traveled in 9 countries Read more Saarland, Deutschland
  • Day 247

    Lost in Translation

    April 30 in China ⋅ ☀️ 18 °C

    Das Flugzeug von Tbilisi nach Ürümqi (gesprochen Urumtschi) ist eine Zeitmaschine. Sie katapultiert uns in nur viereinhalb Stunden nach Westchina in die Provinz Xinjiang. Obwohl Peking tausende Kilometer weit entfernt im Osten liegt, müssen wir unsere Uhren auf die Zeit der Hauptstadt umstellen - der Sonnenstand hier würde eine andere Zeitzone vorgeben. Da wir im Kontakt mit anderen Radreisenden stehen, wussten wir vorab, dass die Einreise über Land von Kasachstan ziemlich ätzend sein soll: lange Befragungen der Grenzpolizei im separaten Zimmer, Checken des Handy auf auffällige Fotos, lange Durchsuchungen des gesamten Gepäcks. Das wollten wir uns ersparen und haben daher auch Kasachstan überflogen.

    Und siehe da: die Einreise erfolgt am Flughafen relativ unkompliziert. Fingerabdrücke, Foto und ein paar Fragen später haben wir den Stempel im Pass und dürfen 15 Tage bleiben. Das ist derzeit ohne Visumsantrag möglich. Wie privilegiert wir mal wieder mit deutschem Pass unterwegs sein können.

    Wir lassen uns auf zwei "Taxifahrer" ein, die uns mit samt dem ganzen Gerümpel zum Gepäckservice der chinesischen Bahn bringen sollen. Über die Art und Weise wie die Fahrradkartons transportiert werden, sind wir erst mal nicht begeistert. Nur ein dünnes Seilchen hält die Box auf dem Autodach. Aber es gibt keine Vans oder Minibusse hier, also hoffen wir, dass alles gut geht.

    Dann startet unser China-Abenteuer. Der Geldautomat zieht erstmal die Kreditkarte ein und rückt sie nicht mehr raus, unsere Fahrer verfahren sich ständig, wissen eigentlich gar nicht so genau, wo wir hin wollen und wir haben noch nix gefrühstückt. Das heißt dieses ganze Tohuwabohu ohne die morgendliche Dosis Koffein nach schlafloser Nacht im Flugzeug ist ziemlich anstrengend.

    Die nächste Herausforderung ist es (immernoch kein Kaffee) die Räder und das Gepäck gleich weiter zu verschicken. Denn wir werden hier weite Strecken mit dem Zug zurücklegen und die Mitnahme von Fahrrädern ist nicht erlaubt. Wir nutzen Google Translate (nur dank VPN können wir die chinesische Firewall umgehen), um uns verständigen zu können. Dann spricht der nette junge Mann ins Handy und zeigt uns die Übersetzung: "Die Fahrräder werden nicht am Zapfhahn, sondern in der Kutsche fahren." OK?! Was soll das jetzt bedeuten? So geht es uns sehr oft. Und wir schwanken zwischen Belustigung, Verwirrung und Ungeduld, wenn die App so mies übersetzt.

    Der Weg ins Hotel, das laut Google Maps nur wenige Schritte entfernt vom Bahnhof liegt, dauert dann nochmal eine Stunde. Die Position ist komplett falsch auf Maps und wir irren herum, rufen letztendlich ein Taxi, das uns abermals nicht direkt am Hotel absetzt und wir nochmals rumfragen müssen. Das Zimmer verlassen wir gar nicht mehr an dem Tag. Wir haben die völlige Kulturschock-Überforderung inklusive Schlafentzug.

    Aber dann merken wir hier ganz schnell, dass wir auf die Menschen hier vertrauen können und sind total begeistert. Ohne das Verständnis, die Hilfsbereitschaft und die Freundlichkeit der Menschen wären wir hier komplett aufgeschmissen. Bei den ersten Begegnungen lachen wir einfach viel und sie lachen mit uns. Das durchbricht die Sprachbarriere und die Kommunikation klappt irgendwie.

    Es ist eine echte Herausforderung hier individuell herumzureisen aufgrund der Sprache. Wir müssen uns neue Vorgehensweisen überlegen. Es fühlt sich an, wie in einer anderen Sphäre. Wir waren schon mal in Taiwan mit Rucksack unterwegs, aber das hier ist eine andere Hausnummer. Kaum jemand spricht Englisch. Im Hotel lassen wir uns die Orte, wo wir hin wollen auf Chinesisch notieren. Auch die genaue Adresse des Hotels haben wir beim Verlassen immer in Landessprache dabei. Wenn wir Essen suchen, schauen wir auf Bilder, zeigen darauf oder versuchen es mal wieder mit der Übersetzungsapp, was mehr oder weniger aufschlussreich ist.

    Wir schließen dieses Land mit seinen Menschen, das eigentlich nur Transit ist und wir daher eher geringe Erwartungen hatten, ziemlich schnell ins Herz. Wir sind fasziniert (und manchmal auch verstört) über die Eindrücke und Bilder, die wir sehen und die wir so nie ablichten können. Wir sind nur zwei Nächte in Ürümqi. Die vier Millionenstadt ist modern, voller neuer Hochhäuser und Hauptstadt der Provinz der islamischen uigurischen Minderheit, die es nicht gut hat hier. Auch in den deutschen Medien wird immer wieder darüber berichtet (deutsche Autobauer in China).

    Wir sind an den Maifeiertagen hier, die auch als Tage der Arbeit begangen werden. Die Parks sind voller Menschen, die spielen, tanzen und singen. Kinder angeln echte Goldfische im Planschbecken.

    Die Stadt ist voll von bewaffneten Militärs in panzerähnlichen Fahrzeugen und es gibt hohe Polizeipräsenz, wie sonst nirgends in China. Kameras mit Gesichtserkennung an jeder Ecke. Beim Betreten von Gebäuden werden wir vorher gescannt und durchsucht. Nicht schlimm, wenn wir die Provinz schnell hinter uns lassen.

    Dann geht es per Schnellzug nach Zhangye in der Provinz Gansu, wo wir ein wenig Radfahren wollen.
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  • Day 245

    Radlos durch Georgien

    April 28 in Georgia ⋅ ⛅ 16 °C

    Die Entscheidung, die Fahrräder und viel Gepäck in Tbilisi abzustellen, war vernünftig. Jetzt sind wir mit unseren kleinen Rucksäcken bepackt in Bussen unterwegs. Ich vermisse trotzdem schmerzlich das Rad, weil es mir die Last zu schleppen abnimmt. Rollenderweise fühlt sich das Gewicht anders an. Und wir waren gerade so gut drin im Fahrradfahrrhythmus.

    Wenn ich aber aus den Fenstern auf die Straße schaue, bin ich mir sicher: mit Fahrrad hätte ich noch so manch einem Autofahrer (es fahren hier tatsächlich hauptsächlich Männer) böse Gesten und Rufe geschickt. Für einen Seitenstreifen hat scheinbar der Teer nirgends gereicht in diesem kleinen und doch so vielfältigen Land.

    Wir merken aber auch beide schnell, dass diese Rucksacktouren so gar nicht unser Ding momentan sind. Es erfordert unglaublich viel Planerei: wie kommen wir von A nach B? Wann fährt ein Bus? Wo fährt er ab? Wie kommen wir dorthin? Ist der Zug eine Alternative? Wie viel kostet es? Bisher waren wir durch die Fahrräder immer autonom, was die Mobilität anging. Es nervt mich auch, dass wir an tollen Fotomotiven einfach vorbeirauschen. Mit dem Rad kann ich flexibler als jedes Auto einfach halten, wo ich will.

    Wir machen erstmal eine Touri-Tour im Minibus mit - so kommen wir ohne viel Planerei und mit vielen Infos über Land und Leute bis in den Großen Kaukasus. Wir fahren im beheizten Gefährt ganz komfortabel über den 2395 Meter hohen Kreuzpass, der ringsherum noch voller Schnee im April ist und uns tolle Ausblicke beschert. Wir haben so ein Glück mit dem wolkenlosen Himmel und sehen den Kazbegi, der mit seinen 5047 Metern erhaben da steht. Stepansminda ist der letzte Ort in Georgien. Wenn man weiter nach Norden fährt, kommt einige Kilometer weiter die russische Grenze.

    Die zahlreichen LKW, rollen weiterhin ins Nachbarland. Wir wollten diese Strecke eigentlich mit dem Rad fahren, dann über Russland und der mit Transsibirischen Eisenbahn in die Mongolei reisen. Aber nach vielem Überlegen, Abwägen und mit dem Mauscursor auf Maps, haben wir uns zwischen Pest und Cholera entscheiden müssen. Dann haut das Auswärtige Amt auch noch eine Reisewarnung raus und wir geben unseren Plan auf. Wir werden in Tbilisi ins Flugzeug bis Westchina steigen, denn wir wollen Russland nicht durch hohe Visa Gebühren und Zugtickets (Staatsbetrieb) unser Geld geben und damit indirekt einen Krieg finanzieren. Für mich ist es ein echter Bruch in der Reise. Mein Ziel war es klimafreundlich ohne zu fliegen in Japan anzukommen...aber jetzt umkehren und Heimradeln war auch keine wirkliche Option. Die Vorfreude und Neugier auf das verrückte Japan war schon zu groß.

    Auf eigene Faust geht es nach dem Ausflug in die hohen Berge weiter in den Borjomi Nationalpark. Hier wollen wir eine kleine Trekking Runde mit Zelt in die Berge machen. Dann Ernüchterung im Visitor Center: noch zu viel Schnee auf dem Panorama Trail. Also nochmal Plan ändern und andere Tour, die leider nicht ganz so hoch geht, aber durch herrlichen Wald. Endlich fließt auch mal klares Wasser in den Bächen. Das hatten wir bisher kaum, entweder war es furztrocken oder dreckig.

    Dann erleben wir doch noch georgische Gastfreundschaft der anderen Art. Im Visitor Center lernen wir die Freiwillige kennen, die hier mithilft und uns kurzerhand zur Übernachtung in ihre Wohnung einlädt. Mao kommt aus Japan und wir verstehen uns auf Anhieb. Mit ihr tauchen wir mehr ins georgische Leben ein, weil sie ihre Erfahrungen mit uns teilt, die sie seit einem halben Jahr hier gesammelt hat. Gleichzeitig können wir auch schon unsere Fragen zu Japan stellen. Eine tolle Kombi. Wir werden auch schon gleich zu ihrer Mutter nach Osaka eingeladen - mal sehen, ob wir da durchkommen.

    Gastfreundschaft bedeutet für uns nicht, dass man ständig eingeladen wird. Es kann auch ein einfaches Lächeln sein, grüßen, Hilfe anbieten, wenn man sieht, dass sich jemand nicht zurecht findet...wir haben in Georgien durchaus noch (sehr) gastfreundliche Menschen kennen gelernt. Gleichzeitig ist es für uns zumindest nicht das gastfreundlichste Land, wie es in den schönen Reisedokus suggeriert wird. Sicher haben andere Menschen auch andere Erfahrungen gemacht. Wir mögen sie ja auch, diese leicht verschrobenen, eher zurückhaltenden Menschen und wissen, dass die Geschichte dieses Landes nicht gerade zum Ausgelassen und Fröhlich sein steht...

    Batumi am Schwarzen Meer ist eher künstlich. Wie aus der Retorte schießen neue Wolkenkratzer weltweit bekannter Hotelketten aus dem Boden. Trotzdem sind zwei Sonnenuntergänge am Meer mal wieder schön. Dass auf der anderen, weit entfernten Seite ein Krieg tobt, stört hier niemand so wirklich beim Urlaub machen.

    Dann verbringen wir noch drei schöne Nächte auf dem Dumbo Eco Camp im subtropischen Gurien, das uns wie ein grüner Dschungel umschlingt. Liza ist 21 Jahre jung und managed hier alles in dieser Saison. Wir sind die einzigen Gäste und beim Lagerfeuer führen wir gute Gespräche über das Land und seine Jugend, die so voller Hoffnung auf
    Europa ist, bevor wir zum kulinarischen Feuerwerk (Kochkurs und Weinprobe) nach Tbilisi zurück kehren.

    Beim "Kargat brzandebodet!" an der Passkontrolle am Flughafen, luchse ich der Beamtin dann noch ein Lächeln ab mit der schwierig auszusprechenden georgischen Verabschiedung ab. Wir kommen bestimmt mal wieder, aber sicher ohne Fahrrad!

    (Luzi)
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  • Day 229

    Tiflis, Tblissi oder Tiblissi

    April 12 in Georgia ⋅ ☀️ 24 °C

    Nach einem sehr holprigen Start in Georgien erreichen wir die Hauptstadt Georgiens, Tiflis. Übrigens die Partnerstadt Saarbrückens, weshalb wir hier den "Saarbrücken Platz" und die "Saarbrücken Brücke" entdecken.
    Wir fühlen uns wie in einem anderen Land. Nach dem kargen Hochland ohne touristische Infrastruktur, finden wir uns plötzlich inmitten schöner Cafés, ansprechenden Restaurants und vielen hübschen Unterkünften wieder.
    Ich genieße die Annehmlichkeiten der Stadt und freue mich über guten Kaffee und tolles Essen.
    Außerdem stolpern wir über das riesige Fahrrad Monument und fragen uns schon irgendwie, was das hier soll. Denn Georgien ist vieles, aber definitiv kein Fahrradland. Auch in Tiflis sind Radwege sehr, sehr selten.

    Sehr schnell fallen mir die Graffitis auf, die immer wieder sehr anti Russland sind. Ebenso sind die Farben der Ukraine an jede Ecke gesprüht.
    Zum einen ist die Ukraine natürlich geographisch nicht weit entfernt, zum anderen fürchtet man auch hier, dass sich Putin weitere Teile des Landes unter den Nagel reißt. Denn Russland hat bereits Teile Georgiens annektiert. Um es in Zahlen auszudrücken - 20% des Landes sind russisch besetzt.
    Hierzu zählen die Gebiete Abchasien und Südossetien. Diese beiden Regionen versuchten sich von Georgien mit russischer Unterstützung loszulösen. Im sogenannten 5 Tage Krieg zwischen Georgien und Russland 2008 unterlag Georgien. Moskau erkennt diese Staaten seitdem als eigenständige Staaten an und erhöhte vor Ort seine Truppenpräsenz.

    Es scheint als ob dieses Land politisch zerrissen ist.
    Die Menschen, mit denen wir sprechen, wünschen sich den EU Beitritt.
    Und dann gibt es noch die Menschen, eher aus der älteren Generation, die sich Russland zugehörig fühlen und wenig von der EU halten.

    Dass sich viele Menschen lautstark für einen EU Beitritt einsetzen, sehen wir selbst, als wir eine Demonstration in Tiflis vor dem Parlament miterleben und gestern Teil der Massendemonstration waren. Wir sprechen mit einigen Demoteilnehmer:innen, die uns alle das gleiche sagen. Russland versucht mehr und mehr an Einfluss zu gewinnen und setzt die Menschen unter Druck, indem sie unter anderem Fakenews verbreiten.
    Wir lernen auch eine junge Russin aus Sibirien kennen, die ihr Land wegen seiner Politik verlassen hat. Sie möchte ihre Steuern nicht einer Regierung zahlen, die damit einen Krieg finanziert. Als sie uns davon erzählt, hat sie Tränen in den Augen, da sie Sibirien und ihre Familie sehr vermisst.

    Was die Demonstrierenden rufen, verstehen wir natürlich nicht. Aber wir sehen die riesige EU Flagge, die Schilder der Demonstranten und hören "Freude schöner Götterfunken". Für uns als Ausstehende ist dieser Moment sehr ergreifend und uns wird zum 100sten mal klar, welches Glück wir haben in einem Land zu leben, in dem Freiheit eins der wichtigsten Güter ist und jeder so leben kann, wie er möchte- unabhängig von Glaube, Sexualität oder politischer Gesinnung.
    Und alle die glauben, es sei anders, empfehle ich an dieser Stelle einen Ausflug in ein Land, in dem Menschen aus unterschiedlichen Gründen unterdrückt werden und so etwas wie Meinungsfreiheit nicht existiert.

    Wir hören hier häufig, dass die georgische Regierung zwar oberflächlich an dem EU Beitritt festhält, jedoch anders handele.
    Die Menschen fühlen sich belogen.
    Sollte sich Georgien für das sogenannte "Agentengesetz" aussprechen, rückt der EU Beitritt ein Stück weit in die Ferne und der Frust in der Bevölkerung wird steigen. Die Stimmung ist schon jetzt aufgeheizt.
    Es bleibt abzuwarten, was die Regierung unternimmt und in welche Richtung sich Georgien politisch entwickelt.

    Für mich persönlich ist Tiflis bisher die schönste und interessanteste Stadt auf unserer Reise und ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass es eine der schönsten Städten überhaupt für mich ist.
    Die Stadt versprüht einen jungen, kreativen Charme und in den Abendstunden pulsiert Tiflis mit seinen vielen Bars, Clubs und Lokalen. Da ich mich nach wie vor sehr von der elektronischen Musik angezogen fühle, war mir Tiflis schon vor unserer Reise ein Begriff für seine Techno Musik, die hier für das freie, junge, aufrührerische Lebensgefühl steht.
    Und ich glaube, es ist diese Verbindung zwischen alt und neu, was den Charme der Stadt ausmacht.
    Auch, dass sie noch nicht an allen Orten aufgehübscht ist, gefällt uns sehr.
    Wir schlendern mehrere Tage durch die Straßen und entdecken immer wieder neues. Vorallem die Hinterhöfe der Häuser faszinieren mich. Es ist wie eine Stadt hinter der Stadt. Die Bewohner:innen haben sich die Hinterhöfe wohnlich gestaltet und wir merken, dass sie mit Leben gefüllt sind.

    Im Gegensatz zu gestern, wo die Straße trotz der Menschenmassen zunächst nicht von der Polizei für Autos gesperrt wurde, ist die Hauptstraße durch die Stadt seit heute morgen (29.04.24) gesperrt. Wie wir erfahren gibt es heute eine Kundgebung der Regierungspartei, die sich für das Agentengesetz ausspricht. Busse werden aus dem ganzen Land angekarrt. Es gibt eine große Bühne vor dem Parlament und heute morgen wurde dort auf der Bühne das Fahnenschwingen einstudiert.

    Es bleibt spannend, wie es politisch weitergehen wird in diesem kleinen Land und wir werden es jetzt mit anderen Augen verfolgen.

    (Denise)
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  • Day 226

    Es gibt Grenzen...

    April 9 in Georgia ⋅ ☀️ 12 °C

    Voller Vorfreude und auch sehr emotional haben wir uns der Grenze auf der Hochebene zwischen der Türkei und Georgien genähert. Schließlich war es unsere erste Grenze außerhalb Europas, die wir auf dem Landweg zu überschreiten hatten.

    Wetter und Wind waren mit uns an diesem Radtag. Bei einer tollen Abfahrt bin ich sanft und sicher auf 69,9km/h gekommen. So schnell war ich noch nie im Sattel unterwegs. Geht auch nur, wenn der Straßenbelag perfekt ist - dafür hat Erdogan in den letzten Jahren im ganzen Land fast übermäßig gesorgt....und leider auch für vieles andere, für das er indirekt in der vergangenen Regionalwahl abgestraft wurde.

    Dann sehen wir die Flaggen der Länder in der Ferne, wischen uns heimlich ein paar Abschiedstränen von den Augen und sagen noch einmal teşekkürler Türkiye!

    Die Prozedur an der Grenze ist dagegen sehr ernüchternd. Bürokratiekram halt...und ein Telefonat des Grenzbeamten. Wir sind in der Ägäis mit dem Personalausweis eingereist und wollen auch mit diesem wieder ausreisen. Dieses Privileg ohne Reisepass hier zu reisen verdanken wir dem Pauschaltourismus an der türkischen Riviera. Das ist hier im äußersten Osten, wohl nicht klar und der Grenzbeamte weiß nicht, wie er uns abwickeln soll. Aber es klappt. Die türkische Zollbeamtin kramt dann noch stümperhaft in unseren Taschen herum, so dass sie es auch einfach hätte lassen können.

    Dann rollen wir zur georgischen Seite. Nettigkeit ist sicherlich hier kein Einstellungsgrund bei Grenzbeamt:innen. Und dabei gebe ich mir echt Mühe mit ein paar extra gelernten georgischen Vokabeln. Mit dem Stempel im Pass und dem gechillten Zollbeamten, der uns nach ein paar Standardfragen durchwinkt, sind wir in Georgien, dem kleinen bergigen Land mitten im Kaukasus, eingereist.

    Neues Land, neue Schrift, neue Sprache, neue Mentalität...Nur die frühlingshaft zwitschernden Feldlerchen und der Müll am Straßenrand begleiten uns weiter. Wir waren sehr gespannt, was uns erwartet würde. Georgien eilt der Ruf seiner Gastfreundschaft voraus und wir freuten uns schon auf viele Begegnungen.

    Unser erstes Ziel ist die Hauptstadt Tbilisi, die vier Tagesetappen entfernt liegt. Danach wollen wir noch die Weinregion per Rad erkunden.
    Die Gegend hier oben ist rauh und untouristisch. Es gibt einige größere Orte, wo wir uns verpflegen können, ansonsten kleine Dörfer mit Landwirtschaft. Die schwarze Erde ist bereits umgegraben, aber die Seen sind noch gefroren und es liegt oberhalb von 2000 Metern Schnee. Wir werden durch die Höhe in den Winter zurück katapultiert. Im eisigen Gegenwind fühlen sich Temperaturen um die 5 Grad viel kälter an. Wir packen uns dick ein. Pausen sind nur kurz und mit wärmendem Tee. Es gibt hier nichts zum Einkehren. Wenn wir an Leuten vorbei fahren werden wir kaum gegrüßt. Manche winken zurück - wir haben den Eindruck, dass man Fremden gegenüber in dieser Gegend nicht gerade aufgeschlossen ist. Es ist ein so krasser Unterschied zur Türkei. Dort wurden wir vor zwei Tagen ins Büro einer Tankstelle zu Kaffee vor dem Heizstrahler eingeladen - total durchnässt. Die Männer waren empathisch und haben gesehen, was wir gebraucht haben. Ein paar Menschen sprechen uns dann doch an. Ein Grieche und Armenier. Einen größeren Gegensatz in der Mentalität habe ich durch einen Grenzübertritt noch nie erlebt. Dabei hätte ich es ehrlich gesagt eher umgekehrt erwartet.

    Dazu kommen die Hunde, die mich bei einer Abfahrt fast vom Rad holen - noch nerviger als in der Türkei. Den letzten Stich versetzt uns der Verkehr. Hier gilt das Recht des Stärkeren und Schnelleren und das sind die unzähligen Mercedes Sprinter, die hier als Busse fahren oder der BMW X7. Es gibt keinen Seitenstreifen für uns. Als ein überholendes Taxi mir auf meiner Fahrbahn so knapp entgegen kommt, habe ich einen kleinen Nervenzusammenbruch. Ich schreie die überholenden Auto mit "Abstand, Abstand" an, verschaffe mir Platz bis zur Fahrbahnmitte und verursache schließlich einen kleinen Stau, weil ich niemanden mehr überholen lasse. Die Autofahrer bleiben ziemlich gelassen und schütteln nur den Kopf, keiner steigt aus, um mir eine zu scheuern:))
    Ich bin am Anfang dieses Landes gerade fertig mit ihm, dabei hatte ich so hohe Erwartungen...der Regen lässt uns fast einen ganzen Tag im Zelt in the middle of nowhere ausharren und ich komme wieder runter.

    Wir beschließen schon hier oben die Räder in Tiflis abzustellen und mal eine Radfahrpause einzulegen. Wir wollen dem Land noch eine Chance geben und sind sicher, dass Tiflis ganz anders wird. Die Temperaturen steigen mit den Höhenmetern, die wir abfahren. Es wird endlich grüner und die Sonne schenkt uns Hoffnung.

    (Luzi)
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  • Day 220

    Weiter ostwärts...

    April 3 in Turkey ⋅ ☁️ 25 °C

    Ganz in der Nähe einer seldschukischen Karawanserei aus dem 13. Jahrhundert haben wir wieder genullt.
    Ein passender Ort, denn hier rasteten Händler, verkauften ihre Waren und es war ein Kommen und Gehen von Reisenden. Wir spüren hier einen Hauch vom Orient. Für uns geht es weiter Richtung Osten - ein gutes Stück per Nachtbus.Read more

  • Day 218

    Im Himmel Kappadokiens

    April 1 in Turkey ⋅ ☀️ 23 °C

    Wir haben uns für die Tour mitten durch Anatolien ein besonderes Ziel ausgesucht, das gleichzeitig einer der weltweiten Touri-Hot Spots ist: Kappadokien. Nach dem Salzsee Töz Gölü geben wir es uns radmäßig nochmal so richtig. Steile Rampen, die endlos scheinen uns aber durch wirklich herrlich weite Landschaften bringen, machen uns mit der sommerlichen Hitze ziemlich fertig. Und dann ist es endlich soweit - knapp 900 Kilometer nach Istanbul tun sich Pilze, Zipfelmützen und Kamine aus Stein vor uns auf. Kappadokien hat seine wunderschön bizarre Landschaft zwei Vulkanen zu verdanken, die vor 50 Millionen Jahren alles mit Asche bedeckten und woraus sich im Laufe der Zeit in Verbindung mit Basalt, Asche und Sand ein weicher Tuff entwickelte, der langsam durch Wind und Wasser so abgetragen wurde, dass diese einzigartigen Formen entstanden. In der Bronzezeit höhlten die Menschen die „Zipfelmützen“ aus und hatten so ein Haus gebaut, ohne Baumaterial nutzen zu müssen. Es gibt ganz Felsenstädte in der Umgebung. Auch Kirchen sind so entstanden.

    Hauptausgangsort ist Göreme, das wir nach einer aussichtsreichen Abfahrt erreichen. Der Ort ist nicht sehr groß und die Masse an Touristen, die bereits jetzt Anfang April hier ist, übersteigt die Einwohnerzahl um ein Vielfaches. Ich mag solche Orte eigentlich gar nicht so sehr und versuche sie zu vermeiden, aber bei dieser Landschaft, ist das gar nicht möglich. Und wir freuen uns auch schon darauf mal wieder andere Touristen, ja vielleicht sogar Radreisende zu treffen, denn durch ganz Anatolien ist uns außer zwei französischen Wohnmobilisten, kein Urlauber begegnet. Tourismus ist hier die Haupteinnahmequelle. Höhlenwohnungen wurden zu Hotels umgebaut. Es gibt unzählige Restaurants, Souvenirshops und Touranbieter. Neben Reiten, Quad fahren, Wellness im Hamam, ist eine Ballonfahrt das Must-Do von Kappadokien. Wir sind beide noch nie in einem Ballon mitgefahren und entscheiden: das machen wir auch. Jetzt in der Nebensaison zahlen wir pro Person 160€, in der Hauptsaison sind bis zu 300€ fällig.

    Wir beziehen Quartier auf dem Panorama-Camping, der hält, was der Name verspricht. Die Tuff Landschaft und Göreme liegen uns zu Füßen. In der Ferne blicken wir auf den schneebedeckten Vulkan Erciyes Dağı (3916 Meter) und eine Berglandschaft, die mich farblich an den Grand Canyon erinnert. Dann wird auch unsere Hoffnung auf Radfahrgespräche erfüllt: Sophie und Tom aus Neuseeland und Australien schlagen ihr Zelt neben uns auf und wir haben endlos Themen, die man einfach nur mit Radfahrenden bequatschen kann. So gruseln wir uns über Stories von bellenden Hunden, ärgern uns über wahnwitzige Verkehrssituationen und tauschen uns über die Gastfreundschaft der Türk:innen aus.

    Am nächsten Morgen müssen wir um 5:30 Uhr raus aus den Daunenfedern. Unterschwelliges Brummen und Rauschen ist von überall zu hören. Schon vor Sonnenaufgang beginnt man damit die Ballone mit großen Ventilatoren aufzupusten, damit man die ersten Sonnenstrahlen schwebend über Göreme einfangen kann. Wir fahren aus dem Ort heraus und da sehe ich schon die unzähligen aufleuchtenden bunten Ballone, die nach und nach vom Boden abheben.

    Unser Gefährt wird jetzt erst mal ausgepackt. Pünktlich mit dem Sonnenaufgang heben wir aber schließlich ab. Ich hatte mir das ja so richtig romantisch vorgestellt: wir und vielleicht 2-3 andere Leute sind mit Pilot im Korb – so wie daheim halt. Die Körbe sind hier aber gigantisch groß und so sind wir mit insgesamt 20 Touristen, einer Pilotin plus Co-Pilot für die nächste Stunde recht eng zusammengepfercht miteinander unterwegs – neben uns direkt acht junge Chinesinnen aus Shanghai, die sich so richtig in Schale geschmissen haben. Die Fahrt ist ganz anders als ich sie mir vorgestellt hatte: statt direkt in die Höhe zu steigen, schweben wir durch das tieferlegene Taubental mit vielen tollen Felsformationen. Ich bewundere die Navigationskünste der Pilotin. Als wir den Nachbarballon sogar berühren, ruft eine Chinesin panisch: „Das ist viel zu eng!“ Aber die Pilotin ist völlig entspannt: „Kein Problem, das ist mein Ehemann.“ Kiss in the sky! Neben der Landschaft erfreuen wir uns auch an den Posen der Digital Natives. Ich weiß gar nicht, wie viele Fotos, Selfies und Videos direkt in den unendlichen Weiten der chinesischen sozialen Netzwerke als digitaler Datenmüll gelandet sind. Virtuelles Leben in Echtzeit. Was würden die wohl machen, wenn das Internet crashed?

    Ich mache aber auch viel zu viele Fotos, weil immer wieder neue Details auftauchen. Als der Ballon bis auf 900 Meter hochsteigt, fühle ich mich in die Welt von Yann Arthus-Bertrand versetzt. Die Welt von oben ist einfach fantastisch. Über 100 Heißluftballone sind an diesem Morgen hier aufgestiegen. Eine echt unglaublich schöne Ansicht des Massentourismus‘. Wenn ja nur ein paar einzelne Touris hier wären, kämen diese tollen Fotos ja gar nicht zustande. Natürlich wurde auch sehr viel Propangas an diesem Morgen nur für „die Plaisir“ verbraucht – würde mich mal interessieren, wie viele Haushalte wir stattdessen hätten vorsorgen können.

    Wir schauen uns noch das Love-Valley an bevor uns der Rückenwind direkt ins Busterminal nach Kayseri weht, wo wir im fast leeren Nachtbus in zwölf Stunden recht entspannt nach Kars, in den äußersten Nordosten des Landes, fahren.

    In der Türkei feiert man ab dem 9. April Bayram, das auch Zuckerfest genannt wird. Die Supermärkte sind übervoll mit Süßkrams: Pralinenschachteln, Turkish Delight, Baklava und auch Bonbons wandern massenweise in die Plastiktaschen. Nach der langen und enthaltsamen Ramadan Zeit wird jetzt geschlemmt, was das Zeug hält. Es ist ein Fest, das an unser Weihnachten erinnert. Söhne und Töchter besuchen ihre Eltern und nehmen dafür lange Wege quer durch dieses riesige Land in Kauf. Es gibt vier Feiertage, an denen alle in der Türkei frei haben. Da es ein Fest in den Familien ist, werden wir vermutlich nicht viel davon mitbekommen, daher beschließen wir uns schon vorher auf den Weg ins benachbarte Georgien zu machen und der Türkei Hoşça kal (tschüss) zu sagen.
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  • Day 217

    Auf dem Weg nach Zentralanatolien

    March 31 in Turkey ⋅ ☀️ 20 °C

    Als wir in Istanbul los radeln wissen wir, vor uns liegen knapp 900 km bis zu unserem nächsten Ziel: Kappadokien.

    Luzi plant eine Strecke durch das Landesinnere. Wir hoffen, dass es dort beschaulicher und ruhiger wird.

    Ein 30 km langer Radweg führt uns aus Istanbul raus. Fast immer entlang der Küste schlängelt er sich durch eine Vielzahl an Parkanlagen. Wir sind erstaunt, wie lange sich Istanbul und auch die Vororte ziehen. Irgendwann endet der Radweg ziemlich abrupt vor einem eingezäunten Militärgelände. Komoot möchte uns dort durch lotsen, der Wachposten hält allerdings wenig davon 😉.

    Mit Ende des Radweges geht es dann auch los- Industriegebiet an Industriegebiet. Wir fahren auf der Autobahn Fahrrad. Es ist laut, staubig und wegen der LKWs nicht ganz ungefährlich hier zu radeln. Spaß macht es so auf jeden Fall gar nicht!

    Wir sind froh, als wir bei Fatma und Gülay ankommen. Die beiden Frauen sind bei der Plattform "Warmshowers" angemeldet und bieten Radler:innen eine Übernachtungsmöglichkeit. Wir haben viel Spaß zusammen. Fatma ist Frisörin und schenkt mir einen Haarschnitt. Wir schlagen unser Bett im Frisörsalon auf. Im Gegenzug kochen wir für die beiden Käsespätzle und Salat. Die beiden Frauen sind ein Paar, was in der Türkei nicht selbstverständlich offen gelebt wird.
    Wir freuen uns, uns offen mit ihnen austauschen zu können - vorallem auch über LGBTQ Themen in der Türkei . Werden wir ansonsten hier gefragt, wie wir zueinander stehen, sagen wir immer "Freundinnen", was uns beiden irgendwie nicht wirklich gefällt.

    Auch bei einem unserer nächsten Warmshowers, Meltem und Fatih können wir offen sagen, dass wir ein Paar sind, da die beiden sehr weltoffen sind und vieles was politisch in der Türkei geschieht hinterfragen. Die landesweiten Bürgermeisterwahlen stehen kurz bevor. Es scheint als ob unendlich viel Geld in den Wahlkampf gesteckt wird. Ganze Straßenzüge sind mit Fahnen geschmückt, Bässe wummern aus vorbeifahrenden Wahlkampfautos. Fatih und Meltem sind wie alle Türken gespannt, wie die Wahlen ausgehen werden.

    Nachdem wir uns morgens von Meltem und Fatih verabschieden, ist es endlich so weit: unsere gefühlt erste landschaftlich richtig schöne Straße in der Türkei tut sich vor uns auf. Endlich die endlose Weite, die ich mir seit dem Nationalpark Gran Sasso in Italien gewünscht habe. Ich schaue mich um und kann so weit blicken, dass ich es selbst kaum fassen kann. Das ist dann auch endlich wieder einer der Momente, wo ich weiß, warum ich zu solchen Reisen aufbreche. Solche Weiten ohne Häuser oder verstellten Blicken gibt es in Deutschland einfach nicht. 

    Ab jetzt tauchen wir ein in das Landleben der Türkei. Keine Touristen weit und breit. Sind wir vorher schon mehr als nett begrüßt und immer wieder gefragt worden, was wir mit dem Rad hier machen, woher wir kommen und wohin wir fahren, begrüßt uns jetzt fast jedes Auto mit einem Hupen und Winken der Fahrzeuginsassen. Wir kommen aus dem Zurückwinken schon fast gar nicht mehr raus.

    Die kleinen Ortschaften gewinnen hier wirklich keinen Schönheitspreis, dafür sind die Menschen umso gastfreundlicher. Kaum steigen wir von den Rädern, werden wir zu einem Chai (Tee) eingeladen. Aus manch größeren Ortschaften kommen wir kaum los, weil uns immer wieder Menschen ansprechen und einladen wollen. Es entstehen skurrile Situationen, so sitzen wir z.B. plötzlich im Büro eines Mannes, der mit Salz und Kohle handelt. Nachdem er gehört hat, dass wir aus Deutschland kommen, telefoniert er kurz und ruft seinen Bruder mit dazu, der wiederum einen Freund dazu ruft, der eigentlich in Bayern lebt und auf Heimatbesuch ist. Irgendwann sitzen wir zwei mit sieben türkischen Männern im Büro und trinken zusammen Chai. Zum krönenden Abschluss bekommen wir noch zwei große Einmachgläser geschenkt. Eins mit Marmelade und eins mit süß eingelegten Gurken. Lieb gemeint, allerdings echt schwierig in die Radtaschen zu stopfen:).

    In bestimmten Gebieten Zentralanatoliens werden wir so oft auf Deutsch angesprochen, dass es schon fast irritierend ist. Es scheint hier kaum jemanden zu geben, der nicht jemanden aus der Familie hat, der in Deutschland lebt oder mal gelebt hat. Zum Teil scheinen es ganze Generationen zu sein, die im Zuge der Gastarbeiterbewegung nach Deutschland gingen. Viele kehrten in die Türkei zurück, viele Familien leben auch heute noch in Deutschland und sind nur noch zum Urlaub in der Türkei. Wir fahren durch Geisterstädte, wo tolle Häuser stehen, aber alle Rollläden geschlossen sind. Später erfahren wir, dass das die Urlaubshäuser der Deutsch-Türken sind.

    Ich denke in diesen Tagen viel darüber nach, wie es bei uns zu Hause um die Gastfreundschaft steht und nehme mir vor einen Teil des hier Erlebten mitzunehmen.

    Auch landschaftlich sind die Etappen durch Zentralanatolien wirklich ein Traum. Wir radeln auf einer Hochebene vorbei an Bergen unterschiedlicher Farbe und Form, an blühenden Mandelbäumen und über den Salzsee Toz Gölü. Hier legen wir einen verdammt langen Fotostop ein, um ähnliche Fotos zu schießen wie 2012 im "Salar di Uyuni" in Bolivien. Salz wird hier ebenfalls im großen Stil abgebaut, wie wir bei unserer Weiterfahrt sehen.

    Die unendliche Weite begleitet uns die gesamten Radtage. Die Temperaturen steigen, die Sonne brennt gnadenlos. Während dieser Tage fühlen wir uns wie im Sommer - auch hier zu heiß für die Jahreszeit.
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  • Day 202

    Heute fährt die 18 bis nach Istanbul...

    March 16 in Turkey ⋅ ☁️ 11 °C

    ...und für alle, die keine Jecken sind...das ist der Anfang eines Karnevalsliedes, was mir direkt zu Istanbul einfällt 😜.
    Irgendwie auch passend, denn mit Verlassen Griechenlands geht dort die Karnevalszeit los🎉.

    Auf dem Weg in die Türkei denken wir immer mal wieder drüber nach- Istanbul mitnehmen oder links liegen lassen. Denn uns ist schon dort klar- Istanbul ist eine riesige Stadt und Radfahren wird wahrscheinlich die Hölle.

    Wir entscheiden uns mit der Fähre von Bandirma aus nach Istanbul zu schippern, um nicht mit dem Fahrrad auf einer 8 spurigen Schnellstraße zu landen. Denn so beschreiben andere Radfahrer:innen ihre Anfahrt in die Stadt. Dafür habe ich keine Nerven und möchte vorallem am Stück in Istanbul ankommen.
    Auch aus diesem Grund wählen wir ein Hostel sehr nah am Fährhafen. Zumindest auf Googlemaps sieht es so aus. Ich erstelle die Route und sehe, es sind 4 km...auch da werden mir nochmal die Dimensionen klar.

    Istanbul ist mit 16 Mio. Einwohnern die größte Stadt Europas. Zum Vergleich: in Berlin leben 3,6 Mio. Menschen. Und so fühlt es sich auch an - Berlin ist richtig entspannt im Vergleich zu Istanbul. Wir sind echt geflasht von den Menschenmassen in dieser Stadt. Und das nicht nur an den Hauptattraktionen wie der "Blauen Moschee" oder der "Hagia Sophia". Unser Hostelbesitzer erklärt uns, dass es in unserem Viertel vor 20 Jahren nur etwa zehn Hotels gab. Heute sind es zehn pro Straße.

    Die Stadt hat eine aufregende Geschichte hinter sich, was vor allem ihrer einzigartigen geographischen Lage zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer, sowie ihrer Lage zwischen zwei Kontinenten, Europa und Asien geschuldet ist.

    Griechen, Perser, Römer, Osmanen ließen sich hier nieder.
    Die Römer riefen die Stadt 330 nach Christus zur Hauptstadt Europas "Konstantinopel" aus, benannt durch den Kaiser Konstantin I. Um die Geschichte abzukürzen, da ich sie gar nicht in kurze Worte fassen kann: es folgte eine byzantinische Zeit, bevor die Osmanen die Stadt für sich einnahmen und sie in Istanbul umbenannten.
    Nach dem Untergang des osmanischen Reiches von 1913 - 1923 und mit der Unabhängigkeit der Türkei, gehört Istanbul seit 1923 zur türkischen Republik.

    Die Geschichte Istanbuls zeigt sich unter anderem auch an dem Nebeneinander von Moscheen, Kirchen, Synagogen und anderen antiken Gebäuden.
    Schon immer war sie ein Schmelztiegel der Nationen und so scheint es auch noch heute zu sein.

    Luzi und mich überfordert die Stadt. Sie ist uns zu groß, zu hektisch, zu voll. Wir schauen uns am ersten Abend eine Dokumentation über Istanbul und seine heikle Lage in der Nähe zweier Erdplatten an. Ein großes Erdbeben ist längst überfällig. Da bin ich froh, dass die Wahrscheinlichkeit in den drei Tagen, die wir hier verbringen, recht gering scheint.

    Abgesehen vom Sightseeing, machen wir mal wieder Erledigungen. Luzi lässt kaputte Reißverschlüsse an Jacken wechseln - Toparbeit für ein paar Euros. Zum Waschsalon müssen wir von der europäischen Seite unter dem Bosporus mit der U-Bahn in den asiatischen Teil der Stadt. Wir wohnen im touristischen Viertel und da kann man nur Wäsche für viel Geld zum Waschen abgeben. Das Viertel Kadiköy gefällt uns sehr gut. Nette, hippe Cafés und kleine Läden gibt es hier.

    Insgesamt ist es in Istanbul viel teurer als anderswo. Sowieso ächzt das ganze Land unter der hohen Inflation. Wir suchen uns ein indisches Restaurant zum Essen aus und checken die Preise online. Als wir ankommen sind die tatsächlichen Preise jedoch viermal so hoch. Wir sind allerdings in der glücklichen Lage, dass der Euro Kurs derzeit besonders gut ist und wir trotzdem viel günstiger als in Griechenland unterwegs sein können. Wie die Menschen das hier machen, ist mir ein Rätsel, da die Gehälter nicht im gleichen Maß und Tempo steigen. Ob die Regierung hier auch Maßnahmen zur Abfederung eingeleitet hat, wissen wir noch nicht.

    Nach drei Tagen lassen wir die Stadt hinter uns. Ein weiteres persönliches Ziel habe ich an dieser Stelle erreicht- ich bin mit dem Fahrrad bis nach Istanbul gefahren und das ist irgendwie ein schönes Gefühl, was mich auch stolz macht.

    Abgesehen von der Hektik und der unbeschreiblichen Größe der Stadt nehme ich die vielfältigen Gerüche auf den Märkten mit, die bunten Farben, die Gesänge der Muezzine, die vielen, vielen Kätzchen und ihre Häuschen und das vielfältige, friedliche Miteinander unterschiedlicher Nationen und Religionen.

    (Denise)
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  • Day 200

    Merhaba Türkiye

    March 14 in Turkey ⋅ ☁️ 15 °C

    Es ist vier Uhr in der Nacht. Ich habe mir vorsorglich Ohropax gegönnt, denn der Muezzin ruft schon vor sechs Uhr zum Gebet, wenn ich noch ein bisschen schlafen möchte. Trotz der Stöpsel werde ich jetzt wach. Ich höre dumpfe Trommelschläge und Rufe, die eine ganze Zeit lang andauern, dann wird es wieder still bis später die Lautsprecher am Minarett den Gesang in den Ort verbreiten und den Tag ankündigen.

    Wir sind in einer anderen und für uns neuen Welt angekommen. Bei vergangenen Reisen sind wir schon in muslimischen Ländern gewesen, aber mit dem Fahrrad erleben wir es hier intensiver. Wir sind fast pünktlich zum Ramadan von den griechischen Inseln hier eingereist. Viele Fragezeichen schwirren in unseren Köpfen. Wir haben keinen Reiseführer à la Lonely Planet oder ReiseKnowHow dabei, wo man schnell mal das Kapitel über Land und Leute nachlesen kann. Daher rätseln wir erst einmal und überlegen selbst, warum hier etwas so und nicht anders ist. Dann fragen wir letztendlich Einheimische oder das Internet, das ich für die Auflösung der Fragezeichen echt liebe.

    Wir haben in dieser Nacht die Wecktrommler gehört, die noch in einigen Gegenden nachts durch die Straßen ziehen, um im Ramadan die Menschen vor dem Sonnenaufgang zu wecken, damit sie sich noch den Bauch vollschlagen, trinken und rauchen können. Denn bis zum Sonnenuntergang nach 19 Uhr ist Fasten und Enthaltsamkeit angesagt. Nicht alle Menschen nehmen aktiv am Ramadan teil, aber er ist schon allgegenwärtig: viele Restaurants öffnen zum Beispiel oft erst am Abend statt zum Mittagessen. Da die Supermärkte geöffnet sind, haben wir aber keine Probleme uns zu versorgen.

    Wir radeln von Ayvalik entlang der Küste - sogar mit Radwegen, aber auch auf einer vielbefahrenen Schnellstraße. Lesbos ist noch zu sehen. Einiges erinnert uns auch an Griechenland. Vor allem auf dem Teller gibt es Ähnlichkeiten. Sesamkringel, Feta, Gurken, Tomaten, Oliven und Olivenöl gehören auch hier zu den Grundnahrungsmitteln. Etwas ausladender ist das türkische Frühstück. "Serpme Kahvalti" war mit die erste Vokabel, die wir beherrschten. Der Tisch wird nach und nach vollgeladen mit kleinen bunten leckeren Schälchen. Pommes gehören genauso dazu wie Eier, Käse und Süßkrams.

    Die Griechen und Türken haben eine gemeinsame bewegte Geschichte hinter sich. Dies und jenseits des Bosporus lebten einst beide Nationen. Das osmanische Reich war bereits im 1. Weltkrieg zerfallen. Als Folge des Unabhängigkeitskrieges gegen Griechenland 1919-22, den die Türken gewannen, wurde die griechische Bevölkerung (die überlebt hatte) vertrieben und zwangsumgesiedelt, so dass Teile Anatoliens (zum Beispiel die Gebiete um Izmir an der Westküste) rein türkisch wurden.

    Mustafa Kemal, besser bekannt unter dem Namen Atatürk (Vater der Türken), spielte damals eine bedeutende Rolle. Er wird als Begründer der Türkei verehrt und sein Konterfei ist auch heutzutage noch an allen Ecken sichtbar. Als erster Präsident der neuen türkischen Republik im Jahr 1923 setzte er auf Modernisierung, Trennung von Religion und Staat und eine Orientierung eher nach Westen als nach Osten. Wir nehmen dies hierzulande als Personenkult wahr, ohne dass man sich wirklich kritisch mit seinen Handlungen auseinandersetzt, denn es gab da sicherlich auch eine Kehrseite der Medaille.

    Schnell wird uns die türkische Gastfreundschaft zuteil. Ein älterer Mann stellt mir gleich am ersten Morgen einen Stuhl zum Hinsetzen mitten auf den Bürgersteig und bietet mir Tee an - auch wenn wir keine gemeinsame Sprache haben. Insgesamt sind die Menschen hier nach unserem Eindruck sehr neugierig, sprechen uns an wegen des Fahrrads und begegnen uns insgesamt offener als in Griechenland. Ein paar Tage verbringen wir helfend in einem Gemeinschaftsprojekt in den Ida Bergen. Wir durchqueren einige kleine Dörfer und sehen den krassen Unterschied zwischen Stadt und dem sehr einfachen Landleben, mit Ziegen, Schafen und Landwirtschaft. Dann sind wir zu Gast bei Derya und ihrem lustigen Mann in Canakkale, die wir über Facebook gefunden haben. Ein toller Einstieg in dieses neue Land.

    Wir setzen die Kultur-Tour fort und wollen das sagenumwobene Troja besuchen. Mal wieder verlassen wir uns voll auf Komoot, unserem Navi. Zu naiv mal wieder und wirklich dumm, führt es uns auf einen ungeteerten Weg, eigentlich schon nah an den Ausgrabungen. Da beginnt unsere Matsch-Schlacht um Troja. Der Lehm setzt sich so fest, dass die Laufräder irgendwann gar nicht mehr weiterdrehen. Denise baut kurzerhand ihr komplettes Rad auseinander und wir tragen die Einzelteile bis wir auf Asphalt stoßen. Merke: Umkehren, denn es kann immernoch schlimmer kommen. Und einem Gerät sollte man weniger trauen als Denises Bauchgefühl...wir hätten einfach auf der Hauptstraße bis Troja auf Teer bleiben können...

    Istanbul wir kommen!
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  • Day 196

    Den nächsten Tausender voll gemacht

    March 10 in Turkey ⋅ ☀️ 13 °C

    Mit dem Gesang des Muezzin im Rücken und dem Meeresrauschen vor uns, machen wir an der türkischen Küste die 4000km voll.
    Es gibt sogar einen Radweg!!!
    Mit Blick auf Europa (Lesbos), sind wir mittlerweile in Asien.Read more

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