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- 18 Oca 2024 06:47
- 🌫 14 °C
- Yükseklik: 689 m
- Yeni ZelandaWellingtonOkahukura Bush39°3’55” S 175°40’8” E
Man sieht nur mit dem Herzen gut
18 Ocak, Yeni Zelanda ⋅ 🌫 14 °C
Das Klingeln des Weckers reißt mich erbarmungslos aus dem Schlaf. Es ist 5 Uhr morgens und noch stockdunkel. Mein Körper weigert sich strikt, willkürliche Bewegungen auszuführen und bevorzugt weiterhin die Schlafstarre. Alles in mir schreit: „Ich will nicht!“ Das sage ich auch Danny. Sein Mitgefühl hält sich in Grenzen und er knipst das grelle Deckenlicht an. Im Gegensatz zu mir ist er schon wieder sehr aktiv. Er kramt in seinem Rucksack, holt Kaffee und Müsli raus und macht sich auf in Richtung Küche vom Holiday-Park.
Ich rolle seitlich aus meinem Bett und schlurfe ins Bad, erstmal Zähneputzen. Danach brauche ich dringend einen Kaffee, sonst geht bei mir um diese Uhrzeit gar nichts. Als ich aus dem Bad komme, hat Danny schon zwei Tassen mit Instant-Kaffee aufgegossen. Das freut mich, und ich nehme einen großen heißen Schluck aus dem Becher. Zu meiner Verwunderung ist schon ziemlich viel los um diese Uhrzeit und es herrscht reges Treiben in der Gemeinschaftsküche. Was machen die alle hier zu dieser unchristlichen Zeit? Schnell bekommen wir durch Gespräche mit, dass wir heute alle den gleichen Plan haben: Die Tongariro Alpine Crossing. Der Mount Tongariro ist einer von mehreren aktiven Vulkanen der Nordinsel.
Die Tongariro Alpine Crossing gilt als die beste eintägige Wanderung in Neuseeland und wird als eine der zehn besten eintägigen Wanderungen der Welt angesehen. Man muss diese Wanderung sogar online buchen, damit die Behörden wissen, wie hoch das Personenaufkommen am jeweiligen Tag ist. Während die Massen den Berg über den leichteren Zugang von Süden nach Norden überqueren, laufen Te Araroa Wanderer von Nord nach Süd - also gegen den Besucherstrom und mit einem wesentlich schwierigeren Anstieg. Gegen den Strom schwimmen, das gefällt mir :-). Es wird empfohlen, zeitig aufzubrechen, denn je nach Wetterlage wird die Überquerung mit 6-8 Stunden angegeben.
Schnell trinke ich meinen Kaffee aus und stopfe mir ein paar Löffel Müsli rein. Viel kann ich zu dieser Uhrzeit noch nicht essen. Es ist 6 Uhr, als wir den Holiday-🏔️Park verlassen und die Sonne langsam aufgeht. 6 Kilometer an der Straße müssen wir bis zum Fuß des Vulkans laufen. Darauf haben wir natürlich keine Lust und so versuchen wir es mit hitchen. In Neuseeland sagt man „hitchen“ statt trampen. Wir heben unsere Arme und etliche Autos rauschen vorbei. Innerlich habe ich mich schon davon verabschiedet, dass es mit einer Mitfahrgelegenheit klappt. Und genau dann passiert das Unerwartete: Ein Auto hält an. Zu unserer Freude sind es zwei junge Frauen aus Chemnitz. Die Rückbank ihres Kombis ist umgeklappt und voll beladen mit sämtlichen Taschen und Tüten. „Wo sollen wir da mit unseren Rucksäcken Platz finden?“, frage ich mich. Zu meinem Erstaunen sagen sie allen Ernstes, dass wir ja über den Kofferraum einsteigen und uns oben drauf auf ihre Sachen legen können. „Auf gar keinen Fall“, sagt meine innere Stimme, während ich gleichzeitig zu Danny in den Kofferraum krieche und versuche, eine halbwegs bequeme Haltung einzunehmen. Wobei mit „bequem“ eher „aushaltbar“ gemeint ist. Danny jauchzt vor Vergnügen und ist schon tief im Gespräch mit den Mädels, während ich Atemübungen mache, um die 6 Kilometer irgendwie zu überstehen. Es klappt, nach 10 Minuten ist der „Fahrspaß“ vorbei und wir steigen unbeschadet aus.
Jetzt geht’s an den Aufstieg und als ich die Massen auf dem Carpark sehe, bin ich heilfroh, dass wir aus einer anderen Richtung zum Gipfel emporsteigen. Leider fängt es genau in diesem Moment an zu nieseln. Erst noch ganz leicht, dann etwas stärker. Wir steigen unzählige Treppen hinauf. Immer wieder muss ich stehenbleiben, bis sich mein Atem beruhigt hat. Es ist trüb, nebelig und nasskalt. „Das ändert sich noch“, denke ich. Hoffe ich. Aber mit jeder Treppenstufe, die ich emporsteige, nimmt der Regen zu und die Sichtverhältnisse nehmen ab. Meine Regenjacke schützt mich noch halbwegs vor der Nässe, während meine Wanderhose schon nass an meinen Beinen klebt. Ich ignoriere dieses Gefühl, bis zu dem Punkt, wo die mit Regenwasser vollgesogene Hose die Nässe an meine Schuhe weitergibt. Es läuft von oben rein und schon nach ein paar Minuten machen meine Schuhe wieder glucksende Geräusche und die Füße schwimmen in einem kleinen Pool. Plötzlich kommen aus der Gegenrichtung die ersten Wanderer auf uns zu. Wir fragen, wie lange es noch bis nach oben dauert und wie die Sicht ist. Ihre Gesichter sehen fröhlich enttäuscht aus. „Nicht viel zu sehen, aber der blaue See ist erkennbar“. Der oder die blauen Seen sind das Fotomotiv schlechthin, wenn man die Tongariro Alpine Crossing macht. Natürlich habe auch ich mir erhofft, ein besonders schönes Beweisfoto von unserem Aufstieg zu bekommen.
Wir laufen weiter nach oben, meine Sachen sind inzwischen klatschnass, selbst die Regenjacke hat ihre Funktion aufgegeben. Je höher wir steigen, desto windiger und kälter wird es leider auch. Inzwischen kommen uns immer mehr Wanderer entgegen, die von der anderen Seite aufgestiegen sind. Ein nettes sympathisches Paar sagt uns, dass es noch ca. 1 Stunde bis zum Gipfel dauert und das letzte Stück sehr steil und sandig ist. Meine Vorfreude kennt keine Grenzen! Ich will hier einfach nur noch durchkommen, drüber kommen. Der Gedanke an eine heiße Dusche motiviert mich. Es ist der einzige Antrieb, der noch funktioniert.
Danny ist mir etliche Aufstiegsmeter voraus. Aber er wartet auf mich, bis ich keuchend und frierend aufschließe. Im Gegensatz zu mir (und allen anderen) hat er nur ein T-Shirt an. Ein Mann fragt ihn besorgt, ob er einen Fleecepulli braucht. Danny lacht nur und ruft ihm zu, dass ihm „sehr warm“ sei.
Meine gekrümmten Finger scheinen mit den Wanderstöcken verwachsen zu sein. Ich kann sie nicht mehr öffnen, sie sind weiß, steif gefroren und nur noch teilweise durchblutet. Dann sind wir endlich am angekündigten, letzten steilen Stück des Aufstiegs. Wir sehen wenig bis gar nichts. Um uns herum ist eine Nebelwand, die ihresgleichen sucht. Ich ramme meine Wanderstöcke Meter für Meter in den sandigen Lava-Boden. Meine Wut über die nicht vorhandene Aussicht hilft mir dabei, Energie freizusetzen und mich nach oben zu kämpfen. Gleichzeitig weiche ich entgegenkommenden Touristen sämtlicher Nationen aus. Rutschend versuchen sie hilflos, ihren Weg nach unten fortzusetzen, ohne hinzufallen, während wir uns mit unseren Stöcken an einer sandigen Steilwand nahezu senkrecht einen Weg nach oben bahnen.
Dass wir den Gipfel erreicht haben, merke ich nur daran, dass ich keine Kraft mehr aufbringen muss, um voranzukommen. Ich ringe nach Luft und friere. Zitternd hole ich mein Handy aus der Tasche und bitte zwei junge Deutsche, ein Foto von uns zu machen. Ich lächele etwas gequält, während Danny im T-Shirt neben mir sein schönstes Sonntagslächeln zeigt. Das Foto hätte überall gemacht werden können: Auf dem Fichtelberg, der Zugspitze oder dem Brocken. Keiner sieht, dass es auf dem Gipfel des Tongariro Vulkans auf 1987 Höhenmetern aufgenommen worden ist.
Wir treten den Abstieg an und der Regen lässt etwas nach. Der Wind beruhigt sich und erste Sonnenstrahlen durchdringen die Nebelwand. Langsam wird die Sicht freier und vor unseren Augen entblößt sich eine beeindruckende Vulkanlandschaft. Es ist kaum zu glauben, aber mit jedem Schritt nach unten wird das Wetter besser und die Sicht klarer. Die Sonne wärmt uns auf und trocknet gleichzeitig unsere nassen Sachen. Wir treffen auf ein sehr nettes Ehepaar aus Holland und kommen mit ihnen ins Gespräch.
Sie sind es auch, die uns später mit ihrem Campervan auf der Straße aufgabeln und bis nach Whakapapa zum Holiday-Park mitnehmen, wo wir wieder eine Cabin beziehen. Wie immer kaufen wir uns Cola und Eis. Ich mache mir noch einen Tee und stehe lange unter der heißen Dusche. Während das warme Wasser über meinen Körper läuft und ich über den heutigen Tag nachdenke, kommt mir das Zitat von Antoine de Saint-Exupéry in den Sinn: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“.
Das passt zum heutigen Tag: Mit meinem Herzen habe ich den Tongariro Vulkan gesehen.Okumaya devam et