E1-Deutschland.Süden

May - October 2016
Im dritten Jahr auf dem E1 durch Deutschland. Es geht vom Rhein weiter Richtung Süden zum Bodensee, wo die Wanderreise nach 72 Tagen zu Ende geht.
E1-Tag 41-72, drei mehrtägige Touren durch den Odenwald und den Schwarzwald. 668km
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    December 29, 2022 in Germany ⋅ 🌧 9 °C

    Neun Jahre ist der Beginn der Wanderung her, von der ich hier noch einmal berichte. Sie begann in Hamburg im Jahr 2014 und veränderte nach und nach mein Leben. Zunächst ging es längs durch Deutschland und danach längs durch Europa. In beide Richtungen - nach Norden und Süden. Meistens folgte ich bisher dem Fernwanderweg E1, aber längst nicht immer. Manchmal suchte ich mir meinen eigenen Weg, folgte anderen lokalen Wanderwegen. Und so wird es noch eine Weile weiter gehen, denn auf meinem Weg bin ich immer noch unterwegs. Er soll erst zu Ende sein, wenn ich seine Endpunkte erreicht haben werde. Das sind das Nordkap im hohen Norden und Capo Passero an der südlichen Spitze Siziliens.
    Man sagt, der Weg sei das Ziel. Aber so ist es nicht.
    Ich hoffe, meine Zeit reicht aus, mein Ziel zu erreichen. Der Weg ist das Mittel dazu.
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  • E1-72-D- Konstanz (6km)

    October 22, 2016 in Germany ⋅ ☁️ 9 °C

    Dem Ziel entgegen (11)

    Die Nacht in der Jugendherberge war anstrengend. Ein Zimmergenosse kam erst spät und packte erst dann seine Sachen aus. Zwei andere standen sehr früh auf. Aber ich will nicht meckern, ich wollte meine Tour so beenden. Bald ist alles zusammengepackt und es kann los gehen.

    Heute naht das Ende meiner Wanderung "Längs durch Deutschland".
    Von der DJH strebe ich durch Allmansdorf Richtung Süden dem Ufer des Bodensees entgegen. Noch einmal geht es durch herbstbunten Wald. Es ist der Lorettowald und heute kann ich die schöne Laubfärbung wieder in vollen Zügen genießen. Voller Ungeduld gehe ich das letzte Stück und dann - endlich - liegt er in der Morgensonne vor mir: der große, blau schimmernde Bodensee. Ganz dicht ans Ufer gehe ich, bleibe stehen, schließe die Augen und genieße diesen Moment. Dann öffne ich die Augen und schaue sehr bewusst, sehe die Sonne, das blaue Wasser und das gegenüberliegende Ufer. Mein Blick schweift über den weiten See, dessen anderes Ufer ich nicht ausmachen kann. Ich richte meinen Blick auf das nahe Konstanz, sehe die Altstadt und den kleinen Park am Wasser, an dem ich meine Reise beenden will. Schließlich blicke ich geradeaus, sehe die Schweiz, die nächstes Jahr -vielleicht- Schauplatz einer weiteren Wandertour sein wird.
    Aber nun genieße ich nur diesen feierlicher Moment. Ich stelle Kumpel, der mich so lange geduldig und stumm begleitet hat, vor mir ab und hole aus ihm Feder und Muschel, die mich fast den gesamte Weg begleitet haben. Ich habe sie immer dabei gehabt, nur um sie jetzt dem Wasser des Bodensees als eine Geste des Abschlusses übergeben zu können. Lange halte ich sie in der Hand und kann mich nicht von ihnen trennen. Die Wanderung ist vorbei, wenn ich sie loslasse, so fühle ich. Schließlich übergebe ich sie sanft dem Wasser, sie treiben träge davon. Lange schaue ich ihnen hinterher, wie sie auf der spiegelglatten Oberfläche langsam in Richtung des anderen Ufers driften.
    Doch ewig kann ich hier nicht stehen bleiben. So schultere ich Kumpel ein letztes Mal, wende mich ab und gehe Richtung Konstanz. In dem kleinen Park nahe am Hafen beende ich meine Tour.
    "Du hast deine Tour gesichert", verkündet Else, als ich das Komoot-Programm beende.
    Nun wird sie vermutlich bis zum Frühjahr schweigen.
    Sehr lange sitze ich auf einer Bank, genieße die Sonnenstrahlen, den Blick auf den See geheftet, dessen Blau mir heute sehr intensiv vorkommt. Der Wettergott hat es gut mit mir gemeint am Ende dieser Etappe und meiner Reise.
    Und wieder spüre ich die innere Wärme, die ich gestern schon spürte. Sie beginnt in der Mitte meines Körpers und breitet sich von dort aus. Als sie meinen Kopf erreicht, fühle ich nur - Glück. Nichts ist wichtig, nichts ist zu tun in diesem Moment, denn ich bin angekommen. Für eine sehr lange Zeit verharre ich still auf der Bank. Körper, Geist und Seele sind eins und wollen nichts mehr.

    Doch jedes Glücksgefühl vergeht wieder und natürlich ist auch noch etwas zu tun, denn ich brauche jetzt ein Ticket für meine Rückfahrt, muss eine geeignete Zugverbindung heraussuchen. Obwohl noch Zeit ist, verspüre ich wenig Lust, mir noch die Altstadt anzusehen. Lieber warte ich hier voll Muße auf den Zug, der mich dann die vielen Kilometer, die ich bis hierher gelaufen bin, um ein Vielfaches schneller nach Hamburg zurück bringt.
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  • E1-71-D- Allmannsdorf (26km)

    October 21, 2016 in Germany ⋅ 🌧 7 °C

    Dem Ziel entgegen (10)

    Voller Ungeduld verschlinge ich am nächsten Morgen im Gasthof Adler mein Frühstück. Bald schon habe ich Kumpel geschultert und bin wieder auf den Beinen, dem Bodensee entgegen. Heute endlich werde ich ihn zu Gesicht bekommen!
    Doch jetzt muss ich noch am Mindelsee entlang und immer weiter über Feldwege. Endlich, endlich signalisiert mir eine quer stehende Baumgruppe, dass der nördlichen Zipfel des Bodensees nahe sein muss. Hier soll laut Karte ein Pfad zum Ufer hinab führen. Das liegt nicht unbedingt auf meinem Weg, aber die Ungeduld, einen Blick auf den See zu erhaschen, ist so gewaltig, dass ich mich schon die ganze Zeit frage, ob ich dort runter gehen soll. Doch der Weg ist wegen eines Erdrutsches gesperrt und so wird mir die Entscheidung abgenommen. Also gehe ich weiter geradeaus am Seeufer entlang, das von hohen, dicht stehenden Bäumen aber vor mir verborgen bleibt. Stattdessen quere ich einen großen Golfplatz, auf der gepflegten Rasenflächen schlägt ein einsamer Golfspieler seinen Ball.
    Es folgt wieder Wald, der mir jetzt, wo ich den See sehen will, trotz der Farbenpracht des Herbstlaubes gewaltig auf die Nerven geht. Ich will jetzt Wasser sehen!
    Und endlich stehe ich an einer Schranke. Dahinter ist der Wald zu Ende, der Weg führt weiter über eine Wiese. Und dann ist der lang ersehnte Moment da: vor mir liegt der weite Bodensee! Im Moment sieht er grau und kalt aus und ich weiß gar nicht, was am Ankommen so erstrebenswert ist. Wo ich hier stehe und auf den See blicke, verlässt mich meine ganze Kraft. Ich brauche dringend eine Pause. Der Aussichtspunkt nahe Litzelstetten bietet Sitzgelegenheit und ich bereite mir ein Fischrisotto aus der letzten Trockennahrungstüte von Treck'n Eat. Ich genieße das Essen und den Ausblick. Erst beim Kaffee kehrt die Kraft zurück und die Erschöpfung weicht einer Euphorie, die im Bauch beginnt und sich allmählich auf den ganzen Körper ausdehnt. Als das Glücksgefühl meinen Kopf erreicht, muss ich laut auflachen, so sehr freue ich mich, angekommen zu sein. Die eben noch empfundene Schwere fällt ab und sie weicht einer Leichtigkeit, die mich nun weiter trägt. Denn noch bin ich nicht angekommen.
    Ich mache einen Abstecher zur Insel Mainau hinunter. Eine breite, vierspurige Straße führt direkt zum riesigen Parkplatz, auf dem kein einziges Auto parkt. An der Kasse ein Schild: Zugang zur Insel 19€. Die Saison ist übermorgen vorüber, doch schon heute ist nichts mehr los und ich will auch nicht rüber zur Insel.
    Ich gehe eine Allee direkt am See entlang, es folgt ein kleiner Waldweg am Ufer des Bodensees und schließlich komme ich in Allmannsdorf auf der Rückseite der Jugendherberge Konstanz an. Der hohe, weiße Turm, der wie an die neuzeitliche Herberge geklebt wirkt, ist nicht zu übersehen. Hier will ich die letzte Nacht auf meiner Wanderung längs durch Deutschland verbringen.
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  • E1-70-D- Güttingen (21km)

    October 20, 2016 in Germany ⋅ ☁️ 10 °C

    Dem Ziel entgegen (9)

    Zu schön, in einem flauschigen Federbett zu erwachen, lange finde ich nicht den Weg hinaus. Das Zelt hatte derweil im Bad genug Zeit, zu trocknen. Beim Frühstück genieße ich noch einmal den Blick ins Tal, wo der Ort Singen auf mich wartet. Meine Wandergesellschaft treffe ich nicht mehr, sie ist schon früh weiter gezogen.
    Im Stadtpark von Singen war vor viele Jahren einmal eine Landesgartenschau, deren Strukturen auch heute noch sichtbar ist. Vom Ort selbst gibt es nichts zu berichten und bald erreiche ich den "Großen Tannenwald", der mir eher ein Buchenwald zu sein scheint, dessen Bäume ein so prächtig schillerndes buntes Laubkleid zieren, dass das Wandern eine Freude ist.
    In Friedingen unterquert der Querweg in einem Fußgängertunnel die A33. Mit dem Auto hätte man in wenigen Kilometern den Bodensee erreicht, doch für einen Wanderer ist der große See noch immer weit entfernt.
    In Steißlingen kann ich alte Fachwerkhäuser bewundern, kaum habe ich den Ort durchquert, geht es einmal mehr ganz sanft bergauf und am Weilerhof kann ich endlich einen ersten Blick auf einen großen See erhaschen. So sehr ich es erhoffe, es sei der Bodensee; der Blick auf meine Komoot Karte gibt mir Auskunft: es ist nur der Zeller See.
    Eine Zeitlang laufe ich auf einem schmalen Feldweg auf einer Kuppe entlang, dann geht es in Schloßhöfe einen sehr verwilderten, aber schönen Weg steil hinab. Obacht, hier ist es feucht, glitschig und düster. Doch zahlreiche Motive lassen mich immer wieder das Handy für ein Foto zücken. Ein toller Weg, der aber doch mit Vorsicht und Bedacht begangen werden sollte!
    Bald geht es durch Stahringen, es gibt nichts außer Verkaufsstände für Äpfel aus eigener Ernte. Doch kaufen muss ich nicht, ich habe mich bereits mit einem Apfel direkt vom Baum versorgt.
    Am Nachmittag ist meine Tagesziel erreicht. In Güttingen frage ich im Landgasthof Adler nach, ob noch ein Zimmer frei sei. Ich bekomme ein zwar kleines, aber schönes Zimmer mit Weitblick auf den Mindelsee, bei dessen Anblick ich für einen Moment dachte, es sei der Bodensee. Doch auf dessen Anblick werde ich bis morgen warten müssen. Ich kann es kaum noch aushalten!
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  • E1-69-D- Singen (26km)

    October 19, 2016 in Germany ⋅ 🌧 11 °C

    Dem Ziel entgegen (8)

    Der Morgentau hält sich wie an jedem Morgen am Zelt fest und so wird einmal mehr das Zelt im feuchten Zustand verstaut. Der Campingplatz ist auch am Morgen menschenleer und so okkupiere ich wieder den geschützten Platz unter dem Vordach der Rezeption, um mein Frühstück zu bereiten. Es besteht wie immer aus mit heißem Wasser verquollenem Müsli, um den Magen bestmöglich zu füllen. Dazu gibt es einen heißen Nescafé.
    Nun kann es losgehen. Der Querweg will sogleich dreihundert Meter den Hohenhewen hinauf. Oben ist eine Burgruine, der hohe Turm dort oben soll einen grandiosen Blick über die anderen Hegauberge hinweg bis zum Bodensee und die Alpen bieten, gibt ein Schild Auskunft. Doch ich habe vom Bergauf so was von die Nase voll und beschließe daher, ihn zu umwandern.
    Nicht weit entfernt wartet schon die nächste Burg auf dem Berg Hohenstoffeln auf ihre Besteigung, doch auch diese zweihundert Höhenmeter kann jemand anderes hochstoffeln.
    Auf jedem Hügel ist eine Burg gelegen und es gibt viele Hügel in der Hegau. Jede kann mit einer blutigen Geschichte aufwarten, zahlreiche Lehrtafeln am Wegesrand berichten von Eroberung und blutigen Schlachten, denn Napoleon Bonaparte marschierte mit seinem Heer im Mai 1800 genau hier gegen die Österreicher auf. Die Heere kämpften entweder auf den Schlachtfelder zwischen Bergen und Burgen oder Napoleon griff die Österreicher auf ihren strategisch recht unbedeutenden Burgen an, um so an die für sein Heer überlebenswichtigen Lebensmittel zu gelangen. So wurde zerstört, was vom dreißigjährigen Krieg an Burgen noch übrig war.
    Doch ich bin mehr am eigenen Fortkommen interessiert als an den Burgen. Nur am Mägdeberg und dem Hohenkrähen komme ich nicht vorbei, sondern nur hinüber. So sehe ich wenigstens zwei Burgen aus der Nähe, aber lange halte ich mich nicht mit ihnen auf.
    Auf dem Mägdeberg treffe ich eine Weitwanderin, die wie ich auf dem Querweg unterwegs ist. Wir haben uns einiges zu erzählen und gehen plaudernd gemeinsam weiter. Kurz vor Singen finden wir ein Nachquartier. Wir genießen ein gemeinsames Abendessen und der Redefluss versiegt auch dabei nicht. Wanderer haben sich offenbar immer etwas zu erzählen.
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  • E1-68-D- Engen (26km)

    October 18, 2016 in Germany ⋅ 🌧 13 °C

    Dem Ziel entgegen (7)

    Die Nacht ist ruhig, doch sie ist viel zu früh zu Ende, denn der Landgasthof liegt an einer sehr frequentierten Durchgangstraße, auf der direkt unter meinem Zimmerfenster die LKW vorbei donnern. Aber mit einem heißen Kaffee in der Hand, den ich mir frisch auf dem Zimmer brühen kann, ist das schon nicht mehr so schlimm. Sachen packen und dann ist auch schon Frühstückszeit. Um neun Uhr wartet vor dem Hotel das bereits gestern vorbestellte Taxi auf mich, es bringt mich nach Buchberg zurück an die Stelle, wo es mich gestern aufgelesen hat. Bevor es von dort aus weiter geht, statte ich der Allianz-Filiale noch einen Besuch ab. Ich möchte mich noch einmal für die Mühe, die sie gestern mit mir hatten, bedanken.
    Der Mittelweg führt vom Ortskern von Buchberg den Buchberg hinauf, um dem Wanderer, oben angekommen, einen großartigen Weitblick genießen zu lassen. Doch ich kürze ab, wie ich es in den nächsten Tagen noch öfter machen werde. Wer kam nur auf die Idee, einen Wanderer kurz vor seinem lang ersehnten Ziel noch jeden Berg hinauf zu schicken?
    Kurz darauf finde ich die gelb-rote Raute des Querwegs, die Wegmarke, die mich ab jetzt zum Bodensee geleiten wird. Den Rest des Tages geht es stetig leicht bergab, denn nun habe ich den südöstlichen Rand des Schwarzwaldes erreicht. In einem Waldstück hinter Randen laufe ich an einem PKW vorbei, dessen vier Türen und die Heckklappe weit offen stehen, doch der Fahrer ist weit und breit nicht zu sehen. Besorgt denke ich, dass der Wagen vielleicht gestohlen sei und hier zurück gelassen wurde. Vielleicht ist es ein Förster, der seinen Wagen unbekümmert offen stehen ließ, weil er glaubt, hier völlig ungestört zu sein. Auf alle Fälle ist mir etwas unheimlich und ich sehe zu, dass ich schnell vorbei komme.
    Das war schon das Aufregendste für eine lange Zeit, denn die Strecke ist für eine Weile eher unspektakulär. Vielleicht ist noch erwähnenswert, dass eine Herde wilder Rehe vor mir davonstürmte.
    Dann öffnet sich der Wald und die langweilige Strecke hat ein Ende. Der Schwarzwald ist offenbar endgültig zu Ende und macht einer malerische Weite Platz. Es folgt eine bemerkenswerten Landschaft, die bis zum Horizont reicht, eine hügelige Moränenlandschaft, die hin und wieder von kegeligen Hügeln durchbrochen wird. Ich habe die Hegau erreicht, ein vulkanisches Gebiet, das von hier bis zum Bodensee reichen wird. Der Blick, der sich vor mir auftut, ist so überwältigend, dass ich mich erst einmal auf einer nahen Bank niederlassen und eine Tütensuppe warm machen muss. Während ich esse, nehme ich den unvergesslichen Blick in mir auf. Eine solch bizarre Landschaft habe ich noch nie gesehen, sie passt so gar nicht nach Deutschland.
    Regen treibt mich zum Aufbruch. Weiter geht es auf einem alten Postweg, später ist es ein alter Römerweg, der an der Waldgrenze entlang verläuft, rechterhand immer die Weite der Hegau. Kleine, verträumte Orte, schützende Hütten und manch bunter Blätterwald liegen am Weg. Und immer ist da der weite Blick über die Moränenlandschaft.
    Am Abend habe ich es für heute geschafft. Bei Dämmerlicht erreiche ich bei Engen den Campingplatz Sonnental. Hier ist niemand, aber ich kann den Campingwart herbei telefonieren. Er weist mir einen einsam gelegenen Stellplatz zu. Schnell ist alles hergerichtet, dann ist es auch schon dunkel. Das dem Campingplatz angegliederte Restaurant hat im Oktober schon zu und mir bleibt nichts anderes übrig, als etwas Schutz vor der aufziehenden Kälte in dem kleinen Rezeptionshäuschen zu suchen. Unter dem Vordach bereite ich mir mein Abendbrot, bestehend aus Trockennahrung und Tee. In Momenten wie diesen schmeckt es traumhaft. Und es wärmt. Es ist noch nicht spät, aber saukalt und deshalb ziehe ich mich ins Zelt zurück und kuschele mich in den Schlafsack. Schon bald ist mir warm. Nieselregen verteilt seine Feuchtigkeit auf dem Zeltdach, aber drinnen bleibt alles trocken. Es dauert nicht lange, bis ich einschlafen bin.
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  • E1-67-D- Blumberg (28km)

    October 17, 2016 in Germany ⋅ ☁️ 13 °C

    Dem Ziel entgegen (6)

    Nach Nächten im Zelt hat der Körper vermutlich Schlaf nachzuholen. Jedenfalls habe ich fest durchgeschlafen und wache erfrischt auf. Am üppigen Frühstücksbuffet hole ich mir die Kalorien, die ich für den heutigen Wandertag vermutlich brauchen werde.
    Ich habe noch einen Tag in der wildromantische Wutachschlucht, deren herbe Schönheit ich gar nicht beschreiben kann und deshalb auf meine Bilder und Sackis Video (das es leider nicht mehr gibt) verweise. Meine Wanderfreude wird allerdings getrübt, als der Weg plötzlich versperrt ist. Wie er hier wohl jederzeit vorkommen kann, zwingt mich ein Erdrutsch zu einem langen und beschwerlichen Umweg, der mich weit aus der Schlucht heraus und damit um den Erdrutsch herum führt. Einige Kilometer weiter bin ich zurück in der Schlucht, nur um bald auf die nächste Absperrung zu treffen. Ein zweites Mal geht es wegen eines weiteren Hangrutsches wieder aus der Schlucht heraus, ein Stück oberhalb entlang und dann wieder hinunter zur Wutach.
    So wird die Strecke viel länger als geplant und eine Übernachtungsmöglichkeit habe ich vorher auch nicht ausgemacht. Vielleicht ergibt sich bei den Tibetern eine Möglichkeit, bei denen man laut Reisebeschreibung unbedingt vorbei schauen soll. Ihr Haus liegt am Ende der Wutachschlucht und ich staune nicht schlecht, als ich dort ankomme. In einer Garage steht ein orangefarbenes motorgetriebenes Dreirad, wie man es wohl in Indien fährt, daneben eine Bank, darauf Obst, Schokoriegel und in einem Kühlschrank kalte Getränke. Das ist eine nette Geste, die ich auf meiner bisherigen Wanderung noch nicht erlebt habe. Deutsche Trail-Angels sozusagen, wie man sie auf dem Appalachian Trail in den USA wohl oft antrifft, wie ich gelesen habe. Dort sind es ehemalige Wanderer, die ihre Dankbarkeit zeigen, indem sie nachfolgenden Wanderern mit Essen, Trinken und Unterkunft versorgen. Hierzulande ist es bisher nicht verbreitet und da ich es nicht gewohnt bin, nehme ich keine der großzügig angebotenen Dinge an.
    Für eine Übernachtung ist es noch zu früh und so klingel ich nicht, sondern gehe still vorbei. Ich will mein Glück in Blumberg versuchen und dafür muss ich noch den Buchberg hinauf. Doch der Weg zieht sich und nun beginnt es auch noch zu regnen. Nass und erschöpft erreiche ich völlig erledigt das einzige Hotel des Ortes. Doch was muss ich am Eingang auf dem Schild lesen? "Liebe Gäste, wir haben neue Öffnungszeiten. Montag und Dienstag Ruhetag." Oh nein, nicht schon wieder! Im Schwarzwald scheint im Oktober tote Hose zu sein.
    Ich habe so gar keine Lust, mein Zelt irgendwo auf der nächsten Wiese im Regen ins nasse Gras zu stellen. Wasser habe ich auch keines mehr. Also muss ich mich erst einmal darum kümmern. Meine Laune ist gerade auf einem Tiefpunkt angelangt. Missmutig gehe ich die Hauptstraße entlang und hoffe, dass ich hier irgendwo nach Wasser fragen kann. Obwohl schon spät, hat eine Allianz-Filiale noch geöffnet, sie erscheint mir im Moment wie ein heiliger Ort. Scheu betrete ich das gut geheizte Büro. Kumpel, der vor Nässe trieft, bleibt vorsichtshalber draußen auf der Treppe, doch ich ziehe trotzdem eine feuchte Spur hinter mir her. Es ist mir unangenehm, nach Wasser zu fragen, denn so etwas habe ich bisher noch nicht gemacht. Doch ich werde warmherzig empfangen, es scheint nichts dabei zu sein und meine Wasserflaschen sind schnell gefüllt. Ob ich nicht ein Hotel bräuchte, fragt die Versicherungsfachfrau zuvorkommend.
    "Oh, das wäre super", meine ich nur schlapp.
    Und schon fängt sie an zu telefonieren. Bald steht ein Taxi vor der Tür, dass mich in den nächsten Ort fährt. Dort wartet ein großes Zimmer auf mich.
    Ich bin überglücklich, dass ich den Abend an einem gedeckten Tisch mit einem warmen Essen und einigen Bieren verbringen kann. Das ist viel besser, als bei dem miesen Wetter irgendwo in meinem kleinen und nassen Zelt zu frieren.
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  • E1-66-D- Schattenmühle (11km)

    October 16, 2016 in Germany ⋅ ☁️ 13 °C

    Dem Ziel entgegen (5)

    Raureif begrüßt mich am nächsten Morgen, während ich den Reißverschluss meines Zeltes hochziehe. Ich sehe die noch langen Schatten vor meinem Zelt, die hohe Bäume werfen. Sie verdecken das Glühen der Morgensonne, die noch ganz tief über dem angrenzenden Feld steht und sich müht, mit warmen Strahlen den Morgennebel zu vertreiben. Eine friedliche Stimmung liegt über dem Platz und etwas widerstrebend schäle ich mich aus dem wärmenden Schlafsack. Doch die Aussicht auf eine heiße Dusche lockt auch. Während ich den beheizten Sanitärbereich genieße, schaffen es die Sonnenstrahlen derweil nicht, den Reif zu vertreiben, der noch auf meinem Zelt ruht. So verschwindet es auch heute wieder nass im Zeltsack. Das ist wohl so im Oktober und langsam gewöhne ich mich auch an die morgendliche Feuchtigkeit. Es ist ja nur Wasser. Mit dem fix und fertig gepacktem Rucksack klopfe ich leise am Wohnwagen von Nancy und Mike, um den versprochenen Morgenkaffee einzulösen. Nancy öffnet verschlafen das Vorzelt und reicht mir einen heißen Kaffee. Sie hat schon gewartet. Während Mike im Wohnwagen noch schläft, plaudern wir leise im Vorzelt. Nancy hat so gar keine Lust, heute den Wohnwagen zu klarieren und sie bedauert, dass sie nun ein halbes Jahr nicht mehr herkommen werden. Ich kann sie gut verstehen. Und doch möchte ich gerne weiter und nicht hier bleiben. So bedanke ich mich für den Kaffee und mache mich auf den Weg.
    Auf die nun vor mir liegende Strecke freue ich mich ganz besonders, denn es wird heute durch die Wutachschlucht gehen, von der ich dank Kai Sackmanns Beschreibung und seinem Wandervideo schon viel weiß. Auf mich wartet eine überwältigende Urlandschaft, durch die ich die nächsten zwei Tage laufen werde.
    Aber zuvor geht es die Haslachschlucht auf einem wildromantischen Weg entlang. Als der Steig in die enge Klamm hinunter ans Wasser führt, verzichte ich jedoch auf den Abstieg, denn die Schlucht liegt noch im dichten Morgennebel und ich vermute, da unten wird es noch bitterkalt sein. So wandere ich lieber am Rand der Schlucht weiter. Schließlich geht es nicht mehr anders, ich muss in die Schlucht absteigen, um über eine schmale Brücke die Haslach zu queren, die an dieser Stelle mit der Gutach zusammenfließt und so zur Wutach wird, so genannt, weil bei Hochwasser aus ihr ein reißender Strom werden kann, der schon mal Brücken mit sich reißt und Bäume entwurzelt. Zu solchen Zeiten ist der Weg, dem ich jetzt folge, meist gesperrt. Aber ich habe Glück, denn die Wutach führt derzeit extrem wenig Wasser und plätschert seicht vor sich hin.
    Im stetigen Wechsel führt der Steig mal dicht am Wasser, mal auf dem Kamm der Schlucht entlang, der mich immer mehr begeistert. Voller Freude schreite ich an kleinen Wasserfällen vorbei, die über moosbedeckte Felsen tropfen. Allerdings sollte man das Wasser nicht trinken, denn es stammt aus darüber liegenden landwirtschaftlich genutzten Flächen und enthält vermutlich Schadstoffe, die Chlortabletten nicht ausfiltern können.
    Nach elf Kilometern erreiche ich die Schattenmühle, die inmitten der Wutachschlucht liegt. Anders als der Name vermuten lässt, liegt ihre Terrasse in praller Frühnachmittagssonne. Heute ist Sonntag und deshalb ist die Terrasse gut besucht. Auch ist die Schattenmühle mit dem Auto erreichbar. Die Gäste lassen sich Schwarzwälder Kirschtorte und andere Leckereien schmecken, die junge Mädchen im Dirndl servieren. Auf ihren hübschen Köpfen leuchten rot die landestypischen Bollenhüte, die lustig ausschauen. Ich lasse mich in der Sonne nieder, bestelle Kaffee und Kirschtorte und genieße einen Nachmittag voller Wonne. Natürlich ist gleich jemand vom Nebentisch neugierig, woher ich komme und wohin ich gehe, er hat halt meine Wanderkluft und den großen Rucksack gesehen. Nachdem das Staunen über meine Wandergeschichte abebbt, erzählt der Herr seine Geschichte, Das er in Schweden als Dirigent arbeitet, aber oft zu Hause im Schwarzwald sein kann. Er scheint für seine Arbeit zu brennen, obwohl er bescheiden auftritt und ob er berühmt ist, finde ich nicht heraus.
    Der Nachmittag schreitet voran, ich strecke fauler werdend die Beine immer weiter aus und beschließe schließlich, in der Schattenmühle zu übernachten. Es ist noch ein kleines Zimmer frei, so kann ich bleiben und den Abend bei Steak und Bier genießen, das allerdings in der gemütlichen Wirtsstube, denn draußen ist es wieder kalt geworden. Neben mir sitzt ein Motorradfahrer, der mir erzählt, dass er kurz mal mit seiner Maschine eine Sonntagsausfahrt hierher gemacht hat, weil es in den Bergen so schöne Kurven hat. Gleich muss er aufbrechen, zurück nach Genf. Das sind 300km, also 600km für eine Ausfahrt!
    Ich würde jetzt nicht mehr gerne raus in die Kälte und freue mich auf mein warmes, weiches Bett, das mich gleich erwartet.
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  • E1-65-D- Camping bei Lenzkirch (27km)

    October 15, 2016 in Germany ⋅ ☁️ 14 °C

    Dem Ziel entgegen (4)

    Am nächsten Morgen finde ich erst spät aus dem weichen Bett. Als ich endlich im Frühstücksraum erscheine, sitzt dort nur noch Achim, die beiden Frauen sind schon fort. Gleich plaudern wir munter drauflos, was wir heute vorhaben. Wanderer haben sich immer etwas zu erzählen. Achim meint, dass er mir heute den Feldberg zeigen könnte.
    "Ich kenne ihn wie meine Westentasche, war schon oft da oben", meint er.
    Eine gute Idee! Und so gehen wir gemeinsam los. Er vorneweg und ich hinterher, so stiefeln wir die verbleibenden zweihundert Höhenmeter zum Gipfel hinauf. Noch scheint die Sonne und ich freue mich schon auf den herrlichen Weitblick, wie er mir angekündigt wurde. Doch da zieht Nebel auf und oben ankommen, kann man die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Das ist Pech, denn der Feldberg ist mit seinen 1.400 Höhenmetern die höchste Ergebung, die man auf dem ganzen E1 in Deutschland erleben kann. Der Reiseführer versprach einen Blick bis zum Bodensee und den Alpen. Nun aber ist nur grau in grau zu sehen. Ähnlich war es schon auf dem Kahlen Asten, auch dort war nur Nebel und keine Sicht am Gipfel. Es ist wohl mein Wanderschicksal.
    Da es jetzt auch noch saukalt wird, machen wir uns an dem Abstieg und schon zweihundert Höhenmeter tiefer kommt der Abschied. Ich reiche Achim wortlos die Hand, wir schauen uns in die Augen, dann wendet er sich ab, richtet seine Schritte in eine andere Richtung und ich schaue ihm nach, bis seine Gestalt im Nebel verschwindet. Der Westweg verläuft weiter durch den Schwarzwald Richtung Süden bis nach Basel. Der E1 dagegen biegt hier nach Osten ab und folgt für kurze Zeit dem Mittelweg durch den östlichen Schwarzwald. Immer weiter geht es bergab, runter zum Schluchsee, einem künstlichen Stausee von riesiger Ausdehnung und einige hundert Höhenmeter tiefer scheint schon wieder die Sonne.
    Wohl jeder Mensch hat einen heimlichen Traum, den er sich vielleicht irgendwann erfüllen möchte. Meiner ist ein kleines Haus, direkt an einem See gelegen, in dem ich dann wohne. Einsam und friedlich wird es liegen, weit ab von der Hektik der Welt. Während ich dem Stausee näher komme, nimmt dieser Traum urplötzlich Gestalt in Form eines kleinen Wochenendhäuschen mit überdachter Veranda an, das genau so aussieht wie in meiner Vorstellung. Gut, es steht nicht direkt am See, aber mein Gott, man kann nicht alles haben. Nur schwer kann ich weitergehen, aber ewig stehen bleiben kann ich auch nicht.
    Zum Glück komme ich bald an einem Seglerheim vorbei, in dessen Garten ich meine Schritte lenke. So kann ich mich aus meinem Traum lösen. Mit selbstgebackenem Kuchen in der Hand suche ich mir einen freien Platz auf der Terrasse. Ein paar Segler winken mich an ihren Tisch und stellen, kaum dass ich sitze, neugierige Fragen. Sie scheinen beeindruckt von meiner Tour und wir stellen nach einer Weile fest, dass die Mutter einer Seglerin gleich bei mir in Hamburg um die Ecke wohnt. Das gibt es doch nicht! Vermutlich habe ich sie schon mal beim Bäcker getroffen. Ich erfahre auch, das hier im Vereinsheim heute Abend ein Oktoberfest gefeiert wird.
    "Bleib da und sei unser Gast. Eine Unterkunft besorgen wir dir schon."
    Das klingt verlockend. Doch ich will lieber weiter laufen. So schicken die netten Segler mich den Bildstein hoch, der eigentlich nicht auf meinem Weg liegt.
    "Wegen der schönen Aussicht", geben sie mir mit auf den Weg.
    Nun mühe ich mich den Berg hoch, vorbei an herbstlich leuchtenden Laubbäumen, deren Blätter golden in der Sonne schimmern. Und auf halbem Weg zum Gipfel stelle ich fest, dass ich im Seglerheim mein kleines Sitzkissen vergessen habe, das ich bei den kühlen Temperaturen bei Pausen oder abends am Zelt vor der Kälte von unten zu schätzen weiß. Aber ich musste wohl etwas zurück lassen, nachdem ich heute morgen meinen Zeltsack glücklich zurück gewonnen habe. Eine Plastiktüte wird ab jetzt als Unterlage genügen müssen.
    Schließlich finde ich den schönen Ausblick hinunter zum Schluchsee und es ist den Aufstieg wirklich wert gewesen. Dann geht es weiter auf einem Höhenweg, der gegenüber dem geplanten Weg sogar eine Abkürzung ist. Endlich erreichte ich den Campingplatz Kreuzhof bei Lenzkirch, in einem altehrwürdigen Empfangsgebäude checke ich ein und bekomme einen Platz auf einer trockenen Wiese weitab der Dauercamper zugewiesen. Sie liegt in der noch prallen Abendsonne und das schnell aufgestellte Zelt trocknet in Windeseile ab. Der Kreuzhof ist ein vorzüglicher Campingplatz mit guten Einkaufsmöglichkeiten, einem Schwimmbad, beheiztem Sanitärbereich. Es verfügt auch über zwei Restaurants, die mich gerade am meisten interessieren. Der Gasthof an der Straße ist der schönere der beiden Lokale, aber dort ist ausgebucht. Aber in dem anderen sitzt man auch gut und das Wildgoulasch schmeckt richtig lecker. Ich komme mit einem Camperpaar ins Gespräch, die sich den Tisch mit mir teilen. Ich erfahre, dass sie morgen ihren Wohnwagen winterfest machen werden und die diesjährige Campingsaison damit beschließen. Regelmäßig kommen sie aus der Schweiz herüber und verbringen ihre Wochenenden im Schwarzwald auf diesem Campingplatz. Sachen gibt es!
    Als wir uns nach einem schönen Abend verabschieden, laden sie mich für den nächsten Morgen auf einen Kaffee zum Aufwärmen ein. Das ist nett von Nancy und Mike und ich nehme dankend an.
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  • E1-64-D Wanderheim am Feldberg (24km)

    October 14, 2016 in Germany ⋅ 🌧 7 °C

    Dem Ziel entgegen (3)

    Am Morgen hat sich der Sturm gelegt, das Wetter ist tatsächlich umgeschlagen. Der Himmel ist nicht mehr blau, sondern grau. Dafür ist es nun wärmer als die Tage zuvor.
    Das wenige Wasser reicht gerade noch zum Zähneputzen, aber nicht mehr für ein Frühstück. Also packe ich zusammen und lasse den Magen knurren. Zu meiner Überraschung finde ich den Zeltsack, den ich gestern so verzweifelt gesucht hatte, unter der Zeltunterlage wieder. Meine Freude darüber ist groß und ich danke dem Universum für den glücklichen Ausgang meiner kleinen Prüfung. So hat im Rucksack jetzt alles wieder seine Ordnung und das vom Morgentau noch feuchte Zelt macht im Rucksack nichts mehr nass.
    Kurz darauf kann ich den ersten Blick auf den noch fernen Feldberg erhaschen. Ihn möchte ich heute erklimmen. Aber zunächst geht es hinab zum Titisee. Irgendwo im Wald gibt es in einer der zahlreich vorhandenen Schutzhütten ein kleines Frühstück. Frischwasser konnte ich zuvor schon an einer Quelle aufnehmen.
    Nach dem Auf und Ab der letzten Tage ist es äußerst angenehm, mal eine Weile nur bergab zu laufen. Am frühen Mittag erreiche ich Hermesdorf am Titisee. Weil ich einen Riesenhunger verspüre, steuere ich das erstbeste Lokal an und lande in einem Restaurant mit deutsch-italienischer Küche. Ich frage den Kellner, ob er draußen bedient, denn ich fürchte, dass ich aufgrund meiner reduzierten Körperpflege Unangenehmes ausdünste und das möchte ich den anderen Gästen ungern zumuten. Gerne serviert er mir auf der Terrasse eine große Pizza mit Schwarzwälder Schinken. Das Restaurant wird damit seinem Namen voll gerecht. Dazu gibt es ein großes Bier lokaler Braukunst. Zivilisation hat auch ihr Gutes, denke ich, während ich schlemme. Der Wirt ist freundlich und zeigt mir sogar eine Steckdose auf der Terrasse, damit ich mein Smartphone während des Essens aufladen kann.
    Nach einer sehr ausgedehnten, erholsamen Pause geht es durch eine touristisch geprägte Einkaufsstraße - vorbei an mit Kuckucksuhren überfrachteten Geschäften - zum See hinunter, dessen Anblick mich etwas enttäuscht, denn irgendwie hatte ich ihn mir anders vorgestellt. Imposanter wohl, aber es ist nur ein ganz normaler See. Am Besten gefällt mir ein uraltes Traditionshotel in der ersten Reihe nahe des Kurparks. Hier spüre noch etwas vom längst vergangenen Charme des früheren Touristendorfes.
    Ich wähle die westliche Route des Westweges, die dem nördlichen Ufer des Titisees folgt. Bald gibt ein Wegweiser das Zeichen, den See Richtung Feldberggipfel zu verlassen. Sechzehn Kilometer sind es vom See bis dort.
    Wieder einmal geht es bergauf, aber das ist ja klar. Ein zwar schöner, aber anstrengender Weg windet sich Richtung Gipfel, vorbei an einer Sprungschanze, die ich schon am Morgen von der anderen Seite gesehen hatte, nicht wissend, dass ich sie viele Stunden später erreichen würde. Vorbei an alten Gehöften, die anmuten, als wären sie im Mittelalter erbaut worden, vorbei an Schutzhütten, die eine Option für eine Übernachtung bieten und schließlich zeigt ein Wegweiser zum Naturfreundehaus Feldberg Es ist nur noch vier Kilometer entfernt. Dort will ich hin und ich kann die Ankunft nach dem langen Wandertag kaum noch erwarten. Während der Mittagspause habe ich telefonisch ein Zimmer reserviert. Sicher ist sicher. Die letzten Kilometer werden immer beschwerlicher, am Ende muss ich einem Bachlauf entlang auf schmalem Pfad, der mal am rechten, mal am linken Ufer entlang führt und ihn einige Male auf glitschigen Brücken passiert. Obgleich schön, habe ich keinen rechten Blick mehr für die Natur. Immer steiler führt der Weg den Berg hinauf. Ich kann schon lange nicht mehr.
    Endlich mündet der Pfad auf einen Feldweg, der einer Wiese folgt, auf denen Schafe im Dunst tiefhängender Wolken grasen. Da! Ein Haus liegt im Nebel voraus, ich halte darauf zu. Bin ich am Ziel? Ich hoffe es so. Doch nein, noch nicht! Das ist die Baldenweger Hütte. Dort hatte ich auch angerufen, sie waren ausgebucht. Direkt dahinter taucht nun der Giebel des Naturfreundehaus Feldberg auf. Selten bin ich so erschöpft und gleichzeitig so glücklich durch eine fremde Tür eingetreten. Drinnen werde ich freundlich empfangen und darf gleich auf mein kleines Zimmer im ersten Stock. Nun dies: heiß Duschen, Wäsche waschen und aufhängen, ein Schläfchen machen.
    Die Entspannung kommt beim Abendessen. Drei Wanderer sitzen bereits im Gemeinschaftsraum. Da ich heute Gesellschaft schätze, setzte ich mich dazu an den großen, runden Tisch und bekomme auch gleich einen Teller Suppe vorgesetzt. Es ist der Auftakt zu einem gemütlichen Abend voller angeregter Unterhaltung. Ich erfahre zum Beispiel, dass eine der Wanderinnen ihre Sommer auf einsamen Almen verbringt, um Kühe zu hüten. Dort findet sie Frieden vor der hektischen Welt und verdient sich nebenher ihren Lebensunterhalt für das restliche Jahr.
    Das Leben ist so vielfältig und beim Wandern kann man viel erfahren.
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