Norge på langs 2023

May - October 2023
Am 01.06. starte ich mit meinem ersten Wandertag in meine 2700 km lange Reise. Von Lindesnes im Süden bis hoch zum Nordkap - zu Fuß. Read more
  • 123footprints
  • 4countries
  • 124days
  • 1.8kphotos
  • 18videos
  • 3.8kkilometers
  • 328kilometers
  • Day 119

    Abflug!

    September 26, 2023 in Norway ⋅ ☁️ 12 °C

    Die letzten Tage in Alta vergingen insgesamt schnell. Am ersten Morgen treffe ich erst Philipp beim Frühstück. Ihn hatte ich in Kilpisjärvi in Finnland kennengelernt. Wir frühstücken gemeinsam und unterhalten uns über zwei Stunden über die schöne und intensive Zeit, die wir erleben durften. Als ich später mit Daina in der Mall unterwegs bin, treffen wir erst Ramon und Lisette. Dann kommt noch Marie aus irgendeiner Tür. Marie habe ich in Umbukta das letzte Mal getroffen. Sie ist mit Joakim noch auf dem Weg zum Nordkap. Sie haben den Akkajaure (Heliflug) zu Fuß durch die Berge umrundet, was ein paar Tage zusätzlich gedauert hat. Weil Daina ihr Zelt nicht reparieren kann, leihe ich ihr meines für ihre Zeit in der Hardangervidda.

    Die weiteren Tage treffe ich niemanden mehr. Ich gehe etwas spazieren und verbringe viel Zeit im Hotel. Es ist nicht unbedingt eine spannende Zeit aber ich glaube, sie war wichtig, weil ich mich jetzt wirklich freue, dass es langsam Richtung Heimat geht. Alles fühlt sich irgendwie seltsam an. Der Aufenthalt in der kleinen Stadt Alta hat mit „meinem“ Norwegen nicht viel zu tun. Nur mein Ausflug auf den direkt am Fjord liegenden, 200 Meter hohen Berg Klamsa erinnert noch einmal an die fantastische Natur, die ich jetzt vier Monate erleben durfte.

    Ich denke viel über meine Reise nach. Ich glaube, die letzten vier Monate gehören mit zu den besten Erfahrungen meines Lebens. Ein wenig habe ich Angst, dass viele davon nun irgendwo in der Senke verschwinden. Ich weiß nicht, ob mich diese Reise irgendwie verändert oder geprägt hat. Es gab nie diesen großen AHA-Effekt. Das habe ich aber auch nie erwartet. Es gab wenig Überraschendes. Alle Themen, über die ich viel nachgedacht habe, waren mir auch vor meiner Reise präsent. Aber hier draußen in der Natur konnte ich über vieles anders nachdenken. Abseits des Alltags. Ich glaube, vieles ist mir bewusster geworden.

    Es gab noch einen zweiten Zeitungsartikel mit meinem Interview im Münchner Merkur und noch einmal im OVB. Die Überschrift lautete „2690 Kilometer auf der Suche nach Glück“. Das kann man so interpretieren. Aber trotz aller Strapazen, trotz meines Beinaheabbruchs, trotz nasser Füße, trotz schlafloser Nächte und vielem mehr hätte ich lieber diese Überschrift gelesen: „Glück auf 2690 Kilometern“. Stanley hatte mir einen Ausschnitt aus dem „Kölner Treff“ geschickt, wo Reinhold Messner zu Gast war und was über Glück sagte. Er hat etwas bemerkenswertes gesagt, was mich gleich in zwei Aspekten einmal berührt und auch einmal überrascht hat.

    „Glück passiert. Und es passiert nicht, wenn wir diese Bücher lesen, die alle das Glück versprechen. Es passiert, wenn wir Ideen zu Projekten machen und umsetzen. Und das schenkt uns gelingendes Leben im Hier und Jetzt. Angreifend oder auch denkend. Und dieses gelingende Leben ist im Grunde das Glück. Das wissen wir während des Tuns nicht, weil wir ganz bei der Sache sind. Ganz fokussiert, weil wir uns mit dem identifizieren, was wir tun. Aber nachher wissen wir, dass wir in dieser Zeit glücklich waren.“ (Reinhold Messner)

    Ideen zu Projekten machen. Es klingt so simpel. Wir alle haben Ideen. Aber wie oft verschieben wir diese auf später oder denken sie gar nicht erst weiter, weil wir sie uns gar nicht erst zutrauen oder weil wir etwas riskieren müssten. Die Idee von Norge på langs ist zu einem Projekt geworden und es hat mich glücklich gemacht. Der Aspekt an Messners Aussage, dass wir während des Tuns nicht wissen, dass wir glücklich sind, sondern das erst hinterher wissen, hat mich überrascht und zeigt mir eine neue Perspektive auf das Thema Glück. Bisher hatte ich Glück oder „glücklich sein“ mit konkreten Momenten in Verbindung gebracht. Ich finde es spannend darüber nachzudenken, dass ich auch in den unangenehmen Momenten meiner Reise glücklich war. Immerhin habe ich diese freiwillig ausgehalten. Ich war fokussiert. Und so bin ich sicher, dass das Glück in vielen Momenten meiner Reise präsent war, auch wenn ich es erst im Nachhinein realisiere.

    Ich merke schon jetzt, wie weitere Ideen in mir arbeiten. Seit gestern arbeitet eine konkrete Idee in mir, die allerdings beruflicher Natur ist. Sie kombiniert das, was ich bislang beruflich mache mit dem, was mir im Leben wichtig ist. Sie hat eine ähnlich klare Zielsetzung wie meine Reise zum Nordkap. Es ist genau genommen kein konkretes Ziel. Es ist eher ein Nordstern, der mir eine konkretere Ausrichtung gibt. Meine Reise hat mir jetzt schon klar gemacht, dass es richtig ist, meine Motivation nicht im Außen zu suchen, sondern auf meine Intuition zu vertrauen. Das wünsche ich auch jedem und jeder einzelnen Mitleser*in hier, dass wir Dinge tun, aus eigener Motivation heraus, weil sie uns persönlich wichtig sind. Ganz nach Hornbach: „Mach es zu Deinem Projekt!“
    Read more

  • Day 115

    Heargečohkka - Nordkap

    September 22, 2023 in Norway ⋅ ☁️ 9 °C

    Ich schlafe unruhig. Immer wieder werde ich wach, weil es draußen immer windiger wird. Um 02.00 Uhr ist es vorbei mit der Nachtruhe. Es stürmt. Nochmal eine ganze Ecke mehr als vorgestern. Der Wind kommt von der Seite und drückt das ganze Zelt herunter. Mit einem Trekkingstock stabilisiere ich die Querstrebe, allerdings rutscht er immer wieder weg. Ich versuche, noch einmal einzuschlafen, aber der Wind und der Regen sind so kräftig, dass ich kein Auge zu mache. Drei Uhr, vier Uhr, fünf Uhr. In mir fängt die Idee an zu arbeiten, die Nacht am Knivskjellodden auszulassen, heute direkt zum Tourinordkap zu gehen und dort um 14.20 Uhr den Bus nach Alta zu nehmen. Dazu müsste ich eine weitere Nacht im Hotel buchen. Es wäre allerdings nicht das Ende der Reise, das ich mir vorgestellt habe. Zum Knivskjellodden, dem wirklichen Nordkap möchte ich ja nicht, weil ich dann ein paar Meter nördlicher bin. Ich habe das als Ziel gewählt, weil ich hier noch eine Nacht abseits vom Trubel habe und meine Ankunft genießen kann. Aber ich bin nicht sicher, ob diese Vorstellung realistisch ist. Der Wind soll zwar im Laufe des Tages weniger werden und am Nachmittag soll es noch einmal auflockern. Aber für den Samstag sagen die Wetterberichte einheitlich viel und andauernd Regen voraus. Bei dem Wetter müsste ich morgens recht früh noch 15 Kilometer zum Tourinordkap laufen und dort etwas unter Zeitdruck eine Mitfahrgelegenheit finden, die mich nach Honningsvåg mitnimmt, wo ich den Bus erwischen müsste. Den Stress würde ich schon in Kauf nehmen. Aber anstatt mit Musik in den Ohren auf einem Stein sitzend und auf das Meer hinaus schauend sehe ich mich eher wieder frierend im Zelt liegen und abwarten, dass die Nacht vorübergeht. Beide Varianten sind nicht die, die ich mir vorgestellt habe. Emotionale Momente lassen sich nicht planen. Dann wird das Ende der Reise eben kein emotionales Highlight. Ich hatte so viele davon während der Reise. Doch den Moment der Ankunft hatte ich mir schon so oft vorgestellt und mit der Zeit idealisiert. Dass ich einfach nur im Zelt liege und darauf warte, dass mir warm wird und dazu nicht einmal sicher weiß, wie ich am nächsten Tag zurückkomme, hatte ich mir nicht vorgestellt.

    Ziele sind nicht wichtig. Dazu gibt es schöne Beiträge auf YouTube von Dieter Lange. Ziele sind nur gut dafür, eine Handlung in Gang zu setzen. Für mehr nicht. Und nirgends passt der Spruch „Der Weg ist das Ziel“ besser als für meine Reise hier. Das Nordkap an sich ist nichts besonderes. Es hat aber als Ziel seinen Zweck erfüllt und meine Reise in Gang gesetzt. Ich werde heute zum Tourinordkap laufen. Die Entscheidung ist gefällt und fühlt sich weitgehend gut an. Nicht gut fühlt sich an, dass ich befürchte, dass dieser Reise ein würdiger Abschluss fehlt. Aber das lässt sich nicht ändern. Ich buche direkt ein Hotel für die kommende Nacht. Daniel schreibt mir, dass er gerade in der Hütte ist, wo ich an meinem 40km-Tag die Mittagspause gemacht hatte. Er ist unschlüssig, ob er bei den Bedingungen weitergehen oder doch lieber umkehren soll. Bei ihm stürmt und schneit es. Wir telefonieren und ich versuche, so gut wie möglich Auskunft über die Beschaffenheit des vor ihm liegenden Weges zu geben. Ich mag gar keinen Rat geben und kann nur zu gut nachvollziehen, in welcher Zwickmühle er sich gerade befindet. Danach antworte ich Nicole per Sprachnachricht. Ich hatte ihr schon in der Früh geschrieben, dass ich überlege, das „echte“ Nordkap auszulassen. Während ich hier meine Gedanken und meine Entscheidung formuliere, fühlt es sich wieder richtig an. Doch allein auszusprechen, dass ich es dann „geschafft habe“, schnürrt mir den Hals zu. Jetzt realisiere ich gerade, dass meine Reise heute zu ende gehen wird und einige Emotionen entladen sich. Aber auch das fühlt sich gut an.

    Während ich frühstücke, rüttelt der Sturm immer wieder am Zelt. Dann packe ich alles zusammen und der Wind lässt tatsächlich nach. Ich freue mich, dass es keine weitere Episode des Extremkloganges geben wird. Um kurz nach 08.00 Uhr mache ich mich auf den Weg. Es ist kalt und grau aber dafür fühlt sich der Rucksack heute sehr leicht an. Bis zum Nordkap werde ich heute über die E69 gehen. Viel Verkehr ist nicht. Hauptsächlich sind es Wohnmobile, die vom Nordkap kommen oder dorthin fahren. Die ersten Kilometer gehe ich so dahin. Irgendwie ein seltsamer Abschied. Ich versuche, mit Musik ein paar Emotionen zu kitzeln. Aber ich fühle mich einfach nur müde und ich gehe ohne Musik weiter, Kilometer für Kilometer. Als ich an dem Wanderparkplatz vom Knivskjellodden vorbei komme, überlege ich, ob ich mich richtig entschieden habe. Nehme ich mir hier die Chance auf ein würdiges Ende? Das Wetter lockert zunehmend auf. Dennoch bleibt es kalt. Die Kälte allein gibt meiner Entscheidung recht.

    Für die letzten Kilometer höre ich noch einmal Musik. Dabei erinnere mich an den ersten Tag meiner Reise. An den Unfall. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich beinahe abgebrochen hätte. Wie sich meine Einstellung zu der Reise verändert hat. Nun wird es doch ein wenig emotional. Aber es steigt keine Freude in mir auf. Als ich das Schild „Nordkapp 500m“ passiere, bricht es voll aus mir heraus. Zum einen realisiere ich wieder, dass es bald geschafft ist. Ich bin aber auch traurig, dass ich mich jetzt unter die Touristen mische und es irgendwie gefühlt unwürdig zu Ende gehen soll. Immerhin kommt die Sonne jetzt raus und alles sieht freundlich aus. Ich gehe noch um eine Kurve und dann direkt auf das Gelände zu. Ab jetzt will ich mich zusammenreißen. Ich habe keine Lust, hier heulend durch die Touris zu laufen. Ich gehe vorbei an zwei Bezahlhäuschen, wo man eigentlich mit dem Auto anhält. Als ich gerade vorbei bin, springt die Tür des einen Häuschens auf und eine Frau kommt raus. Sie drückt mir einen Aufkleber in die Hand, den ich gut sichtbar auf meine Jacke kleben soll. Der Eintritt zum Besucherzentrum ist für alle, die hier zu Fuß ankommen, frei. Das freut mich, da mir 30 Euro etwas viel gewesen wären, um Zugang zu einem teuren Café zu bekommen. Bevor ich ins Besucherzentrum gehe, laufe ich erst einmal Richtung Westen, um von hier ein paar Fotos vom Knivskjellodden zu machen. Der Wind pfeift kalt und ich gehe weiter. Ich entdecke den Globus, das klassische Fotomotiv des Nordkaps. Hier möchte auch ich ein Ankunftsfoto haben. Gleichzeitig habe ich aber gar keine Lust, irgendwen anzusprechen, ein paar Fotos von mir zu machen. Ich gehe weiter über den großen Parkplatz, wo zahlreiche Wohnmobile parken. Nach weiteren hundert Metern habe ich den Globus erreicht. Und wen entdecke ich da? Ramon und Lisette, die beiden, die ich vor ein paar Tagen in Olderfjord getroffen habe. Und ihr Hund ist dabei, der mich gleich freudig anspringt, als ob er mir gratulieren möchte. Dann gratulieren mir Ramon und Lisette. Wie gut tut das, bekannte und lachende Gesichter zu sehen und dass mir hier zwei Menschen gratulieren, die wissen, welchen Weg ich hierher zurückgelegt habe. Meine Laune ist hervorragend. Es ist ein komplett anderes Ankommen als ich es mir gedacht habe. Aber jetzt bin ich richtig happy. Lisette macht von mir das obligatorische Foto vor dem Globus. Dann gehen wir rein ins Café, um uns aufzuwärmen. Stück für Stück fällt von mir eine Last ab. Eine tiefe Zufriedenheit macht sich breit. Damit hätte ich nicht gerechnet. Von dem Café schaut man durch eine Fensterfront Richtung Norden und Richtung Globus. Ich entdecke Daina, die gerade angekommen ist. Am Globus scheint es ihr zu voll für das Foto und sie kommt ins Café. Auch wir beglückwünschen uns und genießen es, im warmen zu sitzen. Daina erzählt, dass ich am Knivskjellodden nichts verpasst hätte. Der Weg sei sehr schlammig und sie hätte sich das dort schöner vorgestellt. Wir sind fast 2.700 Kilometer durch das ganze Land gelaufen und haben so viel unfassbar schönes gesehen. Da ist es für so eine Landzunge auch nicht einfach, bei all dem mithalten zu können. Trotzdem bestärkt es mich noch einmal in meiner Entscheidung, heute alles richtig gemacht zu haben. Wir sitzen noch einige Zeit in dem Café und genießen die Aussicht aufs Meer. Mittlerweile sind wir eine kleine Gruppe. Ramon, Lisette, Daina und noch ein deutsches Pärchen, das mit dem Fahrrad von Dänemark hierher gefahren ist.

    Bevor es um 14.00 Uhr zum Bus geht, mache ich noch Dainas Foto am Globus. Dann geht es fast fünf Stunden Richtung Alta. In Olderfjord müssen wir in einen anderen Bus umsteigen. Nadja, die ich mit ihrem Mann auf dem Kungsleden in Schweden getroffen hatte, ist auch gerade in Olderfjord. Plötzlich steht sie an der offenen Bustür und wir unterhalten uns noch ein paar Minuten. Es ist so schön, dass es diese kleine Community gibt. Mit jeder und jedem Einzelnen verknüpfe ich ganz unterschiedliche Erinnerungen. Dann verabschieden wir uns, die Bustür schließt sich und es geht weiter Richtung Alta. Daina und ich unterhalten uns lange über die Tour. Daina wird weiter nach Südnorwegen reisen. Weil ihr Mann krank war, ist sie zu Beginn ihrer Reise ein paar Wochen nach Hause geflogen. Diese rund 400 verpassten Kilometer möchte sie jetzt noch nachholen. Blöderweise hat sie ihr Zelt durch ein Missgeschick beschädigt. Wenn sich das in Alta nicht reparieren lässt, werde ich ihr mein Zelt für die Zeit leihen. Dafür werden wir uns in Alta am nächsten Tag noch einmal treffen.

    Daina steigt ein paar Kilometer vor der Endhaltestelle aus. Ich erreiche um kurz vor sieben Alta Sentrum. Im Supermarkt besorge ich mir noch zwei Bier für den Abend und etwas zu essen. Dann geht’s schnell zum Hotel. Frisch geduscht liege ich im Bett, esse und schaue Fernsehen. Ich schaffe nur ein Bier, dann lösche ich das Licht. Das Ankommen ist noch lange nicht verarbeitet. Da bin ich mir sicher.

    Ich werde noch ein paar Tage in Alta verbringen, bevor der Flieger zurück nach Deutschland geht. Dann werde ich noch einmal abschließend von den letzten Tagen und der Rückreise berichten. Aber täglich werde ich jetzt nicht mehr schreiben. Das Schreiben habe ich in erster Linie für mich gemacht. Ich habe hier so viel erlebt, dass Erinnerungen täglich mit neuen Erlebnissen überschrieben wurden. Ich bedanke mich aber ganz herzlich bei allen, die hier mitgelesen haben, mitgefiebert haben und mir in schwierigen Situationen Zuspruch geschickt oder einfach leise die Daumen gedrückt haben. Diese vorerst letzten Zeilen schreiben sich gar nicht so leicht. Wieder einmal beginne ich zu verstehen, dass die Reise nun vorbei ist. Trotz aller Freude tut das auch ganz schön weh. Ich werde hier noch einige Zeit brauchen. Und neue Pläne. Neue Ziele, die etwas in Gang setzen und dann unwichtig werden.

    P.S.: An alle Spender, die hier mitlesen: Die Auswertung, wer wie viel überweist, werde ich machen, wenn ich wieder zu Hause bin. Dann gibt es an jeden einzelnen eine Mail mit Betrag und Kontoverbindung der Stiftung AKM.
    Read more

  • Day 114

    Nordkaptunnel - Heargečohkka

    September 21, 2023 in Norway ⋅ ⛅ 6 °C

    In der Nacht regnet es noch einige Male. Aber starken Wind gibt es nicht mehr. Dennoch schlafe ich unruhig. Am Morgen frühstücke ich und schreibe noch meinen Footprint. Am Vorabend war ich zu müde dazu und die Zeit habe ich heute. Dann packe ich meine Sachen zusammen. Weil es bis zur Straße nicht mehr weit ist und ich heute allgemein einige Straßenkilometer zu bewältigen habe, gönne ich mir das noch frische zweite paar Socken und ziehe die trockenen Laufschuhe an. Meine Bergschuhe sind vollgesogen mit Wasser und richtig schwer. Obwohl sie recht sperrig sind, bekomme ich sie noch im Rucksack unter. Ich überlege, sie heute schon zu entsorgen, damit ich das Gewicht nicht noch zwei Tage tragen muss. Lediglich für die letzten Kilometer könnten sie geeigneter sein als die Laufschuhe. Um halb zehn mache ich mich auf den Weg.

    Nach kurzer Zeit erreiche ich den Tunnel. Die wenigen Sumpfpassagen bis hierher konnte ich erfolgreich umlaufen und ich habe warme und trockene Füße. Ich ziehe mir die gelbe Warnweste an, die ich mir in Alta gekauft habe und setze meine Stirnlampe auf, um von den Autofahrern besser gesehen zu werden. Dann mache ich mich auf den Weg durch den sieben Kilometer langen Tunnel. Kleine Lautsprecher am Eingang machen fiese und unheimliche Geräusche. Sie sollen Rentiere abhalten, den Tunnel zu betreten. Links und rechts der Fahrbahn ist ein etwa 80 cm breiter asphaltierter Bürgersteig, daneben noch etwas zusätzliche Platz. Unsicher fühle ich mich nicht, dennoch ist es irgendwie aufregend, hier durch den Tunnel zu laufen. Nach einigen Metern im Tunnel höre ich das erste Auto von hinten kommen. Der Lautstärke nach müsste es längst neben mir sein. Doch der Sound wird immer lauter. Bedrohlich laut. Es klingt, als würde gleich ein Jumbo einfach von hinten über mich hinweg rollen. Dann ist das Auto vorbei. Krass! Da werde ich mich dran gewöhnen müssen. Ein paar weitere Autos helfen mir dabei. Dann ist es immer mal wieder für mehrere Minuten ruhig. Ich pfeife ein paar Melodien vor mich hin. Mit dem Hall des Tunnels klingt es richtig laut. Als mir ein LKW entgegen kommt, bleibe ich doch kurz stehen und stelle mich so nah es geht an die Tunnelwand. Bei den LKWs sind auf der Fahrspur links und rechts nur wenige Zentimeter Spielraum. Der Lärm der LKWs ist noch einmal deutlich furchteinflößender. Zum Glück bleibt es für meiste Zeit bei einzelnen Fahrzeugen. 212 Meter ist der tiefste Punkt des Tunnels unter dem Meer. Die letzten beiden Kilometer geht es relativ steil bergauf und mir wird richtig warm. So warm, dass ich anhalte und den Pulli unter der Jacke ausziehe. Dann ist es irgendwann geschafft und ich verlasse den Tunnel. Ein leicht bedrückendes Gefühl war es doch. Jetzt freue mich, wieder blauen Himmel über mir zu haben. Es weht nur ein leichter Wind und die Sonne scheint.

    Ich komme an einen Rastplatz. Ich überlege, hier meine Schuhe zu entsorgen. Aber ich bin unschlüssig und gehe weiter. Bis Kilometer 12 oder 13 folge ich der Straße entlang am Fjord, dann geht mein Wanderweg links ab. Einige Rentiere liegen hier in der Sonne, laufen aber weg als ich komme. Nach 300 Metern bin ich etwas oberhalb der Straße. An einem Felsblock mache ich eine Pause. Wenig Wind und Sonne. Hier halte ich es endlich mal wieder ein wenig länger aus, bevor mir kalt wird. Während ich auf meiner Isomatte an den Fels gelehnt dort liege, höre ich in der Nähe eine Drohne. Ich muss gar nicht lange suchen, dann sehe ich die auch. Sie fliegt direkt in meine Richtung. Es ist ein größeres Modell, könnte eine Inspire 2 sein. 10 Meter schräg über mir bleibt sie stehen, die Kamera in meine Richtung ausgerichtet. Was soll denn der Scheiß? Noch ein wenig länger und ich hätte den ersten Stein geworfen. Doch dann hole ich lautes Hundegebell von der Drohne kommend und diese schwebte davon zu den Felsen hinter mir. Selbst als sie sicher 150 Meter entfernt ist, kann ich das Gebell noch hören. Die Drohne scheint einen Lautsprecher installiert zu haben. Nach kurzer Zeit fliegt sie wieder zurück Richtung Straße. Ich stehe auf, um bis zur Straße sehen zu können. Dort steht ein Mann an sein Auto gelehnt mit der Fernbedienung in der Hand und landet die Drohne neben sich. Was war das denn?? Meine einzige Erklärung wäre, dass mir der Drohne Rentiere weg von der Straße getrieben werden. Aber dieser kurze und ziellos wirkende Einsatz bleibt seltsam. Klingt alles ein bisschen nach dem Beginn einer neuen Drei Fragezeichen Folge. Die „Drei ??? Und die bellende Drohne“.

    Ich mache mich wieder auf den Weg. Nicht ganz 300 Höhenmeter stehen mir hier bevor. Ich ärgere mich ein wenig, dass ich meine Schuhe nicht am Rastplatz entsorgt habe. Auch hier komme ich problemfrei mit meinen Laufschuhen voran und der Rucksack wäre um einiges leichter. Je höher ich komme, desto kühler wird es. Auch der Wind zieht deutlich an. Wieder scheuche ich eine größere Gruppe Rentiere auf. Es geht über eine karge, felsige Landschaft mit einigen Seen. Nur Gräser und Moose wachsen hier. Vier Kilometer nachdem ich von der Drohne angebellt wurde, erreiche ich wieder eine Straße. Die Sonne versteckt sich hinter einer großen dunklen Wolke, aus der es leicht zu schneien beginnt. Dann wird der Schnee mehr. Schwere, nasse Flocken im kalten Wind. Ich ziehe die Regenhose an und folge der langen Straße. Ganz in der Ferne kann ich schon den Teil der Insel sehen, wo das Nordkap ist, sowohl der Knivskjellodden als auch das touristische Nordkap.

    Der Schnee hört schnell wieder auf und die Sonne zeigt sich. Es ist gleich angenehmer. Ich komme an eine T-Kreuzung. Links führt die E69 zum Nordkap, rechts nach Honningsvåg. Geradeaus soll ein Wanderweg durchs Gelände gehen. Da ich aber keine Wanderzeichen sehe und mir eh nach einfachem Vorankommen ist, wähle ich die Straße. Nach zwei Kilometern komme ich an einen Rastplatz. Das ist meine Chance. Ich verabschiede mich von meinen Wanderstiefeln. Ein befreiendes Gefühl, wenn auch ein Restzweifel bleibt, ob ich die ganz zum Schluss nicht noch einmal brauchen könnte. Aber ich kann mich auch mit Laufschuhen gut bewegen. Nur wenn es glatt wird, muss ich vorsichtig sein.

    Die nächsten Kilometer habe ich das Gefühl, meinen Rucksack zu tragen. Die vollgesogenen Schuhe waren richtiger Ballast. Ich folge der Straße noch eine Zeit und beschließe dann, mich nach einem Zeltplatz umzuschauen. Heute bin ich nicht zu wählerisch. 100 Meter abseits der Straße finde ich eine gute Stelle und ein Bach ist auch in der Nähe. Es ist 16.00 Uhr. Erst baue ich das Zelt auf und räume alles ein. Dann gehe ich zum Bach, um Wasser zu holen und mich zu waschen. Mir ist richtig kalt. Im Schlafsack ist es im ersten Moment besser. Aber ich behalte eiskalte Hände und richtig warm wird mir nicht. Erst als ich nach einer Stunde warm esse und eine Tasse heißes Wasser trinke, wird es angenehm. Morgen sind es nur noch 17 Kilometer. Emotional bin ich gerade gar nicht. Aktuell freue ich mich einfach, wenn ich die heutige Nacht und die morgige am Nordkap noch gut und vor allem warm überstehe. Dann warten einige Nächte im Hotel auf mich. Auf diesen Luxus freue ich mich besonders.
    Read more

  • Day 113

    Bealjáidjávri - Nordkaptunnel

    September 20, 2023 in Norway ⋅ 🌬 6 °C

    Die Nacht war erst windig, am frühen Morgen dann stürmisch. Zwischen drei und vier Uhr werde ich wach, weil sich das ganze Zelt biegt und wackelt und laute Geräusche macht. Immer wieder mischt sich schwerer Niederschlag in die hohen Windgeschwindigkeiten und es prasselt richtig laut auf die Zeltwand. Trotz all der Bewegung macht das Zelt eine gute Figur. Aber es bleibt Skepsis und einfach auf die Seite drehen und weiterschlafen ist jetzt besonders schwer. Lange liege ich einfach auf dem Rücken und starre die wackelnde Zeltdecke an. Dabei schlafe ich tatsächlich nochmal ein. Um kurz nach sechs werde ich wieder wach. Der Sturm draußen hört nicht auf. Es gibt immer wieder kurze Phasen, wo es ein klein wenig ruhiger wird, doch dann geht es wieder von vorne los. Nach meinem ersten Kaffee kommt das unvermeidbare. Ich muss auf’s Klo!

    Ich warte eine ruhigere Phase ab und gehe raus. Auch wenn ich den Wind im Zelt nicht mehr so stark wahrgenommen habe, ist es hier draußen immernoch sehr windig. Und um die null Grad. Erst mache ich noch zwei, drei Fotos vom Zelt, das hatte ich gestern vergessen. Selbst dabei frieren mir schon fast die Hände ab und ich beeile mich, das unvermeidbare schnell zu erledigen. Mit heruntergelassener Hose stehe ich in mitten der Prärie. „Arschkalt“ kann man hier wörtlich nehmen. Ich hätte mit die Zeltfotos sparen sollen. Und dann kommt die nächste Böenphase. Ich richte mich aus, dass ich mit dem Wind arbeite und nicht gegen. Sonst wird das hier ein ziemlich beschissener Morgen. Meine Beine zittern in der Hocke, meine Hände schmerzen. Die Hose in der Kniekehle flattert. Jedes Tier, das mich hier beobachtet, muss sich fragen, was für ein überlebensunfähiges Wesen die Natur da hervorgebracht hat. Dann mischt sich auch noch Schneeregen in den Sturm. Unangenehmer und unwürdiger geht es nicht. Das hier ist der schwierigste Klogang meines Lebens. Daher bitte ich um Verzeihung für die detaillierte Beschreibung. Auch die philosophische Frage der Handhabung des Klopapiers stellt sich hier neu. Falten oder Knittern. Bis heute konnte ich mir nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die das Klopapier knittern. Aber bis heute habe ich auch noch nicht versucht, Klopapier bei 40 km/h Wind und Schneeregen zu falten. Irgendwann ist alles geschafft und als ich zurück im Zelt bin, fühle ich mich als hätte ich gerade ohne Sauerstoff den Mount Everest bestiegen.

    Dann frühstücke ich und genieße das im Zelt liegen eine Spur mehr als vorher. Ich packe alles im Zelt und mache mich fertig. Das in die Schuhe schlüpfen macht jetzt keinen Spaß. Nasse Socken und nasse Schuhe gut vorgekühlt auf ein oder zwei Grad. Beim Zeltabbau muss ich wieder gut darauf aufpassen, dass mir nichts davon fliegt. Immerhin regnet oder schneit es gerade nicht. Um zwanzig nach neun mache ich mich auf den Weg. Einzig konstant ist eigentlich nur der viele Wind. Ansonsten ist es ein reines Aprilwetter. Im Minutentakt wechselt es zwischen Sonnenschein, Graupel, Regen oder Schneeregen. Die ersten Kilometer fühle ich mich einfach nur lebendig. Ich bin warm angezogen und der kalte Wind kann mir nichts. Vielleicht war das auch gestern schon Teil meines Antriebs, dass ich mich bei den Bedingungen so lebendig gefühlt habe. Das einzige, was es gerade ungemütlich macht, sind die extrem nassen und kalten Füße, die sich trotz Bewegung nicht ein Minimum erwärmen.

    Nach sechs oder sieben Kilometern meldet sich mein Knie seit langem mal wieder. Aber die stark schmerzenden Stiche bleiben aus. Ich gehe etwas bewusster und habe das Problem so einigermaßen im Griff. Immer wieder gibt es sumpfige Abschnitte, die dafür sorgen, dass das Wasser in den Schuhen frisch und kalt bleibt. Aber irgendwie gelingt es mir ganz gut, die Füße mental abzukoppeln und es einfach nur hinzunehmen. Der Weg führt weiter bergab. Erst sehe ich das Meer in der Ferne. Einige Zeit später erreiche ich dann einen kleinen Strand. Die Luft riecht richtig nach Meer. Es ist gerade Ebbe und ich kürze ein paar hundert Meter einfach über den Strand und die wasserlosen Bereiche ab. Hier unten auf Meereshöhe ist es auch kalt aber sicher ein paar Grad wärmer als oben. Dann habe ich zwölf Kilometer geschafft und mache eine Pause mit Nussmischung und Snickers. Für zwölf Kilometer bin ich ganz schön im Eimer. Ich bin viel gegen den Wind gelaufen und das wird sich auch auf der weiteren Strecke nicht ändern.

    Die weiteren Kilometer führen zunächst direkt am Meer entlang. Gegenwind und viel Sumpf machen das Vorankommen hier schwer. Außerdem merke ich, dass ich gestern nicht untätig war. Unfassbar viel Müll liegt hier herum. Ich vermute, dass erst das Meer den Müll angespült hat und der Wind ihn dann hier in den Gräsern verteilt hat. Dann führt der Weg weg vom Ufer, der Sumpf bleibt aber. Bis Kilometer 20 ist es eine einzige Arbeit. Jeder Schritt ist anstrengend und die Bedingungen mit dem Sumpf und den kalten Füßen machen es nicht leichter. Ich erreiche einen Fluss, der wieder für frisches Wasser in meinen Schuhen sorgt. Ab hier geht der Weg 300 Höhenmeter steil bergauf. Eigentlich keine Zahl, mit der man beeindrucken kann, aber nach dem Weg bis hierher nochmal eine echte Probe. Nach den ersten 100 Höhenmetern mache ich eine Pause. Ein paar Nüsse, ein Snickers und dann ist es auch schon wieder kalt. Weiter geht‘s. Oben wird der Weg zum Glück einfacher. Nach einer weiteren kleinen Steigung geht es fast nur noch bergab. Der Weg ist fest und der Wind ein klein bisschen weniger, weil ich im Windschatten des Berges nördlich von mir gehe. Ich folge dem Tal bergab und höre etwas Musik. Weiter unten stoße ich auf ein weiteres Tal, das links und rechts abbiegt. Ein steiler Weg führt runter zum Fluss und auf der anderen Seite wieder bergauf. Ich folge dem linken Tal. Während sich der Fluss unten seinen Weg durch eine enge Schlucht sucht, führt mein Pfad schräg zum Hang dauerhaft bergauf. Die Sonne kommt raus und taucht die gesamte Landschaft in eine ganz besondere Stimmung. Die Berge um mich herum sind steil und felsig, während ich mich auf meiner Seite auf einer sanften Graskuppe bewege. Ich mache einige Fotos und gehe weiter. Ich höre mal wieder Filmmusik und es fühlt sich fast unwirklich an, Teil dieser besonderen Kulisse sein zu dürfen. Weit und breit kein anderer Mensch. Ein erhabenes Gefühl, besonders mit den Klängen des Orchesters im Ohr.

    So schnell wie die Sonne die Landschaft erstrahlen lassen hat, so schnell ändert sich das Wetter wieder. Alles wird dunkel und grau, der Wind zieht an und peitscht mir kleine Eiskristalle ins Gesicht. Genussmodus aus. So langsam sollte ich mich auch nach einem Schlafplatz umschauen, wenn ich nicht drei Kilometer weiter direkt am Eingang des Tunnels zur Magerøya-Insel übernachten möchte. Aber der Hang hier ist zu steil zum Zelten und das Wasser ist zu weit entfernt in der Schlucht. Ich gehe weiter, finde aber nicht wirklich was geeignetes. Also folge ich dem Weg und steige ab in die Schlucht. Dort unten ist es nicht mehr weit bis zur Straße. Noch einmal gibt es Frischwasser für meine Socken, dann folge ich dem Pfad auf der anderen Seite des Flusses. Das enge Tal öffnet sich und bald finde ich ein paar Quadratmeter, eben und gerade wie auf einem Campingplatz. Fünf Meter entfernt davon ein kleiner Bach. Perfekt, hier bleibe ich. Das Zelt ist schnell aufgebaut. Der Wind hier ist deutlich schwächer. Abendessen, Schokolade zum Nachtisch und dann ist auch schon Nachtruhe. Noch 42 Kilometer bis zum Ziel!
    Read more

  • Day 112

    Olderfjord - Bealjáidjávri

    September 19, 2023 in Norway ⋅ 🌬 5 °C

    Um kurz nach vier werde ich wach. Mir gelingt es nicht wieder einzuschlafen. Ich drehe mich noch eine Weile hin und her und gebe dann auf. Ich bin total müde, versuche aber, positiv zu denken. Ich nutze die Zeit, um meinen Footprint von gestern zu Ende zu schreiben. Am Abend war ich einfach zu müde. Dann fange ich an, meinen Rucksack zu packen. Das Paket mit Trekkingnahrung, das ich mir von Alta geschickt hatte, öffne ich erst jetzt. Obwohl ich es nach so vielen Tagen eigentlich besser wissen müsste, habe ich in Alta wie eine besorgte Mutter noch zwei zusätzliche Trekkinggerichte eingepackt, Suppen, um genau zu sein. Ich will aber keine Suppen. Ich möchte jeden Tag ein Gericht, mehr nicht. Aber weil ich zu geizig bin, die Sachen einfach weg zu schmeißen, packe ich sie ein. Vermutlich werden sie ihren Weg zurück nach Deutschland finden. Suppen ey! Watt hasse dir dabei gedacht?

    Dann nehme ich noch eine heiße Dusche. Die Tür zum Bad bleibt heute geschlossen. Ich möchte nicht um 6:30 Uhr den Feueralarm auslösen. Dann lege ich mich noch etwas aufs Bett. Auschecken kann ich erst ab acht. Daniel ist meistens extrem früh wach. Bevor ich mich auf den Weg mache, möchte ich mich bei ihm noch verabschieden. Ich klopfe an der Tür, höre aber nichts. Ich rufe noch einmal „Daniel“, höre aber wieder nichts. Ich gehe zur Rezeption und checke aus. Dann verabschiede ich mich wenigstens per Sprachnachricht. Als ich 2 km gegangen bin, antwortet mir Daniel. Er sitzt beim Frühstück im Gemeinschaftsraum. Schon seit 7:30 Uhr. Dann bin ich heute direkt an ihm vorbeigegangen. Verdammt.

    Die Birkenwälder leuchten und der Fjord glitzert im Sonnenschein. Auf der Straße ist noch nicht viel los. Die Luft ist kalt, zum Glück ist es windstill. Für morgen ist richtig viel Wind vorhergesagt. Aber morgen ist eben morgen und wie oft hat sich die Vorhersage noch geändert. Ich bin total müde. Ich merke, dass ich seit 4:00 Uhr wach bin und mir Schlaf fehlt. Gleichzeitig bin ich motiviert. Jetzt sind es nur noch vier Tage. Vier anstrengende Tage, denn mein Kilometerpensum habe ich für diese vier Tage etwas erhöht. Im Schnitt 27,5 km. Ich möchte aber versuchen, wenigstens an den ersten beiden Tagen 30 km zu machen. Die größte Problematik dabei ist aktuell, dass ich nicht wirklich mal eine längere Pause machen kann, weil es einfach zu kalt ist. Ich hatte noch kurz überlegt, ob ich mein Hotel in Alta noch einmal umbuche und einen Tag mehr für die kommende letzte Etappe plane. Aber das würde auch bedeuten, dass ich eine Nacht mehr draußen verbringen muss. Und dafür lauf ich lieber ein paar Kilometer mehr.

    Ich folge der Straße bis kurz vor Smørfjord. Hier biege ich links ab in eine andere Straße. Nach weiteren vier Kilometern geht endlich der Wanderweg rechts von der Straße ab. Es wird zunehmend windiger. Oben im Fjell habe ich wieder wunderbare Weitsicht. Der Weg ist auch hier ein ATV-Trail, was das Vorankommen einfach macht. Ich bin froh, nach mehr als zehn Kilometern immer noch trockene Füße zu haben. Eigentlich wollte ich bei zehn Kilometern eine Pause machen, aber der Wind ist einfach zu kalt. Nach 11,5 Kilometern komme ich in einer Senke an einen kleinen Bach. Hier ist es minimal besser und ich setze mich auf meine Isomatte an den Wegrand. Richtig Durst habe ich nicht, aber trinken schadet sicher nicht. Nach zehn Minuten schiebt sich eine Wolke vor die Sonne und jetzt wird es richtig kalt. Ich gehe weiter. Der Weg führt aufwärts und der Wind nimmt nun deutlich zu. In der Ferne sehe ich eine breite Regenwand auf mich zu kommen. Ich halte an und ziehe mir die Regenhose an. Beim Auspacken muss ich aufpassen, dass mir nichts wegfliegt. Noch bevor ich fertig bin, ist die Regenwand da. Allerdings ist es kein Regen, der da runterkommt. Es sind kleine Eiskristalle, die mit dem starken Wind richtig unangenehm auf der Haut sind. Auch ohne Regen ist es mit der Regenhose jetzt deutlich angenehmer. Der Weg führt immer weiter nach oben. Eine große Gruppe Rentiere flüchtet vor mir. Es sind sicher 60 Tiere. Kurz kommt die Sonne raus und dann wird es einige Minuten später wieder dunkel. Jetzt fallen erste Schneeflocken. Weiter oben bin ich dem Wind dann komplett ausgesetzt und es schneit seitwärts. Ich ziehe das Tempo an, damit mir nicht kalt wird. Der Schnee schmilzt auf meinen Handschuhen, welche die Nässe dann aufsaugen. Nicht so optimal.

    In der Ferne entdecke ich eine Hütte und mir fällt ein, dass diese Hütte auf der Wanderkarte des DNT vermerkt ist. Es ist keine Hütte des DNT, aber sie ist öffentlich zugängig und darf von jedem frei genutzt werden. Immer wieder waren auf dem Weg hierher kleine Sumpfgebiete zu queren, wo ich aber nie tief eingesunken bin. Trotzdem sind meine Socken mittlerweile nass. Die Hütte kommt für eine Pause wie gerufen. 20 Kilometer habe ich bis hier geschafft und es ist erst 12.30 Uhr. Die Hütte ist einfach eingerichtet aber es ist alles da, was man braucht. Da ich nicht in Eile bin, mache ich den kleinen Ofen an. Dann setze ich mich an den Tisch und mache mir Wasser heiß, das ich am Fluss 200 Meter vor der Hütte noch mitgenommen habe. Draußen fliegen die Schneeflocken waagerecht. Dann hagelt es richtig. Aus dem Fenster sehe ich einige Rentiere. Während das Feuer im kleinen Ofen knistert, pfeift der Wind um die Hütte. Weil ich keine Lust habe, den Kaffee aus den Tiefen des Rucksacks zu kramen, trinke ich einfach nur heißes Wasser. Aber auch das tut richtig gut!

    Ich bin unentschlossen, was ich tun soll. Eigentlich wäre es vernünftig, hier zu bleiben. Draußen stürmt es. Es sind immer wieder nur Schauer, dann kommt die Sonne zwischendurch wieder raus. Aber die Bedingungen sind weder zum Wandern, noch zum Zelten richtig gut. Ab morgen in der Früh ist noch mehr Wind vorhergesagt mit Spitzen bis 70 km/h. Eigentlich spricht alles dafür, hier zu bleiben. Aber ich spüre, dass ich das nicht will. Ich habe ein klein wenig Empfang und google, welche Windgeschwindigkeiten ein Zelt aushält. Tatsächlich finde ich sogar einen Test zu meinem Zelt, das eher für den Sommer und wärmere Regionen konzipiert ist. Im Test schneidet es gut ab. Das freut mich. Ich bin aber immer noch unsicher. Meine Route wird immer weiter bergauf führen. Da oben wird der Wind noch einmal kräftiger sein und kälter. Diese Entscheidung heute hat nicht nur mit Motivation zu tun. Zum ersten Mal habe ich auch Bedenken bezüglich meiner Sicherheit. Temperaturen um die Null Grad, Sturm und Schnee oder Hagel. Viel Niederschlag ist aber nicht vorhersagt, ich befürchte also nicht, später noch durch tiefen Schnee stapfen zu müssen. Eigentlich geht es heute nur noch um weitere 10 Kilometer. Der Blick nach draußen lässt nur eine Antwort zu. Hier bleiben. Aber der Blick in mich hinein sagt was anderes. Ich gehe weiter!

    Mit dieser Entscheidung bin ich jetzt richtig entschlossen. Ich weiß, dass das heute kein Spaziergang wird. Im Gegenteil. Es wird definitiv unangenehm. Aber diese Entschlossenheit fühlt sich gut an. Obwohl ich schon 20 Kilometer auf der Uhr habe, fühle ich mich noch fit. Ich fühle mich sogar richtig stark. Denn jetzt nehme ich die ekligen Bedingungen nicht nur in Kauf. Ich habe mich für sie entschieden. Eigentlich fehlt jetzt nur noch die Rockymusik und dass ich luftboxend durchs Fjell laufe. Stattdessen bremst mich 200 Meter nach der Hütte der erste Sumpf aus. Diese Scheiße hatte ich bei all meiner Entschlossenheit nicht auf dem Schirm. Aber was soll es, die Socken sind eh nass. Also zügig durch. Ich will nicht zögern und von Grasbüschel zu Grasbüschel hüpfen. Ich will hier jetzt einfach durchpflügen. Und so pflüge ich bis ich 200 Meter später an einem breiten Fluss stehe. Hallo? Geht’s noch? Ich hab mich hier auf Sturm, Kälte und Schnee vorbereitet. Und das Fjell schmeißt mir im ersten halben Kilometer nach der Hütte alles in den Weg, was es zu bieten hat. Ich schaue zurück zur Hütte, die allerdings schon hinter dem Hügel verschwunden ist. Der Fluss ist breit und an einigen Stellen nicht all zu tief. Scheiß drauf! Die Füße sind eh nass. Ich gehe auf Zehenspitzen und schaffe es so gerade eben, dass kein Wasser von oben in die Schuhe läuft. Das wäre jetzt etwas viel. Auf der anderen Seite angekommen gehe ich entschlossen weiter.

    Vor mir erstreckt sich ein endlos langer Felsgrat. Laut Karte geht es an diesem entlang immer Richtung Norden. Die Landschaft ist richtig schön. Immerhin hat der Schnee aufgehört und es lockert immer weiter auf je weiter ich mich Richtung Norden bewege. Da ich im Lee östlich der Felsridge laufe, ist der Wind hier etwas schwächer. Die Sonne lässt sich immer häufiger blicken und die Landschaft leuchtet. Der Weg ist fest und die meiste Zeit gut zu finden. Angetrieben durch den kalten Wind gehe ich zügig voran, entlang der Ridge, vorbei an unzähligen schönen Seen. Nach 29 Tageskilometern steht eine erneute Entscheidung an. Ab hier geht der Weg hinauf auf den Grat und dort oben immer am Grat entlang. Es ist kurz vor 16.00 Uhr. Eigentlich eine gute Zeit und Distanz, das Zelt aufzustellen. Aber ich habe noch Energie. Gleichzeitig weiß ich, dass ich, wenn ich hochgehe, noch so viel Energie haben sollte, auch wieder bis in tiefere Regionen laufen zu können. Denn oben ist es zum Zelten eventuell nicht wirklich geeignet. Keine Ahnung, was mich heute antreibt und wieso ich mich so fit fühle. Ich gehe weiter.

    Heute bin ich nicht getrieben, wie auf meiner letzten Tagesetappe nach Alta, wo ich auch noch schnell sein wollte. Heute passe ich mein Tempo den äußeren Bedingungen an. Schritt für Schritt gehe ich den steilen Weg auf den Bergrücken. Oben angekommen, bin ich dem Westwind zu 100% ausgesetzt. Ich muss mich gegen den Wind lehnen und jetzt wird es richtig kalt. Hier oben ist der Schnee teilweise liegen geblieben. Ich folge dem Grat Kilometer für Kilometer. Noch ein paar mal geht es bergauf und obwohl ich mich anstrenge, fröstel ich. Ich halte an und hole meine Daunenjacke aus dem Rucksack. Wieder muss ich aufpassen, dass mir nichts wegfliegt. Ein paar Minuten später geht es mit allen Jacken, die ich habe, weiter. Es wird sofort deutlich angenehmer. Inzwischen hat sich die Sonne wieder dauerhaft hinter den Wolken versteckt und wird immer tiefer. Der Weg führt nun tendenziell bergab. Ich gehe noch soweit, bis mein Weg direkt an einem See entlang geht. Hier finde ich einen Platz für mein Zelt. Es ist immer noch sehr windig. Aber nicht mehr so extrem wie oben auf dem Grat. In der Abenddämmerung baue ich mein Zelt auf. Erst das Außenzelt, alles weitere erledige ich von innen. Beim Abspannen bin ich heute besonders vorsichtig, weil um vier Uhr am nächsten Morgen sehr starker Wind vorhergesagt ist. Als ich im Zelt liege, fängt es kräftig an zu regnen. Wieder einmal ideales Timing. 40 Kilometer bin ich heute gewandert und ich fühle mich richtig gut und weniger platt als nach den meisten anderen Etappen.
    Read more

  • Day 111

    Raksevarjavri - Olderfjord

    September 18, 2023 in Norway ⋅ ☁️ 7 °C

    Wieder werde ich früh wach, drehe mich aber noch ein paar mal um und döse noch etwas. Draußen regnet es. Mal mehr, mal weniger. Am liebsten würde ich einfach ewig liegen bleiben, aber heute sind es nur noch 15 Kilometer bis Olderfjord, wo ein Zimmer mit Dusche auf mich wartet. Das motiviert mich und ich mache mir Frühstück. Erst um halb neun fange ich an zu packen. Als alles verstaut ist und nur noch das Zelt steht, hört der Regen auf. Perfektes Timing. Um zwanzig nach neun mache ich mich auf den Weg.

    Auch heute bleibe ich nicht vom Sumpf verschont, was mich heute aber lange nicht so stört wie die letzten Tage. Der Weg führt entlang eines Baches, die meiste Zeit bergab. An einer Stelle habe ich etwas Handyempfang und neben WhatsApp checke ich auch kurz meine Mails. Carina vom Münchner Merkur schreibt mir. Der Kontakt kam über Nicole zustande. Sie fragt, wann ich Zeit für ein Interview hätte. Ich antworte direkt, weil ich nicht weiß, wie lange ich hier Empfang habe. Ich schreibe ihr, dass ich gegen Mittag eine Straße erreiche und da stabiler Empfang sein sollte. Ich gehe weiter und das Wetter wird jetzt immer besser. Schon wieder lag der Wetterbericht zu meinen Gunsten daneben. Die Sonne kommt raus und bald sehe ich über die gelb leuchtenden Birkenwälder hinweg den Fjord.

    Eine halbe Stunde später bin ich an der E6. Hier ist einiges los. Immer wieder LKW und jede Menge deutsche Wohnmobile. Ich rufe Carina in München an. Außer dass ich dem ein oder anderen LKW in den Graben ausweiche, muss ich mich wegtechnisch hier nicht mehr konzentrieren. Ich habe vor dem Telefonat noch überlegt, ob ich mich noch einmal sammeln soll, durchgehen, was ich sagen möchte. Aber ich rufe einfach an. Ich kann ja nichts falsches erzählen und ich glaube, wenn ich frei drauf los erzähle, ist das vermutlich am authentischsten. Wir telefonieren eine gute Dreiviertelstunde. Das Interview macht richtig Spaß und es vergehen einige Kilometer. Ich bin sehr gespannt, was Carina daraus macht.

    Nach dem Interview sind es nur noch 2,5 Kilometer, die ich bald geschafft habe. Zuerst geht es zur Supermarktcaféposttankstelle. Der Ort selbst besteht nur aus einigen Häusern und einem Campingplatz. Da hat man fast alles, was man braucht in einem Gebäude untergebracht. Ich habe keine Lust, gleich meinen gesamten Einkauf zu machen. Daher gibt es eine Cola und ein belegtes Baguette. Auch mein Paket kann ich hier unkompliziert abholen, ohne Abholschein oder Personalausweis. Hier klappt es noch mit Vertrauen. 200 Meter weiter ist das Campingplatzsouvenirshopbarcaféhotel. In dem Shop bekomme ich den Schlüssel für mein Zimmer. Die Zimmer sind in einem anderen Gebäude und ziemlich einfach. Ein kleines Bad, zwei Betten, zwei Stühle, ein Tisch. Als erstes springe ich unter die heiße Dusche. Einfach nur herrlich! Danach räume ich meinen Rucksack aus. Das Außenzelt hänge ich in der Dusche zum Trocknen auf, meine Schuhe stelle ich auf eine kleine Heizung an der Wand. Ist gibt bessere Möglichkeiten, die Raumluft zu beeinflussen, aber ich will wenigstens für die ersten Kilometer morgen ein paar trockene Schuhe haben.

    Dann gehe ich die 200 Meter zurück zum Supermarkt (-caféposttankstelle). Ich kaufe Schokolade, Müsliriegel, Nussmischungen, Wurst und Käse für heute Abend, Waschmittel und ein paar andere Sachen. Wieder verlasse ich den Laden mit einer Rechnung von 90 EUR. Das Leben hier ist einfach deutlich teurer. Zurück im Hotel gehe ich noch in den Souvenirshop. Ich kaufe mir eine Fleecefecke. Die letzten Nächte im Zelt waren oft frisch und eine zusätzliche Decke soll mir die letzten Nächte draußen noch etwas angenehmer machen. Dann bringe ich alles auf mein Zimmer. Dort ziehe ich alles aus und nur Regenhose und Daunenjacke wieder an. Alles andere bringe ich ins Nachbarhaus zur Waschmaschine. Diese und den Trockner darf ich kostenlos nutzen. Nur Waschmittel musste ich extra kaufen. An der Waschmaschine treffe ich Ramon, der gerade aus der Dusche im Nachbarraum kommt. Ihn hatte ich schon im Supermarkt gesehen. Auch er sieht aus wie ein Weitwanderer. Der Bart verrät die meisten hier. Wir kommen ins Gespräch. Mit seiner Frau ist er Mitte April in seiner Heimat in den Niederlanden gestartet. Dann sind sie auch über Lindesnes Norge på langs gelaufen. Allerdings sind sie jetzt zum Ende auf‘s Fahrrad gewechselt und haben noch einen Hund dabei. Ich lade ihn ein, mein Waschmittel zu benutzen. Er sagt, er hätte eh nicht viel und wir schmeißen einfach unsere Wäsche gemeinsam in die Waschmaschine.

    Zurück auf dem Zimmer recherchiere ich nach Bussen vom Nordkap nach Alta. Jeden Tag fährt genau ein Bus. Außer an dem Tag, an dem ich nach Alta zurück muss. Ich finde aber heraus, dass der Bus an dem Tag immerhin von Honningsvåg nach Alta fährt. Das bedeutet, dass ich rund 30 Kilometer vom Nordkap trampen muss. Aber das wird schon irgendwie klappen. Mein Ziel ist nicht das bekanntere touristische Nordkap, sondern die Landzunge westlich davon, der Knivskjellodden. Das ist wirklich der nördlichste Punkt. Am nächsten Tag möchte ich dann zum touristischen Nordkap mit dem Globus wandern. Von dort wird mich hoffentlich schon irgendjemand mitnehmen.

    Während ich nach den Bussen recherchiere, fange ich wieder an zu frösteln. Kurzerhand entscheide ich mich, noch eine heiße Dusche zu nehmen. Den Luxus muss ich ausnutzen. Während ich dusche, klingelt es laut und dauerhaft Flur. Feueralarm! Ich trockne mich in Ruhe ab und ziehe mir wieder Regenhose und Daunenjacke an. Während ich mich wundere, dass mein Feuermelder rot blinkt, klopft es an der Tür. Eine Frau fragt, ob alles in Ordnung ist. Tatsächlich habe ich mit der heißen Dusche den Feueralarm ausgelöst, weil ich die Tür im Bad nicht geschlossen hatte. Ups. Aber die Frau hatte sich das schon gedacht und meint, ich solle beim nächsten mal einfach die Tür vom Bad schließen.

    Nach der Dusche sitze ich wieder auf meinem Bett. Daniel schreibt mir, wie es mir geht und ob ich schon durch den Tunnel zum Nordkap durch sei. Er sei heute in Olderfjord angekommen. Wie cool ist das denn! Ich schreibe sofort zurück, dass ich auch hier bin und gerade auf meine Waschmaschine warte. Er antwortet, dass er gerade darauf wartet, dass die Waschmaschine frei wird. Eine halbe Stunde später treffen wir uns an der Waschmaschine. Wie haben uns viel zu erzählen. Ich schmeiße eine Runde Waschmittel. Dann gehen wir zu Daniel. Er hat eine Hütte gebucht und hier schmeißt Daniel eine Runde Bier. Wir tauschen uns über den bisherigen Weg aus, über den Sumpf, über Nordlichter und über die nächsten Tage. Daniel wird hier noch einen Ruhetag machen. Auch Daniel geht es so, dass er mittlerweile nur noch ankommen möchte. Natürlich wollen wir den Weg noch genießen. Aber mit der Kälte und dem Sumpf freuen wir uns dann auch auf das Ziel und das Ende der Reise.

    Eine Stunde später hole ich meine Sachen aus dem Trockner. Hier treffe ich Lisa, die Frau von Ramon. Sie hat meine Sachen sogar schon zusammengelegt. Was ein Service. Auch wir unterhalten uns eine Weile. Dann geht es zurück aufs Zimmer. Mit Daniel bin ich um halb acht im Gemeinschaftsraum verabredet. Auch Lisa und Ramon sind hier. Bis zehn Uhr tauschen wie uns über unsere Erfahrungen und Routen aus und haben einen wirklich lustigen Abend. Dann ist es Zeit für’s Bett.
    Read more

  • Day 110

    Gádjariegádanjohka - Raksevarjavri

    September 17, 2023 in Norway ⋅ ⛅ 7 °C

    In der Nacht regnet es immer wieder leicht. Das Geräusch vom Regen auf dem Zelt ist einfach schön. Dennoch schlafe ich nicht sonderlich gut. Um 04:30 Uhr werde ich wach. Diesmal zieht es von der linken Schulter in die linke Schläfe. Ich nehme diesmal direkt eine Tablette, damit sich das nicht wieder durch den halben Tag zieht. Bei Nieselregen muss ich noch kurz raus, dann lege ich mich wieder hin. Irgendwie schaffe ich es nochmal, wieder einzuschlafen. Als ich die Augenmaske abnehme, ist es zwanzig nach sieben. Mit dem Frühstück lasse ich mir Zeit. Jetzt ist es mal wieder sehr gemütlich im Zelt. Der Schlafsack ist zwar etwas klamm, aber lange nicht so nass wie die beiden Tage zuvor. Der Regen draußen hat mittlerweile aufgehört. Der Wetterbericht, von dem ich mir gestern die Laune habe verderben lassen, hat sich seit gestern bestimmt noch 27 Mal geändert. Für heute sagt er nur noch bewölkt voraus. Heute bin ich motivierter. Schon morgen erreiche ich Olderfjord, wo ein Zimmer mit Dusche und ein kleiner Supermarkt auf mich wartet. 20 Kilometer stehen je heute und morgen auf dem Plan. Ich will aber heute schon ein wenig weiter gehen, dass ich morgen vielleicht schon gegen Mittag ankomme. Es ist halb zehn, als ich mich auf den Weg mache.

    Die ersten Kilometer führen durch eine endlose Ebene. In alle Richtungen kann ich Kilometer weit sehen. Am Horizont sehe ich sogar blauen Himmel. Damit hätte ich nicht gerechnet. Heute bin ich mit meinem zweiten, trockenen Paar Socken gestartet. Doch hätte ich geahnt, was für ein Weg vor mir liegt, wäre ich besser gleich in die nasskalten Socken gestiegen. Sumpf, Sumpf und nochmal Sumpf. Die ersten Meter versuche ich noch, so wenig wie möglich einzusinken. Nach einigen Minuten ist es dann aber egal. Beide Füße sind nass. Und das bei deutlich unter zehn Grad. Trotzdem will ich mir die Laune jetzt nicht verderben lassen. Ich bin froh, dass es nicht regnet und die Aussicht auf das Zimmer morgen macht es mir leichter, mich zu motivieren. Heute stehen nur sehr wenige Höhenmeter auf dem Programm und ich komme gut voran. Bis ich an einen breiten Fluss komme. Ich habe keine Lust, meine trockenen Laufschuhe zu opfern. Und überhaupt nervt die Schuhwechselei. Ich finde eine Stelle, wo es nicht ganz so tief ist. So lange das Wasser nicht von oben in den Schuh läuft bin ich zufrieden. Nasser als jetzt können meine Füße eh nicht mehr werden.

    Es dauert eine Weile, bis ich das riesige Sumpfgebiet hinter mir lasse. Dann geht es endlich wieder auf festem Untergrund weiter. Einen richtigen Pfad gibt es nicht. Ich folge einfach den Steinen, die zur Markierung hier im Gelände dienen. Ich habe Netz und schaue, welchen Podcast ich hören kann. Eigentlich wollte ich so wenig wie möglich hören, woran ich mich auf meiner Wanderung auch lange gehalten habe. So ein Podcast holt einen irgendwie raus aus der eigentlichen Situation und man ist alles andere als im hier und jetzt. Für heute aber bin ich nicht so streng. Eine Ablenkung zu meinen nassen und kalten Füßen ist herzlich willkommen. Ich höre „Hitze“, eine Doku über die „letzte Generation“. Sehr interessant und ideal, um fast unbemerkt weitere Kilometer zu machen. Nach der ersten Folge und 12 gelaufenen Kilometern mache ich eine erste Pause. Drei Stunden bin ich jetzt unterwegs. Der Sumpf zu Beginn war das einzige anstrengende. Mein Rucksack ist leicht wie noch nie. Ich habe nur noch Essen für heute und morgen und einiges an Zeug habe ich ja in Alta gelassen. Obwohl das Wetter immer besser wird, ist es windig und nach wenigen Minuten wird mir wieder kalt.

    Ich gehe motiviert weiter. Es sind ja nur noch 8 „Pflichtkilometer“. Plötzlich lässt sich die Sonne blicken. Es wird deswegen nicht gleich wärmer, aber alles sieht gleich viel freundlicher aus. Ich schäme mich fast, dass ich mich gestern vom Wetterbericht so runterziehen lassen habe. Ich habe mit Regen gerechnet und jetzt laufe ich durch Sonnenschein. Allerdings versteckt sich die Sonne dann doch immer wieder mal hinter einer Wolke. Dennoch ist das Wetter deutlich besser als vorhergesagt. Nach weiteren Kilometern komme ich an einen Anstieg. Der Weg führt über einen Berg. Ich bin nicht sicher, ob man das hier noch Berge nennt. Es sind eigentlich eher Hügel, dennoch liegt einiges an Fels in der Gegend. Von oben habe ich einen fantastischen Blick zurück. Diese Weite ist jedes Mal überhaupt nicht greifbar. Weiter oben mache ich eine Pause im Sonnenschein und esse Nüsse und Schokolade. 2,5 Kilometer habe ich noch auf dem Programm. Plus das, was ich heute bereit bin, extra zu gehen.

    Der Weg führt auf der anderen Seite des Hügels wieder runter in ein weiteres riesiges Tal. Bergab komme ich schnell voran und mein Tagesziel ist bald erreicht. Dann geht es noch einmal durch den Sumpf. Aber jetzt scheint die Sonne die ganze Zeit und ich lasse mir die Laune nicht mehr verderben. Dennoch höre ich noch eine Folge von dem Podcast, um mich von den nassen Füßen abzulenken. Ich gehe um einen kleinen Hügel herum in eine Art Seitental. Jede Menge kleiner Birken stehen hier und die tief stehende Nachmittagssonne bringt die Landschaft zum leuchten. Es ist traumhaft und jetzt fühlt es sich direkt falsch an, Podcast zu hören. Ich wechsle auf Musik. Und wieder erlebe ich einen dieser Momente, der mir vor Augen führt, was ich hier tue. Was ich hier erleben darf. Mir steht das Wasser in den Augen. Immer wieder bleibe ich stehen und schaue zurück. Auch der Wind ist eingeschlafen. Es wirkt fast unwirklich, so schön ist es. Würde meine Reise hier heute enden, es würde mir schwerfallen, das loszulassen. Vielleicht brauche ich zum Ende doch so ein richtiges Scheißwetter, ein deutliches Zeichen der Natur, die mir sagt: „Hau ab jetzt! Du hast lange genug hier rumgelungert!“ Ich höre noch einige Lieder und genieße die Stimmung. Dann verschwindet die Sonne hinter den Wolken und mein Weg führt wieder deutlich bergauf. Auf halber Höhe entdecke ich einen idealen Platz zum Zelten. 4,5 Kilometer habe ich inzwischen extra gemacht. Das soll für heute reichen. Während ich mein Zelt aufbaue fällt mir auf, dass mein Knie heute nicht ein einziges Mal gezwickt hat. Was für ein schöner Tag. Es kam komplett anders als erwartet. Als ich mein Zelt fertig aufgebaut habe, friere ich richtig. Dennoch bin ich wild entschlossen, diesmal direkt zum See zu gehen. Scheiße, ist das kalt. Ich eile zurück ins Zelt, ziehe mich warm an und mache mir einen Kakao. Dann schreibe ich meinen Footprint. Dabei fange ich wieder an zu frieren. Erst als ich zu Abend esse, wird es langsam wärmer im Schlafsack.
    Read more

  • Day 109

    Vuomoaivi - Gádjariegádanjohka (Fluss)

    September 16, 2023 in Norway ⋅ ☁️ 9 °C

    Um 05.00 Uhr werde ich wach. Diese Nacht habe ich nicht so gut geschlafen. Dabei fällt mir auf, dass ich das schon länger nicht mehr geschrieben habe. Der Schlafsack klebt mir am Kinn. Ich richte mich auf und stelle fest, dass der komplette Schlafsack nass ist. Er glänzt richtig. Innen ist er schön warm aber außen ist er einfach nur nass. Außerdem habe ich wieder leichte Verspannungen in der Schulter, die in die Schläfe ziehen. Ich mache Wasser heiß und noch bevor ich den ersten Kaffee aufgieße, bügel ich meinen Schlafsack mit dem heißen Topf. Es verdampft einiges, aber das hier wird mehrere heiße Töpfe erfordern. Auch das Innenzelt ist komplett nass. Vielleicht war auch die Wahl meines Übernachtungsplatzes so nah am Fluss nicht gerade die beste. Hier ist einfach mehr Feuchtigkeit. Beim Frühstück erhitze ich den Topf zusätzlich noch ein paar mal, um die Feuchtigkeit aus dem Schlafsack zu bügeln. Dafür, dass er vorhin noch klitschnass war, bin ich jetzt doch sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Ich packe den Schlafsack ein und beginne, auch den Rest zu packen. Es ist noch früh, aber heute ist es nicht so gemütlich, dass ich noch weiter liegen bleiben möchte.

    Ich schlüpfe in die eiskalten nassen Socken und dann in die ebenso kalten Schuhe. Draußen packe ich alles in den Rucksack, nur das Außenzelt bleibt noch stehen. Ich hoffe, dass es Wind noch etwas trocknet und ich gehe erst zum Zähneputzen runter an den Fluss. Schon jetzt fallen mir fast die Zehen ab vor Kälte. Als ich wieder hochkomme ist das Zelt genauso nass wie vorher. So nass habe ich es noch nie eingepackt. Es fühlt sich an, als hätte es sich vollgesogen. Ich beeile mich, den Rucksack so schnell wie möglich fertig zu packen, da die Füße vor Kälte schmerzen.

    Um zehn vor acht mache ich mich auf den Weg. Im Westen sehe ich einen sonnenbeschienenen Hügel, zu meiner rechten im Osten hängt tiefer Nebel, der die Sonne daran hindert auch mich zu bescheinen. Heute Morgen geht so gut wie kein Wind. Die ersten Meter gehen sich entspannt. Mein Knie ist ruhig, aber die Verspannung nervt. Immer wieder muss ich sumpfige Passagen queren. So gut es geht versuche ich, tiefes Einsinken, besonders mit dem linken Schuh, zu vermeiden. Ich bin froh um meine Erkenntnis von gestern, dass ich mich nun jeden Tag ein wenig von meiner Reise verabschieden kann. Das gibt der letzten Etappe nochmal eine besondere Bedeutung und es hilft mir, den ein oder anderen Moment bewusster wahrzunehmen. Nach neun Kilometern komme ich an einen Bach. Hier mache ich eine Pause und setze mich auf einen Stein. Mittlerweile ist die Sonne rausgekommen und ohne den lästigen Wind spüre ich die Wärme richtig. Ich nehme eine Tablette gegen die Kopfschmerzen und trinke einen halben Liter Wasser frisch vom Bach. Noch ein Snickers und dann geht es weiter.

    Die Wegführung ist auch heute nicht immer ganz klar. Manchmal folgt man einfach dem ATV-Trail, dann gibt es wieder Pfade mit Wanderzeichen, dann steht man plötzlich mitten im Nichts und fragt sich, wo man den Anschluss verpasst hat. Aber mit der App lässt es sich auch gut querfeldein gehen und meist stoße ich wieder ohne große Suche auf den Pfad. Nach einer längeren Steigung wird mir zu warm. Auch heute bin ich mit langer Unterhose und Pulli unter der Jacke unterwegs. Aber ohne den Wind ist das viel zu warm und bei einer kurzen Pause entledige ich mich der überflüssigen Sachen. Ich gehe weiter und immer wieder muss ich durch den Sumpf. Inzwischen sind beide Socken komplett nass. Meine Laune kippt. Ich komme an einen Rentierzaun, dem ich laut Karte einige Kilometer folgen soll. Zu Beginn habe ich festen Untergrund und ich bin froh, dass ich leicht vorankomme. Dann kommen immer mehr große Sumpfabschnitte, die ich aufwändig umlaufe oder mir einen Weg mitten hindurch suche. Bei einer Pause habe ich Empfang und ich schaue mir das Wetter für die kommenden Tage an. Jetzt kippt meine Stimmung endgültig. Die nassen Füße gehen mir auf den Sack! Morgen und übermorgen soll es regnen und wenn ich am Kap ankomme, sagt Wetteronline 65 Km/h Wind vorher. Was ein Mist. Normalerweise gebe ich nichts auf mehrtägige Wettervorhersagen, aber diese kommt für angeschlagene Laune natürlich wie gerufen.

    Mehrere Kilometer folge ich dem Zaun und ich komme aus meiner Laune einfach nicht heraus. Dann gelingt es mir aber, wieder positiv zu denken. Ich mache mir klar, dass das hier vielleicht der letzte sonnige Tag meiner Reise ist. Den sollte ich genießen und nicht mit schlechter Laune missachten. Der Pfad führt mich bergauf und Richtung Nordosten tut sich ein wunderschöner Blick auf. Sanfte Berge und Hügel so weit das Auge reicht. Ein großer See glitzert in der Sonne und der Himmel ist blau mit unzähligen Schäfchenwolken. Ich mache einige Fotos und folge dann weiter dem Rentierzaun, ab hier auf der anderen Seite.

    Ich denke darüber nach, warum ich mich heute so schwer tue. Ich glaube, die Motivation und die Disziplin schwächeln einfach, weil das Ende der Reise in Sicht ist. Und natürlich macht es das dauerhaft Kalte kombiniert mit nassen Füßen auch nicht leichter. Ich glaube, dass es völlig normal ist, dass man vor der Zielerreichung etwas einbricht. Nicht auf den letzten Metern vorm Ziel, die sind leicht. An Tagen, an denen ich mir vornehme, 30 Kilometer zu laufen, schwächel ich bei 25 Kilometern. Nehme ich mir 25 Kilometer vor, schwächel ich bei 20 Kilometern. Bei meinem Marathonläufen hatte ich in den 30ern meine Probleme. Und so ist es auch mit der ganzen Tour hier. Gefühlt habe ich es längst geschafft. Aber eben noch nicht ganz. Sich jetzt doch nochmal einige Tage aufraffen zu müssen ist gar nicht so leicht. Während ich zuletzt nicht wollte, dass diese Reise endet, so sehr freue ich mich jetzt darauf. Die Temperaturen helfen sehr dabei.

    Ich komme an einen Fluss. Vielleicht drei Meter breit, aber an keiner Stelle Steine zum rübergehen. Das Wasser fließt langsam, dass ich den Grund sehen kann und teilweise sehe ich Sand zwischen den Steinen. Meine Laufschuhe sind tatsächlich getrocknet. Ich entscheide mich barfuß zu furten. Meine Schuhe werfe ich über den Fluss, überraschend zielgenau direkt nebeneinander. Dann geht es barfuß durch den Fluss. Ohne die Trekkingstöcke wäre das für mich gar nicht möglich. Ich muss langsam gehen, um mir nicht weh zu tun. Die Kälte des Wassers schmerzt an den Füßen. Auf der anderen Seite angekommen wringe ich erst mal die Socken aus, die ich in die Schuhe gestopft habe. Dann ziehe ich Socken und Schuhe wieder an. Zwei Kilometer weiter habe ich mein Tagesziel erreicht. Bis hierhin hat mein Knie heute kaum Probleme gemacht. Ein sehr gutes Zeichen. Ich gehe noch etwas weiter, um in der Nähe eines Flusses einen Zeltplatz zu suchen. Auf diesen zwei Kilometern meckert das Knie jetzt regelmäßig. Seltsam. Aber es scheint mir sagen zu wollen, dass es für heute genug ist. So sehe ich es auch. Es dauert ein wenig, bis ich auf der anderen Seite des Flusses eine ebene Stelle gefunden habe, dann ist es für heute geschafft. Um kurz nach vier liege ich im Zelt. Ich döse etwas. So richtig warm will mir aber nicht werden. Um kurz mach sechs entscheide ich mich, an den Fluss zu gehen und mich zu waschen. Wenn ich verschwitzt in den Schlafsack gehe, friere ich. Die Lösung, nicht zu frieren, liegt leider darin, bei unter zehn Grad an den Fluss zu gehen und mich mit eiskaltem Wasser zu waschen. Zum Glück geht kein Wind, was es deutlich angenehmer macht. Dann krieche ich wieder in den Schlafsack und ich bilde mir ein, dass es deutlich schneller warm wird als vorher. Während ich mir was zu essen mache, beobachte ich die kicker-App und schaue, was der VFL gegen Frankfurt macht. Seit Ewigkeiten habe ich mal wieder etwas Empfang am Übernachtungsplatz. Das Spiel geht 1:1 aus. Irgendwie passend zu meinem Tag.
    Read more

  • Day 108

    Holmvannet (See) - Vuomoaivi

    September 15, 2023 in Norway ⋅ ☁️ 5 °C

    In der Nacht war ich einige Male wach. Kein Wunder, so viel wie ich am Nachmittag vorgeschlafen hatte. Im Zelt war es richtig kalt und ich schaue nicht einmal raus, um nach Nordlichtern Ausschau zu halten. Denn wenn die Wärme einmal aus dem Schlafsack raus ist, dauert es jedesmal lange, bis es wieder gemütlich warm ist. Um vier Uhr muss ich kurz raus. Als ich den Reißverschluss vom Außenzelt öffne, rieselt mir schon der Raureif entgegen. Das Zelt ist von innen und außen mit einer ordentlichen Schicht überzogen. Auch draußen, wo es am Horizont langsam heller wird, ist alles mit Reif überzogen. So schnell es geht klettere ich wieder ins Zelt und in den Schlafsack. Dann schlafe ich nochmal ein. Um sechs werde ich wieder wach und mache Frühstück. Obwohl die Gaskartusche noch nicht leer ist, geht der Kocher aus und ich muss ihn an die Gaskartusche anschließen. Für die Temperaturen bräuchte ich eigentlich schon spezielles Wintergas. Der Schlafsack ist außen wieder zur Hälfte feucht. So gut es geht bügel ich bei jedem Wassererhitzen einmal mit der Topfunterseite rüber, um wenigstens die grobe Feuchtigkeit loszuwerden. Dann treffen die ersten gelblichen Strahlen der Morgensonne auf das Zelt. Merklich wärmer wird es jedoch nicht und auch der Raureif auf dem Zelt hält sich noch sehr lange. Mit dem Frühstück bin ich irgendwann fertig, aber ich habe wieder absolut keine Lust, mich fertig zu machen. Ich habe auch keine große Eile. Auch heute werde ich nicht mehr als 24 Kilometer gehen. Mit meiner Postkartenapp beginne ich, eine Postkarte mit einigen Bildern der Reise zu gestalten. Wenn ich am Nordkap ankomme, möchte ich dem jungen Arzt, der mir am ersten Tag das Schienbein zusammengeflickt hat, eine Karte schicken. Ich bin ihm noch heute so sehr dankbar, dass er mir am 31. Mai geholfen hatte und mich auch mental wieder aufgebaut hat, als ich glaubte, dass mein Abenteuer bereits am ersten Tag vorbei sei.

    Um kurz nach acht ist dann aber Schluss mit dem Prokrastinieren. Rein in die eiskalten Wandersachen und zusammenpacken. Das Zelt baue ich wieder in zwei Stufen ab. Erst das trockene Innenzelt, dann das immer noch teilweise gefrorene Außenzelt. Um kurz vor neun mache ich mich auf den Weg. Die Sonne scheint, aber es ist recht windig. Gefühlt hat die Sonne heute eine rein optische Funktion. Wärmende Sonnenstrahlen spüre ich nicht. Die ersten drei Kilometer laufe ich ohne ein einziges Zwicken im Knie. Die Freude darüber ist aber nur von kurzer Dauer. Gleich mehrfach schießt es unangenehm ins Knie. Ich versuche, ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Bewegungen diesen Schmerz verursachen. Es scheint, leicht angewinkelt nicht belastet werden zu wollen. Mit der Erkenntnis bekomme ich die Schmerzen ein bisschen besser in den Griff. Ich komme an einen Fluss. Auf Anhieb sehe ich keine Möglichkeit, hier trocken rüber zu kommen. Ich will doch jetzt nicht mehr furten?! Es ist scheiße kalt!! Ich fange an, dicke Steine in den nicht allzu tiefen Fluss zu werfen, um mir so einen Weg zu bahnen. Aber nach 5 oder 6 schweren Steinen merke ich, dass das nicht richtig funktionieren wird. Ich riskiere es, über Steine zu gehen, die leicht überspült sind. Immerhin mein rechter Schuh ist noch weitgehend dicht. Es funktioniert und ich erreiche mit hauptsächlich äußerlich trockenen Schuhen das andere Ufer.

    Nach 10 Kilometern habe ich oben auf einem Hügel Handyempfang und ich mache eine kurze Pause. Das Wetter soll heute und morgen ähnlich sein, dann kommt eventuell etwas Regen dazu. Bäh! Aber mal abwarten, vielleicht wird es auch nur bewölkt. Viel Regen ist nicht vorhergesagt. Ich lade noch meinen Footprint hoch und dann gehe ich auch schon weiter. Der kalte Wind lädt nicht wirklich ein, eine längere Pause zu machen. Aus Süden schiebt sich eine hohe Schichtbewölkung vor die Sonne und dämpft den Sonnenschein. Die nächsten Kilometer ziehen sich. Die Landschaft, die Weite um mich herum sind unfassbar schön. Aber der ungemütlich kalte Wind hilft mir, mich allmählich von all dem hier verabschieden zu wollen. Das Knie macht mir etwas Sorge und ich überlege, was wäre, wenn ich jetzt noch abbrechen muss. Das große Abenteuer kann mir keiner mehr nehmen. Aber ich wünsche mir einfach, dass diese Reise einen würdigen Abschluss findet. In Summe bin ich aber optimistisch, dass ich das Nordkap aus eigener Kraft erreiche. Es sind nicht mehr viele Höhenmeter und meine Tageskilometer sind fordernd, lassen aber auch Zeit zur Regeneration. Ich merke, dass ich eigentlich nur noch ankommen möchte. Ich hatte meinen Polarlichtmoment. Klar wäre es schön, davon noch mehr zu sehen. Aber ich habe alles erlebt, was ich erleben wollte. Ich bin müde vom Wandern und freue mich auf ein festes Dach über dem Kopf und all den Luxus, der damit einhergeht.

    Ich erreiche wieder einen Fluss. So lange ich auch suche, hier gibt es keine Möglichkeit, trockenen Fußes hinüber zu kommen. Ich überlege, ganz barfuß zu furten, da ich Sorge habe, dass ich meine Laufschuhe hier draußen nicht mehr trocken bekomme. Aber bei dem Flussbett tue ich mir hier sicher nur weh. Seit heute morgen laufe ich mit langer Unterhose und Pulli. Es ist deutlich unter zehn Grad und der Wind lässt alles noch kälter erscheinen. Es hilft nichts. Ich ziehe die Laufschuhe an und gehe vorsichtig und langsam durch das eiskalte Wasser. Zurück in den Wanderschuhen dauert es, bis die Füße wieder warm werden. Ich ziehe das Tempo an, da mir auch grundsätzlich kalt ist. Zu meiner Überraschung macht das Knie jetzt für mehrere Kilometer keine Probleme mehr. Ich folge dem ATV-Track. Immer wieder sind Steine am Wegrand, auf denen manchmal ein verblasstes rotes „T“ zu sehen ist. Irgendwann kontrolliere ich meinen Standort auf meiner App. Scheinbar bin ich vom Weg abgekommen. Ich navigiere zurück zum Weg, finde auch wieder die Wanderzeichen. Doch dann stelle ich fest, dass realer Weg und Karte komplett unterschiedlich sind. Ich folge den realen Wanderzeichen, bin aber sehr irritiert. Das passt jetzt hinten und vorne nicht mehr zusammen. Aber auch die App vom DNT hat den Wanderweg woanders eingezeichnet. Ich erreiche einen Rentierzaun, der einfachste, den ich bislang gesehen habe. Eigentlich besteht er nur aus Ästen und viel blauer Schnur, die aber sehr akkurat verarbeitet ist. Hier finde ich noch einen Stein mit einem roten T, dann sehe ich nicht, wo es weitergeht. Parallel zum Zaun führt eine ATV-Spur. Ich entscheide mich, den originalen Weg zu finden und gehe querfeldein. Selbst die norwegische Wanderkarte, die ich als App oft zur Absicherung hernehme, hat den Weg genau wie die anderen Apps eingezeichnet. Ich habe den Weg sicher nur übersehen. Ich gehe einige hundert Meter querfeldein. Als ich den Weg laut GPS erreicht habe, finde ich weder einen Weg noch Wanderzeichen. Auf weiteres querfeldeingehen habe ich keine Lust. Die norwegische Wanderkarte hat sogar den Rentierzaun vermerkt. Wenn ich diesem folge, kreuze ich irgendwann automatisch den Weg. Ich gehe wieder zurück zum Zaun. Das alles kostet richtig Energie durch das weglose Gelände. Ab dem Rentierzaun ist es dann zum Glück wieder leichter.

    Den Zaun folge ich einige Kilometer. Ich habe etwas Sorge, dass ich den Weg nicht finden werde, wenn er den Zaun kreuzt. Aber ich habe Glück und finde wieder eine ATV-Spur und Wanderzeichen. Ich bin erleichtert. Die letzten Tage will ich einfach nur einem Weg folgen und nicht mehr querfeldein navigieren. Drei Kilometer stehen heute noch auf dem Plan. Der Wind ist etwas schwächer geworden und mit dem Gefühl, bereits einiges geschafft zu haben, läuft es sich deutlich leichter. Zur Belohnung gibt es etwas Musik. Und so erlebe ich heute doch noch ein paar emotionale Momente. Ich höre in eine Playlist, die Nicole mir geschickt hat. Seit drei Tagen habe ich keinen Menschen mehr gesehen. Jetzt folge ich meinem Weg durch die endlose Landschaft. Das Licht der Sonne ist schon wieder gelblicher und die Schatten länger geworden. Ich höre „Ocie Elliot - Take me home“. Ich höre nicht groß auf den Text und ich weiß auch nicht, worum es genau geht. Aber musikalisch passt es gerade nur zu gut. Es fehlt nur noch der Abspann, der hinten am Horizont langsam herunterläuft. Aber hier läuft kein Abspann. Ich habe noch ein paar Tage, um jeden Tag ein wenig Abschied von diesem wunderbaren Abenteuer zu nehmen.

    Der Weg führt in eine Senke, die gerade so viel tiefer ist, dass hier einige Birken wachsen. Ich komme an einen Fluss, der sich diesmal ganz leicht queren lässt und baue auf der anderen Seite etwas oberhalb mein Zelt auf. Um kurz nach vier liege ich im Zelt. Ein bis zwei Stündchen döse ich vor mich hin, dann mache ich mir einen Kakao und beginne mit dem Schreiben. Um 20.00 Uhr esse ich zu Abend und dann ist auch schon Nachtruhe, an die sich allerdings einige seltsame Vögel flussaufwärts nicht halten. Aber die Geräusche hören auf und ich sehe davon ab, die Polizei wegen Zeltfriedensbruch zu rufen.
    Read more

  • Day 107

    Hestryggen - Holmvannet (See)

    September 14, 2023 in Norway ⋅ ⛅ 6 °C

    Ich werde früh wach, drehe mich aber noch einmal um. Im Schlafsack ist es jetzt angenehm warm. In der Nacht hat es ein wenig gedauert, bis mir warm wurde. Gefroren hatte ich nicht, aber es war dennoch einiges entfernt von richtig warm. Die kalten Temperaturen machen sich eindeutig bemerkbar. Um sechs Uhr starte ich mit dem Frühstück. Ich schaue mir noch einmal die Bilder von der Nacht an und freue mich, dass ich zumindest für einige Sekunden den Himmel habe richtig leuchten sehen. Die Lust, mich heute fertig zu machen hält sich in Grenzen. Zu gemütlich ist es gerade im Zelt. Mein Schlafsack ist von außen richtig klamm, wenn nicht sogar feucht. Also bügle ich mit dem heißen Wassertopf diesmal nicht nur das Fußende, sondern auch viele andere Teile meines Schlafsacks. Kaum bin ich über einen Bereich herüber gestrichen, verdampft einiges an Feuchtigkeit sichtbar. Nach meinem zweiten Kaffee fange ich an, mich umzuziehen. Raus aus den warmen Sachen, rein in die eiskalten, klammen Wandersachen. Es gibt Dinge, die ich weniger vermissen werde als andere. Das morgendliche Fertigmachen gehört sicher dazu, vor allem jetzt, wo es draußen kalt ist. Dann geht es schnell. Sobald ich die kalten Sachen angezogen habe, kommt Bewegung ins Spiel und ich beeile mich mit allen Handgriffen. Draußen ist es windstill und die Sonne scheint inzwischen. Das Außenzelt ist von innen und außen richtig nass, dass ich das Zelt wieder getrennt abbaue.

    Um halb neun bin ich fertig, bedanke mich bei meinem Platz und mache mich auf den Weg. Das habe ich noch nie geschrieben, aber es gehört seit Beginn meiner Reise zu meinem morgendlichen Ritual. Wenn alles gepackt ist, ich den Rucksack auf dem Rücken habe, schaue ich noch einmal ganz genau, ob ich irgendwas vergessen habe. Dann schaue ich für ein paar Sekunden auf den Platz, wo mein Zelt stand und die Szenerie drumherum und bedanke mich. Manchmal laut, manchmal nur in Gedanken. Klingt ein wenig esoterisch, aber es ruft mir ins Bewusstsein, dass ich hier eine gute Nacht hatte, in einer wunderschönen Umgebung und dass dieser Ort damit ein ganz besonderer und wichtiger auf meiner Reise war. Damit ich habe ich auf meiner Trekkingtour um den Lysefjord letztes Jahr angefangen, wo es mir teilweise schwer fiel, einfach weiter zu gehen. Ich hatte irgendwie das Bedürfnis, den teils extrem schönen Übernachtungsorten irgendwie meine Anerkennung oder meinen Dank zu zollen.

    Die ersten Kilometer gehe ich so dahin. Immer wieder gibt es ein paar Wasserlöcher oder sumpfige Abschnitte, wo die ATV-Spuren einfach mittendurch führen. Teilweise muss ich großräumig umgehen, teilweise finde ich einen Weg über Steine und Büschel, dass ich keine nassen Füße bekomme. Ich fühle mich nicht richtig fit. Auch nicht krank. Aber ich habe das Gefühl, dass es schnell kippen kann, wenn ich jetzt nicht auf mich achte. Zum Glück gibt es kaum nennenswerte Höhenmeter auf den nächsten Etappen. Dafür, dass ich vorgestern am Ruhetag so emotional war, bin ich heute fast emotionsleer. Es ist wieder der Spagat zwischen dem Genuss der schönen Landschaft und den Anstrengungen und Unannehmlichkeiten. Tatsächlich bin ich gar nicht so scharf darauf, noch 9 Tage bei teils winterlichen Temperaturen unterwegs zu sein. Pausen machen bei den Temperaturen keinen Spaß und das macht es zunehmend anstrengend. Auf der anderen Seite kann ich mich glücklich schätzen, bei wenig Wind und Sonnenschein unterwegs zu sein. In den letzten Jahren sind andere NPLer die „letzten“ Kilometer auch schon durch Schnee bei Schneegestöber gestapft oder hatten komplett verregnete Tage. Dieser Herbst hier ist ein Traum!

    Ich gehe weiter. Manchmal verschwindet die Sonne hinter einer Wolke und dann wird es sofort richtig kalt. Ohne Mütze und Handschuhe wäre es dann richtig unangenehm. Nach 11 Kilometern mache ich eine erste Pause. Hier habe ich auch zum letzten Mal Empfang. Gute Nachrichten. Mein Paket mit Trekkingnahrung und einer Warnweste ist in Olderfjord angekommen. Das war nicht so ganz sicher, dass es rechtzeitig ankommt, da es in Norwegen mit der Post einfach mal dauern kann. Die Warnweste brauche ich nach Olderfjord, wenn ich durch den 7 Kilometer langen Tunnel unterm Meer durchlaufe. Nach wenigen Minuten beende ich meine Pause. Es ist einfach zu kalt, obwohl ich extra meinen Pulli unter die Hardshelljacke angezogen habe. Den lasse ich gleich an. Nach der Pause zieht es regelmäßig ins rechte Knie. Manchmal sticht es richtig. Mit meiner Hüfte habe ich seit heute keine Probleme mehr, aber das Knie macht mir jetzt doch etwas Sorgen. Halt durch, Knie. Noch 8,5 Tage. Dann hast du Pause! Heute fällt es mir schwer, zu genießen und ich entscheide mich, einen Podcast zu hören. Es ist zum ersten Mal, dass ich das in dieser schönen Umgebung mache. Die wenigen Male, wo ich Podcasts gehört habe, war ich meist auf der Straße oder zumindest auf langen, eintönigen Abschnitten. Vor der Pause, als ich noch Empfang hatte, habe ich mir die neue Folge „Gemischtes Hack“ heruntergeladen. Die Jungs sind endlich aus ihrer Sommerpause zurück. Eine Stunde und vierzig Minuten geht die Folge. Das wird mich einige Zeit von meinem Knie ablenken. Die gute Laune von Felix Lobrecht und Tommi Schmitt überträgt sich direkt. Gut, dass mir hier keiner entgegenkommt. Denn mit Mütze und Kapuze auf dem Kopf sieht man meine Ohrhörer nicht. Man würde mich lediglich immer wieder breit grinsen sehen. Während mein Weg allmählich ansteigt, redet sich Felix Lobrecht in Rage. Bei den Geschichten über seinen alten Chef, insbesondere bei der Stelle mit dem Baumkuchen kann ich nicht mehr weitergehen. Mit verschwimmt der Weg vor den Augen. Ich stütze mich nach vorne gebeugt auf meine Trekkingstöcke und wackel vor lachen. Ich kann nicht mehr. Ich breche ab! Mir laufen die Tränen. So einen Lachanfall hatte ich schon lange nicht mehr. Aber auch die beiden Jungs im Podcast können nicht mehr. Das ist einfach nur ansteckend. Wenn ich mir vorstelle, dass mir jetzt jemand entgegen kommt. Eigentlich schade, dass nicht. Denn den hätte ich eventuell auch nur mit dem Lachen angesteckt.

    Dann beruhige ich mich wieder und gehe langsam weiter. Das Knie meckert immer wieder und ich mache eine weitere Pause in der Sonne. Allerdings ist es mittlerweile recht windig und so richtig angenehm ist es nicht. Ich schaue auf die Karte. Meine Route sieht vor, dass ich noch einige Kilometer in die „falsche“ ostsüdöstliche Richtung gehe. Dort macht die Route dann einen 90 Grad Knick nach Norden. Kurz nach diesem Knick wäre mein Tagesziel erreicht. Eigentlich könnte ich auch hier querfeldein laufen und mit der gleichen Kilometerleistung deutlich nördlich von dem Knick auf die Strecke stoßen. Das will ich versuchen und ich mache mich auf den Weg. Beziehungsweise mache ich mich vom Weg. Erst muss ich über einen Hügel, der mir dir Sicht auf meine weitere Linie versperrt. Hinter dem Hügel sehe ich eine Reihe von riesigen Seen, die ich auf Komoot nicht gesehen habe. Übers Wasser gehen will ich nicht. Wenn das jemand sieht, löst das wieder 2.000 Jahre Trubel aus. Kleiner Spass! Ich schaue auf eine andere App. Hier sind deutlich mehr Seen eingezeichnet und ich merke, dass ich etwas früher auf den offiziellen Wanderweg stoßen muss als geplant. Ich bahne mir meinen Weg bergab durch einiges an kniehohem Gesträuch. Dann folgen einige sumpfige Abschnitte. In Summe ist aber alles gehbar. Erst zweifle ich noch, wie schlau diese Abkürzung überhaupt war, dann sehe ich etwa hundert Meter vor mir eine Reihe von Steinhaufen, die den offiziellen Weg markieren. Perfekt, ich bin schon durch. Ich habe mir einige Kilometer erspart. In der Nähe eines großen Sees, deutlich abseits vom Weg, suche ich mir eine Stelle für mein Zelt und baue mein Lager auf. Dann hole ich Wasser und lege mich ins Zelt. Jetzt ist es gerade mal kurz nach 15.00 Uhr. Ich lege mich in den Schlafsack und schlafe direkt ein. Um kurz nach vier werde ich wach und gehe raus zum Pinkeln. Dann gehe ich wieder ins Zelt. Was mache ich jetzt den ganzen Nachmittag? Ich schlafe wieder ein und als ich wach werde, ist es fast 18.15 Uhr. Den Schlaf habe ich scheinbar gebraucht. Dann koche ich mir einen Kaffee und schreibe meinen Footprint. Gegen halb acht wird es immer dunkler draußen und jetzt kriecht eine richtig fiese Kälte ins Zelt. Ich bin gespannt, wie die Nacht wird. Die Temperaturen sollen zum ersten Mal unter den Nullpunkt gehen.
    Read more