• Luisa Bucher

Camino de Santiago 2022

☀️🌊Caminho Portugues 🌊☀️
🥾🎒👣 370 km - 19 Tage 👣🎒🥾
Porto • Santiago de Compostela • Fisterra
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  • Reisens start
    6. september 2022

    Frankfurt Flughafen nach Porto

    6. september 2022, Tyskland ⋅ ☀️ 29 °C

    ‘The one who is brave is free.‘

    Am Nachmittag kam ich am Flughafen in Porto an. Ich übernachtete in der Albergue Senhora de Hora, die sehr liebe- und mühevoll gemacht ist. Sie liegt ca. 4 km vom offiziellen Startpunkt des Camino Portuges entfernt. Bereits am ersten Abend hatte ich interessante Begegnungen mit tollen Menschen. Ich frage mich allerdings auch gerade, was ich mir bei der ganzen Sache eigentlich gedacht habe. Fazit eines Gesprächs am Abend ist die Feststellung, dass auf dem Camino alle das gleiche Ziel, Santiago de Compostela, haben, alles andere ist “egal” - ob Hautfarbe, Religion, Lebensgeschichten, Erfahrungen usw. Vielleicht ist es auf dem Weg deshalb so friedlich, freundlich, offen, einfach menschlich. Und vielleicht kann ich mich schon am ersten Abend von der Vorstellung befreien, alles selbst schaffen zu müssen - Unterstützung und Hilfe wird hier auf dem Weg immer zu finden sein.Les mer

  • Porto

    7. september 2022, Portugal ⋅ ⛅ 21 °C

    Offizieller Startpunkt des Jakobsweges ist die Kathedrale von Porto. Ca. 280 km Fußweg liegen bis nach Santiago vor mir. Bereits am Startpunkt traf ich auf einige Pilger und komme mit ihnen über ihre Herkunftsländer und ihre Wegpläne ins Gespräch; natürlich wurden direkt Empfehlungen für die folgende Route ausgetauscht. Schon hier wird bemerkbar, wie international der Weg ist - es begegneten mir Tschechen, Spanier, Franzosen, Deutsche, Niederländer, Polen und Papuas. Auf meinem Weg zur Kathedrale machte ich noch einen kurzen Abstecher zum wunderschönen Bahnhof ‘São Bento’ und lief noch ein bisschen kreuz und quer durch die Straßen von Porto.Les mer

  • Porto - Labruge (ca. 24,5 km)

    7. september 2022, Portugal ⋅ ⛅ 21 °C

    - Don’t look back to often. -

    Der Blick zurück versperrt den Blick für das was noch vor dir liegt. Du siehst das, was du bisher (noch nicht) geschafft hast und verlierst den Blick für das, was der Weg für dich bereit hält.

    Lektion 1: Der Weg ist geebnet, er lehrt dich und du musst “nur” folgen! Ähnlich, wie wenn du dich dafür entscheidest, deinen Weg mit Gott zu gehen, der dir zeigt, welche Bahn du einschlagen sollst. Du musst deinen Blick auf ihn richten, sonst übersiehst du seine Wegweiser.

    „Liebe den HERRN, deinen Gott, hör auf
    seine Stimme und halte dich an ihm fest;
    denn er ist dein Leben.“ (Dt 30, 20)

    - Take a look on all the signs to find your way, the way Jesus planned for you! -

    Zur Route:
    Porto - Matosinhos - Lavra - Labruge

    Hinaus aus der Stadt Porto ging es an einer wenig schönen Straße über Holzstege durch Dünen und vorbei am Strand von Ort zu Ort. Während ich die ersten 5 km alleine lief, treffe ich für die weiteren 10 km eine Niederländerin, mit der ich die Begeisterung für die Küste teile. Nach wenigen Kilometern alleine traf ich einen Deutschen, der mich erst für eine Engländerin hält und mit dem die letzten 10 km wie im Flug vergehen. Zu guter Letzt trafen wir auf eine weitere Deutsche, mit der wir gemeinsam unsere schlichte Pilgerunterkunft (S. Tiago De Labruge - eine alte, umgebaute Schule) suchten. Nach dem wir uns ausgeruht hatten gingen wir zur Stärkung in einem Fischrestaurant essen.
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  • Labruge - Póvoa da Varzim (ca. 14 km)

    8. september 2022, Portugal ⋅ ☁️ 22 °C

    - Slow down! -

    Nehme dir die Zeit, die du für deinen persönlichen (Lebens-)weg brauchst. Sei nicht traurig oder enttäuscht, wenn es nicht so schnell voran geht, wie du es dir vorstellst und vergleiche deinen Weg nicht mit dem der anderen. Du bist es, der zwischen Unmut und Gelassenheit entscheidet.

    Lektion 2: Gelassenheit als Wegbegleitung ist ratsam. Finden kannst du sie bei Gott, der dir versichert, dass du genau an dem Ort, an dem du dich gerade befindest, richtig bist und gerade nirgendwo anders sein musst - körperlich und geistig.

    - Focus on Jesus and trust&believe! -

    Zur Route:
    Labruge - Vila Chã - Vila do Conde - Póvoa da Varzim

    Der Weg führte zu Beginn wieder über Holzwege und durch Sand durch Dünen, kleine Fischerdörfer und verlassenen Städtchen, immer an der links von uns verlaufenden Küste entlang. Mit ca. 14 km in 3 Stunden waren wir heute morgen schnell unterwegs. Vielleicht hatten wir das Gefühl, dem dauerhaften (Niesel-)Regen entkommen zu müssen; auf der anderen Seite läuft es sich früh am Morgen einfach am Besten. Nach 10 km verabschiedeten wir eine Pilgerin, die sich auf den zentralen Weg durch Portugal begab. Während ich in Póvoa da Varzim blieb, lief ein Mitpilger weiter, da er nur zwei Wochen frei hat und dem entsprechend schneller Kilometer zurück legen muss. Eigentlich wollte ich auch weiterlaufen und war sogar traurig, vergleichsweise wenige Kilometer unterwegs zu sein - im Nachhinein war es aber eine gute und die richtige Entscheidung.
    Statt den Wegweisern weiter zu folgen, machte ich eine lange Pause am Strand, an dem ich die Tschechin Lucie kennenlernte, mit der ich den Nachmittag verbrachte. Eigentlich wollten wir im Meer schwimmen, da die Wellen jedoch sehr hoch und die Strömung zu stark war, stellten wir uns nur in die Wellen und hatten bereits hierbei damit zu kämpfen, stehen zu bleiben, da die Wellen so stark waren (auch die lifeguards empfohlen, nicht zu schwimmen und nicht zu weit ins Wasser zu gehen). Am Abend gingen wir gemeinsam essen und machten einen Abendspaziergang (weil unsere Füße überhaupt nicht weh tun und weil wir ja sowieso kaum zu Fuß unterwegs sind). Es ist sehr spannend, welchen Menschen ich begegne. Sowohl die Beweggründe dafür den Weg zu gehen als auch die Berufe (Feuerwehrfrau, Müller, Reittherapeutin, Sängerin/Songwriterin) sind sehr individuell.
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  • Póvoa da Varzim - Marinhas (ca. 27 km)

    9. september 2022, Portugal ⋅ ☀️ 23 °C

    - Be still. -

    Es ist ok, nicht auf alle Fragen direkt eine Antwort geben zu können oder eine Antwort laut auszusprechen. Es ist okay, wenn du Entscheidungen, Meinungen oder Argumente für dich behältst - gerade dann, wenn es um sehr persönliche Dinge geht und du dich mit der Beantwortung verletzlich machst.

    Lektion 3: Es geht nicht darum, Fragen, Themen oder Entscheidungen mit sich selbst auszumachen. In Jesus kannst du einen Wegbegleiter finden, dem du alles vor die Füße werfen kannst, egal ob Gedanken oder Gefühle. Er sieht dich und statt dir Gedanken darüber zu machen, was andere darüber denken und mit den Infos tun werden, hilft er dir mit deinen persönlichen Themen zurecht zu kommen.

    - Listen to the sound of your inner voice even if others mean to know more about yourself than you do. -

    Zur Route:
    Póvoa da Varzim - Rio Alto - Fão - Esposende ~ Marinhas

    Entlang der rauen Küste Portugals starten wir bei grauem Himmel und Nebel über Sand, Holzwege und Dünen. Später verlief die Strecke durch Feld, waldähnliche Gebiete, durch Städte und Dörfer durch Straßen voller Palmen und alter sowie neuer Häuser bis zum Zielort Marinhas. Unterwegs war ich mit Lucie, die ich gestern kennenlernte. Eines der schönsten Erlebnisse heute war das spontane Testen der Akustik einer Kirche, in der wir sangen und die uns ein paar Minuten Erholung von unseren schmerzenden Füßen bot. Am Abend traf ich auf mir bisher unbekannte Menschen und auf bereits bekannte. Gemeinsam aßen wir zu Abend und genossen die portugiesische Abendsonne - die Pilgerfamilie wächst. Nicht zu kurz kommen durfte natürlich der Austausch über den noch vor uns liegenden Weg, weshalb wir uns die unterschiedlichsten Wegvarianten auf der Landkarte anschauten und unsere ungefähren Routen austüftelten. Auch die Kommunikation mit anderen Pilgern, mit denen man sich auf Grund unterschiedlicher Sprachen kaum versteht, ist oft sehr lustig - da kommt es auch mal vor, dass ich plötzlich das Parfum eines wildfremden Mannes auf den Arm gesprüht bekomme oder die größte Verwirrung darüber herrscht, aus welchem Land der andere kommt. So froh wie heute, nach ca. 27 km und nur einer größeren Pause in meinem Bett zu liegen, war ich selten. Ich merke auch, dass ich demnächst einige Tage brauche, an denen ich ganz alleine unterwegs sein werde.
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  • Marinhas - Viana do Castelo (ca. 21 km)

    10. september 2022, Portugal ⋅ ☀️ 24 °C

    - A glory to those who carry me - my feet. -

    Ich behaupte, ich kann für jeden sprechen, wenn ich sage, dass alle von uns das Gefühl - mal mehr, mal weniger - benötigen, getragen zu werden von etwas oder jemandem, dem man vertrauen kann - zugegeben, momentan sind das unteranderem meine Füße.

    Lektion 4: Getragen werden - die Füße als Symbol dafür, was Gott mir Gutes tut. Er trägt mich, gibt mir Halt, auch in den Momenten, wenn meine Beziehung zu ihm gerade nicht ganz einfach ist und gerade dann, wenn ich mich selbst verloren fühle.

    Passend dazu begegnete mir folgende, so schöne Bibelstelle:

    I have made you and
    I will carry you;
    I will sustain you and
    I will rescue you.
    (Isaiah 46,4)

    - Jesus gives you the hold you need - especially in moments you feel lost. -

    Zur Route:
    Marinhas - Viana do Castelo

    Ca. 1,5 km von der Küste entfernt ging es durch kleine Städte, alte portugiesische Dörfer und Wald auf Viana do Castelo zu. Auf dem Weg durchquerten wir ein Stadtfest, auf dem wir typisch portugiesisches Gebäck aßen und an einem Haus am Waldrand machten wir eine Pause - dem liebenswertesten Ort des Tages und vielleicht des gesamten Weges. Hier baute der Besitzer einen Stand mit Obst aus seinem Garten, gekühlten Getränken und Keksen auf. Außerdem durften wir heute einige Höhenmeter überwinden, die sich lohnten, da sich jedes Mal spektakuläre Ausblicke boten. Tag 4 ist der erste, auf dem sich ein totales Gefühlschaos abspielt. Von weinen, lachen, Gedanken, den Weg abzubrechen, gewinnbringenden Gesprächen und dem Willen immer weiter laufen zu wollen ohne zu stoppen, ist alles mit dabei. Irgendwann erreichten wir unsere Pilgerunterkunft in einem alten Kloster, in der wir uns nur wohlfühlen konnten. In der Kirche nebenan versuchte ich alle meine Eindrücke vom heutigen Tag zu verarbeiten - das Ergebnis: Es ist unmöglich. Und tatsächlich ist es so, dass ich mit Sicherheit in einiger Zeit rückblickend von unendlich schönen Momenten erzählen kann, die ich jetzt noch gar nicht in Worte fassen kann. Kommen wir am Ende noch kurz auf die weniger schönen Seiten und gleichzeitig auf die realistische Seite des Pilgerlebens zu sprechen. Die Füße tun weh und sind voller Blasen, welche einen daran hindern, entspannt laufen zu können und auch die Nächte können in oft sehr stickigen Schlafsälen mit schnarchenden Pilgern sehr kurz sein, so wie die vergangene mit nur vier Stunden Schlaf. Dennoch lernte ich auch dieses Mal wieder die Einfachheit des Pilgerlebens zu schätzen.
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  • Viana do Castelo - Caminha (ca. 30 km)

    11. september 2022, Portugal ⋅ ☁️ 23 °C

    - Catch the feeling of freedom! -

    Freiheit - alle möchten sie haben aber niemand kann sie wirklich in Worte fassen. Vielleicht ist die Freiheit so frei, dass das einfach gar nicht geht.

    Lektion 5: Ich bin überzeugt davon, dass mich mein Glaube befreien kann, wenn ich ihn nicht einengen lasse. Das heißt, dass ich bei Gott Freiheit finden kann, was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass er die Freiheit ist. So wie es mir nicht gelingt, die Freiheit in Worte zu fassen, gelingt es mir auch nicht, Gott voll und ganz zu beschreiben, weil seine Größe scheinbar alles übersteigt.

    - In Jesus you can find freedom! -

    Zur Route:
    Viana do Castelo - Paçó - Caminha

    Vorweg. Das Aufstehen um 5:30 Uhr und das Loslaufen um 6:00 Uhr heute Morgen haben sich auf jeden Fall gelohnt. Durch Eukalyptus- und Nadelwälder, auf steinigen Wegen und Pflastersteinstraßen, durch Villensiedlungen und kleine Dörfer mit Steinhäusern und Aussichtspunkte, die mich staunen ließen, führte mein Weg auf 30 km bis nach Caminha. Heute hätte ich im Wald am liebsten Farben und Düfte eingefangen. Die berührendsten Momente heute waren der Abschied von meiner Laufpartnerin der letzten zwei Tage, die ich voraussichtlich frühestens wieder in Santiago treffen werde, da sie eine andere Wegvariante weiterlaufen wird als ich. Außerdem habe ich Mirco, Mandy und Reinhard wieder getroffen, so wie gerade jeden Abend. Mit Mandy und Mirko besichtigte ich noch ein bisschen das Städtchen Caminha und ich testete mal wieder in zwei Kirchen die Akustik - zur Freude derer, die dort den gesamten Tag die Pilgerpässe der Besucher abstempeln. Reinhard kam sogar extra noch einmal zum Gute Nacht sagen vorbei. Emotional waren die 30 km auch deshalb, weil mir beim Alleinelaufen zu Beginn zahlreiche Gedanken durch den Kopf gingen bis sich mein Kopf endlich einfach nur noch leer anfühlte. Ein italienisches Ehepaar finde ich sehr bewundernswert - mit bestimmt Mitte 60 Jahren laufen sie so schnell so viele Kilometer. Und Philipp und Kate, die den gesamten Weg in nur acht Tagen laufen wollen, sind mir auch wieder begegnet - ich hätte nicht gedacht, dass sie mir nach unserem Kennenlernen vorgestern noch so oft über den Weg laufen werden. Auch meinen amigo Lukas traf ich wieder. Wir verstehen kein Wort von dem was der andere sagt aber wir haben unseren Spaß dabei, per Zeichensprache zu kommunizieren. Die Überraschungsmomente hören nicht auf. Heute traf ich zufällig in meiner Unterkunft den Autor, dessen Pilgerführer fast alle deutschsprachigen Pilger besitzen. Dieser arbeitet gerade an der neuesten Auflage des Buches. Mit ihm haben wir direkt mal Verbesserungsvorschläge besprochen. Nun folgt eine letzte schöne und berührende Beobachtung. In einigen Städten Portugals hängen in der gesamten Stadt Lautsprecher an Häusern, die dazu genutzt werden, dass alle, alle, alle Menschen den Gottesdienst darüber mit hören können. Und dann stehen zum Beispiel Verkäufer auf dem Markt an ihrem Stand und beten mit.
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  • Caminha - Nova de Cerveira (ca. 15 km)

    12. september 2022, Portugal ⋅ 🌧 21 °C

    - You don’t need much to be happy. -

    Ich brauche nicht viel um glücklich zu sein. Alles was ich zum Leben wirklich benötige, passt in meinen Rucksack. Diese Erfahrung konnte ich in den vergangenen sechs Tagen auf ca. 130 km Fußweg wieder einmal machen.

    Lektion 6: Konzentriere dich auf wenige, wirklich wichtige, dir heilige, dich erfüllende, dich glücklich machende Dinge in deinem Leben und du wirst ihnen wertschätzender gegenüberstehen als den vielen, dich überfordernden. Nehme dabei die wegweisende Stimme Gottes in dir wahr.

    - thankfulness -

    Zur Route:
    Caminha - Vila Nova de Cerveira

    Noch im dunklen und im Regen begann der Tag mit der Flussüberquerung des Rio Coura. Ich folgte wieder dem offiziellen Jakobsweg, der nicht wie seine Alternative direkt am Grenzfluss Miño zwischen Portugal und Spanien entlang führt aber immer in Sichtweite ist. Durch das Überwinden einiger Höhenmeter hatte ich wieder viele schöne Ausblicke. Außerdem ging es wieder durch mehr oder weniger besiedelte Ortschaften, vorbei an ein paar Schafen und Ziegen. Da die Etappe heute nicht ganz so lange war, kam ich schon ziemlich früh in meiner albergue de peregrinos (Pilgerherberge) an - und das ist auch gut so. Die Besitzer, ein deutsch-österreichisches Aussteigerpärchen, hat in Vila Nova de Cerveira einen wunderschönen Ort zum Ausruhen, Füße entspannen und Kraft tanken geschaffen. Neben dem wunderschönen Garten mit selbst angebautem Obst und Gemüse, Hühnern und Hunden schlafe ich heute nicht in einem Saal mit 20 bis 30 Pilgern, sondern in einem Vierbettzimmer, in dem zumindest heute der Schlafsack gegen eine richtige Bettdecke ausgetauscht wird. Am Mittag saßen Nana und ich gemeinsam mit den Besitzern der Herberge zusammen und tauschten uns ein bisschen über das Thema Konsum aus. Abends aßen wir gemeinsam - gekocht wurde fast nur mit Zutaten aus dem eigenen Garten. Es gab eine Gemüse-Feta-Reis-Pfanne, sogar verziert mit einer darauf gemalten Jakobsmuschel. Unser Trinkwasser kam aus einer Quelle ganz in der Nähe. Es schmeckte viel besser und frischer als das aus Chlorwasser aus der Leitung.
    Langsam werde ich schon etwas wehmütig, da das heute mein vorletzter Tag in Portugal ist.
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  • Nova de Cerveira - Valença (ca. 15 km)

    13. september 2022, Portugal ⋅ 🌧 19 °C

    - Take your time to process impressions, experience and encounters. -

    Mein Weg führt heute, fast langweilig, nur geradeaus. Warum gibt es diese monotonen Streckenabschnitte, für was sind sie da? Vielleicht geht es dabei darum zu lernen, dass diese ruhigen Strecken im Leben dazu gedacht sind, Eindrücke und Erfahrungen zu verarbeiten oder es geht darum, sich auf die kurvigen Strecken mit Höhen und Tiefen vorzubereiten. Take a breath!

    Lektion 7: Gott kennt deinen Weg. Er kennt dich so gut, dass er weiß, wenn du nach stürmischen und hektischen Zeiten Phasen zur Verarbeitung und Orientierung benötigst. Er schenkt dir diese Zeiten der Ruhe, dass du Kraft tanken kannst.

    - No rain - no flowers. No rain - no life. -

    Zur Route:
    Vila Nova de Cerveira - Valença

    Stürmisch und regnerisch begann der Tag dennoch bei einem gemütlichen Powermüsli mit frischem Obst und einem Café. Der Regen stoppte auf meinen heutigen 15 Kilometern nur selten, immer wieder musste ich kurze Pausen unter Dachvorsprüngen, Brücken und Bäumen einlegen - dennoch war ich völlig durchnässt. Meine Schuhe hielten übrigens das was sie versprechen- sie sind mehr als wasserdicht. An meinem letzten Tag in Portugal lief ich direkt am Grenzfluss Rio Minho entlang. Wenn ich direkt über das Wasser laufen würde, währe ich vermutlich in weniger als 10 Minuten in Spanien.
    Tatsächlich störte mich der Regen heute gar nicht. Ein paar Fahrradfahrer wunderten sich glaube ich über meine gute Laune, als ich drei Stunden singend (O happy day und I‘m dancing in the rain) durch den Dauerregen lief. Außerdem kann man beim Regenwetter richtig gut andere Leute kennenlernen, man teilt sein Leid. Unter einer Brücke, darauf wartend, dass der Regen endlich ein bisschen nachlässt, unterhalte ich mich ein bisschen mit einem jungen Portugiesen, der auf dem Fahrrad unterwegs ist.
    Heute musste ich bei dem Regen an einen Weggefährten denken, der mir erzählte, er habe einen kleinen Regenschirm dabei, wohlwissend und nicht ganz unerfahren, was mehrtägige Wanderungen betrifft, dass er ihm hier gar nichts bringen wird. Dennoch folgte er dem Rat eines Freundes. Über die Tatsache, dass er ihn dabei hat, lacht er selbst, so wie ich, die hier jetzt mal öffentlich zugibt, auf dem Jakobsweg einen Fön dabei zu haben. Zugegeben, mein einziger „Luxusartikel“ und dieser schafft es immer wieder Menschen miteinander zu verbinden. Mittlerweile benutze nämlich nicht mehr nur noch ich diesen Fön, sondern auch andere Pilger.
    Einen Kilometer vor meinem heutigen Ziel landete ich in einem richtig tollen Pilgercafé. Ich unterhielt mich mit dem Besitzer und er erzählte, er sei erst heute Nacht um zwei Uhr aus Fisterra (Das Ende der Welt - dazu in ca. einer Woche mehr) zurück gekommen sei, da er eine Pilgergruppe begleitete und dass ich heute die erste Pilgerin bin, die vorbei kommt. Kurz darauf folgten aber mehrere und ich treffe Nana wieder, die die letzte Nacht in der selben Unterkunft verbrachte wie ich. Als wir das Café verlassen, kommen gerade Reinhard und unser österreichischer Pilgerfreund ganz unerwartet auf uns zu gelaufen. Wir haben uns eineinhalb Tage nicht gesehen, weshalb die Freude umso größer ist - zur Begrüßung bekommen alle eine feste Umarmung. Gemeinsam mit Nana laufe ich meinen letzten Kilometer, sie läuft noch drei Kilometer weiter über die Grenze nach Spanien. Ich entscheide mich dazu, meinen letzten Tag in Portugal in Valença zu beenden, um die Grenze von Portugal nach Spanien morgen früh zu passieren.
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  • Valença - Tui - O Porriño (ca. 21 km)

    14. september 2022, Spania ⋅ 🌧 22 °C

    - Share your storys with other people! -

    Heute möchte ich eine wunderschöne, Geschichte aufschreiben, die wirklich genauso passiert ist und mich seit ein paar Tagen nicht loslässt.
    Es ist die von Antoinett, 64 Jahre, aus den Niederlanden. Ich hatte an meinem ersten Wandertag die Ehre und das Vergnügen, ein Stück des Jakobsweges gemeinsam mit ihr gehen zu dürfen. Eigentlich handelt es sich bei der Geschichte um die, ihrer Jakobsmuschel. Vor einer Weile wurde Antoinette gefragt, ob sie sich nicht vorstellen kann, auf dem Jakobsweg zu laufen. Sie konnte sich nicht entscheiden und war eher ängstlich, bzw. unsicher, da sie vor ihrem ersten Weg nicht wusste, was auf sie zukommt. In den Niederlanden wohnt sie direkt am Waldrand, wo sie oft laufen geht. Während einer ihrer Wanderungen schaut plötzlich etwas ungewohnt anders aussehendes aus dem Boden und sie gräbt es aus - es ist eine Jakobsmuschel, wie sie fast alle Pilger eine als Erkennungszeichen an ihrem Rucksack befestigt haben. Bis heute fragt sie sich, wie es diese Muschel dort hin geschafft hat. Für sie ist die Muschel das Zeichen, damals doch ihren ersten Camino zu wagen. Seit dem ist sie, wie auch ich und die allermeisten, die einmal einen Jakobsweg gelaufen sind, süchtig danach und auch sie kehrt immer wieder auf ihn zurück.

    Lektion 8: Lebe das Abenteuer, wohlwissend nie alleine und immer begleitet zu sein und teile deine berührenden, andere inspirierenden Geschichten.

    - Touch the heart of the people around you! -

    Zur Route:
    Valença - Tui - O Porriño

    Seit heute pilgere ich nicht mehr in Portugal. Weiter führte mich mein Weg nach Spanien. Die beiden Länder verbindet zwischen den Städten Valença und Tui die Internationale Brücke, die ich zur Grenzüberquerung nutzte - da hatte ich dann kurzzeitig auch mal ein paar Tränen in den Augen und war ziemlich stolz auf mich. Nun dauert es nur noch ein paar Tage, dann komme ich schon in Santiago de Compostela an. An dieser Stelle kann ich vielleicht schon einmal verraten, dass meine Pilgerreise dort nicht enden wird - ich werde danach weiter wandern. Durch die alten, mystischen Stadtmauern und Torbögen Valenças ging es auf steinigen Straßen und einem kurzen Abstecher an den Rio Minho jetzt auf spanischer Seite, weiter durch die schöne Altstadt Tuis, entlang der Autobahn und auf Waldwegen ca. 21 km nach O Porrinõ. Auf dem Weg begleiteten mich kurzzeitig die Tschechinnen Petra und Theresa und ein älterer Mann aus Slovenien, der von vielen Wegen erzählte, die er bereits gelaufen ist und welche bereits in Planung sind. An meinem ersten Wandertag hielt mich ein Pilger auf Grund meiner englischen Aussprache für eine Engländerin, heute unterhielt ich mich mit einem Portugiesen, der mich irgendwann fragte, ob ich aus Schweden komme. Irritiert fragte ich ihn warum gerade aus Schweden und er meinte - because of the Swedish accent und ich dachte mir - for sure, was auch sonst. Nach der Grenzüberquerung wird deutlich, dass alle Varianten des Camiño Portugués spätestens hier wieder aufeinander treffen. Das wird an den vielen Pilgern, die plötzlich auf der selben Strecke unterwegs sind wie ich, deutlich. Außerdem sehe ich (und überhole ich) jetzt auch viele, ich nenne sie jetzt einfach mal Pilgertagestouristen (von denen ich zugegeben, ohne überheblich klingen zu wollen, nicht viel halte), da sie sich ihr Gepäck von A nach B fahren lassen, oft in Hotels übernachten, ihren Regenschirm dabei haben um bloß nicht nass zu werden, nur auf der Jagd nach Stempeln für ihre Compostela sind und manchmal so tun, als hätten sie den anstrengendsten Tag hinter sich oder sie tun so, als wäre das alles doch ganz leicht. Ich meine, mein Rucksack, der um die 12 kg wiegt, macht im Vergleich zu einem Turnbeutel dann doch einen kleinen aber feinen Unterschied. Das Wetter machte heute ganz gut mit, außer einem Regenschauer blieb ich trocken. Ich kam aber auch schon um 12:30 Uhr an meiner Pilgerunterkunft an.
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  • O Porriño - Arcade (ca. 22 km)

    15. september 2022, Spania ⋅ ⛅ 25 °C

    - Run! -

    Ganz oft werde ich gefragt, warum ich mich dazu entschieden habe, den Jakobsweg zu laufen und warum noch dazu alleine. Zugegeben - eine gute Frage aber ich merke immer wieder, dass ich diese nur sehr ungern gefragt werde. Dennoch beschäftigt sie mich selbst natürlich auch. Es ist gar nicht so leicht diese Frage zu beantworten, jedes Mal vergesse ich etwas oder finde gar nicht die richtigen Worte dafür. Ich glaube, es gibt da einige Gründe und am Ende bleibt wie jedes Mal bevor ich mich wieder auf den Weg mache, eine innere Stimme bzw. ein innerer Drang, der mich spüren lässt: Lauf einfach los!
    Wenn ich laufe, vergesse ich oft alles um mich herum. Irgendwie kann ich hier den Abstand zu einer Welt gewinnen, in der mich manchmal die Oberflächlichkeit des Lebens erdrückt und in der ich am Liebsten verstummen möchte. Eine Welt, in der ich mir manchmal erhoffe und wünsche, dass ausnahmslos alles in sich zusammenbricht und wir die Möglichkeit haben, alles noch einmal ganz von vorne, gut und richtig aufbauen zu können. Ja, ich glaube, es ist einer der Hauptgründe der mich dazu antreibt zu laufen. Und das ist kein Wegrennen vor einer Welt, in der ich nicht leben möchte. Nein, das Laufen hilft, mich wieder selbst aufzubauen und mich von den Fehlern im System der irdischen Welt erholen zu können, um dann den Kampf gegen die Oberflächlichkeit und das, was schief läuft, wieder aufnehmen zu können.
    Ich möchte in keiner Welt leben, die von (Vor-)Verurteilung, Selbstverständlichkeit, Schnelllebigkeit, dem sich gegenseitig nicht zuhören, großartige Kleinigkeiten übersehen, dem Materiellen nacheifern, Emotionen nicht zulassen, nur (sichtbare) Leistung und Erfolg zählen lassen, Recht haben als erste Priorität, ungefilterten Nachrichten und dem Reflektieren von ausschließlich dem mir selbst passend erscheinenden, geprägt ist.
    Vielleicht, ja ich glaube, deswegen habe ich gerade auch gar kein Problem mit der Tatsache, Tage, Stunden, Minuten, Sekunden Zeit mit mir selbst zu verbringen und durch die Gegend zu laufen ohne den Drang dazu zu verspüren, überhaupt irgendjemandem begegnen und reden zu müssen. Ich bin gerade sehr dankbar dafür, diesen Weg alleine gehen zu können.

    - How many superfluous words do we say in a day? -

    Lektion 9: Friendly reminder an mich selbst: Wenn du Dich auf der Welt völlig verloren und völlig fehl am Platz fühlst, findest du Zuflucht bei Gott! Viele Geschehnisse im Leben sind Fehler im System Welt, die nicht dem Plan Gottes entsprechen.

    „Die Weltgeschichte ist ein Kampf zwischen zweierlei Formen von Liebe:
    der Liebe zu sich selbst - bis zur Zerstörung der Welt; und der Liebe für den anderen - bis zum Verzicht auf sich selbst.“ (Heiliger Augustinus)

    - My God turns my darkness into light. (Ps 18,28) -

    Zur Route:
    O Porriño - Veigadaña - Mos - Padrón - Redondela - Cesantes - Arcade

    Noch im dunklen startete mein Tag heute in O Porriño. Die Stunde Zeitumstellung von Portugal und Spanien macht sich besonders Morgens bemerkbar. Statt um 7 Uhr wird es jetzt erst um 8 Uhr hell. Dafür konnte ich dabei zusehen, wie die Sonne hinter den Bergen aufging und den Himmel rot, lila, rosa und orange färbte. Als ich unter einer Brücke durchlief, um eine Autobahn zu umgehen, durfte ich den Klängen eines typisch galicischen Dudelsacks lauschen - was ein schöner Start in den Tag. Zum Glück wusste ich im Vorhinein nicht, wie viele Höhenmeter ich heute hoch und runter wandern musste. Die Steigungen kann man eigentlich ganz gut mit Wänden vergleichen, die man hoch und runter läuft. Da waren dann auch die E-bike- und Fahrradfahrer nicht mehr schneller als ich zu Fuß. Über die Ausblicke, die sich mir boten, durfte ich mich dafür allerdings nicht beschweren (manchmal lohnt sich dann doch auch ein Blick zurück, um zu sehen, was man geschafft und “sich erarbeitet” hat). Nach knapp 17 km machte ich eine lange Pause und genoss meinen ersten frisch gepressten spanischen Orangensaft, einen Cappuccino und die für Spanien typischen Churros. Und während ich langsam beginne, manche bekannten Gesichter zu vermissen, laufen vier Spanier um’s Eck, die ich schon öfter aber länger nicht mehr gesehen habe. Auf spanisch fragen sie mich alle, ob es mir gut geht und ich versuche mit meinen nicht vorhandenen Spanischkenntnissen “Si, muy bien.” zu antworten (dafür reichen sie dann doch gerade noch so aus). Um mich von meinen schmerzenden Füßen abzulenken, lief ich irgendwann vor mich hin summend durch die Gegend, worauf hin mich eine Irin ansprach, mit der ich mich für ein paar Minuten unterhielt und zusammen eine weitere Steigung erklimme. Auf dem Weg hier lernt man wirklich jede kleinste Geste zu schätzen. Deswegen ist es auch immer wieder eine große Freude, wenn mir Autofahrer mit breitem Lächeln aus dem Auto zuwinken und manchmal auch hupen, um mir so im Vorbeifahren “Buen Camino” zu wünschen. Zum Abschluss des Tages ging ich mit zwei Mädels, ungefähr im gleichen Alter, aus Australien und Italien essen.
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  • Arcade - Portela (ca. 23 km)

    16. september 2022, Spania ⋅ ☀️ 27 °C

    - Accept your pain! -

    … und aut den Schatten folgt das Licht …
    Und dann ist da plötzlich wieder das Sonnenlicht, das reflektiet und die dunklen Schatten unterbricht.
    Ohne Licht ist Schatten unmöglich, was bedeutet, dass es immer da und nie ganz weg ist. Jesus, der das Licht ist, hat die Schattenseiten des Lebens (Traurigkeit, körperlichen und seelischen Schmerz, Verletzungen jeglicher Art) besiegt. Jesus ist der, der Resignation und Alltagsgrau überwindet und uns vor die Herausforderung stellt, nicht darin unterzugehen, sondern hindurch und weiter zu laufen. So dürfen wir ihn ein bisschen besser kennenlernen und ihm ganz nahe sein.

    Lektion 10: Wenn ich schon längst keinen Durchblick mehr über mein inneres Chaos, meine Ängste, Unsicherheiten und Sorgen habe, übernimmt Gott das Ruder. Gott kämpft meine Kämpfe mit mir und für mich!

    - My battles belong to God! -

    Zur Route:
    Arcade - Pontevedra - Portela

    Nie, nie, nie war ich so froh, an meiner Pilgerunterkunft anzukommen wie heute!!! Die drei Ausrufezeichen haben ihren Grund. Ich spürte heute das erste Mal auf meiner Reise - und das sind ja jetzt schon ein paar Tage - meinen gesamten Körper: Schultern, Rücken, Nacken, Arme, Beine, Knie, Füße, Fußzehen, Knöchel, Sehnen und Bänder, Muskeln und Knochen. Die ersten 10, vielleicht 12 km waren ja noch irgendwie erträglich zu meistern, nach dem ich mich eine halbe Stunde an den Schmerz meiner Druckstelle unten am kleinen Zeh gewöhnt hatte und meine Blasen warm gelaufen waren. Es gab heute wirklich ein paar Momente, da hätte ich einfach heulend stehen bleiben können und am liebsten ein Taxi gerufen, dass mich die letzten 60 km bis nach Santiago de Compostela fährt. Stattdessen quälte ich mich die letzten 10 km humpelnd bis an mein Ziel, an dem ich mich nach einer kurzen Dehnsession dankbar in meinen Stuhl fallen lies und die Füße hochlegte. So viel zu den Schattenseiten des heutigen Tages, kommen wir zu den sonnigen Seiten.
    Ja, ich gebe zu, vielleicht heute morgen ein paar schlafende Wachhunde und damit evtl. auch ihre Besitzer geweckt zu haben. Allerdings ist 7 Uhr auch eine Uhrzeit, zu der man durchaus wach sein kann, nur weil der Alltag in Spanien halt erst um 9 Uhr morgens beginnt aber dafür abends umso länger geht, heißt das ja nicht, dass ich jetzt ewig lange im Bett liegen bleiben muss. Auch die Hähne krähen nach mir. Und dann meinte ich wohl unwissend, mich selbst auch noch herausfordern zu müssen. Da stand ich, am Waldrand mit meiner Stirnlampe (ich komme mir vor wie ein Glühwürmchen), ganz auf mich alleine gestellt und musste dadurch laufen. Ich konnte ja jetzt auch schlecht eine Stunde vor dem Wald stehen bleiben und warten bis jemand vorbei kommt oder bis es doch hell wird. Warum ich so früh aufstehe und los laufe? Weil die Luft so klar und gut ist, ich morgens sehr gut laufen kann, nur wenige/keine Menschen unterwegs sind und weil der Sternenhimmel und das Erblicken der ersten Lichtstrahlen am Morgen, die langsam hinter den Bergen hervor kommen, unendlich schön sind. Übrigens saß am Wegrand irgendwann in der Dämmerung noch ein Glühwürmchen. Es war ein Mann, der in seinem Bauwagen lebt und ganz viel Stühle und einen kleinen Verkaufsstand für die am Tag vorbei kommenden Pilger aufgebaut hat. Ich redete ein wenig mit ihm (er sagt, ich wäre heute die erste die vorbei kommt, was mich kaum wundert so im Dunkeln), bekomme einen Stempel und gehe weiter.
    Mein Weg führte mich heute zunächst über eine wunderschöne mittelalterliche Steinbrücke, die ich zum Glück gestern noch bei Tageslicht fotografierte, durch wunderschöne Wälder, Ortschaften und kleine Städte. Einen lohnenswerten Umweg von einem Kilometer machte ich, um einem Pfad entlang eines schönen Flusses zu folgen. Zwischendurch erholte ich mich in einer kleinen Kirche, in der es noch dazu einen richtig schönen Pilgerstempel gab. Die Stempel sammeln alle Pilger, um am Ende ihre Compostela (Pilgerurkunde) erhalten zu können. Im Wald wurde für mich heute besonders bemerkbar, dass es Spätsommer ist bzw., dass der Herbst bald kommen wird - das liegt vor allem auch daran, dass es hier sehr viele Esskastanien gibt. Total unerwartet treffe ich Lucie in der Herberge wieder, die ich am dritten Tag am Strand kennenlernte. Es tut so gut sie zu sehen! Die Herberge unterscheidet sich etwas von den meisten. Hier wird gelebt wie in einer Kommune. Da wir Irgendwo im Nirgendwo sind, wird abends für alle gekocht und alle sind für das Tischdecken verantwortlich, Frühstück gibt es auch - und das alles auf Spendenbasis. Am Abend kommt der Host sogar nochmal in den Übernachtungsraum und wünscht allen eine gute Nacht und einen guten Weg.
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  • Portela - Caldas de Reis (ca. 12 km)

    17. september 2022, Spania ⋅ ☁️ 27 °C

    - What would I miss, if there is no one or nothing showing me my way? -

    Heute wurde ich gefragt, ob es etwas gibt, was ich hier auf dem Weg von zu Hause wirklich vermisse. Wenn ich ehrlich bin, vermisse ich gar nichts - ok, mal abgesehen von einer Waschmaschine vielleicht, seit eineinhalb Wochen wasche ich alles per Hand. Warum ich nichts vermisse? Alles was ich zum (Über-)Leben brauche ist in meinem Rucksack, die wichtigsten Erinnerungen sind in meinem Kopf und die bedeutendsten Menschen in meinem Herzen (hört sich vielleicht kitschig an, aber es ist so). Meine Antwort war deswegen die Gegenfrage: Was werde ich vermissen, wenn ich morgens aufwache und weiß, nicht mehr auf dem Camino unterwegs zu sein?! Wenn ich darüber nachdenke, werde ich traurig und schon jetzt wehmütig. Ich werde die Einfachheit des Pilgerlebens, die Friedfertigkeit, die Offenheit, das Einfach-sein-können, die Hilfsbereitschaft, die Internationalität, das alle auf dem selben Weg sein und das Verfolgen eines gemeinsamen Zieles (mit den selben Mitteln und Gedanken) vermissen. Und ganz besonders werde ich vermissen, dass mir mein Weg hier ganz genau vorgegeben ist - eigentlich ein Luxus, mal nicht entscheiden zu müssen, welche Abzweigung ich heute benutzen soll.

    Lektion 11: Übertragen auf meine Gottesbeziehung, weil Gott mein “way maker” ist - “Was würde ich vermissen, wenn ich morgens aufwache und Gott keine Rolle mehr in meinem Leben spielt?!

    - clarity -

    Zur Route:
    Portela - Briallos - Tivo - Caldas de Reis

    Die erste Stunde meiner Etappe lief ich heute morgen wieder mit Lucie, danach alleine. Auf manchen Wegabschnitten kann einen der Gedanke daran, noch eine Pilgerunterkunft finden zu müssen, durchaus stressen. Heute ist das zum Glück nicht der Fall. Dieses Gefühl muss aber gar nicht mal so schlecht sein, um schätzen zu lernen, wie gut man es selbst hat, immer ein Dach über dem Kopf zu haben. So banal dieser Gedanke vielleicht scheinen mag, ist er gar nicht.
    Meine Strecke von 12 km ist heute nicht lang, aber sie reicht aus. Außerdem lässt es sich hier in Caldas de Reis wirklich sehr gut aushalten. In einem Café treffe ich mal wieder auf bekannte Gesichter. Während diese heute noch ein Stück weiter laufen, liege ich erst mal zwei Stunden neben einer Kirche unter einem Dach aus Palmenblättern, bis meine Herberge öffnet. Abends hat die Kirche dann auch offen und ich setze mich für eine Stunde hinein. Danach treffe ich auf zwei Pilger, die ich am Vortag kennengelernt habe, wir unterhalten uns, gehen noch schnell einkaufen und laufen noch ein bisschen durch die Stadt. Weil ich noch etwas mehr Zeit auf dem Jakobsweg verbringen möchte, entscheide ich mich dazu, meinen bisher angedachten Ankunftstag in Santiago von Montag auf Dienstag zu verschieben und die nächsten zwei Etappen auf drei kürzere aufzuteilen. Mal sehen, was die nächsten Tage so bringen und wo es überhaupt Pilgerherbergen gibt. Mein Weg führte mich heute hauptsächlich durch ein paar Dörfer, Weinreben, ab und zu auch an Autostraßen entlang und durch Felder - es war ein ruhiger und angenehmer Weg.
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  • Caldas de Reis - Pontecesures (ca.16 km)

    18. september 2022, Spania ⋅ ☁️ 28 °C

    - beautiful mess -

    Jeden Tag, wenn ich meinen Rucksack ein- und ausräume entsteht ein kleines Chaos, das eigentlich wieder ganz schnell aufgeräumt ist. Ein eher weniger wundervolles Chaos gab es heute in meinem Inneren - meine Gedanken und meine Gefühle spielten etwas verrückt.

    Lektion 12: Akzeptiere das Chaos in deinem Leben und nutze es als Chance zur Weiterentwicklung und lass etwas Positives daraus entstehen. Aus Chaos entstehtein Neuanfang! Nimm dir Gott als Beispiel. Auch er lässt aus jedem Chaos, bereits seit der Entstehung der Erde, aus jedem Streit, aus jedem inneren Kampf, aus Zweifeln, Sorgen und Ängsten etwas Größeres und Besseres hervorgehen.

    "For God has not given us the spirit of fear; but of power, and of love, and of a sound mind." (2 Thimothy 1,7)

    - create new beginnings -

    Zur Route:
    Caldas de Reis - O Pino (Valga) - Pontecesures

    Meine Nacht war kurz - wir waren zwar nur zu viert in einem Zimmer und ich habe mittlerweile viele Menschen schnarchen hören aber das hat alles übertroffen, da haben selbst Kopfhörer und Musik nicht mehr geholfen. Dem entsprechend geht es heute dann doch früher los als es sein müsste. Eine Spanierin, die auch so früh aufstand wie ich, drückt mir zum Frühstück ein Brötchen mit Chorizo in die Hand und wünschte mir einen guten Appetit - das war richtig lieb. Um kurz nach 7 Uhr mache ich mich auf meinen Weg und komme schon um kurz vor 11 Uhr an. Ich bin so früh da, nicht so viele Kilometer gelaufen, habe eigentlich noch viel Energie, ich sehe so viele weiter laufen (einige davon sind Tagestouris) - jetzt bin ich schlecht gelaunt, das erste mal auf meinem Weg, obwohl ich mich ja selbst dafür entschieden habe. Jetzt, um ca. 13 Uhr in der heutigen Mittagshitze weiterlaufen macht nur wenig Sinn. Außerdem wäre ich dann morgen bei unter 10 km und das wäre mir auch eindeutig zu wenig. Es ist das erste mal, dass ich mich ziemlich einsam und alleine fühle. Einige Stunden später bin ich immer noch alleine, da kommt zum Glück eine weitere Pilgerin an, die wegen der leeren Herberge auch etwas verwundert ist. Komisch, als ich heute morgen an der Wegmarkierung vorbei gelaufen bin, die anzeigte, dass es nur noch 30 km bis nach Santiago sind, hatte ich noch das Gefühl, dass die Entscheidung für die Aufteilung dieser Kilometer genau richtig war. Der Weg an sich war heute sehr schön. Während die Sonne aufging, wanderte ich durch Feld, alte Dörfer und Wald. Abends ging ich dann gemeinsam drei weiteren Pilgern essen. Nachdem wir einen Imbiss gefunden haben, der erstmal wenig vertrauenswürdig aussah, in den wir uns aber dennoch hineinwagten, entpuppte sich der Abend als ein weiterer sehr schöner und lehrreicher Abend. Der Kontakt zu Einheimischen unterscheidet sich doch oft von dem zu anderen. Wir erfahren mehr über die Kornspeicher der Anwohner in den Gärten, bekommen Tipps für den nächsten Wandertag und ein bisschen was erfahren wir auch noch über die Architektur der Kirchen auf unserem Weg im Vergleich zur Kathedrale in Santiago. Das alles bekamen wir nach unserem Essen, das der zunächst sehr seltsame Besitzer, der sich dann immer mehr öffnete und trotzdem etwas eigen blieb, für jeden von uns ganz frisch kochte. Ganz unanstrengend war der Abend nicht - einem ca. einstündigen Monolog auf einer Mischung aus Spanisch und Englisch zu folgen war dann doch etwas viel auf einmal. Auf unserem Rückweg bestaunten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang, der sich auf dem Wasser des an die Stadt angrenzenden Flusses spiegelte.
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  • Pontecesures (-Herbón) - Teo (ca. 12 km)

    19. september 2022, Spania ⋅ ☀️ 30 °C

    - Every tear means healing! -

    Heute lerne ich Evelyn, 68 Jahre, pensionierte Lehrerin für Mathe und Physik, kennen. Während ich auf einem wunderschönen Rastplatz Pause machte, meine Tränen liefen, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte, hielt sie mir die Hälfte ihrer Birne, die ihres Apfels und eine Mandarine vor die Nase. Im ersten Moment war es mir richtig unangenehm - ausgerechnet in diesem Moment und irgendwie doch auch genau im Richtigen (insgeheim dachte ich noch daran, wie gut es tun würde, gerade jetzt nicht alleine zu sein). Ich weine, weil der Weg bald zu Ende ist, aus Stolz auf das, was ich bereits geschafft habe, wegen Gedanken die mir durch den Kopf gehen - eigentlich total dämlich oder doch nicht? Während Evelyn irgendwann weiter geht, bleibe ich noch etwas sitzen, ich habe schließlich mehr als genug Zeit, da kamen Kerstin und Joachim vorbei. Auch sie erwischten mich in einem Moment, mit glasigen Augen. Wir sprechen darüber, dass unser Weg morgen vorerst endet und auch Kerstin erzählte, dass ihr der Tag sehr schwer fällt und sie auch immer wieder den Tränen nahe ist. Einige Male war ich auf dem gesamten Weg kurz davor zu weinen und ich habe mir gewünscht einmal richtig weinen zu können. Jetzt bin ich froh darüber, die Tränen einfach laufen lassen zu können. Sie fühlen sich plötzlich sehr heilsam an.

    Lektion 13: Jede einzelne Träne hat eine heilende Wirkung, also lass sie zu! In den richtigen Momenten stellt Gott dir die Menschen zur Seite, die du wirklich benötigst!

    - You are not alone! -

    Zur Route:
    Pontecesures (-Herbón) - Padrón - Teo (Rúa de Francos)

    Mit nur 15 km Wegstrecke startete mein Tag entspannt um kurz vor 8 Uhr. Alles war super, bis mir mal wieder bewusst wurde, dass ich morgen in Santiago ankomme, einige die ich kenne spätestens heute dort sind und heute deutlich bemerkbar wird, wie plötzlich sehr viele Menschen nach Santiago rennen. Ganze Busse voller Menschen stiegen direkt vor mir aus, unterhielten sich die ganze Zeit lautstark und nervten mich einfach nur. Meine Stimmung war getrübt, den ganz genauen Grund kann ich gerade gar nicht benennen. Auch der Gedanke, dass ich in drei Tagen nochmal loslaufen und 90 km laufen werde, machte den Moment nicht besser. Auf meinem Weg hatte ich heute nochmal ganz viele Menschen in meinen Gedanken dabei, Menschen, die gerade nicht in der Lage wären, diesen Weg zu gehen, Menschen die ich vermisse, Menschen, von denen ich weiß, dass sie an mich denken während ich gerade unterwegs bin, Menschen, die sich nicht zutrauen, solange unterwegs zu sein, obwohl ich mir sicher bin, dass sie es schaffen könnten, wenn sie es möchten. Da ich nicht so früh an meiner Unterkunft ankommen wollte, frühstückte ich in einem Café, treffe dort einen Portugiesen nach ein paar Tagen wieder, gehe weiter und mache auf einem wunderschönen Rastplatz noch einmal einen Stopp. Dort lernte ich Evelyn kennen, die sich irgendwann weiter auf den Weg macht. Wir trafen uns dann in unserer Herberge wieder, aßen dort gemeinsam mit einem Amerikaner zu Abend und ich trank meinen ersten Sangría in Spanien. Mittags traf ich auch noch Kerstin und Joachim auf dem selben wunderschönen Rastplatz. Die beiden lernte ich vor ein paar Tagen kennen, die zwei sind richtig liebenswert. Nach dem wir ein bisschen zusammen saßen machten wir uns auf, um die zwei letzten Kilometer unserer Etappe für heute zu gehen. In meiner Unterkunft traf mich erst mal der Schlag, für eine Übernachtung zahlte ich statt der angekündigten 13€, 17€ - da habe ich selbst in Santiago eine günstigere Unterkunft gefunden (zur Info: In der Regel zahlt man für eine Übernachtung in der Regel zwischen 8€ und 12€). Naja, es gibt keine Ausweichmöglichkeit, also bleibt mir nichts anderes übrig, als hier zu bleiben. Ich bekomme den Tipp noch einmal ein Stück des Weges zurück zu gehen, um mir ein schönes Waldstück anzusehen - das tue ich und es ein weiterer unbeschreiblich schöner Platz mit Sitzgelegenheit, einem wunderschönen Bach und einer süßen kleinen Brücke. Mein Weg an sich führte zu Beginn an unschönen Straßen entlang, recht schnell wurden daraus schöne Ortschaften die ich durchquerte, umgeben von Weinreben und Feld, immer mit Aussicht auf einen wunderschönen Wald.
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  • Teo - Santiago de Compostela (ca. 15 km)

    20. september 2022, Spania ⋅ ⛅ 28 °C

    - God is not only a destination. It‘s a lifelong decision to go with. -

    Der Weg und das Ziel meines Weges waren zwar klar vorgegeben aber das alleine reicht nicht aus, um dort auch anzukommen. Die offiziell 280 km an der Küste Portos über das Landesinnere Spaniens bis nach Santiago de Compostela zu laufen, erforderte jeden Tag die neue Entscheidung, weitergehen zu wollen. Das hat auch oft etwas mit Willensstärke und Kampfgeist zu tun - oft ist es einfach Kopfsache und eine innere Motivation bzw. ein innerer Antrieb.

    „Der Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin.“

    Lektion 14: Das Gehen des Jakobsweges hat Parallelen zu meinem Weg mit Gott. Gott ist nicht „nur“ ein Ziel bzw. eine Richtung - nein, er fordert mich tagtäglich durch das Treffen meiner Entscheidung für oder gegen ihn heraus, seine Nachfolgerin bzw. seine Jüngerin zu sein. Das Treffen dieser Entscheidung ist allerdings nicht immer einfach, da wir Entscheidungen von Emotionen, Erlebnissen und so vielem mehr abhängig machen - so wie ich die Entscheidung weiterzulaufen unter anderem davon abhängig machte, wie sich meine Füße fühlten. Durch das Treffen von Entscheidungen kann ich aber auch über mich hinauswachsen. Ich muss nicht wegen meiner schmerzenden Füße stehen bleiben, so wie ich meine Entscheidung für mein Leben mit Gott auch nicht von negativen Erlebnissen abhängig machen muss. Riskiere etwas in deinem Leben!

    „Alles, was für unser Leben und unsere Frömmigkeit gut ist, hat seine göttliche Macht uns geschenkt; sie hat uns den erkennen lassen, der uns durch seine Herrlichkeit und Kraft berufen hat.“ (2. Petrus 1,3)

    - Grow beyond yourself with GOD! Thank you lord for everything! -

    Zur Route:
    Teo - Santiago de Compostela

    Meine letzten 15 km rannte ich quasi zum Ziel. Aber jetzt erst mal langsam. Im halbdunkeln startete mein Tag und der herbstliche Morgen war traumhaft. Die Luft so klar, der Nebel über dem Feld und die langsam wärmende Sonne taten gut, nach dem es morgens mittlerweile doch wirklich sehr kühl ist. Mein Weg führte mal wieder durch viel Feld, entlang an Straßen und durch Dörfer, denen ich aber nicht anmerken konnte, dass ich mich einer Großstadt nähere. 15 km - 3 Stunden, eigentlich viel zu schnell. Ab dem achten Kilometer bis zum Ziel konnte ich quasi bereits in der Entfernung auf Santiago blicken. Meine Entscheidung am Vormittag nach Santiago hineinzulaufen war die Beste. Es tümmelten sich zwar schon einige Touristen und Reisegruppen durch die Stadt aber der Vorplatz der Kathedrale, mein vorerst endgültiges Ziel, war immerhin nicht überfüllt. In einer Seitenstraße, die direkt auf die Kathedrale zuläuft, traf ich Lucie wieder. Wir unterhielten uns aber nur kurz, sodass ich mein Ziel endgültig erreichen konnte. Angekommen flossen natürlich ein paar Tränchen und ich setzte mich am Rand des großen Vorplatzes der Kathedrale hin. Hier lies es sich problemlos lange aushalten, da es so viele Menschen zu beobachten gibt. Plötzlich steht Mandy vor mir, die gerade in der Stadt unterwegs ist. Die Freude ist riesig, als wir uns dort plötzlich gegenüberstehen. Gemeinsam verbringen wir den Nachmittag in der Stadt. Abends traf ich mich noch mit ein paar Pilgerfreunden und es gab endlich die heißersehnte Paella und zum Nachtisch den typischen Mandelkuchen „Tarta de Santiago“. Und auch der Sonnenuntergang sah fantastisch aus.
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  • Pilgerfamily I

    20. september 2022, Spania ⋅ ⛅ 28 °C

    Auf dem Camiño traf ich so liebenswerte, wundervolle, offene, einzigartige Menschen, die mir wirklich sehr ans Herz gewachsen sind. Die Meisten von ihnen treffe ich (vorerst) ein letztes Mal in Santiago. Langsam macht sich jetzt jeder wieder auf seinen eigenen Weg, manche fliegen nach Hause, manche fahren mit dem Bus nach Fisterra, manche, so wie ich auch, werden nach Fisterra (weitere 90 km) laufen. Teilweise überschattet der Abschiedsschmerz die riesige Freude über das Wiedersehen und das Ankommen.Les mer

  • Finally there - Santiago de Compostela

    20. september 2022, Spania ⋅ ⛅ 28 °C

    - Der Moment gehört nur mir! -

    Ich begann meine Reise bewusst alleine und bewusst endete sie auch mit dem Einlaufen auf den großen Platz der Kathedrale genauso. Ein paar Kilometer vorher dachte ich noch darüber nach, ob das Ankommen alleine oder gemeinsam mit jemand anderem besser wäre. Alleine konnte ich allerdings wirklich einfach da sein und die ersten Eindrücke auf mich wirken lassen. Nun saß ich da auf dem Platz vor der Kathedrale, beobachte die ankommenden Pilger, die Reisegruppen - ich sitze einfach da und genieße den Moment.

    Offiziell zählt der Küstenweg laut Pilgerbüro in Santiago 280 km. Nun bin ich stolze Besitzerin einer Pilgerurkunde, die bescheinigt, dass ich diese Strecke gelaufen bin.

    Folgendes Zitat bringt meine ganzen Gedanken und Gefühle sehr gut auf den Punkt:
    „Der Weg dauert nicht ewig: Es ist ein Segen, ihn eine Zeit lang zu gehen, aber eines Tages wird er enden, also sei jederzeit vorbereitet, dich zu verabschieden. So sehr dich auch manche Landschaften zum Staunen bringen oder dich einige Strecken einschüchtern mögen, die zu gehen viel Mühe kosten, halte nichts fest. Weder die euphorischen Stunden noch die endlosen Tage, in denen alles schwierig erscheint und der Fortschritt langsam ist. Früher oder später wird ein Engel kommen und dein Weg wird zu Ende sein, vergiss das nicht." (Paulo Coelho, brasilianischer Schriftsteller, *1947)
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  • One more day in Santiago

    21. september 2022, Spania ⋅ ☀️ 26 °C

    - Alleinereisen ~ eine Momentaufnahme -

    Angst vor dem Alleine sein, obwohl man weiß, dass man es nicht ist. Ich rede mit anderen Alleinreisenden. Ihnen geht es ganz genauso, auch in Momenten, in denen wir zusammensitzen. Abschiede fallen noch schwerer. Ich weine alleine, ich weine mit anderen, ich weine in der Öffentlichkeit. Andere weinen in der Öffentlichkeit. Wir werden von fremden Menschen gefragt, wie weit wir gelaufen sind, sie nicken anerkennend und staunend. Ich rechne aus, am Tag durchschnittlich ca. 19 km - eigentlich gar nicht so viel. Tränen fließen, ohne dass ich den Grund kenne. Städte wirken einschüchternd und beängstigend. Ich will lieber wieder weiter laufen. Der vorgegebene Weg der letzten Tage hat verdammt viel Sicherheit gegeben - was ein Luxus. Aber der Weg, das Ankommen und das Weiterziehen zeigen, dass auch immer ein Teil ungewiss bleibt - herausfordernd. Ich merke mal wieder, wie viel Sicherheit andere Menschen einem selbst geben können. Sie bauen einen auf. Helfen. Machen alles leichter - zumindest manchmal. Und eigentlich wollte ich doch auf dem Weg lernen, “niemanden zu brauchen”, von keinem abhängig zu sein. Gefühlschaos. Obwohl ich genau weiß, dass ich alleine klar kommen kann. Wir unterhalten uns mit einem 70-jährigen Kölner. Er hat vor zwei Tagen seinen Weg auf Grund einiger Blutblasen abgebrochen. Für ihn war es nicht nur deswegen ein emotionaler Tag, er weinte auch einfach so viel, warum kann er nicht sagen. Er schenkt mir eine Umarmung und die kommt von Herzen, das merkt man, weil er die selbe Gefühlslage kennt.
    Mit dem Realisieren, dass ich und auch, dass die anderen Santiago erreicht haben, dass wir angekommen sind, führt dazu, dass viele von uns gerne die Reise einfach jetzt beenden möchten - ich auch, den Rückflug einfach umbuchen. Weil es jetzt doch okay ist, weil es jetzt doch einfach reicht. Am Morgen lerne ich Malte kennen, er sitzt am Nachbartisch im Café, er kommt aus Basel. Er baut mich auf. Er kam heute morgen aus Finisterre zurück, erzählt davon. Das reicht schon, um einen Teil der Unsicherheit zu nehmen. Es geht halt gerade doch der eine Camiño, ein Abschnitt zu Ende, und der nächste Abschnitt, der nächste Camiño, beginnt. Es wird anders weitergehen aber es geht weiter und es wird bestimmt gut weiter gehen. So wie das im Leben, im Alltag, auch immer irgendwie ist.

    Der heilige Jakobus
    “Er hat viele Namen und ist als Patron der Kathedrale seit Jahrhunderten für viele Menschen ein wichtiger Gefährte des Glaubens. Er war einer der ersten Jünger, die Jesus berufen hatte. Er hat das Evangelium in Wort und Tat weitergetragen, hat dafür sein Leben eingesetzt und ist auf wunderbare Weise nach Galizien gekommen, wo man dann sein Grab entdeckt hat. In der Krypta sehen wir den silbernen Schrein, in dem die leiblichen Überreste des Apostels aufbewahrt werden, und über dem Hochaltar strahlt er, umgeben vom Glanz der himmlischen Herrlichkeit. Ein Zeuge des Glaubens, der ganz aus der unmittelbaren Nähe und Erfahrung Jesu kommt und dessen Leben für immer in der Treue Gottes gerettet und aufgehoben ist. Es berührt, wenn die Menschen zum Apostel hochsteigen und sich ihm von hinten her nähern, um ihn zu umarmen. Wie viele, die dabei spüren, dass man mit der ganzen Last seines Weges vom Apostel getragen wird. Und wenn sie dann hinabsteigen in die Krypta, zum Grab des Apostels, dann mögen alle eigenen Abstiege und Todeserfahrungen einem bewusst werden, aber auch, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Gerade unten am Grab bezeugen viele ihren Glauben an die Auferstehung und spüren dabei, dass dieses Bekenntnis das eigentliche Ziel ihrer Pilgerschaft ist.”
    (Deutsche Pilgerseelsorge)

    Zum Tag:

    Heute Nacht schlief ich auf einer bereits sehr durchgelegenen Matratze richtig gut und vor allem schlief ich aus. Um kurz vor zehn machte ich mich gemeinsam mit Mandy auf den 2 km langen Weg von unserer Pilgerherberge (es ist die selbe, in der ich beim letzten Mal in Santiago auch war) auf zur Kathedrale, um in der Nähe in einem Café zu frühstücken. Wir kamen mit Malte aus Basel und mit einem Kölner vom Nachbartisch ins Gespräch, das tat gut, da wir den ganzen Morgen schon wieder nur am Weinen waren. Und dann standen nochmal Kerstin und Joachim neben uns. So ein Weg, das Ankommen und das Realisieren aller Eindrücke ist einfach zu viel auf einmal, zumal schon wieder Abschiede anstehen. Gestern und heute morgen dachte ich noch an Antoinette von meinem ersten Wandertag, daran, wo sie wohl gerade ist und daran, dass ich sie so gerne noch einmal sehen würde. Prompt läuft sie an unserem Café vorbei und wir fallen uns vor Freude in die Arme. Sie ist gerade angekommen und holt, weil gerade nicht so viel los ist, ihre Pilgerurkunde im Pilgerbüro ab. Nach dem Frühstück saßen Mandy und ich noch eine Weile auf dem Vorplatz der Kathedrale bis auch wir uns tränenreich verabschiedeten. Auf diesem riesigen Platz sind alle schmerzenden Füße und schlechten Nächte fast vergessen. Ich buchte noch schnell meine Mitfahrgelegenheit bei BlaBlaCar für kommenden Dienstag von Finisterre zurück nach Santiago und machte mich dann irgendwann auf zu einem Stadtspaziergang. Dabei schaue ich mir auch die Kathedrale von innen an, da war sie nämlich nicht überfüllt. Am Nachmittag sitze ich dann wieder in der Mittagssonne auf dem Kathedralenvorplatz und beobachte unter anderem eine spanische Jugendgruppe, die feierlich ihr Ziel erreicht - allen voran ein Junge, der ein riesiges bunt geschmücktes Kreuz trägt. Singend und jubelnd lassen sie sich dann auch erstmal nieder. Später kamen vier Deutsche auf dem Platz an. Joseph, 87 Jahre ist über 100 km nach Santiago gelaufen. Mit Tränen in den Augen erzählte er mir, dass er gerade eben seinen Lebenstraum erfüllt hat. Ich war natürlich neugierig und fragte, warum gerade Santiago sein letztes Lebensziel ist, wie er es nennt und er erzählt, dass er schon die Alpen auf dem E5 überquert und Österreich, Norwegen usw. zu Fuß durchquert hat und Santiago als Wunsch auf seiner Liste übrig blieb. Am Abend besuchte ich endlich die Pilgermesse - Beginn 19:30 Uhr, wer einen Sitzplatz haben will, der sollte mindesten 60 bis 90 Minuten früher da sein. Ich erwische einen richtig guten Platz, fast ganz vorne. Die Pilgermesse war wie immer sehr voll und auf spanisch, ich verstand also mal wieder kein Wort. Naja, vielleicht doch die wichtigsten während der Lesung und dem Evangelium. Herz, Frieden, Liebe, Jesus, Heiliger Geist - es braucht ja auch fast nicht mehr. Am Ende des Gottesdienstes dann einer der spannendsten Momente. Das 53 kg schwere, 1,50 Meter große Weihrauchfass (Botafumeiro) wird quer durch die gesamte Kathedrale geschwungen. Acht Männer, die Tiraboleiros, schwingen das Weihrauchfass, das im Schwung eine Geschwindigkeit von 68 km/h erreicht.

    “Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet vor dir auf.“ (Ps 141, 2)
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  • Santiago - Negreira (ca. 24 km)

    22. september 2022, Spania ⋅ ⛅ 24 °C

    - recovered -

    Zur Route:
    Santiago - Carballo - Barca - Chancela - Negreira

    Nach einem Tag Pause fliege ich meine 24 km heute in circa 5 Stunden und dazwischen war ich sogar noch Café trinken. Erst war es ungewohnt in Santiago ohne Rucksack unterwegs zu sein, auf meinem dritten und vierten Kilometer komme ich mir dann aber doch wieder wie mein eigener Packesel vor. So wie in Santiago die schmerzenden Füße schnell vergessen waren, waren es heute fast die Abschiede und das Gefühlschaos der letzten zwei Tage. Ich bin zurück auf dem Pilgerweg und es fühlt sich richtig gut an, ich bin wieder glücklich - der Weg ist mein Zuhause. Ich brach wieder im Dunkeln auf, dieses Mal nicht als erste und einzige. Im Wald begegneten mir schnell weitere Pilger, die ich entweder hinter mir zurück lies oder sie sind so schnell, dass ich sie dann auch ganz schnell nicht mehr sehen kann. Wie bereits ein paar Mal hörte ich auch heute Morgen wieder einen Uhu rufen. Ich beobachtete bisher einige Sonnenaufgänge auf meinem Weg aber der heute war wirklich unbeschreiblich und unvergleichlich. Ich stand quasi gegenüber der Kathedrale auf einem Berg, ca. 45 Minuten Fußweg von ihr entfernt und hinter ihr waren alle erdenklichen Farben von Morgenrot zu sehen. Das Bild konnte ich nicht annähernd mit der Kamera einfangen. Wie es in Wirklichkeit ausgesehen hat, konnte ich nur vor meinem inneren Auge abspeichern. Beim Frühstücken (O Kilometro 79 Bar & Café - das muss ich mir für das nächste Mal merken) lernte ich heute Max, Mathestudent, aus Israel kennen. Er läuft regelmäßig ca. 30 bis 40 km am Tag, da er nicht so viel Zeit hat aber möglichst viele Ziele erreichen möchte. Ich musste heute 250 Höhenmeter gestreckt über 2 km überwinden. Und da ich so gut gelaunt war und die Luft ja nicht zum Bergauflaufen gebrauchen konnte (wirklich überhaupt gar nicht…), lief ich mal wieder singend durch die Gegend - also singend den Berg hoch. Töne habe ich dann zwar nicht mehr so unbedingt getroffen aber außer den Bäumen war da ja niemand anderes, der mir zuhörte. Etwas später lernte ich Simon, Anfang 30, Elektriker aus Kanada, Québec, kennen. Sein Tagespensum heute sind 42 km. Ich laufe bzw. eile ein paar wenige Kilometer mit ihm, dann bin ich schon an meiner Unterkunft angekommen. Bzw. ich laufe erst ein Mal an ihr vorbei, da ich so in das Gespräch mit Simon vertieft bin. Also heißt es dann kurze Zeit später verabschieden und wieder 200 Meter zurück laufen. Meine Herberge heute übertrifft von der Ausstattung dann auch alles. Ich entspanne erst einmal zwei Stunden am Pool und in der Hollywoodschaukel. Dann habe ich erst einmal genug Sonne für heute, gehe irgendwann essen und laufe durch Negreira. Zeigte mein Wegweiser heute morgen 90 km nach Finisterre an, sind es heute Mittag nur noch ungefähr 70 km.

    - See with your own eyes. -
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  • Negreira - Santa Mariña (ca. 21 km)

    23. september 2022, Spania ⋅ ⛅ 20 °C

    - Take it easy. -

    Heute morgen rennt fast jeder an mir vorbei. Und ich bin auch mal wieder alles andere als langsam unterwegs. Eine Italienerin, die heute noch 42 km Wegstrecke vor sich hat (der ich heute noch drei weitere Male begegne) und ich übersehen im halbdunkeln unseren Wegweiser. Das bedeutete für uns, dass wir den Hügel, den wir gerade runter gelaufen waren, wieder hoch laufen durften. Eigentlich geht’s beim Laufen auf dem Jakobsweg nicht um Zeitdruck und Stress, dennoch wirken einige nicht unbedingt entspannt. Ich lasse mich auch erst einmal unbewusst unter Druck setzen und übe heute wieder, mich nicht davon anstecken zu lassen.
    Zeit, Druck, Stress, Wünsche, Hoffnung, der richtige Moment - ich dachte heute noch einmal an den 87-jährigen Joseph. Er hat sein Leben lang darauf gewartet, in Santiago zu sein und der richtige Moment war bei ihm wohl in hohem Alter. Ich überlege, wie geduldig er gewesen sein muss, um sagen zu können, dass er sein Lebensziel erreicht hat. Eigentlich ist er ein Vorbild was das Warten, Langsammachen und Ungeduld aushalten angeht - bewundernswert. Gleichzeitig zeigt es auch, dass es sich lohnt, an seinen Träumen und Wünschen festzuhalten, sie zu verfolgen und dabei vor allem auch an sich selbst zu glauben - dazu gehört viel und meistens trauen andere einem selbst so viel mehr zu als man sich selbst.

    Lektion 15: Denkzettel für mich.
    Du musst…
    … Sicherheit aufgeben, um in Neuem Halt finden zu können.
    … mutig sein, um dich selbst besser kennen zu lernen.
    … an dich glauben, um so viele deiner Begabungen wie möglich ausleben zu können.
    … dir zutrauen, Neues auszuprobieren, um dann entscheiden zu können, wie es weiter gehen soll.
    … an dich glauben, weil du stark bist.
    … dir selbst zeigen wollen, wer du sein kannst, wenn du es willst.

    - Don’t stop until you are proud. -

    Zur Route:
    Negreira - Piaxe (A Pena) - Vilaserío - Santa Mariña

    Heute führte der Weg an meist wenig befahrenen Straßen entlang durch Wälder, Feld, ländliches Gebiet und vorbei an Gärten. Der Himmel war lange grau, es war etwas windig und trüb bis sich die Sonne nachmittags doch noch für uns entscheidet. Höhenmeter zählte ich heute lieber nicht. Meine eigentlich langsam verheilenden Blasen haben heute keine Chance weiter zu heilen, beim Abwärtslaufen tut mein rechtes Knie wieder weh und meine Arillisverse macht sich auch bemerkbar. Dafür schwillt mein Knöchel langsam wieder ab (warum auch immer er angeschwollen war, das Problem hatten andere aber auch). Während mir auf meinem Weg nach Santiago das Ziel gar nicht mehr so wichtig war und stattdessen der Weg zählte, musste ich heute ständig daran denken, dass ich in 50 km, also in drei Tagen, wieder am Meer stehen werde. Dann schließt sich ein Kreis, ich bin am Meer losgelaufen und mein Weg wird bei Kilometer 0,00 am Meer enden. Den gesamten Nachmittag war ich müde, warum keine Ahnung. Heute genoss ich es wieder richtig alleine unterwegs zu sein. In meinem Tempo lief ich, blieb stehen wann ich wollte, um mir die wundervollen Aussichten anzusehen, die sich mir boten. Die Strecke zog sich gefühlt heute dennoch gewaltig in die Länge, obwohl sie abwechslungsreich und schön war. Irgendwann kam mir heute der Gedanke, dass ich seit fast drei Wochen weder Laptop noch Waschmaschine genutzt habe. Dafür schaute ich seit zweieinhalb Wochen das erste Mal auf meinem Weg für zwei Sekunden auf den Wetterbericht. Ich merkte dann, dass es mir irgendwie nichts bringt und dass mir nichts anderes übrig bleiben wird, als zu nehme was kommt, also lasse ich alles auf mich zukommen. In meiner Herberge lernte ich Antonia kennen, richtig spannend, sie studiert Sonderpädagogik und unter anderem das Fach evangelische Religion. Wir haben den gleichen Etappen- und Zeitplan. Das bedeutet, dass wir uns in den nächsten Tagen wortwörtlich noch öfter über den Weg laufen werden. Am Abend saß ich beim Abendessen mit einem Tschechen und drei Rentnern aus Deutschland zusammen. Wir genossen das wirklich sehr leckere Pilgermenü mit typisch galicischer Suppe zur Vorspeise bei ein paar Flaschen Rotwein. Eigentlich mag ich Rotwein ja gar nicht so aber der war wirklich sehr lecker. Ich bemerkte mal wieder wie gerne ich auf dem Camiño Zeit mit älteren Menschen verbringe. Es ist interessant, Erlebnisse aus ihrem Leben erzählt zu bekommen und ich bin auch einfach wieder zu neugierig - Menschen sind auch einfach spannend. Irgendwann ging ich schlafen. Heute sah ich das erste Mal eine Familie mit ihrer kleinen Tochter auf dem Jakobsweg. Die Tochter wirkte richtig glücklich. Total süß, im großen Schlafsaal kuschelte sie sich oben im Hochbett zu ihrem Papa, dass sie nicht so alleine ist. Dabei strahlte sie so sehr, dass ich selbst auch lächeln muss. Alles scheint gerade so friedlich (bis der erste anfängt zu schnarchen).
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  • Santa Mariña - Logoso (ca. 17 km)

    24. september 2022, Spania ⋅ ⛅ 17 °C

    - trust -

    Gott lässt niemand im Stich, der ihm vertraut. (1 Mak 2,61) Wer auf ihn vertraut, wird nicht zugrunde gehen. (Röm 9,33) Durch Stillsein und Vertrauen würdet ihr stark sein. (Jesaja 30,15) Euer Glaube sollte sich nicht auf Menschenweisheit gründen, sondern auf die Kraft Gottes. (1 Kor 2,5)

    - believe -

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    Santa Mariña - Ponte Olveira - Olveiroa - Logoso/Hospital de Logoso

    Zwischen 6:00 Uhr und 7:30 Uhr schaute ich den Leuten im halbdunklen dabei zu, wie sie ihre Sachen packten und sich für den Tag fertig machten. Die ganze Zeit fragte ich mich, warum sie alle so lange brauchen. Ich brauche morgens 30 Minuten für Zähneputzen, Schlafsack einpacken und Rucksack packen. Als ich mich morgens noch großartig um meine Füße kümmerte, kamen allerhöchstens noch 15 Minuten dazu. Naja, hätte ich gewusst, dass das alles so lange dauert, hätte ich meine Sachen doch schneller gepackt und wäre losgezogen. So dachte ich mir, wenn ich warte bis alle weg sind, habe ich später meine Ruhe. Was soll’s, ich lag dann erst mal bis kurz vor 8 Uhr im Bett - solange hatte ich das in den letzten Tagen nie ausgehalten. Vor dem endgültigen Loslaufen sang ich heute gemeinsam mit drei Pilgern, mit denen ich gestern gemeinsam zu Abend gegessen hatte, das Pilgerlied “Utreia”, dann waren wir in Schwung. Der Weg führte heute hauptsächlich durch die Berge Spaniens und durch Wald. Höhenmeter werden es Tag für Tag mehr. Landschaftlich war der Tag heute einer der allerschönsten und beeindruckendsten. Nach wenigen Kilometern erreichte ich den höchsten Punkt des Monte Aro mit einem unendlich weiten Blick auf den See Encoro da Fervenza und die gerade aufgegangene Sonne. Durch Feld und Wald führte der Weg weiter bis in die vom Fluss Encoro da Ponte Olveira geprägte Berglandschaft. Um 12:00 Uhr erreichte ich die Bar, die zu meiner heutigen Herberge gehörte. Von hier aus fuhr man uns später überraschenderweise mit dem Auto zur Herberge. Hier lernte ich Gustavo kennen, ein junger Spanier, der den Jakobsweg vor seiner eigenen Haustüre zu laufen begann. In der Herberge merkte ich, dass ich überhaupt nicht ausgelastet bin, ich könnte gerade einfach noch einmal die Straße hoch und runter joggen um ausgepowert zu sein aber ich ließ es bleiben und ging stattdessen warm duschen. Den ganzen Tag heute war mir noch nicht richtig warm. Es ist windig und wolkig, da bringt mir auch das steile Bergauf- und Bergablaufen wenig. Am Abend genieße ich mein Pilgermenü mit Menschen, die ich vorher alle noch nie gesehen habe. Ich kam mir das einzige Mal auf dem Weg etwas fehl am Platz vor, da es bei den Gesprächen meist um das Vergleichen von gelaufenen und noch zu laufenden bzw. zu rennenden Kilometern ging. Manche von ihnen sind auf dem Weg, da gerade Jobwechsel oder Urlaub anstehen, ein deutsches Pärchen läuft von Santiago nach Finisterre und segelt dann für vier Jahre weiter um die Welt.
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  • Logoso - Corcubión (ca. 18 km)

    25. september 2022, Spania ⋅ ⛅ 18 °C

    - be amazed -

    Ich laufe und ich staune. Die Aussichten, unendliche Weite, die Natur, Ruhe, Luft zum Atmen. Made by GOD. Alles wirkt und alles ist friedlich - keine Selbstzerstörung. Ich frage mich, was mich in ein paar Tagen wieder im Alltag erwarten wird.
    Ein paar Gedanken…
    “Kommt, lasst uns aufhören unsere Meinung zu sagen. Lasst uns alles und doch gar nichts hinterfragen. Lasst uns nicht mehr austauschen, Gedanken kreisen und in die Gedankenwelt der anderen reisen. Alles wäre einfacher. Einfach aus dem Grund, um Konflikten aus dem Weg zu gehen, auf der Stelle zu stehen und schon gar nicht um einen Schritt nach vorne oder auf den anderen zuzugehen. Kommt, lasst uns versuchen den anderen erst gar nicht zu verstehen und lass die Welt nur um dich selber drehen.”
    Die Option?! Setze den Fokus deines Lebens auf Frieden und Liebe - setze ihn auf Gott!

    “Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.” (Edith Stein)

    - peaceful -

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    Hospital de Logoso - Cée - Corcubión

    15 km nur durch den Wald. Damit und mit einem kurzen, kräftigen Regenschauer begann mein vorletzter Wandertag. Bis es richtig hell ist, brauchte es seine Zeit. Der Wind war heute kräftiger, die Sonne ließ sich nur hin und wieder erblicken, wenn die Wolkendecke durchbrochen wurde. Es war wesentlich kühler als die Tage zuvor. Bereits nach den ersten drei Kilometern konnte ich von den Bergen aus auf den 15 km entfernten Meeresarm, die Ría de Corcubión schauen. Durch eine Mischung aus Wald und heideartiger Landschaft ging es durch das bergige Gebiet Galiciens. Immer wieder gab es kurze Regenschauer, wodurch ein paar Mal Regenbögen zu sehen waren. Links von mir war die Sonne, rechts von mir der Regenbogen und in der Mitte lief ich auf meinem Weg durch den Regen. Auf meinem Weg genoss ich wunderschöne Ausblicke und ein tolles Licht- und Wolkenspiel. Irgendwann machte ich eine Pause, da kam das um die Welt reisende Pärchen von gestern Abend vorbei und setzte sich zu mir. Ich fragte sie nach ihren Reiseplänen und sie erzählten mir, dass sie bereits die schottische, irische und französische Küste entlang gesegelt sind, jetzt Spanien und Portugal an der Reihe sind und dass sie im Dezember in der Karibik sein wollen. Irgendwie beeindruckend, gleichzeitig stellte ich fest, dass ich dann doch eher der „Einmal zu Fuß um die Welt-Typ, der „Einmal mit dem Zug um die Welt-Typ“ oder der „Einmal mit dem Truck um die Welt-Typ“ bin. Die Zwei liefen dann weiter, da kommt Antonia vorbei. Gemeinsam liefen wir unsere letzen zwei Kilometer bis zur Herberge und stellten etwas traurig fest, dass seit dem Weg nach Finisterre das Camiñofeeling etwas verloren gegangen ist. Für viele scheinen die letzten 90 km nur noch ein Sportevent oder eine Touristenattraktion zu sein, auch der Wunsch „Bon Camiño“ ist kaum noch zu hören, gegrüßt wird seltener. Dafür ist unsere Herberge heute Nachmittag richtig toll. Bis zu ihrer Öffnung mussten wir noch drei Stunden warten - wir waren wieder viel zu früh und die Herberge öffnete verhältnismäßig spät. Also lagen wir auf der riesigen Wiese in der Sonne, wenn sie dann mal da war, da uns der Wind ziemlich auskühlte. Der Nieselregen machte die Sache auch nicht besser. Geleitet wird unsere Albergue „San Roque“ liebevoll und freiwillig von Pilgern, die immer für ein paar Wochen da sind, um andere Pilger zu beherbergen. Abends gab es ein gemeinsames Abendessen und am Morgen soll es sogar auch ein gemeinsames Frühstück geben. Vorbereitet von Santiago und Viktoria gab es Salat und eine richtig leckere Gemüsesuppe. Die zwei sind für zwei Wochen hier und heute hatten wir die Ehre mit Viktoria Ihren Geburtstag feiern zu dürfen.
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  • Ausflug mit Santiago und Viktoria

    25. september 2022, Spania ⋅ ⛅ 18 °C

    Spontan schlugen uns unsere Gastgeber Santiago und Viktoria vor, den Sonnenuntergang in der Nähe unserer Herberge anzusehen. Da wir heute nur drei Übernachtungsgäste sind, passten wir alle ins Auto. Nach der kurzen Autofahrt und weil wir ja kein passendes Schuhwerk dabei haben ging es in Socken und Flipflops den Waldweg zur Klippe hinunter. Der spontane Ausflug hat sich sehr gelohnt. Der Sonnenuntergang sah toll aus und soll wohl nur ein Vorgeschmack darauf sein, was wir morgen zu sehen bekommen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht konnten wir schon unser morgiges Etappenziel sehen.Les mer