• Denis Schatilow

Tansania & Sansibar

Famulatur im Diocesan Hospital Litembo und Backpacking durch Tansania&Sansibar. Read more
  • Time is brain

    November 6, 2024 in Tanzania ⋅ ☁️ 26 °C

    Von Schlaganfall, Meningitis und anderen schlechten Aussichten | Juven, unser Schneider des Vertrauen

    Der Gottesdienst am Mittwochmorgen ist bereits Routine. Diesmal steht Father Ngai vorne und leitet den Gottesdienst. Er hat auch jetzt, bei seiner Arbeit, die Sonnenbrille an, die ihn ein wenig wie einen Mafia-Boss aussehen lässt. In einem grünen Gewand redet er auf die Gemeinde ein. Hier ein Glockenläuten, da ein paar vergoldete Becher. Ich frage mich jedes Mal wieder, welche Begeisterung die Menschen in sich tragen müssen, um hier regelmäßig zu sein und vor allem Priester zu werden. Frauen sind ja nach wie vor in diesem Amt nicht zugelassen, auch in Tansania nicht. Weil mein Kiswahili nicht ausreicht, um den Worten zu folgen, beobachte ich von ganz hinten immer die Menschen. Es sind überwiegend Frauen, die alle bunte Tücher um ihren Körper geworfen haben. Diese sogenannten „Kitenge“ sollen die womöglich verdreckte Kleidung verbergen und machen beim Hinsehen auch gute Laune. Alles ist bunt, und alle singen aus voller Seele mit. Immer wieder geht’s auf die Knie, dann wieder aufstehen, dann klingelt ein Angestellter mit speziellen Glocken. Für mich steht fest: Es ist der letzte Gottesdienst für dieses Abenteuer, denn am Samstag ist schon meine Abreise geplant. Aber keine Sorge. Es geht noch drei weitere Wochen durch Tansania! Mit seinen schönen Nationalparks und der tollen Kultur. Erst Richtung Norden, dann ein wenig in den Westen, weiter nach Zanzibar und anschließend an die Ostküste. Es wird eine Reise, die ich so schnell nicht vergessen werde. Die Herausforderung wird sein, mit dem wenigen Kiswahili voranzukommen. Aber das sind Sorgen von morgen. Jetzt geht es erstmal zur Visite in der Inneren.

    Dr. Elaina, die kubanische Fachärztin, war auch im Gottesdienst und begrüßt mich. Sie lädt mich ein, bei der Visite dabei zu sein. Generell sprechen die Menschen hier (auch wenn sie aus Kuba kommt) für alles Einladungen aus, auch wenn man sowieso dabei ist. Als wir auf die Innere Station abbiegen, sehen wir den Intern Dr. Risiki schon. Er bereitet die letzten Details für die Visite vor. Dr. Elaina möchte von ihm immer die aktuellsten Patientendaten und Vitalparameter wissen. Die erste Patientin, die wir sehen, ist eine 74-jährige Dame. Ihr Mann und einige Mitglieder der Familie haben sie gestern Abend (Dienstag) gebracht. Die Anamnese hat ergeben, dass sie seit Sonntag eine linksseitige Schwäche im Arm und Bein hat. Dazu verschlechterte sich ihre Vigilanz. Sie trübte über die Tage ein und war Dienstagmittag gar nicht mehr ansprechbar. Ich schaue die Patientin an und sehe, wie sie dort auf dem alten Krankenhausbett liegt. An der Seite klebt ein kleines Schild: St. Marien Hospital Oberhausen. Sie atmet schnell und flach. Ihr Mundwinkel hängt zur linken Seite. Sie spricht nicht. Die Augen sind zu. Kein gutes Zeichen. Auf Ansprache reagiert sie auch heute nicht. Dann bittet Dr. Elaina mich, die Patientin zu wecken. Ich beginne mit Ansprache, werde ein wenig lauter – nichts. Jetzt berühre ich vorsichtig die Arme – nichts. Also gehe ich über und zwicke die Patientin an den Armen. Auch hier keine Reaktion. Jetzt gehe ich zur Ultima Ratio über: Ich mache eine Faust und reibe mit den Enden der Mittelhandknochen über das Brustbein der Patientin. Diese Methode ist bei Menschen, die wach und ansprechbar sind, höllisch schmerzhaft. Es ist quasi ein Knochen-auf-Knochen-Reiben. Diese Patientin bewegt jetzt leicht ihren rechten Arm. Aber eine deutliche Abwehrhaltung, die normal wäre, lässt sich nicht ausmachen. Die Frage, die wir uns jetzt stellen, ist, ob es eine Blutung ist oder ein thrombembolisches Ereignis. Dabei scheint die Antwort auf diese Frage kaum einen Unterschied zu machen. Denn ein CT gibt es hier in Litembo nicht. Die Fahrt nach Songea, wo ich mit dem Flugzeug aus Dar gelandet bin, dauert rund 4 Stunden. Bei einem Schlaganfall fatal. Time is brain. Und je mehr Zeit vergeht, desto schlechter ist ihre Prognose. Sie hat eine Hemiplegie, eine Lähmung der kompletten linken Körperhälfte. Das andere Problem: Die Fahrt mit dem Krankentransportwagen kostet. Da sie nicht versichert ist, muss die Familie das Geld auftreiben. Die Tochter telefoniert seit Stunden. Auf dem kleinen Patiententisch am Bett sehe ich eine Liste. Darauf hat sie Vornamen geschrieben und dahinter die Geldsummen, die sie sich wahrscheinlich dort leihen wird. Es ist wieder ein trauriger Moment. Denn bis die Patientin in Songea ein CT bekommen wird, ist eine Therapie nicht mehr zielführend. Dann ist die Herausforderung, die Versorgung im häuslichen Umfeld zu stemmen. Nach einer orientierenden neurologischen Untersuchung leuchte ich der Patientin in die Augen. Die linke Pupille ist kleiner als die rechte – eine Anisokorie. Es ist zwar nicht sicher zu sagen, aber häufig geht dies mit einer Hirnblutung einher. Schmerzmittel und die engmaschige Blutdruckkontrolle sind alles, was die Ärzte tun können. Den Kopf lagern sie ein wenig nach oben, damit die Schwerkraft der vermuteten Blutung ein wenig entgegenwirken kann.

    Die nächsten 6 Patienten sind aufgrund von Lungenentzündungen, Magenbeschwerden und Durchfall hier. Ein leichteres Therapieschema. Wirklich jeder von ihnen wird bis zu den Zähnen mit Antibiotika versorgt. Natürlich erst, wenn die Patienten sich diese in der Klinik-Apotheke gekauft haben. Am Morgen müssen sie auch einen Kassenbon im Dienstzimmer vorzeigen, um zu bestätigen, dass sie die Nacht und die Behandlung für den kommenden Tag (im Voraus) bezahlt haben.

    Der traurigste Fall ist nichts für schwache Nerven. Es ist ein 22-jähriger Mann, der letzte Woche aufgrund einer bakteriellen Infektion schon einmal hier war. Er hatte Antibiotika erhalten und wurde nach Hause entlassen, als es ihm besser ging. Ein Freund hat ihn vor wenigen Stunden in der Früh hergebracht. Der Patient war kaum erweckbar und reagierte nur auf Schmerzreiz. Sein Name ist Rotari. Die Ärzte fragen seinen Freund alles, was ihnen wichtig erscheint. Aufgrund der bekannten bakteriellen Infektion liegt nahe, dass er die Erkrankung nicht überwunden hat. Nach einigen Untersuchungen stellen wir fest, dass der Patient scheinbar stärkste Schmerzen hat, wenn der Kopf in Richtung Brust genommen wird. Die Arbeitsdiagnose Meningitis steht fest – eine Hirnhautentzündung, wahrscheinlich bakteriell. Jetzt muss alles schnell gehen, denke ich. Wenn ich mich richtig erinnere, wartet man keine Sekunde auf Labortests, sondern startet eine großzügige antibiotische Therapie. Anschließend Blutentnahme und gegebenenfalls Umstellung der Antibiotika, falls eine Resistenz auffällt. Diese Laboruntersuchung mit Kulturen dauert mindestens 2 Tage. Die hat der Patient nicht. Aber wir sind auch nicht in Deutschland. Der Fehler passiert mir immer wieder. Die Frage der Ärzte in Richtung seines Freundes: Gibt es Angehörige oder jemanden, der die Therapie zahlt? Im Voraus versteht sich. So ist es hier üblich. Keine Ausnahmen. Die Familiensituation scheint schwierig. Die Mutter ist verstorben, der Vater hat ihn verstoßen. Allein sein Onkel kümmert sich wohl noch. Was ich in dem Moment noch nicht weiß: Ich werde diesen Onkel am Nachmittag noch kennenlernen. Doch die Finanzen sind knapp und reichen nicht für die Therapie. Ich bitte Dr. Risiki zur Seite. Ich biete an, die Therapie zu finanzieren. Doch das ist nicht erlaubt. Sonst würden wir als Mitarbeitende jeden Tag in dieses Dilemma kommen. Er sagt, dass dieses System in Tansania leider zum Leben der Menschen gehöre und dass es ehrenvoll ist, von mir dies anzubieten, allerdings nicht gern gesehen wird.

    Als ich nach der Mittagspause wieder zurück bin, holt Dr. Risiki mich im Dienstzimmer ab. Er lädt mich ein, einen Totenschein mit ihm auszufüllen und die dazugehörige Untersuchung am Leichnam mit ihm durchzuführen. Ich habe eine Vermutung, in welches Zimmer wir gehen. Vor dem Zimmer sitzt ein Mann in einem roten Shirt und einer schicken schwarzen Hose. Es ist Rotaris Onkel. In einigen Minuten wird er den Totenschein bekommen und ihn Rotaris Familie bringen. Eine Leichenschau ist erschreckend schnell erledigt. Es werden 5 Dinge überprüft:

    Pupillenreflex
    Kornealreflex
    Atmung
    Schmerzreiz
    Würgereiz bei Fremdmaterial im Rachen (Spatel)

    Wenn alle überprüften Dinge negativ ausfallen, ist der Patient tot. Ich diskutiere mit Dr. Risiki, ob es sinnvoll ist, den Patienten weder zu entkleiden noch andere, sichere Todeszeichen zu überprüfen. Wie zum Beispiel Totenflecken. Sicherlich bei der dunklen Hautfarbe nicht so einfach, aber möglich. Auch wir in Deutschland üblich, wird nicht in jede Körperöffnung geschaut. Auch eine Vergiftung kann durchaus in Frage kommen. Aber das wird hier nie gemacht. Es hätte keine Konsequenz. Letztlich ist die Diagnose Meningitis immer noch eine Verdachtsdiagnose. Todesursache laut amtlicher Bescheinigung: Natürlicher Tod – Bakterielle Meningitis. An diesem Tag ist es wieder klar, wie privilegiert wir sind als Europäer. Das Glück und der Zufall, wo wir geboren werden, bestimmen über Leben und Tod. Gewonnen in der Lotterie des Lebens haben die, die in einem westlichen Staat geboren werden.

    Am Abend sitzen wir beim Essen zusammen. Es gibt Nudeln mit einem hervorragenden Tomatensalat. Der Salat hat eine ganz leichte Ingwernote. Definitiv eines der Dinge, die ich in Deutschland auch probieren werde: Ingwer ins Dressing! Wärmste Empfehlung. Als Beilage gibt es Grünkohl und bitter gekochte Tomaten. Die schmecken wie sie heißen... Als es klingelt, freuen wir uns. Es ist Juven, unser Haus- und Hofschneider. Ich habe einiges bei ihm in Auftrag gegeben, und heute bringt er die endgültigen Schnitte. Eins von den Teilen ist eine entspannte Hose mit Taschen und Gummizug, ein bisschen wie eine Jogginghose. Aber diese sitzt wie angegossen. Meine erste maßgeschneiderte Jogginghose. Wer hätte das gedacht? Kostenpunkt für den Stoff: 10 Euro, für die Fertigung der Hose: 3 Euro. Wahnsinn. Zur Belohnung und ein wenig, um die Erfahrungen des heutigen Tages zu verdauen, gibt es Süßes aus meinem Vorrat. Morgen nehme ich mir als Erster vor, nach der Patientin mit dem Schlaganfall zu schauen. Für heute lasse ich es gut sein.
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  • Ausweg Selbstständigkeit

    November 7, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 19 °C

    Die Herausforderung in Tansania Arzt zu werden | Dr.Rizikis Ausstiegspläne | Vorbereitungen zur Abreise

    Als ich an diesem Morgen meine Augen zum ersten Mal ein wenig aufmache, bohrt sich das Sonnenlicht durch den leicht vergilbten Vorhang. Ein leichter Wind bewegt das Klappfenster hin und her. Mit einem sanften Quietschen werde ich aus meinen Träumen geholt. Ich schaue auf mein Handy. Halb sieben, beziehungsweise 0:30, wie wir es hier pflegen zu rechnen. Die Zeitrechnung des Tages beginnt bei uns nicht mit 0:00 in der Nacht, sondern mit 6:00 Uhr morgens. Also ist es erst 0:30. Ich drehe mich noch einmal unter meinem Moskitonetz um. Schlafen klappt aber nicht mehr. Dazu ist es einfach zu hell. Wie so oft schaue ich, ob ich etwas in dieser Welt verpasst habe. Nach den Ereignissen in Amerika, die uns hier komplett fassungslos gemacht haben, erwarte ich nichts Spannendes in der Tagesschau-App. Wurde aber eines Besseren belehrt. Eine Schlagzeile nach der anderen. Ampel-Aus in Deutschland. Auch das noch. Zum Glück bin ich tausende Kilometer weit weg. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und gleich gibt es ein leckeres Frühstück mit frischen Avocados und Tomaten. Was in Deutschland los ist: Sorgen von morgen!

    Nach dem Frühstück geht’s auf die Innere Station. Dr. Riziki wartet dort schon auf mich, und als ich mit frischer Energie um die Ecke komme, ruft er Dr. Elaina an. Die kubanische Fachärztin ist erstaunlich gut drauf. Wir machen uns zusammen auf den Weg zu den Patienten der Station. Dr. Riziki ist mittlerweile zu einem guten Kumpel geworden. Er bezieht mich immer wieder in die Überlegungen ein, welche Diagnosen wir den Patienten stellen müssen. Mal zeigt er mir, welche Laborwerte vom Vortag ausschlaggebend sind, mal führen wir zusammen eine körperliche Untersuchung durch. Immer wieder fragt er mich, was ich denke oder wie meine Diagnose lauten würde. Auch wenn ich unsicher wirke und natürlich oft daneben liege, weil mir die praktische Erfahrung einfach fehlt, ist es eine wichtige Übung. Alle Informationen, die notwendig sind, müssen überblickt werden. Wenn ich Symptome oder Laborwerte nicht auf dem Schirm habe, fragt er noch einmal nach. Er gibt Hilfe und möchte, dass ich möglichst viel lerne. Obwohl er selbst Intern ist (also im praktischen Jahr am Ende des Medizinstudiums), bildet er mich mit einer Leidenschaft aus, die ich wirklich gut finde. Am Ende der Visite sagt er, dass ich selbstbewusster sein soll. Viele Ideen, die ich habe, seien richtig und dass ich erst, wenn ich ins PJ starte, wirklich viel lernen werde. Ein Satz, der immer wieder im Studium fällt. So lang ist es zum Glück nicht mehr bis dahin. Tage wie heute, in denen ich als Medizinstudent eingebunden werde und meine Meinung gewertschätzt wird, motivieren mich wirklich sehr, im April ins 5. Studienjahr zu starten.

    Weil wir mit unseren Patienten schnell fertig sind, laufe ich in die Kantine und hole für das gesamte Team „Chapati“. Es sind süße Pfannkuchen, aber sie schmecken besonders gut. Die Konsistenz ist einfach sehr besonders und schwer zu beschreiben. Jedenfalls freuen sich alle über die kleine Aufmerksamkeit und ich komme mit Dr. Riziki ins Gespräch über seine ganz privaten Ziele. Er lädt mich zum Kaffee bei sich ins Wohnheim ein. Dort will er mir ein wenig mehr erzählen, weil er nicht möchte, dass die Kollegen von seinen Plänen wissen.

    In dem Gemeinschaftsraum schneidet er eine Avocado auf, während ich mich um den Kaffee kümmer. Das Zimmer ist einfach eingerichtet. Eine alte Couch, die in die Jahre gekommen ist. An der Wand hängen zwei alte Bilder, vermutlich von den ersten Interns, die hier je gewohnt haben. Auf dem Boden lehnen verschiedene Acrylbilder. In einer Hälfte des Raums steht eine Staffelei. Daneben kleine Farbtöpfe in Rot, Grün, Blau, Schwarz. Alle Farben, die man für ein Bild benötigt. Auf der Staffelei ein Bild, das gerade entsteht. Darauf ist ein Nashorn zu erkennen. Alle Bilder zeigen Tiere. „Das Beste, was Tansania zu bieten hat“, meint Riziki. Er kommt aus Moshi, direkt am Kilimandscharo. Die Natur und die Wildnis faszinieren ihn. Die Malerei nutzt er, um auf andere Gedanken zu kommen. Er ist froh, hier in Litembo zu sein, da die Arbeitsbedingungen hier angenehm sind und die Ausbildung hervorragend. In den großen Städten würde er den anderen Interns auf den Füßen stehen. Aber dann öffnet er seinen Laptop und zeigt mir eine Internetseite. Es ist eine sehr professionell gestaltete Homepage, auf der Touren auf den Kilimandscharo angeboten werden. Wer in den Serengeti-Nationalpark will, findet auch hier ein passendes Angebot. Ich bin verwirrt und frage, ob er zurück nach Moshi will, um als Guide zu arbeiten. Seine Leidenschaft ist und bleibt die Medizin. Aber nach dem PJ hier als Intern ist eine Anstellung in einem der Krankenhäuser in Tansania nicht sicher. Die Arbeit in den Häusern wird vor allem von Interns gestemmt. Und die rücken Jahr für Jahr nach. Teure Ärzte werden nur angestellt, wenn es sein muss. Deshalb baut er gerade ein Unternehmen mit seinem besten Freund auf. Damit würden sie auf europäischem Niveau verdienen. Als Arzt wäre es bei weitem nicht so viel. Große Pläne für jemanden, der eigentlich einen zukunftssicheren Beruf erlernt hat. Ich frage kritisch, warum er den langen Weg des sechsjährigen Studiums auf sich genommen hat, während ich mich über die Muffins, die er bereitgestellt hat, hermache. Man merkt ihm an, dass eine Art Ohnmacht in seiner Stimme liegt. Das medizinische System in Tansania ist desaströs. Der Regierung mangelt es an guten Ideen und vor allem Finanzen, um ein flächendeckendes Gesundheitssystem einzuführen, das die gleichen Standards hat. Private Investoren und in vielen Regionen auch die Kirchen nutzen dies, um Geld zu verdienen. Wobei die kirchlichen Träger zumindest einen hohen Standard vorweisen. Wir sprechen über das Universitätsklinikum in Düsseldorf. Ich zeige ihm einige Videos, wie unsere Klinik aussieht. Ich wollte es erst nicht machen, da ich Sorge hatte, es würde Riziki runterziehen. Aber er ist sehr interessiert. Er findet allein die Architektur faszinierend und er sagt auch, dass Europa das Ziel vieler seiner Mitstudierenden ist, allerdings sind die Hürden so hoch, dass kaum einer es letztlich schafft. Für Riziki, so sagt er, ist die Selbstständigkeit am Ende auch ein möglicher Ausweg aus der Arbeitslosigkeit, falls niemand einen teuren Arzt einstellen will. Sein Wunsch wäre es, hier in Litembo Chirurg zu sein. Er erzählt daher niemandem von seinem Vorhaben im Hintergrund, weil sonst würde er hier keine Zukunftsperspektive haben.

    Nach einer Stunde Austausch über unsere Studienzeit und den Ablauf gehen wir zurück in die Klinik. Es sind nur einige wenige Meter, da das Wohnheim der Interns direkt am Gelände angrenzt. Die Dame mit dem Schlaganfall von gestern erwartet uns. Sie hat die vierstündige Fahrt von Litembo nach Songea zum CT überstanden. Die Bilder erhält Dr. Riziki auf dem kurzen Dienstweg. Bei WhatsApp zeigt er mir das CT-Bild vom Kopf der Patientin. Der Radiologe in Songea verschickt sie als Video-Nachricht, während er durch die Bilder klickt. Um zu verstehen, warum ich mich wundere, mache ich einen müden Ausflug in die Theorie der Radiologie. Ein Schlaganfall kann zwei Ursachen haben. Entweder blutet man aus einem Gefäß ins Gehirn, alle Areale dahinter werden demnach nicht mit Blut versorgt und es kommt zur bekannten Symptomatik. Oder ein Gefäß ist verschlossen, der Blutfluss also gestoppt. Auch hier ist das Hirnareal hinter diesem Verschluss nicht durchblutet und stirbt ab. Eine frische Blutung ist in einem CT-Scan leicht zu sehen. Möchte man Gefäße in einem CT-Scan darstellen, so benötigt man Kontrastmittel, welches die Gefäße sichtbar macht. Um zu verstehen, wo das Gefäß also verschlossen ist und welche Regionen des Gehirns in Mitleidenschaft gezogen sind, ist ein Kontrastmittel-CT indiziert. (In Deutschland gehört dies zur Routine-Diagnostik bei einem akuten Schlaganfall). Die Patientin, die 4 Stunden zum CT gefahren wurde und 4 Stunden zurück, erhält aber nur eines ohne Kontrastmittel. Wir sehen auf der Aufnahme: Es ist keine Blutung. Die gesamte rechte Hirnhälfte ist untergegangen. Ein Pflegefall für die Familie. Dr. Riziki meint, es bestehen Chancen, dass die Patientin in einigen Monaten sogar wieder laufen könne. Ich bin mir allerdings sicher, dass ein solches CT-Bild absolut nicht dazu passt. Auch als ich nachfrage, warum kein Kontrastmittel gegeben wurde, merke ich, dass Dr. Riziki schlicht nicht routiniert ist. Er gibt ehrlich zu, dass er weder Radiologe noch Neurologe ist und dachte, dass Kontrastmittel schädlich sei. Die Qualität dieser Versorgung ist alles andere als gut. Die Familie ist jedoch dankbar und erleichtert, dass die Diagnose bestätigt wurde. Verrückt, denke ich. Der Mann der Patientin bedankt sich sogar bei mir, dass ich ebenfalls an der Behandlung beteiligt bin. Ich nehme seinen Dank an, da es unfreundlich wäre, es nicht zu tun, wenn ein Familienoberhaupt dies hier ausspricht. Aber ich sage Dr. Riziki, dass er ausrichten soll, dass ich an diesem Fall lerne und nicht behandle. Für Angehörige ist es eine Ehre, wenn weiße Menschen an der Behandlung beteiligt sind. Ein Kult um weiße Menschen, den ich nie verstehen werde.

    Am Abend geht es an den Koffer. Ich lege einige Sachen zusammen und bereite mich auf die Abreise vor. Es wird ab Samstag eine anstrengende, aber sehr interessante Zeit. Einige Stopps und Unterkünfte habe ich bereits gebucht. Ich freue mich sehr. Es ist auch eine Belohnung für die vergangenen Jahre und ich habe nicht vor zu sparen, sondern zu leben!

    Bevor ich mich ausruhe und den Tag ausklingen lasse, stehen noch einige Anrufe in die Heimat an. Ich sehe meine Eltern und meine geliebte Tante wieder. Ein herzliches, wohltuendes Wiedersehen. Inklusive kleiner Fortbildung im Anhang per Mail verschicken. Aber das mache ich gerne. Kontakt in die Heimat bleibt für mich wichtig. Auch aufgrund der Erlebnisse hier. Weil ich aber auch weiß, dass es ihnen gut tut, nicht nur mir. Und weil ich ja noch einige Zeit unterwegs sein werde. Nicht nur in Tansania…
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  • Abschied aus Litembo

    November 8, 2024 in Tanzania ⋅ ⛅ 20 °C

    Mein letzter Tag im Litembo Diocesan Hospital

    Am Morgen klingelt der Wecker um 0:30. Da wir eine andere Zeitrechnung haben, beginnt der Tag mit der Stunde 0 (also 6 Uhr morgens). Es ist mein letzter Tag der Famulatur im Litembo Hospital. Nach dem gemeinsamen Frühstück mit meinen Mädels, die noch 10 Monate bleiben werden, und dem Team von Interplast Germany, das Tag für Tag Kinder und Erwachsene mit Fehlbildungen und Verletzungswunden operiert, schlüpfe ich ein letztes Mal in meinen hellblauen Kasack. Mit dem Stethoskop um den Hals – so wie ich es aus den besten amerikanischen Serien gelernt habe – und der Pupillenleuchte in der Kasacktasche schlendere ich in Richtung Innere Station.

    Die Luft ist über Nacht abgekühlt, sodass es ein herrlicher Morgen ist. Nicht zu warm, aber auch nicht kalt – angenehm. Der Blick in den Himmel ist von dicken Wolken versperrt. Es sieht nach Regen aus, was für diese Jahreszeit ungewöhnlich ist. Ende November bis Ende Dezember fällt hier viel Regen, aber zu dieser Zeit ist es untypisch. Meiner Erfahrung nach klart es mittags oft auf. Wenn der Wind am Vormittag zunimmt und bis zum Abend nachlässt, verschwinden die Wolken häufig.

    Schon beim Betreten der Klinik beginne ich, mich beim Personal zu verabschieden. Ich kenne nicht alle Namen, aber mittlerweile kennen mich alle. Das liegt auch daran, dass ich in der Semesterzeit hier bin. Meine Kommilitonen drücken die Unibank, und Erik schreibt sogar Klausur. Ich aber habe das Gefühl, als wäre ich im Urlaub. Obwohl die Erlebnisse und Erfahrungen nicht immer einfach sind, bleibt am Ende des Tages – mit wenigen Ausnahmen – ein sehr positives Gefühl zurück.

    Wie immer sind Dr. Riziki und Dr. Elaine früh auf der Station. Als ich pünktlich um 2 Uhr (8 Uhr morgens) auftauche, starten wir mit der Visite. Das übliche Klientel: Gastritis, Enteritis, Malaria, Schlaganfall. Alles, was nicht zu den Chirurgen oder Kinderärzten geht, landet hier. Wir sind schnell fertig, da es nur wenige Neuaufnahmen gibt. Anschließend beginnen wir, die Medikamente zu verteilen. Die meisten werden intravenös verabreicht. Zugänge, die älter als drei Tage sind, werden gezogen und von mir erneuert. Dr. Riziki hängt die Infusionen an.

    Alle Zeichen stehen auf Abschied, und so kommen viele Kolleginnen und Kollegen aus der Chirurgie und der Geburtshilfe vorbei, um mir eine gute Reise zu wünschen. Der Zusammenhalt ist wirklich großartig. Den Menschen ist es ein wichtiges Anliegen, mir gute Wünsche mitzugeben – das ist Teil ihrer Kultur. „Karibu za Tanzania“, Willkommen in Tansania. Viele Nummern werden ausgetauscht, und ich verspreche, mich ab und zu zu melden. Es ist richtig schön, so verabschiedet zu werden. Ich verschenke bei jeder Gelegenheit auch meine deutsche Schokolade, Haribo und alles, was ich noch übrig habe. Auch Timothy kommt vorbei und bedankt sich für meine Zeit als Famulantin hier.

    Mit den Mädels mache ich noch ein Foto vor der Klinik – wenigstens als Erinnerung. Spätestens im Februar werden neue Famulanten aus Stadtlohn eintreffen und meinen Posten hier übernehmen.

    Am letzten Tag liegt im Doctors’ House ein Brief auf dem Tisch. Ein Patient, den wir behandelt haben, hat sich besonders viel Mühe gemacht, um sich zu bedanken. Er hat einen Brief an Dr. Thomas geschrieben. Damit dankt er dem gesamten Team aus Deutschland. Am Abend lesen wir gemeinsam den Brief, der uns allen im Doctors’ House gewidmet ist.

    Die Sonne geht hinter dem großen Felsen unter, und der Himmel färbt sich in ein tiefes Orange. Während Dr. Thomas die Zeilen vorliest, erinnere ich mich an die vielen Tage im Hospital. Die vielen Knochenbrüche, das rostige OP-Besteck. Die Prostataoperation, die sehr brutal war. Der Kaiserschnitt in der ersten Woche. Die Säuglingsreanimation, die mich an die Grenze meiner emotionalen Kräfte brachte. Die natürliche Geburt, die ich unter Anleitung von Dr. Aikidu durchführen durfte. Die schwierigen Fälle der letzten Woche – allen voran der junge Mann, der an Meningitis verstarb, weil die Medikamente zu teuer waren. Erinnerungen, die sicherlich für immer bleiben. Mit der Zeit werden sie ein wenig verblassen und im Alltag weniger präsent sein. Aber wenn ich mich erinnern möchte, dann schaue ich hier hinein.

    Um 0 Uhr morgen früh geht mein Bus nach Mbinga. Von dort aus starte ich meine Rundreise durch Tansania. Mein erster Stopp wird Iringa sein – eine vielversprechende Stadt, die stetig wächst. Die Fahrt wird mich zehn Stunden mit dem Bus kosten. Aber so, wie ich die Menschen hier kenne, erwarten mich tolle Begegnungen und viele unvorhergesehene Erlebnisse. Ich freue mich riesig, in das nächste Abenteuer zu starten. Ganz alleine, ohne wirkliche Sprachkenntnisse, aber mit einem Lächeln auf den Lippen. Es wird schon funktionieren. Pole Pole!
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  • Schlafen wie ein Prinz

    November 9, 2024 in Tanzania ⋅ 🌙 19 °C

    Um 5:15 klingelt der Wecker. Meine Abreise steht an. Ich habe am Abend alles so weit gepackt und vorbereitet, dass ich morgens nur noch die Zähne putzen muss und los kann. Es fällt mir richtig schwer, die Tür des Doctors’ House hinter mir zu schließen. Zumindest fürs Erste werde ich Litembo verlassen und meine Reise durch ein wundervolles Land beginnen.
    Meine Fahrt startet vor dem Gelände des Hospitals. Um 6:00 Uhr fährt der erste Kleinbus nach Mbinga. Den muss ich erwischen, damit ich dort den Reisebus nach Iringa bekomme. An diesem Morgen stellen wir einen neuen Rekord auf. Der Kleinbus, dessen beste Jahre längst vorbei sind, hat heute Platz für 14 Menschen. Wir sitzen wie die Hühner auf der Stange. Umfallen kann hier keiner – es gibt schlicht keinen Platz. Die Mittelkonsole vorne ist mit einem einfachen Kissen zu einem Sitzplatz umfunktioniert. Mit dem Fahrer sitzen vier Menschen gequetscht auf der schmalen Bank. Ich hoffe, dass der Fahrer noch gut an die Pedale kommt – auf den ersten Blick sieht es nicht so aus.
    Die einstündige Fahrt ist wie immer ein Erlebnis. Ich glaube, ich habe noch nie in einem Auto gesessen, das sich so sehr zur Seite neigte wie dieses in den vielen Kurven des Hinterlands. Über die Schlaglöcher müssen wir gar nicht reden. Was hier als Straße bezeichnet wird, wäre in Europa die perfekte Strecke für ein Mountainbike-Rennen. Doch im Bus herrscht eine familiäre Stimmung. Die Menschen sprechen miteinander, lachen und haben eine gute Zeit – bis am Busbahnhof in Mbinga die Türen aufgehen und alle ihrer Wege gehen.
    Für mich besteht die Herausforderung nun darin, den richtigen Reisebus unter den vielen Bussen zu finden. Erstaunlich gut meistere ich das jedes Mal. Ich nutze die Aufmerksamkeit, die ich als Weiße automatisch auf mich ziehe, und rufe mehrmals den Namen der Stadt, in die ich will: „Iringa! Iringa!“ Sofort kommen hilfsbereite junge Männer, schnappen sich mein Gepäck und bringen mich zum richtigen Bus. Sie wünschen mir eine gute Reise, berühren meine Arme oder Hände und verabschieden sich freundlich. Diese Situationen sind mir immer etwas unangenehm, doch da ich weiß, dass es nicht böse gemeint ist, lächle ich und bedanke mich: „Asante sana! Kwaheri!“
    Die Busfahrt von Mbinga nach Iringa reiht sich nahtlos in die besonderen Momente der letzten Wochen ein. Sobald wir Mbinga hinter uns lassen, durchqueren wir eine Landschaft, die sich ständig wandelt. Üppige, grüne Hänge und dichte, mystisch wirkende Wälder säumen die Strecke, bevor die Weiten der tansanischen Hochländer auftauchen. Immer wieder passieren wir kleine Dörfer mit Lehm- und Holzhäusern, in denen Kinder, Ziegen und Hunde umherstreifen. Die Menschen am Straßenrand winken freundlich, ihre Gesichter scheinen Geschichten vom Leben, von der Natur und von der Gemeinschaft zu erzählen.
    Im Bus ist die Stimmung heiter und lebendig. Die Menschen, dicht an dicht gedrängt, reden lautstark miteinander, lachen und teilen Snacks, die sie bei Zwischenstopps gekauft haben. Händler mit Körben voller gegrillter Maiskolben oder Mangospieße steigen gelegentlich ein, um ihre Waren anzubieten. Trotz der Enge und der langen Fahrt herrscht eine entspannte Atmosphäre – ein Spiegel der tansanischen Lebensfreude, die mich immer wieder beeindruckt.
    In einem kleinen Städtchen legen wir eine kurze Pause ein. Ich nutze die Gelegenheit, mir die Beine zu vertreten und die Atmosphäre des Marktes zu genießen. Doch ich verliere die Zeit aus den Augen, bis ich plötzlich das laute Hupen unseres Busses höre. Zu meinem Schrecken sehe ich, wie er langsam anfährt! Mein Gepäck ist noch im Bus (zum Glück trage ich Reisepass und Kreditkarte immer bei mir). Ich renne dem Bus hinterher, klopfe wild winkend gegen die Seitenwand – und tatsächlich hält der Fahrer lachend an. „Pole sana“ („Entschuldigung“), sagt er grinsend, während die anderen Passagiere schmunzeln. Ich bin mir sicher, dass er das nur als Scherz gemacht hat, um die Mitreisenden zu amüsieren.
    Die Landschaft, die sich vor uns ausbreitet, ist atemberaubend. Wir fahren an kilometerlangen Teeplantagen bei Njombe vorbei. Die saftigen, grünen Büsche erstrecken sich wie ein flauschiger Teppich bis zum Horizont. Zu gerne würde ich hier anhalten und eine Plantage besuchen, doch leider fehlt mir die Zeit. Vielleicht klappt es an einem anderen Ort auf meiner Reise.
    Die letzte Etappe der zehnstündigen Fahrt führt uns durch das Ngwasi Forest Reserve. Zwischen den dichten Nadelbäumen entdecke ich kleine Affen, die neugierig dem Treiben auf der Straße zusehen. Als der Bus hinter einem LKW langsamer wird, habe ich Zeit, die Tiere genauer zu beobachten. Ich lehne mich zurück und realisiere, wie sehr mich dieses Land fasziniert: die Herzlichkeit der Menschen, die Vielfalt der Landschaft und die kleinen, unerwarteten Abenteuer – all das macht Tansania zu einem Ort, der mich tief beeindruckt.
    Gegen 20 Uhr, längst im Dunkeln, erreichen wir Iringa. Die Straßen sind belebt, und ein Bajaji (motorisierte Rikscha) reiht sich an das nächste. Ich steige in eines der Bajajis, das mich zu meinem Hotel bringt.
    Im „Neema Crafts“ werde ich herzlich empfangen. Alles ist vorbereitet. Erschöpft von der langen Fahrt betrete ich mein Zimmer – und stelle überrascht fest, dass hier wohl das britische Königshaus Geld investiert hat. Wahrscheinlich, um historische Schuldgefühle zu kompensieren, denke ich schmunzelnd. Iringa gehörte einst zum britischen Kolonialgebiet.

    Über „Neema Crafts“ und warum ich hier bin, erzähle ich morgen mehr. Jetzt falle ich wie ein Prinz in das King-Size-Bett und freue mich auf den neuen Tag.
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  • Mit Ally und Johann durch Iringa

    November 10, 2024 in Tanzania ⋅ ⛅ 27 °C

    Ausgedehnte Tour durch Iringa | Deutsche Geschichte | Kunst und Kultur

    Ally (27) und Johann (28), meine Tourguides, holen mich früh am Morgen ab, als Iringa gerade erst erwacht. Ich habe sie über die Rezeption engagiert, und sie werden mir einen authentischen Blick auf Iringa ermöglichen.

    Wir beginnen die etwa vierstündige Tour an der Gedenkstätte für gefallene Soldaten aus Deutschland und Großbritannien. Die Kolonialgeschichte ist hier immer noch ein großer Teil des Alltags, da viele Gebäude und Einrichtungen mit deutschen Geldern restauriert und instand gehalten werden. Weiter geht es am städtischen Gefängnis vorbei in Richtung eines lokalen Marktes.

    Die ersten Sonnenstrahlen fallen auf die geschäftigen Straßen, und der Duft von frisch zubereitetem Chapati und gegrilltem Fleisch vermischt sich mit dem rauchigen Geruch der Holzkohleöfen. Gemeinsam schlendern wir durch die engen, pulsierenden Gassen und nehmen die lebendige Atmosphäre in uns auf. Überall rufen Straßenhändler lautstark ihre Angebote aus, während Passanten in farbenfrohen Kitenge-Stoffen an uns vorbeieilen. Bunt und lebendig – so wie die Vielfalt der Menschen hier. Viele verschiedene Ethnien und religiöse Gemeinschaften leben in Iringa friedlich zusammen. Christen, Muslime und Hindus bilden die größten Gruppen, erzählt Ally. Das Stadtbild spiegelt dies durch die verschiedenen Gotteshäuser wider. Dass in Afrika über 200 verschiedene Ethnien leben, erkennt man hier besser als anderswo. Nur wenige Touristen verirren sich nach Iringa, da es nur einen kleinen Flughafen gibt, der nicht regelmäßig angeflogen wird. Wer in der Nähe eine Safari plant, fliegt meist direkt auf die Landebahnen der Nationalparks. Zum Glück mache ich es anders.

    Unser erster Halt ist der lokale Markt, den Ally und Johann mir voller Begeisterung zeigen. Zwischen Ständen mit glänzenden Früchten, frischem Gemüse und getrocknetem Fisch herrscht reges Treiben. Ally, der die Region wie seine Westentasche kennt, erklärt mir die Vielfalt der exotischen Gewürze – Kardamom, Zimt und Nelken, die aus Sansibar importiert werden. Ich bin fasziniert von den kunstvoll gestapelten Haufen aus Bananen, Tomaten und Maniok und probiere neugierig eine kleine Probe getrockneter Mangos, die ein Verkäufer mir anbietet. Unvorstellbar lecker! Um uns herum verhandeln die Menschen lautstark, und das Lachen der Verkäufer mischt sich mit dem Rauschen der vorbeifahrenden Pikipikis und Bajajis. Es ist wieder diese lebhafte Unordnung und das Gewusel der Menge, in dem sich jeder blind zurechtfindet, die mich so begeistert.

    Von dort aus führen mich die beiden ins Stadtzentrum, wo sich traditionelle Geschäfte und kleine Cafés aneinanderreihen. In einem der Cafés machen wir eine Pause, und Johann bestellt uns allen eine Tasse frisch gebrühten Kaffee aus den nahegelegenen Bergen des Udzungwa-Gebirges. Die Kaffeebohnen, tief und aromatisch, spiegeln den reichen Geschmack der Region wider, sagt Johann. Durch das Fenster beobachte ich das Leben auf der Straße – Schüler in Schuluniformen, Frauen mit großen Körben auf dem Kopf und kleine Kinder, die in den schmalen Gassen spielen. Wahnsinn, was die Frauen hier alles auf dem Kopf transportieren!

    Nach dieser kleinen Stärkung geht es zur berühmten Ruaha Road, einer Hauptstraße, die das Herz des geschäftlichen Lebens in Iringa bildet. Ally und Johann führen mich durch eine bunte Mischung aus kleinen Werkstätten, Schneiderläden und Boutiquen. Ein Schneider sitzt an seiner alten Nähmaschine und näht mit flinken Händen Kitenge-Stoffe zu farbenfrohen Kleidern, während ein junger Künstler seine handgemachten Holzschnitzereien sorgfältig in Szene setzt. Johann erklärt mir dabei viel über die Kreativität und das Handwerk, die hier in Iringa eine lange Tradition haben.

    Später bringen sie mich zum Gangilonga Rock, einem berühmten Aussichtspunkt oberhalb der Stadt. Von hier aus haben wir einen weiten Blick über Iringa und das Umland. Ally erzählt mir die lokale Legende des Felsens, der einst ein Treffpunkt der Heiler und Weisen der Region gewesen sein soll. Die Landschaft ist atemberaubend – von den grünen Hügeln bis hinunter zu den kleinen Häusern der Stadt, die im Sonnenlicht schimmern.

    Zur Mittagszeit kehren wir in die Innenstadt zurück und finden uns in einem beliebten Restaurant ein, das für seine tansanischen Spezialitäten bekannt ist. Während wir Ugali, Ndizi na Nyama (Bananen und Fleisch) und Pilau genießen, wird die Atmosphäre immer lebhafter. Die Einheimischen lachen, unterhalten sich und tauschen Geschichten aus. Ich fühle mich willkommen und eingebunden in das pulsierende Leben um mich herum. Auch wenn ich, wie so oft als Weißer hier, das Gesprächsthema bin, empfinde ich die Neugier der Menschen als angenehm. Immer wieder machen sie mir deutlich, dass ich willkommen bin – „Karibu!“

    Ally und Johann führen mich zum Boma, einem der markantesten Gebäude in Iringa. Die weiße Kolonialarchitektur hebt sich eindrucksvoll von der lebhaften Umgebung ab und erzählt von der Geschichte der deutschen Kolonialzeit, in der dieses imposante Verwaltungsgebäude errichtet wurde. Ally erklärt mir, dass das Boma ursprünglich als Verwaltungszentrum und als Stützpunkt für deutsche Kolonialtruppen diente. Die dicken Wände, großen Bögen und imposanten Holztüren des Gebäudes zeugen von dieser Zeit und lassen die damalige Atmosphäre spürbar werden. Heute ist das Boma ein Ort, an dem Menschen aus Iringa und Besucher aus aller Welt zusammenkommen, um mehr über die Kultur, Geschichte und Traditionen Tansanias zu erfahren.

    Im Inneren des Bomas entdecke ich eine kleine, aber gut gestaltete Ausstellung, die die Entwicklung Iringas und der umliegenden Region dokumentiert. Es gibt Fotografien und alte Karten, die die Stadt zur Kolonialzeit zeigen, sowie zahlreiche Artefakte aus dem täglichen Leben der Hehe, dem indigenen Volk dieser Region. Johann erzählt mir von Chief Mkwawa, dem berühmten Häuptling der Hehe, der mutig gegen die deutschen Kolonialherren kämpfte, und ich spüre den Stolz, mit dem er diese Geschichte erzählt.

    Bevor wir gehen, halte ich einen Moment inne, um die friedliche Atmosphäre des Bomas zu genießen. Ich lade Ally und Johann auf ein Getränk im ansässigen Café ein. In unserem Gespräch erzählen sie, was sie besonders an Iringa schätzen. Ally, als Muslim, und Johann, als Christ, sind seit jeher befreundet und haben nie erlebt, dass sich diese Gemeinschaften nicht vertragen. Das Leben in Iringa scheint friedlich – abseits von Vorurteilen und Anfeindungen.

    Später besuche ich mit Johann sein Kunstatelier, einen inspirierenden Raum voller Farben, Texturen und kreativer Energie. Die Wände sind gesäumt von Gemälden, die die Landschaften, Menschen und Kultur Iringas widerspiegeln. Besonders ein Bild, das verschiedene Tiere unter einer Akazie zeigt, hat es mir angetan. Ich kaufe es, zusammen mit einigen anderen Werken, als Erinnerung an diese besondere Zeit.

    Als der Abend über Iringa hereinbricht, wird mir klar, dass Ally und Johann mir an diesem Tag nicht nur die Stadt gezeigt haben, sondern auch das Herz und die Seele dieses besonderen Ortes – ihre Stadt, die von der Energie und den Träumen ihrer Bewohner lebt und auf die sie so stolz sind.
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  • Vision Neema Crafts

    November 11, 2024 in Tanzania ⋅ ⛅ 28 °C

    Mein Zuhause, das Neema Crafts Guesthouse | Wanderung zum Geheimnis des HeHe Volkes | Aufbruch in den Ruaha Nationalpark

    Wie besprochen, möchte ich einige Eindrücke und Details zu Neema Crafts geben. Ich bin in deren Guesthouse untergebracht. Das Besondere hier ist, dass dieser Betrieb von überwiegend gehörlosen Menschen geführt wird. Auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen arbeiten hier. Heute habe ich die Betriebsstätte besucht. Dieser Besuch war nicht nur inspirierend, sondern auch eine beeindruckende Erfahrung, die mir die Bedeutung von Inklusion, Handwerk und sozialem Engagement in Afrika nähergebracht hat. Neema Crafts ist eine Organisation, die sich darauf spezialisiert hat, Arbeitsmöglichkeiten und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. In ihrer Betriebsstätte wird hochwertiges Kunsthandwerk produziert, das traditionelle tansanische Techniken mit modernem Design verbindet. Für Afrika ist dies ein ganz besonderes Projekt. Inklusion findet im Alltag so gut wie gar nicht statt – ein Problem für tausende betroffene Menschen. Hier in Iringa ist eine Wohlfühloase entstanden. Denn neben der Betriebsstätte finanziert Neema Crafts verschiedene städtebauliche Projekte mit, sodass Iringa eine lebenswerte Stadt für Menschen mit Behinderungen geworden ist.

    Ich wurde herzlich von Phillip, einem Mitarbeiter von Neema Crafts, begrüßt, der mir eine ausführliche Führung durch die Betriebsstätte gab. Er erklärte mir die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und führte mich durch die verschiedenen Werkstätten, darunter die Keramik-, Papier-, Web- und Nähabteilungen. Besonders beeindruckend war zu sehen, wie talentiert die Mitarbeiter in ihren jeweiligen Bereichen sind und mit welcher Hingabe sie ihre Arbeiten anfertigen. Jedes Produkt ein Unikat – mit absoluter Liebe zum Detail. Phillip erklärte mir dabei die einzelnen Arbeitsschritte und zeigte mir, wie aus lokal verfügbaren Materialien einzigartige Produkte entstehen.

    Während der Führung erklärte Phillip auch das soziale Konzept von Neema Crafts. Die Organisation bietet nicht nur Arbeit, sondern auch Ausbildung und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen in der Region. Dies ermöglicht den Mitarbeitern finanzielle Unabhängigkeit und stärkt zugleich die Gemeinschaft, da die Produkte auch im Inland und international verkauft werden. Die Erlöse aus dem Verkauf der Produkte fließen direkt zurück in die Projekte, um noch mehr Menschen helfen zu können. Ich empfehle allen einen Besuch auf der Internetseite!

    Besonders berührend fand ich die Geschichten, die Phillip über die einzelnen Mitarbeiter und ihre persönlichen Herausforderungen und Erfolge erzählte. Es wurde mir klar, wie wichtig Neema Crafts für die lokale Gemeinschaft ist und welche positiven Veränderungen durch die Arbeit der Organisation angestoßen werden.

    Zum Abschluss meines Rundgangs hatte ich die Möglichkeit, einige der handgefertigten Produkte im hauseigenen Laden zu kaufen und damit die Arbeit von Neema Crafts zu unterstützen. Langsam wird der Platz im Gepäck immer weniger…

    Nachdem ich auch im Neema Crafts Café gefrühstückt und einen hervorragenden Kaffee getrunken hatte, habe ich mich auf den Weg zum Igangilonga Plateau gemacht. Es ist ein Aussichtspunkt, von dem aus man ganz Iringa Town und die Iringa-Region überblicken kann. Chief Mkwawa, Anführer des HeHe-Volkes, kam hier Anfang des 19. Jahrhunderts her, um die Stimmen der Urahnen zu hören. Von hier aus beobachtete sein Volk auch die deutschen Truppen zur Zeit der Kolonialzeit. Alois, der hier oben die Touristen begrüßt und die Gebühr abrechnet, begrüßte mich mit freudigem Lächeln. An einem Montag ist hier nicht viel Publikum; ich bin der erste Besucher an diesem Morgen. In seinem schicken Anzug erzählte er wortgewandt von den berühmten Geschichten des HeHe-Volkes und geleitete mich den Weg auf den Felsen. Ein steiler, steiniger Weg, den man erklimmen muss, führte uns beide auf den Felsen und auf das Plateau. Ein atemberaubender Blick, der nur schwer mit der Kamera einzufangen ist. Wir machen einige Bilder und sprechen über Alois, seine Pläne für die Zukunft und seine kleine Familie. Diese Geschichten sind besonders spannend, und ich frage immer wieder gezielt nach dem Leben der Menschen, wenn ich merke, dass es passt und wenn sie aufgeschlossen sind. Nachdem wir eine Stunde auf dem Felsen gesessen und gesprochen haben, steigen wir hinunter. Ich lasse Alois ein großzügiges Trinkgeld da. Er strahlt über alle vier Backen und möchte, dass ich wiederkomme. Er wird ein Geschenk vorbereiten, das er mir dann geben möchte. In dem Wissen, unhöflich zu sein, wenn ich nicht wiederkomme, tauschen wir Nummern aus. Ich will ihm wenigstens mitteilen, falls ich es nicht schaffe. Eine tolle Begegnung, von denen ich immer wieder mit positiven Gefühlen rausgehe.

    Gegen 15 Uhr stehe ich mit meinem Gepäck bei Neema Crafts und warte auf meinen Fahrer. Jetzt geht ein richtiges Abenteuer los, für das ich eine Menge Geld in die Hand nehme. Ich werde von Bosco abgeholt. Mit seinem langen Land Cruiser kommt er um die Ecke und hupt mir aufgeregt zu. Es ist der Shuttle in den Ruaha-Nationalpark, genauer gesagt in die Hilltop Lodge. Die nächsten zwei Tage gehe ich mit einem Fahrer und einem erfahrenen Guide auf die Suche nach all den Tieren, die das Dschungelbuch zu bieten hat. Tatsächlich sehe ich die ersten Affen bereits auf dem 2,5-stündigen Anfahrtsweg. Der Ruaha-Nationalpark ist einer der größten Nationalparks Tansanias, aber nicht so überlaufen und deutlich günstiger als die bekanntesten im Norden (Serengeti und Tarangire). Auf halbem Weg checkt Bosco die Reifen, denn der Weg ist holprig und das Tempo, mit dem er über die unbefestigte Straße jagt, ist beachtlich. Die üppigen Bäume ragen über den kleinen Weg. Jedes Mal, wenn wir unter ihnen hindurchschießen, springen die ausladenden Äste auf und ab. Ein Gefühl von Freiheit stellt sich ein. Unendliche Freiheit. So weit das Auge reicht: grüne Bäume und Unendlichkeit. Auf dem Weg begegnen wir immer wieder Maasai, vor allem Kinder, die auf das Vieh aufpassen. Majestätisch winken sie in ihrer traditionellen Kleidung in Richtung des Jeeps.

    Als wir auf eine steile Straße abbiegen, sehen wir kleine Schakale. Ich bin fasziniert, wie nah sie an die Autos herankommen. Und das, obwohl wir nur zur Unterkunft fahren. Ich freue mich wie ein Kind auf die Safari morgen. Die Unterkunft liegt an einem Felshang oberhalb der Ebene. Ein traumhafter Blick ins Tal. Die viele Arbeit der letzten Wochen und Monate hat sich sowas von ausgezahlt.

    HAKUNA MATATA!
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  • Löwen, Giraffen, Elefanten & Co

    November 12, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 34 °C

    Mein Tag beginnt früh. Sehr früh. Um 5 Uhr klingelt der Wecker, und ich springe sofort auf. Es ist endlich soweit: Ich werde mich auf meine erste Safari begeben. Die Nacht war kurz, aber gerade so erholsam, dass ich es ohne weiteren Wecker aus dem Bett schaffe. In meiner Hütte, direkt am Abhang eines Hügels, ist der Blick ins Tal traumhaft. Die Sonne geht langsam auf, und die endlose Weite des Ruaha-Nationalparks liegt vor mir. Es ist schon ein atemberaubendes Gefühl, auf die vielen Bäume hinunterzuschauen, in dem Wissen, dass unter jedem von ihnen ein Rudel Löwen liegen könnte oder eine Giraffenfamilie die letzten saftig grünen Blätter verputzt. Noch ahne ich nicht, was für ein unfassbar schöner Tag es wird. Mit der Kamera, die Erik mir freundlicherweise geliehen hat, und dem Telezoom-Objektiv mache ich mich auf den Weg zur Terrasse des Restaurants. Um Punkt 6 wird mir das Frühstück serviert: frisch gebackenes Brot, Kaffee und Joghurt. Die Zeitplanung sieht vor, dass wir losfahren, sobald ich fertig bin. Also beeile ich mich, um in den Park zu starten.

    Leonard wird an diesem Tag mein Guide sein. Er ist speziell dafür ausgebildet, die Tiere im Park ausfindig zu machen. Bosco, der Fahrer, der mich schon aus Iringa abgeholt hat, wird Leonards Anweisungen befolgen. Mein Job ist es, alles aufzusaugen und zu genießen.

    Wir fahren in Richtung Nationalpark, denn hier, wo die Lodge steht, ist noch kein Schutzgebiet. Aber der Nationalpark hat keinerlei Zäune, erzählt Leonard – anders als in Südafrika zum Beispiel. Die Tiere laufen hier überall hin, wo sie wollen, auch außerhalb des Parks. Wir sind nicht einmal zehn Minuten unterwegs, da kreuzt eine Elefantenfamilie unseren Weg. Bosco hält sofort an und schaltet den Motor aus. Majestätisch bewegen sich die riesigen Giganten direkt vor und neben uns über den Weg. Sie zupfen hier und da saftige Blätter von den Sträuchern. Es ist eine ganz neue Erfahrung, diesen wilden Tieren zu begegnen. Da ist keine Scheibe zwischen uns. Hin und wieder blicken die Elefanten genau in die Kamera oder aber mir direkt in die Augen – als wollten sie sich vergewissern, dass ich einer von den Guten bin.

    Als wir ein Stück weiterfahren, die nächste Überraschung: Eine neugierige Giraffe schaut hinter einem Baum direkt zu uns. Leonard hat sie längst von Weitem gesehen. Ich aber entdecke sie erst jetzt. Man müsste meinen, diese großen Tiere seien einfach zu entdecken, aber weit gefehlt. Ihre Muster und ihr Verhalten machen es schwierig, sie so einfach zu sehen. Wer eine zehnjährige Berufserfahrung wie Leonard hat, der sieht alles, was sich hier bewegt, sofort. Immer wieder überrascht er mich mit wunderbaren Tieren, die er entdeckt. Ich bin froh, dass wir mit vier Augen die Umgebung im Blick haben. Als wir am Gate des Parks ankommen, erledigt Leonard den Papierkram. Dann geht der Schlagbaum hoch. Die Mitarbeiterin des Parks drückt die eiserne Stange in die Höhe. „Now it’s important to watch carefully and to hear the animals!“ Leonard gibt mir zu verstehen, dass ab jetzt jede Bewegung und jedes Geräusch das Foto des Tages werden könnte.

    Wir fahren bis zur Dämmerung durch den Park und halten immer wieder an. Leonard telefoniert ab und zu mit anderen Guides, um die besten Plätze ausfindig zu machen. Es ist unglaublich schwierig, in Worte zu fassen, wie es sich anfühlt, mitten in diesem Ökosystem zu sein. Oft sind wir das einzige Fahrzeug überhaupt. Leonard meint, dass in der Serengeti regelrecht Autoschlangen an den Spots stehen. Ich habe heute sehr großes Glück, dass hier so wenige Besucher sind – vor allem auch, weil wir drei von den „Big Five“ sehen. Zum Greifen nah! Aber auch die kleinen Tiere sind wunderschön. Neben der kleinsten Antilope der Welt, die mir wohl gerade bis zu den Knien reicht, sehe ich auch Pumba! Die Warzenschweine sind immer zu zweit oder mit Nachwuchs zu dritt unterwegs und extrem scheue Fluchttiere. Mir aber schaut eines genau in die Linse. Jackpot!

    Immer wieder begegnen wir Elefanten und Löwen. Es sind so viele wirklich wunderbare Erinnerungen, die ich festhalte. Am Ende sind es rund 1.400 Bilder, die ich nach und nach sortieren werde. Einige meiner Lieblingsbilder habe ich bereits gesichert.

    Wenn ich die Eindrücke des Tages ein wenig verarbeitet habe, werde ich einen weiteren Beitrag mit einigen Details zu den Tieren hochladen. Nach knapp zehn Stunden Safari, stehend im fahrenden Jeep, falle ich nach dem Abendbuffet gesättigt ins Bett. Was für eine Erfahrung, mehr als 10.000 Kilometer von zu Hause entfernt! Weil ich gar nicht richtig zur Ruhe komme, rufe ich meinen Bruder an, der gerade bei der Arbeit ist. Ich schicke Bilder und Videos in die Klinik und bin überglücklich. Morgen geht’s nach dem Frühstück zurück nach Iringa – Zeit für Erholung und die Weiterreise.
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  • Wunderschönes Ruaha

    November 12, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 34 °C

    Nachdem wir das Gate zum eigentlichen Nationalpark und der Schutzzone für die Wildtiere passiert haben, beginnt Leonard, mir zu erzählen, warum es den Ruaha gibt. Mit über 20.000 Quadratkilometern ist dieser Park seit 2008 größer als die Serengeti. „Wir werden einige der kleinsten und größten Tiere sehen, die auf unserem Planeten leben“, erklärt Leonard. „Natürlich ausgenommen von Fischen oder Walen“, fügt er lachend hinzu. Seit zehn Jahren begleitet er Touristen durch die unendlichen Weiten des Ruaha und kennt sich hier aus wie in seiner linken Westentasche. „Welche Tiere möchtest du heute unbedingt sehen?“, fragt er erwartungsvoll.

    Ich habe keine Ahnung, was ich antworten soll. Aus dem Bauch heraus sage ich, dass ich einfach das sehen will, was die Wildnis zu bieten hat. Jedes Tier, egal wie klein oder groß, interessiert mich. Leonard schaut mich an, eine kleine Falte über seinem linken Mundwinkel verrät, dass er innerlich schmunzelt. „Perfekte Antwort! Wir werden sehen, was die Natur uns hier draußen heute zeigt – was der Busch uns bringt.“ Leonard erklärt, dass er zwar jeden Tag hier unterwegs ist, aber jeder Tag einzigartig und anders ist. Mal sind Hunderte von Tieren zu sehen, mal nur einige wenige. Manchmal sieht er tagelang keine Löwen oder Büffel. Wir werden also mit dem arbeiten müssen, was uns begegnet.

    Unser erstes Ziel ist ein Wasserbecken im trockenen Flusslauf des Great Ruaha River. Bosco, unser Fahrer, fährt auf direktem Wege dorthin. Noch ist die Straße recht befestigt und an manchen Tagen viel befahren. Heute sind wir die Einzigen am Wasserbecken, zumindest zu dieser frühen Zeit. Nilpferde verstecken sich im kühlen Wasser. Ich sehe ihre Augen und Nasen. Daneben liegen Krokodile, die sich sonnen und auf kleinere Beute lauern. Ein Hippo tagsüber außerhalb des Wassers zu sehen, ist unüblich, sagt Leonard. Er erzählt ausführlich von den Gewohnheiten und Eigenschaften dieser Tiere. Im Wasser schützen sich die Hippos vor der grellen Sonne, da ihre Haut nicht für starke Sonneneinstrahlung gemacht ist. Die großen, erfahrenen Kälber kreisen die kleinen, unerfahrenen ein, um sie so vor den Krokodilen zu schützen. Große Hippos stehen zwar nicht auf deren Speiseplan, aber ein kleines Kälbchen ist ein gern gesehenes Fressen für die Reptilien.

    An anderen Teilen des Beckens stehen überall Vögel, Reiher und verschiedene Storchenarten. In der Trockenzeit, die sich gerade dem Ende zuneigt, versammeln sich alle möglichen Tiere an solchen Wasserstellen. Nicht alle gleichzeitig, aber über den Tag verteilt kommen hier verschiedenste Arten vorbei, um genug Wasser für den Tag aufzunehmen.

    Unsere Fahrt geht weiter, und wir halten Ausschau. Tatsächlich entdecke ich ein ganz kleines Wesen im Gestrüpp. Leonard lobt mich für meine guten Augen: ein Dik-Dik, die kleinste Antilopenart der Welt. Gerade mal bis zu meinem Knie reicht die Spitze der Hörner. Es sieht wirklich wie eine zu kleine Antilope aus, und das Witzigste daran: Sie hüpfen auch genau so durch die Gegend. Leonard und ich müssen lachen – er, weil ich völlig begeistert bin, ich, weil ich es unfassbar süß finde, wie das Dik-Dik wegspringt. Dik-Diks leben immer zu zweit in ihrem eigenen Revier. Sie urinieren in ihrem Gebiet, das ungefähr der Hälfte eines Fußballfeldes entsprechen kann, und signalisieren anderen Dik-Diks damit, dass sie dort nichts zu suchen haben.

    Nachdem Leonard das Signal „Transit“ an Bosco weitergegeben hat, setzt dieser die Fahrt fort. Leonard und ich stehen im Jeep und schauen aus dem geöffneten Dach. Am Ende des Tages werde ich merken: Es ist ziemlich anstrengend, den ganzen Tag in einem fahrenden Jeep zu stehen und dabei zu versuchen, Bilder zu schießen. Während unseres Game Drives kommen uns immer wieder Elefanten entgegen – mächtige Tiere, die ausgewachsen nur einen einzigen Feind haben: den Menschen. Ihre Bewegungen sehen so leicht und gleichzeitig bedrohlich aus. Die stämmigen Füße mit den Fettpolstern machen bei jedem Schritt weiche, stempelartige Abdrücke im Sand. Auch kleine Elefantenkälber sehen wir. Leonard teilt sein Wissen mit uns: Die Elefantenkälber lernen von den Muttertieren alles, was sie zum Überleben brauchen. Dabei sind sie in kleinen „Elefantenschulen“ unterwegs, meist begleitet von zwei bis drei ausgewachsenen Elefanten. Es braucht rund acht Jahre, bis die kleinen Schwergewichte ihren Rüssel koordinieren können. Dieser ist ihre Allzweckwaffe. Sie trinken damit, atmen hindurch und greifen und reißen die saftigen Zweige von den Bäumen oder Büschen. Wenn die Sonne hoch am Himmel steht und auf die dicke Haut brennt, besudeln sie sich mit Schlamm, der im Nu trocknet. Leonard scherzt: „Das ist das Geheimnis der schönen Haut der Elefanten – jeden Tag eine wohltuende Schlammmaske.“

    Im Dickicht der Zweige sehen wir immer wieder einige Gazellen und Antilopen. Sie sind in kleineren Gruppen unterwegs, in denen es nur ein Männchen gibt. Es führt die Gruppe an. Trifft es auf ein anderes Männchen, kommt es meist zu Revierkämpfen. „The winner takes it all!“ Alle Weibchen wechseln dann zum Sieger, erklärt Leonard. Sie folgen dem Stärkeren, damit ihr Nachwuchs ebenfalls stark wird.

    Schwieriger zu entdecken ist das Kudu. Mit seinen riesigen Ohren hört es jedes Geräusch schon Kilometer im Voraus. Wir bleiben stehen, und Bosco schaltet den Motor aus. Es dauert rund 25 Minuten, bis ein Kudu so nah kommt, dass ich es vor die Linse bekomme. Das Klicken der Kamera irritiert das Kudu. Aufgeregt schaut es mir genau in die Linse. Ich drücke ab, und Leonard freut sich mit mir, dass ich diesen Schnappschuss machen konnte.
    In der ersten Hälfte des Game Drives sehen wir auch immer wieder kleinere Vögel. Ihre schönen bunten Schnäbel erkennt man auch aus der Entfernung. Ich habe Glück, dass sie in unserer Nähe auf den Ästen sitzen. Dann passiert, was passieren musste: Ein platter Reifen. Kein Wunder bei den unbefestigten Wegen. Oft verlassen wir auch die Wege, um den Tieren ganz nah zu sein. Bosco fährt noch einige Meter bis zu einem Camp weiter und macht sich sofort daran, den Reifen auszutauschen. Anscheinend passiert dies öfter, denn gleich zwei Ersatzreifen hängen hinten am Jeep. Leonard nimmt in der Zwischenzeit die Lunchbox. Es ist die perfekte Zeit, um ein kleines Picknick zu machen. Gezwungenermaßen. Wir setzen uns also an einen kleinen Tisch im Camp und öffnen unsere Lunchpakete. Deftiges Hühnchen und gegrilltes Gemüse. Blick in die Ferne, direkt auf grasende Giraffen. Was für ein Lunch! Während ich genüsslich esse, erzählt Leonard immer wieder Details zu den Giraffen. Sie können bis zu 8 Meter groß werden, ihre Blutgefäße im Hals haben spezielle Klappen, damit der Druck im Gehirn beim Trinken an Wasserstellen nicht zu hoch wird. Aber auch, damit das Blut überhaupt bis in den Kopf kommt. Oft sind Giraffen in Gesellschaft von anderen kleineren Tieren. Antilopen und Gazellen suchen die Nähe der gigantischen Späher. Mit ihrer Perspektive sehen Giraffen ihre Feinde deutlich früher als die kleineren Vierbeiner unter ihnen. Rennt eine Giraffe los, wissen alle anderen ebenfalls Bescheid.

    Nach dem hervorragenden Picknick haben wir einen Tipp von den beiden Camp-Rangern bekommen. Ganz in der Nähe liegt ein Löwenrudel unter einem Gebüsch. Wir machen uns mit dem Jeep vorsichtig auf, um einen Blick auf die ruhenden Löwen zu bekommen. Als wir ankommen, pirschen sich zwei Löwenweibchen an die Giraffen und die Antilopen heran. Leonard hofft auf eine Jagd, so etwas Spannendes ist nicht oft zu beobachten. Und tatsächlich rennen die Löwen los. Aber die Beute hat sie längst gesehen. Die Giraffen rennen mit ihren langen Stelzen los. Der Hals wackelt hin und her. Es sieht ein wenig so aus, als würde die Giraffe betrunken wegtorkeln. Nur viel schneller, als man denken würde. Nach ein paar Metern merken die Löwen, dass es nichts wird. Sie brechen die Jagd ab. Auf dem Rückweg läuft eine Löwin direkt auf mich zu. Ihr Gesicht scheint unzufrieden. Der Gang sagt mehr als tausend Worte. Leonard vermutet, dass die Mägen dieses Rudels länger leer sind. Die fehlgeschlagene Jagd – kein Grund zur Freude, weder für uns noch für die Löwen. Ich denke an die Tiere, die entkommen sind. Da muss die Freude groß sein.

    Bei den Löwen ist es ähnlich wie bei den Gazellen: Ein Männchen hat das Sagen über die Weibchen. Selten sind mehrere Männchen in einem Rudel. Ich frage Leonard, wieso die Mähne des Männchens so klein, fast schon zaghaft ausgeprägt ist. Das liegt an der Art. Diese Art hat keine üppige Mähne, und die Rudel sind auch kleiner als bei den uns bekannten Löwen aus dem Dschungelbuch. Verantwortlich für die Jagd sind aber die Weibchen. Sie haben verschiedene Techniken und reißen, wenn es gut läuft, alles, was für das Rudel groß genug ist. Am besten sind Giraffen oder Kudus. Schaffen sie es, eines dieser Tiere zu reißen, so darf als erstes der Herr des Rudels ran. Wenn er satt und stark genug ist, gibt er den Rest für die Weibchen frei und legt sich erschöpft vom Fressen unter einen Baum.

    Wir entdecken ein zweites Rudel auf der anderen Seite des trockenen Flusses. Bosco fährt vorsichtig dorthin. Hier erleben wir so friedliche Tiere, dass selbst Leonard staunt. Die Löwinnen legen sich hinter unser Auto und streifen auf und ab. Dann sehen auch sie eine Gruppe Impalas (Antilopengattung mit geschwungenen Hörnern). Wieder pirschen sich die Weibchen vor. Aber auch diesmal gelingt es nicht. Das Rudel Impalas ist zu weit weg.

    Als wir den Nachmittag weiterfahren, sehen wir eine ganze Gruppe Zebras. Ihr Muster scheint wie gemalt und erstreckt sich perfekt über das glänzende Fell. Leonard erklärt: Zebras stehen, wenn sie grasen, nebeneinander und blicken dabei in entgegengesetzte Richtungen. Ihre Muster machen es Löwen und anderen Feinden schwierig, sie als einzelne Tiere zu identifizieren. Gleichzeitig haben sie alles im Blick. Die gegenseitigen Schwänze verjagen die Fliegen rund um das Gesicht des anderen. Was für eine perfekte Strategie! Auch hier gelingt es mir, tolle Bilder zu schießen.

    Sehr selten, aber dennoch auf meinen Bildern: Ein Warzenschwein. Leonard nennt sie alle nur „Pumba“, Europäer wissen dann sofort, was er meint, lacht er. Diese wunderbaren Tiere rennen, als wären sie froh, und hoppeln regelrecht. Ihre kleinen Stoßzähne sind dazu da, um im Boden alles Mögliche an Essbarem zu finden. Auch sie leben in Pärchen zusammen und fliehen vor allem, was sich bewegt.

    Am Ende des Tages sitzen Bosco, Leonard und ich zufrieden im Jeep. Wir tauschen uns ein wenig aus und bestaunen meine Bilder auf der Kamera. Ich bin bei Gott kein guter Fotograf. Aber die Kamera und meine Experimentierfreude beim Fotografieren werden mit einem außergewöhnlichen Lob von Leonard belohnt. Er hat schon tausende Menschen hierher begleitet. Aber so viele Tiere wie heute, deren Neugier und meine tollen Bilder – das hat er noch nicht oft erlebt. Ich kann mich glücklich schätzen, dass der Tag so ereignisreich war, sagt er. Eigentlich sieht man diese Fülle an Tieren und vor allem deren Aktivitäten, wie ich es heute erlebt habe, nur, wenn man mehrere Tage bleibt. Dafür aber reicht mein Budget nicht. Noch habe ich Zanzibar auf der Liste. Dafür muss noch etwas in der Reisekasse zurückgehalten werden.

    Hakuna Matata!
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  • Gestrandet in Mbeya

    November 13, 2024 in Tanzania ⋅ 🌩️ 31 °C

    Ich hatte mir vorgenommen, in der Hilltop Lodge auszuschlafen, den Tag mit einem herrlichen Frühstück mit Blick in den Ruaha-Nationalpark zu beginnen und dann langsam den Tag zu planen. Gegen 5:30 Uhr allerdings höre ich lauten Tumult vor oder neben meiner Banda. Ich habe diese Nacht alle Schiebefenster geöffnet, weil es gestern sehr heiß war. Die Netze in den Fenstern halten Mücken und andere Insekten draußen. Schafft es doch mal eine hinein, liege ich unterm Moskitonetz und hoffe, dass die kleinen Geckos, die an den Wänden umherlaufen, die Mücken mit ihren langen, klebrigen Zungen verspeisen. Ich höre also immer wieder ein Aufschreien. Ich brauche nicht lange, um zu verstehen, dass es Affen sein müssen. Ich kämpfe mich unter dem Netz hervor und gehe zum Fenster. Tatsächlich ist ein ganzes Affenrudel zwischen den Bandas unterwegs. Sie suchen alles Mögliche Essbare. Es scheint, als würde der Anführer einen Streit mit einem der anderen Affen austragen. Sie rennen umher und schreien wie wild. Ich hole die Kamera, aber die Affen sehen die Bewegungen in meiner Banda und suchen das Weite. Jetzt, wo ich sowieso wach bin, nutze ich die Gelegenheit. Schnell in meine Klamotten und raus zur Frühstücksterrasse. Die Sonne geht auf und ich will mir diesen magischen Moment ganz in Ruhe anschauen.
    Als ich auf der Terrasse ankomme, ist Donald bereits fleißig und bereitet das Frühstück vor. Er ist wie immer überfreundlich, fragt, ob alles in Ordnung sei und ob er mir eine Freude bereiten kann. Ich bitte ihn um eine Tasse Kaffee. Ich setze mich auf einen der Stühle und genieße die Aussicht.
    Der Himmel färbt sich feuerrot und sorgt für eine unglaubliche Atmosphäre. Hinter dem Berg, wo die Sonne sich am Horizont hinaufzieht, sieht es aus, als brenne das Land. Nach und nach wird aus dem tiefen Rot ein angenehm warmes Orange. Die Farben verlaufen ineinander. Der Nationalpark erwacht langsam zum Leben. Mehr und mehr Geräusche sind hörbar. Die dazugehörigen Tiere im Gehölz auszumachen, ist gar nicht einfach. Unterhalb der Terrasse säubert Askari Maasai ein Wasserbecken. Donald sagt, dass sie es gleich mit frischem Wasser füllen werden, damit die Affen hier trinken können. Heute frühstücke ich also mit einem Rudel Affen. Eine willkommene Abwechslung. Als die Sonne es über den Berg geschafft hat, kommt Donald auf mich zu. Er macht noch einige Fotos für mich als Erinnerung. Anschließend schlendere ich noch einmal zu meiner Banda.
    Gegen 8 Uhr, nachdem ich meine Taschen fertig gepackt habe, gehe ich wieder zurück, um zu frühstücken. Ich staune nicht schlecht, als ich ankomme. Unterhalb der Terrasse sitzen dutzende Affen. Ganz kleine Affenbabys hängen am Fell der Mütter und lassen sich zur Wasserstelle tragen. Hier und da jagen sich die Affen und spielen. Abwechselnd und ich vermute nach Rangordnung, trinken sie am Wasserbecken. Donald lacht und sagt, ich solle ab und zu etwas essen. Das Buffet sei nämlich für mich und nicht für die Affen. Ich muss sagen, das Fotografieren macht echt Spaß. Ich erwische mich immer wieder mit der Kamera in der Hand. Das Frühstück allerdings ist hervorragend. Es gibt alles, was man braucht. Frisches Obst am Morgen tut richtig gut. Ich hatte rundum eine fantastische Zeit hier. Bosco, mein Fahrer, steht schon bereit. Er wird mich zurück nach Iringa bringen. Nachdem ich die finanziellen Angelegenheiten mit Donald geklärt habe, bringen mir zwei Mitarbeiterinnen aus der Küche großzügige Lunchpakete. Ich hatte gestern erzählt, dass ich bis nach Matema weiterfahren möchte. Daraufhin hat Donald ein Mittagessen und ein Abendessen für mich fertig machen lassen. Einfach klasse.
    Die Fahrt mit Bosco ist wie ein kleines Rennen. Er kennt diesen Weg wahrscheinlich blind. Immer wieder bremst er an den bekannten schwierigen und unwegsamen Stellen. Dann gibt er Gas und holt alles aus dem Jeep heraus. Im Spiegel sehe ich schwarzen Staub aufsteigen. Für diese Geschwindigkeiten ist ein Jeep sicher nicht unbedingt ausgelegt. Nicht dieses Modell.
    Wir kommen zügig, aber sicher in Iringa an. Bosco setzt mich am Neema Crafts ab. Hier plane ich die weitere Strecke, die vor mir liegt. Es ist gerade erst 10:30 Uhr. Noch 6,5 Stunden Fahrt bis Mbeya. Von da könnte ich ein Fahrzeug bis Matema bekommen, welches weitere 3 Stunden unterwegs ist. Da ich ungern im Dunkeln unterwegs sein möchte, schaue ich erst einmal, wie ich nach Mbeya komme. Vorher jedoch gehe ich wieder in den Shop von Neema Crafts. Die Kinder meiner Cousine waren so sehr von den Bildern aus dem Ruaha begeistert, dass ich mich entschließe, ganz besondere Mitbringsel zu holen. Mit Lia, der Tochter meiner anderen Cousine, habe ich sogar schon zweimal videofoniert. Ihr Lächeln ist einfach Zucker. Da zwei von den insgesamt vier Kindern auch meine Patenkinder sind, Maxim und Levi, ist es sowieso eine gute Idee. Ruckzuck habe ich 4 Mitbringsel eingekauft. Gabriel, Maxim, Lia und Levi werden sich hoffentlich riesig freuen. Dann muss ich aber langsam wirklich los. Ich nehme ein Bajaji und fahre zum Busbahnhof. Wieder tummeln sich die vielen jungen Männer um mich, die Tickets der Busgesellschaften verkaufen. In diesen Momenten ist es wichtig, selbstbewusst zu wirken. Mit einem „Thank you“ abzuwinken, falls der Name einer anderen Stadt fällt. Ich frage auf Englisch, ob ein Bus nach Mbeya fährt. Keine 2 Minuten später sitze ich in einem Kleinbus. Der ist natürlich so überladen, dass die vielen Menschen stehen und sogar aus den Fenstern hängen. Wir fahren rund 15 Minuten aus Iringa raus, zum Fernbusbahnhof. Dort muss ich ein wenig warten. Es dauert nicht lange, bis mich wieder ein junger Mann anspricht. Er heißt Emmanuel und muss nach Dar es Salaam. Wir kommen ins Gespräch und er erzählt mir, dass er ein Lehramtsstudium macht, viel lieber würde er aber Medizin studieren. Ich muss lächeln. Es scheint überall auf der Welt schwierig zu sein, in dieses Studium zu kommen. Entweder ist man der Schulbeste, oder man hat reiche Eltern, um im Ausland zu studieren. Ich ermutige ihn, an seinem Traum festzuhalten. Wir tauschen Nummern aus und dann kommt mein Bus. Ich muss meinen großen Backpack mit nach oben nehmen. Alle Plätze sind belegt. Der Backpack wird die Fahrt über im Gang liegen, ich sitze auf der kleinen Stufe vor der letzten Reihe. Bei jedem Drempel und davon gibt es unfassbar viele, weil es sonst keine Verkehrsregeln gibt, fliege ich in die Luft. Nach einigen unsanften Landungen auf meinem Steißbein, entscheide ich mich, auf meinem Backpack zu sitzen. Besser als 6 Stunden stehen, wobei ich immer wieder aufstehe, damit die Durchblutung meiner Zehen nicht so leidet. Ein Kribbeln in diesen verrät immer wieder, dass die Sitzposition nicht gerade optimal ist.
    Die Straße Richtung Mbeya ist unfassbar voll. Unser Busfahrer will aber zeitig ankommen. Die Verspätung, die wir mittlerweile nach einigen Stunden haben, ist beachtlich. Rund 1,5 Stunden Verspätung. Der Busfahrer aber gibt alles. Hupt und macht aus einer einspurigen Straße gern mal zwei. Ich glaube, so viele Beinahe-Unfälle habe ich noch nicht erlebt. Aber der Thrill macht auch irgendwie Spaß. Wenn ich schon PikiPiki ohne Helm fahre, dann brauche ich auch keinen Sitzplatz mit Gurt, denke ich.
    Als es zu dämmern beginnt und ich bei Google Maps die Strecke checke, wird mir klar, dass Mbeya für heute mein Etappenziel wird. Ich buche über Booking.com ein Hotel in der Nähe des Fernbahnhofs. 30$ wird mich die Nacht kosten, Bezahlung direkt im Hotel. Als ich im Hotel ankomme, werde ich begrüßt und ein Page bringt mein Gepäck auf das Zimmer. Zu meiner Überraschung berechnet die Dame an der Rezeption nur 10.000 Schilling (4,50€). Ich frage nach und zeige ihr meine Buchung. Dort stehen 30$. Sie lächelt und sagt „Karibu“. Na gut, man muss auch mal etwas annehmen und nicht immer nur geben.
    Ich lade wie üblich alle meine elektronischen Geräte und die Powerbank, um früh am nächsten Morgen aufzubrechen. Matema Beach wird mein Ziel. Am Lake Nyassa möchte ich neue Energie tanken, um Anfang der nächsten Woche das große Ziel Zanzibar zu erreichen.
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  • Frühstück aus der Reiseapotheke

    November 14, 2024 in Tanzania ⋅ ⛅ 30 °C

    Mein Plan war es, um 5:30 aufzustehen, damit ich gegen 6 Uhr am Nane Nane (Busbahnhof) bin. Ich weiß, die Fahrt nach Matema Beach dauert rund 3 Stunden. Früh anzukommen bedeutet also auch mehr Zeit zum Erholen. Allerdings merke ich schon am Abend, dass etwas nicht stimmt. Ich habe immer wieder leichte Schweißausbrüche und meine Verdauung macht auch nicht mehr, was sie soll. Kein gutes Omen, um 3 Stunden in einem Bus zu sitzen. Ich gehe zum ersten Mal an meine gut ausgestattete Reiseapotheke. Neben der Malariaprophylaxe, die ich jeden Tag einnehme, habe ich verschiedene Antibiotika dabei. Natürlich Ibuprofen für kleinere Wehwehchen und jede Menge Mittel gegen Durchfallerkrankungen. Von letzterem nehme ich eine großzügige Portion. Es war nur eine Frage der Zeit, bis mich dieses Schicksal ereilt. Aber halb so wild. Schnell noch ein Blick in die Amboss-App (Medizinwissen), was man nicht unbedingt kombinieren sollte. Aber hier finde ich nichts, was gegen einen ordentlichen Mischkonsum spricht. Also rein damit. Kohle, Hefe, und gegen Mittag schmeiße ich noch eine Mischung natürlicher Bakterien hinterher, um die Darmflora wieder einzunorden. Damit hoffe ich, die Reise zu überstehen. Es ist mein Frühstück und wird bis zum Abend das einzige sein, was ich esse. Ich bleibe den Tag über bei Wasser. Letztlich begebe ich mich gegen 7:30 aus dem Hotel und winke ein Bajaji zu mir. Wie ein Packesel stehe ich da mit meinem Gepäck, aber der Fahrer steigt aus und hilft mir, das Gepäck einzuladen. Er fährt mich zum Nane Nane in Mbeya. Dort herrscht geschäftiges Treiben. Hunderte Verkäufer, die ihre Snacks verkaufen wollen. Fahrgäste, die gezielt zu den Bussen laufen, und ein Mzungu, der keine Ahnung hat, welcher Bus nach Matema Beach fährt. Da ich das Spielchen aber bereits kenne, dauert es sowieso nicht lange, bis sich eine Traube Menschen um mich bildet. Der ein oder andere will meine Tasche nehmen. Ich lehne dankend ab und mache klar, dass ich mein Gepäck selber tragen kann. Dann frage ich nach dem Zielort Matema Beach. Wie auf ein Signal bleiben nur noch zwei junge Männer übrig. Alle anderen suchen direkt die nächsten Fahrgäste. Diese beiden bringen mich aber zu einem Kleinbus. Die Beschilderung verrät, dass ich richtig bin: Kyela, Ipinda, Matema.

    Auf der Busfahrt habe ich die Kamera griffbereit. Wenigstens so kann ich mir ein wenig die Zeit vertreiben. Während wir immer weiter Richtung Grenze zu Malawi fahren, mache ich einige Schnappschüsse und fotografiere die wunderschöne Landschaft. Die kleinen Dörfer liegen hier in einer bergigen Gegend. Die Hänge sind voller Tee- oder Bananenbäume. Lkw stehen am Straßenrand und werden bis oben hin mit den Bananenstauden befüllt. Ich lerne Mr. Richard kennen, der mich im Bus anspricht. Ein Mann Mitte 50, sein Gesicht gezeichnet vom Leben. Er heißt mich in Tansania willkommen, erzählt, dass für viele Menschen hier der Traum, einmal Europa zu besuchen, nicht in Erfüllung geht. Einige seiner Bekannten waren in Spanien und Portugal. Als wir wieder an einer Teeplantage vorbeikommen, erzählt er mir, dass dieser Tee vor allem regional verkauft wird. Die Bananen, die auf den Plantagen nebenan wachsen und reifen, sind für den nationalen und internationalen Markt. Mit „international“ meint er allerdings andere Staaten in Afrika und den Nahen Osten.

    Der Bus hält immer wieder auf der Strecke an, sammelt Fahrgäste auf, die am Straßenrand winken. Auch deshalb dauert die Fahrt deutlich länger. Polepole denke ich. Noch macht mein Körper mit. Auf einer langgezogenen asphaltierten Straße hält der Bus plötzlich, ein entgegenkommender Bus wird von unserem Fahrer angehalten. Die Busfahrer besprechen sich. Dann dreht der Fahrer sich zu mir um, zeigt auf mich und auf den anderen Bus. Scheinbar ein guter Ort, um umzusteigen. Ich nehme mein Hab und Gut und merke, dass die Menschen im Bus beginnen zu lachen. Der Busfahrer hatte sicher etwas gesagt, nach dem Motto „wie bepackt ich doch bin“. Denn ich hatte sichtlich Schwierigkeiten, meinen Backpack und den Daypack gleichzeitig aus dem Bus zu bekommen. Ich lache mit und verabschiede mich von allen Fahrgästen: „Kwa heri!“ Sie wünschen mir eine gute Weiterfahrt: „Safari Njema.“

    Mit dem anderen Bus habe ich wohl eine Stunde gespart, denn der biegt nach einigen Metern auf eine Straße ab, die direkt nach Matema Beach führt. Das Ziel ist nah.

    Als ich in Matema Beach ankomme, habe ich noch keine Unterkunft. Ich mache mich mit meinem Gepäck auf den Weg zu einer der Unterkünfte, die ich in Deutschland von einer Kommilitonin empfohlen bekommen habe. Es stellt sich als Glücksgriff heraus. Ich bekomme eine freie Banda direkt am Strand zum Lake Nyassa. Einfach eingerichtet, aber für mich reicht es allemal. Am wichtigsten: die eigene Toilette. 23 Euro pro Nacht inklusive Frühstück sind absolut in Ordnung. Ich bleibe und beziehe mein Haus am See.

    Am Abend werde ich noch vom Mitarbeiter des Hotels durch das Örtchen geführt. Wir kommen an einer Hochzeit vorbei, die immer laut und wild ist. Frauen tanzen auf der Straße, springen immer wieder von einem Jeep, der voller Boxen ist, und animieren zum Tanzen. Bei dem Wetter muss es unfassbar warm in den Kleidern und Anzügen sein, aber die Menschen feiern ausgelassen.

    Ich gehe auch an Noahs Bar vorbei. Wieder ein Tipp aus Deutschland. Noah ist etwas durch den Wind. Seine Bar ist noch zu. Ich denke, ich habe ihn beim Kraut rauchen gestört. Das jedenfalls verrät der Aschenbecher. Aber wir kommen ins Gespräch und er sagt, ich solle Carla die besten Grüße in Deutschland ausrichten. Ständig klingelt sein Handy, so auch beim Selfie. Über Noah habe ich eine kleine Wanderung gebucht. Für ausländische Touristen ist es verboten, ohne Guide auf Wanderung zu gehen. Nachdem wir ein wenig durch das kleine Dörfchen geschlendert sind, gehe ich zurück zu meiner Banda. Es gibt Abendessen: Reis und Gemüse. In der Hoffnung, dass ich das gut vertrage, stärke ich mich. Dann setze ich mich auf die kleine Terrasse meiner Banda und verfalle in Gedanken. Ein guter Ort, um mal zu grübeln und nachzudenken. Der Blick auf den See, mit seinen kleinen Wellen, die sich so anhören, als wäre ich am Meer. So vergeht eine ganze Stunde, bis ich merke, dass ich schon wieder schweißgebadet bin. Da es zu dämmern beginnt, ziehe ich mich zurück. Schnelle Dusche, zwei Ibuprofen rein und hoffen, dass es mir morgen früh besser geht.
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  • Abenteuerlustig in Matema

    November 15, 2024 in Tanzania ⋅ ☁️ 26 °C

    Früh am Morgen scheint die Sonne durch mein Fenster. Die wärmenden Sonnenstrahlen wecken mich, und ich fühle mich erstaunlich gut. Die Medikamente und der Schlaf haben ganze Arbeit geleistet. Für heute hatte ich einen Strandtag geplant, um mich richtig zu erholen. Zuerst aber gibt es Frühstück. Als ich aus meiner Banda gehe, sehe ich über dem See am Horizont etwas, das aussieht wie dunkler Rauch. Ich bin völlig verwirrt, weil die schwarze Wolke mal nach oben, mal nach unten geht. Dann erzählt mir Emmanuel, der von der Rezeption zu mir gekommen ist, dass es Fliegen sind. Millionen von ihnen kommen vom See in Richtung Land. Er bittet mich deshalb, die Fenster der Banda zu verschließen. Die Fliegen beißen zwar nicht und sind harmlos, aber sie setzen sich auf alles, was weiß ist, und es ist mühsam, diese dann aufzusammeln. Es handelt sich nämlich um Eintagsfliegen. Was für ein Spektakel! Sie fliegen wirklich in riesigen Schwärmen über uns hinweg. Wir warten ein wenig mit dem Frühstück, damit die Fliegen nicht stören. Das Restaurant, das zum Hotel gehört, ist relativ einfach gehalten, hat aber eine hervorragende Küche. Joana hat hier das Sagen, und sie begrüßt mich freundlich. Auch heute gibt es wieder hervorragende Chapati.

    Als ich beim Frühstück so dasitze und mir Gedanken über den Tag mache, packt mich die Abenteuerlust. Von Carla aus Düsseldorf habe ich den Tipp bekommen, die Matema Waterfalls zu besichtigen. Die Wanderung dorthin dauert circa 1 Stunde und ist nichts für bequeme Menschen. Es geht einen Bachlauf entlang bis nach oben zum Wasserfall. Dafür muss ich allerdings einen Guide anheuern, was ich gestern schon getan habe. Golden (ein außergewöhnlicher Name) wird mich durch den Dschungel nach oben begleiten. Wir laufen durch kleinere Siedlungen und Bananenplantagen, ehe wir zum Bachlauf kommen. Jetzt verlassen wir die befestigten Wege und klettern wortwörtlich über Stock und Stein. Golden sagt, dass wir Glück haben. Jetzt zum Ende der Sommerzeit ist der Fluss nur ein kleiner Bach. Wenn der Regen in den Livingstone Mountains einsetzt, dann ist der Wasserfall sehr viel gigantischer und der Fluss so voll, dass man kaum bis nach oben kommt.

    Auf dem Weg nach oben stolpere ich nicht selten. Wir entscheiden, etwas langsamer zu gehen, da auch Golden das ein oder andere Mal stolpert. Das ist der Grund, warum Männer früher sterben als Frauen. Auch wenn es scheinbar nicht weitergeht, packt uns beide der Ehrgeiz. Geht nicht, gibt’s nicht. Ein Satz, den ich bei meiner Ausbildung in der Feuerwehr immer wieder gehört habe. Für mich ist er selbstverständlich, egal, wo ich in den letzten Wochen angekommen bin oder welche Herausforderung vor mir lag. Geht nicht, gibt’s nicht. Und so brechen wir uns zwar fast den Hals, kommen aber nach gut einer Stunde am Wasserfall an. Auch wenn weniger Wasser als sonst hier herunterkommt, ist es ein beruhigendes Gefühl, das Rauschen des Wassers zu hören und einfach dazusitzen. Klatschnaß vom Schweiß. Eine Abkühlung im Wasser wäre jetzt genau das Richtige. Aber aufgrund der Gefahr, sich mit Schistosomen zu infizieren, bleibe ich außerhalb des Wassers. Golden schaut sich immer wieder um. In den steilen Abhängen meint er, höre er immer wieder Geräusche von Affen. Wir können sie leider nicht ausmachen, aber hier müssen Hunderte von ihnen leben. Golden sagt, manche von ihnen sind wirklich groß und bedrohlich. Allerdings haben sie mehr Angst vor Menschen, als dass sie angreifen würden. Ich vertraue auf sein Wort.

    Nach einer guten Dreiviertelstunde entscheiden wir uns, wieder hinunterzugehen. Auch hier bin ich wieder froh, nicht ganz alleine zu sein. Wenn man abrutscht oder stolpert, kann wenigstens einer von beiden Hilfe holen. Als wir unten angekommen sind, bringt Golden mich zu einem kleinen Töpfermarkt. Dieser Markt ist im ganzen Land bekannt für die Tontöpfe, die hier gefertigt werden. Ich habe die Chance, Matilda beim Töpfern kennenzulernen. Sie ist Alteingesessene und töpfert mit einer unglaublichen Ruhe. Gleichzeitig schaut sie beim Sprechen nicht vom Topf weg, denn jedes Produkt soll perfekt werden. Tag für Tag macht sie hier Töpfe für die afrikanischen Kunden.

    Nachdem wir am Mittag zurück sind, bin ich richtig geschafft. Sicherlich noch die Nachwirkungen des kleinen Infekts oder was auch immer ich da ausgebrütet habe. Den restlichen Tag verbringe ich dann doch am Strand und lege mich unter einen der Bäumchen in den Schatten. Von hier aus buche ich den nächsten Bus für morgen und genieße vor dem Abendessen einen traumhaften Sonnenuntergang. Ich werde heute wieder früh schlafen, denn morgen geht es am Nachmittag wieder auf Reisen.
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  • Bus ohne Plan

    November 16, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 28 °C

    Den Morgen und den Vormittag verbringe ich am Strand. Es tut wirklich gut, einfach runterzufahren. Für sich zu sein. Keine Termine und keine Verpflichtungen zu haben. Das Einzige, was immer wieder in meinem Kopf schwirrt, ist meine Doktorarbeit. Das Netz hier ist aber viel zu schlecht, um vernünftig zu recherchieren und zu arbeiten. Weil mich das schlechte Gewissen ein wenig plagt, tausche ich mich mit meinem Doktorvater aus. Danach geht die Entspannung in eine neue Runde und auf ein ganz anderes Level. Ich habe Zeit. Soll ich die Reise und die Erlebnisse genießen. Die Doktorarbeit ist ein Projekt, wenn ich zurück in Deutschland bin. Das sind mal gute Nachrichten. Ein Professor, den man sich wünscht. Auch wenn ich längst fertig sein wollte mit der Arbeit, kommen im Alltag doch immer wieder andere Dinge dazwischen. Im Februar werde ich aber final daran arbeiten und die Monografie fertigstellen. So viel ist klar. Für den Moment genieße ich die Sonne und das Frühstück in Matema Beach. Am Mittag steht dann das Packen der Taschen wieder an. Eine lästige Aufgabe. Vor allem, wenn man, so wie ich, nur unterwegs ist. Ich habe mein Backpack die letzten Tage so oft aufgemacht, ausgepackt, eingepackt oder umgepackt. Deshalb freue ich mich auf die Zeit auf Zanzibar. Dort habe ich Unterkünfte, in denen ich zumindest ein paar Nächte länger am Stück bleibe. Ich bezahle meine Unterkunft hier in Matema Beach und begebe mich auf das nächste Abenteuer. Die Challenge ist, um 16:00 Uhr einen Fernbus in Kyela zu bekommen. Kyela ist eine Stadt ebenfalls am Lake Nyassa. Luftlinie sind es 10 km, aber die Fahrt mit einem Kleinbus dauert ca. 1 Stunde. Das Problem, das ich habe: Es gibt weder Abfahrtspläne noch Buslinien. Ich nehme mir extra etwas mehr Zeit für die Fahrt bis Kyela. Und ich sollte recht behalten. Um 12 Uhr mittags breche ich auf. Am Bus stand in Matema dann die erste Hiobsbotschaft: Der Bus, der dort steht, fährt erst, wenn er voll ist. Ich habe keine Wahl, also warten wir mit einer Handvoll Menschen. Gegen 13 Uhr, eine ganze Stunde später, setzt der Bus sich in Bewegung. Ich hoffe, dass ich es bis 16 Uhr nach Kyela schaffe. Mitten während der Fahrt sagt der Fahrer dann, dass er gar nicht bis Kyela fährt. Ich müsse umsteigen, wenn er mir das Zeichen dazu gibt. Spätestens jetzt treibt es mir wieder den Schweiß auf die Stirn. Das kann ja was geben. Immer wieder checke ich auf Google Maps, ob wenigstens die Richtung stimmt. Mitten im Nirgendwo kommt das Zeichen. Ich muss hier wohl raus. Als ich aus dem Kleinbus aussteige, steht nur noch ein kleiner PKW an der Haltestelle im Nichts. Dort aber entdecke ich ein kleines Schild „Kyela“. Ich spreche den Fahrer an, und tatsächlich nimmt er mich mit. Ziel ist Kyela. Um 15:00 erreichen wir Kyela. Für eine Strecke, die sonst eine Stunde dauert, habe ich also 3 Stunden gebraucht. Das ist genau die Zeitrechnung, die in Tansania Standard ist. Man muss viel Geduld und Zeit einplanen auf solchen Reisen. Auch weil man an jeder Stelle einfach aus dem Bus aussteigen kann. Genau so winken Menschen am Straßenrand den Bus heran, und er nimmt die Menschen mit. Ganz egal, in welcher hintersten Ecke man sich gerade befindet. Aber das System scheint zu funktionieren. Und alle sind zufrieden, wie es läuft. Nur der Europäer hat immer wieder Sorge, nicht anzukommen.

    In Kyela nutze ich die Stunde, die ich habe. Ich kaufe mir ansprechend aussehende Snacks und probiere mich durch einige kleinere Snackbuden. Immer mit der Gefahr, wieder mit einem flotten Otto zu enden. Aber dafür habe ich ja die Medikamente im Gepäck. Bis jetzt schmeckt es einfach hervorragend.

    Pünktlich um 16 Uhr fährt mein Nachtbus ab. Das Entertainment-Programm ist aber dürftig. Neben komischen Musikvideos tauchen immer wieder Prediger auf den Bildschirmen auf, die stundenlang ins Mikrofon brüllen. Ich setze meine AirPods auf und versuche, etwas zu entspannen. Wenigstens draußen tut sich was. Es beginnt zu regnen. Aber nur leicht. Die trockene Landschaft verwandelt sich in ein tropisches Gebiet. Mit dem Lärm in den Ohren werden es jetzt aber 16 anstrengende Stunden. Ich werde die Nacht auf Rädern verbringen. Das Ziel ist wieder Daressalam, wo wir um 8 Uhr in der Früh ankommen sollen. Geht mein Plan auf, dann werde ich um 9:30 Uhr in See stechen. Bye bye, Festland. Auf geht’s in den Indischen Ozean.
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  • Endlich auf Zanzibar

    November 17, 2024 in Tanzania ⋅ 🌙 29 °C

    Die Busfahrt von Kyela verlief alles andere als gut. Erst gegen 1 Uhr ein lauter Knall, wenige Minuten später war klar, wir haben eine Reifenpanne. Langsam legte sich dann auch der Geruch von verbranntem Gummi über den Bus. Bei dem Fahrstil, den die Fahrer hier an den Tag legen, wundert es mich aber nicht. Ständig wurde gehupt und die Musik wurde auch nur wenig leiser gedreht. Am Ende habe ich einige wenige Stunden geschlafen. Man sieht es mir leider auch an.
    Nichtsdestotrotz sind wir gegen 8:30 Uhr in Dar es Salaam angekommen. Ich habe mir direkt ein Bajaji gemietet und wurde zum Fähranleger gebracht. Hier buhlten die tansanischen Männer wieder um jeden Fahrgast. Besonders von Weißen erhoffen sie sich ein üppiges Trinkgeld. Wenn keins kommt, fragen sie auch ganz offensiv und sagen selbst, was angemessen wäre. Aber das kenne ich mittlerweile. Um 9:30 Uhr ging’s dann nach einer Sicherheitskontrolle endlich los. Wir legten ab und stachen in See. Der Indische Ozean meinte es heute gut und war sehr ruhig. Gegen 11 Uhr fährt die Fähre in Stone Town ein. Raus auf die Insel und dann erst einmal Papiere vorzeigen. Obwohl Zanzibar zu Tansania gehört, ist das Zanzibar-Archipel mit seinen über 50 kleineren Inseln und Sandbänken weitgehend autonom. Für die Einreise braucht man seit dem 01.10. eine Versicherung, die man nur bei der eigenen staatlichen Versicherung abschließen kann: die Zanzibar Health Insurance. 40 $ legen Touristen dafür hin, hinzu 60 $ für die Hin- und Rückfahrt mit der Fähre. Halb so wild. Ich hatte alles schon vor Wochen vorbereitet und beantragt und bekomme deshalb den Visastempel ohne Probleme. Welcome to Zanzibar. Noch in derselben Stunde buche ich völlig übermüdet eine Stadtführung über GetYourGuide. Eine hervorragende App, wenn auch etwas überteuert.

    Mit Saleh als meinem Guide begann eine unvergessliche Reise durch das Herz von Sansibar, das malerische Stone Town. Diese geschichtsträchtige Stadt, ein UNESCO-Weltkulturerbe, vereint auf faszinierende Weise Jahrhunderte von Handel, Kultur und Religion. Saleh, mit seinem breiten Wissen und seinem freundlichen Lächeln, erweckte für mich die Geschichte dieser Stadt zum Leben.

    Unser erster Halt war der alte Sklavenmarkt, ein Ort, der von tiefer Trauer und historischer Bedeutung geprägt ist. Hier erzählte Saleh eindrucksvoll von der düsteren Vergangenheit Sansibars als Knotenpunkt des ostafrikanischen Sklavenhandels. Wir besuchten die unterirdischen Kammern (Bilder in der Galerie), in denen Sklaven in klaustrophobischen Bedingungen gehalten wurden, bevor sie verkauft wurden. In diesen kleinen Kerkern gab es kaum Nahrung, kaum Wasser und vor allem keine Toilette. Unvorstellbar grausam. Saleh wies auf die anglikanische Christuskirche hin, die heute auf dem Gelände steht, ein symbolisches Mahnmal für die Überwindung dieser grausamen Epoche. Besonders berührend war das Denkmal, das Sklaven in Ketten darstellt. Ein stiller Appell, diese dunkle Geschichte niemals zu vergessen.

    Danach führte mich Saleh zum Darajani-Markt, dem pulsierenden Herzen des modernen Stone Town. Hier wurde ich von einer Explosion aus Farben, Gerüchen und Geräuschen empfangen. Frisches Obst, Gewürze, Fisch und Textilien wurden in einem lebhaften Chaos angeboten. Saleh erklärte mir, wie der Markt nicht nur ein Ort des Handels ist, sondern auch ein sozialer Treffpunkt für die Einheimischen. Besonders beeindruckend war die Vielfalt der angebotenen Gewürze, die Sansibar den Beinamen „Gewürzinsel“ eingebracht haben. An einem Treffpunkt der Einheimischen entdecke ich viele politische Statements an der Wand. Saleh sagt, dass die Menschen abends hier zusammenkommen, um zu diskutieren und zu streiten, für eine bessere Welt. Aber alles in Frieden und mit Argumenten. Politik der Worte, nennt er es.
    Weiter ging es zum „House of Wonders“, einem beeindruckenden Bauwerk, das seinen Namen der Tatsache verdankt, dass es das erste Gebäude in Ostafrika mit elektrischem Licht und einem Fahrstuhl war. Obwohl es aktuell renoviert wird, strahlt das Gebäude immer noch eine majestätische Aura aus. Saleh erklärte mir, dass das Haus einst als Palast des Sultans diente und heute die Geschichte und Kultur Sansibars in einem Museum darstellt. Die Architektur, ein Mix aus arabischen, indischen und europäischen Einflüssen, ist ein Zeugnis der kulturellen Vielfalt der Insel, sagte er weiter.

    Ein besonders beeindruckender Aspekt von Stone Town ist die friedliche Koexistenz der verschiedenen religiösen Gemeinschaften. Während unseres Spaziergangs zeigte Saleh mir Moscheen, Kirchen und hinduistische Tempel, die oft nur wenige Meter voneinander entfernt liegen. Er erzählte mir, dass die Bewohner von Stone Town stolz auf ihre Toleranz und ihr harmonisches Zusammenleben sind. Diese Vielfalt spiegelt sich nicht nur in der Architektur wider, sondern auch in den Gesichtern der Menschen und der lokalen Küche, die von arabischen, indischen und afrikanischen Einflüssen geprägt ist. Das werde ich später am Abend noch eindrucksvoll merken.

    Nach einem Tag voller Entdeckungen ließ ich den Abend im Beach House Zanzibar ausklingen, einem charmanten Restaurant direkt am Meer. Von der Terrasse aus genoss ich köstliche lokale Gerichte mit einem modernen Twist, die perfekt den Geist Sansibars einfingen, von dem Saleh mir so viel erzählt hatte. Er war richtig stolz auf seine Insel. Als echter Zanzibare ist es ihm eine Ehre, diese Geschichte an interessierte Touristen weiterzugeben. Während ich aß, tauchte die untergehende Sonne die Stadt und das Meer in ein warmes, goldenes Licht. Der Sonnenuntergang war atemberaubend – die Farben reichten von leuchtendem Orange über tiefes Rot bis hin zu zartem Violett, mit meinem iPhone nicht einzufangen. Der Moment war magisch und ein perfekter Abschluss eines Tages, der voller Geschichte, Kultur und Schönheit war.

    Mit Saleh an meiner Seite wurde die Geschichte von Stone Town lebendig. Seine Leidenschaft für die Stadt und sein Wissen über die verschiedenen Epochen machten die Tour zu einem bedeutungsvollen Erlebnis. Stone Town ist nicht nur eine Stadt aus Steinen und Gassen (deshalb der Name, weil in Ostafrika nicht mit Stein gebaut wurde. Erst die arabischen und britischen Einflüsse brachten diese Stadt zu ihrem Namen), sondern ein lebendiger Ausdruck von Geschichte, Kultur und menschlichem Zusammenhalt. Am Ende des Tages verließ ich die Altstadt mit dem Gefühl, wieder etwas Besonderes erlebt zu haben – eine Reise in die Seele Sansibars. Und diese Reise hat gerade erst begonnen…
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  • Im Paradies

    November 18, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 29 °C

    Prison Island | Nakupenda Sandbank | Forodhani Night Market

    Das Frühstück, das ich im Hotel bekomme, besteht vor allem aus frischen Früchten. Eine leckerer und saftiger als die andere: Zuckersüße Ananas neben einer butterweichen Mango und vollmundiger Avocado. Es ist so unglaublich lecker. Ich bin schnell gesättigt und mache mich auf den Weg zum Strand in Stone Town. Dort wartet ein Guide auf mich, der mich nach Prison Island fahren wird.
    Am Strand angekommen, wartet bereits Abdul auf mich. Ein sehr zuvorkommender junger Mann Anfang 30. Er lebt und arbeitet hier in Stone Town. Für seinen Beruf als Guide hat er neben Englisch auch Italienisch und Französisch gelernt. Das ist eine echte Seltenheit, denn Sprachkurse sind in Tansania generell sehr teuer. Nach einer kurzen Begrüßung und ein wenig Smalltalk gehen wir zu einem Boot mit einem Außenmotor. Eine Lkw-Plane ist wie ein Dach über ein Gestell gespannt, damit man der brütend heißen Sonne nicht gänzlich ausgeliefert ist. Mit dem Motorboot beginnt die 40-minütige Überfahrt nach Prison Island. Dort angekommen, stehen etliche Motorboote am Ufer, um Touristen auf- und abzuladen. Es ist gewissermaßen das obligatorische Touristenprogramm, aber die Geschichte der Insel interessiert mich, und deshalb habe ich mich heute darauf eingelassen. Wir haben allerdings Glück. Denn es ist gerade mal 10 Uhr, und die meisten Touristenboote legen erst am Mittag an.
    Prison Island ist eine kleine Insel, die zu Zanzibar gehört. Einst als Geschenk des omanischen Herrschers an zwei Sklaven, hielten diese dort selbst Sklaven, um sie in Stone Town zu verkaufen. Nachdem die Briten Zanzibar eroberten, war die Insel vor allem eine Quarantäne-Insel. Während der Gelbfieber-Epidemie wurden die Infizierten hierhergebracht. In Sichtweite zu dem Gebäude, das ursprünglich als Gefängnis konzipiert und gedacht war, liegt eine zweite kleine Insel – Grave Island. Hierher brachte man die Leichen, die in der Quarantäne gestorben waren. Eine Bewohnerin, die all das miterlebt hat, treffe ich ein paar Meter weiter. Das einzige, was sie nicht kann, ist, mir von dieser Zeit zu erzählen. Die 200 Jahre alte Schildkröte lebt mit ihren Artgenossen in dem Schutzreservat. Hier gibt es sogar eine kleine Zucht, um die Landschildkröten auf der Insel zu behalten. Sicher eher als Attraktion gedacht.
    Von Prison Island aus geht es dann mit voller Kraft voraus in Richtung Indischer Ozean. Das Ziel ist eine Sandbank, die bei Flut nicht zu sehen ist. Da aber gerade Ebbe herrscht, steuern wir nach weiteren 40 Minuten auf Nakupenda zu. Der Sand ist so schön fein, als würde man auf Puderzucker laufen. Vom Boot aus sieht man jede Menge Seesterne und Seeigel, denn das Wasser ist wunderbar klar. Jetzt ist Zeit, zu schnorcheln und sich zu sonnen. Während ich das Wetter genieße, bereitet Abdul mit einigen Kollegen der anderen Boote das Mittagessen zu. Der Duft von Meeresfrüchten, die auf dem Grill liegen, verbreitet sich über die ganze Sandbank. Langusten, Crevetten, Hai, Oktopus und Calamari brutzeln auf dem Rost. Frische Meerestiere bei bestem Wetter. Es ist, als wäre ich im Paradies. Für die Drohne allerdings ist es leider zu windig. Nakupenda ist nur wenige hundert Meter lang und 40 Meter breit – zumindest aktuell. Nach und nach wird die Sandbank kleiner. Gegen 15:15 Uhr müssen wir aufbrechen, denn dann kommt das Wasser bis zu unserem kleinen Picknickplatz. Die Flut hat begonnen, und Nakupenda verschwindet wieder und gehört für einige Stunden nur den Meeresbewohnern.
    Die Rückfahrt von Nakupenda bis Stone Town dauert nur rund 20 Minuten. Ich beschließe, noch durch die Gassen zu schlendern und ein wenig zu shoppen. Da ich ein wenig Kiswahili spreche, ist es einfacher, die Preise fair zu verhandeln. Ansonsten kommen immer saftige Touristenaufschläge, die ich vermeiden will.
    Am Abend ist es wieder Zeit für den Sonnenuntergang. Da ich mich am Mittagsbuffet köstlich satt gegessen habe, gibt es nur ein paar Cocktails und einen wunderschönen Blick aufs Meer. Die rote Sonne taucht am Horizont langsam ins Meer ein. Jetzt, wo die Sonne untergegangen ist, erwacht der Forodhani Night Market. Ein lebendiger Markt mitten auf der Promenade in Stone Town. Es herrscht ein wuseliges Treiben. Neben zahlreichen Ständen mit allerlei Snacks bieten verschiedene Händler handgefertigte Dinge an. Wunderschöne Schnitzereien oder andere Kunst. Leider alles zu groß für den Rücktransport nach Deutschland.
    Den Abend lasse ich in einer Bar ausklingen, in der ich zu Livemusik meine nächsten Tage plane und die Unterkünfte buche. Morgen verlasse ich Stone Town und begebe mich zu anderen schönen Orten dieser Insel.
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  • Die Affen sind los !

    November 19, 2024 in Tanzania ⋅ ☁️ 31 °C

    Abreise aus Stone Town | Jozani National Forest

    Am Morgen gibt es noch einmal ein leckeres Frühstück im Hiliki House in Stone Town. Der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee zieht durch das Haus, während ich meine sieben Sachen schon wieder zusammenpacke. Im Hiliki House ist es total schön, dass alle Gäste an einem gemeinsamen Tisch frühstücken. Wir finden uns also mit fremden Menschen aus vier Nationen am Tisch ein. Es gibt wunderbares Obst vom nahegelegenen Markt. Dayana, die sich sehr aufmerksam ums Frühstück kümmert, fragt, wer welches Ei möchte und ob ein Omelett oder andere Wünsche da sind. Daneben gibt es leckere frische Chapati und hausgemachte Marmelade. Es dauert nicht lange, bis man ein wenig ins Gespräch kommt. Ein Backpacker-Pärchen aus Frankreich, ein älterer Herr aus Italien und ein Pärchen mittleren Alters aus Tschechien. Natürlich noch meine Wenigkeit. Die meisten sind hier, weil sie Urlaub machen. Das Hiliki House dient vielen als kurzer Zwischenstopp, bevor es in die Urlaubs-Resorts geht.
    Nach dem wunderbaren Frühstück checke ich aus und mache mich voll bepackt auf den Weg. Da ich mittlerweile versiert darin bin, nach dem Weg zu fragen, gelingt es mir schnell, herauszufinden, wo der Dala Dala-Terminal (Busbahnhof) ist. Von dort ist es am einfachsten, in den Südosten der Insel zu gelangen. Ein Taxi würde mich rund 60 $ kosten. Mit dem richtigen Dala Dala und 2000 Schilling Trinkgeld wegen des großen Gepäcks kostet mich die Fahrt bis zur Jozani Biosphere Lodge direkt im Nationalpark gerade einmal 9 €. Aber der Komfort ist gleich null. Wenig Platz, sehr heiß und dicht gedrängt mit vielen anderen einheimischen Passagieren. Ich finde das allerdings klasse, auch wenn der ein oder andere über mich schmunzelt.
    Nach 25 Minuten hebe ich die Hand und gebe dem Fahrer damit ein Zeichen. Ich muss aussteigen. Da es hier keine reguläre Bushaltestelle gibt, funktioniert es auf Zuruf. Vor den Toren des Nationalparks kommt der Bus zum Stehen, und ich versuche, möglichst schnell meine Sachen aus dem Bus zu bekommen, damit die anderen Fahrgäste direkt weiterkönnen. Es sind nur wenige Meter bis zur Biosphere Lodge. Dort begrüßt mich Rashid. Er bringt mir einen leckeren Mocktail aus Mango, Avocado und Limette – eine Fruchtexplosion im Gaumen. Wirklich gut! Dann setzen wir uns, und er erklärt mir einige Dinge. Da die Lodge mitten im Nationalpark steht, ist es wichtig, alles stets abzuschließen. Die vielen Affen und Lemuren, die hier immer wieder vorbeiziehen auf der Suche nach Nahrung, nehmen sonst alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Dazu ein absolutes Verbot, die Tiere zu füttern, da sie sonst die Lodge belagern. Der übliche Hinweis, keinen Müll zu hinterlassen, ist für mich selbstverständlich.
    Danach kann ich mein Zimmer beziehen. Ein kleines, einfaches Zimmer mit einem Bad.
    Nach einer kurzen Pause entschließe ich mich, in den Nationalpark zu gehen. Dort soll es von roten Stummelschwanzaffen wimmeln. Das muss ich sehen! Natürlich nehme ich die Kamera mit, schließlich habe ich unglaubliche Fotos im Ruaha geschossen. Ob mir das jetzt bei den Affen auch gelingt?
    Am Eingang des Parks muss ich mich anmelden und wie überall meine Ausweisnummer eintragen. Schlappe 11 $ kostet der Eintritt inklusive eines Guides. Ohne Guide ist das Betreten des Nationalparks untersagt. Für heute wird Annan, ein freundlicher junger Mann, mein Guide sein. Wir machen uns auf den Weg in Richtung Wald. Palmen und Malven wachsen hier meterhoch und bilden den Dschungel. Das Wetter ist unangenehm schwül und drückend. Bei jedem Schritt über den dunklen Waldboden hört es sich an, als würde der Boden hohl sein – dumpfe, aber laute Schritte.
    Nicht einmal 5 Minuten, nachdem wir los sind, sehen wir die ersten Affenrudel. Ich fotografiere, was das Zeug hält. Die roten Stummelschwanzaffen sind hier beheimatet. Es gibt auch Blue Monkeys, die allerdings nicht ursprünglich aus Zanzibar kommen. Diese beiden Arten leben sogar in Rudeln zusammen, allerdings paaren sie sich nicht untereinander. Annan erzählt, dass die Affen lange vom Aussterben bedroht waren. Seit 2002 ist der Jozani Forest ein Nationalpark mit einer konstant wachsenden Population wilder Affen. Das Wetter ist zwischendurch sonnig, sodass ein schönes Licht zum Fotografieren herrscht.
    Nachdem wir den Wald durchquert haben, beginnt der Mangrovenwald. Auch hierdurch hat Annan mich geführt. Auf Zanzibar gibt es drei Arten von Mangroven. Sie sind relativ gut zu unterscheiden. Ihr Wurzelwerk verrät es. Mangroven sind die einzigen Bäume, die ausschließlich über ihre Wurzeln „atmen“. Deshalb haben sie ein so verzweigtes und großes Wurzelwerk. Da gerade Ebbe ist, sieht man das maschenartige Geflecht besonders gut. Zwischen den Wurzeln tummeln sich lauter kleine Krebse. Sie haben mit den Mangroven gemeinsam, dass sie im Salzwasser hervorragend überleben.
    Am späten Nachmittag kehre ich zurück zur Lodge und lerne Collin kennen. Er arbeitet in der Lodge und ist für das Abendessen verantwortlich. Weil ich so nah am Meer bin, wünsche ich mir wieder allerlei Meeresfrüchte und Gemüse dazu. Bevor es Abendessen gibt, stellt Collin für die vier anderen Gäste hier und mich die Tische unter den freien Himmel. Der Geruch von Brennholz zieht an mir vorbei. Ein schönes kleines Lagerfeuer und der Sonnenuntergang begleiten das Abendessen. Es ist ein rundum schöner Ort. Die Jungs und Mädels hier bemühen sich sehr, dass man einen schönen Aufenthalt hat, und ich fühle mich wie zu Hause…
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  • 5 Sterne Koch

    November 20, 2024 in Tanzania ⋅ ⛅ 30 °C

    Meditation im Einbaumboot | Der Chefkoch empfängt mich | Glücksgriff in Paje

    Die Nacht war alles andere als erholsam. Gegen 4:30 wache ich auf und höre ein lautes Summen. Es ist ein Geräusch, das ich an Sommertagen in Deutschland verflucht habe. Mal am rechten, mal am linken Ohr. Währenddessen merke ich an verschiedenen Stellen meines Körpers den Juckreiz. Eine verdammte Mücke hat den Weg unter das Netz gefunden. Obwohl ich am Abend das Netz brav unter die Matratze gestopft habe, keine Chance. Mit einem tiefen Seufzer und im Halbschlaf greife ich zu meiner Notfalllampe. Eine kleine LED, die in verschiedenen Stufen leuchten kann: Weiß, Warmweiß, Rot oder die SOS-Einstellung in rot blinkend. Ein nützliches Tool, das ich bei ISAR Germany bekommen habe. Jetzt aber gehe ich damit auf die Suche nach dem winzigen Monster, das mich um den Schlaf bringt. Es dauert nicht lang, und ich sehe die kleine schwarze Mücke auf dem weißen Netz sitzen. Kurzer Prozess. Keine Gnade für Mücken! Danach aber will der Schlaf nicht so richtig zurückkommen. Die Tatsache, dass ich keine richtigen Fenster, sondern nur Netze in den Wänden habe, und das tropische Klima erschweren das Einschlafen. Ich döse immer wieder ein, aber erholsam ist es nicht. Nachdem um 7:45 dann mein Wecker klingelt, wird es Zeit für eine eiskalte Dusche. Morgens ist das Wasser noch nicht von der Sonnenstrahlung erhitzt. Macht nichts, zumindest bin ich danach für ein paar Minuten wach. Ich packe jetzt schon mal meinen Backpack, damit ich diesen bei Rashid im Büro unterstellen kann. Die Jozani Biosphere Lodge verlasse ich nach meinen Touren heute. Später wird sich herausstellen, dass ich mal wieder den richtigen Riecher hatte. Zum Frühstück gibt es wie üblich frisches Obst, Chapati und eine leckere Zimtschnecke. Der Kaffee tut richtig gut. Jetzt bin ich bereit für meine beiden Highlights heute.
    Rashid bringt mich mit seinem Auto in ein nahegelegenes Dorf. Dort erwartet Ali mich. Er ist hier groß geworden, arbeitet für seine Dorfgemeinschaft als Lehrer und verdient seinen Lebensunterhalt als Guide. Der Zusammenhalt in den Dörfern basiert auf Vertrauen. Jeder hilft hier jedem, und wer kann, unterrichtet eben die Kleinsten. Wir machen uns zusammen auf zum Mangrovenwald, vorbei an kleinen Anbauflächen, auf denen Maniok, Bananen und Süßkartoffeln wachsen. Ali betont, wie wichtig die Mischkulturen für den Boden sind. Nur so bekommt der Boden auch die Nährstoffe zurück, die für andere Pflanzen wichtig sind. Und auch Tröpfchenbewässerung wird hier angewandt. Dazu hängen über den kleinsten Pflanzen an Holzpfählen Plastikflaschen mit winzigen Löchern. Sie tropfen so über den Tag immer wieder frisches Wasser auf die Pflanzen. Hervorragend für diese Verhältnisse!
    Nach einem 15-minütigen Spaziergang kommen wir an die Anlegestelle. Einige Einbaumboote liegen hier. Sie gehören der ganzen Dorfgemeinschaft. Wer sie braucht, kommt hierher und nutzt sie. Zum einen für den Fischfang, aber auch, um Touristen wie mich durch die Mangroven zu fahren. Wir steigen in das Boot, und Ali lädt mich ein, mich zurückzulehnen. Ich solle die Fahrt genießen. Immer wieder wird er mir etwas über die Flora und Fauna erzählen. Das Gewässer (es ist das offene Meer) fließt aber durch die Gezeiten so langsam ab und wieder ein, dass es eine Art Meditation ist, sagt er. Ich lasse mich darauf ein und lasse es einfach wirken. Ab und zu schieße ich ein Foto und höre interessiert zu. Mangroven sind wahre Talente. Obwohl ich gestern schon drei Arten im Jozani Forest kennengelernt habe, kommt heute eine vierte dazu. Neu ist für mich, wie die Blüten und Samen von den Bäumen weitergetragen oder abgeworfen werden. Die rund 1,5 Stunden vergehen wie im Flug. Eine wirklich schöne Fahrt durch die Mangroven. Es ist nochmal ein anderes Erlebnis, als von einem Steg oder einer Brücke auf diese hinabzuschauen. Als wir unterwegs waren, war gerade Ebbe. Riesige Wurzeln ragen aus dem Wasser, und irgendwo in der Luft beginnt der Stamm der Mangrove. Architektonisch ist das wirklich spannend zu sehen. Diese Wälder können einen Tsunami aufhalten. Sie stehen wie Wächter des Landes vor der Küste, und trotzdem strahlen sie eine unglaubliche Ruhe aus. Nur kleine Krebse leben zwischen dem Schlamm um die Wurzeln. Bei Flut verschwinden die ganzen Wurzeln, und eine Durchfahrt mit dem Einbaumboot ist dann nicht mehr möglich, aufgrund der vielen Äste, die dann direkt am Wasserspiegel beginnen.
    Nach dieser erholsamen und besinnlichen Tour holt Rashid mich wieder ab und fährt mich direkt in das Restaurant, das zum Biosphere Village gehört, in dem ich die Nacht verbracht habe. Ich habe mit ihm zusammen einen Kiswahili-Kochkurs. Seit 30 Jahren kocht er hier für die Gäste. Wobei er mich ständig korrigiert. Heute kochen wir nicht. Wir kreieren etwas. Ich entscheide mich für ein Hähnchen Tandoori mit Gemüse und Reis. Dazu ein frischer, sommerlicher Salat. Zuerst gibt es einen Crashkurs in Gewürzkunde. Wirklich außergewöhnliche und interessante Gewürze, die alle hier auf Zanzibar produziert werden. Bei der großen Auswahl bitte ich Rashid mehrfach darauf zu achten, dass ich keinen Mist mache. Er solle ein Auge darauf werfen. Dabei lacht er nur und meint, dass ich hier heute der Koch bin. Über 3 Stunden gibt er mir Hinweise und Tipps zu verschiedenen Zubereitungsarten. Immer wieder korrigiert er meine Technik und zeigt mir einfache Handgriffe, wie man verschiedenes Gemüse leichter und vor allem schneller schneiden kann. Wie so oft, macht Übung den Meister. Allerdings bleiben alle Fingerkuppen dran. Rashid ist ein hervorragender Koch. Wir kombinieren zusammen interessantes Gemüse. Der Salat zum Beispiel enthält neben Mango, Gurke und frischem Kardamom auch frische Zwiebel, frische Kokosnuss und Tomaten. Eine Mischung, die zusammen mit Apfelessig und Olivenöl unglaublich lecker ist! Absolut zu empfehlen. Die geheime Zutat eines jeden Rezepts darf natürlich auch nicht fehlen. Aber auch an die denke ich selbstverständlich, immerhin habe ich davon genug zu geben. 😌
    Tandoori ist eine Gewürzmischung, die das Hähnchen tiefrot färbt. Da macht schon das Kochen unheimlich Spaß. Hinzu kommt auch Kokosmilch, die wir allerdings selber machen. Ich muss also Kokosraspeln herstellen. Ganz traditionell. Ich habe generell Spaß am Kochen, aber das hebt alles nochmal auf ein neues Level. Frische Curryblätter, die wirklich einen hervorragenden Geschmack ins Fleisch bringen. Dazu noch Master Seeds (da muss ich noch herausfinden, was genau das ist). Auch Muskat und gemahlene Currywurzel kommen dazu. So viele Gewürze sorgen in der Küche für eine Explosion der olfaktorischen Fähigkeiten. Jedes Gewürz hat seine eigene Geschichte, und Rashid kennt sie alle. Neben den Skills, die ich heute nochmal verfeinert habe, kommen interessante Fakten und Kochtechniken hinzu. Insgesamt lachen wir eine Menge, und Rashid ermutigt mich immer wieder, mehr mit den Gewürzen zu experimentieren.
    Nachdem alles fertig ist, liegt ein wunderbarer Duft in der Luft. Leicht indisch angehaucht, mit vielen tollen Gewürzen direkt von der Insel. Rashid lädt mich ein, Platz zu nehmen. Er wird mir mein Essen servieren. Ich solle mir überlegen, wie das Gericht heißen soll. Denn jeder Koch braucht einen interessanten und ansprechenden Namen. In sowas bin ich schlecht. Auch wenn meine offene Art nicht so wirkt, die große Klappe, die ich manchmal habe, funktioniert nicht auf Knopfdruck. Na gut, sie funktioniert bei sowas nicht auf Knopfdruck. Dann serviert Rashid mir mein Gericht: Zanzibar Spice Dream. Tandoori Chicken with a mix of vegetables, cooked rice and a fresh mango-vegetable salad.
    Sichtlich stolz erzählt er mir, wie er meine Kreation findet. Auch die Menge der Gewürze, die ich selber bestimmt habe, gefällt ihm sehr gut. Ein Ritterschlag. Später erfahre ich von deutschen Gästen, die seit 20 Jahren auf die Insel kommen und in dem Village übernachten, dass er einer der besten Köche der Insel ist. Mir schmeckt es besonders gut, und ich bin sehr froh, dass ich mich auf diese Erfahrung eingelassen habe. Weil wir uns so gut verstehen, bringt Rashid mich und mein Gepäck nach dem Essen am Nachmittag ins 12 km entfernte Paje. Hier bleibe ich erst einmal.
    Als ich an meinem Hotel ankomme, staune ich nicht schlecht. Es ist ein modernes, etwas höheres Gebäude in zweiter Reihe, gerade noch in meinem Budget. Alex und Elizabeth begrüßen mich an der Rezeption mit einem Cocktail. Mittlerweile ist es 17 Uhr, Zeit für den Sonnenuntergang. Nachdem sie mir mein Zimmer zeigen, laden sie mich direkt auf die Dachterrasse ein. Heute ist Sundowner-Session. Ein DJ spielt live Musik, und die Menschen unterhalten sich ausgelassen. Ich mische mich unter die Leute und lerne schnell sehr nette Reisende kennen. Noch ein Telefonat nach Düsseldorf, und der Abend kann entspannt auf der Dachterrasse ausklingen. Ich bin so sehr mit meiner Reise zufrieden, dass ich gar nicht daran denken will, nächste Woche schon meine letzten Tage zu haben. Jetzt freue ich mich erstmal auf das touristische Paje mit Blick auf den Strand.
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  • All night long

    November 21, 2024 in Tanzania ⋅ ☁️ 31 °C

    Besuch bei den Mwani Mamas | Unterwegs mit den Eigentümern des Hotels | Partynacht in Paje

    Nach meinem herrlichen Frühstück im Hotel laufe ich ein wenig den Strand entlang und erkunde zunächst die Beach-Side von Paje. Die Sonne brennt auf meine Haut. Es ist gerade erst 10:30 Uhr, aber meine helle Haut ist absolut empfindlich. Ich bin dank der Sonnencreme eher polarweiß, aber dafür verbrenne ich auch nicht. Der endlose weiße Sandstrand ist wunderschön. Gerade ist Ebbe, und die Farbe des Wassers wechselt von tiefblau in ein angenehmes Grün. Die vielen Seegrasfarmen sind jetzt sichtbar. Bei Flut verschwinden sie, und das Wasser ist dann herrlich türkisblau.

    In Litembo habe ich in einer Ausgabe des Sterns, die dort jemand vergessen haben muss, einen sehr interessanten Artikel über die Mwani Mamas auf Zanzibar gelesen. Es handelt sich um ein Unternehmen, das von Frauen geführt wird, damit sie unabhängig von ihren Männern sind und das Schulgeld für ihre Kinder verdienen können. Rund 10 Frauen arbeiten in diesem Unternehmen. Sie züchten und kultivieren Seegras, das dann getrocknet wird und dabei die Farbe von grün zu tieflila wechselt. Diese getrockneten Seegrasbüschel werden in einem aufwändigen Prozess weiterverarbeitet (in den Produktionshallen war das Fotografieren verboten) und zu Seifen und Kosmetika verarbeitet. Zahlreiche 5-Sterne-Resorts beziehen ihre Pflegeprodukte hier. Das Highlight war jedoch, die Seegrasfarm bei Ebbe zu besuchen. Ein schicker Hut als Schutz gegen die Sonne, und schon nimmt Pily mich mit in die Strömung. Es ist ein simples Konzept, aber unglaublich viel Arbeit. Die Algen müssen immer wieder von anderen Algen befreit werden, die als Schädlinge daran haften. An kleinen Kordeln sind dann die Algenbüschel befestigt. Wichtig ist, dass sie nicht auf dem Boden liegen, sondern an den Kordeln frei im Wasser schweben. Pily und ich setzen gemeinsam einige der neuen, jungen Pflanzen. Es dauert dann rund zwei Monate, bis sie ausgewachsen sind bzw. so groß, dass sie für die Verarbeitung in Frage kommen. Pily betont, dass das Schöne daran ist, dass die Algen nichts brauchen – keinen Dünger, keine Erde, keine Maschinen. Sie wachsen einfach hier, während die Strömung an- und abflutet. „Mehr Ökofarming werden wir nirgends auf der Welt finden“, sagt sie. Algen wird nachgesagt, dass sie jung halten und viele Antioxidantien enthalten. Ich probiere die Algen direkt aus dem Wasser, und tatsächlich schmecken sie unverarbeitet gar nicht schlecht. Nachdem wir eine Stunde in der Sonne zusammen gearbeitet haben, zeigt mir Pily noch die Produktion. Es ist eine kleine Halle, in der einige wenige Arbeitsplätze zu sehen sind, an denen Seifen und Öle abgefüllt und zurechtgeschnitten werden. Ich mag das Konzept und auch die Idee, dass die Frauen ihr Unternehmen selbst führen. Ein spannender Einblick.

    Gegen 16 Uhr kehre ich zurück und gönne mir im Hotel eine Massage: 60 Minuten Full Body. In dem klimatisierten Spa-Bereich ist das genau das Richtige nach den vielen Abenteuern der letzten Wochen.

    Als ich zurück auf der Rooftop-Bar bin und eigentlich etwas essen wollte, spricht mich ein deutsches Ehepaar an. Es sind die Besitzer des Hotels, die mich begrüßen und willkommen heißen. Angela, die auch die Buchungen verwaltet, sagt, dass sie meinen deutschen Reisepass in den Unterlagen gesehen hatte und deswegen persönlich „Hallo“ sagen wollte. Seit rund einem Jahr kümmern sich die beiden um das Hotel und leben auch hier. Wir kommen ins Gespräch – über Zanzibar, über den Grund, warum ich eigentlich hier bin, und über das Reisen alleine durch ein Land, dessen Kultur so offen und gleichzeitig so anders ist als die europäische. Irgendwann im Gespräch kommt ein junger Mann dazu. Steven, 26, studiert in Bielefeld Informatik. Es ist der Sohn der beiden. Da wir direkt einen Draht zueinander haben und beide alleine hier unterwegs sind, dauert es nicht lange, bis wir zusammen Pläne schmieden. Nachdem die Sonne wie jeden Abend atemberaubend über Zanzibar untergegangen ist, stürzen wir uns ins Nachtleben. Einen ruhigen Abend hatten wir uns vorgenommen, aber am Ende schauen wir mit einigen Locals den Sonnenaufgang an und gehen gegen 5:45 Uhr ins Bett. Eine lange Nacht, die eigentlich keine mehr ist. Aber so ist das manchmal. Go with the flow.
    Hakuna Matata.
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  • Day Off

    November 22, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 31 °C

    Nachdem ich in den letzten Tagen viele tolle neue Menschen kennengelernt habe und von einem Highlight zum nächsten geeilt bin, beginnt nun die letzte Woche meiner Reise durch Tansania und Zanzibar. Ich habe mich entschieden, in Paje zu bleiben und ein paar Nächte zu verlängern. Das Hotel HiZanzibar mit dem Pool und der Bar auf dem Dach gefällt mir einfach sehr gut. Die deutschen Besitzer stehen immer mit Rat und Tat zur Seite und geben regelmäßig Tipps für Unternehmungen oder schöne Orte am Strand von Paje. Die letzten fünf Wochen haben auch Spuren hinterlassen – durchweg positive! Auch wenn die ein oder andere nächtliche Fahrt wirklich anstrengend war. Ich denke, es ist eine gute Idee, jetzt nur noch Kräfte zu sammeln, in den Tag hinein zu leben und die warmen Sonnenstrahlen zu genießen.

    Da ich ohnehin ein wenig müde bin von der langen Partynacht mit Steven, treffe ich ihn erst am Nachmittag in einem anderen Hotel am Strand wieder. Dort lerne ich Maxi (26) kennen, eine Aussteigerin aus der Pflege, die jetzt eine Auszeit auf Zanzibar macht. Sie ist seit letztem Dezember hier und pendelt je nach Lust und Laune zwischen Stone Town und Paje hin und her. Zu dritt hängen wir am Pool ab, trinken, essen und ich versuche, braun zu werden. Da ich allerdings eher Hauttyp „Polarweiß“ bin, muss ich relativ schnell in den Schatten. Da hilft auch keine 60er Sonnencreme. Die Sonne steht hier schnell im Zenit und bleibt auch lange – äquatoriale Sonne brennt dreifach… das merke ich relativ schnell.

    Nachdem wir den Nachmittag entspannt haben, kehren Steven und ich ins Hotel zurück. Der Plan für den Abend ist, wieder loszuziehen. Da ich jedoch viel zu geschafft bin, klinke ich mich aus und genieße die Live-Musik in der Rooftop-Bar unseres Hotels.

    Dort lerne ich zwei Niederländer kennen: Iris und Ward. Wir kommen ins Gespräch, weil sie offensichtlich nach einem freien Platz auf dem vollen Dach gesucht haben und ich mit einem Handzeichen die beiden Plätze an meinem Tisch angeboten habe. Und wie der Zufall es so will, kommen die beiden ganz aus der Nähe meiner Heimat! Als sie fragen, wo ich herkomme, sage ich wie immer, dass es sowieso niemandem etwas sagt, und nenne den Namen „Kalkar“. Darauf fangen beide an zu lachen. Der Kreis Kleve scheint ihnen sehr bekannt zu sein, denn sie kommen aus Berg en Dal und fahren regelmäßig zum Einkaufen nach Kranenburg, im Grenzgebiet. Da wir uns auf Anhieb gut verstehen, bleiben die beiden länger als geplant. Da an diesem Abend Kiswahili-Night mit Live-Musik ist, gibt es selbstverständlich auch eine Happy Hour. So kommt ein Margarita nach dem anderen. Ward ist selbstständiger Sozialarbeiter und Iris arbeitet bei KLM, der niederländischen Airline, weswegen deren Flüge hierher deutlich günstiger waren. Ein wirklich netter Abend! Wer weiß, wofür Kontakte zu KLM noch nützlich sein könnten.

    Als ich später in meinem Hotelzimmer entspanne, dauert es nicht lange, bis meine Augen zufallen. Für den nächsten Tag habe ich bisher nichts geplant. Aber wer weiß, was morgen passiert.
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  • Mitten in den Planungen

    Nov 23–24, 2024 in Tanzania ⋅ ⛅ 31 °C

    Die letzten beiden Tage habe ich es sehr entspannt und ruhig angehen lassen. Meine Entscheidung, mich zu erholen, geht voll auf, und ich genieße es, einfach in den Tag hinein zu leben. Naja, fast zumindest. In den letzten Wochen gab es nämlich zwei wichtige Entwicklungen für mich. Das ist auch der Grund, warum ich die Zeit in der Mittagshitze mit Planungen verbracht habe.

    Wie ich zu Beginn dieses Blogs vielleicht erwähnt habe, habe ich mir ein halbes Jahr eine Auszeit von der Uni genommen. Ich wollte die Famulatur in Tansania genießen. Im Nachhinein war das definitiv die richtige Entscheidung, denn während der Semesterferien ist es in Litembo immer sehr voll. Die Medizinstudierenden stehen sich dort förmlich auf den Füßen. Als dann alle wieder mit dem Semester begonnen haben, bin ich losgeflogen und habe mich ins Abenteuer Famulatur in Tansania gestürzt. Ich komme am 30.11. zurück und habe dann immer noch frei – bis zum 1. April 2025. Die Zeit möchte ich allerdings sinnvoll nutzen. Also habe ich erneut einen Antrag bei der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) gestellt. Als Stipendiatin ist es uns möglich, finanzielle Unterstützung für studienbezogene Praktika zu bekommen. Da ich von anderen sehr gute Erfahrungsberichte über den asiatischen Kontinent gehört habe, habe ich auch eine Famulatur dort geplant, angefragt und bei der HBS beantragt.

    Was ist nun passiert?

    Vor drei Wochen habe ich bereits die Zusage von der HBS bekommen, dass auch eine weitere Famulatur finanziell gefördert wird. Und letzte Woche ist dann auch mein Visum von den offiziellen Behörden gekommen. Meine Reise geht also weiter! Ich bin mindestens genauso gespannt wie noch Anfang Oktober, als es nach Tansania ging. Es wird eine komplett andere Erfahrung, eine ganz andere Kultur. Was jedoch gleich bleibt, ist, dass ich offensichtlich neben Englisch und Russisch (und natürlich Deutsch) keine weitere Sprache beherrsche. Aber ich bin mir sicher, dass ich mich auch dort durchschlagen werde.

    Wer Lust hat, kann mich dort begleiten. Ich werde die Zeit auch dort mit meinen Footprints festhalten. Weihnachten werde ich dieses Jahr noch nie so weit weg sein. Es wird sicherlich auch komisch für meine Eltern, Brüder, Cousinen und meine Tante. Weihnachten ohne mich, Weihnachten fernab ohne sie, wo wir uns doch jedes Jahr sehen. Auch Silvester wird dieses Jahr komplett anders. Jedenfalls muss ich mir keine Gedanken darüber machen, wo ich feiern werde, denn das weiß ich jetzt schon:

    Vom 10.12.2024 bis 31.01.2025 geht meine Reise weiter. Ich freue mich schon sehr!

    Ansonsten wird es jetzt hier ein wenig ruhiger. Meine Reise neigt sich dem Ende zu. Es gibt noch einige kleinere Posts mit Eindrücken und Gedanken zu den letzten Tagen, bevor ich am Freitagabend ins Flugzeug nach Daressalam steige und für genau zehn Tage zurück nach Deutschland fliegen werde. Sommersachen raus, Wintersachen rein, und dann ab ins nächste Abenteuer!
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  • Kleiner Gruß aus der Küche

    November 25, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 30 °C

    Wollt euch im milden Deutschland einfach Grüßen. Muss ja auch mal gemacht werden :)
    Morgen geht’s zurück aufs Festland. Der Countdown bis zum Abflug läuft bereits. Aber wie man sieht, erhole ich mich wirklich gut.Read more

  • Goodbye Zanzibar

    November 26, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 30 °C

    Am letzten Morgen auf Zanzibar schüttet es wie aus Kübeln. Ein erfrischender Wind zieht über Paje. Der Geruch von nassem Sand steigt in die Nase, als ich im Open-Air-Restaurant des Hotels mein Frühstück und meinen Kaffee trinke. Ich hatte eine relativ unruhige Nacht, auch weil ich mir den Bauch so sehr verbrannt habe, dass ich definitiv auf dem Rücken schlafen musste. Obwohl ich gestern nur im Schatten lag und sogar das ein oder andere Mal meine 50er Kids-Sonnencreme aufgetragen habe, hat die äquatornahe Sonne es bis auf meinen dicken Bauch im Schatten geschafft. Auch die frische Kokosnuss und der Blick aus dem Pool hinaus auf den Indischen Ozean haben das nicht verhindern können. Aber dafür nehme ich ein paar Tage mit brennender Haut in Kauf.
    Ich trage also alle paar Stunden meine Aloe Vera After-Sun auf.
    Nach dem Frühstück musste ich mein Gepäck wieder so packen, dass ich maximal zwei Gepäckstücke habe. Sonst wird’s teuer an der Fähre. Aber irgendwie schaffe ich auch das wieder. Voll bepackt geht es nach dem Checkout in die Vormittagssonne, die hier schon so auf der Haut brennt, dass ich nicht lange in der Sonne stehen bleibe. Ich laufe direkt zur Hauptstraße und halte per Handzeichen den ersten vorbeifahrenden Bus an. Bis nach Stone Town sind es knapp 45 Minuten und 12.000 TSH (ein Taxi kostet für Europäer 50 $). Also schmunzel ich lieber über die 4 € und steige ein. Bequem ist es natürlich nicht, aber die Menschen sprechen mich direkt an und unterhalten sich mit mir. Wo komme ich her, was mache ich hier und ob es mir gefällt. Ob ich wiederkomme und wie das Leben in Europa ist. Dieser kulturelle Austausch ist wirklich schön und mindestens ein oder zwei junge Männer bieten mir immer ihre Handynummer an. Falls ich Probleme habe oder etwas brauche, soll ich mich immer melden. Das kenne ich von den Busfahrten auf dem Festland. Dahinter steckt auch ein wenig die Intention, einen Mehrwert daraus zu ziehen, einen Europäer zu kennen. Morgens und abends bekomme ich von diesen Nummern meist eine kurze WhatsApp, ob alles gut ist und wie meine Reise verläuft. Mit der Zeit ist es anstrengend, aber ich denke, diese Leute machen das in ihrem Umfeld genauso. Zumindest erzählen das die Volunteers, die hier über Monate oder Jahre leben. Es ist die afrikanische Aufgeschlossenheit und Gelassenheit, die man immer wieder merkt.
    In Stone Town angekommen, ist die letzte Station des Busses der große Busbahnhof. Also nehme ich noch ein Bajaji bis zum Hafen. Mit der Ausreise klappt alles super. Obwohl Zanzibar zum Staat Tansania gehört, gibt es hier eine eigenständige Inselverwaltung und damit auch ein Zollamt und eine Ausländerbehörde. So wie bei der Einreise muss ich bei der Ausreise auch durch die Passkontrolle, aber alle Daten und Visa habe ich immer bereit. So kann ich ohne weitere Probleme die Fähre in Richtung Daressalam betreten.
    Die knapp eine Stunde und 20 Minuten vergehen wie im Flug und schon stehe ich wieder im chaotischen Gepäckbereich des Hafens. Es ist echt eine Herausforderung, den Massen an Menschen zu vermitteln, dass ich keine Hilfe brauche. Jeder, der hier als Träger eingestellt ist, stürzt sich auf die weißen Touristen, um ein üppiges Trinkgeld zu ergattern. Auf dem Hinweg bin ich darauf reingefallen. Was als nette Aufmerksamkeit begann, endete in dem Verlangen nach 20.000 TSH. Dem bin ich standhaft geblieben und habe zumindest 10.000 locker gemacht. Aber der junge Mann ließ nicht ab, bis er gemerkt hat, dass ich nicht diskutiere. Und so passiert es ab jetzt alle paar Meter. Der eine will mich zum Gepäck bringen, der andere will wissen, welcher mein Backpack ist, um ihn mir zu tragen, und wieder ein anderer will für mich ein Taxi besorgen. Ich lehne immer wieder dankend ab. Als ich mein Gepäck aufgesetzt habe und aus dem Terminal laufe, tummeln sich exakt die gleichen Personen. Aber ich habe bereits über die Bolt-App meine Fahrt zum Hotel gebucht und schlängle mich durch die vielen Hände, die meine Tasche nehmen wollen, durch und bedanke mich immer wieder und winke ab. Am Ende ein kurzer Check, ob alle Wertsachen in den Taschen sind.
    Jetzt sitze ich wieder in einem Bajaji, auf dem Weg zu meiner letzten Unterkunft für diese Reise: ein Beach Camp in Daressalaam direkt am Meer und eine kleine Banda für mich allein.
    Da es mittlerweile 16 Uhr ist, bleibt mir nur noch ein frühes Abendessen und ein gemütlicher Abend am Strand. Morgen muss ich noch ein paar Besorgungen in der Stadt machen und – was viel wichtiger ist – einen Anschlussflug für den 14.12. buchen. Dann erlöse ich euch auch, und ihr seht, wo es hingeht.
    Hakuna Matata!
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  • Vorbereitung laufen weiter

    November 27, 2024 in Tanzania ⋅ ⛅ 30 °C

    Wie es sich für die letzten Tage gehört, lasse ich es weiterhin langsam angehen. Den Morgen verbringe ich am Strand meiner Unterkunft. Ein wenig lesen und regelmäßig wenden, damit der Sonnenbrand, den ich mir auf Zanzibar geholt habe, nicht noch schlimmer wird. Die Anlage füllt sich gegen Mittag mit einheimischen Gästen, die hier am Strand eine Auszeit suchen. Ich nutze den Mittag daher, um in Dar das National Museum zu besuchen. Um dorthin zu kommen, nehme ich eine kleine Fähre, die den Norden mit dem Süden von Dar verbindet und die schnellste Route über das Hafenbecken ist. Schnell weiß ich aber auch, warum ich der einzige Weiße bin. Absolute Chaos, wie man es gewohnt ist, und eine Fähre, die maßlos überladen scheint. Menschen drängen dicht an dicht. Ich stehe mitten drin und bin wirklich froh, heute ohne Gepäck zu reisen. Immer wieder werde ich schräg angeguckt. Ein wenig, als würden sich die Menschen fragen: „Was will der Weiße hier auf dem alten Kahn?“ Die Überfahrt mit der Fähre dauert 7 Minuten und kostet mich nicht mal einen Euro. Deutlich günstiger als mit dem Bajaji einmal um den Hafen zu fahren und dadurch 45 Minuten unterwegs zu sein.
    Gegen Mittag betrete ich dann das National Museum. Eine facettenreiche Ausstellung. Von den ersten Spuren der Menschheit und Überresten von Dinosauriern bis hin zur aktuellen politischen Lage. Alles scheint hier konserviert und ausgestellt. Sehr interessant auch, wie sehr Julius Nyerere (der hier vergöttert wird) die Beziehung zu den USA geprägt hat und welches Zeitalter er für die Bevölkerung eingeläutet hat. Mit ihm kam der wirtschaftliche Aufschwung. Auch dank der Amerikaner und später der Chinesen. Jetzt buhlen auch europäische Nationen wie Portugal oder skandinavische Länder um Einfluss und investieren in Infrastruktur. Meine Google-Recherche ergibt aber schnell, dass es nicht alles so positiv ist, wie im National Museum dargestellt. Eine Abhängigkeit, die viele Sektoren auch ausbremst, entstand. Kennedy und Nyerere haben eine besondere Freundschaft zwischen Amerika und Tansania etabliert, und diese hält bis heute an. Die Amis sind wirklich überall.
    Nach dem interessanten geschichtlichen Rundumschlag wird aber auch klar – und so berichten es auch die Menschen, die ich hier kennengelernt habe: Vieles kommt ins Stocken. Nach dem Corona-Tod des Präsidenten 2021 ist die Vize-Präsidentin im Amt. Eine Frau, die ein afrikanisches Land führt, ist auch für das fortschrittliche Tansania ungewöhnlich. Und sie lässt keine anderen Parteien neben sich groß werden. Politische Gegner wurden in den letzten Monaten immer wieder verhaftet und so klein gehalten. Auf Zanzibar haben mir die Locals auch verraten, dass die amtierende Präsidentin dort mehrere Hotels bauen lässt – mit Staatsfinanzen, aber für ihr Unternehmen. Ob das stimmt oder nicht, werde ich nie erfahren.
    Es ist mittlerweile Nachmittag und ich lasse mich von einem freundlichen Fahrer ins Zentrum bringen. Auf dem Kariakoo-Market möchte ich mir einen kleinen Koffer kaufen. Günstiger als in Deutschland wird er mein Gepäck ein wenig entlasten. Ich war am Anfang meiner Reise schon einmal hier. Vor rund einer Woche ist eines der Hauptgebäude eingestürzt. In dem war ich Mitte Oktober noch als Tourist und ahnungslos unterwegs. Mehr als 17 Menschen kamen ums Leben. Über 50 waren verschüttet. Von dem Gebäude steht nicht mehr viel, aber um dieses stehen die ganzen Händler, als sei nichts gewesen. Zäune versperren die Sicht auf die Rettungskräfte. Ich möchte mich nicht lange hier aufhalten und biege in die Straße ab, die für den Verkauf von Taschen, Stoffen und Koffern bekannt ist. Es dauert nicht lange, da werde ich fündig und schlage zu. Jetzt habe ich auch meinen letzten To-Do-Punkt abgehakt und gehe zurück zur Fähre.
    Gegen Abend steht nur noch ein kleiner Video-Call nach Deutschland an. Ein kurzes Intermezzo mit meinem Doktorvater, der mich zu einem spannenden Vortrag eingeladen hat. Ich hoffe, dass das WLAN stabil bleibt.
    Als ich zurück bin, habe ich aber noch eine Menge Zeit. Deshalb gehen meine Planungen für den nächsten Trip weiter. Ich werde am 10.12. in den Flieger steigen und am 11.12. in Kathmandu landen. Nepal wird eine komplett andere Erfahrung, und meine ersten Nächte in Kathmandu werde ich definitiv voll auskosten. Von da geht es dann nach 4 Tagen weiter. Im Pokhara Manipal Hospital, einem Lehrkrankenhaus der University of Kathmandu, wird dann mein Arbeitsplatz für 4 Wochen sein.
    Meine Tage in Deutschland werden sehr schnelllebig. Ich habe jetzt schon wieder fast jeden Tag Verabredungen und Uni-Termine. Eine Menge Leute wollen mich in der kurzen Zeit sehen. Ich werde die ersten Tage aber in Kalkar verbringen. So sehr ich mich auch auf Nepal freue, es tut gut zu wissen, dass ich erstmal nach Hause fliege.
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  • Rückflug ungewiss!

    November 29, 2024 in Tanzania ⋅ ☀️ 33 °C

    Es wird Zeit, mein Hab und Gut zusammenzupacken. Sechs Wochen Tansania und Sansibar sind vorbei. Zeit für einen kleinen Rückblick. Was bleibt, und was bleibt vor allem lieber hier in Tansania?
    Ich kann mich noch sehr gut an den Tag meiner Abreise in Deutschland erinnern. Auf dem Weg nach Amsterdam habe ich des Öfteren im Zug gedacht: Was zur Hölle machst du hier eigentlich gerade? Ohne Sprachkenntnisse in ein Land zu reisen, dessen Kultur ich nicht kenne. Mich hätte alles erwarten können. Und mir hätte eine Menge passieren können. Und ehrlich gesagt, hatte ich auch ziemlich viel Schiss.
    Ich musste mich schnell auf ein einfaches, aber entspanntes Leben einstellen. Die Gastfreundschaft war unglaublich groß. Ohne die vielen netten Menschen, die ich auf dem Weg kennengelernt habe, wäre ich nicht so gut zurechtgekommen.
    Ich hatte eine tolle Zeit in Litembo, wo ich mich auch ausprobieren durfte. Natürlich im Rahmen meiner Möglichkeiten, und die ein oder andere Aufgabe habe ich dankend zurückdelegiert. Man muss sich seiner Grenzen bewusst sein, wenn man in ein Krankenhaus geht, dessen Ziel es ist, dass die Menschen überleben, mit den Mitteln, die es gibt. Mit einfachsten Mitteln wurde operiert, genäht, verbunden. Das Wenigste daran war steril. Für europäische Verhältnisse eine Katastrophe in Hinblick auf die Hygiene und Qualitätsstandards. In Litembo aber hilft es den Menschen ungemein. Vor allem kommt es den Patienten nicht darauf an, wie schön eine Narbe am Ende wird, sondern dass das Bein oder die Hand wieder funktioniert.
    Die Zeit im Doktors House war auch deshalb so schön, weil die beiden Volunteers Anna und Robin aus Deutschland sind. Während meiner ganzen Reise standen wir in Kontakt und bei Problemen hatten sie immer einen kleinen Tipp, wenn ich selber nicht weitergekommen bin. Auch die Gespräche über das Erlebte im Krankenhaus sind super wichtig gewesen, für die Mädels vielleicht etwas mehr als für mich.
    Die Interns aus Litembo, die wirklich Tag und Nacht die Patienten betreuen, vor denen ziehe ich meinen Hut. Ihre Ausbildung ist sicher nicht auf dem Stand wie in Europa, aber sie sind früh auf sich allein gestellt, noch bevor sie ihre letzte Prüfung haben. Das muss ein großer Druck sein, unter dem sie arbeiten. Großer Respekt.
    Neben den medizinischen Einblicken wurden mir sehr schnell Interna anvertraut. Unvergessen das Board Meeting mit dem Vorstand, wo die Geldgeber aus Deutschland kritisch nachgefragt haben, wofür das Geld verwendet wird. Plötzlich saß ich neben Geschäftsführer Raphael und war Teil des Klinikteams – bzw. der Führungsetage. Natürlich sind es andere Dimensionen als in einer deutschen Klinik.
    Erstaunt hat mich auch der Zusammenhalt unter den Menschen. Die große Party mit den 200 Firmungen war am ersten Wochenende direkt ein Highlight. Traditionen sind hier noch sehr, sehr wichtig. Als weißer und vor allem fremder war ich genauso willkommen wie jeder und jede andere. Wunderbar! Diese offene und gastfreundliche Lebenseinstellung würde ich gerne mit nach Deutschland bringen und einmal großzügig unter den Wahlberechtigten für die anstehende Bundestagswahl verteilen. Aber gut. Ich sollte nicht zu politisch werden…

    Die 3 Wochen, die ich durch Tansania gereist bin, waren vor allem eines: eine Reise zu mir selbst. Neben vielen interessanten Menschen und spannenden Lebensläufen habe ich mich sehr viel mit mir selbst beschäftigt. Meine Grenzen des Öfteren kennengelernt, aber auch neu definiert. Ich weiß viele Dinge mehr zu schätzen. Zum Beispiel einen (relativ) funktionierenden ÖPNV in Deutschland zu haben. Zu wissen, wann man wo ankommt. Im Zweifel Pläne und Abfahrtszeiten nachgucken zu können. Das alles gab es hier nicht und wird es sicher lange nicht geben. Denn hier ist alles Pole Pole. Aber funktioniert! Man muss sich drauf einlassen!
    Vor allem auf Sansibar und zuletzt in Dar im BeachCamp habe ich auch Deutsche kennengelernt, die Europa den Rücken gekehrt haben. Die hier (fragwürdigerweise) junge Partner gefunden haben und diese für ein gemeinsames Leben bezahlen. Es sind vor allem weiße Frauen, die ihr Glück mit sogenannten Beachboys (die meist Anfang 20 sind) suchen.
    Eine Begegnung der letzten Tage bleibt mir hoffentlich lange in Erinnerung:
    Gestern habe ich mich mit John unterhalten. Er ist Mitte 60 und aus Großbritannien. Seine Frau hat ihn nach 20 Jahren mit den Worten „Ich muss mit dir reden, ich liebe dich nicht und habe es nie getan“ verlassen. Die beiden heute erwachsenen Kinder unterstützen ihn finanziell. Vertraut habe er seitdem nie wieder. Sein Geld ist bei der Scheidung draufgegangen, so erzählt er es. Aber er ist glücklich mit dem, was er hat – kein Geld, keine Häuser, aber seinen Frieden und die Ruhe.
    Es sind viele dieser Gespräche, die ich hier höre oder selber habe. Schicksale, die die Menschen hierher verschlagen haben. Mit Geld und als Europäer bekommt man hier eben alles. Traurig. Denn Glück kann man auch hier nicht kaufen.

    Die beiden Besitzer des Hotels auf Sansibar, mit dessen Sohn Steven ich die Nächte in Paje unsicher gemacht habe, sind bewundernswert. Sie haben in Deutschland alles aufgegeben, um den Traum vom eigenen Hotel zu verwirklichen. Die beiden Söhne leben weiter in Deutschland. Ein sehr herzliches Paar, die hier aber einen hohen Preis zahlen. Weil sie eben nicht von hier sind, will jeder mitverdienen. Vom kleinsten Beamten in den Behörden, auf die sie als Hotelbetreiber angewiesen sind, bis zu den Beamten, die regelmäßig zu Kontrollen kommen. Jeder muss geschmiert werden. Korruption ist eines der größten Probleme.
    Neben dem vielen Plastikmüll. Wo man hinguckt, liegt Plastik, wird einfach aus dem Busfenster geschmissen und vor den Häusern verbrannt. Mülltrennung, Müllentsorgung, Mülldeponien – alles das soll es auf dem Papier geben. Gesehen habe ich davon nichts. Immer wenn ich durch die Städte gelaufen bin, habe ich vergeblich Mülltonnen gesucht. Zuletzt meinte ein deutscher Auswanderer: „Wir Europäer sind es schuld, die Menschen wissen eben nicht, was richtig ist hier.“ Ich bin ja durchaus ein streitbarer Zeitgeist und habe ihm zu verstehen gegeben, dass es sein mag. Der Blick nach hinten, einen Schuldigen dafür zu benennen, löst aber das Problem nicht. Man könnte ja auch nach vorne schauen und das Problem angehen, unabhängig von seinem Auslöser. Aber sobald Geld ins Spiel kommt, ist die Sache gelaufen. Es sind natürlich Probleme, die den einfachen Bürger hier nicht wirklich interessieren. Denn weil die Menschen so wenig haben, ist ihr Ziel, den Tag zu überstehen. Mitunter hat sich das sehr dramatisch dargestellt. Die Armut der Menschen ist wirklich spürbar. Vielleicht nicht als Tourist in Dar Es Salaam, aber durchaus als Backpacker, der naiv durchs ganze Land reist.
    Nichtsdestotrotz ist die Kultur eine sehr offene und herzliche. Egal wo ich war, und egal wie wenig ich mich verständigen konnte, niemals wurde ich bedroht oder bösartig angegangen. Aus der deutschen Geschichte heraus hätten sie ja durchaus viele Gründe. Aber genau im Gegenteil. Ich wurde oft sehr angehimmelt. Ich werde wohl nie vergessen, wie ein älterer Herr sich vor mir niederkniete und nicht aufstehen wollte. Ein sehr beklemmendes Gefühl war das am Anfang meiner Reise.
    Die letzten beiden Wochen waren ein Segen. Die wunderschönen Strände, viel Ruhe und viel Zeit für mich. Die Sonne, so nah am Äquator, war mein einziges Problem. Aber wenn’s nur das ist.

    Und so sitze ich im internationalen Terminal, warte aufs Boarding und freue mich auf Zuhause und auf Düsseldorf. Trotz aller Abenteuer bin ich unverletzt und gesund. Für Nepal nehme ich mir einfach mal das gleiche vor.

    Plot Twist:
    Der Flug nach Nairobi sollte um 20:45 starten. In Nairobi hebt der Flieger um 23:50 ab. Entspannter Nachtflug. Die Hiobsbotschaft aber ist, dass der erste Flug von Dar mit mehr als zwei Stunden Verspätung abheben soll. Ich starte in Dar um 23:00 Richtung Nairobi. Der Flug dauert 1:20 h. Nach meiner Rechnung ist der Anschluss-Flieger um 23:50 dann ohne mich weg. Am Check-in in Dar versuche ich schon im Vorfeld eine Lösung zu finden. Man versichert mir, dass ich in Nairobi am Flugzeug abgeholt werde und direkt in den Anschluss-Flieger eskortiert werde. Mir fällt es schwer, das zu glauben bei dem ganzen Chaos, das ich beim Hinflug dort erlebt habe. Meine Heimreise steht also erstmal in den Sternen. Die Ruhe und Erholung der letzten Tage ist wie weggefegt. Ich bin angespannt. Die Nacht in Nairobi zu verbringen, wäre nicht mein Wunsch.
    Aus Nairobi wird’s ein Update geben. Versprochen! Also, falls ich dann die Zeit habe…
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  • Direktflug nach Hause

    November 29, 2024 in Tanzania ⋅ 🌙 27 °C

    Ich habe mal wieder Glück. Oder aber alle um den Finger gewickelt. Wahrscheinlich eher Letzteres. Nachdem ich rund 40 Minuten mit drei sehr netten und hübschen Tansanierinnen von Kenya Airways nicht nur alle Optionen durchgegangen bin, sondern auch meine Haribo, die ich noch im Gepäck hatte, geteilt habe und meine Kiswahili-Kenntnisse zum Besten gegeben habe, wurde ich endlich umgebucht. Statt in Nairobi auf den nächsten Flug Richtung Amsterdam zu warten (was für die Airline sicher der günstigere Weg gewesen wäre), wurde ich nach einigem Hin und Her und Telefonaten in eine Maschine von KLM umgebucht. Statt um 10:30 komme ich jetzt um 7:40 in Amsterdam an, muss nicht umsteigen und habe 3 Handynummern abgestaubt. So schnell kann es gehen :)
    Bis bald!
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  • Happy End

    November 30, 2024 in the Netherlands ⋅ ⛅ 1 °C

    Da es in Afrika keine Fahrgastrechte wie wir sie in Europa kennen gibt, bin ich sehr froh, dass ich netterweise auf einen Direktflug von Dar nach Amsterdam umgebucht wurde. Anstatt mit Kenya Airways über Nairobi und dann über Paris nach Amsterdam (Ankunft weiß Gott wann), ging es in der Economy Comfort Klasse (das Flirten hatte sich also gelohnt) mit KLM nach Amsterdam. Mit extra Beinfreiheit und hervorragender Verpflegung gab es in Amsterdam nicht nur ein Wiedersehen mit meinen größten Fans, sondern auch einen atemberaubenden Sonnenaufgang.
    Zuhause ist es doch irgendwie am schönsten.

    Und in 10 Tagen geht der Flieger nach Nepal… :)
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    Trip end
    November 30, 2024