gen Osten

May 2019 - May 2020
Der Plan: (Fast) alle Zelte abbrechen, um abends ein kleines irgendwo aufzustellen. Radfahren. Niederrhein - Odessa - Asien, schön mäandernd und mit Druck nur auf den Reifen... Ein bisschen die Welt anschauen, die Menschen, mich selbst. Read more
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  • (K)Ein Epilog

    March 14, 2020 in Germany ⋅ ☁️ 4 °C

    Liebe Leute!

    Eigentlich wollte ich hier eine kleine Abschlussrede halten, ein Resümee, so gut das geht, bei all den Eindrücken.

    Was soll ich sagen, gerade geht es gar nicht, bin gedanklich - wie wohl die meisten - einfach zu sehr in einem anderen Film, und so nimmt dieser Reisebericht ein anderes Ende als geplant.

    Ich weiss nicht, welcher Instinkt mich früher als ursprünglich gedacht nach Hause getrieben hat, genau vor unserer Zeitenwende bzw. dem Punkt, an dem wir sie alle realisiert haben. Es fühlt sich richtig an, jetzt in der Heimat zu sein.

    Ich wollte mich bei Euch bedanken.

    Meist war ich auf meinen Wegen durch die Welt glücklich und erfüllt, manchmal fast übervoll - immer hat gut getan zu wissen, es gibt Menschen, die mich in Gedanken begleiten.

    Ich hoffe, Corona wird uns nicht nur auf Distanz halten, sondern irgendwie auch näher zusammenrücken lassen.

    Bleibt möglichst gesund!
    Hoffe viele von Euch - peu a peu - auch persönlich wiederzusehen.

    Ich umarme Euch mit Worten (virusfrei)
    Anna
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  • Und schwupps...

    March 5, 2020 in Germany ⋅ 🌧 5 °C

    Meine Mutter hat gestern zu ihrem Geburtstag eine 1,80 Meter hohe Überraschung vor der Türe stehen gehabt... bin wieder nach Hause gehüpft, Dienstagabend in Hanoi abgeflogen, und 18 Stunden später in Düsseldorf gut gelandet,

    Den Epilog hier gibt es dieser Tage, wenn nach meinem Körper auch der Rest von mir wieder eingetrudelt ist.

    Bis dahin!
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  • Alles auf Zucker

    February 27, 2020 in Vietnam ⋅ ⛅ 27 °C

    Gut gedopt fährt es sich einfach besser. Ich bin voll auf Zuckerrohr die letzten Tage und reiße 100 km Etappen ab wie nix ;-)

    Frisches Zuckerrohr gibt es hier in mundgerechten Stücken direkt vom Feld. Den Saft rauskauen und die Fasern ausspucken. Auf den Tag verteilt schaffe ich den Familienbeutel locker allein, der passt prima in die Lenkertasche - immer wieder ein Stückchen, und man könnte meiner Spur jetzt auch ohne GPS folgen, anhand der Zuckerrohrreste am Straßenrand.

    Nach einer sehr ranzigen Nacht gestern gönne ich mir heute eine etwas luxuriösere Bleibe. Für etwas mehr als zehn Euro wird Folgendes zur Verfügung gestellt:

    - zwei Queen Size Betten
    - eine Whirlpoolwanne
    - drei Paar bzw. sechs Stück Badeschlappen in vier verschiedenen Größen
    - drei Zahnbürsten
    - zwei Rasierer
    - ein Kamm
    - ein Kondom

    Rätsle noch, für welche Menage das passen könnte... Lösungsvorschläge willkommen.
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  • Morgens um Sieben...

    February 20, 2020 ⋅ ☁️ 20 °C

    Die zweitägige Bootstour durch die Bai Tu Long Bucht (gleich neben der berühmteren und befahreneren Halong Bucht) war echt nicht schlecht - doch rückblickend fand ich am besten, dass sich der Pick Up gestern um eine halbe Stunde verspätet hat. So saß ich morgens um sieben schon auf den Stufen vor meinem Hotel in Hanoi, mitten im kleinen Markt hinterm Bahnhof, und guckte den Fischverkäuferinnen beim Fisch verkaufen zu...Read more

  • Mit Hilfsmotor

    February 19, 2020 in Vietnam ⋅ ☀️ 16 °C

    Oh je, was rast die Zeit. Ich war ein bisschen in Bewegung seit dem letzten Footprint:

    Rauf auf Mount Fansipan - mit der Gondel, keine größere Heldentat. Der ‚Sunworld‘-Konzern, der die Seilbahn auf den höchsten Berg Süd-Ost-Asiens vor ein paar Jahren in Betrieb nahm, hat gleich die komplette Bergkuppe mit riesigen Tempelanlagen und einem 600stufigen Treppenlabyrinth inklusive künstlichem Wasserfall überbaut. Und mit mehreren Gipfelschildern, damit es kein Gedränge für die Selfies gibt. Schmutzige Schuhe holt man sich hier also keine mehr, der Kontakt mit der Natur beschränkt sich auf die Aussicht. Sowohl die, als auch die Höhenluft beim Stufensteigen, waren allerdings atemberaubend.

    Runter durch die Reisfelder. Die Steinpfade sind ganz schön glitschig. Während man selbst in seinen Hundert-Euro-Trekkingstiefelchen schlitternd um etwas Halt bemüht ist, schleppen die einheimischen Frauen riesige Körbe mit Handarbeiten, die sie einem beim Mittagessen zum Kauf anbieten werden, und tanzen in ausgelatschten Flip-Flops wie die Gazellen um einen herum - immer die Hand reichend und besorgt darum, dass sich keiner der Touristen-Trampel die Beine bricht.

    Der Tourismus hat hier im Norden Vietnams der Emanzipation richtig Aufschwung gegeben. Die Frauen in den Dörfern waren es, die Englisch gelernt haben, und nun als Guides arbeiten können. Und natürlich habe auch ich dem mir grad mal bis zur Brust reichenden Engel, der mir an den steilsten Stellen lächelnd den Hals gerettet hat, mittags zwischen Frühlingsrollen und gebratenem Reis ein Halstuch abgekauft.

    Hoch - wieder auf dem Rad - in etwas entlegenere Gefilde als die Touristenschmelze Sapa. Ich dachte ja, mich wundert nichts mehr an Transportgut auf einem Moped: 30/40 Hühner in Drahtkörben plus die eigene Brut, 4-Meter-Bambusstangen, komplette Marktstände inklusive Sonnenschirm und Klapptisch, Kubikmeterweise Kartons und Lebensmittel - alles ganz normal. Aber als mich ein fröhlicher Typ mit einem toten Büffel auf dem Sozius überholte, habe ich doch nochmal Augen gemacht. Und MICH mit meinen zierlichen Ortlieb-Taschen gucken die Leute an wie vom anderen Stern. Ich glaub‘s nicht.

    Als der Tag dann lang wurde, die Straße steiler und steiler und ich echt aus dem letzten Loch pfiff, hatte ich ein ganz tolles Erlebnis: Da kamen von den winkenden Kindern am Straßenrand auf einmal ein paar Jungs angelaufen und haben sich abgewechselt, mich am Gepäckträger den Berg hochzuschieben. Der fröhlichste Hilfsmotor, den man sich vorstellen kann!

    Inzwischen konnte ich einen kurzen Blick auf China werfen und bin dann runter nach Hanoi, mit dem Nachtzug. Schlafwagenromantik inklusive Mahagoni-Vertäfelung und Schnittblumen im Abteil. Aber die Hauptstadt soll ihren eigenen Bericht bekommen.
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  • Euphorie am Morgen

    February 10, 2020 in Vietnam ⋅ ⛅ 24 °C

    Hallo aus Vietnams hohem Norden. Es ist ein wenig feuchtkühl. Nasskalt wär übertrieben, aber angesichts der letzten Wochen ist Nieselregen eine Witterung, die ich gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Eigentlich steht den Karstbergen hier der Nebelumhang sogar gut, gleichsam mystisch. Nur passabwärts wird’s halt ruppig auf dem Rad. Besserung ist wohl in Sicht, was schön wäre, ich möchte doch noch auf den Fansipan!

    Eine warme Suppe zum Frühstück macht aktuell jedenfalls Sinn. Müsli oder Nutellabrot wär hier so exotisch wie für uns Röstmaden.

    Suppe essen geht mittlerweile recht elegant - vorher muss frau sie allerdings bestellen. Diese tonalen Sprachen bleiben eine Herausforderung für mich, bin da leider nur halbbegabt... phở - oder phố, phổ, phô, phơ, phờ oder phó?

    Wir Deutschen ordern wohl gern eine Straße oder gleich ne ganze Stadt mit Huhn oder Rind (für unsere Ohren beides ‚Fo’). Die Suppe phở heisst hingegen ‚Fö- aber kein klares, offenes, eher so’n stammeliges Ö, wie Fur, Pelz auf Englisch, nur ohne das R.

    Wär machbar - nur ist das vietnamesische Wort für ‚Euphorie’ auch ‚Fö‘. Und für ‚lustlos‘ ebenfalls. Will man Nudelsuppe, muss man das ö tief beginnen und dann nach oben ausschlenkern lassen.

    Euphorie am Morgen wär ja auch nicht schlimm. Auf die Suppe am Nachbartisch zeigen ist für Feiglinge ;-)

    Soweit der Montagsexkurs Vietnamesisch. Allen eine gute Woche, schnallt die Topfpflanzen fest. Werde mit Wetterberichten grad gut versorgt, mal ne ‚richtige’ Bedrohung und nichts, was sich im Osten irgendwie zusammenbraut, und gegen das man sich viel hilfloser fühlt...

    LG Anna

    PS: Da ich gefragt wurde: Ich hatte mich - schon zu Zeiten, als Corona eine Biersorte war - entschlossen, China, Japan und Russland irgendwann zu einer neuen Reise zu machen, und im Laufe des Frühjahrs zurückzukehren. Bin einfach so voller Eindrücke, dass ich nicht noch mehr obenauf stapeln möchte.
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  • Ich grill Dir‘n Frosch...

    February 2, 2020 in Laos ⋅ ☀️ 26 °C

    Wenn man für geruhsame Nachtruhe in der 50.000 Kip-Bude ein paar Mücken erschlagen hat, dann im Schein der Neonröhre die Wände betrachtet und sich fragt, was die viel viel größeren Flecken wohl so waren, bevor sie Flecken wurden... #vielleichtdocheinbier #dontthinkaboutit

    Ich bin heute kölsche 111 km durchs weniger touristische Laos geradelt. Denke ich werde auf jeden Fall gut schlafen.

    Es war hügelig, staubig und vermüllt, Felder und Unrat kokelten vor sich hin und die Luft war schwer vom Haze. In den Dörfern kam ich mir vor wie Queen Mum in der Kutsche, die Kinder sind zahlreich und kontaktfreudig: Winken, Abklatschen, mit dem Rad, so vorhanden, ein Stück mitfahren; Sabaidee, Good Morning und Bye Bye (gern auch zum Hallo). Bye Bye können selbst die knapp Kniehohen schon krähen und tun es mit großer Freude.

    Das Leben spielt sich vor den Häusern ab, für den europäischen Blick fast schon ein Freilichtmuseum: Es wird gesponnen, gewebt, geflochten, gezimmert und repariert, Verschiedenstes getrocknet, von Kaffee und Betelnüssen bis zu Fischen und Algen. Ausrangierte Boote, leere Bierkästen und alle möglichen anderen Behältnisse dienen als Gemüse-Hochbeete. Es wird gesessen und geguckt, gespielt und gegessen. Sticky Rice im schweren Eisentopf überm Holzfeuer gedünstet. Gegrillte Frösche scheinen ein beliebter Snack zu sein.

    Eigentlich war es - landschaftlich - keine wirklich schöne Strecke, trotz Bergen, Flusslauf und Co. Die (leider sprachlose) Freundlichkeit hat sie dann doch irgendwie schön gemacht.

    Was für ein Unterschied zu Luang Prabang und den auf Touristen eingestellten Orten am Mekong. Ist aber wohl ein bisschen wie die Kölner Altstadt mit Bergheim-Paffendorf vergleichen.
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  • Khop Chai Lei Lei

    January 30, 2020 in Laos ⋅ ⛅ 24 °C

    Zehn Uhr daheim, sechzehn Uhr Laoszeit, verraten mir zwei der vielen Uhren im Flur des Hostels in Luang Prabang. Habe heute bereits meinen Pass aufs vietnamesische Konsulat getragen fürs Visum, und danach mit Amy aus den Staaten, die in Shanghai als Lehrerin arbeitet, und mit den Chefs Zou Lao und Leng Lee sieben verschiedene laotische Gerichte gekocht. Es ist eine andere Küche als bei den Thai, viel mehr Gemüse. I like!

    Amy wurden gerade die Ferien zum chinesischen Neujahr verlängert, als Antivirus-Programm. Während mich aus Deutschland manche besorgt anfunken, hält sich hier im Land die Panik in Grenzen. Die Laotische Regierung will ihrem Volk wohl lieber vermitteln, dass Glück und Wohlstand aus China kommen, während bei uns Übel und Verderben eher ins Bild passen.

    Liebe auf den ersten Blick mit Laos. Dankeschön heisst Khop Chai Lei Lei, das allgegenwärtige Beerlao wird nach DDR-Rezept aus laotischem Reis und deutschem Hopfen gebraut, und es gibt richtiges Brot zu kaufen. Bei meiner Freude über die erste belegte Stulle nach Monaten Nudelsuppe habe ich mich schon arg Deutsch gefühlt. Das Brot ist allerdings französisch, Baguettes und Croissants. Es treiben sich auch überdurchschnittlich viele französische Touristen hier rum. Irgendwie lustig, dass es die ehemaligen Kolonialmächte immer noch zuhauf in ‚ihre‘ Länder zieht.

    Ich durfte nicht ins Land einradeln, aber einreisen ging, Rad in den Bus für 200 Meter Freundschaftsbrücke, und vier Schalter und 30 Dollar später prangte der Stempel im Pass.

    Habe mir dann zwei Tage im SlowBoat über den Mekong den Popo plattgesessen, inklusive Stranden auf einer Sandbank im Nirgendwo mit defektem Motor.

    Bei zweimal sieben/acht Stunden ‚langer, ruhiger Fluss‘ schwappte irgendwann die Melancholie über die Reling. Habe sie auch in vielen anderen Augenpaaren gesehen. Bei den Einheimischen mit Kindern und Hühnern auf dem Schoß, und auch bei manchen der Backpacker mit ihren Freundinnen, Vollbärten, Tattoos und Jungs-Dutts auf dem Oberkopf. Die haben das dann meist mit ordentlich Beerlao wieder weggespült.

    So in Horden geht mir eine gewisse Sorte Traveller manchmal ziemlich auf den Geist, muss ich unter uns zugeben, das ganze ‚Did you do this and that...?‘ - als ob man ein Land nicht mehr bereist, sondern gemacht, erledigt hat. Und dann denke ich, bin ich echt schon ähnlich drauf wie dieses kleine Zeit-Büchlein, das ich lese, und das die gute Art zu reisen von den weniger guten unterscheidet? Ist doch toll, wenn die 20/30-something Generation unterwegs ist.

    Vielleicht hatte ich auch ein kleines bisschen Pärchenneid, um die Schulter zum Anlehnen, während die Dörfer am Mekongufer vorbeiziehen und der Fluss Badewanne, Waschmaschine, Wasserhahn, Spielplatz und Hauptverkehrsader für die Menschen dort ist. Und Lottobude, es wird tatsächlich nach Gold geschürft. Und Latrine und manchmal Mülleimer wohl auch. Was für ein anderes Leben.

    Als dann statt der regulären 80 Passagiere gut anderthalbmal so viele an Bord waren, gab es Anlehnschultern für alle, ob man wollte oder nicht. Ich saß inmitten einer laotischen Großfamilie und fand‘s prima.

    Luang Prabang ist recht touristisch und trotzdem schön. Wie Thailand vor 30 Jahren, sagen die Vielgereisten. Noch. Wenn die Chinesen erstmal ihre Eisenbahnlinie in Betrieb nehmen, wird wohl Schicht sein mit der Beschaulichkeit. Habe ich also ein gutes Jahr erwischt - 2021 ist die Eröffnung geplant, die Brücke über den Mekong war schwer in Arbeit und wirkte wie aus einer anderen Welt in die Landschaft gepflanzt.

    Werde morgen noch hier sein, um meinen Pass wieder in Empfang zu nehmen, und dann in die Berge radeln Richtung Nordost. I’ll keep you updated, Khop Chai Lei Lei fürs Mitreisen!

    PS: War gestern im Ballett, die TänzerInnen knackig, die Kapelle eher so die Stones der Laotischen Klassik. Dem Kong Wong Spieler mussten zwei Leute wieder hochhelfen nach der Show, sonst hätte er zwischen seinen Gongs übernachten müssen. Der Conférencier wünschte zu Beginn erstmal allen ein gutes und glückliches Leben, und dass dieser Abend Teil davon sein möge. Hat mir gefallen.
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  • Du machst Dir (k)ein Bild

    January 21, 2020 in Thailand ⋅ ☀️ 28 °C

    Hurra, es rollt wieder. Die Beine sind gut im Tritt, auch nach über einem Monat Fahrradpause, nur der ayurvedisch-weichgeknetete Hintern stellt sich an, als wäre er ein Newbie im Sattel. Vaseline mit Aloe scheint mir einen Versuch wert.

    Die Berge Nordthailands punkten derweil mit Höhenmetern. Gestern ein welliger Anstieg von 1.200 Metern aufwärts auf 14 km Strecke - nicht ohne. Es schlängelte sich ein tiptop Asphaltband mitten durch den Dschungel, und ich schlängelte auch öfter mal. Kaum Autos, nur ein paar Hütten der Hilltribes ab und an, handtellergroße Schmetterlinge, und oben auf dem Pass die leckerste Nudelsuppe der Welt, mit reichlich Endorphinen als Geschmacksverstärker. Da kann Glutamat einfach nicht mithalten.

    Ich würde Euch gern ein paar schönere Bilder schenken, aber es hat schon Haze, die Dunstglocke aus nicht heruntergeregneten Dreckspartikeln, Noch nicht so schlimm, wie es im März/April wohl hier in der Gegend sein kann, wenn wegen der schlechten Sichtverhältnisse schon mal die Flughäfen geschlossen werden müssen, aber doch so, dass die Berge ab zweiter Reihe eher aussehen wie die verblichene Fototapete im elterlichen Partykeller. Da braucht man kein Feinstaubmessgerät, da wünscht man sich, jemand würde die Milchglasscheibe aus der Aussicht nehmen. Die Thailänder maskieren sich auf ihren Mopeds, als wären sie unterwegs eine Bank zu überfallen, und ich versuche möglichst wenig darüber nachzudenken, was ich so alles einatme.

    Fotos sollen ja was hermachen, wir sind verwöhnt. Wenn schon die anderen Sinne nicht bedient werden, dann muss die Optik zumindest üppig und satt sein, bunt, kontrastreich, und für Eilige ‚automatisch verbessert‘. Ich geb zu, ich nutze die Funktion auch meistens. Lese gerade in einem sehr netten, wenn auch leicht geschwurbelten Büchlein über die Kulturgeschichte und Philosophie des Reisens aus dem Zeit-Verlag, wo die Anmerkung fiel, dass Urlauber zunehmend ihrer Enttäuschung Luft machen, wenn die Wirklichkeit mit den Instagram-Bildern nicht mithalten kann. Die armen Reiseveranstalter.

    In Chiang Mai gab es haufenweise Kontaktlinsen zu kaufen, die die Pupillen größer aussehen lassen, und ähnliche Gimmicks. Vielleicht wird man ja bald auch eine Linse entwickeln, die einem gleich ein bisschen die Aussicht pimpt.

    Und ich Lusche muss auf der nächsten Reise dringend einen ambitionierten Fotografen mitnehmen, der diesen Part des Reiseberichts übernimmt - ich vergesse es oft einfach. Wie heute früh auf dem riesigen Tuesday Morning Market in Chiang Dao, wo sich einmal pro Woche die Menschen der verschiedenen Bergvölker aus der ganzen Region treffen und es zum Gänsehauthaben quirlig war. Die Frauen der Karen und der Akha in ihren Trachten, die Kinder alle bis über beide Ohren in bonbonfarbenen Fleeceanzügen. Nichts, was es nicht zu kaufen gäbe, und vermutlich ist es auch eine gigantische Klatsch-, Tratsch und Heiratsbörse. Alles wuselte, und wenn ich nicht gerade zurückgelächelt hab, stand mein Mund wohl die meiste Zeit staunend offen. Dass ich auch mal die Kamera hätte zücken können ist mir zehn Kilometer weiter erst in den Sinn gekommen.

    Die innere Kamera hingegen ist immer eingeschaltet, mein Herz dreht wohl gerade den Film seines Lebens.

    Und Ihr stellt es Euch einfach vor. So bunt wie möglich.
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  • Meet the Elephants

    December 20, 2019 in Thailand ⋅ ⛅ 26 °C

    Ich war übers Wochenende bei den Elefanten von Lek Chailert.

    www.elephantnaturepark.org.

    Und ich habe neben zig wunderbaren Dickhäutern auch Lek, die Gründerin des Projekts, kennenlernen dürfen.

    Ich war bewegt, voll Freude. Über dieses Paradies, die Schönheit dieser Tiere.

    Und so fassungslos, ratlos über uns Menschen, dass ich ein paar Tage gebraucht habe, diesen kleinen Bericht in Angriff zu nehmen. Eigentlich weiss ich immer noch nicht, wo Anfangen, wo Aufhören. Ich probier‘s einfach mal mit ein paar Fakten.

    Knapp 90 Elefanten genießen im Elephant Nature Park das freieste Leben, das ihnen nach ihrer Versklavung durch uns Menschen noch möglich ist.

    Außerdem leben je ca. 500 Katzen und Hunde und eine große Wasserbüffelherde auf dem 30 Hektar großen Gelände in den Bergen bei Chiang Mai.

    Lek stammt aus einem der Bergvölker hier, Enkelin eines Schamanen, Tochter eines Elefantenhändlers. Als Mädchen hörte sie den Ruf eines verletzten Elefanten, den sie gesund pflegte. Daraus entstand eine der größten Tierschutzorganisationen des Königreichs - einem Land, dessen Politik Tierschutz reichlich egal ist, solange der Tourismus floriert. Sie ist die erste Frau ihres Volkes, die studiert hat, sie ist international unterwegs und wirkt weit über ihr Ursprungsprojekt hinaus. Sie ist der Hammer.

    Viele versuchen Lek anzufeinden, aber sie geht konsequent einen friedlichen Weg, den Weg der Aufklärung, nicht der Aggression. Die Frau hat mich mit ihrer Ruhe und Kraft wirklich beeindruckt, ein Mensch mit einer Mission aus tiefster Seele, für sie gibt es gar keine Alternative, als das zu tun, was sie tut. Irgendwie auch beneidenswert.

    Die Elefanten wurden von den Aktivisten ins Camp gerettet, sie werden dazu freigekauft. Sie müssen sich nicht von den Besuchern reiten oder baden lassen, im neusten Teil des Projektes auch nicht mehr Anfassen, ‚Hands off’.

    Die Elefanten stammen zum größten Teil aus der Tourismusindustrie, es waren Reittiere, Zirkustiere, oder mit ihnen wurde gebettelt. Ein paar waren auch Arbeitselefanten und haben andere Dinge als reiche Chinesen und Europäer durch den Dschungel geschleppt. Die älteste Elefantendame ist 105 Jahre alt, erst vor fünf Jahren ins Camp gekommen. 100 years a slave.

    Wer jetzt denkt, für so ein starkes Tier ist es ja kein sooo schwerer Job, Touristen eine Runde um die Tempel zu tragen, möge sich die Dokumentation anschauen, die Lek uns gezeigt hat. Mit welcher Brutalität der Wille dieser stolzen Tiere gebrochen wird und wie diese Drohung ihr Leben lang aufrecht erhalten werden muss, damit das Reiten - oder anderes ‚Vergnügen‘ - überhaupt erst möglich sind.

    Ich habe den Film über durchgeheult. Nicht nur wegen der Elefanten. Darüber, wie wir so drauf sind, wir Menschen. Wie ich mich zum Beispiel vor meiner Reise entschieden habe, ein wenig von Asien kennenzulernen ist mir wichtiger, als weiter konsequent nichts vom Tier zu essen. Wie wir uns nicht nur tierischen Mitgeschöpfen, sondern auch Mitmenschen gegenüber verhalten. Wie auch für uns, die wir hilfsbereit sind, in der Regel klar ist, dass die Nächstenliebe nur soweit reicht, wie unser eigener Platz an der Sonne nicht gefährdet ist. Vielleicht ist das ein Überlebensinstinkt, und nicht auszumerzen.

    Was uns bleibt - wenn wir nicht auch so eine Mission in uns tragen - ist wohl, die Dinge so gut zu machen, wie wir‘s hinkriegen. Manchmal muss man einfach das Hirn einschalten. Natürlich befreie ich nicht wirklich einen Vogel, den ich im Tempel freilasse, sondern sorge dafür, dass der Händler neue fängt. Die kleinen Fische im Foot Spa stürzen sich erst dann wie wild auf menschliche Hornhaut, wenn man sie vorher tüchtig hat hungern lassen. Und Elefanten sollten nicht für den Menschen arbeiten. Sie sollten nicht Holz schleppen müssen und dabei Gefahr laufen, in Landminen zu treten. Auch nicht ihre Babys weggenommen kriegen für ‚total süße’ Instagram-Fotos. Eigentlich sollten sie den ganzen Tag nicht viel anderes tun als fressen, sie sind nämlich schlechte Kostverwerter. Und ja, der Haken des Mahuts tut ihnen weh, er reisst ihnen Löcher in die Ohren, und unter Elefanten ist das nicht trendy.

    Trendy wird hier in Thailand auf jeden Fall, dass sich viele Elefantenparks einen tierschützerischen Anstrich geben. Es werden immer mehr, bei denen das auch hinter der Fassade stimmt, aber man sollte gründlich recherchieren, wen man mit seinem Eintrittsgeld unterstützt. Ich bin sehr froh, im Elephant Nature Park gelandet zu sein. Hier bezahlt man dafür, Elefanten nicht zu reiten. Mal ganz was anderes.
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