Von Montevideo nach Lima

December 2022 - March 2023
In zwei Monaten von der südamerikansichen Atlantikküste an die Pazifiküste Read more
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  • Day 42–43

    Willkommen in Bolivien

    February 7, 2023 in Bolivia ⋅ 🌩️ 31 °C

    Nach einer kurzen Nacht im Flughafenhotel in Campo Grande versuchen wir mal wieder Bustickets online zu kaufen. Der Bus würde dann nämlich direkt vor dem Hotel fahren. Ohne brasilianischen Personalausweis ist das leider nicht möglich. Wir versuchen es über WhatsApp, aber auch da wird die CPF verlangt, die Personalausweisnummer. Wir nehmen also ein Taxi zum Busbahnhof wo wir am Schalter das Ticket kaufen. Die Fahrt nach Corumbá, das direkt an der Grenze liegt dauert 6 Stunden. Die ganze Strecke fährt man durch den Pantanal, ab und zu wird die grüne Ebene durch hochaufragende Felsformationen unterbrochen. Unsere Unterkunft in Corumbá ist rustikal, aber die Leute sind nett. Am nächsten Morgen tauschen wir ein paar Dollars in Bolivianos. Das geht in Brasilien eigentlich nur bei der Bank. Unser Gastgeber zeigt uns auf Google Maps ein Privathaus. Wir klatschen davor in die Hände und tatsächlich kommt ein älterer Herr heraus bei dem wir ganz unkompliziert (aber illegal) unser Geld tauschen. Zu Fuß geht es dann zum Busterminal in der Innenstadt. Die Grenze liegt etwas außerhalb der Stadt am Fluss. Wir sind erst etwas verwirrt, weil es eine lange Schlange gibt in der aber keine der Personen aus unserem Bus steht. Nach etwas hin und her finden wir heraus, dass die Ausreise aus Brasilien an der anderen Tür ohne Schlange ist. Glück für uns. Ich war schon so auf lange Schlangen an brasilianischen Grenzen gepolt, dass ich gar nicht weiter geschaut hätte. Zu Fuß laufen wir auf die bolivianische Seite. Ich muss tatsächlich, dass erste Mal meinen Impfausweis zeigen, sonst läuft alles reibungslos. Direkt vor der Tür werden wir schon von einem Taxifahrer belagert, der uns erst das Doppelte von dem was uns vorher gesagt wurde berechnen will. Er geht ein bisschen runter, als wir ihm das sagen, aber erst als eine Bolivianerin dazu kommt zahlen wir den tatsächlichen Preis. Umgerechnet 1, 20 Euro pro Person. Am Busterminal von Puerto Quijarro, werden wir gleich von einer Frau bestürmt ein Ticket zu kaufen. Es ist zwar die Busgesellschaft, die wir wollen, aber der Bus fährt nicht in den Ort, sondern lässt einen auf der Landstraße raus. Allerdings sieht es so aus, als würde die nächsten Busse erst abends fahren. Wir haben nicht viel Zeit zu überlegen, denn der Bus parkt schon aus. Wir kaufen schließlich das Ticket und erwischen ihn noch am Ausgang des Parkplatzes. Leider konnten wir weder Essen noch Wasser kaufen, wir haben noch einen halben Liter und 2 Kekse, das muss reichen für die nächsten 4, 5 Stunden. Die Landschaft ist seit Campo Grande praktisch gleich geblieben. Grüne, niedrige Wäldchen und steil aufragende Felsen, ein bisschen wie in einem Dinosaurierfilm. An Bord des Busses werden passenderweise Filme gezeigt in denen es immer um das Überleben eines Menschen unter Wölfen in der Wildnis geht. Mal in der Moderne, mal in der Steinzeit. Gemein haben sie außerdem, dass sie vermutlich illegal von einer Website gedownloaded wurde, deren Adresse mit .to endet. Aber man versteht sie auch gut ohne Ton, dass ist der Vorteil. Leider hält der Bus tatsächlich nur an der Landstraße. Die versprochenen Taxis sind weit und breit nicht zu sehen. Nur ein paar Kühe und der Ort scheint ziemlich weit entfernt. Während wir noch scherzen, wir könnten ja die Kühe reiten, hält eine Familie mit einem kleinen Laster und nimmt uns auf der Ladefläche mit bis zur Plaza von Sa José de Chiquitos. Von dort können wir zu unserem sehr schönen Hotel sogar laufen. Ein guter Start in Bolivien: nette Leute, entspannter Ort und ein superschönes Hotel für 35 Euro die Nacht.Read more

  • Day 43–46

    San Jose de Chiquitos

    February 8, 2023 in Bolivia

    Unser erster Stopp in Bolivien ist San Jose de Chiquitos auf halbem Weg zwischen der Grenze und Santa Cruz de la Sierra, der zweitgrößten Stadt Boliviens. Das Departement Santa Cruz ist nicht so wie man sich Bolivien typischerweise vorstellt, sondern eher warm und tropisch. Die Leute hier sehen das auch so und wären eigentlich lieber unabhängig. Darüber führen wir in den nächsten Tagen immer wieder Gespräche. Santa Cruz ist das wirtschaftliche Zentrum und wohlhabender als der Rest des ärmsten Landes Südamerikas. Traditionell wird hier eher konservativ gewählt, die Mehrheit im Land haben momentan die Sozialisten mit ihrer Partei Movimiento al Socialismo (MAS). Nachdem Evo Morales zum Rücktritt gezwungen worden war, gab es eine kurze Interimsregierung der konservativen Partei Creemos. Bei den letzten Wahlen gewann dann der Kandidat von Morales Partei. Das hat in den letzten Monaten immer wieder zu Spannungen zwischen der Regierung und Santa Cruz geführt. Letzten Oktober wurde der Gouverneur von Santa Cruz Pedro Camacho wegen des Vorwurfs der Rebellion verhaftet. Dies führte zu wochenlangen Streiks und Straßenblockaden im ganzen Departement, wir beobachten daher die Situation ganz genau um notfalls schnell aus Santa Cruz "auszureisen".
    San José liegt in der Chiquitania, einer Region in der die Jesuiten im 18. Jahrhundert ähnlich wie in Paraguay mehrere Missionsdörfer gegründet haben, die heute zum UNESCO Weltkulturerbe gehören. Missioniert wurden hier Menschen, die von den Spaniern als Chiquitanos bezeichnet wurden, nach ihnen ist die Region benannt. Sie liegt eher nicht auf den typischen Tourirouten, aber ich kann mir das natürlich nicht entgehen lassen. San José ist ein beschauliches Städtchen mit einer netten schattigen Plaza mit Tukanen auf den Bäumen. Überall sind weiße Masken mit roten Wangen zu sehen: als Wandmalerei, als Schnitzereien und in diversen Formen als Souvenirs. Diese Masken tragen die sogenannten Abuelos zu einem traditionellen Tanz. Die Masken machen sich über die hellhäutigen, "übellaunigen" Kolonialherren lustig. Die Missionskirche und einige Nebengebäude sind noch erhalten. Hier gibt es unter anderem die meisten erhaltenen Wandmalereien in den insgesamt sieben Dörfern. Den ersten Nachmittag verbringen wir ausschließlich auf der gemütlichen Plaza, kaufen ein bisschen ein und kommen erstmal an. Am nächsten Vormittag genießen wir den Hotelpool und entscheiden noch eine Nacht dranzuhängen. Das Hotel Las Churapas ist eine wahre Oase mit einem großen Garten mit Pool, schön dekorierten Zimmern und extrem hilfsbereiten Besitzern. Nachmittags gehen wir in das kleine Museum und besorgen uns SIM Karten. Außerdem versuchen wir herauszufinden, was wir mit unserem Rückflug von Lima machen. Mittlerweile sind die Landgrenzen nach Peru geschlossen und auch wegen der anhaltenden Proteste ist es gerade vermutlich nicht das richtige Reiseziel. Da es bislang keine befriedigende Lösung gibt verschieben wir das Problem erstmal auf später. Die Leute hier laufen extrem weite Strecken. Immer wieder wird uns der Mirador als Ausflugsziel genannt, da könne man hinlaufen. tatsächlich sind es aber 6 km (eine Strecke) immer bergauf an der Straße entlang. Ein Ehepaar aus Cochabamba sieht das bei der Hitze als ähnlich unrealistisch an wie wir. Wir verabreden uns für den nächsten Tag und nehmen zusammen ein Taxi. Von oben hat man tatsächlich eine grandiose Sicht auf die grüne Ebene in der San Jose liegt. Auf dem Rückweg halten wir kurz an einer archäologischen Stätte. Hier wurde ursprünglich Santa Cruz gegründet. Es gibt so viele Moskitos, dass wir ziemlich schnell wieder ins Auto flüchten. Den Nachmittag verbringen wir wieder faul im Pool, es ist einfach zu heiß. Mit dem bolivianischen Ehepaar verstehen wir uns sehr gut und reden relativ viel über die aktuelle politische Lage im Land. Sie laden uns am Ende sogar nach Cochabamba ein.
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  • Day 45

    Chochis und Aguas Calientes

    February 10, 2023 in Bolivia

    Im Museum in San José hatte man uns schon von Santiago vorgeschwärmt und uns auch gleich einen Kontakt zu einem lokalen Guide vermittelt. Es gäbe dort präkolombianische Höhlenmalereien und wunderschöne Natur. Als Johann (österreichischer Großvater), der Besitzer unseres Hotels ebenfalls erzählt, wie schön es dort sei und auch der Reiseführer den Abstecher für lohnenswert hält, beschließen wir doch nochmal umzukehren. Johann schlägt uns vor einen Fahrer zu engagieren um auf dem Weg noch in Chochis und Aguas Calientes zu halten. Da er niemanden findet fährt uns kurzerhand selbst. Auf dem Weg unterhalten wir uns mal wieder über Politik und erfahren, dass auch er davon ausgeht, dass Santa Cruz in den nächsten Jahren unabhängig wird. Obwohl er wirtschaftlich sehr unter den Straßenblockaden leidet, da dann die Touristen ausbleiben, unterstützt er die Proteste vorbehaltlos. In Chochis gibt es ein Kapelle, die an die Opfer einer großen Flutkatastrophe 1979 erinnert. Mehrere Bildhauer haben monumentale Türen und Säulen geschnitzt. Einen der Bildhauer treffen wir zufällig auf dem Weg zur Kapelle und wir dürfen uns kurz seinen idyllischen Garten anschauen. Direkt nebenan gibt es einen kleinen Wasserfall, den Velo de Novia. Chochis liegt an der Bahnstrecke zwischen Puerto Quijarro, also der brasilianischen Grenze und Santa Cruz. Eigentlich wollten wir auch mit diesem Zug fahren, leider wurde der Betrieb nach der Pandemie nicht wieder aufgenommen. Direkt hinter der Kapelle ragt ein weiteres Wahrzeichen des kleinen Dorfes auf: der Backenzahn des Teufels (la muella del Diabolo). Von Chochis geht es nach Aguas Calientes. Hier gibt es einen Fluss aus heißem Thermalwasser. An mehreren Stelen kommt das heiße Wasser einfach aus dem Sand gesprudelt. Anders als bei uns riecht es aber gar nicht schwefelig, sondern ist kristallklar und geruchslos. Für 10 Bolivianos (ca. 1, 30 Euro) kann man in dem Fluss baden, kleine Fische kommen zu einem und knabbern alte Hautschuppen ab. Ein Naturspa sozusagen. Anschließend liefert uns Johann im beschaulichen Santiago ab,Read more

  • Day 46–48

    Santiago de Chiquitos

    February 11, 2023 in Bolivia

    Santiago ist wirklich winzig. Wir verbringen dort 2, 5 Tage, aber können immer nur in einem Restaurant essen und auch das nur zu sehr bestimmten Zeiten. Das einzige was abends nach 19.00 Uhr noch etwas serviert ist ein kleiner Imbiss, wo wir an unserem ersten Abend landen. Nach 12.15 Uhr hat man praktisch keine Chance mehr auf Mittagessen. Einmal im Jahr findet hier das Conservarte Festival statt, dass ein deutscher Hotelbesitzer aus Santiago veranstaltet. Künstler gestalten im ganzen Dorf Wandmalereien und andere Kunstwerke, die dann im Ort bleiben. Unser Hotel Las Cachuelitas ist mal wieder wirklich schön. Und Teresa, die Inhaberin konstant besorgt, dass wir uns langweilen oder verhungern könnten. Ohne sie hätten wir vermutlich gar nie etwas zu essen bekommen. An unserem ersten Nachmittag besichtigen wir nach ein paar Käseempanadas und Mocochinichi, einer Limonade aus Trockenpfirsichen, die kleine Dorfkirche. Santiago war auch eine Mission, gehört aber nicht zum UNESCO Welterbe, weil die Kirche größtenteils eine Rekonstruktion ist. Wir treffen Jose unseren Guide und besprechen mit ihm den nächsten Tag. Wir verabreden uns für 07.00 Uhr um zu den Cuevas de Miserendino aufzubrechen, dort gibt es Höhlenmalereien und auf dem Weg eine Felsformation namens El Arco. In ziemlich flottem Tempo geht es durch den Wald bergauf mit Abstand folgt uns eine Gruppe Affen, die wir aber nur hören. Oben angekommen geht es auf einer grasbewachsenen Ebene mit toller Aussicht auf Santiago weiter. Wir steigen in ein kleines Tal hinab, an einem kleinen Wasserlauf wachsen Riesenfarne, fast wie in einem Dinofilm und stehen plötzlich vor der Höhle. Die Wandmalereien sind durch den abwitternden Stein und Vandalismus teilweise zerstört, aber immer noch gut zu erkennen. Die Szenen wirken wie aus einem Comic. Etwas weiter im Wald gibt es eine weitere Höhle ohne Malereien. Ich bin erst etwas skeptisch, weil man durch einen schmalen Gang muss, aber dahinter öffnet sich eine gigantische Höhle, die durch ein kleines Loch in der Decke beleuchtet wird. Das ganze hat etwas von einer Kathedrale und unwillkürlich fangen wir an zu flüstern, Jose findet das ziemlich lustig. Pünktlich zum Mittagessen sind wir zurück. 14 Kilometer bei 30 Grad machen irgendwie müde und wir entspannen in der Hängematte. Abends fährt uns Teresa zum Anfang eines kurzen Wanderwegs zum Mirador del Valle de Tucavaca, leider fängt es ziemlich an zu regnen als wir fast oben sind. Wir halten erst tapfer aus, aber als ein Gewitter in der Ferne zu hören ist steigen wir wieder ab. Am nächsten Morgen wollen wir eigentlich zu den Pozas, ein paar natürlichen Schwimmbecken im Fels. Zu Fuß sind es 2 Stunden hin und 2 zurück. Mit einem Motorradtaxi spart man sich fast 1, 5 h pro Strecke. Irgendwie trauen wir uns nicht so richtig und das Wetter sieht auch etwas nach Regen aus. Da wir nachmittags weiterfahren wollen ist uns das alles dann doch zu unsicher und wir machen uns nochmal zu Fuß auf den Weg zum Mirador. Oben ist es sehr schön. Der Sandstein hat dort turmartige Strukturen gebildet, durch die man auf das Tal blickt. Nachmittags fährt uns Teresa nach Roboré, denn nach Santiago fahren kaum Busse. Um 17.00 Uhr fährt unser Truffi, das sind Kleinbusse, die zwar Abfahrtszeiten haben, aber immer warten bis sie voll sind. Sie sind schnell, aber unbequem. Die Zeit bis zur Abfahrt verbringen wir auf der unspektakulären Plaza von Roboré. Der Truffiverkäufer ruft uns an als der Bus fast voll ist und wir machen uns auf den Weg zum Busterminal. Die Fahrt zurück nach San Jose dauert etwa 2 Stunden.Read more

  • Day 48

    Busfahrt über Stock und Stein

    February 13, 2023 in Bolivia

    Als wir um 19.00 Uhr in San José am Busterminal ankommen, müssen wir uns erstmal an ein paar Kühen vorbeischieben. Der ganze Parkplatz ist voll mit Kühen und Pferden, ein etwas lustiger Anblick. Nur eine der zwei Gesellschaften, die nach San Ignacio fahren hat geöffnet - und sie haben nur noch ein Ticket. Wir warten eine Stunde bis der andere Schalter öffnet und tatsächlich gibt es auch da ein Ticket. Leider wurde das andere Ticket gerade verkauft. Nach ein bisschen hin und her und mehreren Telefonanrufen bekommen wir jeweils ein Ticket für unterschiedliche Busse. Meiner fährt um 01.00 Uhr, der meiner Schwester um Mitternacht. Wir können unser Gepäck am Schalter lassen und fahren nochmal nach San José rein um Abend zu essen. Zu unserer Pizza spielt die Blaskapelle der örtlichen Armeeeinheit. Als sie anfangen Despacito von Alberto Fonsi zu spielen wird es etwas absurd. Schon bei unserem ersten Aufenthalt haben wir Bekanntschaft mit sämtlichen Hippies und Punks gemacht, die sich in San José rumtreiben und zielsicher die wenigen Touristen erspähen um ihnen selbstgebastelten Schmuck zu verkaufen. Wir treffen sie alle wieder, aber scheinbar gibt es eine Regel, nicht zweimal den gleichen Touristen seine Sachen anzudrehen. Als die Plaza langsam leer wird nehmen wir ein Taxi zurück zum Busbahnhof. Busbahnhöfe sind in Südamerika meistens gute Orte um sich frühmorgens oder nachts aufzuhalten. Es ist immer viel los, es gibt Bänke, Toiletten und meistens auch was zu essen und das nahezu 24 h lang. Das bolivianische Gepäcksystem ist für uns noch etwas ungewohnt. Man gibt das Gepäck am Busschalter ab und dann wird es von der Busgesellschaft verladen. Man selbst muss sich nicht mehr kümmern, allerdings fehlt uns am Anfang ein bisschen die Sicherheit ob das auch funktioniert. Das Gepäck sämtlicher Passgiere auch für unterschiedliche Busse steht nämlich einfach in einem Haufen vor oder hinter dem Schalter und es ist unklar woher der Gepäckmensch weiß, in welchen Bus welche Gepäckstücke gehören. Außerdem steht das Gepäck teilweise auch völlig unbeaufsichtigt einfach vor dem Schalter. Außer uns beunruhigt das aber niemanden. Während wir auf unsere Busse warten füllt sich das Terminal zunehmend mit Mennoniten. Das wirkt irgendwie etwas gespenstisch, denn die Frauen tragen alle altmodische lange Kleider und kleine Hauben, die Männer alle dunkelblaue Latzhosen, karierte oder gestreifte Hemden und schwarze Caps. Vor allem die Männer sehen sich durch ihre "Uniform" ziemlich ähnlich. Nach einer Weile stellen wir fest, dass es verschiedene Gruppen gibt, deren Tracht sich marginal voneinander unterscheidet. Die Frauen sitzen in Zweiergruppen auf den Bänken, während die Männer ebenfalls meist zu zweit von Schalter zu Schalter ziehen und versuchen Fahrkarten zu bekommen. Auch ein paar Kinder sind dabei, die exakt die selben Klamotten tragen wie ihre Eltern. Diese blassen, blonden Menschen in ihren altmodischen Kleidern wirken in dem nächtlichen Terminal ziemlich bizarr und man muss sich anstrengen nicht zu starren. Untereinander sprechen sie alle Plattdeutsch, aber zumindest die Männer können auch gut Spanisch. Schon in San José hatten wir einige gesehen und erfahren, dass es rund um den Ort mehrere Kolonien gibt in denen sogenannte Altgläubige leben. Sie lehnen jeglichen technischen Fortschritt ab und haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht pioneerhaft Land urbar zumachen. Die Mennoniten haben sehr viele Kinder, deshalb brauchen sie immer neues Land, leider führt das zu Rodungen und Abholzung. Auch für die Bolivianer:innen sind die Mennoniten kurios. Mehrfach bietet man uns an uns zu einer der Kolonien zu fahren, damit wir uns das mal anschauen können. Was die Mennoniten dazu sagen? Nichts, die mögen das nicht, aber die starren nur, die machen nichts. Ah, ach nee danke. Scheinbar sind die bolivianischen Mennoniten in den 1970er Jahren aus Paraguay gekommen, weil ihnen da die Zivilisation zu nahe kam und die Schulpflicht eingeführt wurde. Um 0.20 Uhr kommt Lauras Bus und ich "überwache" die Verladung ihres Rucksacks. Ausgeladen wird unter anderem ein großes Holzkreuz...was man halt so dabei hat. Der Bus sieht ziemlich schrabelig aus und lässt einen nichts gutes ahnen. Ich warte weiter und beobachte die Mennoniten um mich herum. Plötzlich beginnt sich das Gepäckstück der bolivianischen Familie neben mir zu bewegen und hüpft von der Bank - es ist ein Huhn in einem Reissack. Dann bemerke ich, dass sich auch der andere Sack den sie dabeihaben zu bewegen beginnt. Ich tippe auf ein Ferkel. Später finden wir heraus, dass man eine gute Busgesellschaft daran erkennt, dass am Schalter ein Schild hängt " Mitnahme von Tieren verboten". Um kurz nach eins kommt mein Bus. Und er sieht tatsächlich schlimmer aus als der andere, sogar das Dach ist voll beladen und es gibt keine Toilette. Auf den Sitz neben mir quetscht sich ein übergewichtiger alter Mann, der leider sein halbes Bein und seinen halben Arm noch auf mir abladen muss, weil er nicht auf den Sitz passt. Die Busfahrt beginnt vielversprechend. Es ist unglaublich warm, trotzdem bietet er mir ca. alle 30 Minuten an, dass ich was von seiner schmuddeligen Wolldecke haben kann. Die Straße ist eine Vollkatastrophe. Man wird in den Sitzen richtig hochgeworfen und mehrfach muss der Bus plötzlich bremsen oder ein Stück rückwärts fahren um Anlauf zu nehmen. Immer wieder steigen mitten im Nichts Menschen aus. Der Gehilfe des Fahrers behält trotz des chaotischen Systems den Überblick wer wo aussteigen muss und weckt die Leute mit einer Taschenlampe. Er selbst hat eine dicke Ausbeulung in der Wange, die gefüllt ist mit Cocablättern, dass sieht man hier sehr oft, aber nur bei Männern. Wenn er vorbei läuft zieht er eine Coca Duftwolke hinter sich her. Um 03.00 Uhr halten wir in San Rafael. Ein großer Teil der Fahrgäste steigt hier aus und ich habe endlich einen Zweier für mich allein. Um 05.00 Uhr halten wir in San Miguel. Im Bus bleiben nur noch zwei Frauen und ich. Der Busgehilfe beginnt jede Menge Waren auszuladen, das dauert ewig. Als wir denken er ist fertig, stellt sich heraus, dass auch das ganze Dach noch abgeladen werden muss. Um dorthin zu kommen muss er aus einem der Busfenster klettern. Die Busgesellschaft arbeitet scheinbar auch als Transportunternehmen. Das man mit den Bussen Waren oder Pakete verschicken kann ist normal, aber dieses Ausmaß ist dann selbst für hiesige Verhältnisse extrem. Die beiden Frauen beschweren sich entsprechend. Die ganze Aktion dauert über eine Stunde. Um 07.15 Uhr bin ich dann endlich in San Ignacio. Meine Schwester wartet da schon seit zwei Stunden. Netterweise können wir im Hotel direkt in unser Zimmer und bekommen auch Frühstück. Alle Einheimischen, denen wir später erzählen wie wir nach San Ignacio gekommen sind müssen erstmal lachen.Read more

  • Day 48–49

    San Ignacio de Velasco

    February 13, 2023 in Bolivia ⋅ ⛅ 30 °C

    Geduscht und gestärkt werden wir um kurz vor 10 Uhr von Carlos, unserem Taxifahrer abgeholt. Das hatte das Hotel für uns organisiert. Für umgerechnet 50 Euro fährt er uns zu den etwas schlechter erreichbaren Missionen San Miguel, San Rafael und Santa Ana. Das bedeutet, dass wir zum Teil die Straße von letzter Nacht wieder zurückfahren müssen, aber mit den öffentlichen Bussen wäre das an einem Tag nicht möglich. Im Hellen wirkt es geradezu zu irre, dass große Busse auf dieser Straße fahren. Sie ist eigentlich eine einzige Baustelle, teilweise muss man durch extrem tiefen Sand fahren. Wenn es anfängt zu regnen, sitzen wir fest meint Carlos. Unser erster Stopp ist San Miguel. An der Plaza steht die beeindruckende Kirche der ehemaligen Mission. Die Kirchen wurden in den 1970er Jahren von einem deutschen Architekten restauriert und im Inneren stark rekonstruiert. In San Rafael hat die Kirche leider geschlossen. Sie macht erst wieder auf, wenn der Pfarrer seine Siesta beendet hat so zwischen 14.00 und 15.00 Uhr, sagt man uns. Es ist um 12.00 Uhr. Carlos nimmt uns mit in sein Stammlokal, dass als solches von Außen nicht zu erkennen ist. Es wirkt eher wie ein Privathaus. Zu Essen gibt es was eh grad für den Rest der Familie gekocht wurde. Für 2, 30 Euro pro Person bekommen wir Entenfrikassee, frittierte Kochbananen, Spiegeleier, Tomaten-Avocadosalat, Maniok und Getränke. Wir ziehen das Mittagessen tatsächlich 2 Stunden in die Länge, leider ist der Pfarrer immer noch nicht erwacht. Um 14.30 Uhr "dringen" wir einfach in den Pfarrgarten ein und quietschen ein bisschen mit dem Tor, aber vergeblich, zumindest können wir durch die Fenster schauen. Unser letztes Dorf ist Santa Ana und wie sich herausstellt, das Highlight der Tour. Santa Ana ist winzig und nur über eine schmale unasphaltierte Straße zu erreichen. Nicht mal die Plaza ist befestigt. Die Kirche ist deutlich rustikaler als die anderen, aber im Inneren unglaublich schön. Wir haben Glück, ein kleines Andachtsbild wird gerade in einer Prozession zurück in die Kirche begleitet, deshalb ist sie offen. In den Putz der Wände sind Glimmerstücke eingestreut, dadurch schimmern die Wände silbrig, wenn man durch die Kirche läuft. Die Skulpturen und die Deckenbalken sind statt mit Blattsilber mit Glimmerplättchen belegt. Die Kirche wurde erst in den 1990er Jahren restauriert, deshalb ist die Restaurierung etwas zurückhaltender ausgefallen und es gibt mehr originale Malereien an den Deckenbalken und den Wänden. In jedem der kleinen Dörfer gibt es ein Orchester. Die Orchester führen die Tradition der Jesuitenmissionen fort, in denen es ebenfalls Chöre und Orchester gab, die eigens komponierte Stücke während der Gottesdienste spielten. Gerade wird ein Film über das Orchester von Santa Ana gedreht. Fast alle Kinder des Ortes haben eine Geige oder sogar Cellos oder Kontrabasse dabei. Wir schauen ein bisschen bei den Dreharbeiten zu. Das ist tatsächlich sehr skurril. Die Filmcrew wirkt in dem Dorf, in dem es kaum Autos gibt, völlig surreal. Zufrieden und müde kommen wir abends wieder in unserer Unterkunft Parador Santa Ana an. Eigentlich wollten wir am nächsten Tag tagsüber nach Santa Cruz fahren, aber da fahren nur Truffis oder Busse von dem Typ mit denen wir aus San José gekommen sind. Noch etwas traumatisiert entscheiden wir uns für den Luxusnachtbus. In Bolivien ist das Reisen viel "entschleunigter" fast nichts findet man im Internet, man muss eigentlich immer am Busterminal fragen. Kartenzahlung ist selten möglich, online Buchungen von Bussen auch nicht. Kaum Hotels in den Nichttouristenregionen sind auf Buchungsplattformen. Man bucht über WhatsApp oder ruft an. Die Unterkünfte finden wir über Google Maps oder Facebook. Instagram scheint auch ein guter Tipp zu sein. das heißt leider für uns, dass wir morgens nochmal zum Busbahnhof fahren müssen um Tickets zu kaufen. Laut unserer Wirtin sind die Tickets für die guten Busfirmen schnell ausverkauft. Der Busbahnhof liegt ziemlich außerhalb. Zum Laufen bei der Hitze zu weit. Normale Taxen finden wir leider keine und so kommt es zu unserer ersten Mototaxifahrt. Während meine Schwester, das eigentlich halb so schlimm findet sterbe ich tausend Tode und es ist definitiv meine letzte Fahrt mit dem Mototaxi gewesen.
    Der Nachtbus beschert uns einen Tag in San Ignacio, das tatsächlich netter ist als gedacht. Das erste Mal gibt es so etwas wie Großstadtfeeling mit netten Cafés. Meine Schwester kann erstmals wieder zu ihrer vegetarischen Ernährung zurückkehren. Sehr Digitalnomad-like verbringen wir den Tag mit unseren Laptops an der Plaza von San José. Der Nachtbus ist wieder voller Mennoniten. Zum ersten Mal spricht uns sogar einer an. Er erzählt uns, dass er vor 45 Jahren aus Kanada gekommen ist. Er ist etwas enttäuscht, dass wir kein Plattdeutsch können, aber er spricht perfekt Englisch. Er ist auf dem Weg nach Santa Cruz um einzukaufen. Als wir ihn im Bus wieder treffen ignoriert er uns aber plötzlich.
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  • Day 50

    Von Santa Cruz nach Sucre

    February 15, 2023 in Bolivia ⋅ ☁️ 28 °C

    Nach acht Stunden Fahrt kommen wir in Santa Cruz, der größten Stadt Boliviens, an. Das Zentrum ist morgens um 07.00 Uhr ausgestorben und die niedrigen Gebäude mit den Kolonaden wirken eher kleinstädtisch. Wir wollen am Abend gleich weiter nach Sucre fahren, weil am nächsten Tag eine Anhörung mit Pedro Camacho geplant ist, in der entschieden wird ob ihm endgültig der Gouverneursposten entzogen wird. Carlos, der als erster Cruzeno, eher Anticamacho war, meinte zwar, dass nichts passieren wird, aber andere hatten uns gewarnt, dass es wieder Straßenblockaden und Streiks geben könnte. Wir wollen lieber nichts riskieren und nehmen deshalb zwei Nachtbusfahrten hintereinander auf uns. In Santa Cruz haben wir uns trotzdem ein Hotelzimmer gebucht, in das wir sogar schon um 07.00 Uhr einchecken können. Nach einer Dusche und Frühstück schlendern wir ein bisschen durch die Stadt. Richtige Sehenswürdigkeiten gibt es in Santa Cruz nicht, aber viele nette Cafés, sogar mit veganem Essen. In der Innenstadt gibt es außerdem einige Kulturzentren und kostenlose Ausstellungen und so hangeln wir uns von Café zu Café und von Ausstellung zu Ausstellung. Um 18.30 Uhr geht auch schon wieder unser Bus nach Sucre. Ganz so luxuriös wie der letzte ist er zwar nicht, aber wir sind müde genug. In den nächsten zwölf Stunden schraubt sich der Bus von 500 auf 2800 Höhenmeter aus dem Flachland in die Anden hinauf. Trotz gegenteiliger Behauptungen im Internet ist die Fahrt völlig ereignislos und trotz teils ungeteerter Straße bequem. Als wir morgens aufwachen ist die Landschaft draußen karg und bergig. Ein ziemliches Kontrastprogramm zum grünen, tropischen Santa Cruz. Als wir morgens um 07.30 Uhr in Sucre aussteigen, ist es plötzlich ganz schön kalt. Die Leute laufen in Daunenjacken rum und beim herumwuchten unserer Rucksäcke merken wir, dass die Luft doch etwas dünner ist. Praktischerweise können wir wieder um 08.00 Uhr einchecken und gehen nach einer Dusche erstmal frühstücken. Als wir im Hotel ankommen erfahren wir, dass die Anhörung verschoben wurde.Read more

  • Day 53–56

    Sucre

    February 18, 2023 in Bolivia ⋅ ☁️ 9 °C

    Nach drei von vier Nächten im Bus haben wir in Sucre erstmal drei Nächte eingeplant. Unsere Unterkunft Los Jazmines ist eine Casa Familiar. Also ein Privathaus. Wir haben sogar eine Küche und ein Wohnzimmer zur Mitbenutzung. Die Kälte ist eine echte Umstellung für uns, aber zumindest kann man jetzt mal die Sachen tragen von denen man sich die ganze Zeit gefragt hat, warum man sie mitschleppt. In Santa Cruz wütet gerade eine heftige Dengueepidemie, die schon vielen Kindern das Leben gekostet hat und die Krankenhäuser an ihre Belastungsgrenzen bringt. Unser ständiger Begleiter war daher das Mosquitspray. Eigentlich hatten wir gedacht, dass endlich im Rucksack lassen zu können, aber leider hat sich die Überträgermücke an die Höhenlage angepasst und auch in Sucre gibt es Dengue.
    Sucre ist die verfassungsmäßige Hauptstadt von Bolivien, der Regierungssitz ist in La Paz. Sucre ist eine kleine, aber progressive Stadt mit einer renommierten Uni und vielen Studierenden. Wieder gibt es auffällig viele vegetarische und vegane Restaurants, die vor allem von Einheimischen frequentiert werden. Die Altstadt von Sucre ist UNESCO Weltkulturerbe und hat den Beinamen "die weiße Stadt". Sie ist im typischen kolonialen Schachbrettmuster angelegt. Die Fassaden wirken von außen teilweise schlicht. Hinter den Toren verbergen sich dann aber unzählige Innenhöfe. Die nächsten Tage lassen wir uns einfach durch die Stadt treiben, besichtigen die vielen Klöster und Kirchen und gewöhnen uns an die Höhe. Es gibt ein gutes Museum zur Textilkunst der Region und ein ethnografisches Museum. Die Textilien aus dem Umland von Sucre gelten als die qualitätvollsten Boliviens. Seit einigen Jahren wird das Handwerk wiederbelebt und bietet ländlichen Gemeinden eine neue Einkommensquelle ohne zu Touristenkitsch zu verkommen. Überall in Sucre kann man die wunderschönen, aber auch teilweise sehr teuren Gewebe kaufen.
    Etwas außerhalb der Innenstadt ist der Mercado Campesion, der ähnlich wie in Asunción ein ganzes Viertel einnimmt. Allerdings ist hier alles ordentlich in Sektoren aufgeteilt. Wir trinken in der Saftabteilung einen frischen Maracujasaft für 70 ct und kaufen für 1, 30 Euro drei riesige Avocados. Am Samstag nehmen die Karnevalsfeierlichkeiten langsam Fahrt auf. Das bedeutet in Bolivien zum einen, dass verschiedene Blasmusikkapellen durch die ganze Stadt ziehen, zum anderen liefern sich alle auf der Straße eine Wasserbomben- und Rasierschaumschlacht. Wir werden meistens verschont, bekommen aber auch ein paar mal was ab. Womit wir nicht gerechnet hatten, ist das Karneval in Bolivien auch ein Familienfest ist. Rosenmontag und Faschingsdienstag sind Feiertage. Schon ab Samstag haben viele Restaurants, aber auch Museen geschlossen. Wie wir feststellen nicht die beste Reisezeit.
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  • Day 54

    Sonntagsmarkt in Tarabuco

    February 19, 2023 in Bolivia

    Bevor wir am Sonntag weiter nach Potosí fahren wollen wir noch auf den Markt nach Tarabuco. Das ist ein kleiner Ort etwa 1, 5 h von Sucre entfernt. Sonntags findet hier einer der größten Märkte der Gegend statt. Menschen aus den umliegenden Dörfern, aber auch aus Sucre reisen an um zu kaufen und zu verkaufen. Unter anderem gibt es hier auch die Textilien aus Tarabuco und den anderen Dörfern. Schon morgens an der Truffihaltestelle herrscht reges Treiben. Man muss richtig um einen Sitzplatz in den Minivans kämpfen. Die Fahrt ist ziemlich unbequem, weil eng, aber auf jeden Fall ein Erlebnis. Wir sind die einzigen Gringos weit und breit. Der Markt ist vor allem in den Straßen des kleinen Ortes. Und hier wird alles verkauft was Mensch so braucht: Schulsachen, Kleidung, traditionelle Bekleidungsstücke für die Cholas, Obst und Gemüse und eben auch Kunsthandwerk. Das wird allerdings weniger von den sehr vereinzelt anwesenden Tourist:innen gekauft, sondern vor allem von den Einheimischen. Tatsächlich scheint sich die ländliche Bevölkerung auf dem Sonntagsmarkt mit den notwendigen Dingen einzudecken. In Sucre gibt es, wie wir feststellen eine größere und auch günstigere Auswahl an hochwertigen Stoffen, aber Tarabuco ist in jedem Fall noch ein "echter" andiner Markt und keine Touristenattraktion. Ein paar Sachen shoppen wir am Ende doch noch und machen uns mittags auf den Weg zurück nach Sucre. Um 16.00 Uhr fährt unser Bus nach Potosí.Read more

  • Day 54–56

    Potosí

    February 19, 2023 in Bolivia ⋅ ⛅ 15 °C

    Die Fahrt nach Potosí führt durch wunderschöne Landschaft, leider getrübt durch Unmengen von Müll am Straßenrand. Als wir ankommen wird es gerade dunkel und vor uns leuchtet der Cerro Rico. Der berühmte Berg war zu Kolonialzeiten die bedeutendste Silbermine der Welt und finanzierte das gesamte Spanische Kolonialreich. Potosí wuchs zu einer der größten Städte der damaligen Welt an. Das Metall wurde unter furchtbaren Bedingungen von indigenen und schwarzen Sklaven abgebaut. Man vermutet, dass von 1545 bis zur Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert etwa 6 Mio. von ihnen dabei starben. Heute sind die Silbervorkommen nahezu erschöpft und Potosí eine eher unbedeutende Kleinstadt. In den Minen wird von Kooperativen Blei und Zinn abgebaut. Die unmenschlichen Arbeitsbedingungen haben sich kaum verbessert und die Minenarbeiter sterben früh und sind in der Regel nach 10 - 15 Jahren arbeitsunfähig, weil ihre Lungen ständig Asbest und Siliciumstaub ausgesetzt sind. Die Kooperativen haben eine rudimentäre Kranken- und Rentenversicherung, die man aber erst nach 5 Jahren in Anspruch nehmen kann. Mit 15 fangen die Arbeiter in der Mine an. Die meisten Tourist:innen kommen nach Potosí um die Minen zu besichtigen. Wir haben uns aus verschiedenen Gründen dagegen entschieden. Potosí ist durch seine reiche Geschichte auch so eine sehenswerte Stadt. In der Casa de la Moneda wurden die ersten Münzen des Kontinents geprägt und die reichen Potosiner bauten viele Kirchen, Klöster und Paläste. Leider erwischen uns die Höhe und der Karneval mit voller Wucht. Potosí liegt nämlich auf 4090 Metern. Atemnot, Übelkeit und rasende Kopfschmerzen vermiesen uns den Stadtbesuch. Wegen Karneval ist außerdem alles geschlossen, auch die meisten Sehenswürdigkeiten. Nach mehreren Cocatees, dubiosen Schmerzmitteln und einer heißen Suppe können wir am Nachmittag wenigstens die Gebäude von außen ansehen. Nur das Convento de Santa Teresa hat auf. Das Gebäude und seine Geschichte, hier wurden die zweitgeborenen Töchter der Potosiner Oberschicht untergebracht, sind zwar sehr interessant, aber wir haben Mühe uns zu konzentrieren. Mehrmals werden wir ziemlich nass, Wasserbomben und sogar Wassereimer sind auch hier im Einsatz. Leider ist es auch wirklich ziemlich kalt, vor allem nachts.
    Zu allem Überfluss hat am Faschingsdienstag auch noch das Busterminal geschlossen. Unsere einzige Option nach Uyuni zu kommen ist ein Bus um 06.00 Uhr morgens. Da wir unsere Tour über den Salzsee untypischerweise schon gebucht haben, bleibt uns nichts anderes übrig als aus fast 2 Tagen Potosí 1 Tag zu machen. Trotzdem hat sich der Besuch der Stadt gelohnt. Allein der Anblick des allgegenwertigen Cerro Rico, der wie ein Schicksalsberg über der Stadt thront ist fast eine Reise wert.
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