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  • Dag 218

    Im Himmel Kappadokiens

    1 april, Turkiet ⋅ ☀️ 23 °C

    Wir haben uns für die Tour mitten durch Anatolien ein besonderes Ziel ausgesucht, das gleichzeitig einer der weltweiten Touri-Hot Spots ist: Kappadokien. Nach dem Salzsee Töz Gölü geben wir es uns radmäßig nochmal so richtig. Steile Rampen, die endlos scheinen uns aber durch wirklich herrlich weite Landschaften bringen, machen uns mit der sommerlichen Hitze ziemlich fertig. Und dann ist es endlich soweit - knapp 900 Kilometer nach Istanbul tun sich Pilze, Zipfelmützen und Kamine aus Stein vor uns auf. Kappadokien hat seine wunderschön bizarre Landschaft zwei Vulkanen zu verdanken, die vor 50 Millionen Jahren alles mit Asche bedeckten und woraus sich im Laufe der Zeit in Verbindung mit Basalt, Asche und Sand ein weicher Tuff entwickelte, der langsam durch Wind und Wasser so abgetragen wurde, dass diese einzigartigen Formen entstanden. In der Bronzezeit höhlten die Menschen die „Zipfelmützen“ aus und hatten so ein Haus gebaut, ohne Baumaterial nutzen zu müssen. Es gibt ganz Felsenstädte in der Umgebung. Auch Kirchen sind so entstanden.

    Hauptausgangsort ist Göreme, das wir nach einer aussichtsreichen Abfahrt erreichen. Der Ort ist nicht sehr groß und die Masse an Touristen, die bereits jetzt Anfang April hier ist, übersteigt die Einwohnerzahl um ein Vielfaches. Ich mag solche Orte eigentlich gar nicht so sehr und versuche sie zu vermeiden, aber bei dieser Landschaft, ist das gar nicht möglich. Und wir freuen uns auch schon darauf mal wieder andere Touristen, ja vielleicht sogar Radreisende zu treffen, denn durch ganz Anatolien ist uns außer zwei französischen Wohnmobilisten, kein Urlauber begegnet. Tourismus ist hier die Haupteinnahmequelle. Höhlenwohnungen wurden zu Hotels umgebaut. Es gibt unzählige Restaurants, Souvenirshops und Touranbieter. Neben Reiten, Quad fahren, Wellness im Hamam, ist eine Ballonfahrt das Must-Do von Kappadokien. Wir sind beide noch nie in einem Ballon mitgefahren und entscheiden: das machen wir auch. Jetzt in der Nebensaison zahlen wir pro Person 160€, in der Hauptsaison sind bis zu 300€ fällig.

    Wir beziehen Quartier auf dem Panorama-Camping, der hält, was der Name verspricht. Die Tuff Landschaft und Göreme liegen uns zu Füßen. In der Ferne blicken wir auf den schneebedeckten Vulkan Erciyes Dağı (3916 Meter) und eine Berglandschaft, die mich farblich an den Grand Canyon erinnert. Dann wird auch unsere Hoffnung auf Radfahrgespräche erfüllt: Sophie und Tom aus Neuseeland und Australien schlagen ihr Zelt neben uns auf und wir haben endlos Themen, die man einfach nur mit Radfahrenden bequatschen kann. So gruseln wir uns über Stories von bellenden Hunden, ärgern uns über wahnwitzige Verkehrssituationen und tauschen uns über die Gastfreundschaft der Türk:innen aus.

    Am nächsten Morgen müssen wir um 5:30 Uhr raus aus den Daunenfedern. Unterschwelliges Brummen und Rauschen ist von überall zu hören. Schon vor Sonnenaufgang beginnt man damit die Ballone mit großen Ventilatoren aufzupusten, damit man die ersten Sonnenstrahlen schwebend über Göreme einfangen kann. Wir fahren aus dem Ort heraus und da sehe ich schon die unzähligen aufleuchtenden bunten Ballone, die nach und nach vom Boden abheben.

    Unser Gefährt wird jetzt erst mal ausgepackt. Pünktlich mit dem Sonnenaufgang heben wir aber schließlich ab. Ich hatte mir das ja so richtig romantisch vorgestellt: wir und vielleicht 2-3 andere Leute sind mit Pilot im Korb – so wie daheim halt. Die Körbe sind hier aber gigantisch groß und so sind wir mit insgesamt 20 Touristen, einer Pilotin plus Co-Pilot für die nächste Stunde recht eng zusammengepfercht miteinander unterwegs – neben uns direkt acht junge Chinesinnen aus Shanghai, die sich so richtig in Schale geschmissen haben. Die Fahrt ist ganz anders als ich sie mir vorgestellt hatte: statt direkt in die Höhe zu steigen, schweben wir durch das tieferlegene Taubental mit vielen tollen Felsformationen. Ich bewundere die Navigationskünste der Pilotin. Als wir den Nachbarballon sogar berühren, ruft eine Chinesin panisch: „Das ist viel zu eng!“ Aber die Pilotin ist völlig entspannt: „Kein Problem, das ist mein Ehemann.“ Kiss in the sky! Neben der Landschaft erfreuen wir uns auch an den Posen der Digital Natives. Ich weiß gar nicht, wie viele Fotos, Selfies und Videos direkt in den unendlichen Weiten der chinesischen sozialen Netzwerke als digitaler Datenmüll gelandet sind. Virtuelles Leben in Echtzeit. Was würden die wohl machen, wenn das Internet crashed?

    Ich mache aber auch viel zu viele Fotos, weil immer wieder neue Details auftauchen. Als der Ballon bis auf 900 Meter hochsteigt, fühle ich mich in die Welt von Yann Arthus-Bertrand versetzt. Die Welt von oben ist einfach fantastisch. Über 100 Heißluftballone sind an diesem Morgen hier aufgestiegen. Eine echt unglaublich schöne Ansicht des Massentourismus‘. Wenn ja nur ein paar einzelne Touris hier wären, kämen diese tollen Fotos ja gar nicht zustande. Natürlich wurde auch sehr viel Propangas an diesem Morgen nur für „die Plaisir“ verbraucht – würde mich mal interessieren, wie viele Haushalte wir stattdessen hätten vorsorgen können.

    Wir schauen uns noch das Love-Valley an bevor uns der Rückenwind direkt ins Busterminal nach Kayseri weht, wo wir im fast leeren Nachtbus in zwölf Stunden recht entspannt nach Kars, in den äußersten Nordosten des Landes, fahren.

    In der Türkei feiert man ab dem 9. April Bayram, das auch Zuckerfest genannt wird. Die Supermärkte sind übervoll mit Süßkrams: Pralinenschachteln, Turkish Delight, Baklava und auch Bonbons wandern massenweise in die Plastiktaschen. Nach der langen und enthaltsamen Ramadan Zeit wird jetzt geschlemmt, was das Zeug hält. Es ist ein Fest, das an unser Weihnachten erinnert. Söhne und Töchter besuchen ihre Eltern und nehmen dafür lange Wege quer durch dieses riesige Land in Kauf. Es gibt vier Feiertage, an denen alle in der Türkei frei haben. Da es ein Fest in den Familien ist, werden wir vermutlich nicht viel davon mitbekommen, daher beschließen wir uns schon vorher auf den Weg ins benachbarte Georgien zu machen und der Türkei Hoşça kal (tschüss) zu sagen.
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  • Dag 217

    Auf dem Weg nach Zentralanatolien

    31 mars, Turkiet ⋅ ☀️ 20 °C

    Als wir in Istanbul los radeln wissen wir, vor uns liegen knapp 900 km bis zu unserem nächsten Ziel: Kappadokien.

    Luzi plant eine Strecke durch das Landesinnere. Wir hoffen, dass es dort beschaulicher und ruhiger wird.

    Ein 30 km langer Radweg führt uns aus Istanbul raus. Fast immer entlang der Küste schlängelt er sich durch eine Vielzahl an Parkanlagen. Wir sind erstaunt, wie lange sich Istanbul und auch die Vororte ziehen. Irgendwann endet der Radweg ziemlich abrupt vor einem eingezäunten Militärgelände. Komoot möchte uns dort durch lotsen, der Wachposten hält allerdings wenig davon 😉.

    Mit Ende des Radweges geht es dann auch los- Industriegebiet an Industriegebiet. Wir fahren auf der Autobahn Fahrrad. Es ist laut, staubig und wegen der LKWs nicht ganz ungefährlich hier zu radeln. Spaß macht es so auf jeden Fall gar nicht!

    Wir sind froh, als wir bei Fatma und Gülay ankommen. Die beiden Frauen sind bei der Plattform "Warmshowers" angemeldet und bieten Radler:innen eine Übernachtungsmöglichkeit. Wir haben viel Spaß zusammen. Fatma ist Frisörin und schenkt mir einen Haarschnitt. Wir schlagen unser Bett im Frisörsalon auf. Im Gegenzug kochen wir für die beiden Käsespätzle und Salat. Die beiden Frauen sind ein Paar, was in der Türkei nicht selbstverständlich offen gelebt wird.
    Wir freuen uns, uns offen mit ihnen austauschen zu können - vorallem auch über LGBTQ Themen in der Türkei . Werden wir ansonsten hier gefragt, wie wir zueinander stehen, sagen wir immer "Freundinnen", was uns beiden irgendwie nicht wirklich gefällt.

    Auch bei einem unserer nächsten Warmshowers, Meltem und Fatih können wir offen sagen, dass wir ein Paar sind, da die beiden sehr weltoffen sind und vieles was politisch in der Türkei geschieht hinterfragen. Die landesweiten Bürgermeisterwahlen stehen kurz bevor. Es scheint als ob unendlich viel Geld in den Wahlkampf gesteckt wird. Ganze Straßenzüge sind mit Fahnen geschmückt, Bässe wummern aus vorbeifahrenden Wahlkampfautos. Fatih und Meltem sind wie alle Türken gespannt, wie die Wahlen ausgehen werden.

    Nachdem wir uns morgens von Meltem und Fatih verabschieden, ist es endlich so weit: unsere gefühlt erste landschaftlich richtig schöne Straße in der Türkei tut sich vor uns auf. Endlich die endlose Weite, die ich mir seit dem Nationalpark Gran Sasso in Italien gewünscht habe. Ich schaue mich um und kann so weit blicken, dass ich es selbst kaum fassen kann. Das ist dann auch endlich wieder einer der Momente, wo ich weiß, warum ich zu solchen Reisen aufbreche. Solche Weiten ohne Häuser oder verstellten Blicken gibt es in Deutschland einfach nicht. 

    Ab jetzt tauchen wir ein in das Landleben der Türkei. Keine Touristen weit und breit. Sind wir vorher schon mehr als nett begrüßt und immer wieder gefragt worden, was wir mit dem Rad hier machen, woher wir kommen und wohin wir fahren, begrüßt uns jetzt fast jedes Auto mit einem Hupen und Winken der Fahrzeuginsassen. Wir kommen aus dem Zurückwinken schon fast gar nicht mehr raus.

    Die kleinen Ortschaften gewinnen hier wirklich keinen Schönheitspreis, dafür sind die Menschen umso gastfreundlicher. Kaum steigen wir von den Rädern, werden wir zu einem Chai (Tee) eingeladen. Aus manch größeren Ortschaften kommen wir kaum los, weil uns immer wieder Menschen ansprechen und einladen wollen. Es entstehen skurrile Situationen, so sitzen wir z.B. plötzlich im Büro eines Mannes, der mit Salz und Kohle handelt. Nachdem er gehört hat, dass wir aus Deutschland kommen, telefoniert er kurz und ruft seinen Bruder mit dazu, der wiederum einen Freund dazu ruft, der eigentlich in Bayern lebt und auf Heimatbesuch ist. Irgendwann sitzen wir zwei mit sieben türkischen Männern im Büro und trinken zusammen Chai. Zum krönenden Abschluss bekommen wir noch zwei große Einmachgläser geschenkt. Eins mit Marmelade und eins mit süß eingelegten Gurken. Lieb gemeint, allerdings echt schwierig in die Radtaschen zu stopfen:).

    In bestimmten Gebieten Zentralanatoliens werden wir so oft auf Deutsch angesprochen, dass es schon fast irritierend ist. Es scheint hier kaum jemanden zu geben, der nicht jemanden aus der Familie hat, der in Deutschland lebt oder mal gelebt hat. Zum Teil scheinen es ganze Generationen zu sein, die im Zuge der Gastarbeiterbewegung nach Deutschland gingen. Viele kehrten in die Türkei zurück, viele Familien leben auch heute noch in Deutschland und sind nur noch zum Urlaub in der Türkei. Wir fahren durch Geisterstädte, wo tolle Häuser stehen, aber alle Rollläden geschlossen sind. Später erfahren wir, dass das die Urlaubshäuser der Deutsch-Türken sind.

    Ich denke in diesen Tagen viel darüber nach, wie es bei uns zu Hause um die Gastfreundschaft steht und nehme mir vor einen Teil des hier Erlebten mitzunehmen.

    Auch landschaftlich sind die Etappen durch Zentralanatolien wirklich ein Traum. Wir radeln auf einer Hochebene vorbei an Bergen unterschiedlicher Farbe und Form, an blühenden Mandelbäumen und über den Salzsee Toz Gölü. Hier legen wir einen verdammt langen Fotostop ein, um ähnliche Fotos zu schießen wie 2012 im "Salar di Uyuni" in Bolivien. Salz wird hier ebenfalls im großen Stil abgebaut, wie wir bei unserer Weiterfahrt sehen.

    Die unendliche Weite begleitet uns die gesamten Radtage. Die Temperaturen steigen, die Sonne brennt gnadenlos. Während dieser Tage fühlen wir uns wie im Sommer - auch hier zu heiß für die Jahreszeit.
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  • Dag 202

    Heute fährt die 18 bis nach Istanbul...

    16 mars, Turkiet ⋅ ☁️ 11 °C

    ...und für alle, die keine Jecken sind...das ist der Anfang eines Karnevalsliedes, was mir direkt zu Istanbul einfällt 😜.
    Irgendwie auch passend, denn mit Verlassen Griechenlands geht dort die Karnevalszeit los🎉.

    Auf dem Weg in die Türkei denken wir immer mal wieder drüber nach- Istanbul mitnehmen oder links liegen lassen. Denn uns ist schon dort klar- Istanbul ist eine riesige Stadt und Radfahren wird wahrscheinlich die Hölle.

    Wir entscheiden uns mit der Fähre von Bandirma aus nach Istanbul zu schippern, um nicht mit dem Fahrrad auf einer 8 spurigen Schnellstraße zu landen. Denn so beschreiben andere Radfahrer:innen ihre Anfahrt in die Stadt. Dafür habe ich keine Nerven und möchte vorallem am Stück in Istanbul ankommen.
    Auch aus diesem Grund wählen wir ein Hostel sehr nah am Fährhafen. Zumindest auf Googlemaps sieht es so aus. Ich erstelle die Route und sehe, es sind 4 km...auch da werden mir nochmal die Dimensionen klar.

    Istanbul ist mit 16 Mio. Einwohnern die größte Stadt Europas. Zum Vergleich: in Berlin leben 3,6 Mio. Menschen. Und so fühlt es sich auch an - Berlin ist richtig entspannt im Vergleich zu Istanbul. Wir sind echt geflasht von den Menschenmassen in dieser Stadt. Und das nicht nur an den Hauptattraktionen wie der "Blauen Moschee" oder der "Hagia Sophia". Unser Hostelbesitzer erklärt uns, dass es in unserem Viertel vor 20 Jahren nur etwa zehn Hotels gab. Heute sind es zehn pro Straße.

    Die Stadt hat eine aufregende Geschichte hinter sich, was vor allem ihrer einzigartigen geographischen Lage zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer, sowie ihrer Lage zwischen zwei Kontinenten, Europa und Asien geschuldet ist.

    Griechen, Perser, Römer, Osmanen ließen sich hier nieder.
    Die Römer riefen die Stadt 330 nach Christus zur Hauptstadt Europas "Konstantinopel" aus, benannt durch den Kaiser Konstantin I. Um die Geschichte abzukürzen, da ich sie gar nicht in kurze Worte fassen kann: es folgte eine byzantinische Zeit, bevor die Osmanen die Stadt für sich einnahmen und sie in Istanbul umbenannten.
    Nach dem Untergang des osmanischen Reiches von 1913 - 1923 und mit der Unabhängigkeit der Türkei, gehört Istanbul seit 1923 zur türkischen Republik.

    Die Geschichte Istanbuls zeigt sich unter anderem auch an dem Nebeneinander von Moscheen, Kirchen, Synagogen und anderen antiken Gebäuden.
    Schon immer war sie ein Schmelztiegel der Nationen und so scheint es auch noch heute zu sein.

    Luzi und mich überfordert die Stadt. Sie ist uns zu groß, zu hektisch, zu voll. Wir schauen uns am ersten Abend eine Dokumentation über Istanbul und seine heikle Lage in der Nähe zweier Erdplatten an. Ein großes Erdbeben ist längst überfällig. Da bin ich froh, dass die Wahrscheinlichkeit in den drei Tagen, die wir hier verbringen, recht gering scheint.

    Abgesehen vom Sightseeing, machen wir mal wieder Erledigungen. Luzi lässt kaputte Reißverschlüsse an Jacken wechseln - Toparbeit für ein paar Euros. Zum Waschsalon müssen wir von der europäischen Seite unter dem Bosporus mit der U-Bahn in den asiatischen Teil der Stadt. Wir wohnen im touristischen Viertel und da kann man nur Wäsche für viel Geld zum Waschen abgeben. Das Viertel Kadiköy gefällt uns sehr gut. Nette, hippe Cafés und kleine Läden gibt es hier.

    Insgesamt ist es in Istanbul viel teurer als anderswo. Sowieso ächzt das ganze Land unter der hohen Inflation. Wir suchen uns ein indisches Restaurant zum Essen aus und checken die Preise online. Als wir ankommen sind die tatsächlichen Preise jedoch viermal so hoch. Wir sind allerdings in der glücklichen Lage, dass der Euro Kurs derzeit besonders gut ist und wir trotzdem viel günstiger als in Griechenland unterwegs sein können. Wie die Menschen das hier machen, ist mir ein Rätsel, da die Gehälter nicht im gleichen Maß und Tempo steigen. Ob die Regierung hier auch Maßnahmen zur Abfederung eingeleitet hat, wissen wir noch nicht.

    Nach drei Tagen lassen wir die Stadt hinter uns. Ein weiteres persönliches Ziel habe ich an dieser Stelle erreicht- ich bin mit dem Fahrrad bis nach Istanbul gefahren und das ist irgendwie ein schönes Gefühl, was mich auch stolz macht.

    Abgesehen von der Hektik und der unbeschreiblichen Größe der Stadt nehme ich die vielfältigen Gerüche auf den Märkten mit, die bunten Farben, die Gesänge der Muezzine, die vielen, vielen Kätzchen und ihre Häuschen und das vielfältige, friedliche Miteinander unterschiedlicher Nationen und Religionen.

    (Denise)
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  • Dag 200

    Merhaba Türkiye

    14 mars, Turkiet ⋅ ☁️ 15 °C

    Es ist vier Uhr in der Nacht. Ich habe mir vorsorglich Ohropax gegönnt, denn der Muezzin ruft schon vor sechs Uhr zum Gebet, wenn ich noch ein bisschen schlafen möchte. Trotz der Stöpsel werde ich jetzt wach. Ich höre dumpfe Trommelschläge und Rufe, die eine ganze Zeit lang andauern, dann wird es wieder still bis später die Lautsprecher am Minarett den Gesang in den Ort verbreiten und den Tag ankündigen.

    Wir sind in einer anderen und für uns neuen Welt angekommen. Bei vergangenen Reisen sind wir schon in muslimischen Ländern gewesen, aber mit dem Fahrrad erleben wir es hier intensiver. Wir sind fast pünktlich zum Ramadan von den griechischen Inseln hier eingereist. Viele Fragezeichen schwirren in unseren Köpfen. Wir haben keinen Reiseführer à la Lonely Planet oder ReiseKnowHow dabei, wo man schnell mal das Kapitel über Land und Leute nachlesen kann. Daher rätseln wir erst einmal und überlegen selbst, warum hier etwas so und nicht anders ist. Dann fragen wir letztendlich Einheimische oder das Internet, das ich für die Auflösung der Fragezeichen echt liebe.

    Wir haben in dieser Nacht die Wecktrommler gehört, die noch in einigen Gegenden nachts durch die Straßen ziehen, um im Ramadan die Menschen vor dem Sonnenaufgang zu wecken, damit sie sich noch den Bauch vollschlagen, trinken und rauchen können. Denn bis zum Sonnenuntergang nach 19 Uhr ist Fasten und Enthaltsamkeit angesagt. Nicht alle Menschen nehmen aktiv am Ramadan teil, aber er ist schon allgegenwärtig: viele Restaurants öffnen zum Beispiel oft erst am Abend statt zum Mittagessen. Da die Supermärkte geöffnet sind, haben wir aber keine Probleme uns zu versorgen.

    Wir radeln von Ayvalik entlang der Küste - sogar mit Radwegen, aber auch auf einer vielbefahrenen Schnellstraße. Lesbos ist noch zu sehen. Einiges erinnert uns auch an Griechenland. Vor allem auf dem Teller gibt es Ähnlichkeiten. Sesamkringel, Feta, Gurken, Tomaten, Oliven und Olivenöl gehören auch hier zu den Grundnahrungsmitteln. Etwas ausladender ist das türkische Frühstück. "Serpme Kahvalti" war mit die erste Vokabel, die wir beherrschten. Der Tisch wird nach und nach vollgeladen mit kleinen bunten leckeren Schälchen. Pommes gehören genauso dazu wie Eier, Käse und Süßkrams.

    Die Griechen und Türken haben eine gemeinsame bewegte Geschichte hinter sich. Dies und jenseits des Bosporus lebten einst beide Nationen. Das osmanische Reich war bereits im 1. Weltkrieg zerfallen. Als Folge des Unabhängigkeitskrieges gegen Griechenland 1919-22, den die Türken gewannen, wurde die griechische Bevölkerung (die überlebt hatte) vertrieben und zwangsumgesiedelt, so dass Teile Anatoliens (zum Beispiel die Gebiete um Izmir an der Westküste) rein türkisch wurden.

    Mustafa Kemal, besser bekannt unter dem Namen Atatürk (Vater der Türken), spielte damals eine bedeutende Rolle. Er wird als Begründer der Türkei verehrt und sein Konterfei ist auch heutzutage noch an allen Ecken sichtbar. Als erster Präsident der neuen türkischen Republik im Jahr 1923 setzte er auf Modernisierung, Trennung von Religion und Staat und eine Orientierung eher nach Westen als nach Osten. Wir nehmen dies hierzulande als Personenkult wahr, ohne dass man sich wirklich kritisch mit seinen Handlungen auseinandersetzt, denn es gab da sicherlich auch eine Kehrseite der Medaille.

    Schnell wird uns die türkische Gastfreundschaft zuteil. Ein älterer Mann stellt mir gleich am ersten Morgen einen Stuhl zum Hinsetzen mitten auf den Bürgersteig und bietet mir Tee an - auch wenn wir keine gemeinsame Sprache haben. Insgesamt sind die Menschen hier nach unserem Eindruck sehr neugierig, sprechen uns an wegen des Fahrrads und begegnen uns insgesamt offener als in Griechenland. Ein paar Tage verbringen wir helfend in einem Gemeinschaftsprojekt in den Ida Bergen. Wir durchqueren einige kleine Dörfer und sehen den krassen Unterschied zwischen Stadt und dem sehr einfachen Landleben, mit Ziegen, Schafen und Landwirtschaft. Dann sind wir zu Gast bei Derya und ihrem lustigen Mann in Canakkale, die wir über Facebook gefunden haben. Ein toller Einstieg in dieses neue Land.

    Wir setzen die Kultur-Tour fort und wollen das sagenumwobene Troja besuchen. Mal wieder verlassen wir uns voll auf Komoot, unserem Navi. Zu naiv mal wieder und wirklich dumm, führt es uns auf einen ungeteerten Weg, eigentlich schon nah an den Ausgrabungen. Da beginnt unsere Matsch-Schlacht um Troja. Der Lehm setzt sich so fest, dass die Laufräder irgendwann gar nicht mehr weiterdrehen. Denise baut kurzerhand ihr komplettes Rad auseinander und wir tragen die Einzelteile bis wir auf Asphalt stoßen. Merke: Umkehren, denn es kann immernoch schlimmer kommen. Und einem Gerät sollte man weniger trauen als Denises Bauchgefühl...wir hätten einfach auf der Hauptstraße bis Troja auf Teer bleiben können...

    Istanbul wir kommen!
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  • Dag 196

    Den nächsten Tausender voll gemacht

    10 mars, Turkiet ⋅ ☀️ 13 °C

    Mit dem Gesang des Muezzin im Rücken und dem Meeresrauschen vor uns, machen wir an der türkischen Küste die 4000km voll.
    Es gibt sogar einen Radweg!!!
    Mit Blick auf Europa (Lesbos), sind wir mittlerweile in Asien.Läs mer

  • Dag 184

    Inselhopping: Lesbos

    27 februari, Grekland ⋅ ☀️ 16 °C

    Lesbos - unser letzter Stopp des Inselhoppings quer durch die Ägäis, bevor es in die Türkei geht, ist für mich ein sehr emotionaler Ort. Er wühlt mich auf und meine Gedanken kreisen sehr viel um das Thema "Flüchtlinge".

    Dass wir zu Beginn auf dieser Insel erstmal nach Skala Eressos aufgebrochen sind, um uns von der "Frauenkommune" einen Eindruck zu verschaffen, ist in den Hintergrund gerückt. Dennoch möchte ich auch diesen Ort würdigen, da er vermutlich einzigartig ist.

    In Skala Eressos habe ich das Gefühl, "hier ist die Welt noch in Ordnung". Egal ob hetero, lesbisch, schwul, trans, binär oder oder, hier wird man so genommen, wie man ist. Der Ort ist bekannt für sein einwöchiges Frauenfestival im September. Und es gibt mir einfach ein gutes Gefühl zu spüren und zu erfahren, dass sich hier viele Frauen entschieden haben zu leben, die einfach ihr Ding machen. Ich fühle mich hier irgendwie frei.

    Luzi und ich haben ganz blauäugig keine Schlafmöglichkeit gebucht, weil wir dachten, ein Hotel hat ganz sicher auf. Aber Pustekuchen! Wir stehen vor verschlossenen Türen und ich bin kurz davor die Nerven zu verlieren, weil ich mich (nach 4 Tagen wild campen und baden in heißen Quellen) endlich wieder duschen möchte und mich wirklich auf ein Bett gefreut habe. Luzi ist entspannt - ganz nach dem Motto "ach, es wird schon eine Lösung geben". Und in der Tat - sie hat recht. Nachdem sie in einer Bar nach einer Schlafmöglichkeit gefragt hat, laufen die Handys heiß im Ort und wir werden in ein Reisebüro geschickt, was sich auf Frauenreisen spezialisiert hat und schwupps di wupps organisiert die Besitzerin den Schlüssel eines eigentlich geschlossenen Hotels und wir haben ein Zimmer 🙃. Der Ort liegt in einer wunderschönen weiten Bucht mit Sandstrand. Die Fahrt hierher war landschaftlich spektakulär. Tolle und abwechslungsreiche Berge. In der Saison muss es noch schöner hier sein, wenn die hölzernen Terrassen der Restaurants und Bars voller Leben sind und Lebensfreude pur versprühen. Wir haben einen schönen Abend im Ohana Saloon bei leckerem Essen, Bier, netten Gesprächen mit Expats und griechischer live Musik.

    Nach diesem schönen Wochenende sind wir wieder in Mytilini und beginnen unsere Arbeit im Hope Project.
    Phillipa und Eric aus Großbritannien, die seit vielen Jahren in Lesbos leben, gründeten das Projekt 2015, nachdem sie zahlreiche Flüchtlinge an der Küste im Meer gerettet hatten. Zu diesem Zeitpunkt gab es kaum Hilfe für die Geflüchteten.
    Von den Geschichten und Erfahrungen der beiden bekomme ich Gänsehaut. Es ist bedrückend und traurig zu hören, wie mit den ankommenden Menschen umgegangen wird und wie sie hier leben. Ganz davon abgesehen, dass sie bereits viele Tote, Sterbende und Verletzte gesehen haben. Zugleich erzählen sie uns auch von der Freude und Erleichterung der Menschen, die diese Überfahrten überleben, und an der Küste Hilfe bekommen.

    Mittlerweile macht sich jede Person strafbar, die Menschen aus dem Meer rettet - quasi als Beihilfe zur Schlepperei. Bis zu zehn Jahren Gefängnisstrafe erhält man dafür. Eric und Philippa droht, sollte das Verfahren jemals eröffnet werden, eine unendlich lange Haftstrafe. Deshalb haben sie sich von der Rettung an der Küste zurück gezogen und konzentrieren sich voll auf ihr Projekt und damit auf die Unterstützung der Menschen aus dem Flüchtlingslager.

    Auch wenn in Moria, das Camp, welches 2020 abbrannte schlechtere Bedingungen herrschten, sieht das aktuelle Lager von außen ziemlich abschreckend aus. Es ist von Mauern mit Stacheldraht umgeben und hat für mich eher einen Gefängnis Charakter.
    Wir arbeiten mit dem Hope Project außerhalb des Lagers, denn alle NGOs, die im Camp sind, müssen krasse Verhaltensregeln unterschreiben und versichern, dass sie nichts nach außen tragen. Eric und Philippa haben sich bewusst dagegen entschieden, da sie sich nicht den Mund verbieten lassen, sondern lautstark auf Missstände hinweisen möchten. Eric schreibt übrigens jede Woche eine Mail an die EU - noch nie kam eine Antwort.
    Die EU scheint die Augen vor den Misständen und beweisbaren Pushbacks, sprich dem offensichtlichen Verstoß gegen internationales Recht zu verschließen. Die griechische Regierung behauptet, es gäbe sie nicht. Dabei finde ich im Internet zahlreiche Videos auf NGO Seiten.

    Im Hope Projekt helfen zahlreiche Menschen verschiedenster Nationen in der Kleiderkammer - unentgeltlich. Doch sie erhalten im Gegenzug eine Wohlfühlzone außerhalb des Camps. Es gibt eine Küche für die Freiwilligen, einen Kunstraum auch für Interessierte aus dem Camp, sowie einen kleinen Trainingsraum und einen Beautysalon. Das gibt den Freiwilligen ein Stück Normalität. Ansonsten sind ihr Alltag und ihre Gedanken nämlich vorallem von einem beherrscht: Warten!

    Warten auf die Eröffnung ihres Asylverfahrens, warten auf die Entscheidung des Asylverfahrens und warten auf eine (vielleicht) bessere Zukunft. Viele Monate können bis dahin vergehen. Eine Familie aus Afghanistan hat sich nach 14 Monaten über die Bewilligung des Asylantrags riesig gefreut. Sie machen sich jetzt auf den Weg nach Finnland.

    Ihre Geschichten, die wir hören sind unvorstellbar für uns. Manche sind seit Jahren auf der Flucht, manche wurden an Grenzen zusammen geschlagen und manche hatten Todesängste in dem Schlauchboot über das Mittelmeer - auch um diese Geschichten aus erster Hand zu erfahren, sind wir hier und es ist heftig und aufwühlend.

    Wir werden von allen herzlich aufgenommen und kommen mit vielen ins Gespräch. Nach Deutschland möchten übrigens die wenigsten von ihnen. Wir essen gemeinsam mit ihnen zu Mittag und vorallem in den ersten Tagen habe ich das Gefühl, dass ein krasser Unterschied zwischen uns herrscht: unser Pass!
    Während wir aus dem Zufall unserer Geburt heraus in der glücklichen Situation sind, reisen zu dürfen, wohin wir möchten, steht diesen Menschen kein Land in Europa einfach offen. Sie müssen hoffen und bangen, dass sie aufgenommen werden. Uns gibt das nicht nur ein gutes Gefühl, es nagt an uns und macht uns sehr nachdenklich und auch demütig. Fast schäme ich mich für meine Priviligien.

    Wir sind auch dankbar, dass es Menschen wie Eric und Philippa gibt, die sich aufopfern und einsetzen für Menschlichkeit und Würde. Trotz aller Anfeindungen (ja, es gibt auch Griech:innen, denen nicht gefällt, dass sie helfen) und Widrigkeiten (korrupte Politik), bleiben sie auf Lesbos - "There is always HOPE" sagen sie und ich ziehe meinen Hut vor ihnen.

    Es fühlt sich schon etwas seltsam an, jetzt in die Türkei zu fahren - von dort sind alle hierher übergesetzt und wir machen uns in die entgegengesetzte Richtung auf.

    Hier noch einige Links:
    Hope Project Greece
    https://www.hopeprojectgreece.org/
    Dokumentation von Push-Backs https://aegeanboatreport.com/
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  • Dag 173

    Inselhopping: Ikaria

    16 februari, Grekland ⋅ 🌬 9 °C

    Die Nacht ist kurz. Um 2 Uhr steigen wir in Ikaria von der Fähre. Der Wind ist so stark, dass wir mitsamt der Räder fast umgehauen werden. Jetzt heißt es mitten in der Nacht in die Pedale treten, um zur Unterkunft zu kommen. Googlemaps sagt, die 2 km bis zu unserem Schlafplatz seien weitestgehend flach. Kaum radeln wir jedoch aus dem Ort geht es mega steil nach oben. Tagsüber schon frustrierend, ist es nachts echt die Hölle. Egal - müssen wir durch. Umso schöner ist es um 3 Uhr ins Bett zu fallen.

    Ikaria, eine Insel in der nördlichen Ägäis, besteht vorallem aus einem - aus Bergen und heißen Radon Quellen, die sich ins Meer ergießen. 

    Die Insel zählt außerdem zu einer der fünf "blue zones" auf der Welt, was bedeutet , dass hier überdurchschnittlich viele Menschen über 90 und 100 Jahre alt sind. Erklärt wird dies mit der mediterranen Ernährung, Bewegung bis ins hohe Alter, einem sozialen Leben und wie man auf japanisch sagt dem "Ikigai" (einfach übersetzt, "das wofür es sich zu leben lohnt" = Leidenschaft).

    Auch wenn ich nicht wirklich 100 werden möchte, spazieren wir am nächsten Morgen zur ersten Radon Quelle. 

    Luzi stürzt sich umgehend ins Meer und schwimmt zur dampfenden Stelle...ich warte erstmal bis sie bestätigt, dass es auch wirklich, wirklich warm ist.

    Während der ersten Tage in Ikaria lernen wir die Griechinnen Makrina, Kiki und Sophia kennen. Sophia lebt in der Schweiz und ist seit 3 Monaten auf Ikaria, die anderen beiden sind Freundinnen, die hier ein Wochenende verbringen. Sie sprechen perfektes Deutsch und während wir uns unterhalten, erzählen sie, dass sie in Deutschland groß geworden sind, mittlerweile aber seit vielen Jahren wieder in Griechenland leben. Nicht nur das Wetter sage ihnen hier mehr zu. 
    Ganz spontan laden sie uns ein mit zum Spaghettifest in einem der umliegenden Dörfer zu kommen. 

    Obwohl wir heute eigentlich schon weiter zur anderen Inselseite wollten und unsere Räder quasi schon bepackt auf uns warten, fällt uns die Entscheidung leicht: wir bleiben noch eine Nacht länger hier. Denn ein griechisches Spaghettifest darf man sich doch echt nicht entgehen lassen. 

    Auf dem Fest werden wir nicht nur mit Essen (natürlich Spaghetti) und griechischem Rotwein belohnt, sondern auch mit Musik, Tanz und dem Aufschneiden eines Neujahrkuchens, in dem eine Münze versteckt ist und dem Finder ewiges Glück verspricht. 

    Während ich mir noch überlege im Fall der Fälle die Münze einfach unterzuschlucken, um nicht nach vorne zu müssen, schwingt Luzi schon mit den Anderen ihr Tanzbein. 

    Zurück vom Fest beschließen wir gemeinsam noch die etwas in die Jahre gekommene Therme mit ihren Indoorbadewannen zu nutzen und am nächsten Morgen gemeinsam zu frühstücken, bevor wir uns von den Dreien verabschieden und schließlich aufs Rad schwingen. Die erste Ikaria-Etappe schreibt Rekorde: nach ganzen 5,6 Kilometern gefällt es uns an den nächsten heißen Meeresquellen so gut, dass wir einfach die Nacht hier bleiben.

    Dann kommt der unausweichliche, harte Ritt über Ikaria's Berge, um nach Evdilos zu gelangen. 

    In Evdilos angekommen wissen wir beide, dass wir diese Seite mit dem Fahrrad definitiv nicht mehr verlassen werden. Kurzerhand kümmern wir uns um ein Mietauto für die nächsten drei Tage. Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen in diesem Jahr kein Auto zu mieten, aber nach so vielen bergreichen Inseln habe ich einfach keine Lust mehr in die Pedale zu treten, um gefühlt im Kreis auf einer Insel zu fahren. 

    Mit dem Auto sehen wir Teile der vielfältigen Insel, die wir mit dem Rad niemals erkundet hätten. Wir genießen diese drei einfachen Tage voll und ganz - einfach noch schnell ein Bierchen kaufen gehen, einfach noch schnell zu einem Strand runter fahren, einfach noch schnell bis zum Leuchtturm der Insel fahren und einfach schnell ein schönes Plätzchen zum Zelten suchen. Toll, es mal einfach einfach zu haben!!!

    Nach 8 Tagen Ikaria kann ich sagen, dass mir diese Insel ganz besonders gefällt. Dies liegt wahrscheinlich in erster Linie an den netten, herzlichen Menschen, die wir hier getroffen haben, zugleich an der Vielfalt der Insel auf relativ kleinem Raum. 
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  • Dag 171

    Inselhopping: Samos

    14 februari, Grekland ⋅ ☀️ 16 °C

    Samos hatten wir eigentlich nicht als Ziel vorgesehen. Von Kalymnos sollte es über Samos nach Ikaria gehen. Wir wussten, dass weniger (Inseln) mehr (intensivere Eindrücke) wäre. Doch oberste Reiseregel ist: immer schön flexibel bleiben. Unsere Abreise aus Kalymnos war für 6 Uhr morgens geplant. Wir also Wecker auf 4:55 gestellt, gefreut, dass das Gewitter gerade eine Pause eingelegt hat, schnell in Klamotten geschlüpft. Als wir zur Tür raus wollen, bekommt Denise eine SMS der Fährgesellschaft: Abfahrt auf Grund des Wetters erst um 13.30h nach Samos.

    Um 5 Uhr war schon klar, dass wir dadurch die Fähre am gleichen Tag nach Ikaria nicht bekommen würden...also erst mal wieder hingelegt, dann alles wieder neu durchdacht. So sind wir zwei Nächte auf Samos gelandet, da die Schiffe hier nicht täglich fahren im Winter.

    Wir kommen im netten Hafenort Pythagorio an und radeln entlang der Ostküste in die Hauptstadt mit dem kreativen Namen Samos. Es sind nicht viele Kilometer, aber es gibt einiges zu entdecken: schöne Strände, ein Naturschutzgebiet mit Flamingos und gut getarnten Chamäleons, wilde Orchideen wie daheim im Bliesgau - und viel Militär.

    Das hat seinen Grund, denn die Türkei ist hier zum Schwimmen nah. An der engsten Stelle der Meerenge von Mykale sind es nur 1,7 Kilometer. Sowohl die griechische als auch die türkische Küstenwache patrouilliert in den Gewässern. Als wir im Hafen ein Boot der EU Agentur Frontex sehen, realisieren wir DAS ist die gut bewachte EU Außengrenze.

    Wir campen an einem Strand und in einer unruhigen, weil auch stürmischen Nacht, gehen mir Gedanken durch den Kopf: Hat hier schon mal ein Boot voll mit Geflüchteten an diesem Strand angelegt? Wie gefährlich ist die Überfahrt in einem Schlauchboot? In Samos Stadt sind sehr viele Flüchtlinge unterwegs: Kinder toben auf dem Spielplatz, die Erwachsenen schleppen die Einkäufe in Plastiktüten zur Haltestelle. Von hier werden sie mit Bussen zum vollen Camp (über 3000 Einwohner, obwohl nur für 2000 ausgelegt) in den Bergen, fern von Ortschaften und ohne fließendes Wasser gebracht - so wird es uns erzählt.

    Wasser erhielten sie in Plastikbehältern - täglich eine gewisse Menge, so ein Helfer von Samos Volunteers, der in seiner Rente jedes Jahr mit seiner Frau ein halbes Jahr aus den USA herreist, um zu helfen. 80% der Bewohner:innen dürfen das Camp verlassen, während der Rest unter haftähnlichen Bedingungen lebt. Die Erzählungen sind bedrückend - jede der Fluchtgeschichten hätte ein eigenes Buch verdient, sagt der Freiwillige. Er kenne mittlerweile viele der Geschichten, da er seit 2019 jährlich hier sei. Als wir dann noch erfahren, dass die Menschen pro Person und Monat 90 Euro erhalten, davon ihre Lebensmittel kaufen müssen, wird mir noch klarer: die Not muss sehr groß sein, wenn man eine gefährliche und ungewisse Flucht über das Mittelmeer auf sich nimmt, um sein Land, seine Arbeit (sofern es welche gibt), Freunde, Familie und seinen Kulturkreis zu verlassen.
    Dass die griechische Küstenwache auch Push-Backs (d.h. die Boote werden zur türkischen Küste zurückgebracht) durchführt, bei denen Menschen ums Leben kommen, hören wir auch...obwohl sie verpflichtet sind, schiffbrüchige Menschen zu retten. Verifizieren können wir das natürlich nicht...

    Auch mit einem Kapitän von Frontex reden wir, da er am Nachbartisch sitzt und uns auf die bepacken Räder anspricht. Sie unterstützen die Griechen und patrouillieren. Push-Backs von Seiten Frontex werden verneint - es könnte sein, dass die griechische Küstenwache welche durchführe.

    Da sind wir also an der EU Außengrenze...und könnten ganz einfach per Fähre hinüber in die Türkei...

    Gut, dass das Schiff von Kalymnos Verspätung hatte, sonst wären uns einige interessante Begegnungen entgangen.
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  • Dag 165

    Inselhopping: Kalymnos

    8 februari, Grekland ⋅ ☀️ 18 °C

    Nach unserem Ritt durch und auf dem Vulkan Nisyros, geht es für uns weiter nach Norden. Das Schnellboot nimmt jede Welle und außer den Horizont anzupeilen, ist nicht viel möglich. Ein Stopp in Kos bringt eine Verschnaufpause, bis wir schließlich in Kalymnos ankommen und uns über festen Boden unter den Füßen freuen - wir sind etwas schiffsmüde.

    Der Hauptort ist geschäftig. Hier merken wir kaum, dass Nebensaison ist. Das Inselleben hat hier seinen Dreh- und Angelpunkt. Händler:innen verkaufen Obst und Gemüse aus kleinen LKWs am Straßenrand. Die Sonnenplätze der Cafés sind gut besucht. Auch wir kehren erst einmal in einer Fischtaverne ein, die uns ein Einheimischer, der uns auf deutsch angesprochen hat, empfohlen hat. Viele Griech:innen haben einige Zeit im Ausland verbracht, um zu arbeiten. In Deutschland war es den meisten zu kalt, zu trüb und zu hektisch. Manche haben auch die schlechte Laune erwähnt - die bei dem Wetter nachvollziehbar sei. Während daheim die Wintergeister an Faasend und Karneval vertrieben werden, fühlt es sich hier schon nach Frühling an. Die Mandel- und Orangenblüten bringen Farbe in die Landschaft. Vogelgezwitscher, Schmetterlinge und das Summen der Bienen (machen die hier eigentlich überhaupt Winterpause?) ergänzen diesen Eindruck.

    Unsere Unterkunft liegt über einen kleinen Hügel fünf Kilometer weiter in einem, um diese Jahreszeit verschlafenen Touristenort. Von Frühjahr bis Herbst sind die Felsen der Insel ein riesiges Kletterparadies. Wir haben uns fünf Tage hier eine Ferienwohnung gebucht, um mal eine Auszeit zu nehmen. Wir sind tatsächlich auch ein wenig reisemüde. Sehen auch wenig Sinn darin auf Inseln immer im Kreis zu fahren. Es fühlt sich wenig nach weiterkommen an.

    Wir gehen auf die Suche nach weiteren Freiwilligen Jobs gegen Unterkunft und Verpflegung, doch ad hoc ist nichts dabei.
    Noch dazu recherchieren wir, dass der Weg Richtung Osten komplizierter wird als angenommen. Wir sind etwas gefrustet. Wir waren ja schon einige Male so lange unterwegs und wissen, dass diese Phase auch immer dazugehört - wir lassen es zu und kämpfen nicht dagegen an.

    Den höchsten Berg, mal wieder dem Propheten Elias gewidmet, erklimmen wir noch, radeln in die Nachbarbucht, aber viel mehr als Yoga, Pilates, Sonnenuntergang schauen, Wäsche machen und Artikel schreiben über den italienischen Nationalpark Gran Sasso (wie weit weg fühlt das sich schon an...) passiert nicht.

    Kurz vor Abreise komme ich noch mit einem Schwammverkäufer ins Gespräch. Um die 30 Taucher gibt es auf Kalymnos noch, die Naturschwämme im Meer ernten. Schwämme zählen zu den Tieren - das was man später benutzt, ist nur noch das Skelett. Larven bauen dieses Skelett - es scheint mir ein hochkomplexes Thema zu sein. Er erklärt mir, wie ich einen echten Naturschwamm von Kopien unterscheiden kann - er ist ein wandelndes Lexikon, den ich alles über dieses Lebewesen fragen kann. Um einen Schwamm so groß wie eine Orange zu erhalten, brauchen die Larven ein Jahr "Bauzeit". Er zeigt mir ein riesiges Exemplar...ein jahrzehntelanges Meisterwerk.

    Apropos Meisterwerk: Die Mehlknepp, die wir hier gekocht haben waren die besten aller Zeiten - Dank einer guten Portion griechischem Joghurt.
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  • Dag 162

    Inselhopping: Nisyros

    5 februari, Grekland ⋅ ☀️ 16 °C

    Wir lassen Rhodos hinter uns und schippern mit einem etwas in die Jahre gekommenen Boot zur kleinen Vulkaninsel Nisi Nisyros.

    Nisyros ist ein aktiver Vulkan und liegt in der südöstlichen Ägäis. Schon beim Ankommen spüre ich eine Ruhe, wie ich sie bisher in Griechenland so noch nicht erfahren habe. Die Insel ist nur per Schiff erreichbar. Fallen die Schiffe wegen schlechten Wetters aus, gibt es erstmal keine Möglichkeit die Insel zu verlassen.

    Hier ticken die Uhren, vorallem um diese Jahreszeit, anders: es gibt genau ein Taxi, eine Tankstelle, zwei Obst- und Gemüseläden, eine Schule, kleine Minimärkte, tolle Bäckereien und eine Krankenstation. Bei schweren Notfällen muss erstmal ein Helikopter angeflogen kommen.
    Diese Abgeschiedenheit, die mir immer mal wieder bewusst wird, beunruhigt mich nicht. Allerdings stelle ich mir ein ständiges Leben hier schon speziell vor.

    Es scheint, als ob außer den Einheimischen aktuell niemand auf der Insel ist. Zumindest fühlt es sich für uns so an.
    Wir radeln durch den kleinen, sehr hübschen Hauptort "Mandraki" und haben schon nach dem ersten Tag das Gefühl, dass uns alle kennen und wissen "es sind zwei Radfahrerinnen auf der Insel unterwegs".
    Die gesamte Insel hat rund 1000 Einwohner. Im Sommer kommen zahlreiche Touristen hinzu, die entweder einen oder mehrere Tage auf der Insel verbringen.

    Wir lassen uns insgesamt drei Tage Zeit. Wie auf allen Inseln geht es bergauf, bergab und das Radeln ist schweißtreibend.
    Nachdem wir es dann auch noch schaffen uns auf dieser Miniinsel mit gefühlt zehn Straßen zu verfahren, sind wir nahezu alle Straßen geradelt, die es hier gibt. Da wir den falschen Weg nach oben in eine Sackgasse genommen haben, machen wir nach kurzem Ärgern über die Höhenmeter an der falschen Stelle das Beste draus: Wenn wir schon mal oben sind, besteigen wir einfach den höchsten Berg der Insel und genießen schon von hier oben einen eindrucksvollen Blick in die Caldera.

    Das Highlight folgt am nächsten Tag - eine Radtour durch die Caldera und ein Spaziergang durch den Stefanoskrater.
    Schon beim Hochstrampeln steigt uns ab und zu ein leichter Schwefelgeruch in die Nase.
    Die seismische Aktivität wird hier seit 1995 streng überwacht, da es von 1995 - 1999 zu Temperaturveränderungen und Änderungen in der Zusammensetzung der ausgestoßenen Gase kam. Seitdem gab es keine besorgniserregenden Aktivitäten mehr.

    In der Caldera angekommen, steigen wir die Treppenstufen in den Krater hinab. Es qualmt und blubbert an manchen Stellen und ich kann meine Hände nur schwer bei mir halten. Am liebsten würde ich alle Steine in meine Radtaschen stopfen. Wie immer, wenn wir in vulkanischen Gefilden sind, fasziniert mich diese absolute Vielzahl an Gesteinsarten und Farben, die ein Vulkan in seinem Innern produzieren kann.

    Wir lassen uns Zeit in der Caldera und bestaunen alles ganz in Ruhe. Hetzen müssen wir hier ja eh nicht. So viele Möglichkeiten in die Pedale zu treten gibt es nicht mehr.

    Unser nächstes Ziel ist eine kleine "Sauna" am Straßenrand, die dank des Vulkans beheizt wird. Ein weiterer Vorteil dieser Jahreszeit, wir haben die Sauna für uns alleine und es fährt genau ein Auto vorbei, als wir drinnen saunieren.

    Danach noch ein schönes Zeltplätzchen suchen, was hier wirklich nicht schwer ist und schon ist unsere Zeit auf dieser besonderen Insel auch schon wieder vorbei. Ein absolutes Highlight unserer Reise bisher.
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