Schwein gehabt
26 maggio 2019, Spagna ⋅ 🌧 15 °C
T5, Tag 36, WT 30:
Biarritz – Hondarribia / Irun, Spanien (31,3 km, H420, A460) reine Gehzeit 6:59
Einmal mehr bereuten wir es immer so wenig Zeit zu haben. In Biarritz nur eine Nacht gewesen zu sein ist eigentlich eine Sünde, aber so war es schon so oft.
Wir wollten in sechs Wochen so weit wie möglich kommen, in jedem Fall aber Spanien erreichen. Der Preis dafür waren zu viele Tageskilometer und zu wenig Zeit am jeweiligen Tagesziel, so auch hier. Auch waren es insgesamt viel zu wenig freie Tage. Freie Tage waren ein Luxus und kostbar.
Seit dem Start in Vézelay (Burgund) sind bis heute sechsunddreißig Tage vergangen, davon hatten wir nur sechs Tage frei. Dreißig Tage waren wir also nur auf den Beinen. Die durchschnittliche Distanz eines Wandertages betrug um die dreißig Kilometer. Einmal von der täglichen körperlichen Erschöpfung abgesehen, blieb nach einer sechs bis acht Stunden Wanderung kaum noch Zeit für Sightseeing. Oft waren wir sogar zu fertig, um Essen zu gehen, dann blieb nur noch der Eiweißriegel im Bett.
Wie auch immer, das alles klingt anstrengend und manch einer mag sich fragen, warum man sich das antut, aber für uns war bisher immer der Weg das eigentliche Ziel.
Wir gelobten uns für die nächste Wanderung Besserung.
Von San Sebastian nach Santiago und weiter ans Ende der Welt wollen wir bei der Planung nachbessern. Dann wird zwar weiterhin unser Weg das Ziel sein, aber wir wollen es ruhiger angehen und nach einer Tagesetappe mehr Zeit für Land und Leute haben. Das aber bedingt deutlich weniger Tageskilometer, Etappen um die zwanzig sind optimal.
Aber jetzt müssen wir erst noch die sechzig Kilometer bis San Sebastian erwandern. Nur noch zwei Wandertage, inklusive heute, ein merkwürdiges Gefühl. Auf der einen Seite die Freude das wirklich geschafft zu haben, andererseits Trauer, weil es gleich vorbei ist. Von San Sebastian fliegen wir erst mal nach Hause um später wieder von dort den nächsten Abschnitt zu beginnen.
Schlendernd verließen wir Biarritz schneller ging nicht, zu viel gab es zu sehen. Das Meer, die schroffe Küstenlandschaft, die Häuser, es war die perfekte Komposition.
Die Wanderung heute hat es in sich, über einunddreißig Kilometer und vierhundertzwanzig Höhenmeter. Und dann gab es auch noch eine Zeitvorgabe, denn um die letzte Fähre über den „Bidassoa“ zu erreichen müssen wir spätestens kurz vor sechs in „Hendaye“ sein. Es ist der letzte französische Ort an der Küste, auf der anderen Seite ist bereits „Hondarribia“ in Spanien.
Die Mündung des Flusses ist zugleich Hafenbecken, ziemlich riesig, rund fünfhundert Meter breit und erstreckt sich über mehrere Kilometer ins Landesinnere. Das Fähre heute nicht mehr zu erreichen, bedeutet insofern eine lange Taxifahrt, um nach „Hondarribia“ zu kommen. Die nächste Autobrücke wäre weit, das ganze Becken müsste dazu umfahren werden.
Das Wetter meinte es heute nicht gut mit uns, es fing an zu regnen. Die Schönheit des Küstenverlaufs zu beschreiben, würde den Rahmen sprengen, zu viel gäbe es, trotz der unangenehmen Nässe, zu berichten.
Erwähnen möchte ich aber den kleinen Ort „Bidart“. Sechs Kilometer hinter Biarritz thront er mit seinen baskisch rot-weißen Häusern hoch auf den Klippen über dem Atlantik. Es ist das höchstgelegene Dorf an der baskischen Küste. Wir waren happy, dass wir hier unsere erste Pause zelebrierten, obwohl das eigentlich noch viel zu früh war. Der Ort scheint sich bereits herumgesprochen zu haben, massenweise Touristen.
Wir waren wieder auf irgendeinem Küsten-Jakobsweg unterwegs.
Mit dem vierzehnten Kilometer und glitschenaß in voller Regenmontur, liefen wir in „Saint-Jean-de-Luz“ ein, ebenfalls ein wunderschöner und alter Baskenort, nur viel größer als „Bidart“. Auch hier waren wir überwältigt, weil wir mit so viel baskischer Kultur- und diesen Unmengen von Touristen in Frankreich und zu dieser Jahreszeit, nicht gerechnet hatten.
Die zweite Pause bei vielfältigen Impressionen war fällig, bevor wir nach der Umrundung des Hafenbeckens auf der anderen Seite diesem Highlight den Rücken kehrten. Weiter ging es immer den Küstenweg entlang, jeder Ausblick spektakulärer als der andere.
Nach siebenundzwanzig Kilometer fühlten wir den Strand von „Hendaye“ zwischen unseren Zehen. Der Regen hatte sich mittlerweile verzogen, die Wolken aber hingen noch tief. In der Ferne erahnten wir einen schönen Küstenort, zwar etwas moderner als das, was wir bisher gesehen haben, aber dennoch baskisch.
Mit Schrecken realisierten wir plötzlich die Zeit, es war viertel nach fünf, bis zum Hafen waren es noch zweieinhalb Kilometer, Panik kam auf.
Es kostete einige Mühe auch Marion davon zu überzeugen, dass Sie Ihrer Strandbegeisterung ab sofort Einhalt gebieten muss. Es folgte ein strammer Marsch, gepeinigt von der Zeit.
Um zehn vor sechs erreichten wir das riesige Hafenbecken, noch zehn Minuten bis zur Abfahrt. Wir suchten verzweifelt den Anleger der Fähre, weit und breit nichts zu finden, kein einziger Hinweis. Wir quatschten verzweifelt alle möglichen Passanten an, bis wir den entscheidenden Tipp bekamen. Es waren noch Zweihundert Meter bis zum Anleger.
Völlig erschöpft von Wanderung und Endspurt sprangen wir als Letzte, atemlos auf die kleine Fähre, geschafft, Schwein gehabt.
Die Überfahrt wurde dann wieder zum Sightseeing, Schiffe glotzen macht immer Spaß.
Drüben angekommen betraten wir „Hondarribia“, eine Art Vorort von „Irun“. Vermutlich ist Erstere der ältere Ort, schon auf dem Schiff war klar dass es hier spannend werden würde.
Am Pier lagen alte Fischerkähne aus Holz zur Reparatur, und verzauberten das alte Stadtbild zusätzlich. Zum Hotel war es nur noch ein knapper Kilometer den wir, nach dem Sprint auf der anderen Seite, nun genussvoll schlenderten. Über der Stadt thronte der mittelalterliche Teil des Ortes.
Wir residierten im Hotel „Rio Bidasoa“. Nix besonderes, und fast direkt an der Runway des Flughafens von „Irun“ gelegen aber dafür am Fuße der Uraltstadt. Die Runway störte kaum, es waren nur wenige Flugzeuge die hier ihre Passagiere entließen.
Eine kurze Dusche und schon waren wir wieder auf dem Weg, die Treppen hinauf zum mittelalterlichen Kleinod. Es war phantastisch hier, im wahrsten Sinne steinalte Gebäude, enge Gassen und mittendrin eine ebenso steinalte Kirche aus dem fünfzehnten Jahrhundert, die Kirche von „Santa María de la Asunción y del Manzano“. Wieder einmal hätte ich gerne von ihr erzählt beklommen, was sie bis heute alles so erlebt hat, Gutes- wie Böses.
In der überaus historischen „Cafetería Carlos V“, gleichzeitig auch ein Hotel, kamen wir endlich zur Ruhe. Hey, wir waren in der „Autonomen Gemeinschaft Baskenland“. Kaum vorstellbar, dass hier fünfunddreißig Jahre ein Bürgerkrieg mit achthundert Toten wütete.
Morgen ist unser letzter Wandertag.Leggi altro