Weltenwandel

octubre 2023 - mayo 2024
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  • Día 43

    Das Fest der Lichter

    12 de noviembre de 2023, India ⋅ 🌙 24 °C

    Diwali war einer der Gründe, warum wir als nächstes Ziel Varanasi ausgewählt hatten. Das Neujahrsfest der Hindus versprach, hier besonders stimmungsvoll zu sein. Diwali wird auch Lichterfest genannt, und es wird der Triumph des Lichts über die Dunkelheit und des Guten über das Böse gefeiert. Wir hatten uns für das Fest mit drei Isrealis verabredet, die wir in Dharamshala im Meditationszentrum kennengelernt hatten. Das war nach der vielen Zweisamkeit mal richtig schön.

    Ich hatte ehrlich gesagt etwas Bammel vor großen Menschenmassen, viel Geböller und extremen Sinneseindrücken aller Art (von Fekaliengeruch bis hin zum Anblick brennender Leichen). Varanasi sei laut Lonely Planet nichts für „Zartbesaitete“ (TW: Falls ihr zu diesen zählt, könntet ihr den mit TW markierten Absatz dieses Beitrags überspringen). Wie sollte es also dann noch an Diwali sein?

    Der Tag begann um 4.30 Uhr mit einer Sunrise-Bootstour. Den Sunrise hat man aufgrund des Smogs nicht so richtig gesehen, aber irgendwann hat sich die Sonne doch durchgesetzt. Und wir hatten das seltene Glück, einen Delfin zu sehen. Das war schon mal ein guter Start in den Tag.

    Nach einem ausgiebigen Mittagsschlaf ging es abends dann zur Ganga-Aarti-Zeremonie an einem der Hauptghats (Ghats werden hier die Ufertreppen genannt. Es gibt über 80, die sich über mehrere Kilometer strecken). Nach den überraschend ruhigen vorherigen Tagen versammelten sich hier nun viele indische Familien gemischt mit Touris, die vom Land sowie vom Wasser aus die Zeremonie bestaunen wollten. Die Stimmung war schon besonders, und gleichzeitig war es nicht zu voll.

    TW: Ich dachte schon, ich sei nochmal glimpflich davon gekommen. Doch weit gefehlt. Unsere Gruppe entschied sich zu meinem Leidwesen dafür, zu dem Haupt-Leichenverbrennungs-Ghat zu gehen und ein paar Verbrennungsritualen beizuwohnen. Das war natürlich schon auch spannend, muss ich zugeben. Und es ist schwer möglich, nicht in die Diskussion darüber einzusteigen, welche brennenden Leichenteile man im Feuer erkennen kann. Mehrere Minuten lang starrten wir gebannt auf einen brennenden Kopf.

    Richtig schlimm fand ich die wirklich ohrenbetäubenden Böllereien direkt neben den Leichenverbrennungen, die von Druckwellen begleitet waren, die schon krass waren. Irgendwann war ich dann fix und fertig und Rolf ist mit mir zurück ins Guest House gefahren. Auf dem Weg wären mir neben zahlreichen Böllern um ein Haar eine brennende Zeitung auf den Kopf gefallen. Selbst im Bett hatten wir noch mehrere Stunden den Eindruck, in einem Bombenhagel zu stecken.

    Ich bin wirklich froh, dass wir alles unbeschadet überstanden haben und verbuche Diwali als Erfolg. Und ich freue mich aufs nächste Ziel, das Varanasi in Sachen Spiritualität um nichts nachstehen, aber deutlich idyllischer sein soll.
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  • Día 45

    Unterm Feigenbaum

    14 de noviembre de 2023, India ⋅ ☀️ 28 °C

    Wusstet ihr, dass der Bodhibaum, unter dem Buddha die Erleuchtung erlangt hat, ein Feigenbaum ist? Wir bis heute nicht. Ebenso wenig, dass der Originalbaum wegen der eifersüchtigen Ehefrau des Kaisers Ashoka nicht mehr in Bodhgaya - wo Buddhas Erleuchtung war - steht. Diese fand es nämlich doof, dass ihr Mann sich mehr um den Baum sorgte als um sie, und vergiftete ihn deshalb (den Baum, nicht den Kaiser 😬). Glücklicherweise wurde ein Trieb nach Sri Lanka und später wieder zurück nach Bodhgaya gebracht, wo diesen Baumenkel heute Pilger*innen aus aller Welt bestaunen können.

    Der Tempelkomplex um den Baum(enkel) ist schon ein spiritueller Ort mit besonderer Atmosphäre. Mönche aller buddhistischen Traditionen versammeln sich hier nebst Pilger*innen und Touris, machen unzählige Verbeugungen und meditieren. Abends wird alles sehr stimmungsvoll angestrahlt, und die ständig wiederholten Mantras der Pilger erfüllen die Luft. Beeindruckend.

    Neben der Haupttempelanlage haben sämtliche buddhistische Traditionen ihre eigenen Tempel in Bodhgaya errichtet… die wir alle besucht haben. 😁 Da Bodhgaya mehr Dorf als Stadt ist, war das eine recht entspannte Angelegenheit. Uns hat das nach dem Trubel in Varanasi jedenfalls sehr gut getan.

    Gut getan hat auch die ruhige, schöne und saubere Unterkunft und die etwas bessere (aber immer noch sehr schlechte) Luft. Morgen geht es jedenfalls in den Süden, ans Meer!
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  • Día 49

    Bunt, bunter, Indien

    18 de noviembre de 2023, India ⋅ ☀️ 29 °C

    Anderthalb Monate sind wir schon unterwegs! Zeit für ein paar Reflektionen über das bisher Gesehene. Das bietet sich auch deshalb an, weil wir für mindestens eine Woche nach Goa ans Meer gefahren sind und nun Zeit und Muße haben, die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Also macht Euch auf einen - sehr - viel längeren und weniger touristischen Footprint gefasst - einer für unsere Zeit in Goa kommt dann in ein paar Tagen.

    Ihr wisst ja, dass wir die gesamte Zeit im indischen Norden verbracht haben. Natürlich ist das ungefähr so, als würde man sagen, die ganze Zeit im nördlichen Europa gewesen zu sein: London und Norwegen und München und Finnland und Amsterdam und Irland sind ja auch nur schwer unter einen Hut zu bringen.

    Ein paar Gemeinsamkeiten gibt es aber dann doch. Als erstes die Menschen: Ganz egal, ob in Ladakh oder Kashmir oder Amritsar oder Varanasi, die Inder sind durchgehend enorm freundlich und höflich und lieb zu uns. Und neugierig! Wir werden ständig auf der Straße angesprochen, und das Gespräch läuft fast immer nach genau demselben Schema ab, oft wörtlich identisch:

    "Hello, how are you?"
    "Fine, thank you!"
    "Where are you from?"
    "From Germany."
    Optional: "Guten Tag!", aber immer auch: "What's your name?"
    "I'm Annie!"
    "Anja?"
    "Good enough..." - "...and I'm Rolf!"
    "Ölf?"
    "Yeah, sort of..."
    Optional: "Can I/we take a picture?"
    "Sure, go ahead."
    "Thank you! Bye bye!"
    "Goodbye!"

    Wir kommen uns ein bisschen vor wie in einem Computerspiel, in dem alle NPCs dieselbe geskriptete Standardinteraktion haben. Und an Hot Spots wie in großen Städten oder vor berühmten Tempeln müssen wir irgendwann freundlich, aber bestimmt "No, thank you" sagen, sonst stehen wir den ganzen Tag als Fotomodell bereit. Oder jedenfalls stünde Annie als Fotomodell bereit: In 100% der Fälle wird sie gefragt, ob man sie fotografieren darf, nicht ich. Oh well...

    Angesprochen werden wir auch von fast jedem Tuk Tuk-Fahrer, Verkäufer, und natürlich Bettler. Aus Sicht dieser Gruppen sind wir so eine Art wandelnde Geldbörse. Irgendwie verständlich, und ein höfliches, aber bestimmtes "No, thank you" hilft fast immer sofort, außer bei den Bettlern an den Hot Spots. Da können wir uns darauf einstellen, dass besonders die Kinder oft eine Minute neben uns herlaufen und (allerdings sehr sanft) an unseren Armen oder T-Shirts ziehen. Wir sind irgendwann dazu übergegangen, dass Annie immer ein paar 10-Rupien-Scheine (ca. 1 Rupie = 1 Cent) lose in der Hosentasche hat, um sie dann zu verteilen. Das hilft dann meistens, außer wir sind an Stellen mit Dutzenden von Bettlern auf einmal.

    Es ist übrigens gar nicht so einfach, an 10-Rupien-Scheine heranzukommen. Die meisten Tuk Tuk-Fahrer und Restaurants haben kein Wechselgeld. Wir können dann entweder darauf warten (es wird immer versucht, irgendwo in der Umgebung zu wechseln) oder mindestens einen Teil des Rückgelds als Trinkgeld verbuchen. Dann wird es aber natürlich schwierig mit den Bettlern. Glücklicherweise haben wir irgendwann gemerkt, dass "Supermärkte" (sprich: winzigste Tante-Emma-Läden) oft Wechselgeld haben und sorgen inzwischen auf diese Art vor.

    Die Inder selbst zahlen oft kleinste Centbeträge per Smartphone (das ausnahmslos jeder hat). Leider ist es uns ohne indische Kreditkarte unmöglich, uns bei den entsprechenden Apps zu registrieren. Und indische Kreditkarten kriegen wir natürlich nur mit einem Konto bei einer indischen Bank, und dafür wiederum brauchen wir eine indische Adresse und ein anderes Visum. Dasselbe Problem haben wir bei vielen indischen Bus-, Zug-, Taxi- usw. Apps. Accounts erstellen geht immer, aber im letzten Schritt, dem Bezahlen, scheitern wir oft selbst nach Eingabe aller vier verschiedenen Karten. Nicht einmal Paypal (wird nie angeboten) oder Amazon Pay oder Google Pay funktionieren, obwohl die in Europa mit meinen Karten gut klarkommen.

    "Dann also Bargeld", denkt man. Hah, weit gefehlt! Auch an Bargeld muss man zunächst kommen. Es gibt zwar Bankautomaten wie Sand am Meer, aber erstens sind sie immer auf 10.000 Rupien (~100 Euro) beschränkt, und zweitens funktionieren bei den allermeisten unsere Karten nicht. Nur gut, dass wir vier verschiedene haben: Annies ING-Karte funktioniert mit Abstand am häufigsten.

    Wir vermuten, das sind alles Ergebnisse der überbordenden indischen Bürokratie. Nach allem, was wir lesen und hören, ist sie insgesamt in den letzten zehn Jahren deutlich besser geworden - nur Geldbewegungen werden von der Regierung immer schärfer überwacht. Wir haben den Eindruck, die Regierung wüsste am liebsten über jeden einzelnen Kauf Bescheid.

    Und über jede unserer Bewegungen! An jeder Unterkunft, ausnahmslos, müssen wir ca. 20 Fragen beantworten zu Woher, Wohin, Wer, Warum, Wann, Visum- und Passnummer, -Ausstellungs- und -Gültigkeitsdatum etc etc. Wir haben nicht den Eindruck, diese Datensammelwut erfülle irgendeinen Zweck; es ist wahrscheinlich ein bisschen wie bei der Stasi, wo erst einmal alles gesammelt wird und 99,9% davon dann in irgendwelchen Datenbanken verstaubt.

    Trotz Bürokratie fühlt sich das ganze Land enorm dynamisch an - vielleicht ist an besagtem Bürokratieabbau ja doch etwas dran, und wir kriegen nur die Reste (oder die "Antiterror"-maßnahmen) mit. Indien ist - immer noch - sehr arm, aber die Wertschöpfung pro Kopf hat sich in den letzten 20 Jahren verfünffacht (!!! - und in den 20 davor verdoppelt, und davor verdreifacht). Alles natürlich von einer ganz ungeheuer niedrigen Basis aus, aber das bedeutet trotzdem, dass die Masse der Bevölkerung den Sprung von "lebensbedrohlich unterernährt" zu "(nur noch) sehr arm" geschafft hat.

    Und das sieht man! Selbst im Vergleich zu meinem (kurzen) Besuch vor fünf Jahren sind die Straßen viel besser, es gibt viel weniger Menschen ohne Kleidung, bisher hat sich noch niemand direkt auf der Straße entleert, und viel mehr Menschen haben Roller und Hemd statt bloßem Oberkörper und Fahrrad. Das mobile Internet ist im ganzen Land, nicht nur in den Städten, deutlich besser als in Deutschland. Und es liegt ein ganz anderer Optimismus in der Luft. Bisher haben ausnahmslos alle Inder, mit denen wir darüber gesprochen haben, eindeutig gesagt, dass es die letzten 10 Jahre rapide aufwärts ging. Nicht einmal hören wir das ewige "früher war alles besser/alles geht den Bach runter" wie in Deutschland.

    Natürlich waren die letzten 10 Jahre die der Regierung Narendra Modi. Dessen Bild sehen wir zwar nicht ganz an jeder Straßenecke, aber vielleicht an jeder dritten. Man stelle sich das mit Olaf oder Angie vor - schrecklich! Es ist auch zweifellos wahr, dass Modi autoritäre Tendenzen zeigt (der Chef der Opposition, Rahul Gandhi, war vor wenigen Wochen für ein paar Tage im Gefängnis...) und die Medien berichten über die Regierung weniger in kritischem als eher in hagiographischem Ton. Trotzdem ist nach unserer inoffiziellen Umfrage klar, dass die Regierung auch eine völlig freie und faire Wahl hoch gewinnen würde (so wie die letzten auch, die allgemein als frei und fair gelten). Wir können nur hoffen, dass die Demokratie auch die nächste(n) Wahl(en) übersteht und Indien nicht auf den Weg Chinas abrutscht. Als wir in Ladakh waren, war jedenfalls gerade Wahl, und dort hat die Opposition hoch gewonnen (wohl weil die Regierung vor vier Jahren die lokale Autonomie beschränkt hatte und dafür jetzt die Quittung bekam).

    All das Wachstum hat natürlich auch Schattenseiten. Indien ist das mit weitem Abstand schmutzigste Land, das wir je gesehen haben. Das Land ist *dreckig*. Müll aller Art wird einfach auf die Straße geworfen, und dort bleibt er dann. Der Schmutz ist auf einem ganz anderen Level als in anderen, als verdreckt geltenden, Ländern. An manchen Stellen, z.B. Flughäfen, hängen große Plakate, "single use plastic free airport", aber das wirkt wie ein schlechter Witz. Auf den Straßen müssen wir ununterbrochen auf den Boden schauen - entweder Müll oder Kuhmist oder Hundekot oder andere undefinierbare Ausscheidungen liegen überall herum. Zusammen mit dem unglaublichen Gewusel - wir bekommen schnell ein Gefühl dafür, was "1,4 Milliarden Inder" eigentlich heisst: es ist, als wären wir ohne Pause auf dem Heidelberger Herbst - und dem Lärm und Gestank und der grellen Buntheit sind die Städte ein Dauerangriff auf alle Sinne. Besonders Annie hat damit zu kämpfen, aber nach ein paar Wochen geht es auch mir langsam auf den Geist.

    Was natürlich nicht heißt, dass das ganze Chaos nicht auch inspirierend und belebend wirken kann! Wie viele Farben uns auf einer durchschnittlichen indischen Straße (von den Basaren ganz zu schweigen) anblinken, ist phänomenal. Die Inder lieben es bunt, und wir freuen uns jeden Tag daran. Mit dunklen Herbstfarben, wie viele Menschen in Deutschland sie tragen, sehen wir hier nur sehr wenige Leute. Gleiches gilt für die Gerüche - ein Straßenstand reiht sich an den nächsten, und die meisten sehen verlockend aus und riechen auch so. Wir gehen schweren Herzens fast immer vorbei - die Erfahrung aus Amritsar hat uns vorsichtig werden lassen.

    Mitten im Chaos sind die Tiere: Hunde, Affen und natürlich die heiligen Kühe. Kühe stehen meist völlig unbeweglich auf irgendeiner Straße, gerne auch auf großen Hauptstraßen, herum, während links und rechts Tuc Tucs zentimeternah und laut hupend vorbeirasen. Oder man sieht sie auf einem Müllberg irgendwelches Plastik fressen. Wovon sie eigentlich leben und wieso man sie eher in Städten als auf dem Land sieht, ist völlig unklar. Vermutlich fallen bei all den Menschen in den Müllbergen dann doch genügend Essensreste an.

    À propos Verkehr: Der ist auch auf einem ganz anderen Level. Selbst hochgradig chaotische Regionen wie Sizilien oder Marokkko oder sogar Istanbul sind gegen indische Städte gesittet. Die einzige Regel scheint zu sein, niemanden anzufahren (was in fast allen Fällen auch klappt). Anders gesagt, wenn jemand überholt und Gegenverkehr kommt, wird so lange gehupt, bis der Gegenverkehr bremst oder ausweicht. Oder wenn jemand überholt und dann den überholten schneidet, muss letzterer bremsen, um nicht in den Überholer zu fahren. Gehupt wird dabei andauernd; bevor man die Kakophonie selbst erlebt hat, ist das Ausmaß schwer vorstellbar. Auf den meisten Fahrzeugen steht hinten "Horn please" oder "Blow Horn", damit der vordere Fahrer auf den unvermeidlichen Überholversuch des hinteren aufmerksam gemacht wird. Es ist ein reines Wunder, dass nicht innerhalb von fünf Minuten alle ineinanderkrachen. Wir lernen schnell, die haarsträubendsten Verkehrssituationen gelassen zu ertragen - es bleibt uns eh nichts anderes übrig, und im Unfallsfall werden wir ja wiedergeboren ;-)

    Der ganze Verkehr und die hauptsächlich auf Kohle basierende Energieerzeugung und die offenbar ohne Filter arbeitende Industrie sorgen dann für eine alles andere als gesunde Luft. Die Feinstaubbelastung ist hoch genug, dass man nicht sehr weit sehen kann - und sie betrifft fast das ganze Land (hier in Goa ist es besser, aber auch weit jenseits aller europäischen Grenzwerte. Und im Himalaya war die Luft klar). Ein Stück weit ist es so, dass die Inder vor der Wahl "Hunger und Armut" und "Müll und schlechte Luft" standen und sich ganz eindeutig für die zweite Variante entschieden haben.

    Man kann nur hoffen, dass es mit weiter steigendem Reichtum irgendwann besser wird. In manchen Städten sind schon die Hälfte aller Tuk Tuks elektrisch (!), und fast alle unserer Unterkünfe haben Solarkollektoren auf dem Dach. Für diese Theorie spricht, dass es in Goa, dem reichsten indischen Bundesstaat, sehr viel sauberer und gesitteter zugeht als im gesamten Norden - und insbesondere als im ärmsten Bundesstaat, Bihar, aus dem wir hergeflogen sind. Der Kontrast ist heftig - so stark, dass Goa sich fast nicht mehr wie Indien anfühlt. "Reich" und "arm" sind aber auch extrem: Wenn die Menschen in Meck-Pomm 10.000€ im Jahr verdienten und die in Bayern 100.000€, wäre das Verhältnis ähnlich - die echten indischen Werte sind 600€ (im Jahr, im Durchschnitt, d.h. die meisten haben deutlich weniger!) in Bihar, 6.000€ in Goa. Kein Wunder, dass Goa sich eine Müllsammlung leistet und Bihar anscheinend nicht.

    Nach all der Ökonomie ein paar Worte zur Religion und Kultur: Die meisten Inder sind natürlich Hindus. Aber die vier Regionen/Städte im dritten Absatz (ja, ja. Vor drei Lesestunden ;-) ) sind nacheinander mehrheitlich buddhistisch, muslimisch, sikhisch und hinduistisch geprägt (und Goa ist katholisch "dank" der Portugiesen!). Für so ein buntes Gemisch geht es erstaunlich friedfertig zu. Der Grundsatz scheint, ähnlich wie im Verkehr und im persönlichen Umgang, Gewaltfreiheit zu sein. Das funktioniert lange nicht immer: Im Zuge der Teilung Britisch-Indiens in indien und Pakistan gab es viele Tote, Kaschmir ist ein Brennpunkt, in Amritsar hat die Armee in den 80ern den Goldenen Tempel gestürmt, und die aktuelle Regierung ist ganz klar hindu-nationalistisch. Aber für so viel Mischmasch läuft es eigentlich ganz gut.

    In den Städten stehen jedenfalls die Hindutempel nebst Moscheen und die Gurudwars der Sikhs nebst buddhistischen Gompas. Das ist schon beeindruckend. Gleiches gilt für die religiösen Symbole: Selbst die Swastika (das Hakenkreuz: hier ist es ein jahrtausendealtes Glückssymbol, und die Inder denken gar nicht daran, sich das von den Nazis vermiesen zu lassen) fällt uns irgendwann kaum noch auf.

    Indien schafft uns! Und bringt uns an unsere Grenzen. Aber gleichzeitig ist es auch unheimlich vielfältig und spannend und schön. Und die Inder muss man einfach lieben. Wir erholen uns jetzt erst einmal für ein paar Tage am Strand (mit der nächsten Durchfallerkrankung meinerseits) - und wo es danach hingeht, sehen wir dann!
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  • Día 52

    Liebe Grüße aus Mallorca

    21 de noviembre de 2023, India ⋅ ☀️ 33 °C

    In Goa zu sein fühlt sich tatsächlich relativ ähnlich an wie ein „normaler“ Sommerurlaub, wie er z.B. auf Mallorca stattfinden könnte. Nur Kühe wären auf Mallorca wohl eher nicht am Strand zu finden.
    Wir lassen es uns hier jedenfalls gut gehen, wohnen in einer netten Hütte in einer Art Resort, sind jeden Tag am (sauberen) Strand zu finden, essen leckere fototaugliche Smoothie-Bowls oder auch Meeresfrüchte und lassen die Seele baumeln. Sogar den ein oder anderen Cocktail genehmigen wir uns (in Nordindien gab es sowas wie Alkohol nicht!), mit Glück in einer Bar mit Live Musik. Auch toll ist, dass die Luft jeden Tag besser wird und wir mit einer immer klarer werdenden Sicht belohnt werden.

    Palolem Beach, an dem wir wohnen, ist eine wunderbare Kombination aus langem Sandstrand mit klarem, ruhigen Wasser, nicht zu vielen Menschen, aber doch einigen Restaurants direkt am Strand, die wir nacheinander durchtesten. Wobei wir fürs Frühstück unser Lieblingsrestaurant gefunden haben und diese kleine Routine genießen. Auf Reisen täglich so viele (wenn auch kleine) Entscheidungen zu treffen, kann nämlich auch mal anstrengend sein. Nicht umsonst wirbt der ein oder andere Life-Coach für die Etablierung von Routinen, um mehr Energie für das „Wichtige“ im Leben frei zu haben ;)

    Wie lange Goa für Europäer:innen noch so ein schönes ruhiges Reiseziel darstellt, ist für uns ein bisschen ungewiss. Denn Goa als Urlaubsdomizil ist auch bei den Inder:innen sehr beliebt, und jedes Jahr wird die Anzahl derer größer, die sich einen Urlaub hier leisten können. In Varanasi haben wir jedenfalls mit anderen Reisenden gesprochen, die schon mal vor 10, 20 Jahren dort waren und von viel mehr indischen Besucher:innen und einer größeren Kommerzialisierung im Vergleich zu früher berichteten.

    Heute Abend geht es für uns zurück in die indische Realität. Wir begeben uns in einen weiteren Nachtbus. Immerhin haben wir ein Doppelbett ganz vorne im Bus und sparen eine Übernachtung im Hotel. Und wir freuen uns auf unser nächstes Ziel, das uns wieder in die Spiritualität und Geschichte Indiens einzutauchen versprechen lässt.
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  • Día 53

    Am Petersdom

    22 de noviembre de 2023, India ⋅ ⛅ 35 °C

    Wie ihr sehen könnt, sind wir reumütig in den Schoß von Mutter Kirche zurückgekehrt.

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    Haha, reingelegt! 🤓 Ähem. In Wahrheit haben wir nur einen Ausflug nach Europa gemacht. Oder jedenfalls in das, was dem alten Kontinent in Indien am nächsten kommt: Alt-Goa.

    Das ist die erste von Europäern eroberte Stadt Indiens - und da Vasco da Gama, der 1498 den Seeweg nach Indien entdeckte, Portugiese war, von Portugiesen. Und kurz nach 1500 waren diese noch viel katholischer als heute und haben hier nicht nur jede Menge barocker Kirchen hingestellt, sondern auch wie wild missioniert.

    Damals war Alt-Goa noch nur Goa (ohne "Alt") und eine blühende und durch den Handel sehr reiche Stadt. Ziemlich bald ging es aber mit Portugal bergab, und nach diversen Malaria- und Choleraepidemien wurde die Stadt aufgegeben. Weshalb wir heute sehr stimmungsvolle, große, prächtige und gleichzeitig halb oder ganz zerfallene, vom Dschungel überwucherte, neben Palmen völlig deplatziert wirkende Kirchen bewundern können. Was bei fast 100% Luftfeuchtigkeit und 35°C nicht nur aus kulturellen, sondern auch aus klimatischen Gründen seine Reize hat, denn in den Kirchen ist es deutlich kühler.

    Zwei Dutzend große Kirchen sind aber trotz Kühle im Inneren recht anstrengend. Ob wir die 2h hin und 2h zurück dafür nochmal aufwenden würden, ist fraglich. Immerhin haben wir danach noch einen letzten Strandtag, bevor wir unsere Zeit in Goa mit frisch gefischten Hummer und Tintenfisch gebührend beschließen.
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  • Día 56

    Ruinen, so weit das Auge reicht

    25 de noviembre de 2023, India ⋅ ☁️ 30 °C

    Was wir in Indien faszinierend finden, ist, immer wieder krasse Orte zu entdecken, von denen wir noch nie zuvor gehört hatten (zugegebenermaßen sind es bei mir mehr als bei Rolf). Hampi kannten wir aber beide nicht. Für weitere Unwissende unter uns: Hampi liegt im Bundesstaat Karnataka und war im 14. bis 16. Jahrhundert Hauptstadt des Hindu-Reichs Vijayanagar (mit rund 500000 Einwohnern). Heute wohnen hier nur noch knapp 3000 Menschen.

    Man kann tagelang durch riesige historische Tempelanlagen und Paläste schlendern - was wir natürlich in aller Ausführlichkeit gemacht haben. Rolf interessiert sich nämlich auch für die hinterletzte Ecke der zerfallensten Anlage ☺️ Nach einer durchzechten Nacht im Bus muss ich da erstmal passen, bin aber nach einer Erholungspause auch mit dabei. Das Wetter ist super für die Erkundungstouren (wolkig, 30 Grad, leichter Wind). Wir können gar nicht aufhören, schöne Fotos zu machen, weshalb wir unseren Footprint über Hampi teilen werden.

    Ab Tag 2 nehmen wir das Angebot des netten Tuk Tuk-Fahrers Krishna an, uns von Tempelanlage zu Tempelanlage zu fahren. So haben wir mehr Energie für die Anlagen selbst. Stete Wegbegleiter sind übrigens die indischen Languren, eine für uns neue Affenart - mit schwarzen Köpfen und Sprungkraft wie Kängurus. Ihnen gefallen die Ruinen mindestens genauso gut wie uns. Sie sollen netter sein als andere Affenarten. Jedoch wird Rolf aus uns unerfindlichen Gründen von einem Languren attackiert und ein paar Inder eilen uns zur Hilfe, um ihn zu vertreiben (den Languren, nicht Rolf 😛).
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  • Día 58

    Ein Tempel kommt selten allein

    27 de noviembre de 2023, India ⋅ ☀️ 29 °C

    Den größten Anteil der Besucher:innen in Hampi machen die Inder:innen aus (wir schätzen mindestens 90%). Während unserer Besichtigungen ziehen wir weiterhin Blicke auf uns und stehen großzügig als Fotomodelle bereit. Rolf ist der Meinung, dass nur ich von Interesse sei (wegen der blonden Haare). Allerdings musste er heute selbst einsehen, dass dem nicht so ist, nachdem eine Mädelsgruppe ihm ein „Wooow“ zurief, während er sie passierte.

    Was wir im Vorhinein überhaupt nicht abschätzen können, ist, wie beliebt eine Sehenswürdigkeit bei den Inder:innen ist. Schon in Goa war in einer Kirche größtes Gedränge, während wir in anderen Kirchen ähnlicher Größe die einzigen Besucher waren. So ist es auch in Hampi. Den Berg mit Hanuman-Tempel bin ich nur unter Einsatz von Selbstberuhigungsstrategien hochgekommen. Das anfeuernde „Jai Shri Ram“ („Glory to Lord Rama“, eine Art Anfeuerungsruf) der Inder:Innen hat zusätzlich ein bisschen für Ablenkung gesorgt.
    Bei anderen, für uns weit beeindruckenderen, Anlagen ist weit und breit kein Mensch zu sehen. 🤷🏼‍♀️ Wir verstehen es nicht.

    Insgesamt genießen wir die Tage in Hampi sehr. Auch hier ist es viel entspannter (bis auf den Hanuman-Tempel), sauberer, leiser und weniger chaotisch (Verkehr etc.), als wir es in Nordindien empfunden haben. Mal sehen, ob sich diese Wahrnehmung verfestigen wird, wenn wir noch mehr von Südindien gesehen haben.
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  • Día 59

    Süd-Nord-Gefälle

    28 de noviembre de 2023, India ⋅ ☁️ 29 °C

    Wir haben sie gefunden - die einzige saubere Stadt Indiens!

    "Sauber" ist natürlich relativ. Aber Mysore ist jedenfalls zur saubersten Stadt Indiens gewählt worden, und das merkt man sofort. Und es ist nicht das Einzige, was uns gefällt: Der Verkehr ist ganz unindisch zivilisiert, es geht deutlich ruhiger zu, und es gibt eine Menge Paläste und Parks.

    "Ist bestimmt teuer", denken wir. Aber weit gefehlt - die Tuk Tuks kosten höchstens halb so viel wie überall sonst, und wir bekommen die mit Abstand günstigsten Essen der ganzen Reise. Frühstück für 2 Personen geht für unter 2 Euro - und ist dabei noch lecker!

    Auch unser Airbnb ist günstig, und trotzdem super. Schon erstaunlich. Vielleicht kriegen wir hier zum erst Mal die Preise einer indischen Stadt mit, die nicht voll auf westliche Touristen ausgerichtet ist.

    Seit Hampi sind wir ganz ohne Stress unterwegs, körperlich und psychisch. Das ist richtig schön! Wir hatten ja doch immer wieder diverse Herausforderungen zu meistern, und es ist toll, wenn es einfach mal läuft.

    Wir hoffen, dass das noch eine Weile so weitergeht. Annies Geburtstag steht ja an, und da haben wir etwas Besonderes geplant!
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  • Día 62

    Lass den Tiger raus

    1 de diciembre de 2023, India ⋅ ☁️ 25 °C

    Anlässlich meines Geburtstags haben wir uns richtig was gegönnt (bzw. Rolf war spendabel, denn es war sein Geschenk an mich): Wir waren zwei Tage in einer Lodge im Nagarahole Nationalpark - mit Safaris, leckerem Essen, Pool und allem drum und dran.

    Tatsächlich hat es sich hier mehr nach Afrika angefühlt als nach Indien. Nur der Tiger, den Rolf extra für die Morgensafari bestellt hat, hat deutlich gemacht, wo wir sind. Somit hat der Tag gleich mit dem größten Highlight begonnen.

    Aber der Geburtstagskuchen war natürlich auch nicht schlecht. Da wir uns hier eh schon Pfund um Pfund anessen, haben wir nur die Hälfte selbst gegessen und den Rest mit zwei netten indischen Familien geteilt.

    Es war auf jeden Fall ein besonderer Geburtstag. Mit 30 Grad und Sonnenschein ist dieser Tag für mich ja seltenst gesegnet (das letzte Mal hatte ich das zu meinem 21. Geburtstag in Südafrika). Dank vieler netter Nachrichten aus der Heimat habe ich mich auch gut verbunden gefühlt. Und sogar ein Adventskalendertürchen konnte ich dank des virtuellen Kalenders meiner Schwester öffnen.
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  • Día 66

    Hallo Mr. Gott, hier spricht Annie

    5 de diciembre de 2023, India ⋅ ☁️ 27 °C

    Vom Dschungel an den Strand in nur 4 Stunden! Leider 4 Stunden in einem wild hin- und herschaukelnden Taxi. Das ist zwar viel besser als ein Bus gewesen wäre, aber dank der sehr kurvigen indischen Straßen doch nur dank Reiseübelkeitskaugummi zu bewältigen.

    Dafür haben wir in Kannur dann gleich einen lebenden Gott getroffen, nämlich Shiva höchstpersönlich. Shiva sah ein bisschen aus wie der Weihnachtsmann und hat auch dauernd "Ho Ho Ho" gemacht. Leider sprach Shiva kein Englisch, so dass unsere Frage an ihn nur zur Antwort "Alle Eure Probleme werden gelöst werden" führte. Völlig unklar, was er damit meint - seit wann haben wir Probleme?! 😇

    Das Treffen mit Shiva war aber doch interessant genug, dass wir ein paar Tage geblieben sind, um einer ganzen Götterzeremonie, Teyyam genannt, beizuwohnen. So ein Teyyam fängt abends an und geht dann durch die ganze Nacht; die Ausführenden tanzen und trommeln sich in Trance und verwandeln sich dabei in Götter. Gleich am ersten Abend haben wir ein paar Vorbereitungen gesehen und dort erfahren, dass in zwei Nächten der eigentliche Teyyam stattfindet. Da das mitten in der Pampa war, offensichtlich nicht touristisch (wir waren die einzigen Auswärtigen), und man uns gleich freundlich bewirtet und eingeladen hat, haben wir beschlossen, die zwei Tage bis dahin am Strand zu verbringen und dann den Göttern zu begegnen.

    Leider war der Strand ein ziemlicher Reinfall, vor allem verglichen mit Goa. Und der Weg dahin führte durch ein ziemlich widerliches Brackwasser. Und die Unterkunft war mückenverseucht (gelobt sei unser Moskitonetz!). Und die warmfeuchte Luft führte bei Annie zu Dauerkopfschmerzen. Und Kannur ist wirklich nicht schön.

    Aber egal: Wir sind ja nicht zum Spaß hier! 😁 Also finden wir uns zur angegebenen Zeit am bekannten Ort ein und sehen erstmal... nix. Alles umsonst, denken wir. Aber es ist nur die indische Kommunikationsungenauigkeit (hier spricht kaum jemand Englisch). Um Mitternacht geht es endlich los, und die folgenden Stunden entschädigen uns für alle Schwierigkeiten. Beim Zusehen und -hören ist sofort klar, dass hier nichts gestellt ist, sondern wir Zeuge einer uralten traditionellen Zeremonie werden.

    Und die hat es in sich! Nach zwei oder drei Stunden sind wir nicht mehr sicher, ob die angedeuteten Selbstverletzungen der "Dämonen" eigentlich noch so angedeutet sind. Besonders einer der Dämonen hat einen ziemlich irren Blick bekommen und führt sehr wilde und aggressive Bewegungen gegen sich selbst auf. Gleichzeitig wiederholt sich vieles immer wieder, und wir werden müder und müder. Und irgendwann beschließen wir dann, lieber schlafen zu gehen, obwohl der Höhepunkt erst in drei Stunden kommen soll...

    Insgesamt ein krasses Erlebnis. Und hier sind wir definitiv aus der Traveller-Bubble völlig raus. Aber entsprechend anstrengend ist auch alles und entsprechend wenig Komfort gibt es. Deshalb geht's als nächstes auch erstmal wieder an einen Ort mit etwas mehr touristischer Infrastruktur - diesmal mit einem sehr modernen Schnellzug tagsüber, in dem wir gerade sitzen.
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