E1-Schweiz

August - September 2017
Der E1 führt auf Schwabenweg, Weg der Schweiz und Trans Swiss Trail längs durch die ganze Schweiz. 284 km, 12 Etappen Read more
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  • Durch die Schweiz auf dem E1

    August 27, 2017 in Switzerland ⋅ ☁️ 20 °C

    Auf dem E1 von Konstanz am Bodensee über den Gothardpass nach Morcote am Luganer See.
    E1 Tage 89 - 99, 280km
    Auf drei lokalen Schweizer Wanderwegen:
    - Schwabenweg
    - Weg der Schweiz
    - Trans Swiss Trail
    (https://www.michael-wandert.de/2017/08/25/wande…)

    Nachdem ich Dänemark im Frühjahr 2017 auf dem E1 fertig habe, knüpfe ich nun im Süden an. Bei bestem Wetter nehme ich nun das Band meiner Deutschlandwanderung auf, die letztes Jahr an der Grenze zur Schweiz endete.

    Schöne Shelter wie in Dänemark gibt es in der Schweiz nicht. Auch Campingplätze sind rar. Dafür gibt es zahlreiche Pilgerunterkünfte, Pensionen, Hotels und einige International Youth Hostels am Weg.
    Da der Weg ziemlich weit ist und auch viele Höhenmeter zu überwinden sind, habe ich mich -nach einigem Hin und Her- entschieden, mit möglichst wenig Gepäck unterwegs zu sein. Ich nehme also meinen kleinen 24l Rucksack, weil er weniger wiegt als der 40+10. Das impliziert dann auch den Verzicht auf Zelt und Schlafsack und damit die Übernachtungsoption unter freiem Himmel.

    Ich werde zwei Wochen mit leichten 8,5kg unterwegs sein. Nichts ist redundant und ich muss darauf bauen, dass ich am Ende des Wandertages eine geeignete Unterkunft finde, denn vorgebucht ist nichts. Trotz des Gewichtes entscheide ich mich im letzten Moment doch noch für die alten Bergstiefel aus Leder, die mich schon durch ganz Deutschland und Dänemark getragen haben. Ich soll es nicht bereuen.
    Einen Nachteil hat der Plan: diese Tour wird wesentlich teurer als die vorangegangenen. Für Unterkunft und Verpflegung kalkuliere ich durchschnittliche 100-130€ / Tag, denn die Schweiz ist nicht preiswert.
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  • E1-89-CH Konstanz

    August 28, 2017 in Switzerland ⋅ 🌙 21 °C

    Schwabenweg (1)

    Die Fahrt von Hamburg nach Konstanz dauert viele Stunden. Viermaliges Umsteigen ist notwendig, mehr als 800km sind mit dem Zug zu überbrücken. Zwischen Rastatt und Baden Baden sind die Gleise abgesackt, ein Busersatzverkehr ist eingesetzt, doch meine Verbindung hat diesen Umstand schon im Vorwege berücksichtigt. Ab Karlsruhe bringt eine Regionalbahn mich über Pforzheim ans Ziel. Doch das dauert, erst um 17 Uhr bin ich endlich vor Ort.
    Die lange Anfahrt wird mit einem sonnigen Abend in Konstanz entlohnt. Meine ersten Schritte führen mich genau zu der Stelle, die den Schlusspunkt meiner Wanderung durch Deutschland setzte. Es ist eine Bank, die wie schon im letzten Jahr auch heute in der Abendsonne liegt. Ich setzte mich und schaue über den Bodensee. In Gedanken nehme ich das imaginäre Band wieder auf, nun kann es weiter gehen mit der Wanderung auf dem E1 in südliche Richtung. Ich bin bereit.

    Heute jedoch nicht mehr, denn es ist schon spät. Ich habe eine Unterkunft auf der Schweizer Seite gebucht, dort will ich nun hin. So geht es die Uferpromenade entlang, wo sommerlich leichtes Treiben herrscht. Die Menschen haben es gut hier, denke ich. Den Sommer habe ich in Hamburg schmerzlich vermisst, aber nun ist er ja auch für mich da.

    Es sind nur ein paar hundert Meter zur Grenze. Kein Grenzbeamter hält mich auf, obwohl ich hier die Europäische Union verlasse. Die Schweiz ist zwar ein eigenständiger Staat, der nicht zur EU, wohl aber zum Schengener Raum gehört. Damit sind theoretisch auch die Binnengrenzen zwischen Deutschland und der Schweiz abgeschafft, doch an Flughäfen, Autobahnen und in der Bahn wird aufgrund der aktuellen Flüchtlingslage trotzdem kontrolliert. Hier an der Uferpromenade des Bodensees wird es laxer gehandhabt, ich kann unbehelligt von Grenzbeamten mit einem Schritt von der deutschen auf die Schweizer Seite wechseln. Die Grenze ist lediglich durch ein Schild und eigenwillige, rote Kunstgegenstände markiert. Eine Kunstgrenze.
    Meine Unterkunft in der Sport-Arena ist schlicht gehalten, ein Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch von Ikea in einem kleinen Raum. Das ist alles. Aber was braucht ein Wanderer mehr? Nachdem ich mich meines leichten Rucksacks entledigt habe, geht es zurück nach Konstanz zum Stadtbummel. Erste Anlaufstelle ist das Münster. Hier soll der offizielle Startpunkt der Via Jacobius und des Schwabenweges sein, den auch der E1 in der Schweiz benutzt. Das Münster ist die erste von vielen Kirchen, die ich auf diesem Weg besuchen werde. Das gehört sich ja so auf einem Pilgerweg. Aber das mache ich ohnehin gerne, auch wenn ich nicht an Gott und Jesus glaube, sondern an eine uns umgebende Energie, die unsere Geschicke wohlwollend lenkt.
    Das Münster ist fast menschenleer und mir bleiben nur Minuten für die Besichtigung, denn der Messdiener will Feierabend machen und scheucht die letzten Besucher lautstark aus dem Kirchenschiff. Das macht nichts, denn ich habe Hunger und kehre gleich gegenüber des Münsters in ein Gartenlokal ein. Ich will Kraft tanken für den morgigen Wandertag.
    Danach geht es noch einmal an den Hafen. Bevor die Sonne untergeht, werde ich noch einen Blick auf Imperia, die kurvenreiche Kurtisane, die am Konstanzer Hafen ihre Kreise dreht. Ich bin sehr angetan von ihrer üppigen Erscheinung, die sie im Licht der glutrot versinkenden Sonne auf dem Teller drehend darbietet. Ich bin auch nur ein Mann.
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  • E1-90-CH Sirnach (36km)

    August 29, 2017 in Switzerland ⋅ 🌙 27 °C

    Schwabenweg (2)

    Ein Vorteil der Sportarena ist, dass das Hotel direkt am Bodensee liegt. So habe ich quasi vom Bett aus einen tollen Blick direkt auf den See, dessen Wasser durch die aufgehende Sonne rot einfärbt wird. Ein toller Anblick! Das macht gute Laune und das einfache, aber stärkende Frühstück gibt Kraft. Dann geht es endlich los. Doch noch nicht so ganz, denn ich entdecke einen Aussichtturm im nahen Park, auf den ich unbedingt noch rauf muss. Dort will ich mich vom Bodensee verabschieden. Von oben habe ich einen herrlichen Blick weit über den See! Doch die andere Seite kann ich auch von so weit oben nicht erkennen. Der See ist so groß, dass das andere Ende jenseits der Erdkrümmung liegt. Ein Mann in Sportdress tut es mir nach und kommt herauf, stellt sich erst neben mich, ohne mich zu beachten, schaut stattdessen still über den See. Dann schaut er mich an und und fragt: "Sind Sie auf dem Jacobsweg unterwegs?" Ich bejahe. Und dann kommt die Frage, auf die ich schon gewartet habe: "Waren Sie schon in Santiago de Compostela?". Ich verneine. Die Frage kommt immer, aber warum nur? Warum muss es immer dieser eine Pilgerweg sein? Es gibt doch so viele schöne andere Pfade. Dann beginnt er zu erzählen. Er käme aus Polen und sei in seinem Leben viel herum gekommen. Früher. War in Kapstadt und Dänemark und an vielen anderen Orten. Nun arbeite er in Konstanz. Ob ich schon mal in Polen gewandert sei, fragt er. "Nein, da ist immer noch der eiserne Vorhang in meinem Kopf", entgegne ich. "Aber es ist so schön dort", meint er, "manchmal sogar richtig einsam." "Ich werde mich mal damit beschäftigen", entgegne ich ihm. Ich meine es sogar ernst. Ich würde ihn motivieren, auch mal wieder zu wandern. "So wie früher", meint er noch, als ich mich nach einem langen Gespräch von ihm verabschiede. Ich muss endlich los.
    Kaum liegt die Stadt hinter mir, erreiche ich eine Rasthütte, die ich ursprünglich als erste Übernachtungstelle ansteuern wollte. Da wollte ich noch im Zelt übernachten. Ja, hier wäre es gegangen, auch eine Wasserstelle ist vorhanden. Doch ich bin froh, auf Zelt, Schlafsack und Isomatte verzichtet zu haben und nur mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein. Der Weg wird leichter sein. Weiter geht es, wie in Dänemark geht es auch hier auf Schotterpisten und Asphalt an Wiesen und Feldern entlang. Der wesentliche Unterschied: es ist hügeliger hier. Es gibt einige Kirchen am Wegesrand, jede suche ich auf, das Kircheninnere bietet Kühle, draußen ist es mittlerweile mächtig heiß geworden. Drinnen finde ich Ruhe vor dem Lärm, den die Schweizer mit Motoren machen. Autos, Trecker, Baumaschinen nerven mich um die Wette. Die Schweiz sei ein entwickeltes Kulturland, hatte ich im Vorwege gelesen.
    In Sirnach beziehe ich in einem Bed + Breakfast Quartier. Mit der Wirtin hatte ich im Vorwege ein paar Mails ausgetauscht und erfahren, dass sie kein Frühstück anbietet, dafür aber eine Reduktion um 10 sFr. Ob das ein Deal sei, fragte sie per Mail. Nicht wirklich, wie sich am nächsten Morgen herausstellt, denn für Kaffee, Croissant und Bircher Müsli muss ich 12 Schweizer Franken (sFr) zahlen. Wenn es anderswo auch so teuer sein wird, werde ich meinen geplanten Tagesetat von 100€ nicht halten können, fürchte ich. Die Schweiz scheint ein teures Wanderland zu sein.
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  • E1-91-CH Rapperswil (40km)

    August 30, 2017 in Switzerland ⋅ ☁️ 29 °C

    Schwabenweg (3)
    Heute soll es über den Hörnli gehen. Das sind ein paar hundert Höhenmeter hinauf und auch wieder herunter, manche davon werden ziemlich steil. Also mache ich mich zeitig auf, um in der kühlen Morgenfrische einen Teil des Aufstieg zu schaffen. Zunächst bleibt es flach, die Stecke ist einfach und auch schön, es geht Wiesen entlang und durch schattigen Wald. Die Wanderstiefel haben allerdings weiterhin Schotter und Asphalt unterm Profil, nur gelegentlich trete ich auf weichen Waldboden.
    Dann geht es an den Aufstieg. Die Temperaturen haben wieder hochsommerliches Niveau erreicht und ich komme ins Schwitzen. Ein Bauer treibt seine Kühe auf einer Wiese unterhalb des Hörnli Gipfels zusammen. Ich muss mitten durch seine Herde, vorbei an dicken braunen Leibern, die ihre Köpfe nach mir richten und mich aus gutmütigen blauen Augen anstarren. Dabei vergessen sie weiter zu trotten. Der Bauer kommt mit seinem klapperigen Auto heran und treibt die Braunen auf moderne Cowboyart an. Da beginnen die Viecher zu rennen, streben nun ihrem Stall im Tal zu. Vermutlich ist für sie der sommerliche Almurlaub zu Ende.
    Warum besteigt man Berge? Was macht nur den Reiz aus, sich in die Höhe zu schleppen? Ist es wegen der Aussicht? Ja, genau, wegen der Aussicht! Auch, weil es schön ist, oben anzukommen. Und wenn es einen Gasthof gibt, ist es noch schöner. Leider sind die Pommes auf dem Gasthof Hörnli so teuer, dass ich verzichte und stattdessen zwei mitgebrachte Würstchen verdrücke. Immerhin bei zauberhafter Weitsicht.
    Der Abstieg vom Hörnli ist steil, aber leicht. Zurück im Tal ist wieder das Brummen vorbeifahrender Autos zu vernehmen. Das nervt. Und nun soll der Jacobiusweg auch noch eine Weile entlang der lärmigen Straße verlaufen. Nichts für mich, ich nehme jetzt den Zug. Drei Stationen weiter und zwanzig Minuten später steige ich in Wald wieder aus. Der Ort heißt wirklich Wald. Hier wäre ich zu Fuß erst in zwei Stunden gewesen. Weiter geht es: Rauf, runter, rauf, runter.
    Dann ist es so weit: in der Ferne kann ich die Vorboten der Alpen ausmachen. Was für ein Anblick die hohen, kahlen Berge sind! Was für ein Hochgefühl in meinem Herzen entsteht! In drei Tagen werde ich dort sein und dann über die Alpen marschieren. Ach, ich kann es kaum erwarten.
    Aber heute geht es nur noch bis Rapperswiel. Gebucht ist noch nichts. Ich rufe die Jugendherberge an. Ja, ein Einzelzimmer ist noch frei. Und Abendessen bekomme ich auch. Dann wird ja alles gut.
    Eineinhalb Stunden später bin ich da. Ein schlichter Bau von außen, doch toll mein Zimmer. Es hat sogar einen Balkon mit Blick auf den Zürichsee. Das Abendessen wird mir vom Jugendherbergswart persönlich gereicht, während ich genüßlich den Blick auf die gegenüberliegenden Berge richte. Über einen von ihnen werde ich morgen rüber müssen. Links von ihnen, die glücklicherweise nicht arg so hoch sind, liegen die großen Kavenzmänner, die so hoch sind, dass es oben nur noch nackten Fels gibt, weil sie höher sind als die Baumgrenze. Was für ein Anblick für einen Flachländer! Doch es gibt auch einen Schatten im Paradies: während im Westen die Sonne die Berge in ein glutrotes Licht taucht, kommen von Osten dunkle Wolken heran. Morgen soll es regnen. Aber noch genieße ich den lauen Sommerabend und gönne mir ein weiteres Bier.
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  • E1-92-CH Einsiedeln (20km)

    August 31, 2017 in Switzerland ⋅ 🌧 12 °C

    Schwabenweg (4)
    Die Nacht ist heiß, richtig tropisch. Doch am Morgen regnet es und es ist so neblig, dass die Berge auf der anderen Seite des Zürichsees hinter tiefhängenden Wolken verschwinden. Das Jugendherbergsfrühstück ist gut, nur gibt es kein Nutella, und das ist bitter für mich. Um neun Uhr bin ich abmarschbereit, stehe in voller Regenmontur am Ausgang. Es gießt und ich denke: "da hättest du ja auch in Dänemark wandern können". Dort wollte ich ja eigentlich jetzt sein, lediglich das schlechte Wetter ließ mich umdisponieren. Doch zwei Unterschiede gibt es: der Regen hier ist wärmer und die Berge sind höher. Doch von denen ist nichts zu sehen.
    Etwas widerwillig breche ich auf, gehe einen matschigen Uferweg am Zürichsee entlang. Gleichzeitig bin ich voller Vorfreude, denn voraus lässt mich das erste Streckenhighlight das Schietwetter fast vergessen. Die hölzerne Fußgängerbrücke, die quer durch den Zürichsee verläuft und Rapperswil mit Hurden verbindet, liegt vor mir. Schon vor Urzeiten wurde sie gebaut, später abgerissen, wieder aufgebaut, wieder abgerissen und wieder aufgebaut. Die heutige Brücke ist von 2001 und mehr als 800m lang. Sehr langsam gehe ich auf den Planken entlang, nicht aus Angst, sondern genießend. Das Wasser ist glasklar, ich kann Blesshühner beim Tauchen beobachten.
    Dann bin ich drüben und der Zauber bricht schnell zusammen, als die Brücke auf dem Damm mündet, den sich Wanderweg, Bahnschiene und Straße teilen müssen. Hier ist es wieder: der Lärm der Schweiz, der nie weit entfernt ist.
    Hurden hat einen Bahnhof und der Jacobiusweg geht direkt daran vorbei. Ein Blick auf die Verbindungstafel zeigt, dass eine Zugverbindung nach Einsiedeln, dem heutigen Etappenziel, besteht. Sofort ist mein innerer Schweinehund hellwach und bellt mir zu: "Nimm den Zug!". Ich muss ihn energisch in die Ecke weisen, denn ich will jetzt den Etzel hochlaufen und nicht faul mit der Bahn fahren. Beim Coop wird noch schnell der Proviant aufgestockt, dann geht es in den Wald und bald auch in die Höhe. Ziemlich steil ist der Weg, ein kurzer Blick zurück zum See und dann weiter. Bleischwer und regenschwanger hängen die Wolken noch immer an den gegenüberliegenden Bergen fest. Bisher halten meine Regensachen dicht, ich fühle mich trocken. Auch die Lederstiefel halten sich.
    Wasser rinnt den Weg hinab, während es immer höher geht. Von meiner Stirn rinnt es auch, schmeckt aber salzig. Das ist kein Regen, der von der Kapuze tropft, sondern Schweiß von der Stirn. Ich schwitze, es ist echt anstrengend. Schritt für Schritt schraube ich mich weiter in die Höhe, 600m insgesamt. Die Plackerei findet in einer Schutzhütte am Etzel eine Unterbrechung. Was für ein Segen, ein paar Minuten im Trockenen zu sitzen.
    Doch es geht noch weiter bergauf. Die Kapelle St. Meinrad steht auf dem Etzelpass und erst damit ist der höchste Punkt erreicht. Jetzt sind es nur noch ein paar steile Meter und ich bin oben. Wird auch Zeit, ich kann nicht mehr! Das Wirtshaus hat natürlich Ruhetag. Doch die Kapelle ist offen, auf einer Kirchenbank finde ich ein paar Minuten der Ruhe. Mein Blick richtet sich zur Decke, wo die Geschichte des Mönchs und Eremiten Meinrad aufgemalt ist, der sich um 800nChr. hierher in damalige Einöde zurückzog. Da er eine Wunder vollbringende Nonnenfigur besaß, suchten ihn immer mehr Menschen auf und so sah er sich veranlasst, sich noch weiter zurück zu ziehen. Einen neuen Rückzugsort fand er in heutigen Einsiedeln. Der Sage nach wurde er dort von zwei Landstreichern erschlagen, die seinen Schatz stehlen wollten, der aus Gaben vorbeikommender Pilger bestand. Ein Rabe überführte die Diebe und Mörder, sie wurden gehängt und am Tatort wurde in Einsiedeln ein Kloster errichtet, aus dem im Laufe der Zeit ein wichtiger Marienwallfahrtsort mit Abtei, Kloster und Gymnasium wurde. Für viele Pilger ist diese Stätte heute eine wichtige Station oder Endpunkt ihrer Pilgerreise. Natürlich will auch ich dort hin. Doch es dauert noch eine Weile, bis ich den endlos erscheinenden Weg nach Einsiedeln im Dauerregen geschafft habe.
    Doch irgendwann erreiche ich tropfnass meine heutige Pilgerherberge, das Allegro Hotel. Es liegt nahe des Siehlsees, von dem ich wegen Nebel allerdings nichts zu sehen bekomme. Ich lege nur schnell meine Sachen ab, dann mache ich mich auf den kurzen Weg zur Wallfahrtsstätte, die mitten im Ort liegt und nicht vermutete Ausmaße hat. Ich bin überwältigt, als ich die Abtei betrete. Das Kirchenschiff ist gewaltig und überreich bunt dekoriert. Es findet gerade ein Gottesdienst statt, deshalb kann ich nicht im Kirchenschiff wandeln. Doch ich habe Gelegenheit, die Gnadenkapelle zu besuchen, wo Pilger knien und beten. Das erste Mal bekomme ich eine Ahnung, was Pilgern bedeutet. Ich beschränke mich aufs Staunen, denn zu der Energie, an die ich glaube, muss ich nicht in einer Kirche beten.
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  • E1-93-CH Schwyz (21km)

    September 1, 2017 in Switzerland ⋅ 🌧 14 °C

    Schwabenweg (5) - die Mythen hinauf

    Es regnet die ganze Nacht. Das weiß ich, weil lautes Geläute meinen eigentlich tiefen Wandererschlaf mehrfach unterbricht. Zu jeder vollen Stunde schlägt eine Glocke. Einmal um 1 Uhr, zweimal um 2 Uhr usw. Und dazwischen alle Viertelstunde. Das kann einen schon wahnsinnig machen. Trotzdem erwache ich frisch am frühen Morgen. Zwischen den Wachzeiten muss ich anscheinend ausreichend geschlafen haben. Draußen schüttet es immer noch. Das Frühstück liegt hinter mir und die Sachen sind gepackt. Es könnte also los gehen, doch ich habe überhaupt keine Lust auf das Sauwetter. So streife ich noch durch das große Pilgerhotel und finde einen Ort der Stille, genau das Richtige für diesen Moment. Es ist ein nur kleiner Raum, darin eine Jesusfigur, ein Kreuz, eine brennende Kerze. Das genügt, um mich innerhalb kürzester Zeit aus stiller Besinnung in eine spirituelle Stimmung zu versetzen. Ich schließe die Augen und meditiere. Ich danke - ja, wem auch immer, sagen wir, die mich umgebende und schützende Energie, dafür, dass mein Handy heute morgen wieder ging, nachdem es gestern im Regen nass geworden seinen Dienst quittierte. Bitte dafür, dass meine Wanderschuhe, deren Sohlen doch schon sehr abgelaufen sind, bis zum Ende durchhalten mögen und fühle tatsächlich, dass das Pilgern eine besondere Erfahrung ist. Hat hier gerade etwas auf mich gewirkt? Eigentlich pilgere ich ja nicht, ich wandere nur auf einem Pilgerweg. Aber eine Veränderung an mir konnte ich in dem Raum der Stille schon feststellen. Aber die Stimmung verfliegt.
    Beim Bezahlen funktioniert die EC Karte nicht. Ich zahle bar und bin froh, dass ich ausreichend sFr an einem Bankautomaten gezogen hatte. Während ich mich auf den Weg mache, frage ich mich, wie es wohl weiter gehen würde, würde die Karte jetzt dauerhaft den Dienst versagen. Mit den verbliebenen 200 sFr würde ich nicht sehr weit kommen. Wäre die Wanderung dann zu Ende? Ist das nach dem defekten Handy, das mir gestern große Sorgen bereitete, nun die nächste Prüfung?
    Um es vorweg zu nehmen, am Abend funktionierte die Karte wieder. Die Prüfung blieb mir erspart.
    Der Weg vor mir ist eben, es geht kilometerlang den Fluss Alp entlang, der eine Menge Wasser führt. Nach 10km kommt mir in Alpthal die Pfarrkirche St. Apollonia für eine ausgedehnte Pause gerade Recht. Zeit für eine Kirchenbesichtigung. Das Kircheninnere ist farbenprächtig.
    Gut, dass ich diese Pause gemacht habe, denn kurz darauf geht es rechts ab und hinauf, der nächste Berg ist zu bezwingen. Nun geht es zu den Mythen hinauf, die fast 1.900m hoch in den Himmel ragen. Doch zu sehen sind sie nicht, denn es ist talgig vor Nebel. Immerhin hat es aufgehört zu regnen. Der Weg vor mir ist steinig und steil, ich bin bald völlig erschöpft. Vor einer kleine Kapelle finde ich einen trockenen Platz für eine Rast. Zum ersten Mal hole ich den Hobo heraus und mache mit zwei Esbit-Würfeln einen heißen Kaffee. Die Wärme tut gut. Dazu gibt es zwei Würsten (Fett) und eine Banane (Kohlehydrate).
    Weiter, immer weiter bergan. Und dann noch ein Stück bergauf. Und noch ein bisschen. Schließlich taucht ein Schutzhütte auf, baugleich mit der, in der ich gestern Schutz fand. Für einen Moment ruhe ich aus, schaue in Richtung der Mythen, auf die es von hier einen wunderbaren Blick gibt. Doch die sehe ich nur auf dem Schild vor der Hütte.
    Ich muss weiter, auch wenn es gerade wieder anfängt zu regnen. Zum Vierwaldstätter See ist es noch weit, nun geht es um die Mythen herum. Der Weg bleibt schwierig, teils steil und steinig, dann geht es über glitschige Wiesen. Das Gehen ist anstrengend, es regnet in Strömen, Wege werden zu Sturzbächen und ich bin froh, in Haggenegg eine kleine Kapelle zu finden, die mir ein trockenes Plätzchen und Rast bietet. Die schwere Holztür ist mit einer geschnitzten Jacobsmuschel schön verziert, das schlichte Innere wird von einem Sandsteinkreuz dominiert. Dankbar lasse ich mich auf die eine Bank nieder, die sich in dem weißen Raum befindet. Die Regensachen breite ich zum Trocknen aus und atme erst einmal tief durch. Dieser Ort wirkt beruhigend und kraftgebend auf mich ein. Ich entzünde eine Kerze und versinke in ihr. Mein Herz wird groß und Frieden breitet sich aus. Ins Pilgerbuch schreibe ich: "Ich bin glücklich. Ich brauche nichts." Ja, so fühle ich mich in diesem Moment. Glücklich.
    Lange verharre ich hier. Etwas unwillig öffne ich lange Zeit später die schwere Holztür und trete hinaus in die reale Welt, in der es immer noch regnet und nebelig ist. Hinter mir schließt sich die Tür und der sakrale Zauber vergeht. Die Unbill der Natur verlangt jetzt wieder meine ganze Aufmerksamkeit. Ich will jetzt nur noch den Berg hinab nach Schwyz. Ich möchte ins Trockene, habe genug von der Nässe von oben und den Sturzbächen von unten. Meine Schuhe sind durch und quietschen bei jedem Schritt. Doch ich muss noch einige Kilometer über Stock und Stein durch nasskaltes Wetter waten. Irgendwann erhasche ich durch den Nebel einen ersten Blick auf den Vierwaldstädter See, kurz darauf liegt Schwyz vor mir. Damit ist es nicht mehr weit zum BackPacker Hotel "Zum Hirschen", das an diesem Abend ein kleines Zimmer für mich bereit hält. Tropfnass trete ich ein und werde herzlich willkommen. Hier versteht man den nassen Wanderer, mir wird beim Einchecken gleich Zeitungspapier für die nassen Wanderschuhe angeboten. Das finde ich prima. Bald klingt der Abend bei einer Kalbswurst, Pommes Frittes und einem Original Schwyzer Dunkelbier aus. Oder waren es zwei??
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  • E1-94-CH Andermatt (20km + Zugfahrt)

    September 2, 2017 in Switzerland ⋅ 🌧 5 °C

    Weg der Schweiz

    Der Schwabenweg liegt hinter mir - weiter geht es für eine Etappe auf dem "Weg der Schweiz".

    Auch am nächsten Tag regnet es in Strömen, es ist der dritte Tag in Folge. Doch die Wettervorhersage verspricht endlich Besserung. Also geht es wieder in voller Regenmontur los. Ich bin noch nicht recht warm gelaufen, da liegt in Unterschönenbuch die nächste Kirche am Wegesrand. Doch alle Kirchen kann ich gar nicht besuchen, wenn ich voran kommen möchte. Diese will ich links liegen lassen und bin auch schon fast vorbei, als ich aus dem Augenwinkel zwei riesige Rucksäcke an der Kirchwand lehnen sehe.
    "Zwei Fernwanderer in der Kirche", denke ich erfreut, denn bisher bin ich in der Schweiz keinem Wanderer mit schwerem Rucksack begegnet. Es sind überhaupt nur wenige Wanderer unterwegs. Um so mehr bin ich gespannt, wen ich gleich in der Kirche treffen werde. Ich stelle meinen kleinen Rucksack neben das monströse Gepäck - der Größenunterschied zu meinem Rucksack ist wirklich gewaltig - und öffne die schwere Kirchenpforte. Am Ende des Kirchenschiffs sind ein Mann und eine Frau, braun gebrannt und drahtig, mit der Betrachtung des Altars beschäftigt. Als ich eintrete, wenden Sie sich zu mir um. "Ah, ein Wanderer", entfährt es dem Mann und er kommt erfreut auf mich zu. Wanderer haben sich immer etwas zu erzählen und auch jetzt plaudern wir bald wie alte Bekannte. Ich erfahre, dass die beiden durch die Schweiz wandern wie ich, sie sind auf dem TransSwissTrail unterwegs, der ab morgen auch meinen Weg bestimmen wird, nur in umgekehrter Richtung. Der Mann ist Schweizer, seine Frau stammt aus Australierin, wo sie seit vielen Jahren leben. Nun sind sie auf Wandertour durch seine alte Heimat. Das Wetter ist ihnen mehr hold gewesen als mir, dafür habe ich mit meinem Gepäck mehr Glück. Die beiden schleppen schwer an ihrem großes Gepäck.
    "17 kg sind einfach zu viel", verrät er mir.
    Das kann ich nur bestätigen und bin froh über meinen 8 kg leichten Rucksack. Uns gemeinsam ist, dass wir nur wenige andere Fernwanderer getroffen haben und froh sind, endlich mal einem Gleichgesinnten zu begegnen. Es gäbe noch vieles zu sagen, doch wir müssen ja weiter. Ein Winken zum Abschied und wir gehen unserer Wege, jeder in seine Richtung.
    Kurze Zeit später steht mir eine kleine Prüfung bevor. Durch den überfluteter Bohlenweg vor mir muss ich durch, da gibt es kein Drumherum. Vermutlich wird jetzt meinen Lederstiefeln einiges abverlangt werden. Ich wate einfach drauf los, denn ich vertraue auf die Wasserdichtigkeit meiner gut gefetteten Wanderstiefel. Ein paar Meter geht alles gut, doch das Wasser steigt immer höher, die Stiefel drohen voll zu laufen. Was tun? Das Holzgeländer scheint stabil, wird es mich aushalten? Ich steige drauf und hangele mich mühsam voran. Meter für Meter, wie ein Affe auf dem Seil. Nur nicht so elegant und schnell. Das Ende des Bohlenweges ist auch das Ende für das Geländer, nicht aber für das Wasser. Einige Meter sind es noch, die der Weg unter Wasser steht. Der geneigte Leser will mich jetzt sicher baden sehen. Doch nein, ich schaffe es. Ein kecker Sprung ins Wasser, zwei Hopser und ich bin im Trocknen. Das Wasser war gar nicht mehr so tief. Kein Wasser ist in die Stiefel gelaufen. Gut gemacht! Erst jetzt kommt mir die Idee, dass ich die Stiefel auch hätte ausziehen können. Das nennt man wohl steigende Lernkurve!
    Vierwaldstätter See voraus! Da liegt der ersehnte See endlich vor mir. Klar und grün das Wasser, die hohen Berge schneebedeckt, tief hängende Wolken, regenschwer. Doch aus ihnen regnet es nicht mehr. Endlich tritt ein, was vorhergesagt war. Aus der Ferne dampft ein breites Schiff heran, die Aufbauten niedrig. Es kommt näher, steuert den Anleger an. Zwei Schaufelräder treiben es an, der Schornstein dampft. Es handelt sich um die Uri, eines von fünf alten Schaufelraddampfern, die auf diesem See seit 100 Jahren verkehren. Bald macht es am Anleger fest. Breitbeinig steht der bärtige Kapitän auf der Brücke, beobachtet das Anlegemanöver ruhig und konzentriert. Er sagt nichts und doch läuft alles wie am Schnürchen. Die Leinen werden von den bereit stehenden vier Matrosen vorschiffs und achtern über den Poller geschmissen und vertäut. Eine aufwändige, aber routinierte Prozedur, die schön anzuschauen ist. Passagiere verlassen das Schiff, andere steigen zu. Bald heißt es wieder: Leinen los, die Uri dampft über den Vierwaldstätter See zurück nach Luzern. Ich hoffe, ein ähnlicher Dampfer wird auch nach Flüelen fahren, denn ich habe soeben beschlossen, ein Stück mitzufahren. Spontan kaufe ich eine Fahrkarte und warte im Café auf die baldige Abfahrt. Drei Wanderstunden werde ich auf diesem Wege einsparen und auch einige hundert Höhenmeter. Schlau, oder?
    Bald kommt ein weiterer Schaufelraddamper angedampft, diesmal aus der anderen Richtung. Die "Stadt Luzern" sieht ihrem Schwesterschiff zum Verwechseln ähnlich. Voller Vorfreude gehe ich an Bord. Während die meisten Passagiere die Restaurants an Bord entern, erkunde ich das Schiff. Viel gibt es zu entdecken. die Dampfmaschine, die drei rote Kolben, die ruhig stampfend die Kurbelwelle antreiben, die zwei Schaufelräder, die sich im Seewasser drehen. Alles an Bord scheint noch Original zu sein. Der bald hundert Jahre alte Dampfer ist für mich die reinste Augenweide. Nur das 1. Klasse Deck bleibt mir verborgen, dort darf ich mit dem 2.Klasse Ticket nicht hin. Die Schifffahrt ist viel zu schnell vorbei. Als einziger Gast gehe ich in Sisikon von Bord, natürlich fängt es just in diesem Moment an zu regnen.
    Habe ich das jetzt richtig gemacht? Ich hadere ein bisschen mit meiner Entscheidung. Ich hätte auch bis nach Flüelen weiter fahren können? Los jetzt, Junge! Das ist nur Regen, du kennst das schon. Ich ziehe die Regenkleidung über und ab geht's. Um mich zu motivieren, hole ich mir ins Gedächnis, was ich zuvor gelesen habe: der Weg soll sich lohnen. Doch das sieht gerade nicht so aus. Rauf und runter geht es, erst ein Stück am Seeufer entlang, dort ist es schön, dann aber an der Eisenbahn entlang, das ist nicht so schön und dann geht es hinauf zur Straße, das nervt gewaltig, denn dort herrscht reger Verkehr. Nach ein paar Kilometern erreiche ich die Anlegestelle Tellsplatte, dort gibt es ein Ausflugslokal. Ich gönne mir ein Eis der Marke "Ovomaltine", denn das habe ich nach dem Auf und Ab jetzt verdient, finde ich.
    Ab hier wandert man auf den Spuren von Wilhelm Tell, dem legendären Schweizer Freiheitskämpfer.
    << Die Legende lässt den habsburgische Landvogt Gessler zu Altdorf einen Hut auf eine Stange stecken und befiehlt den einheimischen Untertanen, diesen jedes Mal zu grüssen, wenn sie an ihm vorübergehen. Wilhelm Tell, ein weithin bekannter Armbrustschütze, verweigert den Gruß, und der Vogt befiehlt ihm daraufhin, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes Walter zu schießen. Sein Kind müsse andernfalls mit ihm sterben. Tell tut widerstrebend, wie ihm geheißen, und trifft den Apfel. Er wird gefragt, wozu er sich einen zweiten Pfeil genommen hat und antwortet, wenn er sein Kind getroffen hätte, wäre dieser für den Vogt bestimmt gewesen. Daher lässt der Vogt ihn gefesselt auf seine Burg nach Küssnacht überführen. Auf dem Vierwaldstättersee aber bringt ein Sturm das Schiff in Gefahr und Tell wird seiner Fesseln entledigt, um das Boot zu lenken. Geschickt steuert er es gegen das Ufer, wo die Steilwand Axen sich erhebt, und springt dort auf eine hervorstehende Felsplatte, die noch heute Tellsplatte heisst. Er eilt über die Berge nach Küssnacht, erwartet den Vogt in einem Hohlweg, der Hohlen Gasse, und erschießt ihn aus sicherem Versteck mit der Armbrust und wird so zum Tyrannenmörder. >> (Quelle: Wikipedia)
    Auf der Tellsplatte ist heute die Tells-Kapelle errichtet, in der mit vier Bildern die Geschichte erzählt wird.
    Etwas höher befindet sich das Glockenspiel, gespendet von Schweizer Schokoladenfabrikanten. Siebenunddreizig bronzene Glocken stehen für ein Konzert bereit, immer zur vollen Stunde kann man an einem Steuerpult ein Stück auswählen. Ich wähle die Ouvertüre von Wilhelm Tell und gleich darauf bricht ein gewaltiger, doch wohlklingender Lärm los.
    Eine Weile lausche ich, doch die Ouvertüre will gar nicht mehr aufhören. Schließlich wende ich mich um und gehe weiter. Lange begleiten mich die Glockenklänge, bis der Verkehrslärm schließlich doch wieder die Oberhand gewinnt. Dann geht es einen Tunnel hindurch, auf der anderen Seite ist schon Flüelen zu sehen. Viele Stufen führen nun hinab zum See. Zwei Ausflügler begegnen mir, vermutlich kommen sie aus Flüelen. "Ist es noch weit?", fragen sie außer Atem. Ich bin nicht sicher, ob sie die Treppen, das Glockenspiel oder die Tellsplatte meinen. "Ich weiß es nicht, es geht halt immer auf und ab", erwidere ich.
    In Flüelen ist der Weg der Schweiz für mich zu Ende. Für andere führt er weiter um den See herum, ich aber wechsle jetzt auf den Trans Swiss Trail, um dem schroffen Tal der Reuss zu folgen. Nun wird es bald alpin werden und darauf freue ich mich schon so sehr, dass ich es gar nicht mehr abwarten kann. Weil Straße und Schiene für eine Weile dicht neben dem Wanderweg verlaufen und ich mir den Verkehrslärm nicht antun möchte, nehme ich jetzt den Zug. Eine Tagesetappe spare ich ein und komme so dem Gotthard schnell näher. Ich kann es doch kaum noch erwarten, endlich über den Gotthardpass zu steigen.
    Während der Zug parallel zum Wanderweg zuckelt, ist Zeit, ein paar Mails zu checken. Ein unbekannter Kilian hat mich über meine Site informiert, dass er demnächst in Dänemark wandern will und noch ein paar Fragen zur Route habe. Sonderbar, dass ich gerade jetzt so etwas gefragt werde, wollte ich doch eigentlich selbst gerade in Dänemark wandern. Mich hat nur das permanent schlechte norddeutsche Wetter abgehalten und anders disponieren lassen. Nun wandere ich hier in der Schweiz im Regen, welch eine Ironie! Ich will ihm gerade eine Route empfehlen, da halte ich inne, denn das kann ich wirklich auf heute Abend verschieben! Draußen zieht das Reusstal vorbei und das Hier und Jetzt ist doch wirklich wichtiger als eine E-Mail. So genieße ich die vorbeiziehende Landschaft wieder in vollen Zügen. In Göschenen muss ich in den roten Triebwagen der berühmten Matterhorn-Gotthard Bahn umsteigen, der sich kurz darauf steile Berge emporschraubt. Vorbei geht es an der sagenumwobenen Teufelsbrücke, die in der Schöllenenschlucht über die hier sehr wilde Reuss gespannt wurde. Erst diese Brücke ermöglichte ab dem 13.Jhrd. den Weg über den Gotthardpass, bis dahin stellte die wilde Reuss ein unüberwindliches Hindernis dar und niemand kam über diese Schlucht. "Das hätte ich mir auch gerne zu Fuß angesehen". Ich ärgere mich, dass ich nicht in Göschenen ausgestiegen bin. Doch man kann bekanntlich nie alles haben und stattdessen erlebe ich, wie sich der alte Triebwagen immer neue Steigungen empor schraubt und mir das Gefühl vermittelt, in einem startenden Flugzeug zu sitzen. Das ist auch nicht übel.
    Außerdem bin ich viel schneller am Etappenziel und das ist es ja, was ich wollte.
    In Andermatt bin ich für heute am Ziel. Aussteigen. Der Ort liegt auf 1.600m Höhe und nicht weit vom Gotthard entfernt. Es ist empfindlich kalt hier oben, die umliegenden Berge sind zuckerig weiß mit Schnee bedeckt. "Vielleicht muss ich da morgen rüber, wenn es über den Gotthardpass geht", denke ich und während ich zu den Massiven hinüber blicke, spüre ich die Eingeweide zusammen krampfen. Doch das ist morgen, jetzt ist es wichtig, die Unterkunft zu finden, die ich am Frühstückstisch in Schwyz reserviert habe. Aber irgendetwas passt an dem Plan, der auf dem Handy angezeigt wird, nicht mit den Straßen von Andermatt überein. Alles sieht auf der Zeichnung anders aus als in der Wirklichkeit. Ich laufe hin und her, suche Straßennamen und finde sie nicht. Ich beginne zu frieren. Auf die hier herrschende Kälte bin ich nicht vorbereitet. Ich frage eine Passantin nach dem Weg zur Unterkunft und halte ihr den Plan auf dem Display entgegen. Sie schaut auf den Plan, dann kräuselt sich ihre Stirn, schaut mich schließlich etwas mitleidig an. Auf Schwyzerdütsch, das ich hier unmöglich schriftlich wiederholen kann, gibt sie mir zu verstehen: "Das liegt doch auf der anderen Seite vom Gotthard. In Airolo, auf der italienischen Seite." "Oh je, da habe ich wohl etwas durcheinander gebracht". Ich muss lachen. Ob sie mir etwas im Ort empfehlen könne. Sie legt den Kopf schief, taxiert mich von Kopf bis Fuß, sagt endlich: "Der Schweizerhof müsste was für Sie sein." Ein Einzelzimmer mit Vollbad unterm Dach ist noch frei. Es ist klein, aber nicht übel. Ein heißes Wannenbad macht mich wieder warm und für das leibliche Wohl sorgt im hoteleigenen Restaurant ein großes Steak mit Pommes Frites, dazu Bier. Für morgen braucht es eine extra Kraft, denn es geht ja über den Pass. Die ordentliche Portion Kohlehydrate schaufel ich genüsslich in mich hinein, keine Krümel bleibt übrig. Für einen anschließenden Verdauungsspaziergang durch den kleinen Skiort ist es mir zu kalt. Die Temperatur hat sich, kaum das es dunkel ist, dem Gefrierpunkt genähert. Ich stecke nur schnell die Nase raus. Und nur, um es erwähnt zu haben: es regnet wieder. Ich verschwinde lieber unter warmen Daunen und träume von morgen.
    Gute Nacht.
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  • E1-95-CH Airolo [Gotthardpass] (22km)

    September 3, 2017 in Switzerland ⋅ ☁️ 15 °C

    Trans Swiss Trail (1)

    Dicke Regentropfen klopfen ans Fenster, doch sie sind es nicht, die mich wecken. Eher ist es ein wirrer Traum, der mir den Schlaf raubt, weit bevor es hell ist. Kaum bin ich wach, drehen sich sorgenvolle Gedanken um die Besteigung des Gotthardpasses. Sie bescheren mir ein zunehmendes Unwohlsein. Ziemlich bescheuert! Ich spüre genau, wie ich das Frühstück in die Länge ziehe, denn ich will einfach nicht los, der Berg flößt mir immer mehr Respekt ein, je intensiver ich an ihn denke. Noch nie bin ich alleine so hoch auf einen Berg gestiegen, wie ich es heute tun werde. Ich fühle, ich fürchte mich sogar ein wenig vor der heutigen Etappe. Doch es hilft nichts, ich muss jetzt los. Der Berg ruft!
    Vor der Tür des Hotels stelle ich fest, dass nach drei langen Tagen endlich der Dauerregen aufgehört hat. Dafür ist es jetzt bitterkalt hier oben. Doch da muss ich jetzt durch. Gut, dass ich Handschuhe und Buff dabei habe. Schon liegt die schmucke Einkaufsmeile des kleinen Wintersportorts hinter mir, da verläuft der Trail einem hohen Bergmassiv zu. Zweihundert Meter höher beginnt die Schneegrenze. Ist das schon der Gotthard, der vor mir liegt? Angesichts der hohen Felsen werde ich noch ein bisschen nachdenklicher. Ich fühle mich klein vor dem großen Massiv. Kurz vor dem Fuß des Berges biegt der Trail nach links, folgt der Reuss, die sich durch die Wiesen Richtung Hospental schlängelt.
    In Hospental wird an der Barockkirche Maria Himmelfahrt dem Wanderer die Entscheidung abverlangt, wohin er sich ab hier wenden soll. Für mich ist es klar: ich nehme den Weg Richtung Rom und der führt gleich über den Gotthard-Pass.
    Der uralte Pfad windet sich gemächlich über die Wiesen, immer höher geht es durch das grüne Tal hinauf, das von hohen Felsen begrenzt wird. In weiter Ferne ist ein sonderbares Gebäude zu sehen. Es ist noch ganz klein und ich kann nicht erkennen, was es sein könnte. Eine Kapelle vielleicht oder ein Mahnmal? Alles falsch! Als ich nah genug bin, erkenne ich es: ein riesiger Entlüftungsschacht ist es, genau unter mir verläuft nämlich der Gotthardtunnel.
    Ich gehe auf dem ersten Weg, der je über den Gotthard gebaut wurde. Auf groben Steinen konnte man fortan den Gotthard im Sommer zu Fuß überqueren, im Winter blieb der Pass weiterhin unpassierbar. Erst der Bau einer Straße in unmittelbarer Nähe des Trampelpfades machte die ganzjährige Überquerung mit Fahrzeugen möglich. Der Transitverkehr nahm zu und man brauchte eine größere Straße, die auf der Ersten gebaut wurde. Nun ging es viel schneller über den Pass. Doch bald reichte die Strasse nicht mehr. Zwei Tunnel wurden durch den Gotthard getrieben, seitdem haben die über den Pass führenden Straßen ihre ursprüngliche Bedeutung verloren.
    Touristen nutzen die beiden Straßen noch immer gerne, um zum Pass zu kommen und durch die Kurven zu brausen. Heute ist viel los auf den Straßen, denn es ist Sonntag und schönes Wetter. Glücklicherweise liegt der Trail ein Stück abseits der Straßen.
    Nach drei Stunden bin ich oben. Der Aufstieg war leichter als vermutet, das mulmige Gefühl unbegründet. Am Pass ist viel los. Überall parken Autos, Menschen laufen herum, besuchen das Museum, schießen Fotos, kaufen Bratwurst oder Souvenirs. Den Pass hatte ich mir anders vorgestellt - ruhiger und idyllischer. Ich bleibe nicht lange.
    Auf der Südrampe des St- Gotthard-Passes geht es nun die Tremola hinab. Die alte Passstraße mit ihren vierundzwanzig gemauerten Serpentinen gilt als der interessanteste Abschnitt der Etappe und ist das längste Baudenkmal der Schweiz. Der Trail verläuft quer zu den Serpentinen steil den Hang hinab. Ein Muskelkater ist nach diesem Abschnitt nicht auszuschließen.
    Irgendwann bin ich unten, jedenfalls fast. Vier Kilometer vor dem Etappenziel ist die Wegmarke weg und Else von Komoot quittiert mit tonloser Stimme: "Du hast die Tour verlassen, wirf einen Blick auf die Karte!". Was soll der Quatsch? Wo sie meint, das ein Weg sein sollte, ist nur Gebüsch. Hier gibt es keinen Weg. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Straße entlang zu laufen, wo Autos und Motorräder mir fast die Hacken abfahren und ich mich dicht an die Leitplanke drücken muss. Lebensgefahr für Fußgänger! Ich erreiche Airolo glücklicherweise ohne Schaden und finde sofort die Albergo Motto, die ich gestern so vergeblich in Andermatt suchte. Man begrüßt mich mit einem freundlichen "Buonasera". Richtig, im Tessin wird ja italienisch gesprochen. Ein Bärenhunger treibt mich ohne Verzug in die nahe Pizzeria, wo man draußen sitzt und den Sonntagabend genießt. Ich mache es ebenso und bald fühle ich mich inmitten des italienischen Stimmengewirrs wohl. Bei Pizza und Bier feiere ich meine Gotthardüberquerung.
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  • E1-96-CH Cavagnago (32km)

    September 4, 2017 in Switzerland ⋅ ☁️ 15 °C

    Trans Swiss Trail (2) - Strada Alta

    Der Wecker reißt mich aus tiefsten Schlaf. Es ist sieben Uhr, wie ein Stein habe ich bis eben geschlafen. Am Frühstückstisch schaue ich, was heute dran ist. Der Trans Swiss Trail folgt nun bis Biasca für fünfundvierzig Kilometer dem Panoramaweg "Strada Alta" auf der sonnigen Seite des Valle Leventina. Es ist ein alter Verbindungsweg zwischen Bergdörfern. Es scheint ein ständiges auf und ab zwischen 1.000 bis 1.500 Höhenmetern zu werden. Die heutige Etappe soll eigentlich in Osca enden, doch erst ein paar Kilometer weiter finde ich in Cavagnago eine Übernachtungsmöglichkeit. Ein kurzer Mailverkehr sichert mir dort ein Zimmer. Für 18 Uhr melde ich mich in dem Privatquartier an.
    Auf, der Trail ruft! Die Strada Alta führt gleich bergauf zum ersten von vielen Bergdörfern, die sich wie Perlen auf der Schnur aneinander reihen. Ich komme heute durch Madrano, Brugnasco, Altanca, Ronco, Deggio, San Martino, Lurengo, Freggio, Osco, Calpiogna, Rossura, Tengia, Calonico, Anzonico und Cavagnago. Die Dörfer sind kaum voneinander zu unterscheiden, jedes besteht aus kleinen Häusern im Walser-Baustil. Bemerkenswert sind die alten Steindächer. Eine kleine Kirche steht in jedem Dorf, ein Brunnen davor. Hier scheint die Zeit still zu stehen, nur ein paar Autos zeugen hier und da von der Neuzeit.
    Die Strada Alta ist asphaltiert oder aus Schotter und einfach zu gehen. Das ändert sich aber nach fünfzehn Kilometern, als der Trail die Strada verlässt. Nun geht es auf einem Trampelpfad durch den Wald. Knorrige Wurzeln und rutschige Steine verlangen jetzt volle Aufmerksamkeit. Ein Stolpern könnte den Sturz in eine tiefe Schlucht bedeuten, der Pfad ist nur selten gesichert. Was für ein Glück, dass ich mich im letzten Moment doch noch für meine Bergstiefel entschieden hatte, die hier ihre Kompetenz unter Beweis stellen können.
    Osco hätte nach siebzehn Kilometern das Ziel dieser Etappe sein sollen, doch hier gibt es ja keine Unterkunft. Im Schatten der kleinen Kirche mache ich Kartenarbeit. Fünfzehn Kilometer liegen noch vor mir, fünf Stunden Fußmarsch sind es noch mindestens nach Plan. Mir ist heute morgen gar nicht bewusst geworden, wie weit es noch ist von Osco nach Cavagnago.
    Fünfzehn Uhr ist schon durch und für achtzehn Uhr bin ich in der privaten Herberge angemeldet. Bleiben also nicht fünf, sondern weniger als drei Stunden. Folglich muss ich jetzt mächtig auf die Tube drücken und das Wandern ausnahmsweise einmal nicht lustvoll, sondern effizient angehen. Stellt sich die nur Frage, wie? Die Antwort liegt nahe: schneller gehen, keine Pausen.
    Dafür braucht es jetzt eine Extraportion Kohlehydrate, eine Banane wird mich bis zum nächsten Bergdorf Rossura befeuern. Ich gebe Gummi und fliege über den Trail, Bäche und Wasserfälle huschen vorbei, ohne dass ich sie richtig wahrnehmen kann. Nach einer Weile beginne ich zu torkeln, der Glykogenspeicher scheint leer zu sein. Ich muss rasten und Atem schöpfen. Bei der Gelegenheit gibt es einen Apfel, dazu ein trockenes Brötchen. Damit ist der Speicher wieder gefüllt und es kann weiter gehen. So sehr ich eile, die Zeit verrinnt schneller. Auf dem Trail komme ich nicht schnell genug voran. Als der Waldpfad das nächste Mal die Straße kreuzt, bleibe ich auf der Strada. Tatsächlich komme ich hier schneller voran, aber dafür brennen mir bald die Füße. Asphalt ist halt eine arge Belastung für Gelenke und Sehnen. Bald ist die Energie wieder dahin, ohne Pausen geht es einfach nicht. Nun hole ich aus dem Rucksack als letzte Reserve eine große Rolle "Original Chocoly" von Wernli, die seit dem Einkauf am Zürichsee im Gepäck schlummert. Im Nu verdrücke ich Keks um Keks, jeder mit leckerer Schokolade gefüllt. Nur den allerletzten Keks bringe ich nicht mehr herunter. Nun bin ich mit neuer Energie für den Endspurt versorgt. Noch drei Kilometer! Ich eile weiter auf der so unendlich lang erscheinenden Straße, die jetzt auch noch ansteigt. Ich mobilisiere die letzten Kräfte. Ein Bus stoppt neben mir, ich hatte ihn gar nicht beachtet. Die Bustüren öffnen sich, der Fahrer beugt sich vor, macht Zeichen. Und endlich verstehe ich: ich soll einsteigen. Wie nett von ihm. Ich mache es nur zu gerne! Es sind nur wenige Augenblicke, da hält der Bus schon in Cavagnago. Als Dank für das Mitnehmen bekommt der Busfahrer den letzten Chocoly-Keks. Er freut sich und meint lächelnd: "ein Wernli teilt me gernli".
    Es ist 18:30 Uhr, ich habe es trotz höchster Eile nicht pünktlich geschafft. Doch das macht nichts, wie sich heraus stellt. Ich hätte auch langsamer machen können. Die Unterkunft ist ein Glücksgriff, denn ich darf in einem dieser uralten Walser-Haus übernachten, das nun ein möbliertes Appartement ist. Der Pferdefuß: heute muss ich mich mal selbst versorgen, das Restaurant im Dorf hat Ruhetag. Kein Problem, im Rucksack habe ich für den Fall der Fälle eine Portion Trek'n Eat dabei.
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  • E1-97-CH Bellinzona (39km)

    September 5, 2017 in Switzerland ⋅ ☁️ 24 °C

    Trans Swiss Trail (3) - knorrige Wege

    Der nächste Morgen beginnt mit einem Blick aus dem Fenster. Eben geht die Sonne auf und färbt die gegenüber liegenden Felsen glutrot ein. Welch ein Naturschauspiel.
    Bald bin ich zurück auf dem Trail, der weiterhin über Stock und Stein führt, durch duftende Wälder und an tiefen Schluchten entlang, steinerne Brücken überquert und plätschernde Bäche sowie tosende Wasserfälle passiert. Es geht steile Hänge hinauf und wieder hinab. Im Gegensatz zu gestern ist das Wandern heute wieder ein Genuss, denn es geschieht in Muße und ohne Eile.
    Nach dem letzten, sehr steilen Abstieg hinunter ins Tal endet die Strada Alta auf einer viel befahrenen Landstraße, die nach Biasca führt. Ein Bus verlässt gerade die Haltestelle in Richtung Bellinzona. Eine Stunde später wird der Nächste abfahren. Ich beschließe spontan, darin ein Zeichen zu sehen und ein Stück mit dem Bus zu fahren. So werde ich die Tour um eine ganze Tagesetappe abkürzen. Denn der Weg würde jetzt für viele Kilometer dicht an der viel befahren Straße entlang führen und darauf habe ich gar keine Lust.

    Eine Stunde bleibt also, den Ort zu erkunden. Für die Rundkirche Rotonda di San Carlo bleibt genügend Zeit, für die aus dem 12. Jahrhundert stammende Chiesa dei Santi Pietro e Paolo dagegen nicht. Pünktlich um 15:44 Uhr fährt mich der Bus nach Bellinzona, der Hauptstadt des Tessin. Zügig geht es durch die Orte Osogna, Cresciano, Claro, Castione und Arbedo. Der Bus braucht dreißig Minuten, wofür zu Fuß sechs Stunden nötig gewesen wären. Aus dem Busfenster sehe ich in der Ferne den Trail, der sich am am schattigen Ufer des Ticino entlang schlängelt. So übel wie gedacht wäre es gar nicht geworden.
    Bald bin ich in der Hauptstadt des Tessins. In Bellinzona gibt es nicht nur Kirchen, sondern auch zwei Burgen nebst Festungswällen, deren Kernbebauung in die Zeit des römischen Reiches (um 200 n.Chr) zurück reichen und zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Mich interessiert aber mehr, wo ich heute schlafen kann. Am Fuße der Burg Montebello finde ich in einem ehemaligen Schulgebäude das Hostel, in dem ich nach einem Einzelzimmer frage. Es ist sogar eines mit Dusche im Zimmer frei. Habe ich ein Glück! Nach Natur pur ist ein Stadtbummel auch einmal etwas Schönes. Ich besichtige das Castello di Montebello, genieße den Blick über die Stadt, schlendere gemächlich durch die Einkaufsstraßen. Irgendwo lasse ich mich in einer Pizzeria nieder, bei Pizza und Bier genieße ich den lauen Abend.
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