Südamerika 2023/2024.

December 2023 - March 2024
A 83-day adventure by Tom Read more
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  • Day 26

    Rumble in the Jungle

    January 18 in Peru ⋅ ☁️ 28 °C

    Das Dschungelabenteuer startet wild. Nicht weil uns ein Tapir, Jaguar oder Totenkopfäffchen auflauert, sondern weil die Crew der Tour schon knapp eine Stunde früher als vereinbart zur Abholung klingelt. 3.30am statt 4.30am ist tatsächlich recht fies, wenn Du quasi noch nackert mit der Zahnbürste im Mund die eigenen Gehirnzellen sortierst.

    Am Ende sind es weitere vier Mitreisende (2 x D, 2 x France), die auf diese Art und Weise eingesammelt werden und sich gemeinsam mit Fahrer, Köchin und Guide dem Regenwald nähern. Dieser macht dann seinem Namen gleich mal alle Ehren, denn es regnet punktgenau ab dem Eintrittstor zu Manu sprichwörtlich Hunde und Katzen. Pffff, das domestizierte Viehzeug hab ich auch daheim - da erwarte ich in den nächsten 72 Stunden deutlich mehr.

    Knappe zwei Stunden später hat sich dieser Wunsch erfüllt und ich stehe im eigenen Saft. Herzlich Willkommen subtropisches "da-läuft-Dir-der-Schweiß-über-den-Rücken-in-die-Unterhose" Klima. Wenn ich jetzt einfach umfalle, kann man mich gleich als Crispy-Thomas an die Fische verfüttern. Noch ist es aber nicht so weit und wir erreichen über einen reißenden Rio alto Madre de Dios unsere Dschungel-Lodge. Insgesamt hat die Anfahrt mit Kleinbus und zwei verschiedenen Booten fast 12 Stunden gedauert - da muss man sich erstmal aklimatisieren.

    Auf jeden Fall sind wir dort angekommen, wo wir hinwollten - mitten im Dschungel von Manu. Aber wollten wir das wirklich? Zumindest fressen uns das Kleingetier und die Insekten bei unserer Ankunft fast auf und unser Guide bittet uns nachdrücklich, vor allem auf Bullet-Ants zu achten, deren Biss wohl massive Schmerzen und Verletzungen - eben ähnlich einer Schussverletzung - verursacht. Und jetzt darf jeder dreimal raten, was das erste gesichtete Kriechtier in unserem kleinen Basic-Baumhaus dann tatsächlich war. Lieber Gott, da wirste ehrfürchtig.

    Aber wenn man hier mal gelandet ist, befindet man sich unweigerlich in einer Einbahnstraße. Als würden wir hier ohne fremde Hilfe jemals wieder wegkommen. Der Staff der Lodge ist fürsorglich und nett, die werden schon wissen was sie machen. Und wenn nicht, findet uns eh niemand mehr.

    So dackeln wir zu nächtlicher Stunde noch gut zwei Stunden durch das Unbekannte und suchen nach dem heiligen Gral der Erleuchtung. Den finden wir nicht, aber der Fotoapparat hat eine Menge zu tun. Hätte mir ein guter Freund aus Fußballkreisen mal erzählt, dass ich Frösche und Co. mit einer Taschenlampe suche, ich hätte ihn ausgelacht. Plötzlich macht es sogsr Spaß. Tatsächlich bin ich der einzige unserer kleinen Gruppe, der auf diese altmodische Archivierung von Urlaubserinnerungen zurückgreift - ist mir auch ein Rätsel, wie man Tierbeobachtungen nur mit Handy bewaffnet vor sich selbst rechtfertigt.

    Egal, irgendwann sind wir durch mit der Runde, die Crew ballert uns leckeres Dschungelfood auf den Tisch und wir verkriechen uns saumüde unter das doppelte Moskitonetz in unserem 3-Nächte Domizil - freilich nicht, ohne dass ich vorher elegant den Duschkopf unserer Behelfsduschkabine in alle Einzelteile zerlegt habe. Ruhiges und besonnenes Handeln ist eine meiner Spezialfähigkeiten.

    Kleine Anmerkung am Rande - wer jemals ernsthaft mit dem Gedanken spielt, Nächte im Rahmen einer Dschungeltour würden als romantische wiedergeborene Honeymoon-Erotik durchgehen, den muss ich bitter enttäuschen. Da würden beim Akt selbst so viele ungebetene tierische Teilnehmer dazwischenfunken, dass man glatt von einem Gangbang sprechen müsste.

    Vokabel des Tages:

    mosca suelta - Fliegenklatsche
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  • Day 27

    Auf den Spuren... von was eigentlich?

    January 19 in Peru ⋅ ☁️ 28 °C

    Welcher Arsch erzählt eigentlich, dass man im Dschungel die Seele baumeln lassen kann? Von wegen. Die erste Nacht ist eher unruhig, zumindest springt irgendwann nach Mitternacht eine Kröte laut krakehlend durchs Zimmer. Lissy schläft natürlich den Schlaf der Gerechten, aber hätte ja auch (gerne) ein Jaguar sein können. Immerhin hat uns kein unbekanntes Flugobjekt mitten in die Koje geschissen, wie unseren unmittelbaren Baumhauskollegen ;) Aber gut, der Vogel mag wohl keine Berliner. Kann man ihm nicht komplett verdenken.

    Tatsächlich ruft unser Guide noch vor dem Frühstück um 5.15 Uhr zur Morgenandacht. Da musst Du dann schon aufpassen, dass Du Sonnenschutz, Mückenspray, Zahnpasta und Kontaktlinsenmittel in der richtigen Reihenfolge verwendest, ansonsten großes Pfui und Aua. Direkt motiviert wandere ich nicht bis zur ersten Salzlecke des Tages, um dem Federvieh beim Frühstück zuzusehen, aber man kann dem Gruppenzwang ja nicht schon am ersten kompletten Dschungeltag Goodbye sagen.

    Danach wartet unser Frühstück und es steht uns frei, einen Finger in einen Termitenbau zu stecken, weil die kleinen Racker a) gut schmecken und b) einen ganzen Haufen Proteine enthalten. Klar. Und am Nachmittag schwimme ich dann einmal durch den Madre de Dios, denn die Krokos und Piranhas beissen nicht, die wollen nur spielen.

    Scheint aber überhaupt eine lustige Gegend hier zu sein. Ein Teil dieser Regenwaldregion ist touristisch erschlossen. Einen Fußlauf weiter beginnt das Revier der indigenen Ureinwohner ohne jeglichen Kontakt zur Zivilisation. Das sind also diejenigen, die dir bei Kontakt mal schnell einen Giftpfeil in das rechte Nasenloch oder direkt in den Kopf blasen. Auf die andere Seite des Flusses sollte man bei aller Not besser auch nicht flüchten, denn dort betreiben Splittergruppen der Narcos-Rebellen ihr Geschäft. Wir würden also Giftpfeile maximal gegen moderne Waffen tauschen und am Ende (remember Argentinien 2019) nur wieder eine eigene Nachrichtenmeldung im Fernsehen riskieren. Ehemalige Covid-19 Touristen im Dschungel von Peru entführt. Nö, echt nicht. Da kann ich ja gleich nach Giesing ziehen.

    Insgesamt latschen wir an diesem Tag gut drei Stunden durch den Dschungel und es ist ein wenig wie Biologie-Unterricht für Erwachsene. Interessant wird es immer dann, wenn größere Tiere ins Sichtspektrum wandern, die aber meist recht schnell im Dickicht verschwinden. So läuft uns tatsächlich der recht seltene La Tayra vor die Augen, meine Kameralinse ist aber zu langsam. Kein Foto, zählt also nicht. That's Nature. Wenn Du dann wenig später vor einer tödlichen Vogelspinne stehst, die dich bei Kontakt innerhalb von sechs Stunden tötet, oder wenn der Guide in einem wabeligen Nest einer Tarantel herumbohrt, wirst Du trotzdem nachdenklich. Muss man das haben? Ja!

    Pünktlich zum Anbruch der Dunkelheit steht eine komplett dehydrierte Kleingruppe dann an einem beeindruckenden Aussichtspunkt quer über das nicht enden wollende Amazonasgebiet. Ein "on-the-point" Blick auf die grüne Lunge dieses Planeten. Einzigartig. Lebenswichtig. Bedroht.

    Vokabel des Tages:

    mas de eso - mehr davon
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  • Day 28

    Alles hat ein Ende.

    January 20 in Peru ⋅ ☁️ 27 °C

    Wird langsam Zeit hier abzureisen. Zumindest hält die Dusche keinen weiteren Tag meiner Anwesenheit mehr durch, jetzt habe ich auch noch die Kabinentür aus der Verankerung gerissen. Was ein Graffel.

    War bisher "Jungle for beginners" das Motto, wird heute der Schwierigkeitsgrad auf Profi-Level gesteigert. Ein wenig wie Fifa Soccer an der Konsole, nur ohne Controller und in echt. Es geht tiefer in den Dschungel. Nochmal Boot, nochmal Seitenarm des Flusses, endgültig keine erkennbare Zivilisation mehr. Beim Aussteigen meint unser Guide nur locker "now the Jungle is more aggressiv" und lässt uns lächelnd ins Verderben wandern.

    Keine 30 Minuten später hat der Spaß nämlich gewaltig ein Loch. Ich stecke bis zu den Knien im Sumpf, meine Gummistiefel sind mit der Siffe des Urwalds vollgelaufen, mir tropft eine fiese Mischung Deet/Sonnenmilch/Schweiß in die Augen und eigentlich fehlt nur noch die große Anakonda, die mich zum verspäteten Frühstück mit einem Happen vertilgt. Hinter mir höre ich Lissy fluchend "nicht witzig" murmeln und alle Beteiligten wissen zu 100% - das hier und heute ist das erste und letzte große Dschungelabenteuer von Team Schuster. Brauch mir keiner was von "tolles Erlebnis" erzählen, wenn ich mich im Dreck suhlen möchte, kann ich auch wieder der Kirche beitreten, oder mich alternativ im gutbürgerlich-bayerischen Misthaufen vom Nachbarsbauernhof wälzen. Da sind dann wenigstens nicht ganz so viele fiese Tierchen im Umkreis.

    Zugegeben, gut fünf Stunden später hat sich der Frust schon wieder ein wenig verflogen, aber selten in meinem Leben wurde ich so durch den Fleischwolf gedreht. Zumindest sind wir so bedient, dass die dreckigen Klamotten - bzw. das was davon übrig ist - sofort in die Ecke unseres Baumhauses fliegen, die geliehenen Gummistiefel zurück an den Verleiher wandern und der nach nur zwei Stunden Pause angedachte Abend-Hike ohne Tom & Lissy stattfindet. Ich bin Beamter, nicht Tarzan. Und ich habe vier Tage Dschungelcamp und kein Survival-Training gebucht.

    Lustig, interessant und den Horizont erweiternd war es trotzdem, wenn auch mit etwas weniger Tiersichtungen als erhofft. Aber wie sagt der Bayer - schad' is, das gar is', aber guad is', das war is'.

    Damit wäre dieser kurze Ausflug in unbekanntes Terrain dann auch ausreichend gewürdigt. Husch, husch unters Moskitonetz und morgen geht es straight back in ein "normales" Urlaubsfeeling. Zuallererst aber vermutlich in die Reinigung.

    Vokabel des Tages:

    día de lavado = Waschtag
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  • Day 29

    Der Wille war da. Mehr nicht.

    January 21 in Peru ⋅ ☁️ 16 °C

    Drei Stunden Boot, sieben Stunden Kleinbus. Zurück in die Zukunft ist hier in Peru ein langer Spielfilm, aber es gibt halt weder Marty McFly noch Doc Brown. Dafür nochmal eine extra Portion Schlamm und ein paar Vögel/Affen die zum Abschied winken. 200km Serpentinenstraßen später sieht Lissy mal wieder aus wie von einem Wasserbüffel zertreten, direkt Freundschaft mit den hiesigen Straßenverhältnissen knüpft meine Frau vermutlich nicht mehr.

    Die Abendaufgabe in Cusco beschränkt sich daher auf die Nadel-im-Heuhaufen-Suche nach einer guten Laundry. Alles, aber wirklich alles an Klamotten, was auch nur in die Nähe des Dschungels gekommen ist, stinkt nach zertretenem Krokodil. Am Ende sind es satte 39 Teile die in den auserwählten Waschsalon wandern, diesmal fein säuberlich abgewogen und mit Fotos und Liste dokumentiert. Zustände wie 2019 in Argentinien gilt es möglichst zu verhindern, d.h. ich kann bei der morgigen Abholung dann hoffentlich auf einen Polizeieinsatz inkl. Personalienaufnahme und angedrohte Prügel mit einer Wasserwaage verzichten.

    Mit Netflix endet der Tag. In einem vernünftigen Bett, ohne Krabbelzeug, ohne Moskitonetz, mit vernünftiger Beleuchtung, nutzbarer Wohnungstür und einer ausgiebigen Dusche. Das Leben kann so herrlich einfach sein.

    Vier Wochen Urlaub vorbei. Wahnsinn wie die Zeit vergeht.
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  • Day 30

    Südamerika. Einfach kann jeder.

    January 22 in Peru ⋅ ☀️ 28 °C

    Letzter Peru-Tag. Eine Hängepartie, denn der Ablauf der nächsten Wochen steht ein wenig in den Sternen.

    Der eher im Blindflug geworfene Dartpfeil steckt in Kolumbien, zumindest der Oneway-Flug nach Bogota ist gebucht. So viele Destinationen hier im unmittelbaren Umkreis stehen auch gar nicht zur Verfügung. Argentinien, Chile und Brasilien wären keine vollständig neuen Ziele. Bolivien ist mitten in der Regenzeit kein Burner, Venezuela scheidet aufgrund massiver Probleme und Unruhen seit geraumer Zeit aus.

    Dazu gesellt sich mit ähnlicher Problematik seit gut zwei Wochen auch Ecuador. Das Land ist ohne Vorgeplänkel direkt im akuten Ausnahmezustand. Offener Krieg zwischen Staat und Drogenkartell, nächtliche Ausgangssperren, Schießereien. Alles nur, weil sich irgendein oller Drogenbaron aus dem Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses verpieselt hat. Nein, da muss man aktuell nicht hin - dürfte man als Touri seit Januar 2024 ohne Kopie des eigenen Führungszeugnisses sowieso nicht mehr. Wie die Immigration wohl auf einen uralten Gewalttäter Sport-Eintrag reagieren würden... wir werden es nie erfahren.

    Das alles würde uns gepflegt am allerwertesten Beamtenarsch vorbeigehen, bestünde nicht die durchaus realistische Gefahr, dass sich die Unruhen nicht auch auf Kolumbien und die dort ansässige Drogen-Guerilla ausweiten könnten. Quasi mal wieder ein typisch südamerikanischer Flächenbrand und Team Schuster mittendrin. Also schnell rein ins Vergnügen, wir sind ja geübt darin, im Ernstfall kurze Timeslots zur spontanen Flucht zu nutzen. Mama und Papa - Nein, ihr müsst Euch keine Sorgen machen ;)

    Unsere beiden Rucksäcke zumindest sind gepackt, die Wäsche erfolgreich und vollständig frisch gewaschen und selbst ein verlorener Socken wurde nach unserer Intervention im Waschsalon tatsächlich wieder gefunden.

    Diese Glückssträhne gilt es zu nutzen. Wenn LATAM morgen also keinen Mist baut, erfolgt das nächste hola! direkt .aus der Hauptstadt Kolumbiens.
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  • Day 31

    Straight outta Bogota!

    January 23 in Colombia ⋅ ☀️ 14 °C

    Morgenstund' hat Gold im Mund - ab zum Flughafen. Der liegt hier in Cusco wirklich mitten in der Stadt, Start- und Landebahn sind quasi direkt in ein normales Wohnviertel zementiert - sieht man in dieser Form auch nicht alle Tage.

    Frühstück gibt es in der kleinen Hanaq-Lounge, meine Laune könnte trotzdem etwas besser sein.

    Zuerst versemmelt LATAM am Check In das vollständige Scannen eines unserer Rucksäcke bei der Gepäckabgabe. Stellt sich also die Frage, ob dieser jemals Bogota erreicht. Als der Fehler bemerkt wird, ist unser Rucksack blöderweise schon im Nirwana der Beförderungsbänder verschwunden. Aber gut, mit Handgepäck reist es sich eh leichter.

    Noch mehr aufs Gemüt drückt die Tatsache, dass ich eine Erkältung ausbrüte. So weit kein großes Problem, aber im Zusammenhang mit unserem Aufenthalt im Dschungel wenn es blöd läuft eine ernsthafte Denguefieber und Malaria-Problematik. Also schon mal sicherheitshalber die Amex-Auslandskrankenversicherung in Alarmbereitschaft versetzt und einen außereuropäisch sündhaft teuren Kontrollcheck inkl. Blutuntersuchung in den nächsten Tagen in Aussicht gestellt. Gleichzeitig einen Tropenarzt in Bogota kontaktiert, da darf ich meinen Fußabdruck auf Wunsch jederzeit hinterlassen. Hoffen wir mal, dass sich diese Ampel nicht auf Rot stellt.

    3 Stunden Stoppver in Lima. schneller Wechsel von Domestic zu International, nur die Loungentür schließt sich schnell. Großreinigung über mehrere Stunden an einem Wochentag zur Mittagszeit. Da fällt dir nix mehr ein. Aber fürs Ausräumen des Getränkekühlschranks reicht die Zeit, mit Profis reisen ;)

    Kolumbien wenig später beginnt recht eindrucksvoll. Die Immigration ist nett und wir bekommen problemlos den Aufenthaltstitel für zwei Monate in den Ausweis gestempelt. Auch beide Rucksäcke sind - wie auch immer - eingetroffen und es geht per Uber mitten in der einsetzenden Dämmerung zum Airbnb.

    Sofort wird klar - spätestens in Bogota ist die Kindergartenzeit der Urlaubsreise vorbei, hier kämpfen die Jungs und Mädels mit harten Bandagen. Obwohl im eher sicheren Stadtteil La Candelaria einquartiert, empfängt uns ein Sicherheitsapparat der Marke Alcatraz. Zugang zum gesicherten Wohnkomplex gibt es erst nach Datenabgleich und Ausweiskontrolle. Auf dem Weg zur Wohnung übergibt uns Wachmann 1 an Wachfrau 2. Auf allen angrenzenden Straßen patroullieren Polizisten, Soldaten und private Security. Tatsächlich beeindruckend.

    Lissys Gesicht spricht Bände, aber man wächst mit seinen Aufgaben. Insofern geht es mit recht spärlicher Ausrüstung und mit dem obligatorischen Fake-Diebstahl-Geldbeutel heute Abend nur noch einen Häuserblock zur nächsten Pizzeria. Und ich wette der dortige Hausherr Marke "fieser Hauer mit Knasttattoo" dachte sich bei unserem Anblick einfach nur: ihr Opfer.

    Sechs Wochen Abenteuerurlaub vor dem Kotflügel des Mietwagens. Wenn Dr. Bob morgen grünes Licht gibt. Es wird... auf jeden Fall nicht langweilig.
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  • Day 32

    barrios es azul

    January 24 in Colombia ⋅ ☀️ 22 °C

    Der erste Tag Bogota beginnt früh, denn der liebe Thomas muss zum Onkel Doc. Das Geile an solchen Ländern ist - den suchst Du Dir einfach per Internet, schreibst ein paar WhatsApp und am nächsten Tag hast Du einen Privattermin beim spezialisierten Tropenarzt. Der stellt mich einmal auf den Kopf, geht persönlich mit mir zur Apotheke, zapft mir Blut wie ein Vampir und ballert mir zum Abschied die schmerzvollste Spritze meines Lebens in den Arsch - gibt dafür aber vorerst Entwarnung. Wenn sich morgen keine böse Überraschung im Labor ergibt, dann sind alle Beteiligten bald wieder zurück in der Urlaubsspur. Gut angelegte (und eh' versicherte) 120 Euro. Bye the way - ich habe neun (!) Mückenstiche auf meinem Hirn kassiert. In einer Nacht. Was ballern sich bitte kolumbianische Staunzen für Aufputschmittel?

    Team Orga bleibt auch danach im Zeitplan. 2x kolumbianische Sim-Karte für less money? Check. Dafür stocken die Verhandlungen in Sachen Rentalcar, denn die gewünschte Wagenklasse ist nicht verfügbar und schon gar nicht zum geplanten Zeitplan. Derweil explodieren die Mietpreise auf den bekannten Internetportalen, also mal schauen wie wir diese Kuh noch vom Eis bringen.

    Der erste Sightseeingpunkt führt uns in die Innenstadt. Placa de Bolivia. Nicht hübsch, dafür schwer bewacht. Bogota erinnert mich extrem an Santiago de Chile - der Charme liegt im Verborgenen und im Streetlife. Letzteres dürfte im Einzelfall recht brutal ausfallen. Auch deshalb sind nächtliche Ausflüge selbst in der unmittelbaren Innenstadt nicht empfohlen.

    Nun gut, dann kümmern wir uns um die wichtigen Elemente. Wenn schon Peru fußballerisches Niemandsland war, liefert Bogota gleich mal das Rückspiel im Supercup-Finale auf dem Silbertablett. Anstoss 8pm zur besten Flutlichtzeit, nicht ganz konform mit dem touristischen Verhaltenskodex, aber es trägt sicher zur Gesundung bei. Der Rest ist (meine eigene) Auslegungssache.

    Lissy lässt sich den Trubel nicht entgehen, will mich aber eigentlich beschützen - deshalb geht es in trauter Zweisamkeit zum Spiel Millonarios FC - Junior de Barranquilla. Länderpunktwürdiges Ambiente, ordentlich gefüllte 36.343 Pax-Schüssel. Als Ausgleich zum taggleichen Bayern-Heimspiel gegen Union in der Heimat eine... würdige (und bessere) Alternative. Meine rot/weiße Vita wird den Makel vertragen.

    Hinter dem Stadion kämpft derweil die Feuerwehr und Stadtverwaltung gegen illegal gelegte Waldbrände in den Bergen von Bogota. Die Behörden warnen seit zwei Tagen vor deutlich verschlechterter Luftqualität und durch die Straßen der angrenzenden Wohnviertel laufen erste Stachelschweine und Nasenbären, die vor dem Feuer flüchten. Kannst Du Dir nicht ausdenken. Hoffentlich kommen die bis zu unserem Airbnb in der Innenstadt, dann spare ich mir einen ganzen Haufen Tierspotting.

    Auf dem grünen Rasen dreht Millonarios das 0:1 aus dem Hinspiel und sichert sich durch ein 2:0 den Cupsieg. Muss man nicht viel drüber schreiben, ist dann am Ende halt südamerikanischer Fanatismus mit einer Atmosphäre, die man in einem deutschen Fußballstadion niemals erleben wird. Könnte ich mich reinlegen und wie ein Ferkel drin suhlen. Die ausgiebige Siegesfeier mit Pokalübergabe kommt uns dagegen richtig gelegen und ist der perfekte Moment, um dem Trubel in der Dunkelheit schnell per Taxi zu entfliehen. Man muss sein Glück auch nicht über Gebühr strapazieren.
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  • Day 33

    Between the devil and the deep blue sea

    January 25 in Colombia ⋅ ☀️ 19 °C

    Das kleine Arschloch lässt sich auch in Bogota sehen. Männer mit Männergrippe sind bekanntlich ein Fall für die Intensivstation, deshalb wird der Tag überwiegend im Bett verbracht und das Loft nur für die Nahrungsaufnahme verlassen.

    Gut 1000 Stufen zu Monserrate hätten mich aber tatsächlich aus den Latschen gehauen, zudem scheinen die Waldbrände Drumherum an Intensivität eher wieder zugelegt zu haben, womit der Panoramablick auf die Stadt aktuell auch extrem an Reiz verliert. Ob der Wanderweg zum Gipfel ob der Naturgewalten überhaupt geöffnet ist, werden ohnehin erst die nächsten Tage zeigen.

    Hätte ich heute einen Wunsch frei, dann wäre es eine mit Schaumbad gefüllte heiße Badewanne für den eigenen ausgemergelten Kadaver. Da aber alleine unsere banale Dusche schon mit der klassischen Warmwasserversorgung überfordert ist, belassen wir es bei kiloweisen Seelentröstern aus Kuchen, Schokolade und Co., gemischt mit vielen unbekannten Tabletten aus der Hexenküche der örtlichen Apotheke.

    Braucht den heutigen Tag noch jemand, oder kann der weg?
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  • Day 34

    Mein Maserati fährt 210

    January 26 in Colombia ⋅ ⛅ 23 °C

    Einfach ist es nicht. Heute Nacht hat der kolumbianische Präsident ob der Waldbrände im gesamten Land den Katastrophenfall ausgerufen. Jetzt weiß ich auch, was so Urlaube an der Ostsee oder am Gardasee für Vorzüge haben - sie stressen nicht.

    Tatsächlich sind die Waldbrände hier vor Ort jetzt wirklich ein Problem, auch und vor allem für die Planungen der nächsten Wochen. Reicht ja nicht, dass manche Gegenden per se schon ein gefährliches Pflaster sind, jetzt sind sie im wahrsten Wortsinn auch noch ein Heißes. Da qualmt nicht nur der Baum.

    Dazu gesellt sich die abartig komplizierte pico y placa - Regelung. In ca. 40 (!) kolumbianischen Städten ist das Autofahren nur zu bestimmten Zeiten erlaubt, abhängig von der letzten Ziffer des Kennzeichens. Versteht sich von selbst, dass jede Stadt hier kommunale Einzelregelungen trifft. Im Endeffekt kann man den Mietwagen aber meist nur am Wochenende und an maximal zwei zusätzlichen Wochentagen bewegen, die restlichen Tage sind gesperrt und mit drakonischen Strafen (110 US-Dollar je Verstoß + Beschlagnahmung des Fahrzeuges) belegt. Einmal Rundreise quer durch Kolumbien ohne Mathematikstudium? Unvorstellbar.

    Nun habe ich bekanntlich nicht studiert. Und mein innerer auf Gleichschaltung und Funktionalität getrimmter Monk baumelt längst am Strick. Fährst Du halt nicht nach Medellin, wenn Du Bock darauf hast, sondern drehst im Zweifelsfall noch 48 Stunden lang ein paar Extrarunden vor den Toren der Stadt, bevor sich die Pforte zum heiligen Gral endlich öffnet. Danach kommst Du dann einige Tage nicht mehr aus der Stadt heraus, es ist leicht deprimierend. Aber bei uns dreht der deutsche Michl durch, wenn er mit seinem Nobelhobel nicht ohne grüne Umweltplakette bis in die Eingangstür der Residenz in München fahren darf.

    Ablenkung verspricht der vielgepriesene botanische Garten von Bogota, der ist aber der kleine Bruder von Scheiße, also maximal nett. Zwei sinnlos verpulverte Stunden in meinem Leben und wild verschleuderte 6 Euro Eintritt pro Person. Ich sollte langsam wieder zum System Journalist zurückgreifen, aber man wird halt faul und alt. Immerhin das neue Airbnb ist hübsch, leider aber auch direkt über einem Nachtclub angesiedelt, weshalb uns kolumbianischer Discofox in den Schlaf wummert. Ich mochte diesen sinnlosen Quatsch schon in meiner Jugend nicht, daran wird sich zeitlebens nix mehr ändern.

    Vokabel des Tages:

    Fahrverbot = Circulación Prohibida
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  • Day 35

    Jede Zelle meines Körpers ist glücklich.

    January 27 in Colombia ⋅ ⛅ 19 °C

    Unsere Zeit in Bogota ist begrenzt, deshalb muss heute Monserrate fallen. Kein wirklich guter Tag, die Waldbrände im Hinterland haben sich entgegen der Hoffnung weiter verstärkt und die nächste Hitzewelle ist im Anmarsch. Auch deshalb ist eine vollständige Schließung der Seilbahn zu erwarten, der Wanderweg ist bereits gesperrt - ergo ab in die Siebenmeilenstiefel bevor hier an Bogotas Nr. 1 Attraktion endgültig der Vorhang fällt.

    Rauf, Anschauen, Runter - das dauert eine gute Stunde. Der Ausblick auf den 12 Millionenmoloch Bogota ist Top (wenngleich leicht verraucht), das christliche Bumsdi Drumherum kann mir gepflegt gestohlen bleiben. Wie sangen schon ehrwürdige Düsseldorfer Poeten:

    "Ich will nicht ins Paradies,
    wenn der Weg dorthin so schwierig ist.
    Wenn ich nicht rein darf, wie ich bin
    bleib' ich draußen vor der Tür"

    Da begeistert die am Nachmittag gebuchte Graffiti Free Walking Tour deutlich mehr. Hier dürfte Südamerika im Allgemeinen die Weltelite der Streetart-Szenerie stellen und wenn sich dazu noch die Thematiken Politik und Gewalt gesellen, wird es richtig interessant. Weiße Wände zumindest haben im gesamten Stadtgebiet eine äußerst begrenzte Lebenszeit - it's Magic.

    Negative Begleiterscheinungen gibt es freilich auch. Zuerst zieht es mich leichtgläubig in eine vegane Butze und kaum ist Lissy auf dem Klo lässt sich der Depp in mir von der ersten dahergelaufenen Tussi im Laden zu einer Knabberschüssel aus Seitan überreden. Also mal ehrlich - das Zeug muss gar nicht gelebt haben um am Ende wie tot zu schmecken. Brrrr, widerlich.

    Verdaut wird das wabbelige Zeug allerdings erst in frühestens drei Tagen, denn tatsächlich ist die Toilette in unserem Airbnb für einen normalgroßen Thomas nicht nutzbar. Der Abstand zur Wand ist schlichtweg so eng, dass ich mich nur im Spagat setzen kann. Und mal unter uns - sehe ich aus als wäre ich dazu in der Lage?

    Bleiben als Lösungsmöglichkeiten entweder a) Hammer & Meißel, um den Kniebereich in der Wand freizustemmen, oder b) das umgedrehte Sitzen auf der Kloschüssel. Da brauchst Du ein starkes Selbstbewusstsein, wenn der Wasserkasten der Toilette an deinen Oberschenkeln reibt, während der vegane Seitan freundlich aus dem Tunnel grüßt.

    Vokabel des Tages:

    baño móvil - mobile Toilette
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