Im Land der Kelten

September 2023
Querfeldein soll es gehen. Wild wird es werden - in Wales - wo es mehr Schafe als Einwohner gibt. Doch wer der schmalen Straße bis an ihr Ende folgt entdeckt mit mir Burgen, Kirchen, Berge, Städte und die schönsten Steilklippen Brittaniens Read more
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  • Day 13

    Die Schokoladenseite der Universität

    September 25, 2023 in England ⋅ ☁️ 20 °C

    Glücklicherweise haben wir fünf Minuten länger. Die Zeit in Christ Church hinkt der offiziellen Greenwich railway time um fünf Minuten hinterher. Diese ‚Cathedral time‘ entspricht der einst amtlichen Lokalzeit 1-1/4 Grad westlich von Greenwich. Endlich schließt sich der Kreis was im Film Realität und was aus dem Computer kommt.

    Zum verschnaufen oder gar einer Mittagspause bleibt mir keine Zeit. Die Bibliothek in der sie den neuen Streifen von dem Schokoladenmagnat Willy Wonka gedreht haben steht heute auch noch an. Für zehn Minuten schließen wir uns einer kleinen Führung im ältesten für Studenten zugänglichen Teil der Bodleian Library an. Dann müssen die zehn auserwählten Besucher schon wieder raus. Hinter den Kulissen steht hier jedoch ganz viel Geschichte zum forschen und lehren, nur nicht zum anfassen. Teils 400 Jahre alte Schriften. Jedes einzelne Alarmgesichert aber sonst bei offenem Fenster und ohne Schutzatmosphäre im Regal geparkt. Und das bei englischem Wetter…. Als Erklärung dafür dient der frühe Buchdruck in England. Anders als Pergamente die natürlich unter Verschluss gehalten werden sind gedruckte Bücher für die Luftfeuchtigkeit nicht anfällig. Damals wie heute nicht. Ein wichtiges Merkmal das sich jedoch geändert hat sind die Ketten. Die Bodleian Library begann einst mit 20 Pergamenten und erhielt für damalige Zeiten eine erste kostbare Spende über 300 weitere. Das war so viel wie kaum irgendwo anders in den Anfängen des Buches. Was kostbar war wurde am Buchrücken mit einer Kette gesichert. Doch weil es immer lärmte und raschelte wenn ein Student ein Buch recherchierte, und dafür sind sie nun einmal bis heute da, wurden die Ketten nach etlichen Protesten wieder abgeschafft. Heute muss man einen Antrag stellen, dann wird das Buch durch die halbe Bibliothek bis zum Lesesaal gebracht.

    Weiter geht es noch tiefer hinter die Kulissen der Bibliothek. Eine Ausstellung zeigt mir Bücher aus 400 Jahren die sich mit dem lateinischen Alphabet beschäftigen - und, diesmal dann doch hinter Glas eine 2000 Jahre alte Tora und ein 4000 Jahre altes Fragment des Sanskrit, in Stein gemeiselt. Durch das stete abkürzen durch irgendwelche Gänge denke ich durch die halbe Stadt zu laufen bin aber nicht mehr gewahr dass all die Teile der Bibliothek eigentlich eng beieinander stehen. So oft schon haben wir uns heute im Kreis gedreht und dieses Wunderland in Oxford für uns entdeckt.

    Zum Schluss komme ich sogar darauf zu sprechen dass ich den Ursprungsort von der Geschichte ‚Alice im Wunderland‘ in Wales besucht hatte. Mit Fragezeichen auf der Stirn schaut man mich an. Wie kann das sein? Der Autor Lewis Carroll hat doch hier in Oxford gelebt? Und der Wundergarten, und der Kater, der Hutmacher das sind alles historische Figuren hier aus Oxford! Wir lesen noch einmal nach und tatsächlich war die historische Alice in Llandudno immer zum Sommer im Seebad und Carroll hatte sich dort inspirieren lassen. Geschrieben hat er dann hier. Wie klein die Welt doch ist!

    Und wie schnell der Tag doch auch vergeht. Nun ist es schon wieder so spät dass wir die originalen Schauplätze von Alice im Wunderland auf ein anderes Mal vertagen müssen. Die Bordsteine in Oxford werden genau so pünktlich hochgeklappt wie in Wales. Nun heißt es endgültig für dieses Mal von England Abschied zu nehmen. Eine schöne Zeit und ein Schmelztiegel der Literaturgeschichte der weit über Shakespeare hinaus geht.
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  • Day 13

    Harry Potter und … Oxford

    September 25, 2023 in England ⋅ ☀️ 15 °C

    Als ich aufwache ist es schon hell aber die meisten Mitbewohner des Hauses schlafen noch. Ich mache einen Spaziergang durch den garten der jetzt im Herbst voll mit Weinreben hängt. Es ist der erste Garten. Heute sollen noch einige mehr folgen. Zugegeben ist die Erwartung ebenso groß die die Vorfreude. Oxford ist kaum für irgendetwas bekannter als für seine Universität. Und dann gibt es sie gleich zweimal! Weil die Studienplätze an den colleges der altehrwürdigen Oxford University nicht reichen und weil sich seit dem Brexit auch Europäer die Studiengebühren von 48.000£ im Jahr nur schwer stemmen können entwickelte sich draußen auf dem grünen Hügel parallel die Oxford Brookes University. Engländer zahlen die Hälfte. Mit einer Aufnahmequote von 14,6% aus mehr als 23.000 Bewerbungen pro Jahr zählt Oxford nach wie vor als selektivste Uni in England.

    Die Innenstadt von Oxford ist denn auch zweigeteilt. Eine wenig attraktive Shoppingstraße steht für das kommerzielle Oxford. Den weitaus größeren Teil nehmen die 38 Colleges ein. Äußerlich die schönen Fassaden, je nach College verziert mit Statuen und Wasserspeiern und ringsum natürlich die Höfe und Gärten mit feinstem englischen Rasen mit Rasenschnitt nach Strich. Wenn es tadellos geschnitten wurde und die Sonne darauf das rechte Licht wirft erkennt man nur schwer den Unterschied ob ein Bild echt ist oder aus dem Photoshop stammt. Innerlich die Fakultäten. Meist ist eine Fakultät in einem Kreuzgang angeordnet von dem durchnummeriert kleine knarrende Türen abgehen. Hier lernen die Studenten nicht nur, hier leben sie auch im Internat. Der Platz ist in den Colleges so eng dass eigentlich immer nur das erste Semester einen Wohnplatz bekommt und sich machher auswärts etwas suchen muss. Keine leichte Aufgabe. Als Angestellte der Universität teilt sich meine Gastgeberin eine 5er WG und zahlt dafür knapp 900£ im Monat. Für ein Zimmer! Oxford ist ein teures Pflaster.

    Zu den berühmtesten Köpfen des letzten Jahrhunderts zählen Leute wie Bill Clinton, Steven Hawkins, Margret Thatcher oder aber unser ehemaliger Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Die bekanntesten Akteure in den letzten 20 Jahren zählen ebenso Harry Potter und Willy Wonka. Mittlerweile ist es später Vormittag und ich werde an etlichen Busladungen voll Besuchern vorbei geschleust. Dass sich im Kanal nebenan die Ruderer gerade auf eine Trainingseinheit warm machen bekommt kaum jemand mit. Alle wollen nur in die besonders schöne Mensa des Christchurch college. In den Harry Potter-Filmen war ihr Treppenaufgang die berühmte Schultreppe von Hogwarts und der Speisesaal selbst war der große Saal der vier Häuser in der Schule für Zauberei. Die Portraits an der Wand wirken beeindruckend. Ein wenig müssen wir uns jedoch sputen denn es ist gleich Mittag. Dann wird der Saal für die Öffentlichkeit geschlossen und die Studenten erhalten ihr Essen. Für gute Fortschritte in der Bildung werden schon mal jeden Tag die Teller und Gläser poliert.
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  • Day 12

    Brücken verbinden Welten

    September 24, 2023 in Wales ⋅ 🌬 19 °C

    Heute früh muss alles ganz schnell gehen. Eigentlich kann ich meinen Plänen heute nur hinterher hängen. Aber warum? Der Morgen startet im Valle Crucis. Eine einsame Gegend, damals wie heute. Genau deshalb siedelten hier die Zisterzienser und bauten eines ihrer üppigen Klöster. Bis nach England ist es nicht weit. Selbst die Römer waren hier im Norden von Wales. Davon berichtet eine interessante Inschrift unweit auf ‚Eliseg‘s Pillar‘. Eliseg - so die Inschrift - war Urgroßvater von Cyngen, dem keltischen Herscher von Powys und zugleich Nachfahre von Kaiser Magnus Maximus. Eine Brücke zwischen den Reichen sozusagen.

    Im Laufschritt geht es gleich zur nächsten Brücke. Sie ist im Vergleich relativ jung und heute technisches UNESCO-Welterbe. Dort wo der Union Canal aus England etwa 40 m über der Schlucht des River Dee kreuzt ist ein Spaziergang nur für äußert schwindelfreie empfehlenswert. Links und rechts des engen Kanals reihen sich die bunten Kanalboote. Es hat einen gewissen Nervenkitzel weil bereits 10cm über der Wasserkante das Geländer aufhört. Dass ich mir dennoch zutraue einen Spaziergang zu wagen liegt auch an der Windstille. Im Tal wabert mitunter noch der Nebel und von oben kündigt sich auch nur neuer Nieselregen an aber kein Unwetter.
    Für ein paar Angler ist es das perfekte Wetter um am Flussrand zu stehen und zu warten bis es zuckt. Oder gar bis ein Fisch die Angel hinter sich ins Wasser zieht. Solche Geschichten sind kein Seemannsgarn und ich höre sie ab und an wieder. Auch zu Hause in Deutschland.
    Nicht so groß aber ebenso beeindruckend ist die Planung des Kanals im Nachbartal über den Ceriog River. Über das Chirk-Aquädukt kreuzt der Kanal und verschwindet gleich dahinter in einem langen Tunnel mit Treidelpfad um die Eisenbahntrasse zu unterqueren. Aus Sicht der Ingenieure gibt es hier gleich zwei Besonderheiten. Der Aquädukt ist mit jeder Menge Hohlkammern gebaut und bei Weitem nicht so massiv wie der erste. Mit ausgefeilter Bautechnik ließ sich jede Menge Material einsparen und auch die Bauzeit verkürzen. Den Fluß trennt von jeher nur eine 8mm dicke Metallplatte vom tiefen Fall durch das löchrige Steingerüst. Außerdem trennt der Fluss an dieser Stelle England und Wales.

    Dann geht es hinaus aus Wales. Ein erster kleiner Abschied aber nicht das Ende dieser Entdeckungsreise. Nächster Halt, Oxford. Straße Hausnummer, alles da. Nur keine Klingel? Englische Häuser haben öfter einen Türklopfer, das weiß ich. Hmm, auch nicht! Ich klopfe fünf Minuten vehement an die Tür so dass ich Angst bekomme irgend ein Nachbar fühlt sich vielleicht gestört. Endlich öffnet sich die Tür und freudestrahlend lächelt mich meine Bekanntschaft aus Patagonien an. Sie möchte mir Oxford zeigen und wir wollen die Colleges der University of Oxford hinter den Kulissen kennen lernen. Es bleibt für den Nächsten Tag viel zu tun. Für heute ist es schon zu spät. Es ist Sonntag und in spätestens zwei Stunden werden pünktlich 17 Uhr die Bordsteine hochgeklappt.

    Wir wandern dennoch in das Umland von Oxford. Die Wiesen und Wälder zeigen mir dass es rings um Oxford extrem flach ist. Die Kühe grasen wieder anstatt der Schafe und trinken in der Themse. Wenn die das überall so machen ist es glaube ich kein Wunder warum die Themse in London dann nicht mehr ganz so sauber wirkt. Von seiner Berühmtheit hat er hier in jedem Fall noch nichts erlangt. Zum Abschluss geht es auf ein schales englisches Bier und zu Livemusik in den Pub. Das Bier schmeckt ganz gut. Im Vergleich zu den deutschen Bieren wird es aber stets gewöhnungsbedürftig bleiben.
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  • Day 11

    Mount Snowdon

    September 23, 2023 in Wales

    Als ich in der Nacht ankomme schläft alles schon tief und fest. Auf den umliegenden Pässen hier her sind mir immer wieder kleine Kolonnen parkender Autos aufgefallen. Ich habe sie aber nicht weiter beachtet. Stattdessen dauert es ein wenig bis ich zufrieden bin. Ich will nah an meinen Startpunkt der Wanderung um zeitig aufzusteigen. Und ich erwarte dass es am Morgen nicht mehr so ruhig zugeht. Die ganze Region wird, ziemlich einfallslos, Snowdonia genannt. Weite Hügel, Berge und Täler die allesamt vom Mount Snowdon wie ein Dom überragt werden.

    Auf der Karte ist es ein ziemliches Niemandsland. Ich habe die Erfahrung aber nicht das beste Equipment dabei. Eine Katzenwäsche im Fluss bringt die nötige Klarheit im Kopf dass es heute ziemlich Wolkenverhangen bleibt. Die Sonne versucht einmal ihre Morgenstrahlen durchzukämpfen. Dann wird sie nie wieder gesehen. Am Anfang denke ich mir den Weg noch gut zu erkennen. Ein Trampelpfad führt mich geradewegs in das Gebirge bis ein Hundegänger mir sagt ich solle lieber den Feldweg links nehmen der deutlich länger ist aber weniger sumpfig. Der Regen der letzten Tage hat scheinbar einige Tücken auf den Wegen mit eingebaut. Ich vertraue immer noch darauf zeitig oben zu sein und vielleicht über den Wolken zu stehen. So recht passt mir der Umweg nicht.
    Der Spaziergänger erzählt mir dass er gestern schon einmal oben war. Wer bitte geht denn zwei Tage hintereinander auf den gleichen Berg? Auf halber Höhe hätten ihn die Wolken vollends eingehüllt. Er sei aus Sicherheit lieber umgekehrt. Das finde ich vernünftig.
    Der ganze Weg ist jetzt mit Schiefer gepflastert und nicht mehr zu verfehlen. Ein paar Schafe zur Landschaftspflege gibt es auch noch. Früher waren es aber wohl deutlich mehr denn ich entdecke Reste einer Häusersiedlung und alte Schiefertagebaue. Das muss man sich mal überlegen! Hier führt keine Straße her. Doch weil der Schiefer so wertvoll war hatte es sich sogar gelohnt ihn per Hand zu schlagen und mit dem Esel einzeln bis ins Tal zu transportieren. Das nimmt einige Zeit in Anspruch. Zumal hier an den Hängen nichts wächst um sich selbst zu versorgen. Alles musste hergeschafft werden.

    Alle hundert Meter wenn ich hier und da jemanden treffe ist das Wetter Gesprächsthema. Im Schnitt ist der Berg 90% des Tages im Nebel was sich heute leider bestätigt. Auf der Karte befinde ich mich kurz neben dem Gipfel. Rechts neben mir ragt jedoch noch ein steiler Dom in die Wolken auf. Eine Gruppe junger Engländer stöhnt über jeden Schritt den sie machen müssen während es mir leicht fällt wenn ich regelmäßig kleinere Pausen einlege. Drei bis vier Stunden hatte ich für den Aufstieg geplant. Jetzt sind erst zwei um und ich bin schon fast oben. Die Jungs wirken etwas orientierungslos im Nebel und ich gehe ihnen voran. Prompt kommt die Frage: Kennst du dich hier aus? Warst du schon einmal hier? Nein - entgegne ich - aber das unbekannte zu entdecken ist mein zweiter Vorname.

    Der Dom ist steil und bestimmt haben wir den Hauptweg längst schon verlassen. Oben angekommen begrüßen uns erst einmal die Schafe nach dem Motto - Huch, wo kommt ihr denn her? Leider soll es mit der Aussicht nicht sein. Dafür muss ich doch im Hochsommer oder bei Minusgraden noch einmal herkommen. Es ist und bleibt der höchste Gipfel von Wales. Die Welt hier oben auf gerade einmal 1085m ist dennoch extrem. Bei der Bergrettung ist der Snowdon bekannt als „probably the busiest Mountain in Britain“. Ob seiner tückischen Wetterbedingungen ist der Berg eine echte Herausforderung für Alpinisten. Sogar Sir Edmund Hillary, der später den Mount Everest bezwang, übte für die Himalaya Expedition in Schnee und Eis genau hier.

    Erst zwei Stunden bereits wieder im Abstieg zeigt sich der Gipfel in seiner vollen Pracht - für ungefaehr eine Minute. Ich darf mich also glücklich schätzen dabei gewesen zu sein, wenn auch zu diesem Moment nicht auf dem Gipfel. Gestärkt mit Cafe und Kuchen geht es im Tal weiter zum Plas Brodanw Haus. Ich gerate dort mitten in den Nachmittagstee. Dabei ist es doch noch viel zu früh für Tee? Von einem freundlichen Herren erfahre ich dass heute eine Ausstellungseröffnung stattfindet. Ich bin nach kurzem Plausch gern eingeladen, auch wenn ich am Tee nicht teilnehmen kann weil nur nach Voranmeldung. Zur eigentlichen Eröffnung in circa einer halben Stunde gibt es einen Weinempfang. Hmmm, Tee, Wein…? Ok ich warte. Ausgestellt werden ein paar wenige Keramikarbeiten die erst vor gut einer Woche hier im Herrenhaus selbst entworfen und hergestellt wurden. Mit dem Ziel die Keramikaustellung in das Haus und sein Flair zu integrieren anstatt nur Räume zu füllen. Nun, hätte die Künstlerin das nicht dazu erzählt hätte ich mich in einem fast leeren Raum wiedergefunden der zwar einen herrlichen Ausblick auf den englischen Garten und Mt Snowdon bietet. Dann wäre ich aber auch gleich wieder gegangen.

    Der Hausherr war ein gewisser Sir Clough Williams-Ellis der sich nicht nur als famoser Gartengestalter gegenüber dem Snowdon-Massiv zeigt. Als kreativer Architekt brachte er ein klassisch-mediterranes Flair nach Portmeirion. Die künstliche Stadt wirkt nicht nur wie eine Filmkulisse, sie war es in den 60er Jahren auch. Williams-Ellis baute sich hier sein Traumdorf als er in den zwanziger Jahren von zahlreichen viktorianischen Sammlern von exotischen Pflanzen inspiriert wurde. Nur dass er lieber Häuser sammelte. Ein gnroßer angrenzender Garten wie in Plas Brodanw fehlt natürlich genauso wenig und bietet am Abend einen schönen Spaziergang über den goldenen Strand der Tremadog Bay.
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  • Day 10

    Alice Liddell und der Hutmacher

    September 22, 2023 in Wales

    Ob ihr es glaubt oder nicht, auch die Farbe Grau kann beeindruckend sein. Ein Großfeuer in Hamburg zerstörte 1842 zahlreiche Dächer. Das war jene Zeit als die Schieferproduktion in Nordwales bereits in vollen Zügen lief und jetzt so richtig lukrativ wurde. Man hatte mich bereits vorgewarnt. Wenn in Llechwedd die Sonne scheint wirst du vom Schiefer fast geblendet, in so vielen Farben kann er leuchten. Stattdessen geht er heute grau in grau in den Himmel über. Der Qualitätsschiefer wird unter Tage gewonnen. Selbst in den besonders guten Gesteinsadern fallen jedoch auf ein Kilo Schieferplatten 9 Kilo Abraum an. Die Halden türmen sich daher bis an die Vorgärten der Arbeiterhäuser. Und sie wachsen heute noch. Die Stadt aus Schiefer und die umliegenden Halden sind auch bei Regen einen Spaziergang wert. Zumal auch die Geschichte hier herein spielt denn im Mittelalter waren die Pässe in der Umgebung wichtige Zollschranken zwischen den Herrschaftsbereichen. Es wimmelt als auch nur so an Burgruinen. Auf den nicht mehr aktiven Teilen der Mine tummeln sich Zip-liner, Downhill Mountainbiker und sogar Trampolinspringer. Der Begriff Schotter zu Gold zu machen wird heute immer weiter entwickelt. Dabei braucht die Welt auch heute noch Unmengen des guten Schiefer. An Schicht im Schacht wie bei der Kohle ist hier noch lange nicht zu denken. Doch die Berge geben ihre Gipfel heute nicht mehr preis.

    Dann geht es eben weiter an die Küste. Warum braucht es schon Berge?
    Klimaschützer weisen ja stetig darauf hin welche Folgen ein Versiegen des Golfstromes haben kann. Die Walisen sind scheinbar einen Schritt voraus. Auf Meereshöhe haben sie ein Ski Zentrum gebaut. Besser man hat vorgesorgt. Dann müsste man nicht mehr in die Berge wenn Schnee liegt… Die Klippen rings um Llandudno sind steil genug und vielleicht liegt in der Strandpromenade tatsächlich ab und an Schnee. Um die Unter- und die Oberstadt zu verbinden gibt es sogar eine Straßenseilbahn. Von oben flaniere ich über gepflegten Golfrasen bis an die Küstenklippe. Unten tummeln sich die Leute auf der Seebrücke. Auch rundherum, der Rummel, die Puppenspielerbühne, die Hausfassaden - alles hier steht für den Inbegriff eines viktorianischen Seebades. Ohne Vorahnung stoße ich auf ein schönes Detail. Alice war hier! Das lebende Vorbild von ‚Alice im Wunderland‘ verbrachte ab 1861 regelmäßig ihre Sommerferien in dem Seebad. Wer will begibt sich hier auf eine wundersame Reise durch das Kartenhaus und findet jede Menge geschnitzte Figuren aus dem Roman am Straßenrand. Das macht neugierig auf mehr Kuriositäten.

    Auch wenn ich der Burgen und mittelalterlichen Städte langsam überdrüssig werde geht es gleich nebenan nach Cowny. Auf der Zugstrecke von London nach Holyhead bewiesen die viktorianischen Konstrukteure reichlich Eleganz und Sinn für historische Bausubstanz. Als wäre es ein Anbau vom Castle fungiert die anliegende Eisenbahnbrücke als echte Zugbrücke um den Kanal und den Yachthafen zu verbinden. Ein bisschen weiter entlang der Zugstrecke folgt der nächste Zungenbrecher. Wer steigt schon gerne in dem Ort „Die heilige Marie am Teich der weißen Hasel neben der Stromschnelle und der Kirche St Tysilio bei der roten Höhle“ aus. Na wenn dieser Name nicht ganz tief aus dem Kaninchenbau stammt weiß ich auch nicht. Heute ist der Ort Anlaufpunkt für Reisebusse aus ganz Europa. Verbirgt sich doch hinter dem Ortsnamen, kurz „Llanfair P.G.“ der wohl längste Ortsname in Europa.

    Abseits geht es auf der Insel der Druiden gemächlich zu. Bei etwas Wind und ganz ohne Regen lasse ich den Tag am Leuchtturm von Point Lynas ausklingen. Er gehört zu den nördlichsten Leuchttürmen von Wales. Zu Queen Victorias Zeiten war es üblich das Licht nicht in den Turm sondern ins Erdgeschoss zu bauen. Das Wärterhaus selbst gleicht einer Festung. Immerhin weht hier ziemlich oft eine Steife Brise. Die Zeit in Wales ist knapp bemessen und ein Highlight jagt das Nächste. Tief durch die Nacht fahre ich zurück auf das Festland. Es wird Zeit dass ich mir einen Rundblick über das Ausmaß des Kaninchenbaus verschaffe.
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  • Day 9

    Hochwasser unterm Sternenzelt

    September 21, 2023 in Wales ⋅ ☁️ 13 °C

    Nun sitze ich also hier auf einer Passhöhe und beobachte den Sternenhimmel. Während es den ganzen Tag wie aus Gießkannen regnete hat jetzt der Himmel aufgeklart. Es ist kalt im Hochland. Die Wiesen sind nass, die Bäche sind angeschwollen und immer wieder kreuzen Schafe den Weg weil es da trockener ist als im „Sumpf“. Bis zur nächsten großen Ortschaft sind es vielleicht nur 20km. In das breite Elan Valley kommt jedoch kein Licht über die Bergketten herüber weshalb die Landschaft hier zum Dark Sky reserve erklärt wurde.

    Warum ist das wichtig? Ein dunkler Nachthimmel ist nicht nur für den Sternenhimmel relevant, sondern auch für unsere Tier und Pflanzenwelt. Nur wenn es für bestimmte Pflanzen dunkel genug ist produzieren sie Nektar und können von Insekten bestäubt werden. Nachtjäger wie Eulen können mit unseren Strassenlaternen ebenso wenig anfangen.

    Am nächsten Morgen hat es sich bereits wieder zugezogen. Dafür höre ich unweit ein dumpfes rauschen. Dem will ich nachgehen und verlasse mein Nachtlager recht früh in der Morgendämmerung. Kurz darauf wird die Straße noch enger. Hier passt gerade mal ein Auto durch wenn es die Spiegel einklappt. Links und rechts ragen hohe Steinmauern auf. Ein Turm, dahinter ein See. Und während der Tag immer weiter anbricht ahne ich auch wo das rauschen herkommt. Ich muss mich nur überwinden auf der anderen Seite über die Mauer zu schauen. Dort stürzen sich tausende Liter in der Sekunde einen Staudamm hinunter. Und ich obendrauf. Der Regen hat im Tal für reichlich Hochwasser gesorgt. Die Stauseen wurden bereits zu Zeiten Queen Victorias angelegt. Die Ingenieure gaben sich alle Mühe diese Meisterleistung so schön wie irgend möglich in die Natur einfließen zu lassen. Während hier Trinkwasser für das englische Birmingham gewonnen wird. Erzeugen die drei Staudämme heute auch Strom. Die Schafe ringsum sind sozusagen für die Landschaftspflege zuständig.

    Auf dem Weg aus dem Elan Valley heraus fahre ich durch Llandrindod Wells. Zu den Tagen Queen Victorias war es einer der exklusivsten Kurorte. Für die feine Gesellschaft mit Ballhaus, hübschen Backsteinvillen und mit viel Platz für den schon damals leidenschaftlich betriebenen Volkssport. Das Fahrradfahren. Ob Ein, Zwei, oder Dreisitzer, Dreirad, Damenrad oder Triple Tandem. Hier ist alles gefahren was sich damals konstruieren lies. Der Hausmeister lässt mich nur durchs Schaufenster blicken. Denn eigentlich hat die Ausstellung im nationalen Radfahrmuseum in der Nebensaison geschlossen. Schade und zugleich ein Grund hierher wieder zu kommen.

    Auf dem Weg quer durch Wales geht es weiter gen Norden. Die Zahl an Fachwerkhäusern nimmt merklich zu während die Wegweiser immer spartanischer werden und immer stärker zu verwittern scheinen. Ich fahre dem Sonnenuntergang entgegen und denke bei mir „Das Spektakel kann ich jetzt nicht einfach so hinnehmen als wäre es ein Sonnenuntergang wie jeder andere. Nach so vielen Passstraßen will ich heute wenigstens noch einen Gipfel besteigen!“ Der Bryn-Y-Fan ist kein besonders schwerer Gipfel. Also laufe ich beschwingt los und mit jedem Meter an Höhe blicke ich weiter über das lang gezogene Tal. Mit jedem Schaf das ich am Wegesrand hinter mir lasse taucht die Abendsonne die umliegenden Berge in ein stärker und stärker goldenes Licht. Ich genieße die Ruhe und die gewisse Verbundenheit mit dem Berg als ich oben am Vermessungsstein stehe. Wer weiß welche Farben morgen den Tag prägen werden.
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  • Day 8

    Der Zauber vom grünen Tal

    September 20, 2023 in Wales

    Erneut starte ich in einen verregneten Morgen. Mittlerweile gibt es eine eingespielte Routine zwischen Katzenwäsche, Frühstück zubereiten und Nachtlager räumen wann immer der Regen kurz aufhört. Die Pfützen auf den Straßen haben sich zu einem einzigen See zusammen geschlossen. Englische Straßen habe stets die Eigenschaft dass sie selbst der Kanal sind und nicht ablaufen. Nunja. Damit ist eigentlich schon vorbestimmt dass ich bereits bei der ersten Aktion des Tages wieder nasse Füße bekomme. Aber was tue ich nicht alles wenn ich neugierig bin und der ein oder andere Ort sowieso auf der Route liegt. Der Weg führt über einen sehr selten benutzten Feldweg zu einem Shell house. Wahrscheinlich haben die Gutsbesitzer von früher viele tausend Muscheln geschliffen und das Innere ihres Gartenhauses an allen Wänden mit riesigen Intarsien geschmückt. Leider hat es zu und ich kann es durch die dreckigen Fenster nur erahnen. Trotzdem ist es ein schönes und vor allem unerwartetes Kleinod inmitten der Felder am river Teifi östlich von Cardigan.

    Entlang dem Fluss zieht sich ein grünes Band einst mit Wasserkraft betriebener Wollmuehlen. Neben der Käseherstellung sind sie das walisische Rückgrat. Bis heute. Die Schafwolle wird zu Tuch oder Flanell verarbeitet und immer noch in alle Welt verkauft. Der Käse nicht. Den gibt es nur auf einer echten walisischen Farm. Zugegeben begrüßen mich nach dem Regen vom Morgen nicht die Schafe sondern eine ganze Herde neugieriger Kühe auf der Straße. Während es draußen einmal mehr schüttet informiere ich mich von der Milch bis zum Käse. Besonders stolz ist man auf der Farm nicht nur auf die unzähligen Medaillen sondern dass man der Queen bisher immer zu einem Besuch auf Caws Cenarth einen Präsentkorb überreichen durfte. Die Dankschreiben des Buckingham Palace zieren eine ganze Wand. Dagegen erscheinen die Einblicke in die gläserne Käserei mit der Arbeit der Käsemeister fast als ein langweiliges Tagesgeschäft.

    Der Tag entwickelt sich zu einem Museumstag. Wenn ich es am aller wenigsten erwarte trifft mich der Zufall einmal mehr mit voller Härte. Die Welt ist klein, das wusste ich ja bereits vorher. Dass ich aber gerade hier im grünen Tal, also einer der am wenigsten touristischen Regionen von Wales ‚Keechy’ aus der Antarktis wieder treffe hatte ich nicht erwartet! Sie war auf unserem Expeditionsschiff eine der Expeditionsleiter und beschäftigt sich als Doktorandin mit arktischen Ökosystemen von Grönland bis in die Antarktis. Eigentlich stammt sie aus Holland, lebt und arbeitet jedoch in Wales wenn sie nicht gerade auf Reisen ist und erkundet gefühlt jedes Wochenende einen anderen Nationalpark in Großbritannien. Was für eine Überraschung! Prompt fragt sie mich: „Was tust du denn hier?“ - ‚Wie bitte? Naja - es regnet draußen, ich will mich aufwärmen, also bin ich ins Museum gegangen.‘ - „Nein, was tust du genau hier!? Wales hat so viel mehr populäre Orte zu bieten als ein Museum über Schafwolle. Erst treffen wir uns an dem einen extremen Ende der Welt und nun am anderen.“ Keechy ist genau so ungläubig wie ich. Die Freude ist indessen groß. Jetzt versuch aber mal einer dass was zwischen den vier Monaten von der Antarktis bis nach Lima alles in Lateinamerika geschah in eine halbe Stunde zu packen!

    Nach dem Treffen fühle komme ich den ganzen Tag nicht wieder aus dem Grinsen heraus. Die Welt ist klein und voller Überraschungen! Zu meinem nächsten Ort wähle ich aus dem Bauch heraus nicht die direkte Route sondern will so fahren dass die Abendsonne mir von hinten eine Bergkulisse vor mir anleuchtet. Jetzt wo die Sonne sich immer mehr zeigt finde ich das nen tollen Plan. Bei einem Zwischenstopp in (Marys garden ?..?) zerteilen die Sonnenstrahlen den Dunstschleier der sich gerade über den Wald legen will. Überall glitzert der Tau vom Regen noch an den Ästen und Farnen. Ich kann mein Glück immer noch kaum fassen. Wer mich heute sieht der könnte meinen dass ich verzaubert sei. Leicht beschwingt und froehlich, mir steht immer noch das Laecheln von unserem Treffen auf dem Gesicht, geht es in die Cumbrian Mountains immer weiter den Berg hinauf. Und zwar, ob ich davon zuvor bereits gehört hatte aber natuerlich vor lauter Eindrücken bisher leider völlig verdrängt, mitten in das Dark Sky Reserve von Wales.

    Wie koennte das besser passen, wo heute Nacht die Sterne auf mich schauen und bei so vielen Eindrücken über mich wachen während morgen die Tag- und Nachtgleiche ansteht.
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  • Day 7

    Die blauen Steine

    September 19, 2023 in Wales ⋅ 🌬 18 °C

    Regen prasselt auf das Dach und weckt mich. Es ist gerade einmal halb fünf. Die erste Woche war zu schön um wahr zu sein. Jetzt hat mich das englische Wetter endgültig heimgesucht. Von Südwest kam über Nacht ein Sturm auf und faucht durch alle Ritzen und Bäume. Das ist die einzige Richtung zum offenen Atlantik. Überall sonst im Westen und Norden liegt dann Irland vorgelagert. Jedoch hier in Pembroke erwischt es mich mit voller Härte. Der Verkehrsbericht im Radio verkündet dass sogar die Autofähren für heute ihren Betrieb einstellen. Der Wind soll über den Tag noch anschwellen.

    Das Ale von gestern war sein Geld doch nicht wert. Aber es gibt Dinge die weiß ich erst dass man sie lassen sollte wenn ich mitten drin stecke und es schon zu spät ist wie es so schön heißt. Der Lehre nicht genug steuere ich als Erstes Garn Fawr an. Der Regen prasselt wagerecht in mein Gesicht und beißt auf der Haut wie das sonst nur Eiskristalle vermögen. Die See sieht jetzt nicht mehr ruhig, aber auch nicht sooo bedrohlich aus. Vielleicht bringt das die Distanz auf 200m Höhe mit sich. Der Leuchtturm nebenan versinkt jedenfalls bald im Regendunst und hat heute alle Hände voll zu tun, auch tagsüber. Und ich kann einmal erfahren wie es ist wenn man mit schlechtem Schuhwerk nur mal spazieren gehen will während der Wind mich regelrecht von den Beinen holt.

    An solchen Tagen gibt es zwei kritische Punkte. Den wenn ich schon in der ersten Stunde baden gehe und weiß dass es ziemlich schwer wird den Rest des Tages trocken zu überstehen. Und als Zweites, was kann man an verregneten Tagen in Wales eigentlich noch alles unternehmen außer Castles anschauen oder einem Museum gehen?

    Meine Recherche bringt mich nach Gors Fawr. Ich bin jetzt ohnehin schon nass, dann kann ich auch weiter draußen bleiben. Hauptsache warm! Oder zumindest raus aus dem eisigen Wind entlang der Küstenlinie. Und es ist ja erst Mitte September. Also noch recht annehmlich. Ein kurzer Weg führt zu einem Steinkreis. Davon gibt es hier unzählige. Doch irgendwie wollen vier Steine nicht in das restliche Muster passen. Bestimmt stand irgendwo in der Nähe noch ein Megalith und gab dem ganzen eine Bedeutung. So fehlt sie auf den ersten Blick und hätte ich mich nicht belesen auch auf den zweiten darüber hinaus. Ich stehe in mitten einem weitläufigen Tal. Die umliegenden Hügel der Preseli Mountains schirmen den Wind etwas ab und die Zeit brachte vor tausenden Jahren blauen Dolorit zu Tage. Das ist jener Stein den die Kelten von genau hier bis hin nach Stonehenge verbrachten. 217km nach Osten! Und in dem Moment ist der Landweg einleuchtender als über die See denn keiner der Orte, weder Stonehenge noch der Steinbruch liegen in der Nähe schiffbarer Flüsse. Diese Leistung bei Wind und Wetter ist für mich genau so viel wert wie das Errichten der Steine selbst.

    Solche Schwerstarbeit soll ja am leichtesten mit etwas Musik von der Hand gehen. Aber wehe einer singt schief! Nun wissen wir derart nichts aus der Steinzeit. Wir wissen heute aber dass in der nächstgelegenen Stadt Cardigan bereits seit dem 12Jh ein Barden- und Sängerwettstreit stattfindet. Ursprünglich zur Versöhnung benachbarter Herrenhäuser. Kultur hat auch damals bereits Berge versetzt und Brücken gebaut. Dann kam das finstere Mittelalter auch über England. Bereits im 18. Jahrhundert wurde der Wettstreit wieder aufgelebt und seither alljährlich ausgetragen. Der Gewinner erhält seit 800 Jahren, kurios wie England nun einmal ist, einen Stuhl.
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  • Day 6

    Willkommen bei den Tudors

    September 18, 2023 in Wales ⋅ 🌬 16 °C

    Das Land ist voll von Dichtern und Schreibern. Der wohl berühmteste war Dylan Thomas - jedoch habe ich noch nie von ihm gehört. Aber immerhin hat sich ihm zu Ehren ein Gewisser Robert Allen Zimmermann den Künstlernamen Bob Dylan gegeben. Seine Geburtsstadt Swansea war nun nicht der Renner, und sein letzter Wirkort Laugharne? Ein Ort der kurzen Wege zwischen dem Meer, der Dichterstube in einem Fahrradschuppen und dem örtlichen Pub. Thomas war wie so viele Schreiber dem Alkohol verfallen und zum Ende hoch verschuldet trotz dass er am Stammtisch die allerbesten Inspirationen für seine Werke erhielt und trotz dass er vor allem in den USA bis heute hoch verehrt wird. Gut dass ich das hier für uns alle aus Spaß und Freude schreibe und nicht zum Geld verdienen ;)

    Der Platzregen verhagelt mir die weitere Erkundung. Das Gute jedoch, wenn es hier regnet scheint gleich nebenan die Sonne. In Pembrokeshire liegt eine der schönsten Steilküsten Britanniens. Der grüne Golfrasen schmiegt sich bis an die Klippen und wird von Sturm zu Sturm vom Meer verschluckt. Wo die Küstenerosion knabbert nisten in den Höhlen seltene Seevögel wie Alpenkrähen und Dreizehenmöven. Die Sonne malt ihre Farben dabei über den Regenbogen. Die ganze Landschaft kann getrost als filmreife Kulisse für das Fernsehen herhalten. Bestimmt sind heute auch etliche Smartphonekameras im Einsatz. Zwischendrin sogar ein paar professionelle. Denn gleich hinter der Küste erstrecken sich die künstlich angelegten Bosherston Lakes landeinwärts. Es scheint als wären sie schon ewig mit der Landschaft verwoben und sind doch keine 150 Jahre alt. Ich treffe auf einen Naturfotograf. Sein aufmerksames Auge beobachtet bereits seit längerem einen Fischotter als ich dazu stoße. Der Otter taucht planscht und spielt indes ungestört. Die senigsten Spaziergänger bekommen davon wieder etwas mit. Hier ist die Welt in Ordnung.

    Die Grafschaft von Pembroke ist nach ihrem wichtigsten Schloss benannt. Die Tudors hatten hier ihren Stammsitz als eines der einflussreichsten Geschlechter in der Geschichte Englands. Leider bietet die Stadt ringsum von diesem hohen Stand nur sehr wenig. Aber warum braucht es auch größeren Prunk als diese herrliche Natur ringsum? Bis zu einem großen Maß stehen die englischen Gärtner der chinesischen Landschaftsgestaltung in nichts nach. Stets fließt die Energie und die Harmonie steht noch im Mittelpunkt. Das zeigt sich heute besonders zu meiner zweiten Küstenwanderung rings um St David. Die kleinste Stadt, oder besser das größte Dorf mit Stadtrecht in Großbritannien.
    Dabei war das Dorf nie größer. Es hatte ob seiner Lage nur immer schon Gönner für eine Kathedrale und damit Stadtrecht. Während einem Sturm sei der heilige David an der Küste geboren. Daran erinnert heute deine schöne Kapelle auf der Steilklippe. Und jeder der vor der Küste durch die gefährlichen Gezeitenströme in Not gerät hat mit der hier ansässigen Küstenwache einen Schutzengel mehr vor Ort.

    Zum Ausklang des Tages geht es in den Pub. Das Bier hat Geschmack, aber es macht auch schnell müde. Der Pub ist derweil immer eine gute Adresse - zum Schreiben, zum Dart spielen, für das Dorfgespräch und nicht zu letzt als Zufluchtsort bei schlechtem Wetter. Draußen zieht ein Sturm auf!
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  • Day 5

    Unter dem Meer

    September 17, 2023 in Wales ⋅ 🌧 18 °C

    Es regnet. Den ganzen Tag soll immer wieder ein Regenschauer durchziehen oder es nieselt. Ich überlege am Vorabend wie und wo ich das am erfolgreichsten abwettern kann und entscheide mich am Abend das trübe Hochland der Brecon Beacons durch den Nationalpark gen Süden zu verlassen. Vorbei an einigen Megalithen und Menhiren aus der Vorzeit, über alte Römerstraßen und mit Zwischenhalt an Orten an denen römische sowie frühchristliche Geschichte sich verknüpfen. Friedhöfe. Zwischen vielen tausend Jahre alten Eichen stehen oft verwittert noch Steinplatten oder Steinkreuze. Doch was muss passieren damit jemand einer Steinplatte aus dem fünften Jahrhundert etwa zehn Generationen später ein eigentlich viel älteres vorchristliches Steinkreuz aufsetzt? So etwas kurioses gibt es wieder nur in Britannien. Frei nach dem Motto ‚wenn du die Lebenden suchst, schau mal auf dem Friedhof nach‘ treffe ich auf einen Herren vollgepackt mit Taschen und Einkaufstaschen und mit ihm auch den einzigen im ganzen Dorf. Er findet gut dass ich mich für die Geschichte von Wales abseits der Touristenpfade interessiere und gibt mir gleich drei Anlaufstellen wo ich mich erkundigen könne was es mit diesen rätselhaften Grabsteinen auf sich hat. Allein sie liegen in der Richtung wo ich her komme und heute Abend arbeitet dort sowieso keiner mehr. Er sieht bald aus als suchte er einen Schlafplatz. Jedoch schafft er es den Friedhof ebenso lebendig wieder zu verlassen und steht bald an einem Bushäuschen an dem schon lang kein Bus mehr zu halten scheint.

    Es regnet immer noch. Doch an den Küsten von ‚the gower‘ weht ein warmer Wind und bläst den Nieselregen weiter ins Landesinnere. Mein Plan geht auf! Am Morgen beginnt gerade das Spiel der Gezeiten und für mich ein ungeahnter Wettlauf gegen die Zeit. Doch anfangs merke ich davon nichts. Ein Spaziergang zur ‚three cliffs bay‘ offenbart herrliche Aussichten auf das Meer, die Bucht, den immer größer werdenden Sandstrand und die Erkenntnis das selbst jetzt am frühen Morgen eine Hand voll Waliser nicht etwa mit Hund zum Strand spazieren kommt sondern zum Baden in den tieferen Teil des Kanals steigt und ein wenig schwimmen möchte. Von Weitem höre ich bloß das die Hälfte der Gruppe das heute zum ersten und auch zum letzten Mal macht. Oberhalb der steilen Klippen weht ein kräftiger Wind über die immergrünen Schafweiden. Was die Tiere jedoch oft hinterlassen ist ein fast perfekter Rasen und jede Menge Tretminen.

    Etwa zwei Stunden später gelange ich an den äußersten Zipfel von ‚the gower‘. In der Nähe von Rhossili erhebt sich bei Flut aus dem Wasser ein majestätischer Drachenschwanz den man bei tiefer Ebbe begehen kann. Nachdem ich nun von oben schon nass wurde kommt es auf das von unten nun auch nicht mehr an. Durch die einsetzende Ebbe öffnet sich eine Landzunge, die ich übermütig wie ich bin als groß genug einschätzen würde. Doch die Küstenwache gibt den Wanderweg erst gegen Mittag frei wenn das meiste Wasser abgelaufen und die Muschelbänke nicht mehr rutschig sind.

    Zwischen einigen Felsen springe ich von der Küstenlinie hinab und suche mir einen Weg durch das Labyrinth an scharfkantigen Felsen, stehengebliebenen Wasserpfützen, rutschigen Algen und nicht zuletzt auch Miesmuschelbänken. Vom Rand sieht das alles so leicht aus. Doch durch die Sohlen meiner Halbschuhe merke ich jede Einzelne. Und erst jetzt wenn ich zwischendrin stehe wird mir bewusst wie weit ich bei Flut eigentlich schon unter dem Meer stünde. Bis die Flut wieder einsetzt ist ja noch Zeit, denke ich. Und der eine Kilometer Landzunge bis nach Worms Head, den bin ich im Nu auch wieder zurück gelaufen. Doch nur allzu gern lasse ich die Zeit außer Acht denn es gibt so viel Interessantes zu entdecken auf dem Meeresgrund! Nach etwa einer Stunde bin ich auf der Insel angelangt und mich begrüßen zwei Seelöwen die sich auf einem Felsen ausruhen. Vom Festland sah das alles viel kleiner aus. Vom Ende der ersten Insel erstreckt sich eine neue Landzunge zu einer zweiten und dahinter einer dritten Insel. Vereinzelt sind dort hinten ein paar Menschen unterwegs. Also auf und hinterher. Der Wind bläst kräftig und führt anstatt durchs Wasser steil hinauf über ein Felsentor. Nunja, wenn man durch den Wind darauf abrutscht fällt man wenigstens ins Wasser. Und neben an sitzen erneut ein paar Seelöwen. Die hätten dann was zu Lachen. Doch es geht alles gut. Bald sitze ich windgeschützt hinter einem Fels am letzten Ende von worms head.
    Ich genieße die Aussicht und erhole mich von den Anstrengungen. Der erste war ich hier draußen gewiss nicht. Darauf deuten einige bemalte Steine aus Corona-Zeiten. Speziell heute habe ich hier hinten jedoch auch schon lange keinen mehr gesehen. So richtig bewusst wird mir der Ernst der Lage jedoch erst als ich mich umdrehe und aus meinem Windschatten hervor komme. Der Wind hat gedreht. Die Wolken sind viel schwärzer als draußen auf dem Meer. Nicht etwa die einsetzende Flut wird mir zum Verhängnis sondern der scheinbar noch anstrengendere Weg gegen den Wind zurück. Natürlich finde ich auch noch das ein oder andere spannende Tier oder bunte Algen auf dem Meeresgrund. Erst zwei Stunden später als veranschlagt bin ich wieder zurück bei der Küstenwache. Derweil tobt sich das schlechte Wetter einmal so richtig schön aus so dass ich auch ohne Taufe bis auf die Knochen nass bin.
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