• WildeHilde
feb. – okt. 2024

Ich gehe.

Es gibt einen Plan.
Schließlich braucht’s
was zum Verwerfen…
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  • 16. Juni - Ruhetag

    16 juni 2024, Zweden ⋅ ☀️ 12 °C

    Es ist Ruhetag heute. Das heißt, bei Regen am Vormittag ein wenig länger schlafen als sonst und Elvira macht leckere Pfannkuchen zum Frühstück. Es ist schön, hier in dieser privaten Atmosphäre mit ihr und ihrem Mann Joke den Tag zu verbringen und sich zu unterhalten. Am Abend bringt sie mich auch wieder runter zum Bahnhof, so spare ich mir eine Dreiviertelstunde Fußweg. Ebensoviel Verspätung hat auch der Zug, mit dem ich zurück nach Storlien will. Es ist für den letzten Teil der Strecke wieder Schienenersatzverkehr eingerichtet, mit dem die Fahrt natürlich deutlich länger dauert als geplant. Erstens ist der Ort nicht klar, an dem der Bus uns aufnehmen soll, dann wird durchgesagt, wir fahren noch eine Station weiter, weil der Bus diese Station schon verlassen hat. Also wir fahren ihm hinterher. Dort angekommen warten wir dann noch einmal eine halbe Stunde, bis der Bus dann auch eintrifft. Der Busfahrer hat nicht wirklich Infos bekommen und weiß nicht, dass er seinen vollen Bus hier an den Zug übergeben soll und dafür uns mitnehmen soll. So ist er konfuserweise mit Mann und Maus schon wieder kurz vorm Abfahren, als einer der Kondukteure mit ihm spricht und Klarheit schafft. So ist es dann halb neun durch, bis ich in Storlien am Bahnhof stehe. Auf der Fahrt lerne ich noch Alva kennen, eine junge Schwedin, die auf dem Weg nach Insel Hitra in Norwegen ist, um dort zu arbeiten. Es ist sehr angenehm, mit ihr zu sprechen, noch dazu sie so gut deutsch kann.
    Den Einkauf, den ich für heute Abend geplant habe, werde ich doch auf morgen früh vertagen, da der Supermarkt um neun schließt und ich mit allem Hin und Her nicht mehr genug Zeit dafür habe. Der Platz für die Nacht ist aber schnell gefunden, auf der anderen Seite der Gleise ist ein alter Lokschuppen mit integrierter Drehscheibe. Der schreit förmlich danach, mein Asyl zu sein. Und so platziere ich mich direkt neben der alten Lok, die noch hier drin steht. Wann habe ich denn zum letzten Mal im Lokschuppen gelegen?
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  • 17. Juni

    17 juni 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 12 °C

    Seit um fünf ist die Sonne raus und die Wärme lässt das riesige Stahlgebälk über mir wieder laut knacken, wenn es sich ausdehnt. So wie es gestern Abend auch beim Abkühlen immer wieder diese Geräusche gab. Das lässt mich bis um sieben schon noch schlafen, aber nicht mehr so ruhig. Dann heißt es für mich zusammenpacken, gegenüber im Bahnhofsgebäude frisch machen und den halben Kilometer rüber zum Supermarkt. Dort mache ich erst mal Frühstück und gucke noch mal meinen Futtervorrat durch, um mit einer kleinen Liste durch den Riesen-Supermarkt zu laufen. Der hier ist unter anderem so groß, weil die Norweger über die nahe Grenze kommen, um günstig einzukaufen. Mit anschließendem aufwändigen Einpacken, es ist Futter für 180km bis zum nächsten Supermarkt, wird es gut und gern halb zwölf, bis ich Storlien verlasse. Jetzt heißt es: Auf nach Norwegen! Ich werde am Nachmittag über die Grenze gehen und ab dann für einige Wochen dort unterwegs sein.
    Aus der Stadt raus zieht es sich gleich recht lang hoch auf den Berg. Es ist bewölkt, also einigermaßen kühl und gut zu wandern, aber grad oben auf dem Berg weht ein sehr frischer Wind dazu. Gegen halb eins erreiche ich Vindarnas Tempel, eine Art Schutzhütte und mache die vorerst letzte Pause in Sverige. Von hier aus erreiche ich eine Stunde später in circa 3 km Entfernung Norge, wo ich am Riksrøys 161 (Reichsmarkierung) die EU, aber nicht Europa verlasse. Und so sehr ich mich auch bemühe, keine Klischees zu bedienen, habe ich schon über den Berg auf den See zu das Gefühl gehabt, es sieht hier anders aus. Die Felsen, die mich an Karl-May-Filme erinnern, hatte ich so in der Art bisher nicht und auch die Häuser, die am See stehen sind in ihrer Art und Farbe nicht das, was ich seit Hunderten von Kilometern in Schweden gesehen habe. Um das Ganze noch zu vollenden, beginnt es eine halbe Stunde später zu regnen, das höre ich seit wie vielen Tagen in Schweden, wie schön doch Norwegen ist, wenn es da nicht immer regnen würde. Empfangen werde ich von einer Handvoll Bremsen, die aber freundlicherweise nur die neuen Schuhe inspizieren statt meiner Haut. Die ist wohl noch etwas geschmeidiger.
    Es dauert nicht allzu lange und ich habe direkt vor mir ein paar Rentiere, im Verlaufe des Nachmittags sehe ich in weiterer Höhe, teils über den Schneefeldern noch weitere. Es geht die nächsten Stunden entlang der Grenze über diese wunderschöne, sanft rund geformte Landschaft ewig auf und ab und lässt sich durch das begrünte recht gut und weich laufen. Und es ist sehr schön anzusehen, wie die Eiszeit die Felsen hier in mühsamer Kleinarbeit rundgeformt hat. Sie sind nicht so schroff wie bisher, sondern große rundliche Flächen, oftmals auch mit speziellen Mustern, an denen ich sehen kann, dass auch Stein sich ziemlich weit biegen kann. An mehreren Stellen, wo ich über diese weiten Steinflächen laufe, finde ich obendrauf eine kleine Steinkante, vielleicht so dick wie ein Trinkhalm, die sich über die gesamte Fläche zieht und nach oben aufgewölbt ist. Sieht aus wie eine Silikonraupe und ich muss hinfassen, um zu glauben, dass es tatsächlich Stein ist. Frage mich die ganze Zeit, wer das wohl gemacht hat. Und vor allem wie?
    Gegen sechs, nachdem ich heute diverse kleinere Schneefelder überquert habe, sitze ich am Weg und blicke zurück, dahin, wo auch die grauen Wolken seit heute Nachmittag herkommen und sehe ziemlich weit hinten hinter etwas dunstigem Vorhang viel Licht und Azur.
    Um halb acht habe ich an einem Schneefeld, dass sich in einer kleinen Schlucht entlangzieht, einen schönen Platz gefunden direkt neben dem plätschernden kleinen Wasserfall. Das Wasser, dass direkt das Schmelzwasser dieses Schneefelds ist, soll mir noch am Abend zu einem Bad reichen. So kurz war er schon lange nicht mehr…
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  • 18. Juni

    18 juni 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 11 °C

    Trockene Nacht und trockener Morgen heißen doch schon mal etwas Gutes. Der Himmel ist zwar etwas bedeckt, aber ich habe die Sonne schon mal gesehen und ich habe auch schon blau gesehen. Wie würde der Franzose jetzt sagen? My day is done. Das eiskalte Wasser gestern abend hatte doch irgendetwas und so muss ich heute morgen einfach noch mal kurz dort reinsteigen.
    In der Hauptsache starte ich leicht abwärts in Richtung des Sees Fjergen. Hier gibt es eine Schutzhütte, die ich gestern Abend ursprünglich angepeilt hatte. Der Weg als solches ist hier in schöner Regelmäßigkeit mit roten Markierungen gekennzeichnet. Er scheint aber nicht wirklich viel belaufen zu sein wie der deutlich bekanntere Kungsleden und so verliere ich zwischendurch immer mal wieder den Pfad, bleibe stehen und versuche, rot zu sehen. Je tiefer und näher zum See ich komme, desto nasser wird es, desto häufiger verlaufen sich die Spuren. Entsprechend verliere ich hier im Koltjønndalen Naturreservat immer mal wieder den roten Faden.
    Und während es mehr und mehr ein Kampf wird, durch diese nass-sumpfige Landschaft zu kommen, entdecke ich dabei doch immer wieder neue Sachen, die das zu 100% aufwiegen. Da ist heute die erste Jortron-Frucht, auf die die ganze Welt wartet, zumindest die skandinavische. Damit wird Kurt seine Andeutung, Richtung Mittsommer werden die ersten recht früh reif sein, tatsächlich wahr. Kurz darauf entdecke ich die Schlüsselblume, die ich wohl bisher nicht auf dem Weg gesehen habe, oder? Wirklich toll, was hier so alles rumsteht. Für das pampig-sumpfige habe ich inzwischen ein Gefühl, einen Blick, wo ich einfach weiterlaufen kann oder wo ich weiß, in 1 Sekunde bin ich bis zum Knie weg, und mit dem nächsten Schritt versenke ich auch den zweiten Fuß. Entsprechend laufe ich doch den einen oder anderen Umweg, um die völlig unbegehbaren Zonen zu umlaufen.
    Um zehn erreiche ich die Angeltjønnhytta. Angesichts der Tatsache, dass sie mit dem DNT-Key verschlossen ist, der See hier einen sehr niedrigen Wasserstand hat, der Forstdienst hier rundherum ziemlich wilde Sau gespielt hat und auch die Blutsbrüder hier bei 650m Höhe auf mich warten, war es doch eine gute Idee, die Nacht oben am Berg zu bleiben.
    Ach, genau genommen sind es ja Blutsschwestern. Es sind nämlich nur Weibchen, die saugenderweise unterwegs sind, weil sie das Eiweiß aus dem Blut für die nächste Brut benötigen.
    Der DNT (Den Norske Turistforening), das Pendant zum STF in Schweden, ist etwas anders strukturiert. Es gibt hier keine Hütten mit Restaurant und Hotel am Berg, es ist alles simpler und auch die Wege sind durchaus einfacher gehalten. Das nasse Land, was ich heute belaufe, wäre in Schweden zu großen Teilen beplankt, was es hier nicht ist und so überlasst man die Natur mehr denen, die es wirklich wollen. Ich kenne mich mit dem norwegischen System nicht so gut aus wie mit dem schwedischen, weiß aber, dass der Zugang zu vielen Hütten mit einem Schlüssel möglich ist, den ich mir in anderthalb Wochen besorgen werde. Den bekommt nur, wer Mitglied im DNT oder STF ist und kann ihn gegen eine Gebühr von zehn Euro ausleihen. Ich hatte vor der Tour geguckt, ob ich ihn mir bestelle, aber es wäre mit 30€ Frachtkosten verbunden gewesen und so habe ich mir die Orte rausgesucht, an denen ich direkt vorstellig werden kann. Da ich recht frisch in Norwegen bin, ist das in anderthalb Wochen noch völlig okay.
    Es kommen jetzt ein paar Flüsse, die jeweils mit hohen Hängebrücken überspannt sind. Das Wasser hat sich hier tief in die Felsen eingegraben und die haben eine ganz spezielle Maserung, es sind ganz viele dünne Schichten von Steinen aneinander, was herrliche Bilder zeichnet. An einem kleineren See kommt auf einmal eine Wildente auffällig auf mich zugeflogen, ihr Flug mehr schlecht als recht, als wäre sie schon zum dritten Mal durch die Prüfung gefallen. Eine Sekunde später, als ich weiter auf dem See ihre Küken sehe, verstehe ich, welches Spiel sie spielt. Sie mimt mir, als dem Fressfeind, die schwache und leicht zu habende, der ich doch bitte folgen soll, um sie von ihrer Brut weg zu locken.
    Nach der Mittagspause, als ich wieder auf den freien Weiden weiter oben unterwegs bin, gerade an einer jungen Kiefer stehe und die frischen Knospen abknabbere, höre ich Glockenläuten wie auf einer Alm. Erwartet habe ich beim Rundgucken jetzt eher Rentiere, da ich auch bei Ihnen schon mal welche mit einer solchen Glocke gesehen habe, aber in diesem Fall sehe ich drei Schafe in gut 200m Entfernung, so dass ich sie auch nur mit dem Fernglas gut erkennen kann. Sie haben ein ziemlich dickes Fell, wohl ein Mutterschaf mit zwei schon recht großen Lämmern, die hier in der Landschaft auch völlig frei unterwegs sind.
    Ähnlich in der nächsten Pause, als ich an einem Hang sitze und über diese schöne, saftig grüne wellige Landschaft schaue. Ich höre wieder das Geläut, kann aber weit und breit kein Schaf dazu erkennen, bis ich wahrnehme, dass sie gar nicht weit unter mir grasen, es ist nur ein bisschen Buschwerk dazwischen, was mir die Sicht versperrt hat.
    Im Laufe des Nachmittags werden es immer mehr Schafe und Ziegen, die hier überall in der Landschaft unterwegs sind, scheinbar der norwegische Rentierersatz. Sie sind scheu und beobachten mich extrem lange, bis ich wirklich in sicherer Entfernung bin. Gegen halb vier komme ich an einem Hang entlang, an dem großflächig die Birken alle in einer Richtung, nämlich hangabwärts abgebrochen bzw. umgeknickt sind. Die einzige Vorstellung, die ich dazu hab, ist, dass von diesem hohen steilen Hang, unter dem ich stehe, im Winter eine ordentliche Lawine abgegangen ist und hier entsprechend alles wegrasiert hat.
    Trotz der Wolken, die mich schon zur Mittagspause verfolgt haben, hat es sich den ganzen Nachmittag über trocken gehalten. Es sind fantastische Wolkenkonstellationen, die ich rundherum beobachten kann, so auch über dem See Feren, zu dem ich jetzt absteigen werde. Aber kurz vorher, bevor es wirklich runter ins Tal geht, zeigt sich noch ein kleiner, weicher, wirklich niedlicher Gesell. Ein Hase huscht vor mir übers Gras und macht sich, obwohl er schon nicht groß ist, so klein er kann und wartet aber doch geduldig, bis ich ein Foto von ihm gemacht hab. Da freue ich mich doch sehr, dass ich mit meinem Telefon einen ganz guten Zoom habe, um eben nicht weiter herangehen zu müssen, sondern aus einiger Entfernung ein ganz schönes Bild hinzubekommen.
    Gegen sechs mache ich an der Hütte Ferslia die letzte Pause, auch sie ist verschlossen, ich sitze bei gutem Wetter draußen. Gegen sieben beginnt es dann doch zu regnen und ich werde an der nächsten Hütte zusehen, ob ich dort einen geeigneten Platz finde, das Zelt aufzustellen. Hier in dem Gebiet, in dem ich unterwegs bin, ist kein Quadratzentimeter in irgendeiner Form trocken, um dort ein Zelt zu platzieren. Die Dagsturhytte Fersdalen erreiche ich gegen halb acht, sie ist sogar offen und so werde ich hier übernachten und alles was nass ist, trocknen können.
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  • 19. Juni

    19 juni 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 7 °C

    Gegen sieben gehen meine Augen auf, nachdem es die ganze Nacht geregnet hat und auch jetzt noch tut. Ich sehe, dass es ziemlich stark windet, der Nebel außenrum schnell durch den Wald getrieben wird und lege mich für einen Moment noch mal hin. Den Moment definiere ich heute mit anderthalb Stunden, ups, da ist es doch halb neun, bis ich wieder aufwache und mich dem Frühstück widme. Aber ich bin ja nicht auf der Hatz und das sollte sicher wieder mal so sein, denn im Laufe des Frühstücks sehe ich zwischendurch ganz kurz erste blaue Stellen am Firmament, die aber durch die hohe Geschwindigkeit der Wolken ebenso schnell wieder verdeckt sind. Nach dem Frühstück gehe ich noch mal gut 150m runter an den Fluss zum Gewäsch, finde aber die Stelle von gestern Abend nicht mehr wieder. Der ganze Regen in der Nacht hat den Wasserstand deutlich erhöht und da es eh ein Abstieg über eine steile Böschung ist, suche ich mir eine andere Stelle flussaufwärts in Richtung des kleinen Wasserfalls. Hier ist es herrlich, mit den Crocs an den Füßen kann ich ziemlich weit durch das klare kalte Wasser gehen, Herr Kneipp würde mir jetzt sicher auf die Schultern klopfen. Und so ist es am Ende zehn, bis ich loskomme. Der Regen hat seit über einer halben Stunde aufgehört, der Wind tut alles, um das Nass zu trocknen, was will ich denn mehr?
    Diese Freude hält eine gute halbe Stunde und der Regen setzt doch wieder ein, als ich hoch aus der bewaldeten Zone raus bin, kommt ziemlich straffer Wind dazu, der treibt Regen und Nebel fast waagerecht übers Land und zerrt laut an mir. Ich bin gut verpackt, erst nur mit Poncho, später noch mit der Regenjacke dazu und komme sogar besser voran als gestern. Zur ersten Pause sitze ich in einer kleinen Senke, über die der Wind hinwegfegt und habe es dort sogar halbwegs ruhig. Circa um zwölf hört der Regen relativ schlagartig auf, nur der Wind lässt nicht nach. Über mir ziehen sehr schnell die tief hängenden Wolken übers Land. Ich baue soweit um, dass der Wind alle nassen Sachen trocknen kann und vor allem die Solarzelle wieder frei ist, da ich doch bei dieser Halbschatten-Beleuchtung auch von gestern her auf jede Stunde angewiesen bin. Zur Mittagspause an einem sonnigen Plätzchen packe ich meinen geräucherten Kochschinken aus, zusammen mit etwas Brot. Er sieht zwar nicht sehr vertrauenswürdig aus, aber mal schauen was mein Magen dazu sagt. Ich muss bei all diesen Sachen, die eigentlich Kühlung benötigen, etwas vorsichtig sein und sogar beim Brot rechne ich irgendwie ständig damit, dass es mal schimmelig wird. Dementsprechend halte ich mich ran, dass ich diese Sachen immer in den ersten Tagen aufesse, schließlich würden Sie mir in meiner Gesamtkalkulation einfach fehlen, wenn ich sie zwecks Verderb wegschmeißen müsste.
    Jedes Rinnsal, jeder Bach, jede Fläche, auf der irgendwo Wasser stehen kann, schaffen jetzt die Brühe weg, was nur irgendwie geht. Dementsprechend nass ist der Weg, den ich jetzt beschreite. Und obwohl das die Fortsetzung von gestern ist, geht es mir heute flotter vom Fuß, ich fühle mich kraftvoller, vielleicht macht das die eine Stunde länger schlafen.
    Es zieht sich immer mal wieder etwas tiefer zu irgendwelchen Senken, in denen Flüsse durchrauschen, aber meistens bin ich in der Höhe, wo keine Bäume sind. Der Wind kommt seit geraumer Zeit glücklicherweise von hinten und hilft mir damit auf dem Weg. Außer ein paar Vögeln gibt es heute nur florale Kontakte, merkwürdigerweise sind selbst all die Schafe von gestern wie spurlos verschwunden. Während ich am Morgen wie an jedem Morgen mit der ewigen „Angst“ losgelaufen bin, heute möglicherweise nichts besonderes zu sehen, zu erleben oder zu entdecken, hat sich das allerspätestens gegen zwei erledigt, als ich an einem Raupennest beziehungsweise Kokon vorbeikomme. Eine ganze Menge Raupen sind dort als Knäuel dicht gedrängt in einer Art Netz, einige kriechen außen, ich habe das so noch nie gesehen. Diese angesprochene Angst ist übrigens ein rein subjektives Gefühl, objektiv weiß ich, dass ich so viele Meilen gelaufen bin und es täglich Neues zu sehen und entdecken gab, trotzdem grüßt dieses Murmeltier an jedem Tag wieder.
    Gegen drei an einem steilen Wiesenstück runter zu einem See habe ich mal kurz Bodenkontakt, nachdem das nasse Gras samt Erde unter mir weggeschmiert war. Glücklicherweise aber ohne Schaden. Kurz darauf setzt der Regen mal wieder ein, es ist jetzt immer wieder wechselhaft. Ebenso wechselhaft ist es jetzt mit der Landschaft. Ich steige zwar viel auf und ab, aber es ist auch ein häufiges Herum um die Seen. Viele kleinere und auch größere. Es ist herrlich anzusehen, das Ganze immer garniert mit grüner Landschaft. Es geht jetzt die ganze Zeit abwärts zum See Innsvatnet, an dem ich mir ein Plätzchen zum Übernachten suchen will. Es ist viel Birkenwald und wie sollte es anders sein, der Boden, dieser Riesenschwamm trieft nur so vor Wasser überall. Aus dem Wald raus stehe ich plötzlich auf einer echten Straße: geteert, norwegisch mit gelben Mittelstreifen. Es gibt hier unten am See eine Reihe von Häusern, die auch schon der Größe nach bewohnt aussehen und wie ich erkennen muss, sind alle möglichen Zugänge zum See privat und tatsächlich mit elektrischen Schranken, Zäunen und so weiter versperrt, so dass ich keine Chance sehe, irgendwo am See mein Zelt aufzubauen. Ein Stück weiter entlang der Straße geht es auf einen Lagerplatz einer Baufirma, es stehen ein paar Winterdienstgeräte hier rum und um die Ecke geht es an den Fluss Vargåa. Wie ich genau um diese Ecke komme, steht kaum 20m von mir entfernt ein Elch. Wir sind beide recht erschrocken. Er rennt erst mal noch gute 20m weiter, bleibt stehen und wir starren uns beide an. Als ich langsam nach dem Telefon greife, ergreift er aber vollends die Flucht und verschwindet in den Birken. Da war es wieder: Was soll denn heut‘ schon noch passieren? Ich finde ein Plätzchen ganz in der Nähe des Flusses. Die Fläche ist von großen runden Steinen bis zu feinstem Kies, aber ich rake mir mit den Schuhen eine Fläche zurecht, auf der ich die Stube einrichte und ab um halb acht den Feierabend genieße.
    Apropos Schuhe: Die neuen sind wirklich wunderbar, laufen sich bequem, sind dicht und haben eine sehr rutschfeste Sohle, da hat der Italiener wirklich was gutes zusammengeklöppelt.
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  • 20. Juni

    20 juni 2024, Noorwegen ⋅ 🌬 6 °C

    Die Nacht war immer mal wieder Regen, so dass ich am Morgen schon damit rechne, nass einzupacken. Als ich raus gucke, schwirren eine ganze Menge Knots vor dem Zelt umher, dass es der schlimmste Morgen mit Ihnen wird, ist mir bis dahin noch nicht klar. Man kann sich nicht wirklich gegen sie wehren, sie sind so klein und man merkt auch nichts, bis wenn sie denn gebissen haben. Bei mir speziell im Bereich der Augen, um die Augenlider ist das einfach hässlich. So halte ich schon das Frühstück im Zelt ab, um nur mit denen auszukommen, die eh schon reingekommen sind, später das Einpacken wird zur Tortur, selbst das Netz über den Kopf hilft nicht wirklich. Ich muss einfach von diesem Platz weg. So geschieht das Packen sehr zügig und um neun ziehe ich los, schon 30m weiter ist alles friedlich, einfach weil die Fläche etwas freier ist und ein wenig Wind, den vertragen sie einfach nicht.
    Ich versuche mich wieder auf den E1 zu finden, der hier durch eine Gras- und Baumlandschaft geht. Das Gras ist bis hüfthoch, ich erkenne nicht wirklich, wo ich hintrete und es ist auch scheinbar seit 100 Jahren hier niemand gelaufen, so dass es mehr ein Schätzen ist nach der Richtung. Das ganze wechselt, nachdem ich einen kleinen Fluss durchquert habe, in einen Wald, der Pfad als solches ist völlig zugewuchert und auch vom Boden her ist Farn und allerlei Gebüsch so hoch, dass ich froh bin, die Regenhose gleich am Anfang übergezogen zu haben. Immerhin treffe ich in dieser Umgebung mal einen Menschen, ein Norweger arbeitet hier scheinbar privat mit der Kettensäge zusammen mit seiner Frau, und als er mich sieht, stellt er ab und wir unterhalten uns ein bisschen. Wenig später bin ich schon wieder weit ab vom Pfad, den es scheinbar auch nur in der Karte gibt. Ich komme an einem Privatgrundstück aus dem Wald heraus, hier steht eine schöne Rastbank, an der ich die erste Pause mache und mich entscheide, die nächsten 2km an der Straße entlang zu laufen, die parallel zum Weg führt.
    Wieder ab von der Straße kommt die Bellingstua, eine verschlossen Hütte, an der ich draußen eine kurze Rast mache. Ab jetzt ist wieder Zeit für Wackelpudding all the Day. Kurz vor zwölf komme ich an einen Wegweiser, an dem scheinbar mehrere Wege kreuzen. Und da werde ich doch das Gefühl nicht los, dass sie mich hier verulken. Es gibt seit der Stua bis hierher einen beplankten Weg, er ist zwar etwas länger, aber dafür Autobahn. Na gut, in meiner Richtung vorwärts kann ich noch 30m dieser Planken nutzen und habe dann wieder die altbekannten Umstände.
    Hab ich mich da eben gerade aufgeregt? Das muss ich wohl scheinbar, denn Tada, auf einmal habe ich Planken, soweit das Auge reicht. Tatsächlich ist ab hier Richtung Norden mit recht neuem Material kilometerweit alles ausgelegt, wo es notwendig und sinnvoll ist, teils hunderte zusammenhängende Meter.
    Gegen eins erreiche ich die Jurte Gamma, hier hänge ich mein Zelt und alles, was Wind und Sonne braucht auf, um nebenbei meine große Hofpause zu halten. Während ich friedlich ein Käsebrot esse, beginnt es schlagartig zu regnen, ohne dass ich in irgendeiner Form darauf vorbereitet bin. Ziemlich zügig, leider nicht schnell genug, baue ich alles ab und packe es zusammen, bevor es vollends klatschnass ist. Es wechselt jetzt scheinbar im Viertelstunden-Takt zwischen Wind, Regen und etwas Sonne.
    Von hier aus weiter stelle ich fest, dass die ausgelegten Planken nur bis zu dem letzten Platz waren, also jetzt wieder altdeutsch nach dem Schema: Hilf dir selbst. Es geht heute den ganzen Tag nicht wirklich steil auf und ab, es sind Steigungen von maximal 100m dabei. Irgendwann habe ich das Gefühl, nicht mehr wirklich auf dem Weg zu sein. Und tatsächlich sagt mir die Karte, ich habe einen anderen Pfad eingeschlagen, der vielleicht heute abend oder morgen früh wieder auf den E1 zurückkommt. Da er beim grob Drüberschauen nicht viel länger aussieht, aber etwas höher über die Berge gezogen ist, gehe ich wieder einmal nicht zurück, sondern folge ihm. Der Rest wirkt wie in einem guten Drehbuch und der Regisseur hält sich strikt daran. Als ich an dem Punkt losgehe, wo ich mich entschieden hab, sehe ich noch rote Markierungen. Freue mich drauf, dieser Weg ist gekennzeichnet. Es sollen allerdings die letzten sein. Gut, ich nehme das hin und folge dem halbwegs zu erkennenden Pfad. Der verläuft sich aber wohl scheinbar in verschiedene Richtungen und so stelle ich irgendwann fest, als ich zwischendurch mal wieder die Karte befrage, dass ich auf irgendeinem Pfad bin, den es aber weder in der Karte gibt, noch hat er etwas mit dem Meinigen zu tun. Deshalb beschließe ich, ab jetzt nur noch auf Richtung zu laufen und finde den Pfad zwischendurch nicht einmal im Ansatz wieder. Dazu kommt kurz darauf Regen mit heftigstem Wind, das ganze von vorn, sodass ich tatsächlich gut zu tun habe. Daß es über die Höhe geht, hatte ich ja gewollt und so habe ich den Wind umso stärker, da es hier keinerlei Bäume oder sonst irgendetwas gibt. Glücklicherweise lässt zumindest der Regen gegen vier nach und hört irgendwann auf, der Wind legt dafür allerdings noch mal eine Schippe drauf, so dass ich manchen Meter nur in Schräglage vorwärts komme. Ich orientiere mich an weit entfernten Bergen im Voraus, nehme mir einen Punkt vor und laufe bis dorthin, allerdings ist auch das relativ schwierig, da sich mit jedem Meter, den ich gehe, die Ansicht verändert und ich, sobald ich wieder auf irgendeine Anhöhe komme, mich deutlich drehen muss, um wieder die Richtung zu haben. Gegen sechs geht es niedriger durch dichten Wald, in dem ich diese Art von Orientierung natürlich nicht nutzen kann, da ich keinerlei Berg oder sonst irgendwas sehe, kurz gesagt, es ist müßig.
    Als kleine Belohnung, wo ich gerade zwischen zwei Seen nicht sicher bin, ob sie miteinander verbunden oder das Stück begehbar ist, sehe ich seit einiger Zeit mal wieder einen Kranich, der am Ufer entlang stakt.
    Von diesem Punkt aus geht es in den Wald, an dem ich vor Dichtheit nicht mal einen Eingang finde und dazu extrem steil. Es kostet mich für diese vielleicht 70m, die ich hoch muss, durchaus eine halbe Stunde, weil der erste Weg am Ende mit ein paar Felsbrocken fast senkrecht ist, ich erst wieder ein Stück zurück nach unten muss, um dann einen anderen Weg zu finden. Irgendwann habe ich den Berg erklommen und von hier aus geht es jetzt gute 2km abwärts über zwar nasse Sumpfwiesen, aber es geht die ganze Zeit so schön hinab, dass es wirklich einfach läuft. Dann komme ich an eine Straße, der folge ich noch einen guten Kilometer, biege dann wieder in den Wald und nach wiederum 1km bin ich an der Hütte Bringsåsen. Sie ist zwar verschlossen, hat aber einen kleinen überdachten Nebenbereich, der Richtung Toilette geht und zu einem kleinen Lagerschuppen. Dieser Raum wird mein Nachtlager. Alles, was zum Trocknen her muss, hänge ich rundherum auf und um mich gegen die Knots zu schützen, hänge ich den Haupteingang mit meinem Zelt zu. Was für eine tolle Unterkunft.
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  • 21. Juni - Midsommar

    21 juni 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 8 °C

    Was für eine gute Entscheidung! In diesem Unterstand ist alles so schön trocken, ich habe wohlig geschlafen, während es draußen in der Nacht geregnet und den gesamten Morgen ohne Unterbrechung genieselt hat. Zu Hause hinter dem Fenster würde man sagen: Es ist ungemütlich. Umso aufregender ist dafür heute für mich die Thronbesteigung, es ist royal im wahrsten Sinne des Wortes und so lasse ich mich, noch bevor der Hahn dreimal gekräht hat, zur Kronprinsesse Hilde I. krönen. Dieses Örtchen muss ein echter Verehrer des blauen Blutes eingerichtet haben, es sind nicht nur die norwegischen, sondern auch die englischen Royals aus Zeiten, als noch alles schwarz-weiß und aus Holz war bis zu den heutigen, die auch ich schon mal in der „Bild der Frau“ gesehen habe. So eine Zeremonie zieht sich natürlich hin, so dass es heute zehn wird, bis ich loskomme. Vielleicht ist es aber auch immer nur der Blick nach draußen, der mich noch 10 Minuten und wieder 10 Minuten warten lässt.
    Ich habe noch gute 4km durch Niemandsland zu beschreiten, bevor ich den E1 wieder erreiche. D.h. Orientierung immer mal wieder mit dem Handy und da viel Wald dabei ist, ist es wirklich schwierig. Ich muss nach Nord-Ost laufen und nachdem ich seit der letzten Orientierung gut 500m hinter mir hab, merke ich, dass ich Richtung Süd unterwegs bin, also minimal daneben. Da ich mir das minütliche Gucken auf’s Handy zwecks Akku und fehlender Sonneneinstrahlung nicht leisten kann, nehme ich jetzt den richtigen Kompass dazu, um mir ständig die Richtung zu nehmen. Schön, dass ich dann also doch auf diesem Wege den Kurs von und für Anfänger „Kompass-Nutzung leicht gemacht“ besuchen kann. Das Laufen in dieser Art heißt auch, dass ich jeden Berg und jedes Tal vor mir eins zu eins so mitnehmen muss, während die Wanderwege üblicherweise ja eher um schwieriges Terrain herumgeführt sind. Das heißt wieder einmal Klettern an recht steilen Hängen und es ist inzwischen fast zwölf geworden. Ich habe ganze 2km in 2 Stunden geschafft und stehe an einem Fluss. Schon gestern hatte ich beim Blick auf die Karte geahnt, dass der doch etwas umfangreicher ist und so ist jede Minute wertvoll, die ich jetzt erst mal ein paar Meter auf- und abwärts gehe, um nach einer günstigen Stelle zu suchen. Und da fress ich doch‘n Besen, in meinem Fall ist mal wieder Kommissar Zufall ganz dicht in der Nähe und ich sehe gute 200m flussabwärts eine riesengroße massive Brücke, obwohl es dort weder einen Pfad noch sonstwas gibt. Diese Einladung nehme ich dankend an und halte an der Stelle auch gleich erst mal eine Pause ab. Nicht ohne mich die ganze Zeit zu fragen: Warum ausgerechnet ich, warum ausgerechnet hier? Bei der Art, wie ich gerade unterwegs bin, hätte ich ebenso ein oder auch zwei Kilometer weiter entfernt an den Fluss kommen können und schon 200m weiter etwas um die Kurve hätten gereicht, diese Brücke nicht zu sehen. Es ist schon merkwürdig schön, wie sich die Dinge hier zutragen.
    Von hier ab ist es jetzt noch bis kurz vor eins zum E1. Ich begegne einer ganzen Menge von Rentieren und nehme endlich wieder die roten Kennzeichnungen an den Bäumen wahr, ab jetzt geht alles wieder etwas weniger aufwändig. Seit um zwölf hat es angefangen zu regnen, das ist nicht dramatisch und hält sich im Rahmen. Um halb zwei betrete ich den Blåfjella-Skjækerfjella/Låarte-Skæhkere Nasjonalpark, eröffnet im Juni 2006 durch Mette Marit, wie eindrücklich an einer hohen Stele gekennzeichnet ist.
    Der Weg als solches ist hier anfangs wieder mit Planken ausgelegt, es läuft sich ganz gut, auf jeden Fall besser als das, was ich bis eben hatte. Der Regen setzt mehr ein und hält auch bis um drei an. Es zieht sich mehr aus den niedrigeren Lagen aus dem Wald heraus auf freiere Hochfläche, an der ich auch um die Zeit meine große Pause mache. Es gibt Bockshornklee-Käse mit Kümmel und Nelken. Davon hatte ich mir ein 400g-Stück mitgenommen, eine wirklich gute Wahl. Dazu ein Rest Margarine und Brot. Wenn einer wüsste, was das hier draußen für ein Festtagsmenü ist.
    Zum Thema nasser Untergrund sag ich heute besser nichts mehr, es ist erstaunlich, ich hätte das tatsächlich in diesem Ausmaß nicht erwartet, es mir nicht vorstellen können. So weite Flächen ewig nur nass in nass. Und umsomehr bin ich erstaunt, dass meine Schuhe nun an Tag vier in Folge ihren Tauchschein machen und weiterhin nicht verzagen.
    Gegen vier auf dem Weg abwärts zu einem See entlang eines kleinen Baches schmiere ich auf einer großen Steinplatte dann ab, kann mich glücklicherweise noch einigermaßen fangen und freue mich, dass weiter nichts passiert ist, einen blauen Fleck wird es aber wohl geben.
    Der Weg zieht sich über‘s Hochland auf 550m, das nicht absolut eben ist, also schon auch mit Berg und Tal, aber nicht so stark und gegen fünf sehe ich in gut 10km Entfernung hinter dem Nebel durch die Landschaft hell leuchten, es ist ein Zeichen. Es könnte das erste Mal heute sein, dass die Sonne auch für mich durchkommt.
    Hatte ich mich gestern noch gewundert, dass wohl scheinbar Veggie-Day ist, sind sie heute alle wieder auf ihren Positionen, die Rentiere als auch die vielen Schafe mit ihren Lämmern. Ihre Scheu lässt mich lange, bevor ich in ihre Nähe komme, Ansagen machen, damit sie sich nicht erschrecken, wenn ich so dicht bei Ihnen bin. Ich rufe ihnen schon von weitem zu, ich wäre im Namen des Herrn unterwegs, muss aber im Laufe des Tages einsehen: Sie verstehen mich nicht.
    An einem eben überquerten recht breiten Fluss zieht sich der Weg jetzt eine Zeit entlang. Ich kann ihn gut von oben sehen, viele kleinere Wasserfälle zwischendurch und gegen halb sieben ändert sich die Ansicht des Bergs, indem er förmlich nackt ist. Riesengroße Steinflächen, auf denen ich später stehe, dunkel und nur leicht gewellt. Ich fühle mich, als würde ich auf einem Riesen-Walfisch umherlaufen. Und eben genau von diesem hohen Punkt aus habe ich vor mir einen Blick in ein Tal mit so vielen Wasserstellen, Tümpeln, kleinen Seen und auch einem großen Fluss. Entlang dieses Tals werde ich jetzt gute 7km Richtung Norden laufen. Richtung Süden sehe ich in weiter Entfernung, geschätzt bis 40km, Bergkette an Bergkette hintereinander gereiht. Irgendwo von da bin ich hergekommen, kaum zu glauben, dass das alles zu Fuß einfach so geht, obwohl ich es ja mit meinen eigenen Hufen getan habe. Um sieben gelange ich an die Skjækerdalshytta, wie erwartet verschlossen. Ich mache eine kurze Pause und fülle mein Wasser auf, packe allerdings auch sofort wieder zusammen, da die Luft nur so schwirrt von Knots und ich keine Minute irgendwo stehen kann. Je länger ich laufe, desto mehr spüre ich, dass auch meine Kraft irgendwann am Ende des Tages durch ist und so nehme ich die letzten heutigen Vorräte zum Knabbern, um irgendwie Energie nachzuschieben. Ich hole sogar die halbe Schokolade raus, die für heute am Abend gedacht war, um noch ein Stück weiter zu kommen. Gegen halb neun, völlig unerwartet sind dort am Wegesrand fünf Zelte und ein paar Kerle dabei, wo ich natürlich sofort einraste. Es sind Holländer, die für vier Tage in andere Richtung unterwegs sind. Sie haben schon die ganze Zeit massiv mit den Knots zu kämpfen. Ich halte mich eine gute halbe Stunde auf, trinke mit ihnen zwei Becher Rum. Danke, Jungs! Das ist meine Mittsommer-Andacht und nachdem ich die Plagen irgendwann auch mit Netz nicht mehr aushalte, ziehe ich gegen neun weiter. Wie lange noch, habe ich keine Ahnung, allerdings läuft es sich mit Rum im Kopf ziemlich geschmeidig. Nichtsdestotrotz merke ich beim Laufen, dass ich hochrot-blinkende Ohren, ein rotes Gesicht und total zugeschwollene Augen habe von all der Wischerei und womöglich auch dem Mittel, was ich mir vorhin freundlicherweise hab geben lassen und auf die Haut geschmiert habe. Also ist mein Credo jetzt: Laufen an der frischen Luft, Laufen und noch mal Laufen. Punkt zehn komme ich an den See Skjækervatnet, an dem ich den daraus auslaufenden Fluss über eine Riesenbrücke überquere. Hier endet auch der Nationalpark, den ich heute im Laufe des Tages beschritten habe. Irgendwie habe ich auch schon wieder Hunger, aber es wird sich hoffentlich halten, bis ich angekommen bin, ja wo eigentlich? Kurz nach der Überquerung des Flusses ist eine Hütte mit ein paar Wegweisern. Da gibt es in 4km die nächste Hütte, die wäre das Tagesziel, aber was mich viel mehr anspringt, in 6km Entfernung, es ist scheinbar auch auf diesem Weg, ist der Mittelpunkt Norwegens. Und das triggert mich doch ziemlich an, vom Mittelpunkt Deutschlands zum Mittelpunkt Norwegens an Mittsommer um Mitternacht. Ich bin total beflügelt und steige wieder allmählich auf 550m hoch. Habe einen großartigen Blick über das Tal zur anderen Seite an den Berg, der jetzt gegen halb zwölf so schön orange angeleuchtet wird. Egal wohin ich sehe, es haben sich tolle Wolkenformationen gebildet, die von der „untergehenden“ Sonne angestrahlt werden, eine fantastische Stimmung.
    Eine Viertelstunde später bin ich dann an der Lågvassbua mit tollem Blick runter über den See Lågvatnet. Eine offene Hütte, in der ich gegen eine kleine Gebühr schlafen und auch den Gasherd nutzen kann. Ich lasse es hier gut sein und für mich zählt auch dieser Punkt als Mittelpunkt des Landes. Ich laufe noch mal 200m runter zum See, um Wasser zu holen und beginne kurz nach Mitternacht, das Nachtmahl anzurichten. So liege ich circa um eins dann im Nest. Mittsommer ist der längste Tag und war es auch für mich in jeder Hinsicht auf dem bisherigen Weg.
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  • 22. Juni

    22 juni 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 14 °C

    Der gestrige Tag hat doch ziemlich geschlaucht. Gegen fünf bringe ich die Solarzellen und die Powerbank raus, damit sie schon mal bei dem schönen Wetter laden können. Ich lege mich noch mal hin und wache um halb zehn erst wieder auf. Es ist Sonnenschein und alles, was sonst noch Sonne braucht, wandert erst mal raus. Nach ausgiebigem Frühstück und genussvollem Aufenthalt will ich um halb eins losziehen, der Tag wird sicher nicht so lang wie der gestrige. Ich korrigiere, es wird doch eins, weil ich noch mal runter an den See muss, um ein Bad zu nehmen. Ziemlich genau um halb zwei erreiche ich dann den geographischen Mittelpunkt Norwegens, es ist zwar nicht Mitternacht dabei, aber ich lebe sehr gut damit.
    Kurz danach treffe ich einen Norweger, er ist gerade auf einem Tagesausflug auf dem Weg dahin, wo ich herkomme. Wir sprechen kurz miteinander und dann setze ich meinen Weg fort auf merkwürdig gut beplankten Pfaden. Die Holzbohlen sind auf der Oberseite sogar mit einer dicken Teerpappe großflächig abgedeckt. Allerdings hält das nicht sehr lange an und dann stehe ich vor einem neuen, alten Thema: Ich bin auf dem E1, aber es gibt wieder mal nichts, keine Kennzeichnung und es ist auch kein Pfad erkennbar und so versuche ich, mich mithilfe meiner Karte zu orientieren, um nicht wieder völlig außer Rand und Band zu geraten. Solche Faxen wie die letzten Tage kann ich mir zeitmäßig nicht mehr leisten und muss spätestens übermorgen ins Snåsa ankommen, da ich dann mit meinem Futter am Ende bin. Auf dem Weg begleiten mich heute Unmengen von Fliegen und Bremsen, in ihrer trägen Art sind sie zwar nicht hochgefährlich für mich, aber nervig allemal und spätestens, wenn ich stehe, um zum Beispiel jetzt gerade einen breiteren Fluss zu überqueren, für den ich auch die Schuhe und alles umbauen muss, ist es eine Plage. Es läuft sich insgesamt ganz angenehm bei dem blauen Himmel, den es hier irgendwie nie ohne Wolken gibt und die Wolken bei dem Sonnenschein auch nicht lange weiß bleiben, sondern sich am Nachmittag immer mehr auftürmen. Zumal zwar der nasse Untergrund an sich bleibt, aber Grashalme, Gebüsch, Blätter und so weiter nicht auch noch nass sind. Und so ziehe ich über weite Wiesenflächen mit einigen Bäumen zwischendurch entlang des Sees Skjækervatnet, um ab dann in der Nähe seines Zuflusses wieder Richtung Norden aufwärts zu laufen. Das Ganze zieht sich ab um fünf wieder etwas höher auf unbewaldete Ebenen, die dann tatsächlich auch sowas wie trocken sind. Auf der anderen Seite des Tals ragt der Skjækerhatten mit 1139m ü.M. empor. Ein sehr beeindruckendes Panorama, an dem ich entlangziehe. Auch der Blick zurück ist wunderschön, die inzwischen dunkel zusammengestauchten Wolkenmassen machen ganz weit in der Ferne ein gelbliches Bild dazu, geradezu mystisch. Es zieht sich auch durch eine Reihe von Birkenwäldern, allerdings sind es Krüppelbirken in verschiedenster Ausführung, sehr klein, teilweise kaum mannshoch, am Boden kreuz und quer gewachsen, so dass das Durchsteigen schon mindestens mal Zeit beansprucht und auch den einen oder anderen Kratzer an Händen und Armen hinterlässt.
    Wenn ich hier so durch diese norwegische Landschaft streiche, fällt mir doch auch seit gestern schon auf, dass es sehr viele private Hütten, besser gesagt Sommerhäuser gibt. Weit draußen ohne Zuwegung, so dass die Anwohner schon erhebliche Fußmärsche bis zu ihren Hütten zurücklegen. Oder sie tun es auf eine Art, die ich bisher nicht kenne. Ab um sieben ungefähr zieht es sich auf immer besser zu laufendem Grund einen Pass hoch, auf dessen ziemlich höchsten Punkt ich übernachten möchte. Die Bremsen, die sich seit dem späten Nachmittag wieder auf den Heimweg gemacht haben, schließlich haben sie ja mich stundenlang gebremst, werden jetzt ab um acht von Mücken ersetzt, die aber, solange ich laufe, noch unter Kontrolle zu halten sind. Ich bin jetzt bei 2300km und verlasse den E1 für gute 600km vorerst in Richtung Westen. Ich spiele jetzt das kleine Wunschkonzert, dass ich schon seit der Planung von Anfang an einstudiert habe. Als ich den Weg im Fjäll Richtung Norden nachverfolgt habe, war mir sofort klar: Ich muss da mal raus ans Meer. Und so werde ich für gute drei Wochen abseits der eigentlichen Nord-Richtung auf die Vikna-Inseln bis an den Atlantik, das europäische Nordmeer gehen.
    Da es schon heute wieder mal keinen Pfad gab und ich die Landschaft eh selbst beackert habe, biege ich jetzt einfach schon Richtung Westen. Da der Pfad in der Karte nur noch einige Kilometer Richtung Norden zeigt und dann scharf nach Westen abbiegt, gehe ich mal mit dem Satz des Pythagoras ran und hoffe, es kürzt sich ein bisschen was weg. Natürlich heißt das auch, dass ich von dem Pass jetzt direkt hoch über den Berg steige, was mir aber zwecks stärkerem Wind und weniger Mücken sehr angenehm ist. Um kurz vor neun sitze ich noch beim Anstieg, mache die letzte Pause und habe schon jetzt Freiheit vom Blutsaugertum und einen wunderbaren Blick soweit in die Ferne, dass sich einfach jeder Meter bis hier hoch schon gelohnt hat. Gegen halb zehn habe ich die obersten Spitzen dieses namenlosen Berges auf circa 750m ü.M. erreicht und direkt an einem winzig kleinen, fast dreieckigen Pool, der sich hier oben gebildet hat und Regenwasser sammelt, schlage ich etwas windgeschützt mein Zelt auf. Es ist eine herrliche Weitsicht in alle Richtungen und ich freue mich tierisch, dass ich diese Abkürzung genommen habe.
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  • 23. Juni

    23 juni 2024, Noorwegen ⋅ ⛅ 10 °C

    Schon kurz nach Mitternacht hat es angefangen, leicht zu regnen, seit morgens um fünf richtig kräftig mit einigermaßen Wind dazu. Für mich umso mehr ein Grund, etwas länger liegen zu bleiben und selig bis halb neun zu schlafen. Da es unentwegt regnet, bereite ich mich gedanklich auf das Packen unter Regenbedingungen vor, also alles unterhalb des Zeltcovers zu verstauen und am Ende nur noch die Außenhülle wegzunehmen. Circa um halb elf ist es dann auch so angerichtet und just ab diesem Moment ist auch der Regen vorbei. Das kann ich jetzt positiv sehen oder positiv: Ich muss ab jetzt nicht im Regen durchs Bergwerk ziehen, es ist schon ausreichend, dass alles nass und schmierig ist. Und so ziehe ich auf c² weiter in Richtung Snåsa bei tief hängenden Wolken und einer gewissen Feuchtigkeit in der Luft. Ich habe mir in gut 3km einen Punkt ausgeguckt, auf den ich zusteuere. Da es immer wieder durch irgendwelche Senken geht, ich immer wieder um kleine Seen, Wasserstellen, Morast oder auch steile Steinkanten herumlaufen muss, mal 50 m hier nach rechts, 100 m da nach links, habe ich immer einen Fixpunkt, den ich ansteuere. Mit der Zeit habe ich Gefallen gefunden an diesem völlig unabhängigen Laufen ganz nach meinem Gusto, ich bestimme und bekomme lediglich von der Landschaft und vom Wetter hier und da ein paar Ansagen dazu. Natürlich muss ich immer im Auge behalten, dass der Brotkorb jeden Tag ein Stück weiter nach oben gezogen wird, denn ich habe keine gute Vorstellung davon, völlig gesund hier draußen irgendwo zu hocken, am Ende die Rettung anzurufen und mitzuteilen, die Vitalwerte sind ok, aber ich bräuchte hier ein halbes Schwein auf Toast.
    Um zwölf lasse ich mich zur ersten Pause an eben diesem Fixpunkt nieder und nachdem ich geruht und die Landschaft betrachtet habe, beginnt es doch leicht zu nieseln. Es zieht deutlich Nebel auf, eine halbe Stunde später bin ich völlig eingehüllt und kann noch gute 100m im Umkreis die Landschaft sehen.
    Bis um halb zwei ungefähr geht es in ziemlichem Zickzack durch diese Berge mit wenig Sicht. Allerdings löst sich der Nebel günstigerweise ein wenig auf, so dass ich etwas weitersehen kann und um halb zwei erreiche ich tatsächlich, ohne dass ich es erwartet hätte, den Pfad, der Richtung Westen führt. Er ist gut erkennbar und auch mit Steinen und teils roten Punkten als solcher gekennzeichnet. Fein, ab jetzt geht es erst mal für einige Zeit bergabwärts entlang eines gut zu laufenden Weges. Während ich so laufe, sehe ich in dieser riesigen weißen Nebelwand vor mir ein helles Licht im Hintergrund. Und kaum habe ich ein Foto davon gemacht und betrachte es, gucke ich wieder in diese Richtung und es hat sich in anderthalb Minuten völlig das Bild verändert: Vor mir liegt ein offenes Tal mit Wäldern, großen Weideflächen, ich kann einige Häuser sehen. Spektakulär die Farbkonstellationen der Wolken von schneeweiß bis hin zu tief dunkelblauen. Vor diesem hellen Licht ist das ein fantastisches Spektakulum mit schnell wechselnden Szenen. Sofort werfe ich alles ab und lasse mich hier zur großen Pause nieder, um dieses Schauspiel zu betrachten. Ich habe zwar bis nach Snåsa noch 30km zu laufen, aber kann tatsächlich, so lange der Vorhang geöffnet ist, in 15km Luftlinie den See sehen, an dessen Ende der Ort liegt.
    Von hier aus geht es auf einem nassen Pfad abwärts im Wald, bis ich gegen halb vier auf eine Forststraße treffe, die jetzt weiter für die nächsten Kilometer mein Weg ist. Es ist trocken, ich komme gut vorwärts. Was für ein merkwürdiges Gefühl; nach Tagen des Freistils und lediglich animalischer Begleitung fernab ziviler Errungenschaften ist dieser einfache Weg und das Wissen, es gibt in der nächsten Stunde irgendwo ein paar Häuser ein komisches Gefühl. Der Weg endet nach nicht so sehr langer Zeit an einem großen Wendeplatz. Von hier aus ist es scheinbar eine alte Panzerstraße, es sind Baumstämme quer einer an den anderen gelegt und hier rüber fährt man mit scheinbar allem, was mit unebenem Untergrund klarkommt. Es läuft sich schlechter als auf Bahnschwellen, da sie ganz unterschiedlich hoch herausstehen. Auch dieser Weg endet kürzlich an einer großen Fläche, die scheinbar vor langer Zeit gerodet wurde. Sie ist zugewuchert mit Gras und Farn, das mir in der Höhe bis zur Brust geht und natürlich vom Regen noch wunderbar nass ist. Also ziehe ich alles zu und stapfe jetzt hier durch, ohne wirklich zu sehen, wo ich hintrete. Da sind alte Baumstämme kreuz und quer mittendrin, kleine schmale Gräben, es ist mit den Füßen eher ein Tasten denn Gehen. Kurz vor dem Ende dieser Fläche ist wieder ein Baumstamm, dessen abgebrochene Äste noch circa 20-30cm rausstehen und irgendwie bleibe ich mit dem zweiten Fuß hängen, greife noch mit der Hand nach einem dieser Stumpen und falle vornüber. Ich liege…mein Rucksack auf mir. Gut, den muss ich schon mal nicht suchen. Neben meiner Hand liegt ein abgebrochenes Stück Ast, ich werfe es weit in die Landschaft, nicht ohne einen Fluch dabei mitzuschicken. Dann sehe ich, dass an meiner Hand die Brühe läuft, hat doch dieses Stück Holz tatsächlich in den Ansatz meines Daumens eine Fleischwunde gerissen. Gute 100m weiter kommt ein Bach, an dem ich erst mal klar spüle, desinfiziere und mich verbinde. Man muss halt merken, dass Sonntag ist!
    Unweit dieser Stelle ist eine Brücke, sehr schmal, recht hoch und ohne jeglichen Handlauf, über die ich den Bach queren kann. Diese flache Landschaft hier auf nur noch 200m ü.M. ist Farn und Gras, Buschwerk und Bäume, so dass das Laufen die ganze Zeit weiter nur ein Stochern mit den Füßen ist. Teilweise steht auch Wasser, das deutlich über meine Schuhe reicht, es ist eher Glück, dass sie mir nicht volllaufen. Ich komme an einen Fluss und sehe, dass ich ihn nicht so ohne weiteres furten kann. Deshalb suche ich speziell die Stelle auf, an der der Pfad auch laut Karte kreuzt. Hier gab es mal eine Brücke, auf der anderen Seite sehe ich irgendeine Art von Seil hängen, wer weiß, was das zu bedeuten hat. Ich will erst mal ohne Rucksack rübergehen, da speziell an der gegenüberliegenden Seite von hier aus nicht die Wassertiefe erkennbar ist. Als ich gerade umbauen will, fängt es heftig an zu schütten und so warte ich noch gute 20 Minuten, bis der grobe Regen vorbei ist. Dann wate ich Richtung anderes Ufer, merke aber schnell, dass das viel zu tief wird. Kann aber in der Flussmitte noch ein Stück aufwärts gehen und finde dort eine Stelle, die ich für annehmbar halte. Also flott zurück, Sack und Pack umgehängt und dann mache ich rüber. An der Stelle mit dem Seil ist eine Art Floß mit einer ganzen Reihe leerer Kanister untendrunter gebaut, das wird dann wohl mit diesem Seil rübergezogen, vermutlich aber eher nicht durch den gemeinen Wandersmann. Von hier aus komme ich nach kurzer Zeit an das erste Gehöft und kann mich jetzt entscheiden, links oder rechts zu gehen. Rechts ist etwas länger auf wahrscheinlich irgendwelchen Wanderpfaden, links geht es entlang der Straße parallel zu einem Fluss. Da ich von Wanderpfad und Abenteuer für heute genug habe, schlage ich links ein und laufe bis um acht an einer kleinen Landstraße entlang, um dann nach Wasser zu fragen, da ich hier überall Felder und auch Kühe auf den Weiden sehe. Die freundlichen Damen des Hauses bieten mir hinter der Scheune um die Ecke auch noch einen Platz an, wo ich das Zelt aufschlagen kann. Ich trockne noch im Wind alles, was nass ist und verbinde die Wunde neu inklusive fixiertem Daumen, damit die Stelle nicht bei jeder Bewegung aufklafft.
    Schluss für heute.
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  • 24. Juni

    24 juni 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 14 °C

    Nach einer ruhigen Nacht ist es heute morgen, als ich raussehe, neblig und leicht diesig. Ich mache das Frühstück so wie auch gestern das Abendessen im Zelt, um mir das Drama mit den Knots zu ersparen. Nebenbei ist der Regen mal mehr, mal weniger und so tanze ich, nachdem es draußenrum trocken ist, noch eine halbe Stunde ums Zelt und warte auf seine Trocknung. Still stehen ist angesichts des Flugbetriebs nicht wirklich möglich. Heute morgen bekomme ich auch eine Lektion in Sachen „Leben unter eingeschränkten Verhältnissen“. Ich habe mir gestern Abend den Daumen so an den Zeigefinger fixiert, dass er quasi unbeweglich ist und so die Wunde nicht bei jeder Handbewegung klafft. Ausgerechnet an der rechten Hand fehlt dieses multifunktionale Greifwerkzeug ungemein. Gegen halb zehn starte ich die 15km nach Snåsa, ich habe gestern etwas vorgearbeitet, um heute nicht allzu spät dort im Supermarkt und im Snåsa-Hotell zwecks DNT-Schlüssel anzukommen. Ein guter Teil des Weges passiert auf den Pisten, die zwischen den Gehöften verlaufen, irgendwann endet er und es geht durch den Wald. Am Wegesrand finde ich wilde Erdbeeren und vernasche einige davon, ich hatte fast vergessen, wie lecker die sind. Inzwischen sehe ich wieder den See Snåsavatnet, er ist immerhin der sechstgrößte in Norwegen. Die hinter ihm liegende Bergkette ist die letzte hohe vor dem Meer, das Luftlinie nur 70km entfernt ist. Der Weg für mich bis zur Küste ist aber noch gut 200km, es wird sich lange durch diese zerklüftete Küstenlandschaft ziehen, da heißt es ständig um die Fjorde herumlaufen. Fjorde allerdings nicht in der typisch bekannten Art wie zum Beispiel der Geiranger, über tausend Meter Berg oben raus und dazu hunderte Meter tiefes Wasser, die Gegend der Vikna-Inseln hat lediglich Erhebungen bis 100m. Entsprechend wird es ab jetzt deutlich weniger Auf und Ab beim Laufen geben. Die Strecke da raus ist außerdem ganz gut mit Supermärkten gespickt, also für mich wieder eine „bequemere“ Umgebung gegenüber den letzten Wochen im Fjäll.
    Gegen eins komme ich in den Hauptteil des Ortes, überquere die Bahnschienen und steuere auf die steinerne Kirche zu, die ich schon aus einiger Entfernung gesehen habe. Sie ist aber wegen Dachschaden sowohl außenrum als auch innen gesperrt, so dass ich nur eine Pause am Friedhof mache und dabei sehe, dass gleich nebenan ein Altenheim und daran angrenzend Snåsa Legekontor (Arztpraxis) ist. Die Anordnung der Baulichkeiten hier ist doch sicher kein Zufall, oder? Diese Praxis ist wie ein kleines Ärztehaus mit Rettungswache, alles kombiniert. Ich trage an der Rezeption mein Begehren vor und Frau Doktor möchte mich direkt sprechen, noch bevor ich im Wartezimmer das Gestühl zersitze. Benedicte empfängt mit mir heute ihren ersten internationalen Patienten der Saison und bei einer so jungen hübschen Ärztin wäre es geradezu fahrlässig, die Hand nicht untersuchen zu lassen. Am Ende werde ich von drei Damen gleichzeitig bedient, da ich mir auf diesem Wege auch noch eine Tetanus-Spritze einfange. Danke euch allen für diese superschnelle und freundliche Behandlung. Ich bin gut in der Zeit und gehe von hier aus den Kilometer bis zum Supermarkt, um für wirklich teuer Geld für wenige Tage einzukaufen. Dann sind es nur noch 3km zum Hotel, etwas außerhalb des Ortes in der Nähe vom See. Da ich den letzten sonntäglichen Ruhetag zwecks Futtermangel ja schon vertagt hatte, will ich danach einen Campingplatz gute 5km abseits der eigentlichen Route am See aufsuchen.
    Die Damen im Hotel an der Rezeption sind erst mal ziemlich überrascht, da sie schon lange hier arbeiten, aber von dem DNT-Schlüssel noch nie gehört haben. Ein Kollege bekommt Wind davon und so sind sie zu dritt schwer am Rotieren, um mir irgendwie zu helfen. Audun und eine Kollegin telefonieren rum nach irgendwelchen Möglichkeiten, Hanna sucht nach allem im Haus, was irgendwie nach Schlüssel aussieht. Nebenbei erfahre ich, dass sie hier auch einen kleinen Campingplatz betreiben und ich für einen wirklich günstigen Preis hierbleiben und sogar meine Klamotten mitwaschen lassen kann. Da ich der einzige Camper bin, kann ich in einem großen überdachten Gebäude bleiben und muss mir keine Gedanken ums Wetter machen. Als ich eine halbe Stunde später nach Dusch-Coins frage, steht Hanna ganz glücklich da, sie hat irgendwo den Schlüssel zu meinem Glück gefunden. Zu Abend esse ich heute lecker norwegische Hausmannskost hier im Restaurant und beende dankbar für all die lieben Leute den Tag.
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  • 25. Juni - Ruhetag

    25 juni 2024, Noorwegen ⋅ ☀️ 20 °C

    Heute ist der ersehnte Ruhetag nach acht schwammigen Tagen in den Bergen. Es ist schon am Morgen herrliches Wetter, blauer Himmel und Sonnenschein, das sich über den ganzen Tag hält. So kann ich die typischen Sachen erledigen, den Schuhen einen neuen Anstrich geben, mich ein wenig um die Hand kümmern und vor allem die frischen Sachen vernaschen, die ich nicht weiter tragen will. Ansonsten einfach nur ausruhen und genießen. Dabei widme ich mich wie so oft ein wenig der Musik. Am Nachmittag gehe ich noch für eine halbe Stunde die paar hundert Meter an den See und nicht allzu spät verkrieche ich mich ins Festivalcamp. Es startet übrigens tatsächlich jetzt am Wochenende ein recht großes Festival, es scheint hier eine Art Volksfest zu sein und ab dann ist auch dieser Campingplatz voll belegt.Meer informatie

  • 26. Juni

    26 juni 2024, Noorwegen ⋅ ☀️ 16 °C

    Die Entscheidung, unter diesem Dach zu bleiben, war genau richtig, denn heute morgen seit um fünf regnet es immer mal wieder, so dass ich mit lachendem Gesicht einpacke. Und nachdem ich die letzten Coins für die Dusche durchgebracht habe, ziehe ich recht spät gegen halb elf bei leichtem Niesel los, der sich aber recht schnell gibt und so bin ich trockenen Fußes unterwegs. Ich weiß, dass ich heute bis auf die ersten und die letzten 5km den gesamten Tag an der E6 entlang laufen werde. Das ist der Highway, der sich in Norwegen bis wenige Kilometer vors Nordkap hochzieht. Und obwohl hier recht viel Verkehr ist, es reihen sich Wohnmobile an Motorräder und LKWs, kann ich hier recht gut laufen, zumal auch der Sommerweg nicht sehr schräg und ausreichend breit ist. Passieren tut hier natürlich nicht so wahnsinnig viel, alle sechs bis sieben Kilometer ist ein Rastplatz, den ich dann auch für meine Pausen nutze, ansonsten gibt es eine ganze Reihe sehr freundlicher Auto- und LKW-Fahrer, die grüßen und vor allem, sofern es keinen Gegenverkehr gibt, komplett auf die andere Fahrbahnseite wechseln. Das tut üblicherweise nicht weh, kostet kein Geld und schließt alle Eventualitäten aus.
    Das Wetter hat sich zu strahlend blauem Himmel entwickelt und so rieseln die Kilometer nur so unter meinen Füßen durch. Bis zum Abend werde ich mich auf eine Höhe von 40m ü.M. runtergeleiert haben. Ich singe mir nebenbei lautstark eins, verstehe aber bei der Lautstärke oft selbst nicht, was ich da eigentlich rausbringe.
    Gegen fünf verlasse ich die Straße und folge einem Forstweg, der in einiger Entfernung dazu verläuft und gleichzeitig ganz in der Nähe des Flusses Sandøla. Da ich recht schnell unterwegs war, würde ich den Ort Grong heute noch erreichen, was gar nicht geplant ist. In der Karte ist gute 2 km vor dem Ort ein Wasserfall als Sehenswürdigkeit eingezeichnet, in dessen Nähe ich mich am Abend breit machen will. Und so frage ich am vermutlich letzten Haus auf dem Weg dahin nach Trinkwasser und gehe über eine große Hängebrücke in Richtung Wasserfall und der alten oben darüber führenden Bahnbrücke. Das ist doch was für Vaters Sohn! Ich habe mitten auf der stillgelegten Bahnbrücke schon den Rucksack abgesetzt und will das Zelt auspacken, bin aber unsicher, ob es wirklich eine so gute Idee ist. Platzmäßig gibt es das gerade so her, aber was immer mir bis morgen früh aus der Hand fällt, wird unwiederbringlich im Fluss unter mir versenkt sein. Und so entscheide ich mich stattdessen im Vagabunden-Stil unter die Brücke auf die großen Felsen zu ziehen.
    Es ist tierisch laut, der lauteste Schlafplatz, an dem ich bisher übernachtet habe, aber einer muss es ja machen. Als ich mich ans Essen mache, passiert genau das, was ich oben noch befürchtet hatte: die Hälfte dieser klitzekleinen Nudeln fällt aus der Tüte statt in den Topf direkt daneben auf den großen Stein, ich sammle sie artig in Aschenbrösel-Manier wieder ein. Oben von der Brücke aus hätte ich ihnen nur mit einem weinenden Auge hinterher winken können und den Rest der Nacht berechnet, wie lange sie wohl noch brauchen, bis sie al dente sind.
    Nach 2 Stunden nehme ich das laute Getöse schon gar nicht mehr so heftig wahr und ich glaube, ich werde trotz dieses Geräuschpegels eine gute und helle Nacht haben, weil das Wetter so gut ist, dass ich die Außenhülle des Zeltes mal gleich weggelassen habe.
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  • 27. Juni

    27 juni 2024, Noorwegen ⋅ ⛅ 26 °C

    Was für eine rauschende Nacht, in der ich zumindest die ersten Stunden ganz gut schlafen konnte. Ab um zwei bin ich immer mal wieder wach und um fünf beginnt es schlagartig zu regnen. So muss ich halbdösig und doch hastig zusehen, dass das Zelt-Cover drüber kommt, bevor alles richtig nass ist. Es ist aber wieder mal nur eine Art Beschäftigungstherapie, denn nach einer halben Stunde ist alles wieder gut und das Zelt hat bis zum Frühstück Zeit zu trocknen. Um zehn bin ich abmarschbereit und obwohl ich dachte, es ist schon alles tierisch laut hier, mehr geht nicht, krachen auf einmal sehr tief zwei Jagdflieger über mich hinweg, so dass ich mich ziemlich erschrecke und das als Ansage nehme: „Junge, nu‘ geh endlich los!“
    Erst mal geht es nach Grong, recht idyllisch gelegen, auf einer Seite von hohen Bergen begrenzt, auf der anderen Seite ein weiter Blick. Es ist tatsächlich eine kleine Stadt, wie ich sie schon länger nicht hatte. Im Baumarkt am Weg frage ich nach Gas, sie verweisen mich auf einen Intersport-Laden kurze Zeit später, den ich in einem richtigen Einkaufszentrum finde. Zufällig ist das Gas gerade im Angebot, so dass ich nicht diese Koma-Preise abledern muss. Und die Supermärkte sind die Tage so dicht beieinander, dass ich schon heute abend den nächsten hab und im Moment also nichts kaufe.
    Aus dem Ort raus geht es erst mal wieder auf die E6, heute allerdings nur gute 10km. Es ist aber etwas anders von der ganzen Ansicht her, sie verläuft hier entlang recht steiler Berge, die teils bis 600m steil aufragen, während ich fast auf Meereshöhe bin. Entsprechend ist es kurvig und manchmal geht der Fels bis zu einem Meter dicht an den weißen Randstreifen heran, so dass ich mich spute, diese schmalen Stellen zu passieren. Gegen zwölf komme ich an ein Viadukt, das die Bahnstrecke über das Tal und den Fluss Namsen führt. Ich mache hier eine Pause in der Hoffnung, mal einen Frachtzug passieren zu sehen, da ich gestern einige mit Containern beladene auf der Strecke habe fahren sehen. Außer einer kleinen Baulok passiert allerdings nichts und so ziehe ich gegen eins bei ziemlich heißem Wetter weiter.
    So warm wie heute ist es lange nicht gewesen und ich schwitze wie das böse Tier. Deshalb muss ich auch entlang der Straße an einem ganz einzelnen Haus mal kurz vorsprechen, um meine Thermoskanne noch mal mit Wasser aufzufüllen. Um drei verlasse ich endlich die Fernstraße, es geht jetzt Richtung Nordwesten durch ein paar Berge entlang einer kleineren und ruhigeren Straße. Gegen sechs komme ich an einem See entlang, an dem mein Pensum für heute erreicht wäre und ich Wasser holen will. Kann mich aber weder mit dem See und einem Platz, noch mit der Brühe daraus anfreunden. In drei bis vier Kilometern komme ich schon nach Høylandet, dem nächsten Ort mit Supermarkt. Vielleicht laufe ich noch bis dahin. Vorher kommt aber noch ein kleiner Rastplatz an der Straße, ich sehe hier Fahrzeuge stehen und frage den ersten Wohnmobillisten nach Wasser. Leider ist es kaum ein Becher voll, den er abgeben kann und so setze ich mich auf eine Bank, trinke den Schluck und frage danach eine Bank weiter bei einem deutschen Paar mit Naumburger Kennzeichen. Es sind Petra und Frank, sie sind seit Mai unterwegs, waren schon am Nordkap und haben als Rentner einfach Zeit und Muße. So entwickelt sich daraus ein kompletter Heimatabend, an dem sie mir neben ihrer eisernen 5Liter-Wasserreserve noch diverse andere Schmankerl überlassen. Es ist doch so schön, wenn ich Wörter wie DDR und Harzer Käse hier in Norwegen weder übersetzen noch erklären muss. Dabei wird es am Ende Mitternacht und ich parke mein Innenzelt auf dem frisch gemähten Rasen dieser Anlage. Vielen Dank Euch beiden für den schönen Abend.
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  • 28. Juni

    28 juni 2024, Noorwegen ⋅ ⛅ 18 °C

    Was war das für eine warme Nacht! Erst weit nach Mitternacht hat es sich etwas abgekühlt. Am Morgen frühstücke ich mit Petra und Frank zusammen und packe danach meine Sachen ein. Nachdem wir uns verabschiedet haben, nehme ich noch ein Bad im Bach gleich hinter dem Rastplatz und ziehe dann recht spät gegen halb elf los. Es ist blauer Himmel mit einigen Schleierwolken und nicht mehr so heiß wie gestern, allerdings ziemlich drückend. Erst mal steuere ich im drei Kilometer entfernten Høylandet den Supermarkt an, um ein paar frische Sachen dazuzulegen. Von hier aus geht es dann den ganzen Tag auf einer kleinen, wenig befahrenen Straße, die es nicht mal zu irgendwelchen Streifen geschafft hat. Aus dem Ort raus höre ich mal wieder seit einiger Zeit Kraniche und wenig später steht tatsächlich eine recht große Gruppe auf dem Feld, natürlich nur so lange, bis ich in ihre Nähe komme. Aber mal wieder schön zu betrachten und mich wundert es ein bisschen, dass ich soweit im Norden noch welche sehe. Es zieht sich durch die Täler und kleine Pässe einiger Bergketten Richtung Nordwesten. Um eins beginnt es langsam zu regnen, anfangs noch mit ein paar Pausen, ab um drei regnet es durchgehend und auch heftig und wird bis um sechs nicht aufhören. Obwohl der Morgen so angenehm und schön war, sitzt mir heute am Nachmittag irgendwas quer, ich steh mir selbst im Weg. Ich komme mit nichts klar, bin völlig unzufrieden, sei es der Regen oder die Bremsen, die mich nerven oder der Rucksack, der heute Nachmittag quietscht. Ich kann es selbst nicht genau sagen und gake hier und da laut durch die Landschaft, weil ich von wirklich allem total genervt bin. Ich kann mich nirgends hinsetzen, bin total durchgeschwitzt….. Mann, Mann, Mann…hab ich meine Tage oder abgebrochene Fingernägel? Sag’s mir einer.
    Dann laufen irgendwann diese scheuen Schafe darum, als sie mich sehen, geben sie Fersengeld und laufen wie ein paar gestörte ewig vor mir auf der Straße her, ich trotte wie ein griechischer Schafhirte hinter ihnen her. Mal nach rechts oder links in die Landschaft abzubiegen wäre doch… naja, sind halt Schafe. Irgendwann fange ich an, länger mit ihnen zu sprechen und siehe da, bleiben sie tatsächlich auf der Straße stehen und gucken mich an. Ich vermute, sie hören auch zu und so kann ich auf der anderen Straßenseite unter schärfster Beobachtung an ihnen vorbeigehen. Wie ich immer wieder feststelle: Kaum macht man’s richtig, schon funktioniert’s.
    Die Straße führt seit einiger Zeit schon an einem Fluss entlang, rechts und links ragen die Berge hoch auf. Gegen halb sechs habe ich mein Tagespensum voll und schiele umher, wo ich denn das Zelt hinsetzen könnte, aber da ist nur hohes nasses Gras oder unpässliches Gelände. So laufe ich noch anderthalb Stunden weiter, bis ich an einen Aussichtspunkt komme, an dem der Wasserfall Skrøyvstadfossen zu betrachten ist. Ich habe mir geschworen, als ich das Hinweisschild auf 1km vorher gesehen habe, dort das Zelt hinzustellen, egal wie es dort aussieht, hatte nämlich heute schon 32km unter den Sohlen. Und naja, es ist ein kleiner Parkplatz an der Straße, auf dem ich mich auch platziere. Die paar wenigen Autos, die hier vorbeifahren, tun mir nicht weh. An die Rückseite einer großen Hinweistafel schnalle ich meine Wäscheleine und hänge alle nassen Sachen in die inzwischen wieder scheinende Sonne. Dann gehe ich los, um den Wasserfall zu beäugen, hole Wasser und verkrieche mich erst mal schleunigst im Zelt, da die Knots hier scheinbar die Landgrafen sind. Zum heiligen Freitag gibt es heute Abend Fischsuppe, natürlich mit Nudeln. Vielleicht aber auch, weil ich einfach Bock drauf habe.
    Und wie hieß es früher im Märchen? Rugge di guh, Blut ist im Schuh. Ich habe nachgesehen, die Ferse ist noch dran, aber irgendwas hat meinen rechten kleinen Zehnagel in Mitleidenschaft gezogen, ohne dass ich irgendwas davon mitbekommen hab. Ich werde das jetzt mal genauer untersuchen, wird ja draußen nicht dunkel, so kann ich die ganze Nacht operieren…
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  • 29. Juni

    29 juni 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 10 °C

    Auf dem kleinen Parkplatz gab es gestern spät am Abend nur noch ein Auto, das kurz gehalten hat, ansonsten war die Nacht absolut ruhig. Als ich am Morgen raussehe, ist alles neblig und es fängt kurz darauf an zu regnen und zu winden. Und so wird es mir, noch bevor ich zum Frühstücken ansetze, ganz schnell zum Verhängnis, dass ich die Heringe gestern abend in diesen Untergrund nur maximal zur Hälfte reinbekommen habe. Ist halt ein Parkplatz und ich wollte hier ja schließlich nicht überwintern, hatte diese Umstände gedanklich ausdrücklich in den Bach gekippt. In Kürze sind von der Windseite her beide Heringe raus und das Zeltcover flattert mir nass über den Rucksack und innen rein. Da ist erst mal Alarm vom Allerfeinsten, irgendwie muss ich das Wasser fernhalten und auch verhindern, dass das Zelt sich weiter aufbäumt. Das alles blöderweise immer nur mit einer Hand, die andere bändigt das wilde Außenzelt. Trotzdem bekomme ich an die zwei Stellen am Zelt, wo die Heringe waren, einen Wanderstock fixiert und mit dem zweiten kann ich diesen dann quasi aus der Ferne untenhalten. Ohne Frage ist das alles mehr schlecht als recht und es braucht um‘s Verrecken immer eine Hand. Wie dem auch sei, schaffe ich es in dieser Manier, alles einzupacken, das Innenzelt abzubauen und bereite soweit vor, dass nur noch die Außenhülle steht. Hierfür gibt es keinen Plan, es dauert auch recht lange und alle möglichen Sachen sind am Ende nass oder auch dreckig, der Flattermann hat ja schön um sich geworfen. Um elf habe ich fertig und ziehe los, will erst mal weg von diesem Platz und das Frühstück später an einer geeigneten Stelle nachholen. Nach 200m fällt mir ein, ich habe die Wäscheleine von gestern Abend vergessen, also einmal Retoure und die noch holen. Die Straße zieht sich jetzt runter ins Tal, dabei geht es durch einen Tunnel, der durch den Fels getrieben ist. Ich muss noch mal absetzen und die Stirnlampe rausholen, da er doch einige 100m lang ist und völlig unbeleuchtet. Insgesamt zieht es sich jetzt ähnlich wie gestern an dieser Straße entlang unten im Tal an einen See und gegen zwölf, als ich endlich Frühstück machen will, finde ich doch tatsächlich direkt am Straßenrand einen großen Felsüberhang, unter dem ich mich eine Stunde lang geschützt aufhalten und die Sachen noch mal ein bisschen sortieren kann. Mein Ziel heute ist Salsbruket, ein kleiner Ort mit Supermarkt, an dem ich, wenn möglich, auch den morgigen Ruhetag zubringen will. Er liegt übrigens als erster Ort an einem Fjordende, ab dort ist das Wasser also salzig. Ganz nebenbei schüttet es seit dem Morgen von oben herunter, alles was weg muss. Sitzgelegenheiten gibt es nicht wirklich, ich glaube das war gestern auch mit der Grund, warum ich so genervt war. Heute ist das mit Nichtsitzenkönnen zwar das selbe, aber meine Laune ist wieder auf Vorkriegsniveau und ich singe wieder im Regen. Das ist mir selbst das Zeichen, dass alles in guter Butter ist.
    Gegen drei komme ich an einem Ort vorbei, etwas abseits der Straße, es sind vielleicht drei Häuser und an einem davon frage ich, ob ich mich draußen in der Garage, wo das Boot untergestellt ist, mal für eine halbe Stunde trocken hinsetzen kann. Freundlich ohne Wenn und Aber habe ich diesen Platz sicher. Nach knapp 2 Stunden Laufen bin ich dann wieder soweit, würde mich gern etwas ruhen und finde ein Stück abseits der Straße eine alte, teils verfallene, aber von oben her dichte Anglerhütte, perfekt. Norwegen und sein Regen… es ist wohl tatsächlich so, je dichter ich ans Meer komme, desto mehr Regen ist auch.
    Als ich wieder unterwegs bin, hält eins der wenigen Autos mal an und ein Norweger fragt mich, ob er mich denn mitnehmen könnte. Dankenderweise lehne ich wie immer ab, aber frage nach einer möglichen trockenen Unterkunft, also alles außer einem Zimmer. Er würde mich einladen, bekommt aber seine Tochter heute zu Besuch und empfiehlt mir im Ort an dem großen gelben Haus zu fragen, das würde ich schon finden. Gegen halb sieben komme ich nach Salsbruket und da steh‘ ich nun am Oppløyfjorden an der Stelle, wo das süße Wasser des Oppløyelva die längste Zeit lieblich war. Es ist hier natürlich noch kein offenes Meer, aber salziges Wasser hat es allemal. Und weil ich Hütten und Shelter so sehr mag, gibt es hier direkt eine schöne Grillhütte, die ich erst mal inspiziere, auch wegen Ruhetag. Gehe aber trotzdem noch mal die 100 Meter rum zum gelben Haus und treffe hier im Kafe Elgen auf die Tschechin Zuzana, die hier mit ihrem Mann eine Pension, hauptsächlich für Angler betreibt. Leider ist alles ausgebucht zur Zeit, aber sie lädt mich auf einen Kaffee ein und gibt mir noch ein paar Sachen mit, so dass ich den Ruhetag morgen recht komfortabel zubringen kann. Vielen Dank für deine Unterstützung. Ich breite mich in meiner neuen Unterkunft komplett aus, hänge all die nassen und klammen Sachen auf, damit ich alles mal wieder auf einen guten Stand bringen kann.
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  • 30. Juni - Ruhetag

    30 juni 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 12 °C

    Ruhig und friedlich habe ich mal am Meer und mal am Fluss geschlafen. Je nach Stand der Tide ist das, was hier vor der Anglerhütte vorbeiläuft, mal Flusswasser, das über die Steine springt, ein paar Stunden später ist der Fjord anderthalb Meter höher, so dass ich gut darin baden könnte. Speziell zur Flutzeit springen ständig auch recht große Fische, das ist schon interessant, auch wenn ich kein Angler bin. Sie springen teilweise einen halben Meter weit aus dem Wasser, ständig ist es irgendwo laut am Klatschen. Am Vormittag besucht mich Zuzana noch mal kurz, sie hat mit deutschen Bekannten hier im Ort gesprochen, bei denen soll ich morgen, wenn ich dort entlangkomme, unbedingt mal vorsprechen. Na gerne doch. Da für den Nachmittag Regen angemeldet ist, mache ich einen kleinen Rundgang, betrachte mir die Fluss-Staumauer und die kleine Kraftwerksanlage und gehe auch noch mal um die Fisch-Aufzuchtanlage herum, die hier direkt am Fjord ist. Sie nutzen die Kombination aus Süß- und Salzwasser und ziehen hier Lachse bis zu einer bestimmten Größe auf. Gegen zwölf bekomme ich Besuch vom Inspektor der örtlichen Fischaufsicht, er macht seinen Rundgang, kontrolliert die Fiskekort und wir erzählen uns den einen oder anderen Schwank. Die Karte kann ich natürlich nicht vorzeigen, aber er erkennt auch ohne Verrenkungen, dass ich im besten Falle des Fishermen’s Friend bin und erzählt mir, dass die hier für 24 Stunden 500 NOK (ca. 50€) kostet. Wow, dann muss Petri aber Heil und Sieg und fette Beute bringen. Allerdings muss man dazu wissen, kostenpflichtig ist es nur an Binnengewässern. Am Meer, ergo auch an den Fjorden benötigt man keine Karten, Scheine oder sonst irgendwas. Ich wohne hier genau an der Grenze, kenne mich ja aus mit Zonenrandgebiet.
    Zum Mittag koch‘ ich mir am Fjord, na da kommt man doch von selbst drauf: Tschechische Hühnersuppe, immer schön regional essen. Der Regen lässt freundlicherweise noch bis um sieben am Abend auf sich warten. Gegen acht kommt der Inspektor noch mal vorbei, er will selbst etwas angeln und wir unterhalten uns noch ein wenig. Ich habe alles parat, um morgen von hier weiterzuziehen.
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  • 1. Juli

    1 juli 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 11 °C

    Ich wache auf und bin im sechsten Monat. Schnell einen Test gemacht: Puh, nicht schwanger! Und so ist das Aufraffen schon um sieben nach einem Ruhetag doch im Bereich des Machbaren. Ich mache Frühstück, während es draußen regnet und lande auf dem Weg zur Toilette bei der Budweiser Angelbrigade. Das dauert etwas länger, bis der Nemjetzki das Wie, Wohin und eine ganze Reihe weiterer Fragen beantwortet hat. Und sie entlassen mich nicht ohne eine Büchse ihres Nationalgetränks und etwas Wegzehr. Besten Dank, Männer. Gegen zehn hab ich alles soweit fertig und der Regen hat aufgehört. Dann läuft es sich die anderthalb Kilometer sehr angenehm zum Supermarkt. Und obwohl ich für den heutigen Tag noch ausreichend Vorräte habe, muss ich in der Meierei doch noch ein bisschen was kaufen, was irgendwie Laktose enthält. Bin da ja sehr tolerant. Dabei komme ich mit der Verkäuferin ins Gespräch, sie ist Deutsche und hilft hier für eine Zeit lang aus. Einen halben Kilometer weiter bin ich dann am Haus von Sandra und Matthias. Er ist zur Zeit arbeiten, genau in der Firma neben meiner Wochenendhütte. Und hat mich in den letzten Tagen zweimal gesehen, als ich an der Straße entlang durch die Berge kam. Sandra kocht mir erst mal einen Kaffee und ganz flott sind fast 2 Stunden rum, in denen wir uns über ihr und mein Hier und Jetzt unterhalten. Dass sie seit 2020 hier leben, wie es sich hier lebt und was es doch für ein kleines Paradies ist. Nicht ohne zu duschen und auch ein paar Sachen mit für den Weg verabschiede ich mich gegen eins. Sandra, danke dir für die Einladung. Ich mache mich auf den Weg, um in gut 15 km an die Fähre zu kommen. Der Himmel ist von Azur bis zu tiefstgrau sehr gemischt eingefärbt. Dementsprechend bin ich heute gedanklich auf alles vorbereitet. Glücklicherweise bleibt es aber dabei, die einzige kurze Schauer, die es gibt, halte ich in einer privat gebauten Bushaltestelle aus, in der normalerweise die Schulkinder warten. Mit meinem Tornister zähl ich mich mal dazu. Kurz vor halb fünf, ich bin gut 500 m vor der Fähre, kommen mir 10-12 Autos entgegen und ich freue mich, dass ich wahrscheinlich gleich aufspringen kann, um die circa fünf Minuten überzusetzen. Denkste, natürlich kann ich das nicht, die Fähre ist schon lange wieder weg und in etwas mehr als einer Stunde kommt sie wieder. Für mich eine gute Zeit, das Wetter zu genießen und am Rucksack dem Quietschen nachzugehen, das ich seit wenigen Tagen immer mal wieder und häufiger habe. War mir bisher nicht sicher, ob es mit dem Wetter, also Nässe was zu tun hat, was ich aber heute dann schon wieder ausschließen kann.
    Dass ich tatsächlich immer dichter ans Meer komme, merke ich daran, dass die riesigen Wasserflächen doch größer sind als die Seen und es wirkt zusammenhängender, ich in einiger Entfernung ein recht großes Schiff sehen kann und auch dieser Geruch von Meerwasser in der Luft liegt. Die Landschaft ringsum ist wunderbar anzusehen, viel grünes Land um mich herum, zerklüftet mit kleinen Inseln und zumindest in der Ferne durchaus recht hoch aufragenden Bergen. In der Richtung, aus der ich komme, sehe ich in den ganz hohen Lagen noch Schnee und im Voraus laufe ich auf einen Berg zu, den man vollgepflanzt hat mit einem Windpark von sicher 30 Windrädern. Zumindest von der Ansicht her wäre das nicht nötig gewesen. Besser gemacht hat es dagegen der Gestalter eines Hauses am Straßenrand, er ist auch ein großer Freund von Windmühlen, verschiedensten hölzernen Gebilden sowie einer alternativen Farbgebung des Hauses samt Nebengebäuden. Ich bleibe kurz stehen und betrachtete mir das Ganze und als ich gute 50 Meter weiter bin, kommt er hinter mir her, drückt mir eine Dose Limo in die Hand, und wir unterhalten uns. Er ist Rumäne und hat ein Faible für diese andere Art von Gestaltung und träumt davon, es vielleicht mal irgendwann für Touristen als Café oder zur Übernachtung zurecht zu machen. Während wir am Straßenrand stehen und plaudern, kommt ein Radler mit vollen Packtaschen dahergefahren, ich sehe gleich, dass er länger unterwegs ist. Es ist ein junger Franzose, der gerade auf dem Weg zum Nordkap ist, leider aber kein Wort Englisch spricht, was mich angesichts seines Alters extrem verwundert. Also ist diese Unterhaltung auch relativ kurz und wir alle drei gehen wieder unserer Wege. Als es schon acht durch ist, sehe ich mich die ganze Zeit um, wo ich mein Zelt aufschlagen kann und während ich zwecks unpassenden Platzes noch weitergehe, sehe ich schon den Supermarkt, den ich morgen besuchen will. Auf einmal hält ein Auto am Straßenrand, es ist Sandra mit ihrem Mann und Sohn, sie sind auf dem Heimweg und es ist schön, dass ich sie doch am Abend noch alle kurz kennenlerne. Kurz darauf, ganz in der Nähe des Coop-Marktes, frage ich an einem Haus nach Wasser und auch nach einem eventuellen Stellplatz für mein Apartment. Mit Silja und ihren Mädels bin ich mir recht schnell einig, dass ich hinter der Scheune direkt an der Kuhwiese mit Blick runter zum Fjord aufbauen kann. Bis das losgeht, ist aber ganz schnell noch eine halbe Stunde vergangen, in der wir erzählen und die Mädels ihre Hasen und alle Haustiere herbeiholen und stolz präsentieren. Und sich sogar noch dafür stark machen, dass der Wanderer ein Eis schlecken kann. Da geht mir doch das Herz auf.
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  • 2. Juli

    2 juli 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 12 °C

    In der Nacht hat es immer mal wieder bis zum Morgen leicht geregnet. Trotzdem ist mein Zelt bis nach dem Frühstück soweit trocken, dass ich es zufrieden einpacken kann. Schon lange vorher stehen Lotta und Erna nur zwei Meter weg vom Zelt und fordern mich heraus. Kurz nach neun bin ich im Supermarkt und stöbere in der Verfalls-Abteilung rum. In Schweden als auch in Norwegen ist der Verkauf von überfälligen Produkten bis zu einem bestimmten Punkt möglich. Und entsprechend sind die Preise dann um 40% oder 70% gesenkt. Ich kaufe ja nicht für den nächsten Winter ein, sondern für jetzt, deshalb krame ich da gern durch und finde dabei neben Sachen vom letzten Winter auch Fischfilet, das ich mir heute irgendwann anbraten will und noch dieses oder jenes. Dann ziehe ich bei grau in grau hängenden Wolken los. Es ist angenehm kühl zum Laufen und nachdem ich erst mal vom Supermarkt aus in eine falsche Richtung losgezogen bin, es aber glücklicherweise nach ein paar hundert Metern raffe, geht es jetzt dann tatsächlich Richtung Rørvik. Es gibt unzählige kleine Bauernhöfe und auch eine ganze Reihe von Dörfern, die soweit zumindest zusammenhängend sind, dass ich sie als solches bezeichnen würde. Die Berge, durch die ich heute laufe, sind zwar nur noch knapp über 100 m hoch, wirken aber durch die Flachheit des restlichen grünen Graslands auf mich deutlich höher. Am Vormittag sehe ich mal zwei Rehe, ansonsten freue ich mich einfach an dem Gewusel aus Häusern, Wasser, grünen Wiesen und bergig-steiniger Landschaft. Gegen zwei laufe ich an einem Haus entlang, der Besitzer quält gerade außenrum seinen Aufsitzmäher und grad, als ich vorbei bin, stoppt das Gefährt und er ruft mir nach. Wir kommen ins Gespräch, es ist Knut, der hier mit seiner Frau Ellen lebt. Er lädt mich direkt auf einen Kaffee ein, serviert mir dazu ein Stück Kuchen, das er selbst gebacken hat und wir sind beide mindestens mal sehr erstaunt, um es nicht „positiv entsetzt“ zu nennen, als er sieht, wo ich herkomme und wo er in vier Wochen hinfährt. Sie haben gute alte Freunde in Mühlhausen, also nur eine halbe Stunde von meinem Wohnort entfernt, wo ich auch so oft gearbeitet habe. Da wollen sie Anfang August auf einen Besuch hin. Da muss ich so weit hier hoch laufen, um wieder einmal festzustellen, dass die Erde doch nur eine Scheibe mit einem Dorf drauf ist. Da er Jäger und auch Fischer ist, gibt er mir noch ein Stück selbstgefangenen Lachs mit, auf den ich mich besonders freue. Irgendwann in der Zwischenzeit kommt auch Ellen nach Hause. Wir unterhalten uns noch eine Weile und dann ziehe ich nach über einer Stunde bei immer noch trockenem Wetter weiter. Danke für diese Gastfreundschaft einfach so along the road.
    Gegen vier erreiche ich die Marøybrua, eine Dreiviertelstunde später dann die Nærøysund bru, zwei Brücken, die ich auf dem Weg nach Rørvik und damit auch auf die Insel Vikna überqueren muss. Es sind wunderbare Ausblicke von den Brücken, von der ersten über so wunderbar türkisfarbenes Wasser rüber zur Insel Nærøya, die schon seit 1200 ein politisches und spirituelles, später auch ein Handelszentrum wurde. Von der mit 41 Metern deutlich höheren zweiten Brücke habe ich erstmals einen Blick raus auf die offene See, hierdurch passieren auch die großen Schiffe, die den Hurtigruten bis weit in den Norden folgen. So hoch über dem Wasser und so frei pfeift deutlich der Wind, so dass ich mir Mütze und Jacke antun muss. Nun habe ich endlich die Insel Vikna erreicht, auf der ich in den nächsten Tagen soweit Richtung Westen laufe, wie es Landschaft und Meer zulassen. Ich habe hier in Rørvik einen Supermarkt im Visier, in dem ich für die nächsten zwei Tage noch mal einkaufen möchte. Auf dem Weg dahin komme ich an einem Gebäude des örtlichen Bootsvereins vorbei, hier gibt es Toiletten und auch Duschen gegen eine geringe Gebühr, irgendwie zieht es mich in das Haus rein, obwohl ich gestern erst geduscht habe. Ich treffe auf Preber, einen 14-jährigen Schüler, der hier gerade in den Ferien für ein paar Tage jobbt und sich etwas Geld verdient. Er nimmt die Besatzungen von neu ankommenden Booten, seien es heimische oder fremde, in Empfang und managed diverse Sachen. Ich bin irgendwie mit meinem großen Schlachtplan für heute durch, seit ich von der großen Brücke runter bin und so sitze ich jetzt hier, erzähle mit ihm, trinke einen Kaffee und sehe auf der anderen Seite des Hafenbeckens den Supermarkt, auf den ich überhaupt keine Lust habe. Am Ende habe ich inklusive Dusche fast 2 Stunden hier rumgedruckst und dabei festgestellt, dass ich bis zum nächsten Supermarkt in Austafjord wohl auch noch so hinkommen werde. Und so ziehe ich mit einem kleinen Umweg über die nach einem Brand neu gebaute moderne Kirche im Ort raus in ein kleines Wandergebiet, ganz dicht am Rande der Stadt, das mir Preber empfohlen hat. Hier finde ich eine Art Shelter, der mir für die Nacht dienlich ist und unter dem ich, als es gerade leicht anfängt zu nieseln, meinen Fisch zurechtmache und mir eine gesegnete Mahlzeit gönne.
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  • 3. Juli

    3 juli 2024, Noorwegen ⋅ ☀️ 12 °C

    Schon um sechs erwache ich und freue mich, gestern dieses Plätzchen ausgewählt zu haben. Es nebelt und nieselt so leicht vor sich hin und so mache ich mich auf dem Tisch mit meinem Frühstück breit, gucke aus der Hütte raus und freue mich an diesem Wetter. Das ist wie hinter der Scheibe sitzen, nur ohne Scheibe und besser.
    Gegen neun ziehe ich los, auf meinem Weg und auch nicht weit von hier ist eine kleine Bunkeranlage der Wehrmacht aus der Besatzerzeit. Das inspiziere ich natürlich erst mal ganz genau mit dem Schützengraben außenrum, einem in den Fels getriebenen Aufenthaltsraum sowie der runden Einhausung für das Maschinengewehr. Von hier aus ist der Ausblick freilich sehr gut, die Brüder waren ja auch gescheit damals. Das Thema Bunkeranlagen wird mir hier sicher noch einige Male begegnen, schließlich war die Gegend damals ja Teil des Atlantikwalls. Zum Beispiel war auf Vikna eine Funkmeßstellung (Ein Zug der 32./mFlugmeldeLeitKp IV./LnRgt 251) unter dem Tarnnamen WALNUSS stationiert.
    Kurz darauf treffe ich auf Vidar und seine Frau, sie sind neben einer Reihe von Joggern hier mit ihrem Hund unterwegs und wir unterhalten uns so lange, bis die Wege sich trennen.
    Von Rørvik aus gibt es Richtung Inselmitte eine Straße, die ganz im Norden entlang führt und eine ganz im Süden. Die nördliche wird zumindest auswärts die meine sein, sie ist die kürzere, vielleicht werde ich die andere auf dem Rückeg nutzen. Auch wenn das Wetter diesig ist und im Halbstundentakt immer mal wechselt, ist es fantastisch, hier an der Küste entlang zu gehen. Weit im Norden kann ich die Insel Leka im Nebel sehen, es ist eine ganz einzigartige Insel, auf der es ein besonderes Vulkangestein gibt. Vielleicht werde ich sie auf dem Weg entlang der Küste nach Norden später noch besuchen. Aber auch hier ist es wunderschön, obwohl ich nur einen Bruchteil der 6000 Inseln, Holmen und Schären sehe, die zu Vikna gehören. Dazu die kleinen Werften, Fischerboote und natürlich auch die Häuser, die so wunderschön gelegen sind.
    Stück für Stück setzt es doch immer mehr zum Regen an und so nehme ich mir gegen zwölf mal wieder eine dieser kleinen Haltestellen, um ein Päuschen einzulegen. Es hängen einige gestickte Wandbilder darin und ganz stolz hat der Errichter das Baujahr 1998 auf die Wand gemalt. Schon seit dem Morgen, nein, korrekter schon seit gestern Nachmittag ist dieses Stück Lachs auf meinem Plan und es bringt sich immer wieder in Erinnerung. Auch wenn es noch nicht Nachmittag ist und vielleicht noch nicht Zeit für die große Pause, läute ich sie doch jetzt ein und eröffne hier in diesem Festsaal das große Fressen. Fein geräucherter Lachs mit Brot aus der Gruschkiste von gestern sind so sehr lecker, dass ich es kaum beschreiben kann und auch nicht weiß, wann ich zum letzten Mal so sehr Essen genossen habe. Wie das Brot den Weg in diesen Ramschkorb gefunden hat, ist mir ob der Frische völlig unklar, aber beschweren werde ich mich nicht. Für mich ist es eine WIN-WIN-WIN-Situation, denn der Regen ist danach auch vorbei. Ich fühle mich wie der Kaiser nach einem Zwölf-Gänge-Menü und tatsächlich sehe ich, als ich wieder raustrete, die ersten blauen Stellen für heute am Himmel. Da bleibt mir nur Knut- und Petri-Dank zu sagen. Zum weiteren Schwung im Gebein auf den nächsten Kilometern muss ich sicher keine Ausführungen machen. Und weil der große Junge so brav aufgegessen hat, bleibt es nicht nur bei ein paar blauen Stellen, es gibt blauen Himmel mit feinsten weißen Federwolken. Als ich mich später mal auf einer Wiese am Straßenrand zur Pause niedergelasse, kommt eine Frau mit drei Hunden vorbei, an denen und ihrer Weste ich sie gleich mal als Jägerin deute. Wir unterhalten uns eine Weile und dann muss sie aber weiter, sie ist etwas in Eile, heute Abend ist Mädelsabend. Allerdings in der nordischen Art, sie werden mit ihren Repetierern und Büchsen umeinand’ sitzen und auf wehrlose Scheiben schießen. Je später der Nachmittag, desto mehr ziehen Wolken auf und es wirkt so, als würde ich heute Abend noch mal einen Regenschutz bemühen müssen. Ich will mich zum Abend an einem Fjord niederlassen, muss dann nur zusehen, dass es dort auch Wasser gibt, also ungesalzenes. Je länger ich diese Straßen hier entlang laufe und je näher nach Westen ans Meer ich komme, desto mehr muss ich mein Bild im Kopf korrigieren, das ich von dieser Insel hatte. Berge von 100 Metern Höhe wirkten in meinem Geiste wie nichts, über das ich fast hinwegsehen kann. Tatsächlich ragen sie zu beiden Seiten der Straße ganz ähnlich wie in den letzten Tagen auf und selbst ein Aufstieg wäre nicht mal eben gemacht. Und so ist auf den letzten 2km heute, wo es dann doch einmal über eine dieser Berge geht, noch mal deutlich zu spüren: 100 m sind 100 m. Ganz zuletzt geht es noch mal über eine Brücke, die über den Fjord führt. Es ist extrem klares Wasser, in dem ich an vielen Stellen bis auf den Grund sehen kann und große Quallen, Fische und dergleichen von hier oben beobachten kann. Kurz darauf biege ich an der Stelle von der Straße ab, wo ich übernachten möchte und komme statt an Wohnhäuser an eine kleine Werft. Lorenz ist der letzte Mitarbeiter, der heute noch arbeitet und ich frage ihn, ob ich denn hierum irgendwo niederkommen kann, was ohne Probleme möglich ist. Ich sehe mich ein bisschen auf dem Gelände um und er ist gerade nochmal auf dem neuen Fischerboot „Remskjær“, dass sie hier gebaut und vom Stapel gelassen haben. In gut zwei Wochen soll es fertig sein. Ich kann mit auf das Boot und mich ein bisschen umsehen. Das ist für mich ein bisschen wie Paradies, ganz ähnlich, als wenn man mich in einen Lokschuppen steckt. Die dunklen Wolken sind inzwischen Stück für Stück Richtung Osten abgezogen und ab um acht ist der Himmel wieder blau. Ich habe mein Zelt ganz dicht an beziehungsweise halb unter altehrwürdigen Booten neben dem Wasser aufgestellt und könnte es nicht besser haben.
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  • 4. Juli

    4 juli 2024 ⋅ ☁️ 17 °C

    Trotz des hier so wechselhaften Wetters hat die ganze Nacht prima gehalten bis um halb fünf. Da brauchte es meine Hilfe, einmal das Cover übers Zelt zu ziehen, um dann auch direkt wieder aufzuhören. Trotzdem ist am Morgen speziell das Innenzelt ziemlich nass, da ich so dicht am Wasser war und eben diese Seite dann speziell betroffen ist. Seit um sechs sind die Bootsbauer am Werkeln und so treibt es mich auch angesichts des trockenen Wetters um sieben raus, um nicht noch unerwartet eine Husche abzukriegen. Ich kann hier die Toilette nutzen und sitze wieder draußen direkt neben dem neuen Dampfer zum Frühstück. Danach verabschiede ich mich um halb neun von Lorenz und seinen Kollegen und bin schon um kurz nach neun in Austafjord, wo der Supermarkt aber erst um zehn aufmacht, wie ich lese. Es ist zwar einer, den ich per Kreditkarte rund um die Uhr öffnen und nutzen kann, aber ich hab auf diese Spielchen keinen Bock und warte einfach die Zeit ab. Im Anlieferungsbereich finde ich eine Steckdose, kann mein Telefon mal eben flott voll machen und weiß mir die Zeit mit einer neuen Strophe von Kenny Rogers und dem Geschrei der Möwen zu vertreiben.
    Ein paar Teilchen einzukaufen und im bequemen Vorraum des Supermarktes ein zweites Frühstück zu halten braucht ungefähr bis kurz nach elf und als ich eigentlich schon wieder losmachen will, komme ich mit Peter und Christa ins Gespräch, zwei Hamburger Rentner, die mit über achtzig immer noch recht flott unterwegs sind und mit ihrem VW-Bus ja nicht nur mal rund um den Fischmarkt kreisen. Gut Ding will Weile haben, es wird dabei halb eins, bis ich tatsächlich den Joker-Markt Richtung Valøya verlasse. Es sind bis zu diesem letzten Ort noch 11 km und von dort aus wahrscheinlich nur noch einer mehr bis an die Küste oder hoch auf den Berg, wo ich mich bis morgen niederlassen will. Mein Schwätzchen hat lange genug gedauert, um den Regen durchzulassen und so ist der Weg bis dahin bei bestem Wetter. Gegen drei komme ich nach Valøya, eine Ansammlung von Häusern, sogar mit einer Kirche dabei und direkt hinter dem hohen Berg, der das Dorf im Westen begrenzt, liegt das offene Meer. Ich ziehe auf der Straße noch vor dem Berg entlang und da treffe ich wie erwartet noch einmal auf die zwei Hanseaten von vorhin. Wir erzählen uns noch ein wenig, dann gehe ich die paar Meter bis vor zum kleinen Fischerhafen, mache meine Wasserflaschen voll und steige den Berg hinauf bis zur Spitze auf 135m ü.M. Da stehe ich nun und habe neben einer Unzahl von kleinen Inselchen und Inseln das weite, offene Nordmeer vor mir, das ich mir doch so gewünscht hatte. Der weite Blick von hier oben und das Wissen um diese noch viel größere Weite dort auf dem Atlantik ist ein sehr erhebendes Gefühl. Ich fühle mich hier auf 135 Metern wie auf dem Dach der Welt. Dazu dieses grandiose Wetter mit Wolken in so unzähligen Blautönen, ohne das der Weg hier raus nur halb so viel wert gewesen wäre. Was wäre das bei Nebel und wolkenverhangener Sicht? Ich darf mal wieder das Kreuz bei „Glückspilz“ machen für diese Reise.
    Eine Hütte, die es auf dem Weg nach oben in einer Senke gab und die ich als eventuellen Schlafplatz ausgeguckt hatte, kommt aufgrund ihrer sprichwörtlich aussichtslosen Lage und ihres ziemlich zerstörten Dachs nicht infrage. Der Wind pfeift, selbst wenn kein Sturm ist, schon ordentlich und so gehe ich auf der Meerseite, die etwas flacher mit einigen Wiesenflächen abfällt, wieder etwas tiefer und suche länger als eine halbe Stunde einen Platz, der windmäßig nicht zu sehr ausgesetzt, vom Untergrund her zumindest im Ansatz brauchbar ist und dabei noch eine Sicht aufs Meer bietet. Genau darum bin ich schließlich hergekommen. Irgendwann habe ich mich auf einen Platz festgelegt und da auf dieser Art von Wiese die Heringe nur sehr bedingt ihren Dienst tun können, trage ich noch für die Sturmleinen jeweils einen kräftigen Stein heran, um das Ganze abzusichern. Womit ich hier überhaupt nicht gerechnet hatte und was meine 500%-Laune noch ein wenig steigert, ist ein kleines, einzelnes Feld von Moltebeeren. Seit ich unterwegs bin, habe ich mich mehr und mehr in sie verliebt und seit dem Frühling so oft am Wegesrand wachsen sehen, erst mit ihren schönen weißen Blüten, die später kräftig rot wurden und jetzt die inzwischen gelb-orangen Früchte tragen. Nicht umsonst gilt Hjortron als das Gold des Nordens. Ein guter Teil von ihnen ist reif und ist heute einfach das Sahnehäubchen auf diesem ohnehin faszinierenden Tag an diesem für mich so außergewöhnlichen Platz. Ich weiß gar nicht, wem ich heute das große Danke aussprechen soll.
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  • 5. Juli

    5 juli 2024, Noorwegen ⋅ ☀️ 14 °C

    Fantastisch. Das ist die Kurzbeschreibung für die Nacht hier oben. Der Wind hat sich ungefähr in der Stärke gehalten und ist auch heute am Morgen noch ablandig von Nord-Ost. Das zeichnet auf dem Meer wunderschön anmutende Formen auf der Oberfläche und so bin ich mit den Augen immer nur halb hier bei der Sache. Und darum stehe ich auch schon um kurz vor sieben auf, einfach um draußen das schöne Wetter und diese Aussicht zu genießen. Das Licht ist jetzt ein ganz anderes als gestern Abend, das Türkis im Wasser schimmert noch viel mehr und so halte ich alles, was irgendwie geht, draußen ab und nachdem das Zelt eingepackt ist, sitze ich noch eine halbe Stunde auf dem Felsen und genieße dieses Stück Paradies. Gegen zehn marschiere ich los, erst mal wieder runter vom Berg und ab jetzt geht es fast zwei Tage lang den selben Weg zurück nach Rørvik.
    Gegen zwei komme ich nach Austafjord und da es seit einer Viertelstunde regnet, kehre ich im Joker-Supermarkt ein und mache dort eine Stunde lang Pause bei Kaffee und ein paar süßen Teilchen. Einer der Werftarbeiter von gestern kommt gerade noch zum Einkaufen rein und wir unterhalten uns ein wenig. Das Wetter ist inzwischen wieder klar und während ich weiter unterwegs bin, beobachte ich die tollen Wolkenformationen. Es türmen sich Quellwolken von schneeweiß bis hin zu blauen in den dunkelsten Ausführungen. Bei der nächsten Pause an einem See stoße ich mal wieder auf wilde Erdbeeren, die für wild recht groß sind, ich bediene mich mal großflächig. Gegen halb sieben komme ich an einem Fjord entlang, hier habe ich auf dem Weg hinwärts schon eine recht groß überdachte Holzhütte am Strand gesehen und zufällig passt das heute mit meinem Tagesende. Da extra ein Schild aufgestellt ist, dass es privat ist und nicht für Camping und dergleichen zur Verfügung steht, gehe ich zu einem der paar Häuser in der Umgebung, zufällig genau das richtige, und frage dort die Besitzer, ob es okay ist für diese eine Nacht dort zu schlafen. Das ist es wohl und sie geben mir gleich noch frisches Wasser mit. Schon auf dem Weg vom Haus zurück regnet es heftig und so bin ich nach gut 200 Metern komplett nass. Es hat sich in der letzten Stunde mehr und mehr dunkel zugezogen und so ist dieser Regenguss nur der Beginn eines heftigsten Gewitters, das sich über mir abspielt. Die Blitze zucken grell in der Umgebung als auch über mir und entsprechend laut ist dazu das Krachen. Da es hier eine Steckdose gibt, ziehe ich mal pro forma mein Ladegerät raus, um nicht morgen ein neues kaufen zu müssen. Und so sitze ich unter diesem weit ausladenden Dach, wo mir der starke Regen nichts ausmacht, koche Wiener mit ein bisschen was dazu und betrachte dieses heftige Wetter. Schön, dass ich jetzt nicht 100 m weiter im Zelt sitze.
    Gegen neun hat sich das Ganze beruhigt, der Himmel wird wieder mehr und mehr blau und ganz nebenbei kommt das Wasser mit der Flut zurück.
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  • 6. Juli

    6 juli 2024, Noorwegen ⋅ ☀️ 14 °C

    Es ist Samstag und da schläft es sich doch so gut am Morgen. Also drücke ich die Knöppe um sieben noch mal zu und krieche erst um acht aus der Koje. Das Frühstück hält sich hier, wo es Tische und Stühle gibt, sehr einfach ab, dauert aber wegen der Gemütlichkeit etwas länger. So um zehn rum hab ich alles beisammen und mache mich auf den Weg nach Rørvik, wo ich im Supermarkt ein paar Sachen mitnehmen will und von da aus noch ein Stück weiter über die beiden Brücken runter von der Insel. Die Straße als solches kenne ich, natürlich nicht in dieser Richtung und entsprechend sieht alles anders aus, aber auch nicht unendlich aufregend. Freundlich grüßende Kapitäne in ihren Strassenkreuzern, selten mal ein Radler, immer mal wieder ein Fjord oder gar selten sogar ein Binnensee. Interessant sind den ganzen Tag über wieder die Wolken, immer wieder drehe ich mich um und halte Ausschau, ob irgendwo ein ernstzunehmendes dunkles Regengebiet hergezogen kommt, was den Poncho auf den Plan ruft. Aber für heute hält es sich den gesamten Tag über trocken, die Wolken wechseln sich in verschiedenster Form mit dem blauen Himmel ab und sind wunderbar zu betrachten. Und da es sich auf der Straße einfach schneller läuft und ich merke, dass ich Zeit habe, bleibe ich häufiger mal an irgendwelchen Blümchen und Blüten stehen und finde den einen oder anderen lustigen Gesellen, den ich bisher noch nicht vor der Linse hatte. Gegen halb zwölf komme ich wieder an mein Lieblingsrestaurant, natürlich kehre ich dort ein und hinterlasse im Geiste eine gute Bewertung. Es ist scheinbar ein griechisches Restaurant, wohl die „Eulen Athens“, wenn ich den Wandbehang richtig deute. Ich bestelle mir heute einen mexikanischen Salat, während außen herum überall Kühe stehen und mich dabei beobachten. Der Weg zieht sich danach wieder ganz im Norden der Insel ein Stück weit an der Küste entlang, so dass ich nördlich die Insel Leka heute gut sehen kann und da es ja auf dieser Straße nicht viel steiles Auf oder Ab gibt, habe ich am Ende des Tages alle Lieder mindestens zweimal durch, die ich in meinem Repertoire führe. Gegen vier bin ich in Rørvik und versuche, heute noch einmal die Kirche von innen zu betrachten, aber wieder ist sie verschlossen und so mache ich ein Päuschen draußen auf der Bank und genieße den Blick über die Marina. Von hier aus steuere ich in den Supermarkt, nehme ein paar Sachen unter anderem für den morgigen Ruhetag mit und habe ab jetzt noch die zwei Brücken vor mir, die von der Insel runterführen. Insgesamt gute 7 km, dann bin ich an einem Fjord, an dem ich ein Stück weit an der Küste entlang im Wald rumkrauche, um einen Platz zu finden, erfolglos. Irgendwann komme ich an ein Grundstück, das etwas zurückversetzt ist und hier wäre auch an der Küste ein geeigneter Platz. So kombiniere ich die Frage, ob es dort okay ist, das Zelt aufzuschlagen mit der Frage nach Trinkwasser. Kim, der Hausherr ist so freundlich, mich direkt zum Essen einzuladen und so sitze ich ganz ungeplant in der Familienrunde und erzähle nebenbei die Geschichte des Streuners. Vielen Dank euch allen, dass ihr mich so lieb aufgenommen habt. Das Zelt ist am Abend dann ein paar Meter über der Küste schnell hingezwirbelt. Während ich aufbaue, nasche ich die paar rar verteilten Hjortron-Früchte und kann draußen die Schiffe beobachten, die hier die Hurtigruten entlangkommen und auch in Rørvik Station machen. Und dann sitze ich noch bis lange nach zehn im Sonnenschein, gucke über das Wasser und genieße am Samstagabend ein Bier ganz ohne Fußball. Dafür bin ich sehr dankbar.Meer informatie

  • 7. Juli - Ruhetag

    7 juli 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 16 °C

    Die Nacht war ziemlich in Schräglage und mit massig Feuchtigkeit vom Meer her. Aber ich habe es ja so gewollt, es musste unbedingt dieser kleine Hügel direkt am Bach sein. Am Morgen ist es sonnig und die dicken Tropfen sind schnell getrocknet. Ich trinke mit Kim zusammen Kaffee, wir unterhalten uns gut und ich kann später noch duschen und meine Sachen durchwaschen. Im Laufe des Tages frischt der Wind immer mehr auf, ich muss meine kleine Trutzburg ganz ordentlich absichern, damit sie standhält. Der Untergrund ist ja nur Kraut und Rüben. Also ohne Rüben, versteht sich. Bei dem kräftigen Wind ist dafür aber auch die Wäsche schnell trocken und am Nachmittag mache ich einen kleinen Gang entlang der Küste, finde hier und da ein paar Muscheln, eine ganze Menge Hjortron und auch die ersten Heidelbeeren. Mit den Muscheln habe ich mir allerdings keinen Gefallen getan. Zumindest einige haben einen sehr penetranten Fischgeruch und alles, was auch nur in ihrer Nähe war, ist jetzt verzaubert.
    Insgesamt ist es ein sehr angenehmer und ruhiger Sonntag hier auf der Lørdagsvika. So heißt dieses Stück Land, auf dem ich ruhe. Vika ist sowas wie eine Landzunge und die Bauern haben sich früher gegenseitig ausgeholfen, hier wurde also immer am Lørdag, am Samstag, gemeinsam gearbeitet. Schön, wie das Kind zu seinem Namen kam, es gibt tatsächlich auch eine Mandagsvika.
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  • 8. Juli

    8 juli 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 13 °C

    Am Morgen fängt es irgendwann nach um fünf an zu regnen, so dass für mich um halb acht ein komplett nasses Zelt bereitsteht, das es abzubauen gilt. Nachdem ich zur Toilette war und beginne, die Sachen in den Rucksack zu räumen, fängt es allerdings schon wieder an, so dass ich alles wegpacke außer dem Zelt selbst und erst noch mal zu Kim reingehe. Er macht mir ein sehr delikates Frühstück, geräucherter Lachs mit Ei. Kim, an dich noch mal vielen Dank für deine Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Als er gegen halb zehn los muss, hört auch der Regen auf und das ist meine Chance, jetzt das Zelt abzubauen und nass einzupacken. So starte ich gegen zehn und habe bis auf eine kleine weitere Schauer den Rest des Tages frei, also vom Regen. Mein nächstes Ziel ist Foldereid, das ist circa 50 km entfernt, und auf dem Weg dorthin werde ich heute noch Kolvereid passieren. Das zieht sich alles an einer Bundesstraße entlang, dementsprechend ist der Erlebnisfaktor im einstelligen Bereich. Als ich am Straßenrand ein Schild sehe zu einem Hofladen, Litlvea Gård, marschiere ich dort gleich erst mal rein und treffe auf Meike, eine Holländerin, die hier seit über zehn Jahren mit ihrem Mann einen kleinen Hof betreibt und selbst Käse und andere Leckereien produziert. Nachdem ich ein paar Sorten gekostet habe, nehme ich gleich erst mal einen von meiner Lieblingssorte mit und sie zeigt mir noch, wo sie den Käse herstellt und natürlich auch das kleine bunte Käselager. Alles recht klein, sie mag kein großes Business, ist mit dem zufrieden, was sie hat. Wer hier bei litlveagaard.no mal vorbeikommt, sollte unbedingt mal reinschauen. Gegen zwei führt die Straße an einem See entlang, es ist nicht mehr weit bis Kolvereid und hier ist am Ufer ein Shelter. Zwar ein privater, aber für meine große Pause langt der alle Mal, und das schöne Wetter bietet sich an, das Zelt komplett zum Trocknen hinzudrapieren. Es dauert nicht allzu lange, bis der Besitzer vorbeikommt und mich freundlich darauf hinweist, dass ich hier aber nicht campieren kann, er hat mich direkt über die installierte Kamera wahrgenommen. No Problem, Meister. In Kolvereid besuche ich den Supermarkt, brauche nur ein paar Kleinigkeiten, die mich aber trotzdem ratzfatz um 30€ erleichtern. Dafür ist aber auch ein Leckeis gleich im Anschluss drinne.
    Aus der Stadt raus treffe ich heute auf den ersten Heimkehrer vom Nordkap, es ist Noé aus Paris, mit seinem Drahtesel gerade auf dem Weg Richtung Trondheim. Natürlich tauschen wir erst mal alle wichtigen Sachen aus, die es so zu wissen gibt oder auch nicht. Mal schauen, vielleicht sehe ich ihn ja in Trondheim die nächsten Tage wieder. Er ist übrigens heute nicht der erste Radler, den ich mit Packtaschen auf einer Ferntour sehe. Es waren schon einige und werden im Laufe des Tages auch noch einige mehr sein, Hintergrund ist, dass ich auf dem EV1 unterwegs bin. Die EuroVelo-Route EV1 (Atlantic Coast Route) ist ein europäischer Radfernweg, sie führt über 10.650 Kilometer vom Nordkap nach Caminha in Portugal.
    Gegen Abend, als ich so ziemlich meine Strecke voll habe, bin ich etwas ratlos wegen Trinkwasser. Entlang der Straße werden wohl keine Häuser mehr kommen und noch weitere 8km bis zum nächsten verzeichneten Ort sind mir einfach zu viel. Die letzten zwei Häuser waren unbewohnt oder zumindest hat niemand geöffnet, das Wasser aus dem Fjord ist mir zu salzig und so laufe ich einfach weiter und hoffe... In 500 m soll eine Trafostation kommen, ich träume von einem Außen-Anschluss, an dem ich Wasser zapfen kann. Natürlich gibt es den nicht, dafür hat man aber 50 m vorher ein Wohnhaus aufgestellt, zwei Leute reingesetzt und die warten nur darauf, dass ich klingle. Geht doch!
    Einen guten Kilometer weiter geht von der Straße ein Weg ab runter zum Fjord und als ich näher komme, ist dort sogar ein Shelter. Ich bin ganz verzückt, sehe aber kurz darauf, dass eine junge Familie den schon in Beschlag hat und hier auch übernachten will. Ein Stück am Fjord entlang finde ich nur nassen, sumpfigen Untergrund und so ziehe ich meinen Ranzen wieder auf und weiter an der Straße entlang, bis nach einem weiteren Kilometer wieder ein Weg von der Straße ab in den Wald führt. Der endet nach einiger Zeit mit einem Wendehammer, also platziere ich mich hier und muss keine Angst haben, dass mich irgendwer mit dem Auto oder Harvester direkt abräumt.
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  • 9. Juli

    9 juli 2024, Noorwegen ⋅ ⛅ 14 °C

    Gut geschlafen habe ich wohl, aber raus will ich nicht. Nicht, weil es geregnet hat, das macht mir nichts aus. Aber die Knots waren gestern Abend schon unerträglich und wenn ich auch nur kurz rausgehe und wieder reinkomme oder die Hand rausstrecke, um irgendetwas reinzunehmen, dann ist immer gleich ein oder zwei Dutzend mit dabei, die ich dann erst mal wieder aufwändig eliminieren muss. Und so halte ich das Frühstück ganz innen ab, danach heißt es Augen zu und raus. Schön, dass es jetzt schon so lange trocken ist, damit ist auch das Zelt nach dem Frühstück packfertig und ich kann um zehn bei noch ziemlich bedecktem Himmel losgehen. An der Straße entlang ist es ähnlich wie gestern auch, es braucht die ganze Zeit Aufmerksamkeit, weil ich bei jedem Auto, Wohnmobil und vor allem LKW im Blick haben muss, wer wirklich auf die andere Seite rüberfährt oder nur halb, ganz selten sind natürlich auch welche dabei, die gar nichts merken. Da es entlang der Straße an richtigen Sitzmöglichkeiten in der Regel fehlt, sind diese kleinen Bushäuschen immer wieder gern genommen. Ab der Mittagszeit lichtet sich der Himmel und gegen zwei ist er blau mit feinen Wolken. Die Straße führt weiter in unterschiedlichen Abständen an einem Ford entlang. Wenn das Wasser zu sehen ist und natürlich auch die Berge auf der gegenüberliegenden Seite ist das schon eine tolle Aussicht. Die Berge sind hier, obwohl ich erst 50 km von Rørvik entfernt bin, schon wieder deutlich höher, sie ragen über 500 m über den Fjord hinaus.
    Um zwei mache ich an einem kleinen Platz direkt an der Straße eine Ruhepause. Hier könnten gut und gerne auch mehrere Wohnmobile draufstehen, aber die Abfahrt ist schlecht einzusehen und so parkt hier niemand. Die Müdigkeit nach dem Mittagessen und das schöne Wetter lassen mich direkt auf dem Platz die Isomatte hinwerfen und ich lege mich ab zum Ruhen. Schlafe dabei auch ordentlich ein und nach einer guten Dreiviertelstunde weckt mich eine ganze Herde von Kühen lautstark, die direkt am Platz angrenzend am Zaun stehen. Hui, schön, dass zumindest die den Wecker gestellt hatten. Nur eine Viertelstunde später, als ich wieder auf dem Weg bin, komme ich wieder direkt an den Fjord, wo er richtig schön breit ist, einige Häuschen und Scheunen rundherum stehen und auf der anderen Seite besonders imposant die Berge aufragen. Ich treffe mal wieder auf einen Radler, ein Norweger, der von Bodø aus Richtung Süden die komplette norwegische Küste entlang fährt. Für mich ist das immer wieder ein Spektakel, diese Leute zu treffen und mit ihnen zu reden.
    Der Großteil der Strecke für heute ist schon geschafft und gegen halb fünf sehe ich in einiger Entfernung ein Rentier auf der Straße stehen. Es ist seit langer Zeit überhaupt mal wieder eins und hier natürlich besonders interessant so mitten auf dem Highway. Kurz darauf kommt ein Auto und das Hirschtier macht überhaupt keine Anstalten, sich dort weg zu bewegen. Kurz darauf hastet es von der Straße runter, das Auto kann passieren und das Ren ist direkt wieder auf der Straße zurück und kommt in meine Richtung gelaufen. Verglichen mit denen, die ich bisher erlebt habe, hat dieses hier irgendwelche Merkwürdigkeiten vorzuweisen. Es läuft noch eine ganze Zeit auf mich zu, verlässt dann seelenruhig die Straße, frisst ein paar Meter entfernt von mir, um dann in vollem Galopp davonzurennen, als ob es mich gerade jetzt erkannt und sich total erschrocken hätte. Fünfzig Meter weiter steht ein Mann an der Straße und beobachtet das Treiben, er hat wahrscheinlich die stark bremsenden Autos von seinem Grundstück aus wahrgenommen. Ich unterhalte mich mit ihm, es ist ein Lehrer, der gut 100 km entfernt wohnt und im Sommer (Sommer ist hier Juli und August) hier draußen in seinem Sommerhaus lebt, einen Garten bewirtschaftet und Ziegen hat, die er selber melkt und Käse macht.
    Um halb sechs dann bin ich in Foldereid, ein Örtchen, wo alles zentral zusammen ist: Kirche, Supermarkt, Tankstelle. Im Supermarkt nehme ich mir ein paar Kleinigkeiten mit und befrage die Verkäuferin nach einer günstigen Möglichkeit, hier irgendwo rum das Zelt aufzuschlagen und womöglich nach einer öffentlichen Toilette. Sie empfiehlt mir nur 200 m entfernt am Sportplatz ein Gebäude, dort gibt es eine Toilette, es ist nie verschlossen. Noch mal gut 100 m davon entfernt sehe ich neben dem Sportplatz eine geschlossene Grillhütte, die ich mir für die kommende Nacht auserwähle. In dem Gebäude mit der Toilette steht auch eine Pistenraupe und eine ganze Menge von Zubehör, dass man alles im Winter benötigt. Hier sind sie halt sehr entspannt, was sowas betrifft. Kaum jemand schließt etwas ab, zumindest dann, wenn es von den großen Straßen etwas entfernt ist, wo Touristen und Fremde eh nicht rumlungern. Der Raum mit der Toilette ist recht groß mit einem Heißwasserboiler, im Raum sind es gefühlt 45°, da die Heizung sicher seit dem Winter einfach voll durchgelaufen ist. Das nutze ich gleich mal aus, um meine Regenjacke hier durchzuwaschen, da sie seit dem Wochenende den Muschel- und Fischgeruch nicht mehr los wird und ich kaum noch weiß, wo ich sie hinpacken soll. Damit ist für mich alles zur vollsten Zufriedenheit für heute geregelt. Ich habe es morgen nicht weit bis zur Hauptstraße an die Bushaltestelle, wo um kurz nach neun mein Bus Richtung Trondheim geht…
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  • 10. bis 14. Juli - Sommerferien

    10–14 jul. 2024, Noorwegen ⋅ ☁️ 18 °C

    Ist mir doch gestern am Abend noch meine 1,5 Liter Weithals-Trinkflasche zu Bruch gegangen! Schon aus schlagfestem Material und ein bewährtes Schätzchen hat sie doch das Rausrutschen aus dem Rucksack 30 cm tief auf einen Holztisch mit einem langen Riss quittiert. Aber ich bin ja nicht in der Sahara unterwegs, von daher werden es die anderen zwei Kollegen vorerst alleine weiter tun müssen.
    Die Nacht in der Hütte war sehr angenehm und ich stehe heute um halb sieben extra mit Wecker auf, damit ich pünktlich um neun unten an der Hauptstraße am Bus bin. Es geht Richtung Süden nach Trondheim. Ich treffe mich dort mit meiner alten Freundin Jessika. Ok, so alt ist sie nun auch nicht, aber das sagt man so. Eigentlich wollte sie mit mir ein Stück des Weges gehen, hat aber letztendlich nur knapp eine Woche zur Verfügung. Da sie bis raus in die Provinz gut zwei Tage braucht, das selbe natürlich auch wieder zurück, würden uns zwei oder höchstens drei Tage zur Verfügung stehen. Stattdessen haben wir uns jetzt in Trondheim vereinbart, ich fahre ihr also ein Stück entgegen und wir werden dort bis Sonntag bleiben.
    Die Öffis fahren hier ganz ordentlich, der Bus nach Grong zum Bahnhof je einmal vor- und nachmittags. Gut zwei Drittel der Strecke kenne ich schon, da ich sie in entgegengesetzter Richtung zu Fuß gelaufen bin. Es ist sehr interessant, die Orte und teils Schlafplätze entlang des Weges wiederzusehen.
    Der Zug ist recht voll; gut, dass hier im Fernverkehr beim Buchen des Tickets auch immer eine Platzreservierung obligatorisch ist. So stehen nicht die Gänge voll mit Passagieren, sondern wenn der Zug ausgebucht ist, dann war’s das. Einer der deutlichen Unterschiede der skandinavischen Länder im Vergleich zur Bahn in Deutschland.
    Meine Sitznachbarin ist Luise Fontain, wie man am Namen vielleicht nicht sofort vermutet, eine Grönländerin. Sie lebt weiter nördlich in Norwegen auf einer Farm, ist mit Ende 60 immer noch ständig mit dem Zelt draußen unterwegs und kommt gerade von einer Fembøring-Tour entlang der Küste zurück, von der sie mir erzählt und einige Bilder zeigt. Das sind traditionelle Segelboote, die teilweise als Weltkulturerbe zählen und neben den Segeln von 4 Ruderern plus Steuermann bewegt werden können. Da haben sich die zwei richtigen gefunden, es ist für mich äußerst spannend, ihr zuzuhören. Leider ist die Zugfahrt dann schon gegen halb drei in Trondheim zu Ende und wir verabschieden uns.
    Aus dem Bahnhof raus steuere ich gleich erst mal auf den Naturkompaniet-Shop zu. Es geht mal wieder um meine Schuhe und ich nutze die Gelegenheit, wenn diese Stadt schon einen solchen Laden hat. So sehr ich dieses neue Paar Wanderschuhe auch liebe und geradezu verehre, haben sie doch ziemlich das selbe Thema wie die anderen: an einem der beiden löst sich die Geröllkante an der Stelle, an der der Schuh beim Laufen geknickt wird. Und nein, dafür sind es Wanderschuhe geworden und ich sehe es nicht ein. In dieser offenen Stelle sammelt sich ständig Dreck und Wasser, ich kann dort nicht wachsen, so dass es zu erwarten ist, dass der Schuh hier am ehesten undicht wird oder kaputtgeht. Die freundliche Mitarbeiterin nimmt alle Daten auf und erklärt mir, dass die Kette in Norwegen anderen Regularien als in Schweden unterliegt, sie diese Schuhe zum Beispiel von einem anderen Händler beziehen und sie klären muss, was jetzt möglich ist oder nicht. Bis morgen verspricht sie mir aber eine Antwort. Na das ist doch ein guter Anfang.
    Ich fahre mit den Stadtbussen noch aus dem Zentrum raus bis zur Unterkunft und werde angesichts des Regenwetters, das sich über den Nachmittag eingestellt hat, heute hier auch enden.
    Sobald ich am Montag wieder auf Tour bin, gibt es für die Pinguine wieder Fisch und Chips, oder was die so fressen…
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