E1-Deutschland.Süden

мая - октября 2016
Im dritten Jahr auf dem E1 durch Deutschland. Es geht vom Rhein weiter Richtung Süden zum Bodensee, wo die Wanderreise nach 72 Tagen zu Ende geht.
E1-Tag 41-72, drei mehrtägige Touren durch den Odenwald und den Schwarzwald. 668km
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  • E1-49-D-Öhlmühle [Oberderdingen] (25km)

    8 июня 2016 г., Германия ⋅ 22 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (8)

    Babygeschrei reißt mich sehr früh aus dem Schlaf. Stehe ich halt auf. Duschen, in aller Ruhe frühstücken, Rucksack packen. Es beginnt Routine zu werden. Das Zelt bleibt bis zum Schluss stehen, damit es ganz trocknen ist, wenn ich es einpacke.
    Der Weg führt mich über sanfte Hügel, Wald gibt es nur noch wenig. Der Odenwald liegt endgültig hinter mir.
    Heute ist es nicht mehr so warm wie gestern, aber schön sonnig. Ich komme durch Menzingen, dort geht es über den Stadtbahnwanderweg nach Odenheim. Ich hatte damit gerechnet, in einem Supermarkt Proviant aufnehmen zu können, aber es liegt keiner auf meinem Weg. Auch kein Bäcker, einfach nichts. Notgedrungen kaufe ich in einer Tankstelle ein Magnum-Eis, außer kalten Getränken und süßen Snacks haben sie nichts.
    Ich setze mich auf eine Bank, knacke genüsslich das Magnum und denke an die Fernsehwerbung. Mir fällt auf, dass die Bank direkt vor einer Bäckerei steht. Sie ist klein und unscheinbar und hat kein Schaufenster. Deshalb habe ich sie übersehen. Sie hat geschlossen, denn es ist Mittagspause, wie in dieser Region allgemein üblich. Zwischen 12 bis 15 Uhr geht nichts. Und Montag auch nicht, da haben alle Ruhetag. Das macht die Versorgung beim Wandern nicht einfach.
    Ich werfe einen Blick auf die Wanderkarte und entdecke ein Zeichen, dass für ein Wanderheim steht. Das interessiert mich. Ich kann mehrere dieser Symbole auf der Karte entlang meines weiteren Wegs entdecken. Ich passe meine Tour an, es liegt nur ein paar Kilometer weiter im Wald. Doch ich werde enttäuscht, denn es hat geschlossen, ist überhaupt nur Sonntags für Wandergruppen geöffnet, wie ein Schild informiert. Es ist also keine preiswerte Alternative bei Regen zum Campingplatz, wie ich gedacht hatte. Schade. Also weiter. Es geht jetzt auf engem Weg nach Kürnbach. Wieder einmal bin ich überrascht, welch kleine Pfade Else Komoot kennt! Das Gras steht hoch und müsste gemäht werden. Aber der viele Regen hindert vielleicht denjenigen, der für diesen Wegabschnitt zuständig ist. So wird ein Zeckenwege draus. Aber da bin ich schon sorgloser geworden und lasse meine nackten Beine an hohen Grashalmen vorbeistreifen, denke wenig an die blutrünstigen Zecken, die nur darauf lauern, auf meine Beine zu springen. Denn ich habe vorgesorgt, jeden morgen Kokosöl auf Arme und Beine verteilt. Es war ein guter Tipp einer Pferdeliebhaberin, die ihrem Pferd Hufe und Beine damit einreibt. Die Zecken sollen den Geruch nicht mögen und ich hoffe inständig, dass es stimmt. Bisher hat noch keine Zecke angebissen.
    Nun ist es nicht mehr sehr weit bis zur Ölmühle, die heute meine Unterkunft sein soll.
    Im Osten braut sich ein weiteres Unwetter zusammen. Zunächst sind es nur dunkle Wolken, die sich schnell zu bedrohlicher Größe auftürmen und pechschwarz werden. Ist da nicht eine Windhose zu sehen? Ich beschleunige meine Schritte, denn in dieses Unwetter möchte ich nicht geraten.
    Ein klapperiges, altes Auto überholt mich. Kaum ist es an mir vorbei, da stoppt es abrupt, der Fahrer verrenkt seinen Kopf, während er aus der Seitenscheibe zu mir rüberschaut. Nach einer Weile kurbelt er das Fenster herunter.
    "Wills´t mit?" fragt er. "Wegen de Unwedde".
    "Ja". Ich schmeiße Kumpel schnell auf den Rücksitz.
    "Danke". Ich bin echt froh, auch wenn jetzt ein paar hundert Meter Deutschland unter meinen Wanderstiefeln fehlen. Es ist mir egal in diesem Moment.
    Schon an der nächsten Kreuzung läßt er Kumpel und mich raus.
    "Do isses", meint der Fahrer, dann tuckert er weiter.
    Ich nehme die Füße in die Hand und sehe zu, dass ich zur Ölmühle komme, denn es beginnt zu regnen.
    Das alte Gemäuer, das die Ölmühle sein soll, sieht schon etwas herunter gekommen aus. Ich hatte mir etwas anderes vorgestellt und ob des ersten Eindrucks bin ein wenig enttäuscht.
    In einem Gartenhäuschen sitzt der Gastwirt mit seiner Frau. Sie sehen fern.
    "Ah, do isch de Wanderer", begrüßt er mich und zeigt mir sofort, ohne viel mehr zu sagen, mein Zimmer.
    "Bekomme ich noch etwas zu essen?", frage ich besorgt, denn hier ist überhaupt nichts los und anscheinend bin ich der einzige Gast.
    "Ah, scho. Sie mögen sicher Schnitzel mit Pommes?" Das war keine Frage.
    "Klingt gut", meine ich. Hauptsache Essen, denke ich.
    "I klopf' dann", meint er schon im Gehen.
    Der sucht nicht den Kontakt zu seinen Gästen, denke ich, während ich auspacke.
    Tatsächlich klopft es um 19:30 an meiner Zimmertür.
    Der Wirt steht draußen.
    "Dos Esse steht auf de' Tisch. Macht 54,90€ für Übernachtung, Esse' und Frühstück. Wenn's geht, bar!"
    "Lassen Sie mich erst einmal essen. Es wird doch kalt."
    Ich merke, das passt ihm nicht. Er zieht wortlos ab.
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  • E1-50-D-Maulbronn (12km)

    9 июня 2016 г., Германия ⋅ ⛅ 22 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (9)

    Während es draußen ungeheuer viel geregnet haben muss, habe ich in der ungastlichen Unterkunft herrlich geschlafen.
    Um 7:30 klappert es draußen, das Frühstück wird wohl gerichtet. Zu sehen bekomme ich niemanden und als ich meine Zimmertür öffne, liegt der Frühstücksraum verlassen vor mir, eine Neonröhre am Fenster beleuchtet den Raum mit kaltem Licht.
    Hungrig mache ich mich über das karge Frühstück her. Den vereinbarten Lohn lege ich einfach auf den Tisch, packe meine Sachen, schultere Kumpel und gehe wortlos. So möchte es der Wirt wohl auch haben. Mir scheint, er sucht keinen Kontakt zu seinen Gästen.
    Es ist bewölkt und kühl. Der Weg ist matschig und die Wanderstiefel bald über und über mit Dreck bedeckt.
    Kurz vor Freudenstein trete ich aus dem Wald. Vor mir liegen Weinberge, durch die ein schmaler Steig nach unten führt. Hier soll es langgehen, meint Else Komoot, doch vorher muss ich noch eine Straße überqueren. Sie ist mit heruntergeschwemmter Tonerde bedeckt, durch die ich waten muss. Die nasse, schwere Erde reicht bis zur den Stiefelschäften. Ich frage mich gerade, ob ich meine Schuhe wohl je wieder sauber bekomme, da höre ich eine weibliche Stimme hinter mir:
    "Da würd' ich nich lang gehe, wegge de Zegge."
    Da hat sie wohl recht, denn das Gras, das auf dem abschüssigen Steig wächst, würde mir bis zur Hüfte reichen.
    Wo ich denn langgehen könne, frage ich sie und so kommen wir ins Gespräch.
    Eine Dogge neben ihr wartet ungeduldig, sie möchte weiter. Doch die Frau erzählt mir in aller Ruhe aus ihrem Leben. Sportlich schaut sie aus und wie sie erzählt, ist sie es wohl auch. Fährt mit dem Rad lange Touren, macht Kickboxen. Sie muss in meinem Alter sein und ihre Sportlichkeit beeindruckt mich sehr. Doch dann driftet sie ab in das derzeit so aktuelle und unerfreuliche Thema <Ausländer>, steigert sich zunehmend hinein. Anscheinend gibt es auch hier ein Thema mit Flüchtlingen. Zumindest in den Köpfen mancher Menschen.
    Ich versuche, freundlich zu bleiben und verabschiede mich unter dem Vorwand, dass mir kalt wird.
    Der Weg führt durch die Weinberge, für den Umweg werde ich mit einem schönen Ausblick belohnt.
    Kaum bin ich im Tal in Freudenstein, geht es auch wieder steil bergauf. Wieder ist der Weg reich an Höhenmetern, die es in die eine oder andere Richtung zu überwinden gilt.
    Bald erreiche ich Maulbronn, es ist noch früh, denn der Weg bis hierhin war nicht weit.
    Am Nachmittag ist Zeit, die Klosteranlage Maulbronn zu besichtigen.
    Doch erst einmal mache ich ausgiebig Rast, hole den Kocher hervor und braue mir einen heißen Instant-Kaffee. Ich muss kurz an Dannee denken und ihre Meinung über meinen Kaffee: "Schwarz und heiß und schmeckt wie Sch...".
    Im Internet finde ich die Pension StuttgART36. Eine schön gemachte Site verführt mich zu einem Anruft und schon habe ich ein Zimmer für die Nacht. Wie schön.

    Kurz darauf checke ich in der Pension ein. Ein stilsicher restauriertes, altes Gebäude, von den Eigentürmern liebevoll betrieben.
    Ohne Kumpel erkunde ich bald das UNESCO-Weltkulturerbe <Kloster Maulbronn>. Es gibt viel zu sehen, jeder Blick offenbart Interessantes. Die alten Klostermauern beherbergen auch ein Internat, und das bereits seit mehreren hundert Jahren in ununterbrochen Folge. Ansonsten hat das Kloster eine wechselhafte Geschichte.
    Ich bin erstaunt, wie wenige Touristen hier unterwegs sind. Dabei haben wir das herrlichstes Wetter.
    Lustwandeln macht Hunger.
    Am Klosterplatz liegt das Restaurant <Zur Klosterkatz>. Ich lasse mich draußen in der Sonne nieder und bestelle Pizza Tonno und vorab und ganz schnell ein großes, dunkles und süffiges Klosterbier. Oh, das schmeckt so gut, dass gleich noch ein Zweites her muss.
    Wenn man alleine unterwegs ist, hat man auch mußevolle Zeit und kann in Ruhe beobachten. Das tue ich ausgiebig, während ich auf mein Essen warte.
    So sitzt am Nebentisch ein älterer Mann in weiblicher Begleitung. Seinen dicken Bauch trägt er mit Würde und bestellt die Speisekarte gerade rauf und runter. Nebenbei unterhält er seine weibliche Begleitung königlich mit klugen Sprüchen. Sie turteln und geben sich Küsschen. Süß.
    Zwei Tische weiter: ein alter Herr - sehr entspannt. In der Hand eine Zigarre, an der er gelegentlich genüsslich saugt. Er macht auf mich den Eindruck des weisen Geistlichen. Ihm gegenüber: ein junger Mann - sehr aufrechte Haltung, angespannt. Seine Hände in ständiger Bewegung, währenddessen er sein Gegenüber nicht aus den Augen lässt.
    Auf der anderen Seite: eine amerikanische Großfamilie. Die junge Mutter genießt entspannt ihre Pommes, während ein junger Mann den Alleinunterhalter für die zahlreichen Kinder spielt. Erst spielt er mit ihnen Verstecken, dann Fassen kriegen, dann Fußball. Die Kinder wollen ständig etwas anderes. Schließlich setzt er sich und stibitzt von allen Tellern übrig gebliebenen Pommes. Ein Junge - vielleicht sechszehn - läßt seine Knie pausenlos auf und ab hämmern. Seine Mundwinkel sind nach ganz unten gezogen. Beim Fußballspielen hat aber auch er später seinen Spaß und gibt ordentliche Pässe.
    Dann verschwindet die Sonne vom Klosterplatz. Rasch wird es kühl. Ich verschwinde auch, mir ist jetzt nach Ruhe.
    Den Abend beschließe ich mit Fernsehen. Wild Wild West mit Will Smith ist heute genau das Richtige für mich. Leichtigkeit des Seins.
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  • E1-51-D-Niefern (18km)

    10 июня 2016 г., Германия ⋅ 24 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (10)

    Das Frühstücksbuffet ist liebevoll angerichteten, so dass ich lange bleibe. Erst spät checke ich aus, um heute auf die letzte Tour der Odenwald-Etappe zu gehen.
    Kumpel freut sich, wieder an meinem Rücken zu hängen. Ich freue mich nicht so sehr, denn ich bin es, der ihn gleich wieder bergauf schleppen muss. Es geht quer über einen Schulhof im neuen Teil Maulbronns, gerade ist Pause: Schülerinnen und Schüler schauen mir wortlos nach. In einer Ecke knutscht ein junges Pärchen; die beiden interessieren sich nicht für mich.
    Bald umgibt mich wieder der Wald. Der Weg ist trocken, der Regen mittlerweile versickert. Durch das Blätterdach blinzelt die Sonne.
    Nach fünf Kilometern stoße ich auf den Nachbau einer alten Wehranlage. Hier wird demonstriert, wie Ende des siebzehnten Jahrhunderts die Eppinger Linie verteidigt wurde. Vor mir steht ein 12m hoher Holzturm (Chartaque), der Teil einer Verteidigungsanlage war. Ich besteige ihn und bin von dem Ausblick über das weite Tal überwältigt. Der Turm wird durch spitze Pfähle geschützt, die damalige französische Angreifer abwehren sollten.
    Kurz darauf stoße ich auf den Eppinger Linien Weg. Es ist zwar ein kleiner Umweg, aber der Pfad sieht sehr interessant aus. Er verläuft auf dem alten Wall, der damals innerhalb von zwei Jahren von verdungenen Bauern geschanzt wurde, links davon ein tiefer Graben. Ein Verhau ineinander verkeilter Baumstämme machte die Verteidigungslinie damals komplett. Das war sehr effizient und ihre abschreckende Wirkung verhinderte eine Eroberung durch die Franzosen im Pfälzischen Erbfolgekrieg, den der alte Sonnenkönig König Ludwig XIV anzettelte. So einfach war das damals noch.
    In Mühlacker finde ich endlich einmal wieder einen Supermarkt, wo ich mich mit einer großen Tüte Salat versorge. Nach einem kurzen Gang durch die Fußgängerzone treffe ich auf die Enz. Auf einer ergonomischen Bank direkt an der Enz genieße ich eine sehr entspannende Pause und verdrücke dabei den ganzen Salat auf einmal. Auch die Enz führt Hochwasser, wie braune Trinkschokolade fließt es träge an mir vorbei.
    Als die Sonne hinter den schützenden Blättern hervorlugt, mache ich mich wieder auf den Weg. Auf einer Brücke überquere ich die Enz, der verträumte Weg schlängelt sich direkt am Flusslauf entlang.
    Noch einmal treffe ich auf eine Schutzhütte und beschließe spontan, eine Pause zu machen und den letzten Kaffee - schwarz wie Sch... zu kochen.
    Lange sitze ich, starre gedankenverloren auf die Enz, die weit entfernt hinten im grünen Flussdelta fließt. Ich packe zusammen und schultere Kumpel, der mir heute gar nicht so schwer vorkommt wie sonst.
    Schließlich bin ich am Ziel, nur noch eine Treppe hoch. Doch sie ist gesperrt, was einen längeren Umweg bedeutet.
    Dann sehe ich mein Hotel, dass ich aber erst umrunden muss. Eine breite, dicht befahrene Straße muss noch überquert werden und unglücklicherweise muss ich der Straße auch noch ein Stück folgen, denn einen anderen Weg zum Hotel gibt es hier nicht. Fußgänger sind hier nicht vorgesehen und die PKW und LKW rasen gefährlich dicht an mir vorbei, nehmen wenig Rücksicht.
    Doch auch das ist bald geschafft und schon vergessen.
    An der Rezeption des Hotels empfängt man mich freundlich. Ein junger Mann fragt, ob ich mit dem Fahrrad angereist sei. Er hat offenbar nicht so genau hingeschaut, denn mit Kumpel auf dem Rücken würde das nicht gehen.
    Das Zimmer im Neubau ist schön und von der nahen Autobahn ist durch die geschlossenen Fenster nichts zu hören.
    Luxus pur am letzten Abend. So war es geplant und so bekomme ich es jetzt.
    Die Sauna ist leider nur lauwarm, dafür ist der Spargel, den ich anschließend auf der Sonnenterrasse genieße, schön heiß. Heute gibt es alkoholfreies Hefeweizen dazu.
    Die Nachtruhe kommt früh und ist friedvoll. Das erste Spiel der EM 2016 lasse ich sausen.
    Bevor ich die Augen schließe, beschäftige ich mich noch ein wenig mit der nächsten Tour, die mich durch den Schwarzwald führen wird.
    Im Moment verspüre ich wenig Lust dazu. Vielleicht verschiebe ich sie auf das nächste Jahr. Mal sehen.
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  • E1-52-D-Pforzheim (7km)

    11 июня 2016 г., Германия ⋅ ⛅ 20 °C

    Donnerwetter! Durch's Rheintal und den Odenwald (11)

    Ein solides Businessfrühstücksbuffet gibt mir die Kraft für das letzte Stück.
    Es soll wieder regnen und so will ich nur bis zur nächsten S-Bahnstation spazieren.
    Aber die Prognose ist heute falsch, es wird freundlich, fast sonnig. Statt rechts zur S-Bahn abzubiegen, gehe ich einfach weiter geradeaus und marschiere auch die letzten Kilometer bis zum Pforzheimer Bahnhof an der Enz entlang.
    Der Weg lohnt sich. Es geht durch eine aufwändig gestaltete Parklandschaft. Mal führt der Weg links, mal rechts am Fluss entlang. Mehrere Brücken sind zu überqueren.
    Kumpel kommt mir heute leicht wie eine Feder vor. Wir haben uns gut aneinander gewöhnt und kommen prima miteinander aus.
    Schließlich erreiche ich ein Gaswerk. Ein imposanter Gasometer signalisiert die Stadtgrenze Pforzheims.
    Kurz darauf biege ich Richtung Innenstadt ab, dem Bahnhof entgegen. Es erwartet mich wenig attraktive Nachkriegsarchitektur. Deutschlandflaggen hängen aus vielen Fenstern, denn die EM 2016 ist im vollen Gange.
    Da ist der Bahnhof schon. Alt und marode liegt er da, wird aber derzeit renoviert.
    Die Toiletten sind zugesperrt. Ich würde jetzt eine brauchen...
    Muss warten, bis ich im Zug sitze.
    Ein Brötchen und ein Kaffee verkürzen die Wartezeit bis zur Abfahrt des schon lange gebuchten IC. Die Toilette im Zug ist frei, sonst hätte es ein Unglück gegeben...
    Danach ist die Rückfahrt nach Hamburg entspannt. Kumpel genießt sie auf einem eigenen Platz. Mancher schaut ihn verwundert an.
    Sechs Stunden später läuft der Zug in Hamburg ein. Die Großstadt hat mich mit ihrem Lärm und ihrer hektischen Betriebsamkeit zurück.
    Am Liebsten würde ich gleich wieder umkehren.
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  • Südwärts auf dem Westweg

    12 сентября 2016 г., Германия ⋅ 30 °C

    146 km von Pforzheim nach Hausach auf dem Westweg.
    Auf dieser Tour folgt der E1 dem Westweg, einem von drei bekannten Höhenwanderwegen, die durch den Schwarzwald führen.
    Die E1-Markierungen sucht man jedoch vergebens, denn hier orientiert man sich an der roten Raute des Westwegs. Die Wege sind perfekt ausgeschildert und Karten oder GPS-Navigation bedarf es eigentlich nicht.
    Der Westweg ist gesäumt von zahlreiche Schutzhütten, die viel besser ausgestattet sind als die auf dem bisherigen E1. Einige sind für eine Übernachtung geeignet. Auch Trinkwasser gibt es am Wegesrand genug, Brunnen und Quellen gibt es überall. Manchmal liegt ein Brunnen nahe einer Schutzhütten.
    Weil ich Respekt vor den vielen Höhenmetern habe, die es zu überwinden gilt, habe ich nur leichtes Gepäck dabei. Die Dinge, die man für eine Übernachtung im Freien braucht - also Zelt, Isomatte, Schlafsack, Batterien, Solarpack und Verpflegung - bleiben zu Hause. So reduziert sich das Rucksackgewicht gegenüber der Odenwaldetappe um vier auf insgesamt acht Kilogramm. Und das ist sehr angenehm!
    Die Unterkünfte habe ich bereits rechtzeitig vorher gebucht. Während der Wanderung stelle ich aber fest, dass dies im September nicht notwendig gewesen wäre. Überall waren noch Zimmer frei.

    Infos zum Westweg: https://www.schwarzwaldverein.de/schwarzwald/wa…
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  • E1-53-D > Dillweissenstein (5km)

    13 сентября 2016 г., Германия ⋅ 31 °C

    Südwärts auf dem Westweg (1)

    In der Nacht vor der Tour lassen mich meine Gedanken nicht schlafen. Ich bin seltsam unruhig und frage mich fortwährend, was mich auf den nächsten Touren wohl alles erwarten wird?
    Lange bevor der Wecker klingelt, bin ich bereits wach und stehe weit vor der Zeit auf. Gepackt ist auch schon und so bin ich viel zu früh am Bahnhof.
    Die unverständliche Unruh hört auch im Zug nicht auf. Doch während ich aus dem Fenster schaue, spüre ich, wie sich ganz allmählich Zuversicht, Erwartung und Vorfreude auf die Wanderwoche in meinem Herzen breit macht.
    Das Wetter ist seit Tagen schon sommerlich und so soll es weiterhin bleiben. Endlich lehne ich mich entspannt zurück und lasse die Gegend, die ich auf anderen Etappen bereits durchwanderte, am Zugfenster vorbei gleiten. Die hektische Betriebsamkeit der Großstadt, in der ich wohne, lebe und arbeite, kann ich endlich loslassen. Nun endlich tausche ich sie gerne gegen die Stille des Wanderns ein. Ich schlafe ein. Viele Stunden später rollt der Zug im Zielbahnhof ein. Es kann losgehen.
    Vor fast drei Monate endete die letzte Etappe in Pforzheim. Hier hat sich hier wenig verändert, die Baustellen sind noch da und der Bahnhof sieht immer noch nicht schöner aus. Auch die Innenstadt lädt nicht zum Bleiben ein. Nur die alte Schlosskirche auf der anderen Straßenseite lockt und da ich auf meinen Wanderungen immer mal wieder gerne in einer Kirche bin, nutze ich auch jetzt das Gotteshaus für einen Moment des mußevollen Verweilens. Ich setze mich in eine der Bänke und schließe die Augen. Ganz leise dringt der Verkehr, der auf einer großen Straße um die Kirche tobt, noch an mein Ohr, doch er stört nicht mehr. Das äußere Leben hat hier drinnen für Momente Pause. Hier steht die Zeit still. Von der Orgel tropfen Akkorde leise durch das Kirchenschiff, werfen von den gegenüberliegenden Mauern ein sanftes Echo. Vielleicht übt der Küster seine Stücke für die nächste Predigt. Ich mag es, was er spielt. Ich bin gerne in dieser Kirche, obwohl ich nicht an den christlichen Gott glaube.
    Ich lausche lange.
    Als ich aus der Kirche trete, bin ich bereit für meinen Weg durch den Schwarzwald und wenig später am Nagold offenbart Pforzheim mir auch schon seine schöne Seite.
    Der E1 folgt im Schwarzwald dem Westweg, der in Pforzheim beginnt und durch den gesamten Schwarzwald in nordsüdlicher Richtung bis nach Basel an der Schweizer Grenze verläuft. Man bewegt sich oft auf über 1.000 Höhenmetern und muss täglich ordentlich Höhenmeter machen, wird dafür aber mit vielen Weitblicken belohnt. Erst am Feldberg wird der E1 den Westweg verlassen, um zusammen mit dem Querweg Richtung Bodensee zu streben. Aber so weit werde ich dieses Mal gar nicht kommen.
    Schon hält der Weg seine erste Überraschung bereit: ein goldenes Tor schimmert durch die Bäume. Als ich vor ihm stehe, sehe ich, dass es tatsächlich so heißt. Mit großen Lettern steht sein Name über dem Torbogen. Den Torboden ziert eine geschwungene Linie, die mit einem dicken, goldenen Punkt beginnt und weit hinten mit einem kleinen Punkt endet. So wird dem Wanderer der lange Verlauf des Westweges näher gebracht, der direkt hinter dem Tor beginnt.
    Weitere Informationen kann man im Innern des Tores finden. Das Goldene Tor ist das erste von zwölf Portalen, die an exponierten Stellen entlang des 360km langen Weges errichtet sein sollen. Jeder der Portale informiert den Wanderer über die letzte und die nächste Etappe. Das ist eine hübsche Idee und ich fühle mich, als würde ich nach Durchschreiten des Portals nun einen besonderen Weg einschlagen.
    So beginnt also mein Weg durch den Schwarzwald.
    Nur zwanzig Schritte weiter ruht ein mächtiger Stein am Wegesrand. An ihm ist die erste Wegmarke des Westweges befestigt. Eine rote Raute auf weißem Grund. Das ist ein schönes Fotomotiv, denke ich, halte an, krame mein Smartphone hervor und mühe mich mit einem Selbstportrait ab. Doch das will nicht recht gelingen, der Stein ist einfach zu groß. Ein nahender Wanderer, der in schnellen Schritten durch das Portal näher kommt, stoppt und fragt, ob er mir helfen kann.
    „Klar, mach ein Foto von mir“, antworte ich und reiche ihm mein Smartphone. Schnell schießt er zwei Bilder und gibt es mir sofort zurück. Er hat wohl nicht gerne ein fremdes Handy in der Hand und ich habe es ihm auch nicht gerne gegeben. Komische Sache.
    Mit den Worten „Viel Spaß“ verabschiedet er sich eilig und hastet den steilen Weg hinauf, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich schaue ihm lange nach, bis er im Laufschritt hinter der ersten Biegung verschwunden ist. Erst dann gehe ich los, viel langsamer als er und in Gedanken versunken. Was wird der Weg mit mir machen?
    Der Westweg gewinnt schnell an Höhe und nach ein paar hundert Meter schon muss ich erschöpft stehen bleiben. Offenbar muss ich an meiner Kondition arbeiten. Während ich Atem schöpfe, fällt mir folgende Filmszene ein.
    << Bryson und Katz, zwei alternde Helden des Films „Picknick mit Bären“ (herrlich dargestellt von Robert Redford und Nick Nolte) haben eben erst das südliche Tor des Appalachian Trails (AT) durchschritten. Der Weg führt sie steil bergan. Die beiden mühen sich Schritt um Schritt nach oben. Oft bleiben sie stehen, gehen dann weiter. In einer Nahaufnahme sieht man Katz, wie er leidet und Bryson, wie er sich an einem Baumstamm abstützt. Ein paar junge Wanderer stürmen an ihnen vorbei, sagen artig „Guten Tag“ und hasten eilig weiter, während die beiden immer wieder stehen bleiben müssen. In der nächsten Szene ruht sich Bryson auf
    einem Baumstamm aus und beobachtet, wie Katz langsam heran kriecht. Endlich ist auch Katz angekommen und lässt sich auf den Baumstamm sinken. Gequält fragt er Bryson, wie weit sie denn wohl schon gekommen sind.
    „Wohl so 400 Meter werden es schon sein“, antwortet Bryson. 2000 Meilen liegen da noch vor ihnen, und am Ende werden sie den langen Trail auch nicht ganz schaffen. Das macht ihnen aber nichts aus, denn sie sind ihn so lange gegangen, solange er ihnen etwas gegeben hat. >>
    Ich muss lachen. So schlimm wie um die beiden steht es um mich noch nicht. Und es wird besser werden mit jedem Tag. Das weiß ich. Und überhaupt: heute habe ich es gar nicht mehr weit. Die sechs Kilometer bis zur Jugendherberge Rabeneck, sind schnell gelaufen. Dort will ich übernachten. Ich bin angemeldet, doch die Dame am Empfang braucht lange, bis sie mich endlich einchecken
    kann.
    „Unser Computer spinnt immer rum“, meint sie entschuldigend, als sie mir die Schlüssel für mein Zimmer herüber reicht.
    In der Jugendherberge gibt es heute kein Abendessen.
    „Zu wenig los“, meint die Dame am Empfang.
    Also muss ich wieder raus und das ist sogar mein Glück, denn in der nahen Pizzeria „Romulus und Remus“ gibt es eine leckere Pizza und diverse Radler. Heute lieber kein Bier, denn es ist auch am Abend immer noch sehr warm, der Platz auf der Terrasse aber angenehm schattig.
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  • E1-54-D > Dobel (22km)

    14 сентября 2016 г., Германия ⋅ 26 °C

    Südwärts auf dem Westweg (2)

    Das Frühstück verbringe ich mit ein paar Studenten. Bei ihnen dreht sich gerade alles um Betriebswirtschaft und eine nahende Prüfung. Mir scheinen sie sehr angespannt zu sein und ich muss schmunzeln, als ich mich frage, ob ich während meines Studiums früher auch so war. Ach, das ist lange her. Ich fühle mich heute lebendiger als damals und denke, wie gut ich es doch gerade habe.
    Bald bin ich wieder auf dem Weg, werfe noch schnell einen Blick zurück auf die Jugendherberge, die mitten in die alte Burgruine der Rabeneck gebaut wurde.
    Die Sonne vertreibt die Morgenkühle, der Weg durch den Wald ist breit und gut befestigt, so komme ich auf dem ersten Stück des Westweges gut voran. Der Weg ist ausgezeichnet mit der roten Raute beschildert. Verlaufen ist hier fast ausgeschlossen und meine Navigationssoftware <Komoot> wird hier eigentlich gar nicht gebraucht. Ich lasse sie nur zum Trecken mitlaufen. Else Komoot ist nahezu arbeitslos.
    „Willste `nen Apfel?“, fragt eine alte Frau, als der Weg mich gerade an ihrem Schrebergarten vorbei führt. In der linken Hand trägt sie einen großen Korb mit frischen Äpfeln.
    „Gerne“, sage ich und sie reicht mir einen schönen, runden, roten Apfel.
    „Woher kommt du?“
    „Aus Hamburg“, versuche ich mit einen beiläufigen Ton zu sagen, aber es klingt wohl doch etwas Stolz mit.
    „Ah, Hamburg, das kenn` ich. Ein schönes Städle. Da hab`n mein Mann und ich mal `ne Hafenrundfahrt g`macht.
    Und dann fragt sie, was alle fragen:
    „Biste den ganzen Weg g'laufn?“
    „Ja, aber nicht in einem Stück, sondern in mehreren Touren.“
    „Und wo will`ste hin?“
    „Zum Bodensee“.
    „Das is' ja noch a Stückle zu Fuß.“
    Da hat sie Recht, denke ich. Und ich werde jeden Schritt genießen. Beim Weitergehen beiße ich in den frischen Apfel, der köstlicher schmeckt als jeder Apfel aus einem Supermarkt.
    Die heutige Tour ist zum Einwandern bestens geeignet. Der Weg ist breit und gut befestigt, gewinnt nur ganz allmählich an Höhe. Die Mittagspause verbringe ich auf einer Bank, von der aus ich meinen ersten Weitblick genießen kann. So viele mehr werden folgen.
    Eine Wanderin müht sich im Wald den Weg entlang. Sie sieht nicht aus wie andere Wanderer, denn statt Funktionshose trägt sie einen bunten Rock, statt Fleecejacke eine Wolljacke. Auf ihrem Kopf trägt sie einen lustigen Hut. Das Bemerkenswerteste aber ist ihr Rucksack, den sie nicht auf dem Rücken trägt, sondern auf einem Rollwagen hinter sich her zieht. Das erscheint mir recht mühsam zu sein und sie ist auch recht langsam unterwegs. Bald habe ich sie erreicht und als ich sie überhole, frage ich neugierig, was es mit dem Rollwagen auf sich hat.
    „Ich habe mir die Schulter verletzt“, meint sie, „aber ich möchte trotzdem unbedingt jetzt den Westweg laufen. So trage ich meinen Rucksack nicht, sondern ziehe ihn.“
    Das hört sich nach einer ungewöhnlichen Geschichte an und ich bin geneigt, sie ein Stück zu begleiten. Sie sieht ja auch ganz keck aus mit ihrem lustigen Hut und dem Wanderrock.
    „Wo soll es heute denn noch hingehen?“, fragt sie.
    „Nach Dobel“, antworte ich.
    „Ach, da will ich noch ein Stück weiter“, meint sie.
    Da bin ich sprachlos, denn sie hat damit noch ein weites Stück vor sich und bald schon wird es dunkel werden.
    Ein kurzes Stück gehe ich neben ihr, um mehr von ihr zu erfahren, aber ihr Tempo ist mir einfach zu langsam. So verabschiede ich mich bald von ihr, denn ich möchte noch vor dem Dunkelwerden in Dobel ankommen, um in Ruhe ein schönes Abendbrot zu genießen.
    „Vielleicht treffen wir uns morgen ja wieder auf dem Weg“, meint sie noch, während ich schon ein paar Schritte entfernt bin. Das hoffe ich auch, denn sie hat sicher eine spannende Geschichte zu erzählen. Doch ich zweifle, dass sie Dobel heute noch passieren wird.
    Bald darauf erreiche ich die Pension Heidi, meine heutige Unterkunft. Abendessen wird nicht angeboten und so muss ich wieder raus. Die Empfehlung der Wirtin ist das Hotel Talblick, dort genieße ich auf der Terrasse den Blick ins Tal, die untergehende Sonne, das riesige Schnitzel Wiener Art und mehrere der äußert lecker schmeckenden Biere.
    Das Wandern ist herrlich. Und erst die Pausen!
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  • E1-55-D > Forbach (27km)

    15 сентября 2016 г., Германия ⋅ ⛅ 22 °C

    Südwärts auf dem Westweg (3)

    Die Pension Heidi liegt an einer Durchgangsstraße und so wache ich vorzeitig durch Verkehrslärm auf, der durch mein Dachfenster dringt, das wegen der Hitze die Nacht über offen stehen musste. Aber alles hat sein Gutes und so genieße ich früh am Morgen schon mein Frühstück. Am Nebentisch sitzt ein russisches Pärchen, bestellt Kaffee und Eier. Die Wirtin ist emsig bemüht und bringt rasch das Gewünschte. Doch es ist nicht recht, der Kaffee nicht entkoffiniert und die Eier hart. Also nimmt sie es wieder mit. Fünf Minuten später schwebt sie wieder heran. Nun ist der Kaffee zu dünn und die Eier wollen sie gar nicht mehr. Sie dreht sich um und ich sehe, wie sie mit den Augen rollt. Ich tue es auch, denn nun unterhalten sich die beiden lautstark. Glücklicherweise gehen sie bald und es nun herrscht Frieden im Frühstücksraum. Die beiden haben echt genervt. Nach dem ausgiebigen Frühstück hole ich meinen Rucksack Kumpel aus meinem Zimmer. Nebenan steht eine Zimmertür offen und ich sehe ich, wie eine junge Wanderin gerade ihren Rucksack packt.
    Wohin soll`s gehen?“, frage ich.
    „Auf dem Westweg entlang Richtung Süden“, meint sie.
    „Oh, dann haben wir den gleichen Weg“, erwidere ich.
    „Wollen wir ein Stück zusammen gehen?“, fragt sie mit leiser Stimme.
    „Nein“, sage ich, „lieber nicht. Jeder sollte den Weg in seiner Geschwindigkeit laufen. Mach`s gut und viel Spaß“.
    So geht sie alleine los, während ich mich noch eine Weile zur Wirtin in die Frühstücksstube setzte.
    „Das waren ja anstrengende Gäste vorhin“, eröffne ich beiläufig, während ich die Rechnung begleiche.
    „Sie glauben ja gar nicht, was ich hier so alles erlebe“, meint sie und schon beginnt sie von ihren Sorgen als Pensionswirtin zu erzählen. Und später erfahre ich, dass ihr Mann schon lange in Hamburg im Hafen arbeitet und nur ab und zu nach Hause in den Schwarzwald kommt. So kommt es, dass ich heute erst spät starte. Aber was macht das schon? Die Tour ist ja nur zwanzig Kilometer lang.
    Gleich hinter Dobel liegt das Sonnentor. Und über dem Portal scheint tatsächlich die Sonne. Andächtig durchschreite ich das zweite Portal des Westweges. Dieses hier ist ganz aus Holzschindeln gemacht. Und wieder erfahre ich auf den Hinweistafeln, die im Innern des Tores befestigt sind, was für offizielle Wanderhighlights auf mich warten.
    Die Tafel kündigt an: der Weg sei garniert mit zahlreichen Weitblicken. Das wäre sehr nach meinem Geschmack. Und tatsächlich kann ich später mehrmals staunend bis ins weit entfernte Rheintal schauen, die Sicht ist prächtig. Immer weiter geht es den Westweg entlang. Ich komme an mehreren Schutzhütten vorbei, die alle viel besser sind als die, die ich bisher auf dem E1 kennen gelernt habe. An der Kreuzlehütte mache ich eine ausgedehnte Mittagspause mit Tütensuppe und einem frischen Nescafé. Dann Füße hoch und am Holz gehorcht. Nach dem ausgedehnten Nickerchen geht es weiter, von der Kreuzlehütte führt der Weg hinab zum kleinen Skigebiet Kaltenborn, das an diesem heißen Spätsommertag einsam im Tal ruht und auf die nächste Wintersaison wartet. Und wieder geht es bergauf, oben auf 988m Höhe wartet der Hohlohturm. 162 Stufen zähle ich während der Besteigung und oben gibt es einen herrlichen Rundumblick. Während ich im Westen das Rheintal sehe, kann ich auf der anderen Seite Forbach ausmachen. Dorthin muss ich und ich freue mich, denn Forbach liegt im Tal. Es geht gleich bergab, juche!
    Kurz darauf treffe ich die bemerkenswerte Wanderin wieder. Wie schon gestern zieht sie ihren Rucksack hinter sich her. Ich sage höflich „Guten Tag“ und frage, ob wir ein Stück gemeinsam gehen wollen. Sie stimmt freudig zu. So erfahre ich bald, dass sie Fußpflegerin ist und gerade ihr Leben in andere Bahnen lenken will. Sie erzählt von ihrem Plan, Wanderern, die auf dem Westweg unterwegs sind, ihre Fußpflegedienste anzubieten und so das notwendige Geld für ihre eigene Wanderung zu verdienen.
    „Aber der Westweg ist nur ein Test,“ meint sie, „im nächsten Jahr will ich den berühmten Jakobsweg wandern. Ganz bis nach Santiago de Compostela. Willst du den auch laufen?“
    „Nein“, erwidere ich, „das bin ich schon häufig gefragt worden. Aber seit Hape Kerkeling sein tolles Buch über den Weg geschrieben hat, scheint es mir dort zu voll zu sein. Ich suche mir lieber ruhigere Wege.“
    Unser Gespräch über den Camino Francés, den berühmtesten aller Pilgerwege, endet abrupt, als der Weg plötzlich steil bergab führt. Hier kann sie den Rucksack nicht mehr ziehen, sondern muss ihn tragen. Und das Fahrgestell muss sie ebenfalls schultern. Das sieht mühsam aus und um ihr den Weg etwas zu erleichtern, reiche ich ihr einen meiner Wanderstöcke, damit sie sich besser stützen kann. Sie nimmt ihn dankbar. Am Ende des mühsamen Abstiegs wartet die Latschighütte auf uns. Es ist mehr ein Aussichtspunkt und den Ausblick ins Tal genießen bereits zwei Wanderer. Es gibt ein lautes „Hallo“, denn die zwei kennen die Wanderin bereits. Die beiden jungen Männer heißen Joseppe und Timo, auch sie sind auf dem Westweg unterwegs. Und so erfahre ich endlich auch, dass meine Begleitung Martina heißt. Lange sitzen wir in der Hütte zusammen, genießen den Ausblick, während wir uns angeregt unterhalten. Ich höre gespannt zu, wie die zwei Burschen erzählen, dass sie auf ihrem Weg auf dem Westweg in Schutzhütten übernachten. Drei Nächte haben sie bereits draußen hinter sich.
    „Es war ein bisschen kühl“, meint Joseppe.
    Aber es ging“, ergänzt Timo.
    „Ich hätte ein Zelt mitnehmen sollen“, meint Martina, die die letzte Nacht nur im Schlafsack unter freiem Himmel verbracht hat.
    „Ich traue mich noch nicht, in einer Schutzhütte zu übernachten“, gebe ich zu. „Vielleicht mache ich das auf meiner nächsten Wanderung. Doch dieses Mal wollte ich mit leichtem Gepäck unterwegs sein. Deshalb übernachte ich in Pensionen, die ich bereits im Voraus gebucht habe. Dadurch ist mein Rucksack sehr leicht, nur 8kg habe ich dabei.“
    „Der schwere Rucksack nervt schon ein bisschen. Und geplant haben wir gar nichts“, meint Timo.
    „Meiner nervt auch“, wirft Martina ein. „Vor allem, wenn ich ihn tragen muss.“
    Das glaube ich gerne und innerlich schüttle ich ein wenig den Kopf über die Unbedarftheit der Drei. Gleichzeitig bewundere ich sie für ihre Unbekümmertheit. Nach einer sehr, sehr langen Pause geht es weiter und da wir alle den gleichen Weg haben, gehen wir zusammen. Langsam und stetig geht es Richtung Forbach hinab.
    „Wir wollen hier mal ins Internet schauen, was Forbach für Übernachtungsmöglichkeiten bietet“, meint Joseppe, als wir den Ort fast erreicht haben.
    „Denn vom draußen übernachten haben wir erst mal genug“, ergänzt Timo.
    So lassen Martina und ich die Burschen am Hexenbrunnen zurück, wo sie ihre Wasservorräte ergänzen, während die kleine Hexe, die dem Brunnen den Namen gab, ihre Füße im Brunnen kühlt.
    Martina sucht eine Bleibe unter freiem Himmel für die Nacht. Kurz vor Forbach ergibt sich eine gute Möglichkeit für sie. Die kleine Schutzhütte ist zwar verschlossen, aber der Vorraum hat ein großes Dach, der vor Regen schützt, der Balkon ist sogar mit Geranien geschmückt. Hier kann sie sich ein bequemes Nachtlager machen, ein Brunnen ist nah und so hat sie in der Früh frisches Wasser.
    Ich gehe alleine weiter und als ich mich noch einmal umdrehe, winkt Martina mir fröhlich zu. Ob ich sie noch einmal wieder sehen werde? Den Weg nach Forbach gehe ich voller Gedanken. Warum mache ich es nicht wie sie? Sorglos und einfach drauf los, so macht es Martina, während ich immer planend meine Schritte vorbereiten muss.
    „Was ist besser? Planen oder spontan sein?“, frage ich mich, während ich das dritte Westwegportal „Murgtaltor“ durchschreite, welches das Ende meiner heutigen Tour bedeutet. Als ich über die alte Holzbrücke schreite, grüble ich immer noch. Doch eine Antwort finde ich heute nicht auf diese Frage.
    Ich bin froh, in dem reservierten Hotel einzuchecken, wo ein weiches und warmes Bett auf mich wartet. Aber bevor ich darin versinken kann, muss ich mich sputen, um noch ein Abendessen zu bekommen, denn um zwanzig Uhr werden in Forbach die Bürgersteige hoch geklappt. Im nahe gelegenen Hotel Adler bin ich der einzige Gast. Auf der Terrasse genieße ich den lauen Abend und eine Schinkenplatte Schwarzwälder Art, während die Sonne hinter den gegenüber liegenden Bergen versinkt und sich die Nacht über Forbach senkt.
    Was wohl Martina jetzt macht?
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  • E1-56-D > Mummelsee (24km)

    16 сентября 2016 г., Германия ⋅ ⛅ 13 °C

    Südwärts auf dem Westweg (4)

    Forbach liegt im Tal auf dreihundert Metern. Gestern bin ich von über neunhundert Höhenmetern in den Ort abgestiegen, nur um heute auf der anderen Seite wieder hinauf zu marschieren. So sehr ich die Berge herbei gesehnt hatte, so sehr verfluche ich sie jetzt. Der Weg ist steil, doch gut ausgebaut und so komme ich gut voran. Ich habe den Berg zur Hälfte geschafft, da treffe ich auf Martina. Schon von weitem sehe ich sie, wie sie langsam den Berg hochmarschiert und sich redlich mit dem Rucksack abmüht, den sie wieder im Rollwagen hinter sich her zieht. Sie muss also sehr früh aufgebrochen sein und sicher hat sie kein so schönes Frühstück gehabt wie ich. Aber sie klagt nicht und sieht sehr zufrieden aus. Heute werde ich sie ein Stück begleiten und sie quasi den Berg hoch ziehen und so ein wenig gutmachen, dass ich so viel komfortabler genächtigt hatte als sie.
    Wir biegen vom breiten Forstweg auf einen schmalen Pfad, der steil den Berg hinauf führt. Das Gehen wird beschwerlich, spitze Steine und knorrige Baumwurzeln lassen uns stolpern. Martina muss ihren Rucksack wieder auf den Rücken schultern. Wir kommen nur langsam voran, Martina geht vor mir und das gibt mir die Gelegenheit, ihren Rucksack zu betrachten. Ein grünes Monstrum. Wie kann sie nur so einen großen Rucksack tragen, wo sie doch gestern über Rückenprobleme klagte? Was sie wohl alles darin hat?
    „Dein Hüftgurt wird bald abreißen.“, meine ich, während sie vor mir mit ihrer schweren Last langsam Schritt für Schritt den Pfad aufsteigt.
    „Ja, ich weiß. Den Rucksack habe ich vor vielen Jahren in Taiwan gekauft, als ich mal dort war. Aber da war ich nicht wandern, sondern den brauchte ich nur zum herumreisen."
    Sie bleibt stehen und muss sich strecken. Tut ihr der Rücken weh? Sie klagt nicht.
    „Du brauchst einen anderen Rucksack“, meine ich, „der hier ist viel zu schwer für dich. Und der Hüftgurt ist kaputt, aber den brauchst du, damit deine Schultern nicht die ganze Last tragen. Und offenbar hast du viel zu viel dabei. Was ist bloß alles drin in deinem Rucksack?“
    „Ich will doch unterwegs Fußpflege anbieten. Da muss ich doch meine Ausrüstung dabei haben.“
    „Wie ist sie bloß auf die Idee gekommen?“, frage ich mich. Mit diesem Rucksack wird sie doch nie in Basel ankommen. Aber das sage ich ihr nicht. Schweigend quälen wir uns weiter bergauf.
    Irgendwann kommen wir oben an. Hier steht die Wegscheidhütte, die wie gerufen kommt für eine Pause. Von Forbach hier hoch sind es zwar nur drei Kilometer, aber die fünfhundert Höhenmeter haben es in sich gehabt. Nun ist geschafft und wir sind es auch.
    Aus der Hütte höre ich Stimmen. Wer mag das denn sein? Da lugt der Kopf von Joseppe durch die Tür, die Augen noch ganz klein und die Haare verwuselt. Ob er gerade aus dem Schlafsack gekrochen ist? Als hätte er unsere Gedanken erraten, meint er:
    „Wir haben gestern in Forbach nichts gefunden und sind einfach weiter gewandert. Das war nicht leicht im Dunkeln. Den ganzen Berg herauf! Aber dann haben wir diese Hütte gefunden. Die ist ganz toll. Man kann sogar oben schlafen.“
    Und wie um es zu bestätigen, kommt Timo gerade die Leiter herunter.
    „Das ist eine ganz tolle Hütte“, meint er. „Hier gibt es Feuerholz, Kerzen und sogar ein Feuerzeug haben wir gefunden. Gestern Abend haben wir noch Feuer gemacht. Nachts ist es schon ganz schön kalt. Aber da oben war es herrlich gemütlich.“
    Ich klettere die Leiter hoch und schaue mir die Dachkammer an. Ihre Schlafsäcke liegen noch auf dem nackten Boden.
    „Echt toll!“. Ich bin ganz begeistert und denke, dass ich es bei meiner nächsten Tour auch einmal ausprobieren werde, in einer Schutzhütte zu übernachten.
    „Hattet ihr schon einen Kaffee?“, frage ich.
    „Nein“, lautet die Antwort von allen gleichzeitig.
    So hole ich meinen kleinen Kocher heraus und setze Wasser auf. Während ich den Nescafé in das heiße Wasser schütte, muss ich an Danee denken. Heute wird mein Kaffee dankbar angenommen.
    Joseppe und Timo packen ihre Sachen zusammen und bald darauf gehen wir vier gemeinsam los. Bald kommen wir schon an der nächsten Schutzhütte vorbei. Die Jägerlochhütte ist oberhalb der Schwarzenbach - Talsperre schön gelegen und bietet einen prächtigen Ausblick. Der Stausee ist groß, das blaue Wasser erstreckt sich bis zur weit entfernt liegenden Talsperre. Die Hütte ist zwar verschlossen, bietet aber Schutz unter einem überdachten Vorraum. Auch hier hätte man übernachten können. Vor der Hütte ist ein Brunnen, frisches Wasser wäre also auch vorhanden. Wir gehen weiter, endlich mal wieder geht es bergab. Der Weg führt zum See. Es beginnt zu regnen. Joseppe, Timo und ich holen den Regenschutz für unsere Rucksäcke heraus und ziehen sie über. Da müssen wir lachen, denn wir haben alle dasselbe blaue Modell über unsere Säcke gestülpt. Martina holt derweil einen blauen Müllsack aus ihrem Rucksack und spannt sich einen roten Regenschirm auf. So sieht sie noch lustiger aus.
    Kaum haben wir den Stausee hinter uns gelassen, hört es schon wieder auf zu regnen. Dafür geht es wieder bergauf Richtung Seekopf und der liegt 300 Höhenmeter weiter oben. Martina wird immer langsamer und als wir vom breiten Forstweg abbiegen, um dem Seebach entlang zum Herrenwieser See zu folgen, muss Martina wieder ihren Rucksack nebst Rollwagen schultern. Nun geht es für Joseppe und Timo zu langsam, sie gehen vor und geraten allmählich außer Sicht. Ich bleibe bei Martina, als hätte ich es mir heute zur Aufgabe gemacht, sie mental den Berg hoch zu ziehen. Vorbei geht es am kleinen Herrenwieser See, den wir nur durch die Bäume zu sehen bekommen. Ganz still liegt er da und gerne hätte ich einen Abstecher zu ihm gemacht. Doch kein Weg führt zu ihm.
    Und jetzt wird es richtig schlimm, der schmale Pfad windet sich immer steiler werdend den Seekopf hinauf. Aber wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Bei uns ist es eine schmale Bank, die zum Ausruhen gemacht ist und dabei einen tollen Blick auf den Herrenwieser See bietet. Toll, dass jemand genau hier eine Bank gebaut hat.
    „Was machst du hier eigentlich?“, frage ich Martina.
    „Ich suche die Wahrheit“, meint sie.
    „DIE Wahrheit gibt es nicht“, erwidere ich spontan.
    „Doch! Und ich will sie finden“, meint sie.
    „Du kannst nur DEINE Wahrheit finden, aber niemals DIE Wahrheit. Es gibt keine ein-eindeutige Wahrheit. Sie kann es nicht geben, weil alle Menschen unterschiedliche Erfahrungen machen, auf denen sie ihr Weltmodell aufbauen. Der eine findet seine Wahrheit mit dem Herzen, während der andere sie mit dem Verstand definiert. Das führt zu unterschiedlichen Wahrheiten, die eine ist eher durch Gefühl bestimmt, die andere durch Fakten. Es gibt so viele Wahrheiten wie es Menschen auf der Welt gibt. Mit jeder Geburt kommt eine dazu, mit jedem Tod stirbt eine Welt mit ihrer ganzen Wahrheit. So sehe ich das.“
    „Dann suche ich meine Wahrheit“.
    „Komm, wir müssen weiter. Es ist schon spät und der Weg noch weit“, sage ich.
    „Es ist doch egal, wie weit wir kommen.“
    „Nein, das ist es nicht. Für mich jedenfalls nicht. Ich will heute noch zum Mummelsee. Ich habe dort ein Zimmer gebucht.“
    „Ich bleibe wieder irgendwo draußen. Und wann ich ankomme, ist nicht so wichtig wie, dass ich ankomme".
    Ich hätte hier noch stundenlang sitzen und über die Wahrheit nachdenken können, doch es treibt mich weiter und Martina treibe ich damit an, ob sie will oder nicht. Ich will es so und das ist meine Wahrheit. Was Martina will, weiß ich nicht, aber sie folgt mir.
    Endlich haben wir den Seekopf erklommen. Am Ende war der Anstieg sanft. Der erste Eintausender auf meiner Wanderung durch Deutschland! Der Moment ist bewegend und ich muss innehalten. Das Ehrenmal von Philipp Bussemer, einem der Pioniere des Schwarzwaldvereins, der den Westweg zusammen mit Julius Kaufmann im Jahre 1900 anlegen ließ, gibt Gelegenheit zum Besinnen. Und zum Fotos machen.
    Das erste Mal ist immer etwas Besonderes.
    Jetzt ist es nur noch ein kurzes Stück zur Badener Höhe Hütte. Von Weitem schon ist der Friedrichsturm zu sehen, der dem Hohlohturm zum Verwechseln ähnlich sieht. Ich eile Martina voraus, denn ich will geschwind auf den Turm steigen. Unten jedoch wartet eine Überraschung auf mich. Aus der Hütte vor dem Turm lugt der Kopf von Joseppe.
    „Hey, Joseppe! Seid ihr schon lange hier? Ich hätte nicht gedacht, dass ich euch noch mal wiedersehe.“
    „Wir sind gerade erst angekommen.“. Na, da sind Martina und ich ja gar nicht so langsam gewesen, wie ich dachte.
    Aber nun hält mich nichts mehr, ich will auf den Turm. 157 Stufen höher kann mein Blick ungehindert in alle Richtungen schweifen. Im Westen ist das erstaunlich nahe Rheinland auszumachen, in den drei anderen Himmelsrichtungen nur unberührter Schwarzwald. Schön einsam!
    Als ich wieder unten bin, ist auch Martina eingetroffen und die beiden Burschen sind am Kochen. Ich merke, dass ich Hunger habe. Bei ihnen gibt es Reis mit Mais und Champignons. Nahrhaft und wie sich herausstellt, auch schmackhaft. Sie kochen ihren Reis auf einem normalen Kochtopf, der echt schwer ist. Und sie verbrauchen viel Gas dabei, denn der Reis muss zehn Minuten kochen. Auch ich hole jetzt meine Kochutensilien heraus und mache mir eine Tütensuppe. Sie interessieren sich für mein kleines Kochgeschirr, dass um so Vieles leichter ist als ihr schweres Gerät.
    Nach dem Essen heißt es Abschied nehmen von Martina, Joseppe und Timo, denn ich will jetzt schneller vorwärts kommen. Schließlich sind es noch fünfzehn Kilometer, die ich zu laufen habe und es ist schon fünfzehn Uhr durch. Ein bisschen traurig bin ich schon, als ich die frisch gewonnenen Wanderfreunde schon wieder verlassen muss. Aber so ist es beim Wandern und so muss es auch sein. Jeder sollte in seinem Rhythmus voran schreiten. Das gilt ja auch für das Leben. So verabschieden wir uns herzlich. Wir werden uns wohl nie wieder sehen. Ich nehme die Wanderstöcke in die Hand und eile davon. Alleine zu wandern, ist effizienter, aber lustiger war es mit den Dreien.
    Breite Wege wechseln mit schmalen Steigen, in den Tälern kleine Skigebiete und auf den Höhen spektakuläre Blicke. Das wird wohl die spektakulärste Stelle dieser Tour sein, denke ich, als ich mich die Hornisgrinde hinauf plage. Es ist schon nach achtzehn Uhr. Ich versuche, das Hotel zu erreichen, doch mein Telefon erhält kein Signal. Bin ich denn im Tal der Ahnungslosen? Dabei ist doch ein großer Funkturm direkt vor mir. Warum nur kriege ich gerade jetzt kein Telefonsignal? Ist doch zum Mäusemelken! Ich bin besorgt um mein Zimmer, vielleicht ist es schon weiter gegeben worden, weil ich mich nicht melde, denn es ist schließlich Freitag und die Wochenendgäste fallen in den Schwarzwald ein. Ich mache mir echt Sorgen und kann den schönen Ausblick nicht recht genießen. Doch kaum habe ich das Plateau der Hornisgrinde erreicht, da klappt die Verbindung. Endlich! Meine Sorge ist unbegründet, man freut sich aber, dass ich mich gemeldet habe. Das Zimmer ist sicher, jetzt kann ich loslassen und die Aussicht hier oben genießen. Und wie grandios die ist! Wow! Wow! Und noch mal wow! Ich kann sehr weit nach Osten blicken. Von da bin ich gekommen.
    Aber viel spektakulärer ist der Blick nach Westen, denn dort geht gerade rot schimmernd die Sonne unter und färbt den weit entfernten Rhein zu einem rotgoldenen Band. Dahinter ist schon Frankreich. Diese Fernsicht ist unglaublich schön. Kein Mensch ist mehr hier oben auf dem Plateau, ich bin ganz alleine. Gerne würde ich verweilen, doch es dämmert und im Dunkeln möchte ich hier oben nicht mehr sein.
    Doch das Plateau der Hornesgrinde ist größer als gedacht. Ich komme noch an einem großen Windrad vorbei, das hier erst seit 2015 steht und drei kleinere Anlagen ersetzt. Wie ich im Zwielicht gerade noch auf einer Informationstafel entziffern kann, schafft die Anlage (Nabenhöhe: 84m, Gesamthöhe 120m) eine Nennleistung von 2,3MW. Im Jahr produziert das in Deutschland am höchsten gelegene Kraftwerk beachtliche 5,2 Mio. kWh. Doch lange kann ich über diese Leistungen nicht staunen, denn die Dämmerung schreitet fort. Ich muss runter von der Hornisgrinde, bevor es dunkel wird.
    Der Abstieg ist steil, doch zum Glück führt ein asphaltierter Weg nach unten zum
    Mummelsee. Es ist schon schwarze Nacht, als ich endlich Licht auf dem See spiegeln sehe. Das muss das Hotel sein!
    Was bin ich froh, als ich die warme Hotelhalle betrete, denn draußen ist es mittlerweile bitterkalt geworden. Für den Luxus, den das Hotel den Gästen bietet, ist es bereits zu spät, aber die Küche hat noch auf und ich bekomme eine leckere Grillplatte. Einige Biere gesellen sich dazu. Anschließend genieße ich die Annehmlichkeiten meines riesigen Zimmers, in das ich mich müde zurück ziehe. Direkt unter dem Fenster liegt der Mummelsee, Nebel kräuselt sich auf der Wasseroberfläche. Es ist Luxus pur, den ich hier nach einem langen, abwechslungsreichen und auch anstrengenden Wandertag genießen darf.
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  • E1-57-D > Zuflucht (19km)

    17 сентября 2016 г., Германия ⋅ ⛅ 17 °C

    Südwärts auf dem Westweg (5)

    Am nächsten Morgen stehe ich am Fenster und beobachte, wie der Nebel von der Hornesgrinde ganz langsam zum See herunter wabert und sich kurz über der Wasseroberfläche auflöst. Der Sommer scheint sich zu verabschieden. Vor dem Frühstück mache ich einen Rundgang um den fast kreisrunden See, der sehr tief sein soll. Sagen ranken sich um den Mummelsee und der nebelige Morgen lässt sie lebendig werden. Auf der anderen Seeseite wartet eine Nixe auf mich. Um sie rankt sich eine der alten Sagen:
    << In der Gestalt einer Jungfrau traf einmal eine der Bewohnerinnen des Sees einen Hirtenknaben im Gebirge und gewann sein Herz durch die Reize ihrer Gestalt. An einer Quelle kamen sie täglich zusammen und kosten hier in traulichen Gesprächen, bis der Abendstern durch die Tannen flimmerte. Der Knabe spielte in ihren weichen langen Haaren und sie lehrte ihn wunderschöne Lieder. So oft sie sich aber trennten, so warnte sie ihn auch, ihr nie zum See zu folgen und sie nie dort aufzusuchen, wenn sie auch mehrere Tage ausbleiben sollte. Einmal harrte ihrer der junge Hirt vergebens zwei lange Tage hindurch. Beim Frührot des Dritten konnte er's nicht länger ausdauern. Die Sehnsucht nach der Geliebten zog ihn zu dem See hin. Alles um ihn her war still und öde. Er sah nichts. Traurig setzte er sich an's Ufer und rief laut ihren Namen. Da vernahm er ein Ächzen tief unten im Schoße des dunkelschwarzen Gewässers und plötzlich färbte sich dies blutrot. Den Knaben ergriff ein kalter Schauder - "sie ist tot!" - rief er aus, eilte weinend nach Hause, und - starb. >>
    Eine traurige Geschichte.
    Die Nixe gegenüber dem Mummelsee Hotel ist leider nur aus Bronze, dafür wird sie überdauern.
    Beim Frühstück denke ich über das Wesen des Wandern nach. Es war so schön gestern, mit Martina, Joseppe und Timo gemeinsam zu wandern, dass ich nun gar keine Lust habe, alleine weiter zu gehen. Und während ich in mein Nutellabrötchen beiße, frage ich mich, wo Martina wohl genächtet haben mag und wie weit sie gekommen ist. Ich glaube nicht, dass wir uns heute wieder sehen, denn ich wähne sie noch hinter mir, auch wenn sie früher gestartet sein sollte als ich.
    Die Luxusherberge hält mich lange, aber irgendwann muss es doch weiter gehen. Warum nicht jetzt? Es ist schon nach zehn.
    Nicht weit vom Hotel ist ein weiteres Portal des Westweges. Nahe am Ufer steht das Mummelseetor. Und wer steht davor? Es ist das junge Mädchen aus der Pension Heidi, zu der ich vor zwei Tagen sagte, jeder solle in seiner Geschwindigkeit wandern. Heute bin ich derjenige, der Lust hat, ein Stück mit ihr gemeinsam zu gehen und sie willigt gerne ein.
    Sie stellt sich als Marie vor, ist Medizinstudentin und unterwegs, um den Kopf vom Prüfungsstress, der hinter ihr liegt, frei zu bekommen. Die letzte Nacht hat sie nördlich der Hornisgrinde in einer kleinen Pension in Hochkopf-Untermatt verbracht. Dort wäre ich auch geblieben, wenn ich nicht am Mummelsee gebucht hätte. Das wäre ein lustiger Abend geworden, denn auch Joseppe und Timo haben es bis dorthin geschafft. Nur Martina hat wieder irgendwo draußen übernachtet.
    „Von der Hornisgrinde habe ich heute morgen nichts gesehen, sie lag komplett im Nebel.“
    „Nichts ist vollkommen“, meine ich dazu und denke an den Nebel, der morgens von der Hornisgrinde zum Mummelsee herunter waberte.
    Ich will noch bis zum Titisee laufen“, meint sie.
    Das sind drei Tagestouren mehr als ich laufen werde und ich frage mich, ob ich den Titisee dieses Jahr überhaupt noch zu sehen bekomme. Wir vereinbaren, so lange zusammen zu gehen, wie wir es für gut befinden. Bald kommen wir an der Darmstädter Hütte vorbei. Sie ist bewirtschaftet, man kann sogar übernachten. Für eine Pause ist es noch zu früh und wir gehen vorbei.
    Links des Weges zeigt meine Komoot Karte einen kleinen See, am Ufer soll eine Schutzhütte sein. Wildsee wird er genannt und der Name reizt mein Wanderherz. So frage ich Marie:
    „Wollen wir da runter gehen und an der Hütte eine Mittagsause machen? Es sind wohl nur fünfhundert Meter da hin.“
    Was ich nicht bedachte, ist, dass er auch hundert Höhenmeter tiefer liegt. Zu sehen ist der See von hier aus noch nicht. Sie willigt ein und wir machen uns an den Abstieg. Der Weg ist steil und holperig. Baumwurzeln queren den Pfad, große Steine liegen im Weg. Es ist so recht nach meinem Geschmack. Nicht so schön ist, dass uns jede Menge Menschen begegnen. So wild und einsam, wie ich dachte, kann der See also nicht sein. Doch wir steigen weiter ab, aber der See kommt und kommt nicht in Sicht. Wir haben gerade eine große, alte Fichte passiert, die hier sicher schon hundert Jahre steht, da endlich schimmert der See durch die Stämme hoher Fichten. Es ist immer noch ein ganzes Stück bis runter zum See. Marie wird jetzt ungeduldig.
    „Ich will heute Abend noch im Hotel in die Sauna“, meint sie. „Lass uns hier Pause machen, es wird mir sonst zu spät.“
    Ich wäre gerne bis zum See gegangen, sehe aber ein, dass es zu lange dauern würde. So packe ich meine Sachen aus und bereite mir eine Tütensuppe. Marie knabbert etwas lustlos an einem Energieriegel.
    „Du, ich will los“, meint sie nach einer Weile.
    „Ok, wir treffen uns sicher unterwegs“.
    So steige ich den schmalen, knorrigen Pfad vom Wildsee alleine wieder auf. Nur um gleich wieder neben dem Skilift Ruhestein abzusteigen. Der Lift ist auch im Sommer in Betrieb und stellt eine Versuchung dar. Für 2,50€ würde er mich gemütlich zu Tal fahren und vielleicht würde ich Marie einholen. Aber ich widerstehe und denke daran, dass ich durch Deutschland laufen, nicht fahren will. Weil heute Samstag ist, ist es in Ruhestein gar nicht so ruhig, wie der Name suggeriert. Zahlreiche Autos parken auf dem großen Parkplatz und die beiden Cafés dies- und jenseits der Straße sind gefüllt mit lärmenden Wochenendausflüglern.
    Schnell gehe ich weiter. Auf der anderen Talseite geht es natürlich gleich wieder bergauf. An einer Sprungschanze kann ich durch das Tor schlüpfen und mich dorthin setzen, wo die Skispringer im Winter sitzen, um sich die Schanze hinab zu stürzen. Nie im Leben würde ich das tun! Lang und steil ist der Anlauf für den todesmutigen Sprung in die Tiefe und niemals hätte ich den Mut dazu. Schon beim Hinunterblicken läuft mir ein Schauer den Rücken runter.
    Weiter geht`s. Bald bin ich auf dem Schliffkopf und der Blick ist grandios, aber lange bleibe ich nicht. Irgendwie macht es mir alleine heute keinen Spaß. Dann folgt der Panoramaweg, er kommt mir endlos vor und ich bewältige ihn schnellen Schrittes. Nur manchmal stoppe ich, um einen phantastischen Weitblick in mir aufzunehmen. Marie muss schnell unterwegs sein. Ich kann sie einfach nicht einholen.
    Drei lange Stunden sind es vom Wildsee noch bis zur Zuflucht – die heutige Unterkunft heißt tatsächlich so - und der Weg zieht sich wie Kaugummi. Es reicht mir schon lange, aber mein Ziel kommt und kommt einfach nicht in Sicht.
    Dann endlich! Ganz plötzlich ist der Wald zu Ende und macht einer Straße Platz. Rechts kann ich ein großes Gebäude sehen. Das muss sie sein, meine Zuflucht. Doch sie zeigt mir ihre hässliche Rückseite.
    „Wie eine Zuflucht sieht es nicht gerade aus“, denke ich, während ich näher komme. Doch auf der Vorderseite verändert sich das Bild ins Positive. Auf einem Schild steht „Zuflucht – Übernachten, Schlemmen, Genießen“. Vor allem nach Schlemmen ist mir jetzt nach der ganzen Rennerei.
    Der nette Wirt checkt mich schnell ein. Kurz darauf sitze ich im Restaurant und bestelle die Empfehlung des Hauses. Dabei erfahre ich, dass die Zuflucht früher eine Jugendherberge war und das erklärt die Schlichtheit des äußeren Gebäudes. Im Innern wurde Vieles liebevoll umgestaltet. Der Schmorbraten schmeckt vorzüglich. Als ich mein Besteck zur Seite lege und die Füße genüsslich unter dem Tisch ausstrecke, kommt Marie herein und setzt sich zu mir. Sie hat bis eben die Sauna genossen. Nun bestellt auch sie.
    „Hast du auch den einsamen Wanderschuh auf dem Weg gesehen?“ frage ich.
    Ja“, meint sie und so beginnt ein lustiger Abend, an dem wir das Erlebte austauschen. Es ist erstaunlich, dass zwei Menschen denselben Weg gehen und doch so viel Unterschiedliches wahrnehmen.
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