gen Osten

May 2019 - May 2020
Der Plan: (Fast) alle Zelte abbrechen, um abends ein kleines irgendwo aufzustellen. Radfahren. Niederrhein - Odessa - Asien, schön mäandernd und mit Druck nur auf den Reifen... Ein bisschen die Welt anschauen, die Menschen, mich selbst. Read more
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  • Lonesome Cowgirl in the City

    July 3, 2019 in Hungary ⋅ ⛅ 21 °C

    Oh lálá, es prasselt Footprints - die Reiseländer geben sich auf meiner Route gerade aber auch die Klinke in die Hand, und ich möchte das schöne Ungarn nicht unerwähnt lassen.

    Die Stadt Balassagyarmat an der Grenze zur Slowakei, wo ich jetzt gerade bin, hat gegenüber Budapest, wo ich die letzten zwei Tage war, einen entscheidenden Vorteil: Es gibt absolut nichts, was man sich unbedingt anschauen müsste.

    Nicht falsch verstehen, Budapest, Du bist eine tolle Stadt, ein vibrierender Mix aus vielem, und ich komme sicher nochmal für länger - aber nach Tagen auf dem Rad und in der Natur bin ich anders getaktet, muss mich erst eingrooven auf Deine Rhythmen, wo ich so sehr in meinem eigenen Rhythmus war...

    Und dann passiert schonmal etwas, was ich auf der Reise sonst gar nicht kenne: Ein Anflug von lonesome Cowgirl in the City. Dann wäre es doch schön, grad nicht allein unterwegs zu sein, wo ich sonst genau das - sowohl das mit mir selbst sein als auch die Offenheit für Begegnungen - sehr genieße.

    Ich gehe in den Städten ‚für Geselligkeit‘ gern in Hostels, gern ‚Schlafsaal nur für Frauen‘, denn da trifft man die Europareisenden Asiatinnen, und es ist nicht nur spannend, was die sich so zum Frühstück kochen... Mit etwas Glück stößt man auf man auf eine der irgendwie toughen, etwas älteren alleinreisenden Frauen aus den Metropolen Chinas - und während der jüngeren Generation das Smartphone als Reisepartner offenbar völlig ausreicht, gibt es da Austausch und auch schonmal nen gemeinsamen Absacker.

    In Budapest, mit vorhangumzäunten Kojen im Hostel, fast wie ein Kapselhotel, blieb irgendwie jede für sich... aber bevor der Blues sich zu breit machen konnte, traf ich auf Fahrradstadtführer Andrej, der mal in Trier studiert hat, und bei einer Streetart-Stadtführung auf Marianne aus Dänemark, die noch Zeit für eine Limonade im Szimpla hatte. Danach ging Musikhören open air am Akvarium auch wieder solo, mit dem Herz offen für die Welt.

    Ansonsten:

    Nichts ist geiler als bei 40 Grad Aussentemperatur in die majestätische, aber sanfte, zärtlich-kühle Donau zu hüpfen.

    Nichts ist entspannter, als bei der Weiterreise Richtung Tatra einfach den fürsorglich für mich handgemalten Roadbooks von Warmshowers-Gastgeber Zsolt zu folgen.

    Und wenn man mit der Methode ‚Hände und Füße‘ versucht, beim Einkauf zu erklären, dass man eine Popocreme für Radfahrer braucht, dann bleibt es nicht bei Händen und Füßen 🙈.

    Ein bisschen Budapester Street Art und der wahrlich postkartenkitschige Ausblick von der Terrasse meines letzten Warmshowers-Plätzchen im Anhang. Take care, Anna
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  • Big Mac oder Big Boobs...

    July 9, 2019 in Poland ⋅ ⛅ 19 °C

    ... oder doch lieber ne Bauchspiegelung?

    Die Plakatwerbung an Polens Schnellstrassen konfrontiert den Konsumenten mit vielfältigem Angebot. Ich folge dem Rat meiner Freundin Uli und lass mir nix Aufschwatzen.

    Blaubeeren höchstens, die gibt’s direkt vor Ort am Strassenrand von fliegenden Händlern... und zig, ach, hunderte Käsebuden gibt’s, wer auch immer den ganzen Käse kaufen soll...

    Harter Fahrradtag heute, vielspurige Strassen, dreistellige km, vierstellige hm... platt und happy in Krakau und hier bleib ich auch erstmal bis Freitag. Dobranoc!
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  • Eingemachtes

    July 15, 2019 in Poland ⋅ ⛅ 18 °C

    Ab morgen bin ich für eine Woche verschollen.

    Zumindest haben mir Marta und Andrej, die in den Bergen hier einen Hof betreiben, gleich die Koordinaten zu ihrem Anwesen und nicht erst eine Adresse durchgegeben. Ich werde den beiden für ein paar Tage beim Bau ihres Wellerlehmhauses helfen - mein bisher unentdecktes Spezialgebiet. Alternativ gäbe es auch Gemüse zu ernten (da bin ich mir meines Talentes sicherer), die beiden sind Selbstversorger (und pflegen zudem auch den Wald um sich herum).

    Bevor es ans Einmachen geht, dann aber doch kurz ans Eingemachte...

    Ich habe von Krakau aus Auschwitz besucht, nicht ohne ein wenig Schiss davor. Zum Glück in Fahrgemeinschaft mit einer Großfamilie aus Bremen, die mich gleich ein wenig adoptiert hat. Bei der Führung ist dann noch eine zweite kleine deutsche Gruppe zu uns gestoßen, und deren fünf Teilnehmer waren... besonders. Wie auch immer man es pc sagt, geistig leicht behindert. Sehr interessiert, aber mit einer Art Kindlichkeit in manchen Fragen, die an diesem schweren Ort schon irritierend war.

    Und irgendwann musste ich denken, ihr schnallt gar nicht, dass ihr vielleicht selbst hier gelandet oder anderswie ‚aussortiert’ worden wärt, hättet ihr damals gelebt. (Ich bin nicht grad stolz drauf, es ist schon arrogant).

    Nachts ist dann noch ein anderer Gedanke dazu über meine Bettdecke geschlichen: Warum kommt mir eigentlich nicht genauso in den Sinn, dass es mich selbst hätte treffen können? Nicht wegen meiner Ethnie oder körperlicher Merkmale, sondern weil ich wie auch immer gegen das Naziregime gehandelt hätte und nicht still mitgelaufen wäre. Weshalb bin ich auch heute noch froh, kein Länderfähnchen anstecken zu haben, wenn uns in Buchenau eine Delegation aus Israel entgegenkommt? Weil ich ihnen doch nicht offen in die Augen blicken und wirklich 100% überzeugt sagen kann, mit mir nicht?

    Ich hoffe, ich vertue mich. Mein Selbstbild ist anders, doch schon im Kleinen ist man so oft feige und auf sein eigenes Wohl bedacht. Ich hoffe, wir lassen gar nichts erst groß werden.
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  • Wieder einsteigen bitte!

    July 20, 2019 in Poland ⋅ ☀️ 21 °C

    Cześć, hallo aus dem ‚normalen‘ Leben, mit Wlan und warmer Dusche.

    Welches ist das normale Leben, gibt es das?

    Für meinen ‚Workaway‘-Kollegen Cheng, Anfang 20, aus einer 14-Millionen-Stadt in China, war alles höchst skurril und logisch nicht nachvollziehbar, dieses Leben, das Marta und Andrej, bei denen ich die letzte Woche war, sich ausgesucht haben.

    Das Lehmwellerhaus auf ihrem 27 Hektar Anwesen ist ein Riesenprojekt, wer weiss, ob es jemals fertig wird. Die beiden träumen davon, dass es auch ein Begegnungszentrum werden könnte. Und schon jetzt begegnen sich bei den beiden - höchst improvisiert - höchst unterschiedliche Menschen, so wie Christian aus Estland, Cheng und ich.

    Ich habe sie genossen, die Zeit auf der Holzpritsche in dem kleinen Kabuff im halbfertigen Haus, der später mal den Ofen beherbergen soll. Die kalte Dusche in der freien Natur nach einem Tag voll Erdbeerbeete mulchen und Gräben in den Lehmboden hacken. Das Wolfsgeheul bei Nacht, das Mäuschen und das Vogelnest in meinem Zimmer.

    Wo kann man vom ‚stillen Örtchen‘ aus schon einen Fuchs beobachten? Martas Küche, das selbstgebackene Brot, Milch von der Kuh des Nachbarn mit Sahne obendrauf und Butter mit Geschmack (ich esse auch vegetarisch unterwegs, nicht nur vegan). Die neugierigen Eidechsen. Die Kartoffeln aus der Glut des Lagerfeuers, der Malzkaffee... Jupiter und die ISS nachts am Himmel, wenn mal keine Wolken warn.

    Anders ticken und klarkommen miteinander. Marta, die Gastgeberin, und ich, haben direkt gespürt, dass wir eine Verbindung haben. Was Cheng wirklich dachte und fühlte... es wird das Geheimnis hinter seiner Freundlichkeit bleiben (und macht mich neugierig auf China).

    Doch obwohl ich mich so wohl gefühlt habe, würde ich selbst nicht in dieser Form ‚aussteigen‘ wollen. Ich teile Martas und Andrejs Achtung vor der Schöpfung und auch ihre Sorge. Aber ich könnte mich nicht so zurückziehen in mein Leben. Mal sehen, was kommt...

    Ich drehe jetzt erstmal eine Runde durch die Karpaten (Polen, Slowakei, Ukraine), und bin dann Anfang August ein paar Tage in Lemberg - Lviv.

    Es gibt tatsächlich noch unberührten Wald hier, wunderschön, sogar der heutige Nieselregen passt irgendwie. Einen Adler habe ich auch gesehen. Und zig Störche... und und und...
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  • Ab jetzt also Kyrillisch...

    July 27, 2019 in Ukraine ⋅ ☁️ 19 °C

    ... wo in meinem Kopf doch eh schon Babylon herrscht. Frau wächst an ihren Aufgaben...

    Für den ersten Abend im neuen Land kuschele ich mich heute aber ins Bettenlager statt auf die Luftmatratze, darf Deutsch sprechen - und kann viele Fragen stellen.

    Das hätte der olle Kolchose-Getreidespeicher sich auch nicht träumen lassen, was aus ihm mal werden würde - das erste Radfahrer-Hostel der Ukraine, Bed&Bike Dobra Nuć in Dubrynychi.

    Fehlen nur noch die Gäste. Ich bin schonmal da. Alisa, die Besitzerin, organisiert auch Fahrradreisen durch die Westukraine für deutsche Touristen (und 1000 andere Dinge). Sie träumt von offenen Grenzen.

    Für mich war es tatsächlich äußerst befremdlich, erst vier verschiedenen und unterschiedlich schwer bewaffneten Vertretern der Staatsgewalt meinen Pass hergeben zu müssen, ein Zettelchen mit Stempeln drauf beim einen zu bekommen, um es beim nächsten wieder abzuliefern, bis ich endlich eingereist war. Alles in äußerster Ernsthaftigkeit. Ich hab nix kapiert... wer da wohl was prüft?

    Der Drogenhund (seine Zuständigkeit war mir klar) war ein Lieber, und ich musste auch nicht meine Packtaschen ausschütten. Nach Krankenversicherung und Einkommensnachweis hat kein Hahn gekräht.

    Die Oberkontrolleurin jedoch sah aus wie einer Konsalik-Verfilmung entsprungen, blickte streng auf mein Passbild, dann auf mich, und sagte ebenso streng meinen Vornamen. Ich weiß nicht, ob das der ultimative Test war, ob ich’s auch wirklich bin. Hab mal schnell bejaht (bei mir nicht gerade ein Reflex, wenn jemand meinen richtigen (Pass-)Vornamen sagt 😅). Jedenfalls bestanden - ich durfte mit dem Rad dann an der Warteschlange vorbei, ansonsten braucht man echt Geduld, schätze mal Raucher kommen locker auf ein halbes Päckchen...

    Mit dem Fahrrad kann man übrigens nicht jeden Grenzübergang in die Ukraine einfach so passieren, an vielen geht‘s nur mit einen amtlichen Kennzeichen, das der Zettelchenbeamte auf das Zettelchen mit draufschreiben kann, und dazu muss der radelnde Reisende dann erstmal einen freundlichen LKW-Fahrer finden, der einen samt Fuhre über die Grenze mitnimmt 🙄.

    Zeit um an der Stelle mal meinem Fahrrad zu danken.

    Ich weiß, ich hab Dich eingekauft, Du hast mich Dir nicht ausgesucht (die beste Zusammenstellung Ukrainisch-Deutsch Minimalvokabular habe ich übrigens auf einer Partnervermittlungsseite entdeckt).

    Wir beide, liebes Velotraum, waren dennoch vom ersten Tag an ziemlich beste Freunde - finde ich. Meinem Hintern und den Knien geht es gut, und Dich hätte es wahrlich auch schwerer treffen können 😉

    Ich hoffe, wir bleiben Freunde, trotz der Straßenverhältnisse, die ich Dir jetzt zumute... Gib zu, Du möchtest es doch auch - ein kleines bisschen Abenteuer.

    Du warst bisher sehr genügsam, nur ein paar Tropfen Kettenöl und zweimal Luft nachpumpen auf fast 4000 km. Ich verspreche Dir, ab jetzt auch regelmäßig Deine Schrauben nachzuziehen.Wenn Du willst, putz ich Dich sogar mal 🙈
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  • Yes! Women are strong!

    August 2, 2019 in Ukraine ⋅ ⛅ 22 °C

    Seitdem ich in der Ukraine bin, ist da noch viel mehr das Gefühl, dass mein Inneres sich ein wenig reckt und streckt, um über meine Mäuerchen drüberzugucken. Einfach mal machen, nicht so viel mit mir rumdiskutieren. Fühlt sich gut und frei an.

    Es ginge auch nicht anders, man ist hier nicht gerade auf ausgetretenen Pfaden des internationalen Tourismus unterwegs. Auch Polen oder Slowaken zieht’s kaum über die Grenze.

    Ausgenommen Lviv, wo ich noch übers Wochenende bleibe - die Stadt verdient ihren eigenen kleinen Beitrag, möchte nur meine Reise bis hierher und den Sonntag in der Ukraine nicht unterschlagen...

    Die langgezogenen Straßendörfer mit bröckelnden Fassaden und frischgeputzten Fenstern, die unzähligen Kirchen mit den Golddächern, die aussehen wie aus einer anderen Welt dort abgestellt. Die braunen Sonntagsanzüge und die Spitzenkopftücher, die am Glockenseil baumelnden Messdiener, die schnapsseeligen Männerversammlungen vor jedem ‚Magazin‘, das volle Programm eben, inklusive Hühnern, Ziegen und Pferdekutschen (selten, aber doch). Die Hunde waren bei der Hitze zu träge für Verfolgungsjagden.

    Die erstmal oft skeptischen Gesichter der Frauen auf den Bänken vor den Zäunen vor den Häusern. Ich glaube, hier wird es den Menschen langsam befremdlicher, dass ich allein unterwegs bin. Und überhaupt, ich auf meinem Rad, das mehr gekostet hat als ein ukrainisches Durchschnittsjahreseinkommen...

    Tipp zur Erheiterung des Auditoriums: Einfach mal so tun, als sei man getroffen und kippe vom Rad, wenn ein kleiner Plastikgewehr-Heckenschütze einen anvisiert. Da schmunzelt zumindest auch Opa auf der Bank. Erziehung zum Pazifismus steht in einem Land, das sich im Krieg befindet, wohl nicht zwangsläufig hoch im Kurs. Hier und da sind an den Ortseingängen große Banner mit Fotos der getöteten Soldaten aufgestellt. Keine verwitterten Tafeln mit den Namen von Weltkriegstoten, sondern die Pass- oder Armeefotos von Männern, die zum Teil noch in den Windeln lagen, als ich gerade Abi gemacht habe.

    Fast gegenüber jeder Bushaltestelle steht eine kleine Kapelle - und wenn man sich die Busse so anschaut, kann man auch das verstehen. Und die Straßen... bis ganz unvermutet, nach einer weiteren inländischen Passkontrolle (auf dem Pass, wie passend), wie von einer guten Fahrradfee hingezaubert eine aalglatte nagelneue Asphaltbahn begann, sich durch die Hügel Richtung Lviv zu schlängeln. Yeah!

    Bei all den Eindrücken wird mir klar, wie wenig ich bislang in meinem Leben gesehen habe von der Welt. Und man kann sich gar nicht davor verschließen, wie gut es uns geht.

    Die Szene des Tages am Sonntag jedoch war, als ich den Uschok-Pass angegangen bin, und mir entgegen kam ein junges Paar in einem schicken westlichen Kleinwagen (sonst waren noch viele alte Ladas in allen Farben des Tuschkastens unterwegs). Er, am Steuer, schüttelte ein wenig schmunzelnd den Kopf, von wegen wie verrückt muss man sein, um hier bei über 30 Grad im Schatten mit dem Rad hochzukurbeln. Da reckte sie die geballte Faust aus dem Beifahrerinnenfenster und rief mir zu ‚Yes! Women are strong!‘. Stimmt.
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  • Lviv and alive...

    August 8, 2019 in Ukraine ⋅ ⛅ 23 °C

    ... war mein erster Gedanke, nachdem ich mich über die sechsspurige Zufahrtsstraße ins Zentrum gearbeitet hatte. Da kann man echt zum Glauben zurückfinden...

    Und kurz drauf war ich schon verliebt. In die Stadt, die quirlig ist und touristisch, der man die Spuren der Geschichte aber noch nicht alle glattrestauriert hat. In das kleine Appartement mit den hohen Decken und der kaputten Wandergitarre, direkt neben der Armenischen Kirche. Für knapp eine Woche meine Heimat, Auszeit vom Vagabundenleben.

    So wird das natürlich nichts mit der Anschluss-Karriere als Vortragsreisende, wenn ich mich in einer Stadt so zuhause fühle, dass ich ganz vergesse, Fotos zu machen... Das Zuhausefühlen mag auch daran liegen, dass ich das Glück hatte, die Stadt mit netten Menschen zu erkunden.

    Zum Beispiel Kateryna, bei der ich am ersten Abend einen ukrainischen Kochkurs mitgemacht habe (ihr seid schonmal alle zu Borschtsch und Varenyki mit Blaubeeren eingeladen). Wir haben uns gut verstanden, und so hat Kateryna mir in den Tagen danach die vegetarischen Restaurants der Stadt gezeigt und mich in die Geheimnisse der legalen und nicht ganz so legalen Gemüsemärkte eingeweiht...

    Tolle Frau, die keine Lust mehr hatte auf 12-und-mehr-Stunden-Arbeitstage als Architektin, mit dem dauernden Druck, trotzdem nicht genug geschafft zu haben, und ihre Passion (Kochen) daraufhin zumindest teilweise zu ihrem Beruf gemacht hat. Auch wenn das in der Saison vier/fünfmal in der Woche Rote Beete Suppe bedeutet...

    Interessant, von solch denkoffenen Menschen zu hören, wie das ist, wenn ‚Regierung‘ und ‚Korrupt‘ gefühlt quasi Synonyme sind, und es deshalb so schwer fällt, an Veränderung zu glauben. Und was hier alles - immer noch - nur mit einem Kuvert unterm Tisch funktioniert...

    Lviv ist die Stadt des Kaffees und des Käsekuchens, von Bier und Blumenmärkten, Straßenmusik und blätterndem Putz.

    Wahrlich ein Engel hat jeden Abend in der Straße vorm Appartement Bandura gespielt. Ich denke, irgendwann fliegt er weg. Fahrt vorher schnell hin!

    Straff geht es jetzt auf Rumänien zu, und heute hatte ich zudem die Chance, manches über ukrainische Straßenflickkunst zu lernen (Lernen durch Beobachtung).

    So funktioniert‘s:

    Vorweg ein älterer Mann in Zivil mit großem Laubbläser, der einmal in jedes Schlagloch pustet. Als ich ihn entdeckte hatte ich noch keinen Schimmer, worum es überhaupt ging. Seltsames Hobby, dachte ich, aber Männer und ihre Laubbläser erschließen sich mir auch im normalen Betrieb (Laubblasen) eher schlecht als recht.

    200 Meter weiter - des Rätsels Vorhang lüftet sich. Ein zweiter Mann, diesmal in Warnweste, mit einem Blecheimer voll Teer und einer Schöpfkelle, sucht sich die schönsten Schlaglöcher aus und besprenkelt sie mit dem Eimerinhalt. Er trägt somit die Verantwortung - ist das nun ein flickwürdiges Loch, oder handelt es sich um eine tolerierbare Faust- bis Frisbeegroße Lücke im Straßenbelag? Was er markiert, wird repariert.

    Noch 100 Meter dahinter - schweres Geschütz. Gleich drei Männer mit Schippen laufen hinter einem kleinen Ladewagen mit Split her und füllen die teerpräparierten Löcher. Da sie zu dritt sind und keiner überflüssig sein möchte, ist der Materialverbrauch großzügig, es entstehen Hügelketten unterschiedlicher Höhe. Über die walzt der jüngste der Brigade, Kippe im Mund und Handy am Ohr, mit seiner kleinen Aufsitz-Planierwalze so gut es geht einmal drüber. Fertig. Alles im ‚fließenden‘ Verkehr inkl. recht unbeeindruckten Straßenhühnern und seltsamen deutschen Radreisevögeln.

    Fazit: Es geht bei der Aktion definitiv nicht darum, eine möglichst ebene, gut befahrbare Straßenoberfläche herzustellen.

    Vielleicht wandert vom ein oder anderen der vielen Reifenhändler und Autowerkstätten ja auch das ein oder andere Kuvert... So viele tote Keilriemen wie hier habe ich jedenfalls noch nie am Straßenrand gesehen.

    Fahrt vorsichtig!
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  • German import. Good quality.

    August 15, 2019 in Romania ⋅ ☁️ 14 °C

    Im Ernst, wenn ich das nächste Mal Rumänien bereise, dann lasse ich mir vorher ein T-Shirt machen mit genau dem Aufdruck. Steht hier gern mal an Second Hand Möbelläden, und natürlich an Gebrauchtwagen. Deutschland ist hoch im Kurs - wenn ich gefragt werde, wo ich herkomme, ernte ich meist freudiges Erstaunen.

    Und schon wieder waren ein paar leise Vorbehalte, die ich gar nicht haben will und dann doch habe, unbegründet. Die verstecken sich echt gut, irgendwo tief in der Magengrube, sind mit Wollen und Vernunft nicht zu vertreiben, erst es selbst anders zu erfahren scheint sie auszuräuchern.

    Der einzige Straßenköter, der bislang entschlossen (und flott!) Jagd nach meinem Hinterreifen gemacht hat, war ein schmutzig-weißlockiger Zwergpudelverschnitt, der easy in ein Gucci-Handtäschchen gepasst hätte. Und ich war echt froh, am Ende doch schneller zu sein als er, nach dem Winzling hätte ich ja nix werfen mögen...

    An ein paar Roma-Siedlungen bin ich vorbeigekommen. Ziemlich verlassen tagsüber, gerade sind alle in den Wäldern und sammeln Steinpilze für Deutschland. Wellblechhütten, Bretterverschläge, alte Wohnwagen. Manchmal ganz schreckliche sozialer-Wohnungsbau Betonbunker, da würde ich auch lieber in ner Bretterbude hausen. Die Kinder winken mir und probieren ihr Englisch aus. Hello, how are you, good bye. Angebettelt worden bin ich nie, nur angelacht.

    Der Pilz-Exporteur echauffiert sich, wenn die Sammler versuchen, ein paar der Pilze für etwas mehr Geld als er zahlt am Straßenrand zu verkaufen, über „diese Zigeuner, so sind sie halt“. Er haust nicht in einer Wellblechhütte.

    Von den Pilzsammlern erfahren habe ich bei Robert, der mitten in Rumänien den Biker-Treff ˋZur Deutschen Eiche‘ führt. Seine Werbung am Strassenrand hat mich vor Lachen fast vom Rad kippen lassen, und seitdem überlege ich, was für ein Baum ich bin. Deutsch, das merke ich immer mehr, “im Guten wie im Schlechten“. Aber welche Sorte Baum...?

    Robert‘s rumänische Frau ist inzwischen seine Ex, trotzdem kann er sich zurück nach Deutschland nicht vorstellen. In Gedenken an seine fränkische Mutter backt er jeden Tag einen phänomenalen Käsekuchen nach ihrem Rezept. Die Gäste freuen sich.

    Direkt weitervermittelt hat er mich an Tomaten-Siggie, der auch ausgewandert ist. Er züchtet Samen von Paprika- und Tomatensorten, die so schöne Namen tragen wie Anna Russian und Banana Legs, und exportiert das Saatgut ins Land von Bayer-Monsanto. Vermutlich semi-legal, und man darf die Samen in Deutschland nicht einpflanzen, nur angucken... Bin gespannt ihn kennenzulernen.

    Und einen persönlichen Telefonjoker habe ich hier in Rumänien, was Wandertouren betrifft: Ciprian, kennengelernt auf halben Weg zu einem Bergsee vor drei Tagen. Seine Frau hatte er im Kloster im Tal geparkt, weil sie nicht so für Höhenmeter ist. Ciprian hoffte, dass die Messe möglichst lange dauert, damit er‘s bis zum See schafft, bevor sie anruft (hat nicht ganz hingehauen). Er kennt offenbar jeden Berg in seinem Land, und will per Whatsapp Support dafür sorgen, dass ich an den schönsten Ecken nicht acht- weil ahnungslos vorbeiradle. Heute hat er‘s schonmal geschafft mit dem Ceahlâu-Massiv, multumesc, Ciprian!

    Überhaupt unglaublich freundliche, offene Menschen bislang. Werde viel angequatscht. Englisch, so gut es geht, italienisch sprechen ganz viele. Leider stammen meine paar Brocken Italienisch noch aus der Zeit, als ich als Schülerin im Eiscafe im Dorf ausgeholfen habe, und Cappuccino in Deutschland noch Kaffee mit dick Schlagsahne obendrauf war...

    Angst, mein beladenes Rad vorm Magazin abzustellen, hab ich in Rumänien jedenfalls keine mehr.

    Ansonsten:

    Ist hier am See - wo ich wohl auch morgen noch bleibe - gerade ein Musikfestival, ob ich will oder nicht lerne ich viel über rumänischen Punkrock...

    Liebe ich das Lächeln der verwitterten alten Menschen hier, bei dem Zahngold und Augen um die Wette funkeln. Wir sollten in Deutschland auch wieder Bänke vor die Häuser stellen!

    Beeindrucken mich die Heuhaufen. Und die Schnitzkunst. Die schnitzen sich hier echt nen Wolf...

    Hat mein scheißteures Icebreaker-Bio-Merino-Treckingunterhöschen trotz sorgfältiger Pflege nicht mal bis Odessa gehalten. Schwache Leistung, Icebreaker. Jetzt besitze ich einen 4 Lei Qualitäts-Schlüpper vom rumänischen Wochenmarkt, in dem Ihr mich vermutlich noch werdet beerdigen können.
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  • Das unabhängigste Land der Welt

    August 24, 2019 in Moldova ⋅ ⛅ 30 °C

    ‚Moldova is the most independent country of the world. Nothing depends on Moldova‘ (kleiner Scherz unseres Stadtführers).

    Ich habe mein Rad bei Constantin im Dorf Rosu geparkt und bin mit dem Bus, so einer typischen Kleinbus-Marschrutka, nach Chisinau (sprich ‚Kischinau’) gereist. Das ärmste Land Europas… die Hauptstadt wirkt dennoch auf den ersten Blick wie eine riesige Shopping Mall. Die Geldautomaten spucken neben Lei oft auch Euro und Dollar aus, haufenweise Wechselstuben - wer Geld übrig hat, tauscht es lieber und legt es sich in Euro unters Kopfkissen, als es in Landeswährung auf dem Konto zu lassen. Laut der nächsten Statistik ist die Republik Moldau zudem das Land mit der drittniedrigsten Touristenquote weltweit, direkt nach Bangladesh und Guinea. Grosse Sehenswürdigkeiten gibt es tatsächlich nicht zu entdecken... Moldawien produziert Wein und Getreide, die Landschaft ist unspektakulär, die Farben sind irgendwie gedämpft, als würde man durch eine Sonnenbrille schauen, die alles ein bisschen beiger macht.

    Busfahren ist natürlich ein Abenteuer für sich. Man wartet an der Strasse an der Stelle, die halt jeder kennt, bis der Bus kommt - Fahrplan hängt gar nicht erst irgendwo aus - und dann Daumen raus. Wichtig ist, wenn der Bus hält, den Betrieb nicht aufzuhalten - also schnell die Tür aufstemmen, dem Fahrer das Ziel zurufen, die Schiebetür mit genügend Schwung wieder zuknallen und - so vorhanden - auf einem freien Sitzplatz niederlassen. Das Geld wird zum Fahrer durchgereicht, das Wechselgeld wandert den Weg von Hand zu Hand zurück, wenn’s sein muss quer durch den ganzen Bus.

    Auf der Fahrt gab‘s ne Rauch- und Pipipause, und ich war zum ersten mal auf einer öffentlichen Toilette bar jeder Privatsphäre... zwei Stehklos nebeneinander ohne Kabinen drumrum, und auch nach draussen gab es keine zu schliessende Tür. Männlein und Weiblein immerhin getrennt... also kollektiv pieseln mit den moldauischen Kopftuchomas. Nach zwei Stunden Rumpelstrasse dennoch erleichternd, etwas Frühstückskaffee wieder loszuwerden.

    Ein Abstecher nach Transnistrien, in die abtrünnige Republik im Osten des Landes, scheint das aufregendste zu sein, was man so unternehmen kann. Hier liege noch ein Hauch des real existierenden Sozialismus in der Luft, so steht‘s zu lesen - der real praktizierte Tourismus gestaltete sich jedoch eher unspektakulär. Nach freundlicher Grenzabfertigung in fließendem Englisch hatte ich meine Aufenthaltsgenehmigung für einen Tag, Zeit genug, um in der Hauptstadt Tiraspol einmal die Paradestrasse voller Banken, Shops und Kaffeeläden abzulaufen und ein bisschen Sowjetarchitektur und das Konterfei des Genossen Lenin zu fotografieren. Eine eigene Währung gibt‘s, die ausserhalb Transnistriens nicht mehr wert ist als Monopoly-Geld, und auf der Rückseite des Fünfers prangt - wohl aus Denkmalmangel - die bekannteste Schnapsfabrik des Landes.

    Ich habe es irgendwie nicht zu einer Meinung geschafft, was den Transnistrien-Konflikt betrifft. Es ist alles kompliziert, Menschen wurden Jahrhundertelang hin- und hergeschoben, um- und angesiedelt, vertrieben, getötet, es wurde eingenommen, abgetreten, Kriege wurden geführt, Grenzen gezogen, Strukturen zerfielen, neue wurden verhandelt, und dazwischen schlagen halt Herzen für irgendeine Heimat.

    Ein Fazit dann wenigstens zu Moldawien als Reiseziel: Es gibt definitiv sehr wenig andere Touristen. Dass es nichts zu sehen gibt muss man halt mögen. Nur für Connaisseure ;-)
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  • Donauwellen...

    August 31, 2019 in Romania ⋅ ☀️ 27 °C

    ...landen bekanntlich entweder direkt auf den Hüften, oder nach knapp 3.000 km im Schwarzen Meer...

    Ein paar Fotos aus dem Delta, Grüße fast schon aus Odessa (in fünf/sechs Tagen bin ich da).