in den Ort Fuli Town, durch Gassen, die mit Läden gesäumt sind, und dann wer weiss wohin.
    Fächermaler, Kalligrafen, Töpfer, Antiquariate. Das hört sich jetzt vielleicht etwas romantisch an, aber auch wenn sich diese Geschäfte in netten, alten Häusern befinden, gründet ihre Existenz vermutlich auf der Karawane der Touristen, die alle paar Markttage durch den Ort zieht. Und trotzdem hat sich das ganze Ambiente etwas sehr authentisches bewahrt. Die Handwerker sind sicher echt, produzieren jetzt eben fleissig entsprechend dem Geschmack der Souvenirjäger.
    Wir gehen in das Atelier eines Malers, der typisch chinesische Motive mit leichtem Strich gekonnt auf das Papier pinselt. Sind neben den Standards schon tolle Werke dabei.

    Eineinhalb Kilometer sind es durch Gassen und über Plätze ungefähr zu gehen, das Treiben wird immer dichter, lauter und bunter und plötzlich sind wir mittendrin im Markttrubel und so wie‘s aussieht in der Gemüseabteilung. Der Markt ist ziemlich groß und offensichtlich ein regionales Großereignis, sein Zentrum bildet eine riesige Halle aus Eisen und Blech.
    Ich habe ja schon viele Märkte besucht, aber dieser hier setzt noch einmal einen an Leben, Geschäftigkeit und Exotik drauf, absolut.
    Beim Gemüse beeindrucken mich vor allem diese massiven Bambussprossen mit bis zu 15 cm Durchmesser, deren abgelöste Schalen über die Länge einer ganzen Gasse den Boden bedecken, dazwischen immer wieder kleine Stapel aus diesen dicken Dingern und einem Händler dahinter.
    Der Markt ausserhalb der Halle spielt sich eh auf dem Boden ab. Viele sonnengegerbte Bäuerinnen mit ihren Ernten vor sich und ein paar Stahlzähnen im Mund und tiefen Falten im Gesicht. Ein lautes Geratsche und Getratsche, aber gelacht wird selten, stelle ich immer wieder fest.
    Die Gemüsesorten kenne ich weitestgehend aus den Asiamärkten Zuhause, nur so manche Wurzel ist mir neu. Taro z.B. oder die Lotuswurzeln, die sehr häufig in Gerichten zu finden sind. Die Scheiben der Lotuswurzeln sehen aus wie Räder mit einem sehr charakteristischen Speichenmuster, sehr hübsch für‘s grafische Auge. Frische Wasserkastanien habe ich auch noch nie gesehen und verschiedene Pilzformen, verschiedenste Chilisorten, von Killing me softly bis Thors Hammer.
    Vieles kommt uns aber auch sehr vertraut vor, wie Gurken, Chinakohl, Romasalat, der hier als Gemüse zubereitet wird, Karotten, Kartoffeln, Broccoli, Blumenkohl, usw.
    An Obst gibt es die ganze Palette der exotischen Früchte. Wassermelonen gibt es auffallend viele, auch an den Straßenrändern als Snack, Honigmelonen, Mangosteen, Dragonfruit, grüne Datteln, sehr lecker, Papaya, und die Königin aller Früchte, dicke, fette, reife Mangos, tonnenweise, grüne Orangen, Bananen. Überraschend geschmeckt haben die Trauben, ganz eigen, seltsam angegoren vielleicht, aber lecker, nicht so knallesüß. Der zweite Traubentestkauf hatte den gleichen Geschmack. Nicht zu vergessen die heiss geliebte Stinkfrucht Durian, die fehlt in keinem Obstladen.

    Kleiderabteilung. Meterweise Klamotten, chinesisch spießig oder einfach praktisch. Ich mit meiner Größe brauch da gar nicht anfangen zu suchen, es gab schon auch schön-schräges Zeug. aber nicht einmal die Mädels wurden fündig. Trashig rosa Handtücher mit roten China-Blumen gabs und lustige Kinderschuhe. Chemisch müffelnder Plastikgeruch über dem ganzen Bereich.

    Ein Shoppingparadies ist China übringens nicht und nicht ganz billig noch dazu. Als Souvenirs sind bei den Chinesen offensichtlich Lebensmittel sehr beliebt, Kuchen und Süßigkeiten im besonderen, tütenweise im Handgepäck, oder lokale Schnäpse. Mit diesem und jenem gab es in jeder Stadt bisher viele viele Läden. Geschmacklosen Klüngel und trashiges Zeugs, so wie wir es lieben und suchen, gibt‘s einfach nicht, das wird anscheinend nur fürs Ausland produziert und exportiert.

    Vor den kleinen Läden, die sich in den Gassen um die Markthalle herum befinden, sitzen auf den Bordsteinen immer wieder größere Gruppen von vor allem Männern, die einfach nur zusehen, rauchen, zocken, handeln, sich unterhalten. Kleinere Imbissküchen duften sehr einladend, der Hunger meldet sich, wir hatten vor lauter Staunen das Frühstücken ganz vergessen. Das holen wir jetzt nach, Halbelf ist es jetzt ca.
    Wir schnappen und einen klapprigen Tisch in einer Suppenküche. Die über den anscheinend exotischen Besuch erfreuten Besitzer zeigen uns gleich ihr Angebot. Auf einem Tisch sind Reismedallions auf Blättern angerichtet, Blätter, damit sie nicht zusammenkleben, und aufgeblähte kleine Teigbälle. Probieren wir alles. Dazu gegessen wird eine Suppe mit Gemüseeinlage und knusprigen Teigerbsen.
    Teil zwei: klassische Nudelsuppe mit Fleisch und Gemüse, zum Würzen stehen diverse Zutaten in Schüsseln bereit, Chili, Knoblauch, Kräuter, Erdnüsse, etwas Kimchi ähnliches, Soja, usw.
    Die Reismedallions sind klebrig zäh und mit, ich tippe auf Hackfleisch mit Kräutern, gefüllt, die aufgeblähten Bällchen schmecken süßlich, mich erinnert der Geschmack an Kürbis oder Kichererbsen. Die Suppe köstlichst.
    Getränke gibts wie immer selbstbedient aus dem Kühlschrank. Die Kinder haben Sojamilch für sich entdeckt und oft gibt es auch sehr leckere Kokosmilch aus der Dose.
    Das ganze Menü hat für alle keine zehn Euro gekostet. Leider ist das die Ausnahme beim
    Essengehen. Die durchschnittlichen chinesischen Restaurantpreise sind mit denen in Berlin vergleichbar, vielleicht einen Tick günstiger, für SO-Asien Preisverwöhnte ist das ziemlich teuer. Aber wer denkt bei dieser Kulinarik und ihren Geschmacksexplosionen schon ans Geld.

    Die Karawane zieht weiter, Fleisch und Fischabteilung, oder besser die Alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist Abteilung. Heftige Sache. Flussfische und -krebse, Muscheln, fette Kröten, Hühner, Enten, Hasen und tatsächlich Hunde, alles lebendig. Geschlachtet und zerlegt wird on demand, live. Nur so ist alles immer maximal frisch, eine Maxime für die chinesische Küche.
    Es wird fröhlich geschlitzt, gehauen, geblutet, gehackt und gehäutet, Nele ist auf diesen Anblick nicht vorbereitet, die Tränen schießen ihr in die Augen, die Arme, und wir verlassen das Schlachtfeld.
    Durch das abgepackte Plastikfleisch zuhause ist uns das Töten für Essen fast komplett aus dem Bewusstsein genommen, umso erschreckender wirken die Bilder auf so einer Veranstaltung. Betrachtet man dieses Szenario aber aus einem anderen Blickwinkel, dann wachsen die Tiere, die auf diesem Markt angeboten werden, frei lebend auf, also absolut artgerecht, und geschlachtet werden sie nur dann, wenn sie auch gegessen werden, nicht für ein volles Kühlregal und dann mit abgelaufenem MHD ab in die Tonne. Es ist aber auch so, dass Chinesen nicht viel Respekt vor dem Leben haben und Tiere eher wie Gegenstände behandelt werden.
    Natürlich muss man davon ausgehen, dass die Ernährung von bald 2 Mrd Menschen auf dieser Welt Massentierhaltung unumgänglich macht und es ist ja bekannt, wie nicht selten brutal die Tiere dort industriell behandelt werden. In chinesischen Supermäkten habe ich abgepacktes Fleisch in Kühlung nicht als Standard wahrgenommen, kleine Fleischereien am Straßenrand hingegen häufig, ebenso Läden mit lebenden Fischen und Krustentieren. Mein Eindruck mag mich vielleicht auch täuschen.

    Es ist Neles erste sehr große Reise überhaupt, in ein Land mit einer ganz anderen Kultur und dann gleich China, na servas, da steigt sie schon ganz oben ein. Ich muss sagen, sie macht das echt klasse und ist wirklich hart im Nehmen, so umwerfend viele neue Eindrücke, es ist in diesem Land ja wirklich einiges komplett anders als bei uns, man könnte das fast schon Kulturschock nennen - und sie hat trotz Marktgemetzel nicht vor Vegetarierin zu werden.

    Wir schlendern weiter über den Markt und kommen am Rand der Markthalle zu reihenweisen Imbissständen. Unsere nette Hotelfrau gab uns die Empfehlung da zu essen, beste lokale Kücke. Es wird gekocht, gedämpft, geklappert, geschlurft und - gehackt, auf der anderen Seite des Ganges, Fleisch wird zerlegt, dunkelrotes Fleisch, tatsächlich Hundefleisch.
    Versengte, nackte Leiber, felllos, aufgeschlitzt, abgetrennte Gliedmaßen, mumienhaft gefletschte Zähne, und am Ende ist die zerteilte Anatomie von Wuffi hier auch nur metzgerfrische Produktauslage. Ein fieser Anblick für mich, der selbst mir, der ich ein sehr distanziertes Verhältnis zu Hunden habe, befremdliche Gefühle auslöst und ein leichtes Grauen. Also, wer immer schon einmal wissen wollte, wie des Menschen bester Freund so schmeckt, der lasse sich hier nieder und genieße. Und sich von den lebenden Genossen im Käfig gleich nebenan noch dabei zusehen lassen. Who cares, who dares?
    Wir sehen zu, dass wir diese Art von Spezialität bald hinter uns lassen.

    Ein symapthischer Franzose spricht mich an, etwa in meinem Alter, und wir kommen schnell ins Ratschen. Er ist mit seiner Frau und seinem Sohn hier unterwegs. Interessant dabei ist, dass er jedes Jahr mit seiner Familie begeistert Fuli Town besucht, weil seine Frau von hier stammt, mit der und seinem Sohn er jetzt bei Paris wohnt. Diese Liebesgeschichte hätte mich sehr interessiert. Aber die Kinder drängen weiter.
    Nur eine Ecke weiter, stehen unter einem Baldachin mehrere Stühle, auf denen mehrere Männer sitzen, die sich von mehreren Barbieren rasieren und frisieren lassen. Es ist ein toller Anblick, diese roten Capes im Licht des Baldachins, die vielen schwarzen Hasre am Boden und wie geschickt die Rasiermesser über die Wangen gleiten. Eine Rasur wäre jetzt eigentlich nicht schlecht. Und schwupps sitze ich unter einem roten Cape unter dem Baldachin auf einem dieser Stühle und die Klinge gleitet über meine Wangen. Nicht aber ohne vorher meiner Barbierin erfolgreich mit Händen und Füßen vermittelt zu haben, dass ich meinen Bart gerne behalten möchte. Nicht nur die Kinder sehen neugierig und amüsiert zu, eine kleine Showeinlage beim Dorfbader. Der Spaß dauert nur wenige Minuten, kostet mich 80 Cent und ich sehe wieder etwas zivilisierter aus. Chinesen stehen nicht so auf Gesichtsbehaarung.

    Mittlerweile ist es sehr heiss geworden, es ist nach Zwölf und die Frühaufsteherei macht sich bemerkbar, auch wird das Markttreiben merklich ruhiger. Wir holen uns etwas zu trinken und ruhen uns im Schatten aus. Eine Überlegung ist noch, einen anderen Weg zurück zu radeln und einen Stopp am Flussufer einzulegen, ein kühles Bad..., aber die Vorstellung über den unbekannten Weg dorthin lässt die Lust bei der Hitze schnell verdampfen, wir wollen allesamt nur Nachhause.
    Als Proviant kaufen wir uns noch ein wenig Obst und schwitzen uns durch das jetzt komplett leere Dorf zurück zum Fähranleger. Fynn und ich nutzen dort die öffentliche Toilette und die damit verbundene Chance einen kleinen Tempel zu besuchen, hinter dem sich die WCs befinden, entzückend! Genauso wie der Ausblick auf den Fluss, den die Mädels beim Warten hatten.

    Die Fahrräder werden wieder hinten auf der Fähre verstaut und nach wenigen Minuten sind wir wieder auf der anderen Seite. Eine anstrengende halbe Stunde Rückweg beginnt, mit jammernden Kindern und trotzdem schönster Landschaft. Bei 36 Grad darf man ja auch gerne jammern, nicht wahr. Diese tapferen Kinder.
    Stöhnend und erleichtert erreichen wir unser Hotel. Duschen, sofort! Klimaanlage an, Pause, Bett, Zocken, Dösen, Marktrevue passieren lassen, was sonst jetzt. Schöön!

    Ich habe mir für den Nachmittag noch eine kleine Radltour ausgedacht, durch ein Tal zu einem kleinen Dorf mit vielen Bergen drumrum... Wer möchte vielleicht mitkommen...? Eine rhetorische Frage.
    Aber: Fynn mag! Ich freue mich sehr, hatte ich mich innerlich schon auf eine Solotour eingestellt. Auch mal Papa und Sohn allein unterwegs, ein schöner Gedanke! Halbvier schwingen wir uns mit Obstpicknick auf die Räder. Es wird nach links abgebogen, kurz ein Stückchen Straße entlang, bis dann ein kleiner Pfad... äh, Moment... bis dann eine, ahhm …Autobahn? beginnt... diese Beschreibung trifft es eindeutig besser. Eine Autobahn im Bau, zumindest eine große vierspurige Straße, mitten durchs Tal, das Navi wusste wohl noch nichts davon, das zeigt noch einen besseren Feldweg. Bis auf ein paar versprengte Autos sind wir die einzigen, die auf diesem mondänen Vierspurdings unterwegs sind. Man ist irritiert.
    Im Verlauf ploppen dann immer mehr Baustellen mit unzähligen Kränen auf, wir geraten in ein Crescendo an Aktivitäten, Betonlaster brettern staubend über Schotterpisten, unzählige behelmte Ameisen hämmern, dröhnen, dengeln, flexen, schweißen, betonieren, bauen. Gebaut werden noch mehr Straßen, Häuser, Wohnanlagen, Hotelburgen, Einkaufszentren - hier entsteht schlichtweg mal eben eine neue Stadt. Einfach so, tschak, mitten ins Idyll. Diese monströse Verwundung inmitten schönster Natur tut weh, wir fassen es nicht, sind aber auch fasziniert von dieser Dynamik.
    Trotzig folgen wir konsequent dem, was das unwissende Navi uns als Pfad vorgaukelt. Gelegentlich zweigen wir dabei auf kleinere Straßen ab, immer weiter ins Land, bis sie uns durch recht intakte und von der Großbaustelle unbeeindruckte Dörfer führen, fast unbeeindruckt zumindest. Denn da wo der weitere Verlauf der neuen Straße geplant ist, stehen halb abgerissene kleinere Wohnhäuser oder sie liegen schon zur Gänze in Schutt. Ein Gruselszenario, sehr gewalttätig und unerbittlich.
    Stellt euch die Baustelle Potsdamer Platz in allerschönster Landschaft und harmonischster Bergkulisse vor, gnadenlos und brutal. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet: So werden neue Kapazitäten für einen für uns ungewohnten Massentourismus geschaffen, Wohnraum und Arbeitsplätze. In China wird nicht groß gedacht, sondern riesig.

    Wir bremsen abrupt, denn ganz unerwartet hört die Straßenbaustelle, von der wir kommen, auf. Wir stehen oben auf einer Schuttrampe und blicken etwas hinab, wo eine größere, bereits schwer befahrene Straße den Weg kreuzt, unseren Weg einfach entzwei schneidet. Ganz drüben, unten, erkennen wir die Fortsetzung der unsrigen Straße. Über Umwege wursteln wir uns von der Schotterrampe hinab zur großen, staubigen Straße und überqueren die todesmutig, naja, ging schon ganz entspannt.

    Auf der anderen Seite radeln wir tapfer weiter und genauso plötzlich, wie die Baustelle begann, endet sie auch. Idyll. Bäm.
    Wir fahren auf einer kleiner netten Teerstraße an Bauernhöfen vorbei, in Bewässerungsgräben schwimmen Enten, Reisfelder, Tümpel mit Lotusblumen und rundherum diese verdammt hübschen Berge, balinös, aber doch ganz anders. Wir sind da, wo wir hin wollten. Am Wegesrand machen wir Pause, lassen die Blicke ins Grün schweifen, essen unser Obst und genießen die Ruhe und Ratschen. Wobei, ratschen tun wir eh die ganze Zeit.

    Nach einem kurzen Stück endet der radelbare Weg, ein Pfad führt uns zu Fuß weiter. An einem
    kleinen Wasserfall der Bewässerungskanäle plantschen lachende Kinder, die Mamas passen auf. Wir verschwinden weiter im hohen Grasbewuchs auf irgendwelchen Bauernpfaden. Bei einer großen Fels-Echowand drehen wir um, es dämmert langsam. Was für ein schönes Fleckchen Erde und wie schön es ist, genau da im Licht der untergehenden Sonne zusammen herumzulaufen!

    Wir fahren zurück zum Baustelleninferno und erreichen die große kreuzende Straße. Von dieser Seite aus sieht alles irgendwie ganz anders aus und wir finden den richtigen Straßenanschluß auf der gegenüber liegenden Seite einfach nicht... blöd.
    Nach ein bisschen Grübeln und Suchen und hin und her Fahren, entdecken wir zwischen Neubauten dann aber doch irgendwann die noch dunklen Geripppe der Straßenlampen der neuen Autobahn. Da müssen wir hin, wir sind ja ganz falsch... bald dann aber richtig. Im Abendlicht kommen wir Dank Fynns gutem Orientierungssinn schließlich und endlich wieder im Hotel bei unseren Mädels an. Die haben die letzten drei Stunden vor allem geschlafen, erzählen sie.

    In der Dunkelheit radeln wir mit Stirnlampen ausgerüstet, nicht allzuweit in die Stadt und suchen uns ein Restaurant. Die Speisenkarten der Restos ähneln sich ja eh sehr, die Spezialitäten kennen wir jetzt auch schon. So setzen wir uns in eines von den vielen Lokalen, bestellen Auberginengemüse mit Hackfleisch, Gemüse aus diesen elend langen weissen Pilzen mit ganz kleinen Köpfen und wieder diese Taroscheiben mit Schweinernem dazwischen, deftig, heftig, alles lecker.
    Bier in China ist übrigens sehr gut trinkbar, sagt der Conaisseur.
    Mangos müssen es danach unbedingt wieder sein und die zwei obligatorischen großen Wasserflaschen.
    Was für ein langer, langer und großartiger Abenteuertag! Jetzt sind wir aber richtig fertig.
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