• Spaziergänge mit Hilde
Juni 2024 – Feb. 2025

Europe along the Coastline (1)

Eine Fahrt um das Festland Europas inklusive ausgewählter Inseln Weiterlesen
  • Berenbrock

    5.–6. Dez. 2024 in Deutschland ⋅ ☀️ 2 °C

    3.083 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 154 km/ Gesamt 373.092km / Ø121,01 km)

    Landvergnügenhof
    39638 Berenbrock
    Deutschland

    So ganz langsam werden die Füße wieder warm. Die Pfützen sind zum ersten Mal leicht gefroren. Hilde hat einen ausgiebigen Spaziergang mit den beiden Hunden vom Hof genießen können. Wir haben beide gefrühstückt, aber so ein paar Stückchen Käse zum Sonnenschein würde keiner von uns gerne verpassen.

    Wir kommen aus Salzhausen und sind den ganzen Nachmittag gefahren. Als es dunkel wird, sind die kleinen Orte weihnachtlich erhellt. Grade an den Kirchen findet sich der ein oder andere leuchtende Stern. Die Sonne hat sich aus einem hellgrauen Tag mit einem merkwürdigen Streifen Licht, wie die oberen Zähne in einem geöffneten Mund, verabschiedet.

    Wir begrüßen die Pferde, die gerade bettfertig gemacht werden, ich gönne mir zur Abend die kleinen, leckeren Freunde, die mir mein Sohn letztens noch mitgegeben hat. Hilde bekommt eine Möhre und drei harte Kanten Baguette mit belgischer Pate. Es wird Nacht auf dem Hof, meine Tochter geht mit ihrer Familie ins Haus.

    Zwischen den Sternen fällt die Temperatur, als ich aufwache ist es still. Ein bisschen Standheizung zum Aufstehen. Wir sind gerade rausgegangen, als die Familie mit ihren Hunden kommt, spazieren die stille Straße zwischen den Feldern.

    Ich höre Musik. Manchmal kann ich die Stille nicht aushalten, wenn sie ganz laut in mir wird, und die Ferne zu rufen beginnt. Während ich noch warten muss. Es ist das Unbekannte in uns, dem wir die Weite zu Füßen legen müssen, um der Seele einen roten Teppich auszubreiten, über den sie den Horizont überwinden kann.
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  • Bovenden

    7.–8. Dez. 2024 in Deutschland ⋅ 🌧 5 °C

    3.085 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 215 km/ Gesamt 373.417km / Ø121,04 km)

    Wohnmobilstellplatz
    37120 Bovenden
    Deutschland

    Meine Zehen seien ja eiskalt meint Nicole, meine neue Fußpflegerin. Ich habe ihr nicht erzählt, dass die letzten beiden Fußpflegerinnen sehr krank geworden sind, sodass sie mich nicht mehr behandeln können, weil ich den kausalen Zusammenhang nicht sehe. Aber es ist schon seltsam, nicht wahr. Die Durchblutung würde nicht gut funktionieren, das läge sicherlich an den vielen Verletzungen.

    Als ich aufwache, brennen die Zehen, als hätten sie in einem Ofen gelegen. Eigentlich schmerzen sie so sehr, dass ich kaum auftreten kann, als wir spazieren gehen, sodass wir versuchen, die Zeit so kurz wie eben möglich zu halten. Ich habe keine Ahnung, was mir gerade widerfährt, woher der zehische Seelenwandel kommt, vielleicht hat ihre Salbe irgendwelche allergischen Nebenwirkungen, die erst verspätet auftreten.

    Keine Ahnung, ich weiß ja auch nicht, wieso der Himmel so rot geworden ist heute morgen. Oder so kalt orange bei meiner Tochter. Na, sagt der Schwiegersohn, du hast sicher unsere speziellen Morgenhimmel schon vermisst. Ich begreife die Farben eigentlich nie, bin jeden Morgen vor Staunen ganz still, wie unterschiedlich, wie neu und imposant der Morgen erwacht.

    Selbst wenn der Himmel später nur grau ist, gab es diesen einen besonderen Moment, für den ich immer aufwachen möchte. Es ist fast so, als würde mich aus der Unendlichkeit eine Stimme ansprechen. Schau raus. Jetzt.

    Wir waren in Braunschweig, haben den Sohn abends von der Arbeit abgeholt, und den Enkelzwerg morgens zur Tagesmutter gebracht. Es ist Nikolausmorgen, und der Opa hat doch tatsächlich diesen alten Mann getroffen, der Kleine hält das Geschenk fest in seinen Händen.

    Mit der Autobahn umrunden wir den Harz, um der Gefahr von Schnee und Stau bei Nullgradtemperaturen auszuweichen. Wir treffen liebe Menschen, die uns mit ihrer Zeit beschenken, uns Erinnerungen mitgeben, was für den Bauch, das Herz, die Seele, den blauen Bus.

    Es regnet schon seit dem späten Vormittag. Während wir durch den Harz nach Westen im Dunklen fahren, ist die Sicht teilweise sehr schlecht, doch die Ungeduldigen, die Besserwissenden, die Respektlosen gegen sich selbst und ihr kostbares Leben überholen auch in den Kurven, was mich noch vorsichtiger werden lässt.

    Als wir in Bovenden ankommen, lässt uns eine Regenpause den Abendspaziergang einigermaßen angenehm gestalten, mal davon abgesehen, dass wir nur auf dem Gras gehen können, denn auf dem großen Platz neben uns stehen die Pfützen in Gruppen nebeneinander.

    Wir essen zu Abend, das Möhrenmonster hat wieder Nachschub erhalten, die Schränke sind so voll, dass die Auswahl an Essen groß ist. Wir warten sehnsüchtig auf den Süden, aus dem die Music Woman mir schreibt, das sie heute wieder einen Tag im Paradies verbracht hat. Sie würde mir ein paar Eindrücke schicken, habe heute ein Buskonzert gespielt, sie ist braun gebrannt.

    Ich staune und mache die Standheizung an, wohl wissend, dass ich sparsam sein muss, weil ich vergessen habe, zu tanken. Spanien ist doch gar nicht so weit weg, trotzdem ist das so ein großer Temperaturunterschied. Aber ich muss immer noch bis kurz vor Weihnachten warten, dann überquere ich die französische Grenze. Ob ich die Autobahn nehme, um schnell in die Wärme zu kommen, ich bin immer noch unschlüssig. Oder doch besser den bekannten Rhythmus einhalte. Solche Gedanken treiben mich um, während ich Musik höre, Hilde schläft.

    Als in der Nähe ein Schäferhund bellt, richtet sie sich mit angelegten Ohren auf. Sie ist total pissig über sein Gebell, als habe er unerlaubt eine Grenze überschritten. Sie ist oft schmusig, verspielt, kämpferisch, verschlafen. Und ganz schön verfressen.

    Manchmal geht mir das auch so. Es beginnt wieder zu regnen, ich höre Musik, lese Altmann, denke viel nach, die Bäume sind kahl, neben uns versucht jemand, sein Fahrzeug zu starten. Die Tränen des Himmels laufen an seiner Fensterscheibe entlang, er beachtet sie nicht, ist so mit seiner Aufgabe beschäftigt, als hinge davon sein Leben ab. Aber seine Wischer funktionieren. Wenn alles so einfach wäre.

    In die Lücke neben uns weht der Wind, fällt der Regen, atmet der Tag. Ein und aus. Wir haben kein Ziel, und Deutschland ist manchmal ganz klein, in drei Tagen sind wir in Siegen verabredet, in fünf in Haltern, in sieben am Steinhuder Meer, dann Braunschweig einige Tage, die letzten Begegnungen und Erledigungen.

    Und im neuen Jahr dann in Spanien, denke ich lachend, die Zehen haben sich beruhigt, jetzt tut mir der Rücken weh, das kenn ich schon. Hilde schaut aus dem Fenster. Lets go, Papa, die Welt steht uns offen. So einfach ist das.
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  • Hofgeismar

    8.–9. Dez. 2024 in Deutschland ⋅ ☁️ 4 °C

    3.086 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 79 km/ Gesamt 373.496 km / Ø121,02 km)

    Wohnmobilstellplatz
    34369 Hofgeismar
    Deutschland

    EIN GEDICHT - MEINE EMPFEHLUNG - LIES ES DIR SELBST LAUT VOR!

    Ein Hauch von Winter
    Schlaf ein mein Kind
    Der Morgen taut die
    Sterne klar der Mond
    Ein Atemzug entfernt
    So denken wir und
    Glauben gar die Welt
    Gehöre uns die Tiere
    Menschen selbst das
    Licht entfernt sich
    Immer weiter hier
    Wir atmen ein und
    Langsam aus und
    Spüren uns nicht mehr

    Ein Hauch von Winter
    Traum oder ist es
    Wahr sind wir der
    Schöpfung nah der
    Manipulation dem Gen
    Dem Tod der Phantasie
    Beherrschen wollen wir
    Das Leben den Tag die
    Nacht den Mond und
    Seine Sterne und doch
    Zieht Kälte unsere
    Kleider aus wir atmen ein
    Und nicht mehr aus doch
    Spüren wir den Hauch

    Ein Hauch von Winter
    Licht im Herz der Seele
    Dem Verstand ein
    Atemzug der Leben bringt
    Dem Sonnenschein ein
    Ständchen singt sich
    Demütig verbeugt vorm
    Tag und vor der Nacht die
    Augen schließt der Alles
    Jetzt und Hier versteht
    Sich selber nicht mehr
    Um sich dreht wir atmen
    Aus und wieder ein das
    Bisschen Schwindel bald
    Vergeht

    Ein Hauch von Winter
    Schutz mich sanft umgibt
    Mir meine Stärke lässt den
    Mut zu wachsen sinnig mit
    Verstand mit Perspektiven
    An der Hand mit Lebens
    Kraft und Phantasie des
    Glücks voll guter Poesie
    Nicht dumme Worte sind
    Mir eigen sie müssen sich
    Der Zukunft neigen sie
    Hegen und derweil auch
    Pflegen wie mich und dich
    Dem Morgen Segen
    Bringen gar ein A und O
    Den Anfang kenne ich das
    Ende nicht wir atmen ein
    Und wieder aus wir atmen
    Ein und wieder aus
    Wir
    Atmen.
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  • Windebruch

    9. Dezember 2024 in Deutschland ⋅ 🌫 3 °C

    3.087 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 165 km/ Gesamt 373.661 km / Ø121,04 km)

    Wohnmobilstellplatz
    57368 Lennestadt
    Deutschland

    Ich habe einen Traum. Trump will uns übertöpeln, aber wir sind schneller und werfen ihn in den Matsch. Als wir auf seinem Rücken sitzen, bittet er uns, dass wir ihn loslassen. Unter einer Bedingung, wir halten das Handy vor sein Gesicht, das mit allen Satelliten in dieser Welt verbunden ist, und er sagt langsam, laut und deutlich, "ich trete als Präsident von Amerika zurück!"

    Als ich aufwache, sind wir im Sauerland. Es regnet. Vor dem Bus sitzt ein großer, schwarzer Hund, aus einem Schornstein dringt dichter, weißer Rauch gerade in den grauen Himmel, der sich über das Gleiertal wölbt. Wir spazieren durch den Garten, der einen schönen Wohnmobilstellplatz beinhaltet, ein Trampolin und ein großes, blaues Schwimmbassin. Fast ringsum wachsen Bäume, unter denen das Laub modert, manche sind auch ordentlich in Scheite gestapelt, warten auf das Feuer in ihrem Schuppen.

    Wir haben eine Einladung bekommen, dass wir gerne kostenlos bei ihnen übernachten können. Komm doch ins "WEINseelig", wo sie von Donnerstag bis Sonntag geöffnet haben. Sie sei alle potenziellen Gäste durchgegangen, und normalerweise können sie am letzten Tag der Woche den Tatort gucken, weil dann keiner mehr kommt.

    Kaum sitzen wir dort, klickt die Tür, der erste Gast tritt ein. Ich vergesse die Maske aufzusetzen, manchmal wirkt das albern in einer Gesellschaft, die so lebt, als gäbe es keine Krankheiten, zumindest eine nicht. Klack, der Nächste, dann ein Ehepaar, am Ende werden es ein halbes dutzend und mehr Gäste sein.

    Alles Nachbarn. Jemand feiert seinen Geburtstag unbemerkt, ein anderer ist unterschwellig nervös. Wieder einer bekommt noch was vom Gänsebraten mit fürs Nachtessen, einer holt die Gäste für den Geburtstag gegenüber ab. Währenddessen rede ich mit unserer Gastgeberin, lerne ne Menge über die Gegend kenne, deren Menschen mir ja gänzlich unbekannt sind.

    Fast alle rauchen draußen, aber als ich mich abends schlafen lege, riechen meine Kleider nach Rauch. Ich bin aufgedreht und müde, als wäre ich von ner Party morgens um vier nachhause gekommen. Hilde ist total fertig von der Vielzahl der Eindrücke, kriecht gleich unter die Bettdecke. Erledigt morgens nur das Nötigste, rollt sich gleich wieder zusammen.

    Wir sind zur Listertalsperre gefahren, parken unterhalb des jetzt verwaisten DLRG Häuschens, frühstücken mit Blick auf den See. Oben auf der Wiese lagert eine große Schar Gänse, im Wasser gründelt ein Schwan. Er ist solange mit dem Kopf unter Wasser, dass ich denke, er könne eingeschlafen sein. Vor ein paar Jahren haben wir hier zwei Frauen kennengelernt, an eine denke ich gerade, sie ist mir völlig aus den Augen geraten.

    Um Winterberg herum sind die Pisten und Gondeln in Betrieb für die niederländischen Gäste, die auf Kunstschnee in Tal wedeln. Hundert Meter vielleicht, wie auf einem Fluß mit grünen Ufern. Jeden Tag soll es schneien, einen halben Meter und mehr, dabei wirkt das Land einem See näher. Die Preise haben angezogen, der Verkehr auch, der Dreck auf den Parkplätzen ebenso.

    Wir sind eine Wegwerfgesellschaft, da steckt ja Unglaubliches in den Wort, das ist mir vorher gar nicht aufgefallen. Aber es passt zu den täglichen Nachrichten, dem Umgang mit Menschen. Wie Wallraff sie nannte, oben und unten, reich und arm, wertvoll und ohne Bedeutung.

    Wir sind früh in Hofgeismar losgefahren, weil Hilde mit den vorbeiflanierenden Hunden nicht zur Ruhe kommt. Die Himmel über uns bieten ein ganzes Spektrum von ungewöhnlichen Bildern.

    Der Schwan auf dem See hat gerade Luft geholt, ich habe es genau gesehen, wie ein Taucher. Immer an einer Stelle, als sein ein Bein verankert. Ich sehe das so deutlich, weil er seine Position zu den Ästen eines Baumes, zwischen denen er sitzt, nicht verändert.

    Zwischendurch regnet es, gestern und heute, passiert ein Lastwagen die Uferstrasse. Parken wir an der Haltestelle auf einem Hügel, die Im Meer heißt. Vom Meer weit entfernt ist, aber unter einem roten Wolkenhimmel schlafen geht, wie unter den Wellen, die sich eins ins andere übereinanderschlagen.

    Wie die Wellen des Sees, auf den ich schaue, in dem der Schwan gründelt. Trump hat ein Interview gegeben. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, gelbe Krawatte. Als er im Lehm lag, trug er einen blauen Pullover, eine graue Jogginghose. Ich weiß das noch genau.
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  • Pulheim

    10.–11. Dez. 2024 in Deutschland ⋅ ☁️ 6 °C

    3.088 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 133 km/ Gesamt 373.894 km / Ø121,07 km)

    Landvergnügenhof
    50259 Pulheim
    Deutschland

    Reisen im Winter hat seinen Charme, auch wenn mir manchmal der Schnee fehlt, den es in Mitteleuropa so selten gibt. Und wenn, dann an unpassenden Tagen. Heute wäre ein guter Tag, um Spuren zu hinterlassen, was in Pfützen nicht so gut geht. Und im nasser Erde bleiben meine Schuhe stecken.

    Nein, mit Schnee könnte ich Erinnerungen schaffen, die vom Himmel aus gesehen vielleicht einem Herz gleichen. Ich habe mich immer gefragt, ob es an meiner Geburt geschneit hat. Vielleicht so ein kleiner Kaiserschnittschneefall, dass alle aus dem Fenster geschaut haben, und just in dem Moment riefen, er ist da. Der erste Schnee.

    Irgendwoher muss die Sehnsucht doch stammen. Oder dass ich jetzt eigentlich gerne nordwärts fahren würde, wenn es südlich nicht weniger weh tun würde. Aber ich jeden Herbst neu überlege, ob ich nicht doch und warum nicht. Vielleicht nochmal ne Hütte miete, Holz statt Stein. Sturm und Nordlichter. Dieses Jahr bin ich zu spät. Oder.

    Ich bin ein Träumer. Mir ist aufgefallen, dass ich mich viel schlechter entscheiden kann. Spontan geht das gut, aber wenn ich planen kann, dann wäge ich hin und her. Mein Kalender ist voll mit durchgestrichenen Reisezielen und unvollendeten Träumen. Aber irgendwie ist es auch schön, mir dann im Rückblick nochmal bewußt zu machen, welche Reisen tatsächlich sich ergeben haben.

    So also fahren wir von Lennestadt aus, an den ganzen Talsperren im Sauerland vorbei, die den grauen Himmel widerspiegeln, mit den kahlen, großen Bäumen an ihren Ufern, den verlassenen Campingplätzen den Hang hinauf. Kleine Orte im Uferknick, die plötzlich von einem Lichtstrahl aufgehübscht werden, doch wenn ich sie erreiche, ist der Spuk schon vorbei.

    Wildgänse sind heimisch geworden, sie spielen mit Hilde einen Western nach, als sie sich oben auf der Wiese versammeln, wie die Indianer im tanzenden Wolf. In Wipperfürth überlege ich, auf dem kostenlosen Stellplatz zu nächtigen, aber die emsigen Feierabendeiler, die ihr Fahrzeug suchen, machen weitere Gedanken sinnlos.

    Ich will mindestens bis zum Rhein kommen, die imaginäre Dezembergrenze zwischen früher und immer noch mich gut erinnern. Musik in der Innenstadt von Köln, die verschiedenen Wohnungen, in denen ich genächtigt habe, geliebt, gelacht, gekifft. So schön, wie Köln Anfang der siebziger Jahre war, ist es leider nicht geblieben, selbst wenn du mir was anderes erzählen würdest.

    Mancher hat so einen geheimen Liebesort in seinem Herzen, das kannst du einfach nicht toppen. Auch nicht mit den besten Geschichten. Ich lese, dass ich den Dom vom Landvergnügenhof aus sehen könnte, tatsächlich sind es aber die Kraftwerke, die mir im Blick über Felder im Weg stehen.

    Der Wind fegt über die freie Fläche, wir parken neben einem leeren Gewächshaus und den Gänsebraten gegenüber im eingezäunten Viereck, die von einer Ecke zur anderen schnatternd sich mästen.

    Ich habe eingekauft. Ziege, Schaf, Dickmilch, Gutsleberwurst. Lassen Sie es sich schmecken. Zuviel des Guten liegt schwer im Magen, ich schlafe lange und träume wenig Sinniges zusammen. Wache auf und ab. Und am Morgen sammele ich die Reste zusammen und bilde mein Leben neu.

    Hilde hat Farbe bekommen, mein einziger Lichtblick an diesem grautrüben Morgen, vielleicht liegt es an der Babynahrung, die ich seit ihren Magenproblemen hinzufüge. Sollen wir nicht im Alter wie Kinder werden. Dann habe ich das ja mit meiner unschlüssigen Entscheidungsunfähigkeit schon mal erreicht.

    Wir parken hinterm Heinenhof, ein Backsteinbau, der in die Jahre gekommen ist. Da fühlen wir uns glatt wohl. Es ist windstill, und ich höre ein wunderschönes Konzert mit Van Morrison in Montreux aus dem Jahr 1990, da war ich gerade mal vierzig Jahre alt. Wie die Zeit vergeht. Heute bin ich 74, ich muss erst anfangen, die Zahl in mein Leben zu integrieren. Den Link zum Konzert von Morrison, der fünf Jahre älter ist, füge ich bei. Vielleicht macht es dir auch hundert schöne Minuten.

    https://youtu.be/r0c9OQYoXLU?si=JUmvJ3AsZPFIrcDu
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  • Dorsten

    12.–13. Dez. 2024 in Deutschland ⋅ ☁️ 3 °C

    3.090 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 136 km/ Gesamt 374.129 km / Ø121,07 km)

    Wohnmobilstellplatz
    46282 Dorsten
    Deutschland

    Was wäre, wenn Du nicht mehr laufen könntest. Es ist kalt draußen, knapp null Grad, seit Tagen grauer, trister Himmel, kein Wind, nicht mal Regen oder Schnee. Natürlich keine Sonne, keine Sterne, kein Mond. An meinem besonderen Tag war die einzige Abwechslung der dicke Rauch aus den Kraftwerken westlich von Köln.

    Hilde sitzt im Bus, der hochgebockt ist. Es ist warm genug, sie hat sich ganz in der Ecke eingerollt, weit genug entfernt von den Geräuschen, die bei der Reparatur der Servopumpe entstehen. Ich gehe hin und wieder auf dem Hof ein Stück spazieren, wenn ich spüre, dass die Knie zu stark schmerzen, die Füße kalt werden.

    Ich kann nicht lange genug stehen und draußen auf der Bank sitzen wäre eher kontraproduktiv. Also muss ich in Bewegung bleiben. Immer auf der Stock gestützt, den Bernhard für mich im frühen Jahr am Ufer des Rheins gefunden hat. Ein starker Ast, abgeschält durch das fließende Wasser. Er füllt meine ganze Handfläche aus, die Finger können ihn gerade umschließen. Mindestens ein halbes dutzend Mal am Tag schau ich nach ihm, dass ich ihn nirgendwo hab stehen lassen.

    Ohne ihn könnte ich nur noch mühsam kurze Strecken gehen. Willst du nicht lieber in der Öffentlichkeit einen Trekkingstock benutzen, fragt mich ein wohlmeinender Freund, als ich den Baumstamm an die Wand lehne. Er passt zu mir, ich versteck doch auch nicht meine Haare vor den Menschen.

    Ich bin, also sehe ich so aus, wie ich aussehe. Gebeugt, gebaucht, gebraucht, geliebt. Wenn ich mich lang hinlege, brauche ich fast eine halbe Minute, um das linke Bein auszustrecken, weil das Knie immer leicht gebeugt ist. Dabei ist das linke Knie nicht mal angeschwollen, die entscheidenden Verletzungen sind eher jüngeren Datums.

    Als ich mit 35 Jahren eine schwere Sportverletzung hatte, meinte der Oberarzt im MHH in Hannover, dass ich rechts keine Kreuzbänder mehr hatte, links war schon eins defekt, die Bänder von früheren Verletzungen so weit geschrumpft, dass damals eine Reparatur nicht mehr möglich war.

    Das ist jetzt fast vierzig Jahre her, denke ich, den Rest der Bänder dürfte ich im Laufe dieser Zeit bei meinen vielen Unfällen sozusagen geschrottet haben. Trotzdem habe ich bis vor elf Jahren Sport betrieben, da war ich stolz drauf. Die Bandagen halten die Knie fest, wenn ich mich bewege, wird mir wärmer.

    Dann ist deine Reise zuende, sagt der Freund, während er sich mit den verrosteten Schrauben der alten Pumpe abquält, die zwanzig Jahre lang den Bus über 770.000 km fortbewegt hat.

    Das glaube ich nicht. Dann wird es eine andere Lösung geben, die Hilde muss ja schließlich auch bewegt werden. Ich lebe lösungsorientiert, so lange ich denken kann. Warum sollte ich das jetzt ändern. Noch kann ich laufen, lache ich zurück, und stütze mich auf den Stock.

    Wir sind von Pulheim auf der linken Rheinseite bis fast zur niederländischen Grenze gefahren. In Straelen um die Wasserwelten herumspaziert. Als wir die Tierarztpraxis in Kevelaer passieren, schaut Hilde interessiert aus dem Fenster. Ob sie sich noch an den Biss der Bisamratte erinnert. In der Nacht schlafen wir in Goch, wo ein geschmücktes Tännchen uns ebenfalls erinnern soll.

    Wir wechseln die Rheinseite in Rees, fahren durchs südliche Münsterland, und wachen heute morgen neben der Eissporthalle auf, aus der die Bässe dröhnen und dorstener Schulkinder sich im Kreis bewegen. Meinen Bilder fehlt die Farbe, die den Tagen gerade auch zu fehlen scheint. Aber vielleicht passt das Grau auch gerade zu der vorweihnachtlichen Stimmung, die uns nachdenklicher macht, was ja durchaus zum Anlass passt.

    Gestern habe ich meine Fotos durchgesehen, um die zu behalten, zu denen ich nach zwei Jahren noch eine Beziehung habe. Und dabei habe ich festgestellt, wie viele wunderschöne Sonnenaufgang ich gesehen habe. Und ebenso herrlich farbige Untergänge der Sonne, dass es mich beschämt, wenn ich jetzt mal einige Schatten von Grau aushalten darf. Vielleicht sollte es mich eher dankbar machen, auch das zu erleben.
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  • Rastplatz

    14. Dezember 2024 in Deutschland ⋅ ☁️ 1 °C

    3.092 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 141 km/ Gesamt 374.402 km / Ø121,08 km)

    Bei lieben
    Freunden
    31558 Hagenburg
    Deutschland

    Leise beginnt es zu schneien. Die Fenster sind von innen beschlagen, Hilde hat sich zusammengekuschelt, ihre Augen geschlossen. Ich habe eine Tasse Tee gekocht, heißes Wasser für den Porridge. Zwischen den geparkten Autos spazieren zwei Raben, die täglichen Reinigungskräfte haben Vollbeschäftigung.

    Geparkte Lastwagen übers Wochenende, in den schnellen Lieferwagen mit polnischen Kennzeichen harren junge Männer wartend aus. Monatelange von ihren Familien getrennt, sparen sie sich jeden Cent, jede Abwechslung, jedes Vergnügen.

    Andrej erzählt, dass er am Wochenende oft nicht weiß, wohin er die nächste Woche fahren muss. Er würde gerne seinen Hund mitnehmen, aber das darf er nicht. Alle halbe Jahre hat er drei Wochen Urlaub, fast jeden Tag telefoniert er mit seiner Frau, schreibt ihr, wie sehr er sie vermisst.

    Auf Rastplätzen fühle ich mich heimisch. Fremd unter Fremden, wir sitzen nicht mal in einem Boot, denn ich müßte hier nicht sein. Aber ich fühle mich wohl. Habe den CD Player aufgebaut. Radio Vietnam, der alte Film, Songs von Jefferson Airplane bis zum Urban Spaceman.

    Eine junge Frau steigt aus, um eine Zigarette zu rauchen, sich mit Labello die Lippen zu balsamieren. Ich habe noch eine offene Packung Chips. Letztens einen pyrenäischen Schafskäse gekauft. Trinke einen türkischen Apfeltee.

    In den letzten Tagen haben wir in Borgholzhausen übernachtet, zwischen Holzpaletten, einem schlafenden Gewächshaus, und einer Vielzahl von abgeschlagenen Tannen, die auf gut geheizte Wohnzimmer warten. Einer der Orte, wo gelebte Vergänglichkeit mich so richtig anspringt.

    Nicht, dass ich jemandem das Weihnachtsfest missgönne, aber tatsächlich macht es doch wenig Sinn, sich einen Baum abzuhacken, der Jahre gebraucht hat, um so groß zu werden, um ihn drei Wochen später auf den Müll zu werfen. Was für eine Verschwendung.

    Freitag besuchen wir liebe Menschen am Steinhuder Meer. Wie jedes Mal sind wir willkommen, und werden satt verabschiedet, was besonders mich betrifft. Hilde liebt die Wärme am Ofen, die Streicheleien von allen, und den Arm von @Dominice, auf dem sie ihren Kopf zum Schlafen legt.

    Wir gehen über die gut riechenden Wiesen spazieren, die Sonne ist endlich mal zu sehen, das Licht zwischen Grün und dem Himmel hat einen Stich. So wie die früheren Photos, die mit der Zeit vergilben. Am Morgen riechen die Ränder der Felder nach den kleinen Mümmelmännern und ihren Familien, die unterhalb der Grasnarbe den Schutz vor dem eisigen Wind gesucht haben.

    Meine Hände sind eiskalt, im Bus weht der verfrorene Wind nicht, der Himmel ist grau bezogen, der Schnee bleibt nicht liegen. Später werden wir nach MacOil in Hannover-Linden fahren, die angenehme OhneterminundbleibimBussitzen Version der Ölwechsels. Manchmal liebe ich die Bequemlichkeiten des Lebens.
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  • Vielbach - Birkenhof

    19.–20. Dez. 2024 in Deutschland ⋅ 🌧 10 °C

    3.097 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 447 km/ Gesamt 375.459 km / Ø121,23 km)

    Landvergnügenhof
    Allers Allerlei
    56244 Vielbach
    Deutschland

    Wieviele Gedanken habe ich mir in den letzten zwei Wochen über die Winterreise gemacht. Überlegungen zu meiner Fahrweise, den Entfernungen, Spanien direkt oder über Frankreich. Es gab eine Grundidee, die ich gerne überworfen habe, wenn es kalt war oder ich ganz schlecht laufen konnte. Dann wollte ich so schnell wie möglich zu Sand, Sonne und Wärme kommen.

    Vorweihnachtszeit mit Kindern und Freunden. Da ist immer was los. Als ich heute morgen aufgewacht bin, da fiel mir ein, dass nicht gleich der Enkelzwerg mit seinem Papa kommt, die wir zur Tagesmutter fahren. Und abends müssen wir nicht mehr leise in der Seitenstraße schlafen, damit uns niemand hört und sieht. Keine Einkaufsfahrten von a nach b, damit die Familie ausreichend versorgt ist, denn sie haben kein Auto, in der Stadt reichen die Öffis voll aus.

    Ich mache das gerne, verbinden wir doch damit gemeinsame Zeit. Gleichzeitig erledigt mein Sohn viele Sachen für mich, nimmt Bestellungen an, während meine Tochter die Post macht. So kann ich unbeschwert reisen, mich auf das Ursächliche meines Lebens zurückziehen.

    Und da habe ich schnell wieder Nachholbedarf. Die stillen Zeiten im blauen Bus, das Sehen wollen können um mich herum, sodass interessante Bilder entstehen. Geschichten schreiben und Lesen lesen mögen. Nach der letzten langen Tour, die nötig war, weil ich leckeres Fleisch für liebe Freunde im Gepäck hatte, sind wir in Vielbach angekommen.

    Und plötzlich bin ich ganz klar, wohin und wie die Reise geht. Die Witterung kommt mir entgegen, das neue Thermohemd, ich liebe Geschenke, schafft nächtliche Wärme. Damit du nicht mehr frierst, sagt mein Sohn, und seine Familie beschenkt mich reich und unerwartet. Die Schränke sind voll und Hilde ist ständig versucht, die leckeren Kaustangen, die ich noch von der "Trinkschüssel" gekauft habe, aus dem offenen Regal zu mopsen.

    Es ist die Grundidee, die eigentlich ziemlich gut war, aber erstmal bleiben wir noch eine Nacht. Es stürmt und regnet, hin und wieder reißt der Himmel auf, und ein Licht strahlt über meine Schulter, von dunklen Wolken schnell verweht. So fällt denn auch mein Rückblick aus, wie ein Streifzug gleich der Silhouette eines den Himmel querenden Flugzeuges.

    Samstag ein Besuch bei MacOil in Hannover, ohne langwierige Terminierung ein freundlicher Ölwechsel. Wir reden übers Leben und Reisen, Hilde ist der Hit, und zwanzig Minuten später sind wir auf dem Weg nach Gronau, um dort Cord zu treffen. Spontan, aus dem Bauch raus. Spazieren gehen, Tee im Bus trinken, miteinander reden. Als es dunkel ist, fährt er nachhause, und wir nach Braunschweig, holen meinen Sohn abends von der Arbeit ab.

    Sonntag nach Wolfsburg, wo der Thomas noch ein paar Sachen im Bus richtet, das leidige Lichtproblem, und so manche Schraube lockert sich auf geheimnisvolle Weise. Da ist es gut, jemanden zu kennen, der das richtige Werkzeug hat. Den Nachmittag über verbringen wir auf diversen ruhigen Plätzen, bevor Montag bis Mittwoch die Action unser Leben verwildert.

    Hilde kommt in den Genuß leichtfüßiger Spaziergänge mit meinem Sohn, der dem blauen Bus ein dringend notwendiges Reinigungsbad schenkt. Und mich dann ebenso reich beschenkt. Nachts stehen wir in einer Seitenstraße, die Temperatur ist angestiegen, sodass es auch im Schlaf angenehm ist.

    Mittwoch früh Labor, auch der Körper braucht seine regelmäßigen Kontrollen, damit alles einigermaßen rund läuft. Mit dem Doktor habe ich an einem Abend im Bus Tee getrunken, den Pastor an einem anderen Morgen zu einem Gespräch aufgesucht, denn auch die Seele benötigt manchmal das ein oder andere Öl, damit die geistigen Türen nicht so klemmen.

    Nach 450 km sind wir von Braunschweig über Schwalmstadt und Holzappel hier angekommen, vorher schön spazieren gegangen unter den Blicken hoher Windräder und den gefallenen Früchten leergefegter Apfelbäume.

    Ein Blick in der Stall, es ist gerade Melkzeit, die Bauern freuen sich über unseren überraschenden Besuch, abends sitzen wir auf einen Schwatz im blauen Bus, der auf dem gemütlichen Stellplatz sich ausruht. Die Dalmatinerkuh vorne in der Box hat meine ganze Aufmerksamkeit, sie erfüllt meine neugierige Kamera mit einer Portion Extraspaß.

    Als ich Hilde in der Nacht nochmal rauslasse, spüre ich in den Wind hinein. Die Geschichten von herumstreifenden Wölfen und Wildschweinen regt meine Phantasie an, obwohl es vermutlich nur wildgewordene Wolkenformationen sind. Doch später im Bus lauscht Hilde leise knurrend mit angelegten Ohren und diesen ungewöhnlich wachglänzenden Augen nach draußen, wo ich aber nichts erkennen kann.

    In der Nacht ist der Schlaf entspannt und ruhig, vorm Sturm stehen wir geschützt, und die Geister der Wolken fliegen über uns hinweg. Nassgeregnet kommen wir vom Spaziergang zurück, frühstücken gemütlich, die alten Füsse erholen sich von den neuen Wanderschuhen, die derweil im Eingang warten.
    So hat jeder sein Tun. Und das ist gut so.
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  • Hofgut Dösterhof

    21.–22. Dez. 2024 in Deutschland ⋅ ☁️ 5 °C

    3.099 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 224 km/ Gesamt 375.693 km / Ø121,19 km)

    Landvergnügenhof
    Hofgut Dösterhof
    66687 Wadern
    Deutschland

    Es regnet. Die Temperatur liegt bei drei Grad und wird im Laufe des Tages nicht ansteigen. Sagt der Wetterbericht. Im Blick kahles Baumzeug, Gestrüpp, nasses Laub, Asphalt und Glascontainer. Die Begrüßung im Hofcafé war freundlich gestern, der Einkauf im Hofladen überraschend günstig, die Nacht trotz der Durchfahrtsstrasse ruhig.

    Man muss immer das Positive suchen, gerade bei so erschreckenden Nachrichten, von denen die Welt ja voll ist, will ich mich nicht anstecken lassen. Ich denke immer wieder an die Worte eines norwegischen Freundes, den wir vor zwanzig Jahren kennengelernt haben. Sie hat euch einen Schlafplatz in ihrem Haus angeboten.

    Wir hatten Grete, die ich zwanzig Jahre vorher getroffen habe, Anfang dieses Jahrhunderts besucht. Eine lebenslustige Frau, die glückliche Landschaftsgärtnerin war. Bei dem Besuch mit meinen Kindern ist mir ihre Veränderung sofort ins Auge gesprungen. Die mehrfach verriegelte Tür, ihr unruhiger Blick, ihre unsteten Bewegungen. Aber sie hat uns lecker bekocht, wir haben uns gut unterhalten, und konnten in ihrem Schlafzimmer übernachten.

    Am Morgen war sie schon zu ihrem Garten unterwegs, als wir in der Wohnung aufgewacht sind, und beim Aufräumen ein scharfes, großes Messer im Bett gefunden haben. Meine Kinder waren sehr erschreckt, und als ich später dem Norweger davon erzählte, kam seine Antwort sofort, sie hat euch aufgenommen!

    Das hat mein Denken verändert und beeinflusst meine Einstellung weiterhin. Und so schätze ich auch diesen Platz der Übernachtung als ein Geschenk, das uns eröffnet wurde. Am Vormittag macht Sandra noch einen Spaziergang mit Hilde, den sie ganz toll findet, während ich den Bus aufräume. Wasser auffüllen, Sandra schenkt mir noch die Reste vom gestrigen, köstlichen Mittagessen, und einen wärmenden Pullover gegen die Kälte, von der ich hin und wieder schreibe.

    Die Sonne kommt raus, als wir losfahren, über die Autobahn und den Hunsrück kommen wir zur schwarzen Katze an der Mosel, um mitten im Wald bei einem alten, großen Holzhaus ein Überraschungsgeschenk abzugeben. Die Familie ist gerade sehr besorgt um das kleine Kätzchen, was schwer erkrankt ist, sodass es keinen Raum für eine längere Begegnung gibt.

    Eigentlich wollte ich quer über die Vogesen zum Schwarzwald zurückfahren, weil ich noch gar nicht richtig motiviert für Frankreich bin. Aber als oben auf der Hunsrück - Höhenstrasse die Sonne rauskommt, drehen sich die Gedanken in meinem Kopf, und die Route nach Frankreich springt mir sozusagen ins Herz hinein, dass ich mich richtig zu freuen beginne.

    Noch aber führt uns der Weg durchs Saarland. Wir finden einen guten Schlafplatz, haben eine ruhige Nacht, in der der Regen auf das Dach tröpfelt, während die Äste der kahlen Bäume völlig bewegungslos über uns thronen. Unser neues Video ist online. Mit den aktuellen Informationen und einer hörbaren Geschichte, sowie kleinen Videos vom Bauernhof, mit denen Randy das Landleben seinen Mitmenschen ein bisschen näher bringen möchte.

    https://youtu.be/FT69oVd3810?si=cQTERe3VcBUgL6_1
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  • Bruley/France

    22.–23. Dez. 2024 in Frankreich ⋅ 🌧 4 °C

    3.100 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 195 km/ Gesamt 375.888 km / Ø121,25 km)

    Wohnmobilstellplatz
    54200 Bruley
    Frankreich

    Als ich aufwache, ist es schon sieben Uhr vorbei. Die ganze Nacht hat es geregnet und gestürmt, jetzt ist es überraschend ruhig. Mit einer falschen Bewegung erwische ich den Wasserkocher, den ich gerade auffülle, und ein Schwall Nässe überschwemmt den Boden dort, wo ich meine Stützstrümpfe anziehen wollte. Früh am Morgen sind die Gedanken ungeordnet, aber ich erinnere mich noch vage an den Rat der Fußpflegerin, mich doch regelmäßig einzucremen, am Besten vorm Schlafengehen.

    Nichts davon habe ich im den letzten drei Wochen umgesetzt, und gestern auch das Fußbad vergessen, weil Steffi angekommen ist. Jetzt habe ich halt die Schmerzen. Es sind ja nur Füße, obwohl ich auf sie den ganzen Tag treten werde, aber mir ist schon klar, dass dieses Nichthandeln mein ganzes Leben überzieht.

    Wie oft denke ich, dass es gut läuft, und ich übersehe meine Routine, die in gewisser Art lebensnotwendig ist und sich durch viele Handlungen hindurchzieht. Das sind nicht nur die Medikamente und die Stützstrümpfe, das betrifft insbesondere mein geistiges Leben, meine seelische Stabilität.

    Die Folgen kommen oft unerwartet, aber dann auch schmerzhaft, und sie sind nicht einfach mit einem Pinselstrich wieder grade zu bügeln. Das Fatale an vielen Psychopharmaka ist, dass eine gute Einstellung und eine regelmäßige Medikamenteneinnahme oft dazu führt, dass der Patient sich so gut fühlt, dass er glaubt, es ginge auch ohne sie.

    Der Absturz ist nicht abrupt, tatsächlich fühlt es sich lange gut an, ohne Medikamente zu leben, weil sie natürlich auch Nebenwirkungen haben, aber dann ist es plötzlich mit dem "Guten" vorbei, der Körper reagiert auf das fehlende Medikament, der Patient ist sehr gefährdet. Da hilft dann oft nicht mehr, die erneute Einnahme der Medizin zu forcieren, sondern im Mindesten ist eine ärztliche Begleitung, oft ist ein stationärer Krankenhausaufenthalt unumgänglich.

    Das weiß ich alles und habe es dreißig Jahre lang versucht, meinen Betreuten verständlich zu machen. Trotzdem gelingt es mir selbst, genau in diesem Punkt zu scheitern. So tun die Füße heute morgen sehr weh, trotzdem muss ich mit Hilde rausgehen und hoffen, ich habe es dieses Mal begriffen.

    Es ist ja jetzt nicht so, dass ich alles vernachlässige. Gestern habe ich Baguette für Hilde gekauft, dass auf der Ablage trocknet, für ihr Futter und für meine Ernährung sorge ich schon. Und auch, wenn das Gehen schwierig ist, machen wir unsere regelmäßigen Spaziergänge über den Tag verteilt, allerdings sind es eben kürzere Wege, die ich derzeit nur gehen kann.

    Pünktlich zum nächsten Regenschauer sind wir draußen, der Wind fegt so heftig über den Platz, dass Hilde erstmal ein paar Schritte zurück macht. Den Lärm aus Steffi's Bus definiere ich mit der neuen Standheizung aus China, die mir erstmalig bewusst macht, was hinter dem Wort Chinaböller auch stehen kann. Der Rasenstreifen zieht sich an der Straße entlang, die glücklicherweise unbefahren ist, sodass wir auf ihr gehen können.

    Die neuen Wanderschuhe machen das Gehen federnd, als sei der Asphalt noch weich. Das wirkt angenehm, trotzdem wird es noch länger dauern, bis die beiden Freunde werden.

    Das erste Bild des gestrigen Tages ist auch das letzte aus Deutschland. Wir haben gerade noch in Überherrn getankt und in der Europa-Apotheke konnte ich das letzte Medikament kaufen, das mir fehlt. Der Tankwart spricht mich in französisch an, ich bin so perplex, dass ich in Deutsch antworte. Er ist Franzose mit einem wunderschönen Akzent in der deutschen Sprache, dass ich lachend frage, ob wir schon in Frankreich seien. Gleich dahinten, antwortet er mir, die meisten Kunden sind tatsächlich von drüben, wo der Diesel bis zu zehn Cent mehr pro Liter kostet.

    Als ich das Bild vom Ort mit den dahinter liegenden Industrieanlagen von Völklingen aufnehme, haben wir auf einem Feldweg angehalten, um noch einen letzten heimischen Spaziergang zu machen. Denn überm Berg liegt Frankreich mit seinen langgezogenen schmalen Straßen, die nach Westen führen, und mich immer schon in Angst und Schrecken versetzt haben, wenn ich über die Kuppe gefahren bin, und die Straße war für einen Augenblick weg.

    Und wieder bin ich schlagartig verliebt in den morbiden Charme meiner Herzensheimat. Wobei das ja nicht wirklich stimmt, denn es gibt durchaus noch mindestens ein Land, dem auch mein Herz gehört. Aber La France ist einfach schön und dazu weihnachtlich geschmückt. So ein wenig einfach, ohne das große Brimbaborium. Fast so, als hätten Kinder die Gestaltung durchgeführt und nicht die örtlichen Mitarbeiter.

    Zur Nacht fahren wir nach Bruley, auf den Parkplatz, wo der Pizzawagen vorfährt, und wir Steffi treffen, die in ihrem Winterurlaub von Belgien zu Dali in Spanien fahren möchte. Die beleuchtete Kirche schaut auf uns herab, während der Regen auf niemand Rücksicht nimmt. Gegenüber steht ein Niederländer mit seinem Camper neben einem Franzosen mit Wohnwagen, um den Platz herum sind Wohnhäuser, deren Weihnachtsschmuck aufwendiger gestaltet ist.

    Gerade eben, als mein Porridge fertig ist, kommt die Sonne raus, der Himmel blaut auf, und die weißen Wolken erzählen von himmlischen Schäfchen, die über einen Azurteppich hopsen. Frankreich rollt mir den roten Teppich aus.
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  • Scey-sur-Saone- et-Saint-Albin

    23.–24. Dez. 2024 in Frankreich ⋅ ☁️ 4 °C

    3.101 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 149 km/ Gesamt 376.037 km / Ø121,26 km)

    Wohnmobilstellplatz
    70360 Scey-sur-Saone-
    et-Saint-Albin
    Frankreich

    Französischer Winterzauber in der Weihnachtszeit. Wer hätte das gedacht. Das ist die positive Nachricht des gestrigen Tages, der sich in der Schreibweise der heimischen Bevölkerung mit einem Wort umschreiben lässt. Hochwassergefahr.

    Da stehen Hauswände bis zum Sockel im Wasser, Brückenbögen sind nahezu hochgeflutet, sodass Gestrüpp und Baumstämme an den Mauern hängenbleiben müssen. Flüsse sind soweit über die Felder geschwappt, dass der eigentliche Lauf nur noch von der schnelleren Bewegung gekennzeichnet wird.

    In den starken Windböen hat es einen gehörigen Wellengang für das Vogelzeug, das hier gelandet ist. Darüber hinaus bleibt der Schnee auf den einsamen Straßen liegen, auf denen wir unterwegs sind, der Himmel drückt sich so dunkel in die Wälder hinein, dass ich ein Gefühl vom Abend habe. Obwohl es erst 14 Uhr ist.

    Vosges lese ich an einem Haus, wir treiben uns also an den Ausläufern der westlichen Vogesen herum. Vierter Advent, Lichter in den Häusern, Kerzenschein am Mittagstisch, der Käse wird serviert, die köstlichen Kuchen, Eisspezialitäten, Puddingzaubereien. Noch ein Glas Wein, vielleicht ein Likörchen.

    Die Hauswände wirken alt und mürbe, aber hinter den Mauern zelebrien französische Familien ihr gemütlichmodernes Leben im Kreise weihnachtlichtrunkenen Glücks. Kein Neid. Ich freue mich für sie, ihre Gelassenheit im Angesicht steigender Fluten im Vorgarten. Wir kennen das schon. Der Wetterbericht gibt Entwarnung. Und Weihnachten ist die Familie zusammen. Was soll da schiefgehen.

    Wir passieren hübsche Orte, die zu weihnachtlicher Höchstform aufgelaufen sind. Schnee auf den Straßen und verherbstete Weinreben an Hauswänden. Corre mit seinen alten Industrieanlagen, der Kirche an der Kreuzung, und der Brücke über den Kanal.

    Weihnachtsdekoration in Porte-sur-Saone, am Yachthafenstellplatz zehn Kilometer weiter bleiben wir über Nacht. Auf dem Abendspaziergang bleibt der Schnee liegen. Auf Hilde's Fell, um den Bus herum. Neben uns parkt ein Camper aus Eisenach, sie kommen aus Italien, wollen am ersten Feiertag zuhause sein. Der Franzose uns gegenüber trägt eine Elchfamilie am Revers. Vorne im Yachthafen ist ein Boot durchdringend beleuchtet, Familienleben auf dem Wasser.

    Die Rezeption vom Hafenmeister, wo ich bezahlen soll, liegt im Dunklen, ein Rollo ist von unten halb hochgeschoben, ob es in den Büros Schätze gibt, auf die jemand neidisch war. Links im Hafenbecken ein Frachter, dahinter ein helles Haus, eine weit übers Wasser leuchtende Laterne. Lilli Marleen sehe ich dieses Mal nicht, obwohl sie die Erinnerung an meine Kindheit immer wachgehalten hat.

    Dafür sind die Wege über die Brücken zurück in den Ort romantisch beleuchtet. Der Verkehr auf der D3 kommt im Laufe der Nacht zur Ruhe, der starke Sturm bleibt hinter den Wäldern für uns verborgen. Als ich aufwache, zittern die Blätter an der Hecke im leisen Wind, ein Streifen Wasser ist beleuchtet, ein parkendes Fahrzeug auch, die Laterne ruht im Frieden des neuen Tages, Äste eines nahen Baumes fallen wie Lametta vor ihr Licht.

    Eine zweite Tasse Tee, mein Spiegelbild im Fenster, Hilde unter der Decke, ein Licht auf der Ablage. Bei uns ist jeden Tag Weihnachten, Ankunft, Erwartung, Vorfreude auf die Ereignisse, die Gedanken, virtuelle Gespräche, mitmenschliche Nähe. Hundespaziergang, murmelt Hilde im Hintergrund undeutlich unter der Bettdecke. Zieh dich endlich an, es wird Zeit.
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  • Ville - sous - Anjou

    24.–25. Dez. 2024 in Frankreich ⋅ ⛅ 3 °C

    3.102 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 331 km/ Gesamt 376.368 km / Ø121,33 km)

    Wohnmobilstellplatz
    38150 Ville-sous-Anjou
    Frankreich

    Eigentlich gab es die Idee, den Großraum um Lyon am verkehrsberuhigten Heiligen Abend zu durchfahren, aber dann hat mich die Witterung doch dazu gebracht, in der Highseason eines Nachmittagsverkehrs dieses Abenteuer auf mich zu nehmen.

    Dreispurig mit Stau in der langen Verengung des Kreuzungsbereichs Paris/Marseille, wo selbst LKWs solange auf der falschen Spur bleiben, weil sie schneller ist, und dann fast zeitgleich mit mir auf die einzige Möglichkeit einbiegen.

    Frankreich ist da schon gelassener im Umgang mit uns Rowdies, selbst wenn wir für kurze Zeit den Verkehr insgesamt blockieren. Und irgendwann wird mir auch kurz bewusst, wie alt ich bin, und dass ich Stress vermeiden sollte. Da bin aber schon auf der richtigen Autobahn unterwegs.

    Schon am Morgen, nach dem Spaziergang über die quatschnasse Wiese, verspüre ich die Unruhe in mir, packe den Bus, und denke mir, an einer netten Stelle könnten wir doch frühstücken. Linkerhand, in einer langgezogenen Kurve, mitten zwischen Wiesen und Feldern begegnet mir eine weitläufige Gebäudeanlage, die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

    Ein alte Zisterzienserabtei mit einer interessanten Geschichte, die ich im französischen Wikipedia finde, wo es Luftaufnahmen gibt, die noch eindrucksvoller diesen riesigen Komplex zeigen.

    "Die Abtei Notre-Dame-de-la-Charité von Neuvelle-lès-la-Charité ist eine Zisterzienserabtei, die 1133 in der Franche-Comté gegründet wurde und 1791 verschwand. Sie liegt in den heutigen Gemeinden Neuvelle-lès-la-Charité. la-Charité. lès-la-Charité und Fretigney-et-Velloreille, im französischen Departement Haute-Saône in der Region Bourgogne-Franche-Comté in der Diözese Besançon.

    Die im 18. Jahrhundert wieder aufblühende Charité konnte um 1735 die Kirche, um 1750 das Stiftsviertel mit einem in klassizistischer Tradition angelegten Garten und um 1775 die Nebengebäude neu errichten.

    Während der Revolution wurde die Abtei geplündert und 1791 als Staatseigentum verkauft und größtenteils abgerissen. Es sind noch Reste hydraulischer Anlagen wie ein Becken und eine Mühle oder der Taubenschlag vorhanden. Die Kapelle und einige Nebengebäude blieben jedoch erhalten und das Abteihaus wurde um 1840 durch ein Schloss ersetzt. Das Gründungskomitee Alsthom Belfort erwarb es in den 60er und 70er Jahren für Ferienlageraufenthalte, bevor es es an einen Privatbesitzer weiterverkaufte.
    Die Stätte wurde mit Dekret vom 28. August 1995 5 in das Inventar der historischen Denkmäler aufgenommen." (Google Übersetzung)

    https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Abbaye_Notre-Da…

    Tatsächlich wirkt die Anlage bis auf das Gebäude mit den blauen Fensterläden unbewohnt, allerdings stehen verstreut einige Fahrzeuge auf dem Gelände. Meine Bilder geben nur einen kleinen Eindruck von der Anlage wieder, die eigentlich völlig unplatziert in einer Gegend lagert, wo sonst nur Tiere die Fluren durchstreifen.

    Sie zeugen natürlich auch von einem unmäßigen Reichtum in einer Zeit, wo das Geld bei vielen Menschen nicht so locker saß. Nachdenklich fahren wir weiter und finden am Ortsende der Stadt Dole einen Parkplatz direkt hinter einer Radaranlage, etwas abseits der Straße neben einem grasbewachsenen Hang, hinter dem Häuser stehen, deren Bewohner vom Straßenlärm geschützt werden sollen.

    Über dreihundert Kilometer, da bleibt wenig Energie für die Bilder am Straßenrand. Kurzzeitig hebt sich die Temperatur mal auf neun Grad, aber insgesamt ist das Gefühl von Weinbergen im Rhonetal nicht mit Wärme und Sonne verbunden.

    Überraschend treffen wir auf Steffi und Jodie an der Péage südlich von Lyon, und verabreden uns, an einem Stellplatz in der Nähe zu nächtigen. Der Platz ist in vielerlei Hinsicht schief, was man mit einem kleinen Bus nicht ausgleichen kann, sodass ich eine ziemlich unruhige Nacht verbringe, die in einem kalten Morgen endet.

    Zum Frühstücksspaziergang habe ich Hilde einen Weg im Tal versprochen. Es ist eisig kalt, aber die Aussicht ist phantastisch. Wir begegnen der Kapelle von Terra Basse aus dem 15. Jahrhundert, und frühstücken mitten im kleinen Ort Roussilon, nahe der Rhone.

    Steffi will unbedingt heute ans Meer, aber wir werden uns damit begnügen, nur hundert Kilometer entfernt auf einem schönen Platz den Heiligen Abend mit einem "Festessen" ausklingen zu lassen. Und vielleicht fällt mir bis dahin auch noch was Besinnliches ein, das sich lohnt, gesagt zu werden.

    Für jetzt muss erstmal
    FROHE WEIHNACHTEN
    hinhalten. Aber das wünsche ich Dir von Herzen. Mach langsam an diesem Tag und nimm Dir Zeit, sie anzuhalten, und ihr Deine Aufmerksamkeit zu schenken. Du wirst sehen, welche Geschenke diese ruhigen Momente für Dich übrig haben!
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  • This is Christmas

    24. Dezember 2024 in Frankreich ⋅ 🌬 5 °C

    "So this is Christmas and what have you done",
    klingt es immer wieder
    kritisch zwischen den anderen Liedern in dieser Jahreszeit, aber hören wir noch wirklich zu.

    Ich habe darüber nachgedacht. Frieden leben, Frieden geben, Frieden in mir tragen, Frieden. Ein schwieriges Wort in allen Zeiten. Nicht nur heute. Frieden und Hoffnung.

    Weihnachten. Die Geburt von dem, den sie Friedensfürst nennen, und dem wir gedenken. Heute und nächstes Jahr. Und dann wieder. Vergessen. Verdrängen. Vertreiben.

    Die Heilige Nacht. Im ganzen Trubel ist sie schnell vorbei. Tatsächlich habe ich sie nur einmal gefühlt, als ich um zwei Uhr morgens in Finnland mit einem Freund am Grenzfluss gewandert bin. Taghell und so still, so voller Frieden, dass uns nur die Worte einer stillen und heiligen Nacht in den Sinn kamen.

    Heute also sitzen wir in der eisigkalten, stürmischen, sonnenüberfluteten Provence im blauen Bus. Hilde kaut noch an ihrem Weihnachtsknochen, und ich höre Musik, habe eine Kerze angezündet, und möchte Dir meinen Gruß zu diesem Fest schicken.

    Und mich bedanken, dass Du uns in guten Gedanken mit Dir trägst, in friedvollen Zeiten und in denen, die da kommen werden. Wir wünschen Dir besinnliche Gedanken, Mut für Morgen, und Frieden im Herzen.

    Und falls du wirklich wissen willst, wovon John Lennon damals gesungen hat, füge ich dir noch einen Satz hinzu.
    "A very merry Christmas
    And a happy New Year
    Let's hope it's a good one
    Without any fear."
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  • Saint-Paul-Trois-Châteaux

    25.–26. Dez. 2024 in Frankreich ⋅ 🌬 6 °C

    3.103 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 183 km/ Gesamt 376.551 km / Ø121,35 km)

    Wohnmobilstellplatz
    26130 Saint-Paul-Trois-Châteaux
    Frankreich

    Als wir vom Spaziergang zurückkommen, empfinde ich eine Veränderung in der Luft. Ich bin noch genauso warm angezogen wie in den Tagen zuvor, aber der eiskalte Wind ist weg. Es ist nicht nur still, es ist auf eine Art warm. Die Sonne scheint, die Bäume ruhen wieder in sich, kein unruhiges Pfeifen in den Dächern, kein aufgeregtes Wackeln des blauen Bus, wie noch in den frühen Morgenstunden.

    Hilde musste um halb zwei in der Nacht raus, da musste ich vorsichtig sein, wohin ich trete, was sich über meinen Kopf bewegt. Äste liegen wie herbstliche Trümmer überall herum, aber ihre Bäume ruhen aus. Heute morgen ist es ruhig auf dem Parkplatz und der kleinen Eisbahn, die Kinder schlafen noch, die Hunde erwachen gerade, Hilde hat die Wiese für sich alleine.

    Ich bin ja ein echtes Weichei geworden und habe angesichts der kalten Temperaturen einfach aufs Haare waschen verzichtet. Mein Sohn bemängelte letztens, dass ich mich immer noch nicht rasiert habe, und Wäsche waschen ist eigentlich notwendig, seit wir in Frankreich reisen.

    Und so geht die Liste der offenen Positionen weiter, ohne dass ich mich bisher darum kümmern konnte. Wollte? Ich bin ja nicht nutzlos unterwegs, aber manches Mal sammelt sich so eine Fülle von ToDos, dass ich mich davon fast erschlagen fühle.

    Soviel zum Thema reisender Rentner, der gar nicht weiß, was er mit seiner vielen freien Zeit anfangen soll. Und - es ist keine Klage, lediglich eine Feststellung.

    Gestern zum Beispiel sind wir ein Stück durch die nördliche Provence gereist. Die Sonne scheint und spielt mit den Wolken verstecken, der eisige Wind reißt den Himmel auf und sorgt für den glasklaren, fernen Blick auf schneebedeckte Berge. Das Farbenspiel ist beeindruckend, das Blau des Flusses Isère geradezu umwerfend.

    Die Bilder konzentrieren sich auf die Häuser, deren Einfachheit einen guten Kontrast zu dem Farbenspiel der Natur bildet. Ich stelle mir oft die Menschen vor, die dort leben, vielleicht gerade essen, singen, lachen. Ich wünsche ihnen Dankbarkeit, dass sie dies in Frieden tun, aber ich weiß auch, dass weder Frieden noch Freude das Weihnachtsfest bestimmen kann, das Leben vieler Menschen erfüllt.

    Selbstgewählt oder Karma, sind wir tatsächlich von außen durch ein Schicksal bestimmt. Das mag manchmal so erscheinen, und faktisch weiß ich nichts von dir, trotzdem glaube ich, dass es Möglichkeiten gibt, etwas zu bewegen.

    Der Vogel war ein Gedankenblitz, ich bin genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Er ist geradezu in mein Bild hineingeflogen. So reiht sich eins ans andere, und vermutlich sollte ich dort unterwegs sein, um dir ein paar schöne Bilder auf deinen Frühstückstisch zu legen.

    Merry Christmas.
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  • Saint - Gilles

    26.–27. Dez. 2024 in Frankreich ⋅ ☀️ 7 °C

    3.104 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 136 km/ Gesamt 376.687 km / Ø121,35 km)

    Wohnmobilstellplatz
    30800 Saint - Gilles
    Frankreich

    Einer der liebsten Orte, an denen ich aufwache, sind anonyme Parkplätze mitten in einer Stadt. Das mag dich verwundern, hättest du mich doch eher mit Meer und Natur verortet. Ja, da bin ich auch gerne, und wenn ich mich wohlfühle, mag ich dort auch übernachten.

    Gestern ging es mir nicht gut. Auf dem Weg zum Stellplatz in Fontvielle hatte ich schon ein ungutes Gefühl. Das kommt einfach so und lässt sich nicht an irgendetwas festmachen. In meiner Überlegung weiterzufahren, kam ein deutsches Ehepaar auf den Platz, und ich habe mir gedacht, komm das packst du auch.

    Ein Talkessel von Felsen umrundet, mit Pinien bepflanzt, eher ein Parkplatz, denn ein Stellplatz, der Geld kostet, mit Schranken, vor denen ich gehörig Respekt habe, vermitteln sie mir doch das Gefühl des Eingesperrtseins. Aber die Lage zur nahen Mühle, zu der wir einen Abendspaziergang auf den kleinen Berg machen, über den ich ganz stolz bin, es geschafft zu haben, soll den Preis rechtfertigen.

    Wir bauen um, und ich bekomme Bauchweh. Nicht das kleine Geplänkel, sondern das große Programm. Das eindeutig untrügliche Gefühl, dass ich hier falsch bin. Auch das kenne ich gut, aber damals vermischt mit dem Bewusstsein, nicht in Gefahr zu sein. Das ist dieses Mal anders.

    Ich kann die Gefahr weder orten noch einordnen, sie ist einfach da, und möglicherweise betrifft sie auch nur mich. Wir verlassen den Platz im Dunklen, im Ort sind die Bäume beleuchtet. Arles müssen wir komplett durchqueren. Die Stadt ist voller Menschen und Lichter, dass ich überlege, wann ich das letzte Mal durch eine nächtliche Stadt spaziert bin.

    Den Ausgang nach Saint-Gilles finde ich nicht, bzw will mich der Navi ständig über kleine, dunkle Wege leiten, für die ich grade keine Offenheit empfinde. Letztendlich fahre ich aus dem Kopf heraus zu mir bekannten Ortsnamen und nehme einen kleinen Umweg in Kauf.

    Der Stellplatz ist besetzt. Franzosen, die in ihren Fahrzeugen leben. Unter einem wacht ein Hund, der Platz daneben bleibt frei. Zwei Spanier, ein Deutscher, auf dem Parkplatz dahinter noch etliche Franzosen. Ich habe ein gutes Gefühl, die Nacht wird wieder mal kalt, interessanterweise sinken die Temperaturen erst in den frühen Morgenstunden bis auf ein Grad um acht Uhr ab. Dann kommt die Sonne raus.

    So wie gestern, als wir unter einem strahlend blauen Himmel von Saint Paul durchs Hinterland an Avignon vorbei nach Tarascon fahren. Auch einer der düsteren Städte wie Arles. Stierkampfstädte.

    "Das französische Gesetz verbietet grausame Handlungen an Tieren, doch gibt es für rund 50 Städte in Südfrankreich Ausnahmegenehmigungen im Namen der 'lokalen Tradition'. Städte von Arles bis Perpignan richten lokale Volksfeste mit Stierkämpfen in den antiken Arenen aus."

    Die dunklen Häuser stehen unter entlaubten, knorrigen, hellen Bäumen, die eine gedrungene Atmosphäre noch verstärken. Hier ziehe ich beim Fahren automatisch den Kopf ein, und atme befreit aus, wenn ich zurück aufs Land fahre.

    Beim Morgenspaziergang hat die bunte Katze wieder hinter uns Platz genommen, hat den blauen Bus im Visier, und Hilde meidet bewusst eine Begegnung mit ihr. Frühstück, hinter Mauern stehen Palmen, ich esse einen kleinen Christstollen mit mehr Rosinen, als es seinem Geschmack gut tut.

    Immerhin ist in dem Land seiner Herkunft der zweite Weihnachtstag. Den kennen die meisten Franzosen nicht, denn nur im Elsass und in Lothringen wird er gefeiert. Allerdings wird zwischen den Festtagen in vielen Fabriken und Werkstätten nicht gearbeitet. Hast du was mit dem Bus, musst du einfach aufs neue Jahr warten. Zum Glück ist bei uns alles in Ordnung, und wenn der Bauch jetzt zwickt, dann kommt es erstmal von den süßen Zeug. Und weil ich ein bisschen aufgeregt bin, weil heute ein kleines Highlight bevorsteht, vor dem ich ein wenig Respekt habe. Aber vielleicht wird es ja ganz entspannt.
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  • Plage Piémanson

    27. Dezember 2024 in Frankreich ⋅ ☀️ 10 °C

    3.105 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 128 km/ Gesamt 376.815 km / Ø121,35 km)

    Wohnmobilstellplatz
    30800 Saint - Gilles
    Frankreich

    Wir haben ziemlich lange geschlafen, während draußen der knackige Frost sich der Fenster fast aller parkenden Autos angenommen hat. Südfrankreich und Mittelmeer ist längst kein Indiz mehr dafür, dass es im Winter Temperaturen im zweistelligen Bereich hat. Auch hier kommt die Kaltfront an, und da staunen selbst die Reisenden nicht schlecht.

    So bin ich ziemlich überrascht, dass der eisige Wind plötzlich eingeschlafen ist, und die Sonne nicht nur durch die Fenster sich aufheizen kann, sondern am Meer für angenehme Temperaturen sorgt. In Salin du Giraud zweigt der Single Track Road zum Plage Piémanson an, und führt uns zwanzig Kilometer am Salzabbau entlang der Rhone vorbei. Blaue, flache Seen bis zum Horizont, Flamingos im Spiegelbild, Sonnenflecken im Blick, während sie auf dem Wasser ihre Kraft zu verstärken scheint.

    Sonntagsausflügler im Mantel und Pullover, das Meer kommt ihnen entgegen, während der Strand ein heilloses Durcheinander ist, von angetriebenen Holz bis Plastikmüll, eine verlorene Damensandale im Matsch, der das Meer von einem flachen Binnengewässer trennt.

    Vermutlich wird der Sturm die Wellen über den schmalen Strand werfen und damit den Wasserstand erhöhen. Für uns ist das Gelände ideal, weil wir hier alleine sind, und Hilde mit ihren Stöcken Schabernack treiben kann. So kommen wir auch Niemandem in die Quere, ich kann Bilder machen, und die Blicke genießen. Hinten am Strand schauen wir mal kurz ans Meer, das wir vorher schon hören konnten, obwohl die Wellen ja eher noch in den Kinderschuhen stecken.

    Um der Unruhe zu entfliehen, die sich mit immer mehr Autos und Menschen steigert, fahren wir an einen Seitenplatz zwischen den Seen. Hinter uns parkt ein Camper aus Italien, das freundliche Ehepaar spricht kaum Englisch, erzählt mir aber, dass sie mal eben über die Weihnachtstage hier einen Kurzurlaub machen.

    Spät am Nachmittag fahren wir nochmal ans Meer bzw an unseren See, und erleben diesen unglaublich schönen Sonnenuntergang. Wir treffen eine Frau aus den Rheinland, die seit 15 Jahren hier lebt, und mit ihrem Pferd zu einem Ausritt am Strand war. Sie meint, dass das Übernachten nicht erlaubt ist, und so sehe ich auch die meisten Camper wegfahren.

    Zufrieden mit diesem wunderschönen Tag fahren wir in der Nacht zurück auf unseren sterilen, beleuchteten Parkplatz, wo wir zwischen der Vielzahl anonymer Fahrzeuge unsere Ruhe finden. Tatsächlich brauche ich diesen emotionalen Abstand von der Farbenpracht, und die Unterschiedlichkeit meiner Plätze zu einem Ausgleich des seelischen Befindens.

    Für die Geschichte und unser Frühstück parken wir am Kanal gegenüber alten Booten, die vermutlich bis hierhin ihre letzte Fahrt angetreten haben. Hundespaziergänger, Angler, die ewigen Bastler. Wer hier wohnt, muss nicht auf sein Outfit achten. Das kommt mir entgegen. Immerhin habe ich schon Haare gewaschen und mein überfälliges Fußbad genommen. Den Staub im Bus kriegst du aber trotz stetigem Reinemachen nie weg.
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  • Montcalm Part 1

    29.–30. Dez. 2024 in Frankreich ⋅ ☀️ 5 °C

    https://youtu.be/duSECbOJP3I?si=HmtmTRpz7n5-UyVm

    Vom Weinberg zum Meer - eine Reise in bewegten Bildern und aufregenden Geschichten!

  • Lunel

    30. Dezember 2024 in Frankreich ⋅ ☀️ 11 °C

    3.108 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 58 km/ Gesamt 377.074 km / Ø121,32 km)

    Weinkellerei
    30600 Vauvert
    Frankreich

    Als ich zur dritten Nacht schon am Nachmittag zum Weinberg zurückkomme, ist der Platz reichlich voll mit Campern, im Laufe des Abends "quetschen" sich zwölf Fahrzeuge auf einen Raum von vielleicht fünfzig mal dreißig Metern. Und zwischen einem halben Dutzend großer, französischer Wohnmobile hat sich auch ein deutscher Lastwagen in mausgraubesch geschlichen. Geländegängig mit hoher Wohnkabine, ein richtiges Outdoorfahrzeug.

    Unser kleiner Bus findet am Rand bei dem kleinen Olivenbaum mit freier Sicht auf die Weinfelder Platz, dem Tohuwabohu treten wir mir verdunkelter Seitenscheibe gelassen entgegen. Und haben eine ruhige Nacht.

    Die Strecke über Aigues - Mortes, mit seiner riesigen Festung, nach Le-Grau-du-Roi kenne ich mittlerweile auswendig, und da die Freundin mittlerweile gut versorgt ist, und der Autoversicherer jetzt auch die Kosten für den Rücktransport übernommen hat, der Anfang des Jahres erfolgt, will ich meine Küstentour fortsetzen.

    Der nächste öffentliche Strand nach Le-Saintes-Marie-de-la-Mer ist in Espiguette, wo es auch einen Leuchtturm geben soll. Leider endet die Straße an einem kostenpflichtigen
    Parkplatz mit Höhenbegrenzung, sodass wir die Rückfahrt antreten. Auch ein weiterer Versuch endet an der gleichen Konstruktion bzw am Tor des geschlossenen Campingplatzes, der natürlich über einen Strandzugang verfügt.

    Espiguette hat auch ein paar Häuser, besteht aber wohl hauptsächlich aus Tourismus in allen Varianten bis hin zum Abenteuerland für Kinder und dem Casino für die Eltern. "Amigoland" heißt das Kinderparadies, das habe ich nicht erfunden, aber ich bin mir auch nicht sicher, ob das der deutschen Zensur standhält.

    Während also hier die üblichen Touristen ihr Ziel finden, sind die mit mehr oder viel Geld in der Tasche eher in Port Camargue zu finden. Ein paar Bilder von der Küstenstrasse, die natürlich für motorisierte Fahrzeuge, an einem großen Hotel endet,habe ich mitgebracht.

    Auf dem "Heimweg" kommen wir noch am Jarras vorbei. Das ist eine große Domäne hinter den Eisenbahnschienen, dessen Tor für Sterbliche wie mich geschlossen ist. Degustation und Verkauf finden im vorderen Gebäude statt, da ist aber heute auch niemand.

    Also fahren wir zurück zu unseren Weinfeldern, deren Wachstum noch im Winterschlaf liegt. Warten auf den Sonnenuntergang und auf den neuen Morgen, der nach einer eiskalten Nacht sich zurückmeldet. Es ist so frostig, dass Hilde nur einen kurzen Spaziergang möchte, um gleich danach wieder in den Bus zu gehen.

    Jetzt um elf Uhr vormittags ist es gleich wieder ziemlich heiß im Sonnenlicht. Der Platz hat sich gelichtet, wir werden nochmal spazieren gehen und dann zur Freundin fahren, deren Gips so drückt, dass sie erneut ins Krankenhaus muss. Ihr bleibt tatsächlich nicht viel erspart. Und da der Rettungsdienst sie nicht fährt, weil es kein Notfall ist, dürfte dieser Tag sich auch fürs Reisen erledigt haben. Jetzt warten wir also in Lunel, wo das Krankenhaus ist, darauf, dass wir sie abholen können.

    Trotzdem werden wir nicht nochmal hierher zurückkehren, sondern uns zur nächsten Nacht einen anderen Platz suchen. Wie man so schön sagt, alle guten Dinge sind drei!
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  • Le Cailar

    31. Dez.–1. Jan. 2025 in Frankreich ⋅ ☀️ 5 °C

    3.109 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 115 km/ Gesamt 377.189 km / Ø121,32 km)

    Table d'Orientation
    30740 Le Cailar
    Frankreich

    Ein Jahr geht zuende. Überall kommen mir Rückblicke entgegen, und ich erfreue mich an die meisten, doch einige stimmen mich traurig. So viel kann in 365 Tagen passieren, was wir nicht beeinflussen können. Und wenn es möglich wäre, wie hätten wir uns dann verhalten.

    Von mir gibt es keinen Rückblick, keine Reminiszenz, kein Pro und Contra. Würde ich darüber meditieren, wäre ich eingeschlafen. Könnte ich darüber schreiben, hätte ich mich verzettelt. Sollte ich mich erinnern müssen, würden mir die Worte im Hals stecken bleiben.

    Es ist nicht so, dass ich die Vergangenheit verdränge, natürlich könnte ich einige Ereignisse aufzählen. Aber ich halte es nicht für sinnvoll, denn ich lebe nach vorne. Mit meinen Geschichten schließe ich das Erlebte ab, und bin damit bereit für das Unbekannte.

    Natürlich habe ich auch einen neuen Jahreskalender, in den ich meine Wünsche und notwendigen Termine eintrage, aber erst wenn ich den Tag erreiche, werde ich erfahren, ob mein Plan in Erfüllung geht. Aber darüber hinaus ist jeder Tag ein weißes Blatt für mich, die Dinge ereignen sich, und ich bin der Überzeugung, dass ich immer am richtigen Ort bin.

    Auch dort, wo ich mich komplett falsch fühle, denn aus jeder Erfahrung gewinnt unser Leben einen reichen Schatz, wenn wir ihm vertrauen. Denn wie sollte ich sonst auf den Berg kommen, wenn ich nicht vorher durch ein Tal gegangen bin.

    Ich finde nicht, dass dies bedeutet, man müsse in jeder Situation standhaft bleiben und sie aushalten. Gott hat uns die Sinne gegeben, um zu unterscheiden. Und natürlich weiß ich auch, dass Menschen unglaubliches Leid zugefügt wird, ohne dass sie eine Entscheidung treffen können, sich dagegen zu wehren, aus der Situation zu entkommen. Und dabei ist es nicht mal ein Privileg, in der westlichen Welt zu wohnen.

    Ich kann nur für mich und mein Leben sprechen. Für meine Situation, meine Vergangenheit, Gegenwart, und Zukunft. Für meine Tiefen und für meine Höhen. Und vielleicht mag es Dir helfen, Deine Sicht der Dinge zu überdenken, Dich im Neuen Jahr neu auszurichten.

    Ich freue mich auf Morgen, so wie ich dankbar bin für jeden neuen Tag, der sich mir öffnet. Und ebensoviel Dankbarkeit empfinde, wenn ich mich schlafen lege. Wohl wissend, dass ich nicht tiefer fallen kann, als in Gottes Arme.

    So danke ich Dir, dass Du uns in diesem Jahr auf unserer Reise mit deinen positiven Gedanken begleitet hast, und wünsche Dir, dass Du voller Erwartung und Vorfreude in das nächste Jahr hineinschaust, weil es definitiv das Beste ist, was auf Dich zukommt.
    ‐--------------------------------
    Als wir aufwachen, liegt der Nebel um uns herum. Es war nochmal eine kalte Nacht, bis minus drei Grad Celsius. Jetzt soll das Wetter sich ändern, erzählt Andy, die Temperatur steigt, aber der Regen kommt. Das war bei unserer ersten Begegnung auch so, dass das Wetter nach unserem Abschied umgeschlagen hat. Damals, an der Ostseeküste, ein wenig südlich von Tallinn. Da sind sie auch in gewisser Weise heimwärts gefahren wie heute, während unsere Reise sich in die andere Richtung bewegt.

    Aber wie lustig sich diese Begegnung gestern gestaltet hat. Andy und seine Frau parken an diesem Aussichtspunkt. Er weiß aus meinen Texten, dass wir auch in der Gegend unterwegs sind, und als ein blauer Bus vorbeifährt, ist er der Überzeugung, das seien wir gewesen. Seine Nachricht mit Handynummer findet sich auf meinem Account, und tatsächlich sind sie keine halbe Stunde von uns entfernt.

    Wir haben Steffi gerade mit dem neuen Gipsverband ins Hotel zurückgebracht, und wollen unbedingt an den Strand für einen Sonnenuntergangs - Spaziergang, aus dem ein Potpourri unglaublicher Farbengewalt entsteht. Dann wird es dunkel, und der Navi führt uns auf eine unbefestigte, dunkle Straße im Nirgendwo.

    Bloß kein Gegenverkehr, an beiden Seiten liegen tiefe Gräben, die Straße ist so schmal, dass nur anderthalb Fahrzeuge darauf Platz haben. Dann kommt ein Ort mit Lichterketten, dessen Ausgang sich in die schwarze Nacht hineinbohrt. Ich könnte irgendwo sein, habe keine Orientierung, und wäre nie hier um Dunklen langgefahren, wenn ich nicht erwartet würde.

    Und mit welcher Freude, ich bin tief berührt. Wir stehen noch lange draußen im Gespräch unter sternklarem Himmel, bis uns die Zehen einzufrieren drohen. Was für eine schöne, völlig unerwartete Begegnung. So etwas kann man nicht planen, das ist ein Geschenk des Lebens!
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  • Sète

    2.–3. Jan. in Frankreich ⋅ ☁️ 11 °C

    3.111 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 125 km/ Gesamt 377.391 km / Ø121,30 km)

    Wohnmobilstellplatz
    34200 Sète
    Frankreich

    Es gäbe viel zu erzählen über diesen denkwürdigen Jahreswechsel, sodass ich nicht sicher bin, wo ich anfangen und aufhören könnte, ohne dass es für dich langweilig wird. So habe ich gedacht, ich skizziere das Wichtigste, und lass die Bilder für mich sprechen.

    An Silvester ist uns das Wasser ausgegangen, aber weil ich nicht in den großen Supermarkt reingehen wollte, wo wir Wäsche gewaschen haben, weil ich Hilde mit den vielen Menschen nicht alleine lassen wollte, wuchs dieses Problem im Laufe des Tages an. Ich wollte den Ball flach halten und darauf vertrauen, dass ich schon eine Lösung finde.

    Nochmal waren wir am Strand in Le Grau du Motte, das Wasser war ganz still und der Himmel voller Wolken. Aber Hilde hat es genießen können.

    Auf dem Weg zu einem Schlafplatz bin ich von einem Telefonat "aufgehalten" worden, und vergaß, dass ich das doch eigentlich nach hinten hätte verlegen können. Das hat mich dann so gestresst, dass das Vorhofflimmern erneut eingesetzt hat. Mein Fehler, nicht die Umstände, das Telefonat, die große Aktivität um die liebe Freundin, die jetzt schon auf dem Weg nach Deutschland ist. Nein, einzig mein Fehler im falschen Setzen der Prioritäten.

    Ein alt bekanntes Problem, das früher nicht so zum Tragen kam, weil ich da noch im Vollbesitz meiner körperlichen Kräfte war. Und wenn ich eins in meinem langen Leben begriffen habe, dann ist es, dass ich nicht über meinen Schatten springen kann. Ich kann lediglich Ausweichmanöver einleiten, um nicht in Gefahr zu geraten.

    Also gehe ich am Silvesterabend früh ins Bett, wache erst um zwei Uhr auf, als die meisten Menschen schlafen gegangen sind. Am Morgen ist die Sinuskurve wieder da, und das Herz hat sich beruhigt. Dafür machen die Füße Probleme. Nicht gleich im Anschluss, aber bis zum Abend haben sie es geschafft.

    Wir fahren an der Küste entlang. La Grande Motte mit seinem belebten Yachthafen. Palavas les Flots und seine Strandstrasse, die sich als Sackgasse erweist, sodass wir nochmal von Villeneuve les Maguelone den Anlauf nehmen zur gleichnamigen Kathedrale zu fahren.

    Wikipedia sagt, "Saint-Pierre-et-Saint-Paul de Maguelone ist eine ehemalige Kathedrale und Abteikirche auf der Insel Maguelone im südfranzösischen Département Hérault in der Region Okzitanien.

    Das imposante, im 12. und 13. Jahrhundert im Stil der Romanik als Bestandteil eines umfangreichen Klosters und Bischofssitzes errichtete ehemals wehrhafte Kirchengebäude war einst der Sitz einer der einflussreichsten Diözesen Frankreichs. Im Itinerarium Antonini (Anfang 3. Jahrhundert!) wurde Maguelone bereits als Civitas erwähnt.

    Die Kathedrale wurde im Jahr 1840 als Monument historique klassifiziert und steht als solches unter Denkmalschutz.

    Das Kulturdenkmal und der frühere Bischofssitz fanden als Schauplatz Eingang in den Roman „Die schöne Magelone“ aus dem 15. Jahrhundert."

    Aber eine Wanderung auf die Insel erspare ich uns dann doch. Frontignon Plage versuchen wir zu erreichen, sind dann aber froh, dem Wirrwarr der kleinen Sackgassen mit einem Lächeln zu entkommen. Ein Schlenker ins Inland, um Frontignan und den Hafen von Sète herum, führt uns in die Innenstadt voller Bauten aus einem früheren Jahrhundert, zwischen denen ein großes Segelschiff festgebunden ist. Für immer, so wirkt es zumindest im Vorbeifahren.

    Mitten auf dem langen Streifen Land zwischen Sète und Agde ist auf der einen Seite das Meer und zum Inland hin der Étang de Thau. Und mittendrin ein netter, kostenpflichtiger Wohnmobilstellplatz, in der Wintersaison mit acht Euro für Nacht und Wasser günstig, sowohl preislich als auch räumlich, denn das Meer ist keine hundert Meter entfernt.

    Das nutzen wir abends noch mit schmerzenden Füßen und sind hellauf begeistert, wenngleich der Sand voller Muscheln, Stöcken und anderem Strandgut ist, sodass das Gehen nicht so leichtfüßig ist, was allerdings eh nicht meinen allgemeinen Fähigkeiten entspricht.

    Und heute erst recht nicht, denn die Zehen sind umrundet mit schmerzenden Blasen. Und sie brennen ziemlich. Also wird das mein zweiter Abend, wo ich früh schlafen gehe, allerdings nicht einschlafen kann, denn der andere Fuß stimmt in den Gesang der Sirenen ein.

    Mitten in der Nacht erwacht tue ich das, wovon man allgemein abrät, und befrage das Internet, das von entzündeten Nerven spricht. Fürs erwähnte, kalte Fußbad bin ich zu fertig, aber ich habe da eine "Nervencreme" im Gepäck, die ich benutze, wenn die Knie ihre Funktion stark einschränken.

    Am Morgen ist der Spuk vorbei, wir haben einen tollen Spaziergang am Meer, von dem ich auch Bilder aufgenommen haben, und genießen einen ruhigen Vormittag im Bus. So gegen Mittag überlege ich ernsthaft, ob wir noch eine Nacht hierbleiben, oder doch ein Stück weiterfahren. Was dabei rausbekommen ist, wirst du in der nächsten Geschichte erfahren.

    Nur noch eins. Das Beste kommt wie immer zum Schluß, so sagt man. In der Silvesternacht stehen wir nochmal in Montcalm an den Weinfeldern. Mit uns übernachtet ein deutsches Ehepaar. Als ich sie frage, ob sie eine Flasche Wasser für uns haben, kommt der Mann raus, und lädt meine Arme voll mit drei Flaschen Wasser. Wir teilen uns das einfach, was wir haben, sind die letzten Worte des alten Jahres, die jemand zu mir sagt.
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  • Sète

    3.–4. Jan. in Frankreich ⋅ ☁️ 10 °C

    3.112 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 0 km/ Gesamt 377.391 km / Ø121,26 km)

    Wohnmobilstellplatz
    34200 Sète
    Frankreich

    Ja, wer das neue Video schon gesehen hat, das ich unten verlinke, der weiß, wir sind noch eine zweite Nacht hier geblieben. Ein Tag des Aufräumen, und eigentlich wollte ich abends erstmals Joghurt machen, aber dann kam ein erneuter Schub des Vorhofflimmerns, das mich entsprechend von meiner Motivationslage her gelähmt hat. Heute morgen ist das Herz wieder in Ordnung, aber trotzdem bin ich ein wenig beschwerlicher unterwegs.

    Wir schaffen die Wege zum Strand, und davon darfst du dich an den Bildern erfreuen. Jeder Tag, jede Stunde, ist die Atmosphäre anders. Und durch den fehlenden Wind und die umgebende Natur sind die Moskitos eingetroffen, die noch ein bisschen träge, aber trotzdem willens uns zu stechen, uns umschwirren.

    Der Himmel zieht zu. Das ist mit knapp neun Grad genau richtig für uns, weil ich dringend einkaufen muss. Hoffe, ich finde einen kleinen Supermarkt, weil ich in den großen Marchés immer ein bisschen untergehe. Tatsächlich fühle ich mich zunehmend ein wenig lebensuntauglicher außerhalb des blauen Bus.

    Das betrifft besonders so "moderne" Errungenschaften wie Shopping Malls oder Booking Com. Überhaupt mag ich gar nicht gerne mich mit jemandem darüber ins Benehmen zu bringen, uns einen Schlafplatz zu buchen, oder irgendwas erledigen zu müssen.

    Desto weniger Menschen mir in einer Situation begegnen, mit denen ich etwas klären muss, desto einfacher ist es für mich. Wobei ich mich gerne unterhalte und Kontakte knüpfe, aber das sind eben diese "will"begegnungen im Gegensatz zu den "must"do.

    Heute geht es also weiter. Am Meer entlang und theoretisch nach Süden. Wenn du Lust auf unveröffentlichte Videos und aktuelle Geschichten hast, dann bist du auf unserem YouTube Kanal richtig. Ich wünsche dir viel Freude dabei, mich mal persönlich zu sehen!

    https://youtu.be/WAE_IKIEYi8?si=GrB5UHKWzUkwaOkz
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  • Montblanc

    4.–5. Jan. in Frankreich ⋅ ☁️ 7 °C

    3.113 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 73 km/ Gesamt 377.464 km / Ø121,25 km)

    Wohnmobilstellplatz
    34290 Montblanc
    Frankreich

    So eine Küstentour hat den Vorteil, dass wir an unbekannteren Orten das Meer sehen können, an herrlichen Stränden spazieren gehen, und immer der Sonne nicht fern sind, sofern sie denn die Wolkendecke durchbricht. Allerdings ist die Küste nicht immer mit einem, wenn auch kleinen, blauen Bus zu befahren, sodass wir diverse Umwege durchs Hinterland nehmen müssen.

    Und dabei treffen wir durchaus auf skurrile Orte wie die Fabrikus World. Oder auf Landschaften im tristen, welken Grasbestand südlich des Canal du Midi, von dem Schilder zu strandnahen Campingplätzen abbiegen, sodass ich mich frage, was hier denn Schönes zu erwarten sei.

    Der Sommer, antwortet mir das Meer, dann ist hier alles grün und lebhaft, und die Menschen freuen sich auf ihren Urlaub. Jetzt sind wir hier ganz alleine, teilweise sogar auf Straßen unterwegs, bei denen es so aussieht, als habe jemand große Stücke des Asphalts einfach mitgenommen.

    Mittendrin ein Parkplatz für das Volk der Landfahrer, abseits aller Infrastruktur. Die Begegnung, die ja eigentlich keine ist, erfolgt so abrupt, dass ich mich eher erschrecke, menschlicher Anwesenheit zu begegnen, weil sonst niemand hier zu wohnen scheint.

    Wenn es dich interessiert, dann schau auf das grüne Band im Hinterland der Orte La Tamarissière, Vias und Portiragnes. Zwischen drin ist Fabrikus World, darüber der erwähnte Canal.

    Gegenverkehr ist durchaus unerwünscht, weiter entfernte Fahrzeuge signalisieren mir aber zumindest, nicht völlig verloren zu sein. Es gibt keine Bilder von der Gegend, mein Blick war auf die Straße fixiert, und mir fehlte die Ruhe, irgendwas Sehenswertes zu entdecken.

    Aber jedes Glück ist einmal zuende, und so ist das auch andersherum, wobei ich die Strecke jetzt nicht mit Pech benennen würde. Aber tatsächlich gibt es eine größere Straße, die zu einem Intermarché führt, der damit wirbt, Contact mit mir zu bekommen. Er liegt so abseits, dass die Kassiererinnen entspannt die Nagelpflege betreiben können, während die wenigen Kunden sich in den Gängen verlieren.

    Mich findet man bei den Käse- und Joghurtregalen, wo ich in der Vielzahl der Angebote um Schaf und Ziege schwelge. Jetzt ist der Kühlschrank voll mit Köstlichkeiten aus der Welt des Schlemmens, ich weiß immer gar nicht, was ich zuerst probieren soll.

    Da wir in der Nähe von Beziers sind, entscheide ich mich, nach Montblanc zu fahren, wo wir bei den "Tipis du Soleil" schon so manche gute Nacht gestanden haben. Sie haben unseren Aufkleber am Fenster der Rezeption kleben, und begrüßen uns wie alte Freunde, die zu Besuch kommen.

    Die Arbeiten in den umliegenden Weinfeldern sind in vollem Gange, laut lärmend wird der zwischen den Rebenreihen liegende Steingrasboden maschinell aufgerauht. Ganz leise dagegen ist das Beschneiden der Weinreben. Bei 13/14 Grad Celsius tragen die Arbeiter dennoch warme Bekleidung, während ich mich nackt neben dem Bus dusche.

    Seit Tagen suche ich nach einer entsprechenden Gelegenheit, die sich heute ergibt, weil die Büsche und der Bus mir entsprechend Schutz bieten, wobei das mehr um meine Mitmenschen geht. Was habe ich schon zu verbergen, später interessiert das auch niemand mehr.

    Ich könnte doch auch duschen gehen, so ganz offiziell und auch noch warm, mag der eine oder andere denken. Ja, das stimmt. Aber tatsächlich müssen alle Voraussetzungen stimmen. Ich brauche eine Sitzgelegenheit, um mich umziehen zu können, der Weg zwischen Bus und Dusche sollte nicht zu weit sein. Und hier brauche ich nicht unbedingt andere Menschen um mich, die mir mit blöden Blicken begegnen, während ich den Stock an die Wand lehne.

    Tatsächlich sind meine körperlichen Einschränkungen mittlerweile durchaus gravierend, aber so lange es mir noch gelingt, Wege zu finden, um das Notwendige zu erledigen, sehe ich nicht grundsätzlich ein Hindernis darin zu reisen. Die positiven Erlebnisse überwiegen durchaus die anfallenden Beschwernisse. Und über morgen oder nächstes Jahr denke ich nach, wenn es soweit ist.

    Trotzdem sei noch etwas Lustiges nachzuschieben. Wegen den Steinen neben dem blauen Bus habe ich mir gedacht, dass ich meine Pantoffel anlasse, ohne darüber zu stolpern, dass sie ein Fell in sich tragen, dass jetzt quietschend nass ist und Tage brauchen wird, um zu trocknen. Solche "heiteren" Dummheiten passieren mir öfter, ich kann jetzt nicht schallend lachen, aber mir doch hin und wieder über meine Tolpatschigkeit ein Schmunzeln nicht verbergen.

    Heute morgen haben wir einen Streifen Sonne beim Spaziergang. Später bleibt es grau, windstill und nur wenige Grad über Null. Zeit aufzubrechen, um zum Meer zu fahren.

    Ich muss noch nachschieben, dass wir vorher in Cap d'Agde mit seinen schwarzen Felsen waren, sowie in Grau d'Agde mit der Kirche und dem l'Herault, der hier ins Meer mündet.
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  • Villesèque des Corbières

    5. Januar in Frankreich ⋅ ☁️ 10 °C

    3.114 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 126 km/ Gesamt 377.590 km / Ø121,25 km)

    Wohnmobilstellplatz
    11360 Villesèque-des-Corbières
    Frankreich

    Als wir auf dem Weg zu diesem Stellplatz sind, auf dem wir schon öfter eine Nacht verbracht haben, ist mir bewusst geworden, dass wir nie mehr an diesen Plätzen übernachten werden. Wenn die Reise in Spanien nächstes Jahr weitergeht, dann sind wir so früh im Jahr, dass wir über Toulouse und die Pyrenäen fahren werden.

    Wenn, wenn, als könnten wir in die Zukunft gucken. Dabei sind wir doch überhaupt froh, wenn der nächste Morgen erwacht. Aber wenn man, wie wir, so intensiv Küsten bereist, dann macht das keinen Sinn, später dort nochmal vorbei zu schauen. Denn es gibt ja noch so viele Ziele.

    Aber erstmal sind wir ja in Frankreich und wollen am Morgen am Plage de Bousquet bei Portiragnes starten. Also ziemlich genau südlich von Montblanc, wo wir übernachtet haben. Allerdings müssen wir erneut um Bèziers herumfahren, um dorthin zu kommen. Nochmal winke ich dem Intermarché zu, der mich seit Tagen mit Leckereien verwöhnt.

    Hinter diesem besagten Strand gibt es einen Wohnmobilstellplatz, der immer gut frequentiert ist, obwohl er teuer ist und - ich sags mal so - überhaupt kein Flair hat. Zudem ist er aktuell umgeben von geschlossenen Systemen, denn das reine Feriendorf hat Wintersaison und ist komplett geschlossen.

    Ernüchtert möchte ich auch nicht an den Strand gehen, und so fahren wir erneut fast bis nach Bèziers, um zum Valras Plage zu kommen. Dort war ich dann tatsächlich im April des vergangenen Jahres gewesen, hatte es aber vollkommen vergessen. Und bin ein zweites Mal ernüchtert, als mir bewußt wird, dass es erst ein Dreivierteljahr her ist, dass ich vom Stellplatz mit Hilde bis zum Strand und zurück gelaufen bin, also gut drei Kilometer. Das kann ich heute nicht mehr. Vielleicht einen Kilometer am Strand, oder zwei, wenn jemand mitgeht.

    Mit solchen Überlegungen darf man nie schwanger gehen, sondern muss die aktuelle Situation ungefiltert annehmen. Am Ortsende ist eine Sackgasse, an die sich ein Weg zum Strand anschließt. Keine dreißig Meter und wir stehen im Sand. Hilde lacht und ich bin fröhlich. Wie immer, wenn wir am Meer sind.

    Am Ende des Küstenstreifen, kurz hinter Vendres, beginnt Les Cabanes de Fleury am Port du Chicholet. Hier mündet die Aude ins Meer, deren Ufer gesäumt ist mit angelegten Booten. Über eine schmale Brücke queren wir den Fluß und nehmen eine kleine Straße nach Saint Pierre la Mer.

    Nun sind wir wieder dem Meer nahe, das uns über Narbonne Plage bis Gruisson begleitet. "Gruissan-Village ist der historische Stadtkern, dessen Häuser sich kreisförmig um eine alte Burganlage winden. Die Burganlage schützte im 14. Jahrhundert die Hafenanlage von Narbonne. Vom Hafen ist nichts mehr übrig und auch von der Burg steht nur noch die Ruine des Tour Barberousse.

    Gruissan-Plage entstand im 19. Jahrhundert als Ort der Sommerfrische für die Narbonnaiser Bevölkerung. Besonders sehenswert sind die für diese Küstenregion einmaligen Pfahlbauten. Diese Stelzenbauten liegen meist direkt in Strandnähe auf den noch immer wachsenden Schwemmsandflächen."
    (Wikipedia)

    Es ist schon später Nachmittag, und ich will möglichst Narbonne umgehen, muss aber zur Stadt hinauf, weil die riesige Wasserlandschaft umgangen werden muss. Dieser Weg ist ein besonderes Geschenk im Abendlicht, weil in der Stille der Natur soviel Leben ist.

    Der Stellplatz in der Gebirgsregion ist rappelvoll, aber wir quetschen uns neben "Alain, le Nomade", der einen Youtube-Kanal pflegt, und nun auch unseren Sticker durch die Welt trägt. Von den 15 Plätzen sind zwölf in französischer Hand, und sicherlich auch schon für eine längere Zeit, denn die Schranke ist defekt und der Aufenthalt kostenlos.

    Der Morgen ist benebelt, und sobald es hell wird fahren wir an die Küste, um am Strand von Port La Nouvelle spazieren zu gehen. Von dort geht's noch ein Stück nach Leucate, wo wir mit Blick auf den riesigen Binnensee
    gemütlich frühstücken, Geschichte schreiben, und Pläne schmieden. Oder einfach nur ausruhen.

    Die Straße hinter uns ist gut befahren, die spanische Grenze ist nicht weit entfernt, und das Ende dieses Küstenabschnittes naht. Zehn Grad und dichte Bewölkung, ein bisschen Wind. Die Sicht gut und den nächsten Spaziergang am Strand im Blick, so wird der Tag schön bleiben.
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  • Sainte-Marie-la-Mer

    7.–8. Jan. in Frankreich ⋅ ⛅ 11 °C

    3.116 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 139 km/ Gesamt 377.859 km / Ø121,26 km)

    Wohnmobilstellplatz
    66470 Sainte-Marie-la-Mer
    Frankreich

    Einmal Spanien und zurück. Gestern war ein schwieriger Tag. Ich musste entscheiden, was ich machen will. Im Groben ist mir klar, dass ich am französischen Atlantik nordwärts meine Küstenreise fortsetzen will. Aber es ginge ja auch, noch weiter südlich im warmen Spanien ein Stück Küste zu reisen.

    Aber überhaupt. Warum kann ich nicht mal Urlaub vom Reisen machen. Und an einem spanischen Strand im Sonnenschein sitzen und die Beine aus dem Bus baumeln lassen. Weil ich das sonst auch nicht mache, ist eine schwache Antwort.

    Nein, es geht ums Grundsätzliche. Ich habe schon immer mich an irgendetwas orientiert, ein Ziel, ein Fluß, ein Grund, eine Landesgrenze. Einfach unterwegs sein, ziellos umherstreifen, sozusagen kreuz und quer ein Land besuchen. Das macht keinen Sinn.

    Eckpunkte meiner Reise sind Termine und Verabredungen. Und jetzt seit letztem Sommer der Wunsch, Europa's Küstenlinie zu erfahren. Das ist fast wie ein Job, eine Challenge, eine Aufgabe, eine Herausforderung.

    Das macht Sinn und überraschenderweise erlebe ich Küstenabschnitte, die ich schon einmal gefahren bin, durchaus neu und interessant. Stelle also fest, dass sich mir das Land anders öffnet, wenn ich es mit einem gezielten Bewusstsein bereise.

    Ergo. Eine Tour mit fünfhundert Kilometern nach Süden, um in warmer Sonne ein paar Tage die Füße ans Meer zu stellen, kostet mich Geld, das ich nicht habe, und verkürzt den Zeitraum, der mir für die Küste bleibt. Ein wenig ist es Illusion, so zu tun, als würde die warme Sonne langfristig meinem Leben eine andere Fülle geben, wenn ich sie kurzfristig genießen würde.

    Stattdessen fühle ich die Kälte im regnerischen Süden von Frankreich viel intensiver, nachdem ich in Spanien einige Stunden Wärme hatte. Was ist geschehen. Ich komme von Port Leucate und fahre die Küste runter über Les Barcares, wo am Sonntag der letzte Tag im Weihnachtsdorf angebrochen ist. Hochbetrieb ist nicht mehr, aber trotzdem kommen Besucher von nah und fern, um sich einer Illusion zu öffnen, einem Land der Märchen und Geschichten.

    Nochmal Kind sein und staunen, bevor man Zuhause entdeckt, was im Rausch der Möglichkeiten alles eingekauft wurde. Am Plage du Lido zwischen Canet en Roussillon und Saint Cyprien spazieren wir am Meer, ein letztes Mal, so dachte ich. Denn die Camper sind aus Argeles sur Mer verbannt, und die offiziellen Stellplätze sind teuer.

    Dafür hat Port Vendres einen Stellplatz am Rand des Ortes, wo die Polizei morgens um acht Uhr acht Euro kassiert. Was wäre, wenn sie später kämen oder früher. Sie kommen seit Monaten nicht mehr. Vielleicht aus Rücksicht auf den Staub, den die Baumaschinen lärmend aufwühlen, während sie schon früh morgens ihr Tagwerk beginnen.

    Also fahren auch wir weiter nach Banyuls und Cerbere, der letzte Ort vor der Grenze, wo wir Tardas und Justina mit ihrer Hündin treffen, die nach dem litauischen Wort für Zucker benannt ist, während ihr Camper "Hotel" heißt. Ein solches Kennzeichen erfährt häufige Erwähnung, während meine Nummernfolge 1312 in Buchstaben nur bei Insidern ein anerkennendes Nicken hervorlockt.

    So kommen wir ins Gespräch über ihre Reise und wollen uns in Erinnerung behalten. Wir queren die spanische Grenze und beschließen diesen Küstenabschnitt vor Le Port und Llançà, um nach Figueras zu fahren. Hier tanke ich für unter 1,40 Euro und gucke bei Dali vorbei, wo es aufgrund des besonderen Feiertages in Spanien keine Schlange am Eingang gibt.

    Als ich 1979 dort war, gab es die auch nicht, die Preise waren moderat für einen Tramper ohne viel Geld, die Ausstellung aber wirklich bizarr. Okay. Ich habe eine Entscheidung getroffen. Wir fahren über die Autobahn zurück an den Plage du Lido und von dort nach Westen. Dazu kommt es allerdings dann doch nicht, weil wir eine nette Leserin unserer Geschichten in Sainte Marie auf dem günstigen Stellplatz treffen, und uns in nette Gespräche miteinander vertiefen.

    In de Nacht regnet es heftig, wir schlafen gut. Am Morgen ist der Himmel klar und die Sonne geht auf. Wir freuen uns auf den Tag.
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  • Espèraza

    8.–9. Jan. in Frankreich ⋅ ☀️ 13 °C

    3.117 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 146 km/ Gesamt 378.005km / Ø121,27 km)

    Wohnmobilstellplatz
    11260 Espéraza
    Frankreich

    Heute ist der erste Morgen, an dem das linke Knie wieder schmerzt. Nasskalt neblig. Die beste Kombination für das ganze Bein, das ich irgendwie beim Spaziergang extern mitschleppen musste. Zumindest fühlte es sich so an. Jetzt sitzen wir wieder zum Frühstück im blauen Bus, und ich heize uns ein, bis die Sonne rauskommt.

    Dazwischen zweifele ich ein bisschen an mir, dass ich so ein Leben führen möchte, obwohl doch die spanische Sonne greifbar nahe ist. Aber ich müsste halt zurückfahren, weil ich jetzt nicht mehr über die Pyrenäen komme, es sei denn, wir würden den langen Tunnel bevorzugen, oder die Höhenautobahn.

    Für Hilde macht das keinen Unterschied, außer der Tatsache, dass grade kein Strand da ist, um spazieren zu gehen. Und der Papa mit der hügeligen Landschaft nicht gut zurecht kommt. Also, was das Gehen angeht. Ansonsten gefällt es mir hier schon. Wenngleich unser Abschiedsspaziergang am Plage du Lido im strahlenden, warmen Sonnenschein schon eine schöne Erinnerung ist.

    Danach wollen wir Richtung Prades fahren und schauen uns den wohl gepriesenen Stellplatz in Rodès an. Uih, das muss man aber mögen. Parken auf Schotter in so einer Art Hinterhof für fünf Euro. Das mag nicht jeder. Auf jeden Fall ist die Landschaft schön, und ich gebe eine Route ein, die mich ins Tal bringen soll.

    Ungeahnt, dass wir im Land der Katharer unterwegs sind, deren Geschichte sehr interessant ist. Wikipedia und Co halten da alle Informationen bereit. Die engen Gassen und die verwinkelten Dörfer begeistern mich, viel Natur und blaue Seen wie der große Lac d'Agly, wenig Verkehr.

    Die Sonne scheint weitestgehend, aber wir sind auch auf Straßen unterwegs, die von einer Nässe noch nicht getrocknet sind, obwohl es doch gar nicht geregnet haben kann. Zumindest habe ich so den Eindruck, als wäre es eher der nächtliche Nebel, der auf dem Asphalt liegt, der den ganzen Tag im Schatten verbracht hat.

    Ein Land im Eindruck seiner Berge und engen Schluchten, seiner Häuser aus Stein und der mittlerweile ausgetrockneten Flüsse, die mir zeigen, dass es keinen Schnee in den Bergen gab. Denn eigentlich müsste ja hier noch Winter sein, wenn ich drüber nachdenke. Aber bis auf die hohen Bergspitzen ist davon nicht viel zu sehen. Es wirkt eher leicht frühlingshaft.

    Desto weiter wir talwärts fahren, desto besser ist die Infrastruktur. Und so finden wir am Ufer der Aude einen schönen und aktuell kostenlosen Stellplatz. Das Wasser rauscht die ganze Zeit, wir haben nette Nachbarn, und eine Wiese zum Spazierengehen.

    Ao langsam kommt die Sonne raus und am gegenüberliegenden Ufer spaziert eine junge Mutter mit dem Kind auf dem Arm. Ich werde noch meine Wasserflaschen auffüllen, und dann unterhalb der Pyrenäen entlang fahren, weil hier die Temperaturen deutlich höher sind als im Flachland um Toulouse herum.
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