Ausfahrt Amerika

July 2023 - April 2024
~ 150.000km
Halifax (Kanada) bis Ushuaia (Argentinien) und wieder zurück
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  • Day 3

    Halifax, der Start

    July 13, 2023 in Canada ⋅ ☀️ 28 °C

    Wir haben es geschafft! Wir haben Europa verlassen! Nach 2 Jahren Planung, Monaten der Haushaltsauflösung, Wochen des Organisierens von Versicherungen bis Flug, Tagen des Abschiednehmens und letzten Stunden mit Hektik sind wir von Hamburg aus über Lissabon nach Halifax geflogen, um als erstes Kanadas Osten zu bereisen. Dafür warten wir hier in Halifax auf unseren wichtigsten Begleiter, der zugleich Fortbewegungsmittel und zu Hause sein wird. Er reist seine erste Etappe wegen seines Gewichtes per Schiff, außerdem bevorzugt er die langsame Art des Reisens: Grobi, unser Landcruiser. Er soll nach 14 Tagen Schiffsreise in 4 Tagen ankommen, braucht jedoch noch mindestens 2 Tage, um durch den Zoll zu kommen. Jörg und ich haben also eine Woche Zeit, um Halifax anzugucken ... und auszuschlafen. Außerdem hoffen wir, dass in dieser Zeit Jörgs Rucksack, der lieber in Deutschland bleiben wollte und deswegen noch in Hamburg ist, zu unserer Unterkunft in der South Street geliefert wird. An sich ist der Inhalt nicht so wichtig, doch außen am Gepäck sind die Gasdruckfedern befestigt, die das Aufstelldach von Grobi halten sollen. Die jetzt noch verbauten Federn sind unterdimensioniert, halten das Dach mit den Kisten und den Sandblechen in der geöffneten Stellung also nicht sicher oben. Das hat Nachteile, wenn wir unter dem Dach schlafen und der Wind auffrischt ... .
    Die nächsten Tage verbringen wir also mit Warten und neugierigem Beobachten der neuen Welt: Stromkabel verlaufen oberirdisch in dicken schwarzen Kabeln, es gibt keine KFZ-Kennzeichen an der Front der Autos, das Wartezeichen für Fußgänger an Ampeln ist eine leuchtende erhobene Hand, Poutine ist Pommes mit Bratensoße und Käse. Wie diese Mischung wohl entstanden ist ...
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  • Day 6

    Halifax 2

    July 16, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 21 °C

    Da wir immer noch nichts von Jörgs Gepäck gehört haben und auch keinen Kontakt zu jemandem herstellen können, der uns irgendwelche Nachrichten darüber mitteilen könnte, beginnen wir, unseren Sohn Jakob einzuspannen und teilen unser Problem auch meinen Schwestern mit. Unser Gefühl: Kaum haben wir 2 Dösbaddel das bekannte Europa verlassen, kommen wir nicht mehr zurecht. Doch andere Menschen kommen auf gute Ideen: Jakob kann in Erfahrung bringen, dass die letzte Fluglinie für das Gepäck verantwortlich ist, also Air Canada und nicht diejenigen Fluglinie, die für den Verlust verantwortlich ist. Meine ältere Schwester empfiehlt eine Zeichnung vom Gepäck zu machen. Damit ist uns klar, dass wir noch einmal zum Flughafen fahren und uns vor Ort an einen Verantwortlichen wenden. Gesagt, getan! Und zu unserer Überraschung ist die Frau in der Reklamationsstelle nicht nur kompetent, sondern auch ausgesprochen hilfsbereit. Ergebnis: Jörgs Tasche ist vermutlich ohne Gepäckanhänger und jegliche sonstige Kennung in Hamburg geblieben. Ob die Federn noch daran befestigt sind, kann die Mitarbeiterin uns nicht sagen, aber stellt sofort auch einen Suchantrag für den Pappkarton aus. Die Zeichnung hilft. Sie will sich telefonisch melden, sobald das Gepäck am Flughafen in Halifax ist. Das klingt ermutigend und wir ziehen fröhlich von dannen.
    Dieses positive Gefühl verlässt uns den ganzen Tag über nicht: Wir sitzen im Park und hören einem kostenlosen Jazzkonzert zu, danach wandern wir zur südlichsten Spitze von Downtown Halifax und sehen unser erstes wildes Tier (von Staren, Möwen und Krähen einmal abgesehen). Sogar das Buchen einer weiteren Unterkunft klappt. Die benötigen wir, weil wir nur bis Dienstag im Airbnb bleiben können, unser blauer Begleiter aber erst Donnerstag kommen wird.
    Und wir machen weitere Beobachtungen, die uns Halifax immer sympathischer machen: Stehen Fußgänger an einer Straße und sehen so aus, als ob sie hinüber gehen wollten, halten die Autos an, auch wenn kein Zebrastreifen in der Nähe ist. Apropos Zebrastreifen: Viele sind in Regenbogenfarben. Toleranz ist hier gelebte Wirklichkeit. Der Mensch, der in unserem Altenholz wegen seiner Art sich zu kleiden Aufmerksamkeit erregt, würde hier nicht auffallen. Jeder tut, wozu er Lust hat. Tanzen zur Musik im Park, trotz übermäßiger Körperfülle in engen kurzen Hosen und knappem Oberteil herumlaufen, große rosa Hüte zu leuchtend roten Kleidern tragen, zu Handyplayback singen, E-Gitarre spielen am Hafen. Nur eines geht nicht: Seinen Mitmenschen bewusst beeinträchtigen.
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  • Day 9

    Halifax 3

    July 19, 2023 in Canada ⋅ ⛅ 21 °C

    Wir sind "umgezogen" und wohnen jetzt für 2 Nächte in einem Neubaugebiet in einem Vorort von Halifax. Nach viel Stadtlärm erleben wir die absolute Ruhe. In den völlig gleich gearteten Gärten ist selten ein Mensch zu sehen, nur wir Ausländer sitzen draußen.
    Und was macht das Gepäck? Die Informationsseite sagt: Item located, pending confirmation. - Das Gepäck wurde lokalisiert, Bestätigung ausstehend? Was heißt das? Müssen wir bestätigen, dass es sich um unser Gepäck handelt? Müsste das Gepäckpersonal von Air Canada bestätigen? Muss etwas unternommen werden? Da fahren wir doch glatt noch mal zum Flughafen! Mit Google-Maps ist die 1,5 stündige Busfahrt mit 2-maligem Umsteigen unproblematisch, nur das Bezahlsystem bleibt ein lustiges Rätsel: Mal zahlen wir je 4 $, mal nur 2 für dieselbe Strecke, dann wieder nichts oder das, was ich an Münzen im Portemonnaie habe. Wechselgeld gibt es nie. Wenn man es nicht passend hat, zahlt man halt zu viel.
    Busfahren ist aufschlussreich, Smalltalk zwischen den Fahrgästen an der Tagesordnung:
    Ein weißen Penner freundlich zur gut gekleideten Dunkelhäutigen: "Sie haben aber schöne Schuhe!"
    Antwort: "Ja, nicht wahr? Habe ich Extrastunden für gearbeitet." Reaktion der älteren, weißen Dame vom Nachbarsitz: Breites Lächeln und beide Daumen hoch.
    Und das Gepäck? Geduld! Das ist noch in Hamburg. Das ist Gefahrgut und wird deswegen nicht transportiert, sagt uns der freundliche Mitarbeiter hinter dem Bildschirm. Waaaas? Wir erklären, dass die Federn durchaus fliegen können, weil sie völlig ungefährlich, ... , ... , ... .
    "Ja, dann können sie doch transportiert werden. Bitte Geduld, das kann dauern. Sie werden uns informieren."
    Uff! Wir ziehen fröhlich von dannen. Mal sehen, wie oft ich das noch schreiben werde. Fun fact: Ich habe diesmal jedes Wort verstanden, nicht nur den Inhalt sinngemäß erfasst.
    Weiteres am Rande:
    Auch in Neubaugebieten verlaufen die Stromleitungen oberirdisch.
    Gibt es hier gar keine Graffiti?
    "Stand with Ukraine"- Schriftzug an Buslinien.
    Wenn man den Bus verlässt, bedankt man sich beim Busfahrer für den Transport - eher nicht für die Fahrweise, denn die ist oft halsbrecherisch.
    Getränke werden in Dosen oder Plastikflaschen verkauft, Glas ist unüblich.
    Alkoholika und Hasch bekommt man ausschließlich in dafür zertifizierten Geschäften.
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  • Day 10

    Halifax 4

    July 20, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 24 °C

    Juhuuuu! Heute ist Grobi-Tag! Wir dürfen unseren HZJ78 vom Hafen abholen.
    "Ein Landcruiser bringt einen überall hin - und auch wieder zurück!" Das ist der Grund, warum wir uns vor 3 Jahren für dieses Auto entschieden haben. Der Name entstand ebenfalls aus diesem Spruch heraus: Der Sesamstraßengrobi kann auch alles und ist ebenfalls blau.
    Zurück zur Abholung: Zuerst die Papiere von der Spediteurin entgegennehmen, dann zum Zoll und die Unterlagen abgeben: "Haben Sie Milchprodukte oder Fleisch im Wagen? Alkohol? Drogen? Waffen?"
    Ich gucke konzentriert : "No", "No", "No", "Yes, of course!" Ich konnte es mir nicht verkneifen! Die Zollbeamtin schaut auf, dann lacht sie: "Yes, of course?" "No, certainly not!"
    Wir bekommen die Freigabe und müssen jetzt nur noch zum Hafen. Wir nehmen den Bus! Alle, die wir treffen, nehmen ein Taxi oder haben sich einen Mietwagen genommen. Wir sind ein bisschen Stolz, dass wir es problemlos mit den Öffentlichen schaffen!
    Auch am Hafen gibt es keine Probleme. Der Wagen hat allerdings an allen möglichen Öffnungen Sicherheitskleber. Die rückstandslose Entfernung gestaltet sich schwierig, da wir aber gerade eine Mail vom Flughafen bekommen (das Gepäck ist da!) , brechen wir das Etikettentfernen ab und düsen zum Flughafen. Und tatsächlich! Der Rucksack ist da! Es fehlen ... die Federn. Es wird ein neues Formular vom freundlichen Mitarbeiter ausgefüllt, diesmal mit der Überschrift: damaged baggage. Wir sollen in den nächsten 7 Tagen ... Ja, klar, machen wir ... Formular ausfüllen. "Ja, wir können noch auf die Federn warten." "Ja, wir können uns auch neue kaufen."
    Wir entscheiden uns, erst einmal Gasflaschen zu kaufen und fahren den von Seabridge empfohlenen Händler an: Die Flasche dort ist zu dick. Hilfreicher Tipp: "Fahrt zu Mr Propane in Dartmouth!" Wir sind schon unterwegs und bekommen dort 2 kleine 2,5 l Flaschen. Und auch noch einen fantastischen, stabilen Besenstiel, mit dem wir das Dach abstützen können. Wer braucht schon Gasdruckfedern. Der Mitarbeiter empfiehlt uns, noch zu Auto Princess zu fahren. Der Laden hätte alles, wirklich alles, was man für Autos braucht. Wir: Nix wie hin!
    Die freundlichen Mitarbeiter dort haben soooo große Gasdruckfedern noch nie gesehen. Aber sie empfehlen Amazon: "Do you know Amazon? You can get everything there. Do you know it? It's online!" Ach! Der Mitarbeiter schreibt "Amazon" auf einen Zettel, obwohl wir ihm erklären, dass Jeff Bezos auch in Europa Geld mit Amazon verdient.

    Wir wollen noch die 2 × 50 l Wassertanks füllen und fahren deshalb einen Campingplatz an. Außerdem wollen wir das Gepäck aus den Rucksäcken in Ruhe verstauen, das 1. Mal etwas kochen (es gibt Kartoffeln mit Salat) und im See baden. Da haben wir uns dann doch zu viel vorgenommen: Um 21:00 Uhr ist es dunkel! Außerdem gibt es hier Mücken ... das ist eigentlich nicht überraschend, aber vorbereitet sind wir darauf im Endeffekt nicht.
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  • Day 13

    On the road

    July 23, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 21 °C

    Der Plan war es, an der Südostküste von Nova Scotia langsam in Richtung Cape Breton nach Norden/Osten zu fahren, aber das Wetter verschlechtert sich. So wird es mehr oder weniger eine Transportstrecke zum berühmten Cabot Trail. Dadurch bewegen wir uns gleichmäßig parallel zu dem über uns befindlichen Schlechtwettergebiet: Es regnet, gießt, schüttet! Ununterbrochen! Und bemerkenswerter Weise lassen sich die Mücken davon nicht beeinträchtigen: Ob Wind oder Regen, die Mücken hier fliegen und stechen! immer.
    Wir entscheiden uns, heute nur ein paar Kilometer zu fahren, um aus dem Mückenwald heraus zu kommen. Vielleicht finden wir ja einen Drugstore, der, obwohl Sonntag ist, offen hat und uns ein Mückenrepellent verkauft. Auf jeden Fall erhoffen wir uns, dass das Regengebiet über uns hinweg zieht.
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  • Day 15

    Cape Breton Island

    July 25, 2023 in Canada ⋅ ☀️ 24 °C

    Da sind wir doch glatt nasser geworden, als wir dachten! Die vordere Kiste auf dem Dach hatte einen Wassereinbruch, außerdem müssen wir die Verbindung der Gasdruckfedern mit dem Dach beobachten. Irgendwie kam da Wasser ins Wageninnere. Wir trocknen erst einmal alles auf einem Campingplatz, lesen unsere WhatsApp-Nachrichten - antworten können wir ja gleich noch - und machen uns weiter auf den Weg Richtung Norden. Wir befahren den berühmten Cabot Trail von Cape Breton gegen den Uhrzeigersinn. Die erste Wanderung erwartet uns in Ingonish am Middle Head, einer schmalen, langgestreckten Landzunge.
    Weiter im Norden baden wir im Atlantik im moorbraunen Wasser: Durch die rasanten Regenfälle schwämmen die Flüsse die braune Brühe aus dem Landesinneren ins Meer. Wir stellen uns den Wellnesseffekt für unsere Haut vor: Salzige Mooranwendung! Der Name des Strandes lautet etwas verwirrend "White Beach".
    Wir verlassen den Cabot Trail und folgen der atemberaubenden Küstenlandschaft weiter bis Meat Cove (Fleisch Bucht - doch kein Fleisch zu sehen) zum nördlichsten Punkt Cape Bretons. Kurz davor biegen wir auf einen halb überwucherten Pfad ab, der uns zu den Überresten von Hippie Jim's Castle mit traumhaften Blick auf den Sonnenuntergang über dem Atlantik führt.

    Hippie Jim ist Ende der 60ger Jahre vor der Einberufung in die US-Armee wegen des Vietnamkrieges hierher geflohen und hat mit den Felsen und dem Holz der Gegend und der Unterstützung eines störrischen Pferdes das Schloss für seine Frau und seine Tochter gebaut. Ein kreisrundes Fundament von knapp 8m Durchmesser zeugt noch vom Bauwerk. Was geschah?
    Jim begann einen Hungerstreik, damit die Welt eine bessere würde. Ob er verhungerte oder an den Folgen der zu hastigen Rückkehr zur Normalkost starb, ist nicht überliefert. Frau und Kind kehrten in die USA zurück, Hippie Jim's Castle verfiel. Die Welt drehte sich unbekümmert weiter.

    Wir genießen den Sonnenuntergang und hören die Geschichte von Lee, der mit uns auf dem winzigen Arreal steht. Auch seine eigene Geschichte ist erzählenswert. Nach der Schule weiß der gebürtige Engländer nicht, was aus ihm werden soll. Er reist, jobbt, wird zum Alkoholiker, schafft den Absprung und wird Tauchlehrer. Mit dem Beginn von Corona verliert er seine Arbeitsplatz, denn die Touristen bleiben aus. Er schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, arbeitet auf der Farm einer amerikanischen Freundin. Von ihr leiht er sich einen Van und ist seit 5 Monaten unterwegs. Wir wünschen in jeder Hinsicht eine Gute Reise.

    Und dann will ich hier in aller Ruhe den Blog weiterschreiben und hochladen, die wichtigen Dinge, die zu Hause aufgelaufen sind, abarbeiten und ein Buch zur Bestimmung von kanadischen Vögel aus der Onleihe herunterladen. Doch das Netgear, das uns mit der kanadischen Simkarte ein mobiles Internet verschaffen soll, hat seinen Dienst quittiert.
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  • Day 16

    Polletts Cove

    July 26, 2023 in Canada ⋅ 🌙 20 °C

    Ein Inder aus Mumbai empfahl uns eine Wanderung von Pleasant Bay aus: "Drive of end of Red River Road. Very hard, one day, beautiful! Must do!" Das klingt doch vielversprechend, so einer detailreichen Beschreibung folgen wir doch gerne.
    Wir finden tatsächlich von Pleasant Bay den besagten Red River Road. Die asphaltierte Straße endet, wir fahren auf Schotter weiter, bis wir nur noch zu Fuß weiter können. Dort übernachten wir.
    Der nächste Tag begrüßt uns mit bestem Wetter! Schon früh am Morgen ist es mit 26°C recht warm. Unser Rucksack ist mit Regenjacken, 2l Sprite und Studentenfutter gepackt. Es kann also losgehen:
    Nach 100m sehen wir eine halb verfallene Hütte. Durch den offenen Eingang spähend erkennen wir, dass die Küche voll eingerichtet ist.
    Weitere 200m später ist der Weg schon so überwachsen, dass ich meine Arme vor dem Gesicht kreuze,damit ich die Äste nicht ins Gesicht bekomme. Jörg geht voran und ist im Nu im Unterholz verschwunden. Wir kämpfen uns voran. Aufgeben gibt es nicht! Und tatsächlich öffnet sich der Pfad wieder und verläuft jetzt unter einem niedrigen Blätterdach. Obwohl es dadurch schattig ist, sind wir schweißgebadet, denn es ist stickig-heiß. Ich fühle mich wie Bilbo Beutlin aus dem Buch "Der kleine Hobbit", es fehlen nur die riesigen Spinnen. Es geht steil bergauf, dann wieder bergab. Unten angekommen queren wir ein Bächlein. Dann geht es wieder aufwärts. Im Gegensatz zu Bilbo haben wir jedoch noch zu Hause eine Karte auf unser mobiles Endgerät heruntergeladen, so dass wir wissen, dass der Weg der Küstenlinie folgt und ein Verlaufen nicht möglich ist. Das erklärt auch die Wegführung: Rauf auf die Steilküste und wieder herunter in das Flusstal. Einen Blick über das Wasser erhalten wir jedoch erst nach 4 km, als sich vor uns eine Wildblumenwiese auftut und der Weg steil abwärts zu einem breiten Bachbett führt. Unter uns erkennen wir 2 Menschen! Noch bevor wir unserem Erstaunen Ausdruck verleihen können, stürzt einer der beiden. Das Geräusch, das dabei zu uns hochschallt, erinnert an brechende Knochen. Der Schreck lässt uns den Abhang hinunter geradezu fliegen. Aber die junge Frau hatte Glück: Blutende Schürfwunden sind sicher schmerzhaft, aber hindern nicht am Weitergehen. Vater und Tochter sind auf dem Rückweg von Polletts Cove. Sie hatten dort übernachtet.
    Wir überqueren den Fluß barfuß mit dem Wissen, dass wir die Hälfte des Hinweges geschafft haben und noch 3-4 km vor uns liegen. Polletts Cove muss schon sehr schön sein, um diese Anstrengung zu rechtfertigen.
    Und es ist schön! Wildromantisch liegt die weite Bucht schließlich vor uns: Blumenwiesen mit Knabenkrautorchideen, grasende Pferde, ein breiter klarer Bachlauf und eine frische Brise vom Meer her. Wir gönnen uns eine Stunde Pause im Paradies, dann machen wir uns auf den Rückweg.
    Die letzten Kilometer werden zu einer schmerzhaften Strapaze, aber Pollets Cove war sie wert.
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  • Day 17

    Erfahrungen

    July 27, 2023 in Canada

    Dimitry und Olga empfahlen uns, in Cheticamp einem Abend mit traditioneller Musik beizuwohnen. Also fahren wir nach unserer Monsterwanderung in den nächsten größeren Ort, um dort auf einem Platz, der bei iOverlander aufgeführt wird, zu übernachten. Für einen Abend mit Gesang und Spiel und Tanz sind wir viel zu erschöpft, aber wir machen noch kurz an einem kleinen Laden mit W-lan halt ... da waren ja noch dringende Anfragen, die erledigt werden mussten.
    Was ist iOverlander? Bei dieser App handelt es sich um eine Gemeinschaft, die Plätze zum Wildcampen ins Netz stellt. Das ist sehr praktisch, wenn wir entweder keine Kraft oder keine Zeit haben, selber nach einem Stellplatz für die Nacht zu suchen.
    Der Stellplatz für die kommende Nacht ist Nahe Cheticamp, für morgen nehmen wir uns den empfohlenen Kneipenabend vor.
    Auf dem Übernachtungsplatz lernen wir Andy aus den USA kennen: Andy hatte alles, was man im Leben als erstrebenswert erachtet: Haus, sicheren Job, 4 Kinder und nach einer Scheidung eine Freundin aus Australien. Doch dann kam Corona. Er war mit unter den ersten, die sich infizierten und bekam Longcovid. Doch damals war diese Folgeerscheinung gänzlich unbekannt. Keiner glaubte ihm, dass er tatsächlich nicht mehr Lesen und Schreiben konnte und dass ihm die Merkfähigkeit völlig fehlte. Er verlor alles: Den Job, die Freundin, die Freunde. Daraufhin verkaufte er das Haus und fuhr mit dem Auto in die nahegelegenen Rocky Mountains. Seither ist er unterwegs. Erst sehr langsam und mühsam, weil er sich nicht zurechtfand, dann immer besser. Seit ein paar Wochen - oder Monaten, er weiß es nicht genau - fühlt er sich wieder wie früher. In die USA zurückkehren möchte er nicht, denn er hat dort niemanden mehr. Aber er überlegt, seine Reise abzubrechen und nach Frankreich auszuwandern, denn dort wohnt eine seiner Töchter, die ihm vor einem Jahr eine Enkelin geschenkt hat. Andy zeigt mir ein Foto des Babys und sagt, dass er ein gutes Verhältnis zu seiner Tochter in Frankreich hätte. Ja, Andy, reise nach Frankreich!

    Am nächsten Tag geht es Jörg und mir wieder so gut, dass wir entscheiden, den Skywalktrail zu wandern. Es wird ein entspannter 8 km langer Weg mit phantastischer Aussicht auf das Meer und die Straßenführung des Cabot Trail.
    Abends gehen wir Essen ins Doryman und genießen einen lustigen Abend mit Musik und Tanz.
    Allerdings muss ich das nächste Mal beim Bezahlen besser aufpassen: Ein Trinkgeld von 15% ist durchaus üblich, der Kellner hat jedoch 50% berechnet. Wir bemerken es erst am nächstenTag. "Fifteen" und "fifty" liegt lautlich dicht beieinander. Ich zahle mit Karte und schaue nicht genau hin, wundere mich jedoch noch, weil er sagt, dass wir sehr großzügig seien. Es war sehr laut in der Kneipe, so dass ich meinte, ihn missverstanden zu haben. Ich zahle Lehrgeld.
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  • Day 20

    Blumentöpfe

    July 30, 2023 in Canada ⋅ ⛅ 22 °C

    Am Bay of Fundy zwischen Nova Scotia und New Brunswik gibt es den größten Tidenhub weltweit. Je nach Mondphase, Wind und je nachdem, wen man befragt, soll er bis zu 20m erreichen. In Truro soll eine Gezeitenwelle von bis zu 1,5m bei Flut den Fluss herauf rollen. Das wollen wir sehen! Wir recherchieren den Tidenhöchststand und stehen frühmorgens mit einem Paar aus Quebec an der Biegung des Flusses, an der die Welle um die Ecke kommt. Die Spannung steigt! Gleich muss sie kommen! Die Kamera ist bereit!
    Was ist das? Ist sie das? Das Kleine da? Ein Wellchen von maximal 30cm Höhe quält sich den Fluss herauf an uns vorbei, fertig. Das war doch eher enttäuschend, sind wir uns mit dem französisch sprechenden Paar einig. Am Vormittag müssen wir erst einmal alltägliches regeln. Zu Hause ist vieles Routine, hier wird manches zur Herausforderung: Wo ist die nächste öffentliche Wäscherei und wie funktioniert sie? Zum Auffüllen der Gasflasche fahren wir kreuz und quer durch Truro, alle Stationen tauschen nur die großen Flaschen, unsere kleinen sind ein Sonderformat. Wir sind sowieso etwas besorgt, weil unsere Gasflasche viel zu schnell leer erscheint. Haben wir ein Leck?
    Endlich finden wir eine Füllstation und es stellt sich heraus, dass die Buddel noch fast voll ist: Wir hatten den Adapter für den Anschluss an unser europäisches System nicht fest genug angezogen, so dass der Nippel, der dann das Gas freigeben soll, nicht ... ach ja: Wir müssen nur den Nippel durch die Lasche ziehen und mit der kleinen Kurbel ... .
    Der Übernachtungsplatz ist ein kleiner Traum: Direkt neben dem Gezeitenstrom beobachten wir, wie die Flut langsam das Land versenkt.

    Wir fahren weiter zu den Hopewell Rocks. Dort sollen die Gezeiten die Küste so geformt haben, dass Säulen von ca. 25m Höhe entstanden sind, auf denen sich oben der normale Waldbewuchs hält. Deswegen werden sie auch "flowerpots" genannt. Wir zahlen 35 C$ Eintritt und sind sehr skeptisch!
    Doch die Blumentöpfe sind wirklich bemerkenswert beeindruckend! Wir verbringen den Rest des Tages dort, um auch die Ebbe zu erleben.
    Anschließend folgen wir dem Rat von Dennis, der uns eine Offroad-Strecke in den Wald an einen Fluss empfahl. Dort übernachten wir.
    Morgens wollen wir der Strecke nach Norden so weit folgen, wie wir können. Wir holpern über Stock und Stein, passieren ein "Durchfahrt verboten" -Schild und erreichen schließlich eine zusammengebrochene Brücke. Links ist ein Bypass. Ich erkunde die Tiefe, die Höhe der Steine und den Untergrund. Wir beraten uns. Wir sind allein, ohne zweites Fahrzeug, das uns bergen könnte. Wir drehen um.
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  • Day 24

    Geschichte und Geschichten

    August 3, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 22 °C

    Langsam und gemächlich tüdeln wir an der Küste von New Brunswick nordwärts. Das Wetter ist gut, wir besuchen einen einsamen Strand, eine psychedelisch ausgemalte Kirche, einen Leuchtturm am nördlichen Ende der lsle Miscou.
    Wir sind in Acardien, einem französisch sprechenden Teil Kanadas.
    Die Geschichte hat den Acadiern übel mitgespielt. Ursprünglich von Frankreich nach Nova Scotia übergesiedelt, wurden sie von Engländern erst mit Krieg überzogen und dann vertrieben, so dass sie sich neue Siedlungen im heutigen New Brunswik aufbauen mussten. Die Liebe zu Frankreich und Ressentiments gegenüber englisch Sprechenden sind überall spürbar. Wir sind überrascht! Der 7 Jahre dauernde Krieg ist ca. 270 Jahre her! Langsam könnte das doch vergeben worden sein! - Wann standen die Türken vor Wien? -
    Wir besuchen ein Freilichtmuseum, dem in Molfsee sehr ähnlich, jedoch mit dem entscheidenden Unterschied, dass jedes Haus von jemandem in der Kleidung, die zum Haus, der Jahreszahl und der Arbeit passt, "bewohnt" wird. So erleben wir, wie es in einer Taverne im 18. Jahrhundert zuging: Frauen sind nicht zugelassen und die Männer bekommen nur 2 Getränke in Shotgröße mit ca. 60% Alkohol ausgeschenkt. Echtes Feuerwasser! Allerdings wurde es mit Wasser auf 20% Alkohol heruntergemildert.
    Mit viel Herzblut zeigt man uns, wie Teppiche aus Tuchresten gefertigt wurden, wie man Planken für Boote bog, wie Wolle gewaschen, gekämmt, gesponnen und gefärbt wurde. Und jedesmal sehen wir freudiges Erstaunen, dass Deutsche sich für ihr acadisches Schicksal interessieren.
    Das vorher besuchte Meerwasseraquarium ist durch diese Darbietung von Geschichte fast der Vergessenheit anheim gefallen.
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