• Robert Fichtner

Im Königreich der Lamas

Mit Rucksack und Zelt auf dem Weg ans Ende der Welt. Read more
  • Strandspaziergang in Colonia

    May 16, 2023 in Uruguay ⋅ ☀️ 22 °C

    Nach reichlicher Recherche fühle ich mich noch stärker träge als zuvor wie ein Nomade weiter zu ziehen. Ich habe Colonia gerade einmal einen halben Tag besucht und bin einerseits der Meinung alles gesehen zu haben. Andererseits lasse ich den nächsten Zwischenstopp aus und fahre direkt weiter nach Montevideo. Das Preis-Leistungsverhältnis treibt mich an den Tag hier zu nutzen, jedoch den Bustransfer noch am Abend zu machen um nicht zu viel Tageslicht damit zu verlieren.

    Dann gibt es dieses eine Museum dass ich mir hier gern anschauen will aber das öffnet erst am Nachmittag um vier. Gestern Abend unterhielt ich mich recht lang mit einem Franzosen der von den Empfehlungen seiner Freunde ein wenig auf dem Trittbrett saß es hieß wenn er die Abendfähre nimmt bekommt er einen herrlichen Sonnenuntergang auf dem Wasser. Ja, vielleicht vor drei Wochen. Die Sonne ging aber schon unter bevor die Fähre überhaupt abgelegt hatte. Nach dem Frühstückskaffee schließen wir uns zusammen und machen einen Strandspaziergang. Der Stadtstrand ist immerhin auch 6km lang da gibt es einiges zu entdecken. Und, neben 5 anderen Touristen ist keine Menschenseele unterwegs. Diese Stadt lebt scheinbar ausschließlich von Tages- und Feriengästen.
    Scheinbar reicht es aber auch für das ganze Jahr was sie in den wenigen Urlaubswochen im Jahr einnehmen. Ein Bier kostet mit 9 Euro mehr als in Norwegen! Nur mal so zum Vergleich. Und dann hat eine Attraktion nach der nächsten geschlossen. Das städtische Museum verweist auf seine Öffnungszeiten von 11.30 Uhr an. Der Pförtner beharrt vorher auch darauf nicht beim zocken auf dem Smartphone gestört zu werden. Es gibt hier sogar eine Stierkampfarena. In 2013 hat der Wind die alte einfach umgepustet. Aber in Uruguay ist immerhin genügend Geld da an gleicher Stelle eine neue zu errichten. Aber dann reicht es auch. Die sogar noch öffentlich zugänglich zu machen wäre zu viel des Guten. Vielleicht Samstags, aber nur wenn die Angestellten Lust dazu haben.
    Egal was du in Uruguay anfasst es wird mit Ruhe angegangen. Zu viel Arbeit schadet der Gesundheit. Da rennt auch keiner über die Straße weil er es eilig hätte. Ein bisschen frage ich mich hier in Colonia schon wie die zu ihrem Reichtum gekommen sind. Ich nenne es mal pures Glück und gute Lage. Immerhin ist es schön anzuschauen.
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  • Erster Tag in Montevideo

    May 17, 2023 in Uruguay ⋅ ☀️ 21 °C

    Ich habe am Abend die frühe Dunkelheit genutzt und bin nach Montevideo aufgebrochen. Warum soll ich dafür den schönen Sonnenschein opfern? Gleichzeitig kostet das Hostel in der Stadt eindeutig weniger als in Colonia. Das inbegriffene Frühstück reicht indes kaum um diese Zeilen zu schreiben. Zwei Scheiben Toast und 50g Müsli. Mir ist bis jetzt unklar warum Uruguay solche Lebensmittelpreise hat wo sie doch Exportmeister in der Landwirtschaft sind.
    Genauso ein Widerspruch steckt in den Leuten. Zum Frühstück frage ich meinen Herbergsvater aus. Was ist Uruguay für ihn im Vergleich zu Argentinien oder Brasilien. Als Antwort sind es die Leute - alles läuft einen Zahn langsamer, gelassener, weniger hektisch… Mag sein, doch das Tempo in dem er das runter plappert bricht jeden Rekord aus Buenos Aires.

    Ich muss zugeben dass es sich dennoch kaum lohnt längere Zeit hier in der Stadt zu verbringen. Montevideo spiegelt seinen großen Nachbarn ein Stück weit aus der Zeit von vor 50 Jahren wieder. Es ist dreckig, auf den Straßen und Plätzen boomt der Drogenverkauf und fast überall schlafen Obdachlose vor den Türen der Schönen und Reichen. Die Kluft ist bei weitem nicht so groß wie in Argentinien. Außerdem zeigt man seinen Reichtum nach außen nicht. Dass er definitiv da ist verdankt Uruguay auch seinem Spitznamen „die Schweiz des Südens“.

    So schön die ein oder andere Fassade in der Innenstadt auch ist. Sie bleibt Fassade und täuscht über die aktuellen Probleme des Landes hinweg. Erst gestern meinte wohl ein Ministeriumssprecher sie sollten darüber nachdenken den Notstand auszurufen um die prekäre Wassersituation in das Bewusstsein der Leute zu rufen. Die anhaltende Dürre im Land verursacht enorme Wasserknappheit. Sie ist die bislang längste in der jungen Geschichte Uruguays. Der Stausee, der ganz Montevideo versorgt ist beispielsweise nur noch zu 10% gefüllt. Dass reiche unter normalen Bedingungen für 20-30 Tage. Doch der Winter lässt auf sich warten. Die Sonne knallt. Deswegen haben die Wasserversorger angefangen Brackwasser aus dem Rio de la Plata unter das Trinkwasser zu mischen. Ergebnis, das Wasser schmeckt immer salziger und die Leute gehen auf die Straße. Lassen wir uns überraschen wo das endet.
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  • Himmelfahrt zum Strand

    May 18, 2023 in Uruguay ⋅ 🌬 18 °C

    Zweiter Tag in Montevideo. Ich hatte selbst hier in der Hauptstadt das 6-Bett-Zimmer im Hostel gänzlich für mich allein. Das Frühstück ist schon wieder spät. Ich mutiere hier noch zum Spätaufsteher und werde trotzdem immer der Erste bleiben der hier irgendwo wach ist. Es hat aber auch einen anderen Grund. Großstadt eben, der Abend ging etwas länger…
    So bin ich doch gestern fast einem Trittbrettfahrer erlegen. Am Nachmittag wollte ich mich mit einem Couchsurfer aus Montevideo treffen. Solche Hangouts hatte ich ja einige in Buenos Aires und stets mit guter Erfahrung. Treffpunkt McDonald. Ich habe mir das Bild vom Gegenüber eingeprägt und bin schnur gerade los weil wie immer spät dran. Pünktlich wie vereinbart war ich um 17.05 Uhr am McDonald und ein Gesicht von den fünf Leuten dort vor Ort kam mir auf den ersten Blick bekannt vor. Ich also ‚hallo’ gesagt und ich bin auch sofort herzlich begrüßt worden. Wir redeten kurz über Musik und ich erzählte von meiner Reise. Anders als im Profil angegeben wendete sich die Diskussion jedoch bald hin zum Essen und ich wollte doch eigentlich zum Sonnenuntergang am Leuchtturm. Als sich in den nächsten Minuten herausstellte dass ich hier angebettelt werde um einem Straßenmusiker ein McDonalds Frühstück am späten Nachmittag zu kaufen war ich vorsichtig distanziert und verabschiedete mich. Später erhielt ich Nachricht dass ich wohl dem falschen Gesicht begegnet bin und mein Couchsurfer vergebens auf mich gewartet hatte. Ich genoss den Sonnenuntergang und wir verabredeten uns auf einen zweiten Versuch Abends um zehn nach der Uni. Es entwickelte sich noch ein herrlicher Abend der eben bis nach Mitternacht andauerte.

    So lässt sich Himmelfahrt natürlich auch beginnen. Der obligatorische Wandertag zu Himmelfahrt brachte mich anschließend in den Yachthafen von Montevideo und zurück. Bereits am Mittag hatte ich nach 2 Tagen genug von der Stadt. Leider hat sie wirklich viel von ihrem Glanz verloren und bleibt derzeit zurecht nur das hässliche Entlein hinter dem aufstrebenden Buenos Aires.

    Das Geld ist in andere Städte wie zum Beispiel Punta del Este abgewandert. Hier spiegeln sich selbst im Winter die Yachten und Hochhäuser der schönen und Reichen im Hafenwasser. Nicht nur Uruguay, gefühlt hat hier jeder Reiche von Buenos Aires bis Rio de Janeiro ein Urlaubs- und Sommerhäuschen. Die 8.000 tatsächlichen Einwohner lassen den Ort eigentlich noch lebendig erscheinen. Spätestens wenn man aber durch verwaiste Straßen voller glitzernder Boutiquen läuft die wegen Nebensaison allesamt geschlossen haben und wenn sogar das erstbeste Hostel am Ort geschlossen hat weiß man dass gerade kein Sommer ist. Trotz 25 Grad im Schatten.

    Aus dem Strand greift eine bröckelnde Hand nach dem Licht. Frei interpretiert als wäre der glamouröse Schwan in seinem letzten Atemzug. Das ganze soll Kunst sein und benötigt dringend eine Restauration.
    So wie ich den Tag begonnen habe beende ich ihn auch bei einem Spaziergang durch den Yachthafen. Diesmal hier in Punta del Este. Die Seelöwen tummeln sich am Fischmarkt. Wenn die sich hier wohl fühlen denke ich, ist es sicher keine schlechte Idee anstatt dem mitgebrachten Essen heute frischen Fisch auf den Tisch zu zaubern. Das widerspricht zwar fast schon der Tradition zu Männertag. Aber wie Großvater immer schon sagte: Es wird gegessen was auf den Tisch kommt sonst wird das Wetter schlecht.
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  • Strandglühen

    May 19, 2023 in Uruguay ⋅ ☀️ 20 °C

    Das schöne am Leben ist dass man früh noch nicht weiß was abends so alles passiert. Ich gebe dem Tag die Chance der schönste auf der ganzen Reise zu werden indem ich bereits vor der Sonne wach bin und sie am Strand begrüßen möchte. Wie oft erlebe ich den Sonnenuntergang? Aber der Sonnenaufgang, mindestens genau so schön, der bleibt ein seltenes Ereignis.
    Im Anschluss nimmt das Kommando von der gestrigen Himmelfahrt seinen Lauf. Vor mir stehen 180km Busfahrt. Dieses Mal jedoch im lokalen Stadtbus. Das heißt umsteigen, warten und Mate trinken. Warum ich mir das antue? Ich hatte in Ushuaia einmal einem Franzosen gelauscht der gerade über die Ostküste von Uruguay schwärmte. Der erzählte von einsamen weißen Stränden, einer Robbenkolonie und wie beschwerlich es war überhaupt dort hinzukommen. Nun ja, Sitzfleisch beweisen und Busfahren sind in Südamerika zwei Grundvoraussetzungen. Auf den letzten Kilometern werden die Sanddünen zu tiefem Treibsand. Jetzt heißt es entweder zu laufen oder auf einen Safaritruck 4x4 aus kommunistischen Zeiten aufzuspringen. So wie der Panzer durch die Dünen pfeift und jedes Loch mitnimmt hält es kaum jemanden auf den Sitzen. Binnen 30 Minuten sind wir alle von Kopf bis Fuß einmal durchgeschüttelt. Dann fährt er erfolgreich an das Ende der Welt im hiesigen Nationalpark Polonio. Strand. Kilometerweit. Anstatt Schlaglöchern durchqueren wir noch einige Forte und kommen dann in dem kleinen Hippie-Ort Cabo Polonio an. Ein windiges Kap mit Bungalows, Aussteigern und ein paar wenigen Urlaubern. Ohne durchgängig fließend Wasser oder Strom. Hier lebten ursprünglich ein paar Meeresschildkröten und Uruguays zweitgrößte Robbenpopulation. Wer deswegen heute im Sommer anreist erlebt das Kap von bis zu 1.500 Menschen überrannt erzählt mir die Empfangsdame vom Hostel. Sie glaubt heute seien nicht mehr wie 50 Leute da. Das ändert sich wohl nur morgen einmal kurzfristig weil der Feiertag von letztem Donnerstag am Montag für ein verlängertes Wochenende ‚nochmal gefeiert wird‘
    Wer aber nicht gerade unter Einfluss von Gras steht, dass auch heute Abend hier fleißig die Runde macht, dem reichen zwei halbe Tage um das Naturschutzgebiet in Ruhe zu erkunden, Tiere zu beobachten und beim Lagerfeuer auszuspannen. Dann muss man aber auch bis in die Nacht durchhalten. Jetzt ist es schon seit vier Stunden Dunkel und immer noch ist der letzte Tagesordnungspunkt nicht erledigt. Das ist ja nun gar nicht meine Zeit. Hat sich aber gelohnt! Nachdem das Graß alle war konnte die Fraktion ‚nüchtern‘ einige Raucher überzeugen ein bisschen Musik aufzulegen und des Nachts jetzt mit an den Strand zu kommen. Von denen kam nämlich ursprünglich die Idee. Ich hätte gar nicht gewusst dass es hier Biolumineszierende Bakterien ähnlich wie in Puerto Rico gibt. Man lernt halt nie aus, gerade weil heute auch noch Neumond ist. Der Haken an der Sache ist jedoch dass wir nichts haben mit dem wir aufs Wasser paddeln könnten und wegen der einsetzenden Flut würde ich mir dass an einem Kap im Dunkeln auch nicht trauen. Es gibt da aber einen Trick. Es reicht schon wenn man mit den Füßen durch den Sand schlürft. Das aktiviert die Lumineszenz. Ergebnis, ist ein herrliches Glühen am Strand. Wenn man das ausgräbt und sich auf den Finger legt kann man in der Nacht wunderbar E.T. den Außerirdischen nachahmen.
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  • Über Wanderdünen und Zeit

    May 20, 2023 in Uruguay ⋅ ☁️ 16 °C

    Gestern Abend am Lagerfeuer wurde mir ein herrlicher Sonnenaufgang versprochen. Sobald es hell wird und ich aus dem Fenster schaue lohnt sich gar kein zweiter Blick erst. Ich kann mir mit dem Anziehen vor lauter Wolken Zeit lassen. Dann geht es noch vor dem Frühstück zu den Robben. Die sind heute Morgen bedeutend aktiver. Ein paar tummeln sich im Wasser und machen sich frisch für den Tag. Die anderen recken den Hals in die Höhe um möglichst von der Gischt nicht völlig Nass zu werden und trotz fehlender Sonne möglichst schnell zu trocknen.
    Als ich zum Frühstück zurück komme sind zumindest schon zwei weitere Spanier wach. Es gibt den ersten Kaffee und einen Apfel. Mehr ist aufgrund wahrscheinlich noch schlafender Angestellter nicht drin. Als die sich dann zu uns gesellen fällt die Diskussion schnell auf das einfache Leben hier draußen. Dann flüstert mir die Angestellte unter vorgehaltener Hand was sie von den meisten Touristen hier hält. Die kämen her um bis in die Nacht zu feiern. Ohne WLAN und Strom ginge heute gar nichts mehr und dann beschwert sich immer wieder mal einer wenn er nicht duschen könne wenn er gerade möchte. Die Leute hätten gar keine Wertschätzung mehr gegenüber dem Aufwand den es braucht die Versorgung aufrecht zu erhalten. Hier am Meer ist es von Haus aus trocken. Er könnte hier rings um das Kap tagsüber baden gehen, nein er muss duschen. Dass das Wasser aber erstmal gepumpt werden muss und dazu mitunter der Strom fehlt, soweit reicht es dann nicht. Jedoch gerade im Angesicht der anhaltenden Trockenheit und der Wasserknappheit in Montevideo hätten die Leute immer noch kein Bewusstsein entwickelt mit dem Wasser sparsam zu sein. Kein Wunder dass es deshalb auch rationiert werden müsse.

    Bevor ich weiter ziehe geht es heute auf eine Dünenwanderung. Das Naturschutzgebiet besteht zur einen Hälfte aus einer Lagune, bzw. Aus dem Meer. Und die andere Hälfte besteht aus Sand! Bereits nördlich von Patagonien beginnt ein fast ununterbrochener, tausende Kilometer weiter Sandstrand. Der reicht, soweit ich weiß bis nach Canada, Nova Scotia. Anschließend wird’s dann wieder steinig. Der Wind weht heute aus Süden und fegt eifrig alles zusammen was irgendwo lose herum liegt.
    Der Strand ist um diese Jahreszeit so unberührt dass es mir vorkommt ich sei seit Wochen unter den ersten zehn Leuten die über diesen Strand laufen. Derweil ist umso mehr durch die Fluten angeschwemmt. Während es bis nach Mittag dauert bis ich die ersten Menschen treffe finde ich am Strand mitunter auch Tierkadaver von Meeresschildkröten, natürlich verendeten Robben und einigen Fischen mit ordentlich Zähnen im Gebiss. Die Fluten bringen alles zurück ans Land was nicht ins Wasser gehört. Im Sommer soll dieser Ort wohl ideal sein um Wale zu beobachten. Aber da hatte ich ja bereits meine ganz privaten Begegnungen. Das kann mir wie so vieles anderes keiner nehmen.

    Aus meinem Rucksack fehlt hingegen immer mal wieder etwas. Wenn vielleicht auch wiederwillig. Wahrscheinlich bringt das das Alter mit sich.
    Eine Leserin hat mich heute darauf angesprochen dass sie früher auch viel gereist sei. „Aber nicht in dem Ausmaß“. Wieviel ist denn viel reisen? Mit Sicherheit zähle ich mich auch zu der Fraktion die im Reisepass gerne Stempel sammelt. Ich finde jedoch die Kilometer alleine sind unbedeutend. Das sind jetzt schon knapp 17.000. Ein Krankenpfleger aus Kalifornien sagte mir kürzlich: Wenn wir diese oder jene Straße fahren um an unser Ziel zu gelangen - am Ende haben wir gerade einmal einen Korridor von 10km links und rechts dieser Straße gesehen. Niemals das ganze Land. Also wer kann schon behaupten dass er viel gereist sei?
    Und dann sind da die Höhen und Tiefen. Es gibt auch Rückschläge. Der Rucksack wird leichter weil hier und da immer mal wertvolle Sachen ‚umverteilt‘ werden. Naja, es könnte mich schlimmer treffen. Aber es ist halt nicht immer schön und fällt definitiv unter unvorhergesehenes Abenteuer. Hinzu kommen dann noch Abenteuer weil ich regelmäßig meine Grenzen teste und darüber hinaus gehe. Genau da fängt die Reise ja eigentlich erst an, wo der Urlaub endet und die kleinen Abenteuer größer werden. ;) Viel gereist bin ich wenn ich die Zeit hatte möglichst viele Erinnerungen mitzunehmen. Alles was es braucht ist Zeit.
    Wem das netzt wie eine kaputte Schallplatte vorkommt. Ja, darüber habe ich bereits öfter geschrieben weil mir das immer wieder am Herzen liegt.
    Darin liegt für mich am Ende die Vielfalt und das wahre Ausmaß der Reise.
    Und ja, solche Gedanken kommen mir auf wenn ich frei von jeder Erwartung 15km kreuz und quer über den Strand und durch die Dünen laufe.
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  • Der Zuckerhut

    May 21, 2023 in Uruguay ⋅ ☁️ 19 °C

    Der wohl berühmteste Berg von Rio de Janeiro ist unbestritten der Zuckerhut. Seine Berühmtheit ist aber leider auch der Grund warum keiner die anderen Zuckerhüte kennt. Zum Beispielen den zwischen der gleichnamigen Stadt pan de Azúcar und Periápolis. Alles was die Form eines runden gleichförmigen Haufens Gestein hat sieht schließlich so aus wie ein Zuckerhut.
    Nach meiner gestrigen Enttäuschung ist es an der Zeit wieder einmal Berge zu besteigen. Ich bin leider nicht dauerhaft für den Strand geboren.
    Die anfänglichen Schwierigkeiten in den Tag zu starten reisen aber nicht ab. Es ist Sonntag. Da fährt in Uruguay zwar jeder Fernbus doppelt so häufig aber kaum ein Stadtbus um zum Busbahnhof zu gelangen. Als dann doch mal ein Bus in meine Richtung startet hat der Fahrer kein Kleingeld zum Wechseln. Ich habe ausreichend Zeit, muss aber erst rund herum betteln gehen bis mir irgend jemand Geldscheine klein wechselt. Die letzten drei Kilometer zum Eingang der Estancia wo der Zuckerhut steht die geht es lieber zu Fuß. Die Parkplatzwächterin will mir höflich mitteilen dass der Wanderweg wegen anhaltend schlechtem Wetters - seit zwei Tagen stark bewölkt, Regen fiel keiner - derzeit geschlossen ist. Meine Miene verfinstert sich - ihr wollt mich doch alle ärgern! Ein paar Familien nutzen hier das Ausflugsziel anderweitig weil auf der Estancia ein Tierpark zur lokalen Flora und Fauna angeschlossen ist.
    Wenn schon kein Wandertag dann gehe ich wenigstens auf Entdeckungstour. Natürlich ist es zehnmal abenteuerlicher eine Wildkatze, einen Jaguar oder eine Eule in der freien Natur zu sichten. Aber das muss man auch erstmal schaffen. Und so wie vor allem die Kinder und Jugendlichen um mich herum lärmen bin ich von der sonst ruhigen Lebensart Uruguays heute weit entfernt. Aber damit kann ich leben. Bis auf den Puma zeigt sich die reiche Artenvielfalt des Landes von seiner besten Seite und der Besuch des Parks wird ein gelungener Trost.
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  • Montevideo bei Nacht

    May 22, 2023 in Uruguay ⋅ ☁️ 17 °C

    Zurück in Montevideo wird es schon Dunkel. Die Tage sind merklich kürzer geworden. Da nützt es ausschließlich sich ein wenig Gesellschaft zu suchen. Während ich durch die Straßen ziehe komme ich an eine Kreuzung an der eine dreiköpfige Gruppe gerade ein Rockkonzert unter freiem Himmel spielt. Das war doch eine gute Entscheidung vor dem Feiertag hier her zu kommen.

    Nach dem Konzert bin ich zum Abendessen zurück im Hostel wo mir meine zwei Zimmergenossen vorgestellt werden, Felipe und Rhauel. Felipe erzählt von einer großartigen Contumbre-Show die ich gestern Abend verpasst hätte. Kann gar nicht sein, da wusste ich ja noch nicht einmal was Contumbre ist. Auch wenn das nicht unbedingt ganz von der besten Vorbereitung zeugt. Er lädt mich ein, wenn heute Abend wieder sowas stattfindet gehen wir gemeinsam hin. Naja, leider bleibt es bei der leeren Worthülse. Als och um neun mit Essen fertig bin schläft er schon tief und fest. Ging wohl etwas länger gestern. Wer also wissen will was es mit den afrikanischen Trommeln und der Stimmung hier in Uruguay rund um Karneval auf sich hat der muss das bitte bei Youtube suchen. Der Karneval ist schon kulturell einzigartig und körperlich zu jeder Zeit eine Herausforderung.

    Rhauel kommt später nach Hause. Er brauchte heute Abend ‚Zeit für sich‘. Morgen will er seine Tochter besuchen die hier in Monteviedeo lebt während er selbst aus Katalonien kommt. Rhauel kann man sich wie das perfekte Double eines General San Martin vorstellen. Schwarzes, kurz gelocktes Haar. Kotletten bis zum Kinn, eine spitze Nase und Augen die vom Leben gezeichnet sind. Er ist der Erste der aufhorcht als ich ihm erzähle dass ich schon eine Woche in Uruguay bin und nicht nur Montevideo und Colonia besucht habe. Passend zu seiner Art erzählt er mir in dem ruhigsten Ton den Uruguay zu bieten hat was das Land für ihn so einzigartig macht. Immerhin hat er hier sogar eine Tochter.

    Uruguay hat auch heute tatsächlich Vieles mit der Schweiz gemeinsam, nicht nur die Preise. In der Kolonialzeit siedelten hier sehr viele Europäer und Afrikaner. Ihr Einfluss prägt das Land bis heute maßgeblich. In der Musik und im Tanz ist das zum Beispiel der Contumbre. Politisch und sozial ist Uruguay ein Vielvölkerstaat. Historiker behaupten man habe Uruguay eingerichtet weil sich Argentinien und Brasilien nicht immer allzu gut verstehen und ein Puffer- oder Vermittlerstaat nicht schaden würde. Trotz der minimalen Ausmaße des Landes gegenüber seiner Nachbarn hat Uruguay heute genauso viele selbstverwaltete Provinzen wie das riesige Argentinien. Jeder darf machen was er will. Uruguay war schon immer sehr liberal und schränkt die Selbstbestimmung des Einzeln hier in Südamerika wohl am aller wenigsten ein. Jüngstes Beispiel das Uruguay das erste Land bekam indem Cannabis von jedem Einwohner legal gekauft oder angebaut werden darf. ( Anmerkung: von Touristen nicht! ) Auch ohne Genderwahnsinn stand man hier Schwulen, Lesben und Transgendern viel früher als in Europa mit Respekt und Offenheit gegenüber.
    So wie Rhauel mir berichtet schiebe ich diese ruhige Lebensart von meiner Seite mal nicht nur auf den Genuss von Cannabis. Aber diese ruhige Lebenseinstellung alà wenn es ein Problem zu lösen gilt warum eigentlich nicht einfach neutral bleiben, unkonventionell denken, und wenn dann einen Schritt nach dem anderen machen anstatt alles gleichzeitig - das zeichnet Uruguay aus.

    Später am Abend entscheide ich mich für einen Nachtspaziergang durch die Stadt. Allein die beleuchteten Fassaden der kolonialen Bauten faszinieren mich und mein nächster Termin ist erst um Zehn also kann ich ausschlafen. Schließlich wird ja auch der Feiertag nachgeholt.
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  • Erfindungen aus Uruguay hautnah

    May 23, 2023 in Uruguay ⋅ 🌩️ 19 °C

    Man könnte meinen der Herr Justus von Liebig war ein rechtschaffener deutscher Bürger der freilich viel forschte und nachdem in Gießen heute sogar die Universität benannt ist. Dass er aber ganz anderen Ortes ein Imperium aufbaute das später Weltruhm erlangte - das gehört in Deutschland eher zu den dunklen Kapiteln die niemand gern erzählt.
    Das Örtchen Fray Bentos ist heute von einer riesigen Cellulose-Fabrik abhängig. Der Grund dafür liegt weit in der Geschichte zurück 1863 und hat mit Cellulose rein gar nichts zu tun. Aber mit den Arbeitern die sich aus mehr als 60 Nationen hier am Rio Uruguay bereits angesiedelt hatten. Die kamen alle nach Fray Bentos denn es war der Dreh- und Angelpunkt für Fleisch.

    Uruguay hat doch einige Erfindungen in die Welt getragen deren Ursprung heute wohl kaum einer kennt. In den 1920er Jahren entwickelte der Uruguayische Apotheker Rómulo Mangini eine bitter schmeckende chininhaltige Getränkemischung. Um sie marktfähig zu machen schloss er sich mit Farmern zusammen und gründete die los Toros Agua Tonica Cooperation.
    Bereits die Jesuiten hatten hier mit dem schwül warmen Wetter stark zu kämpfen und entwickelten hier in Uruguay als erste in Südamerika eine ausgereifte Fertigung von Pökelfleisch im 18. Jahrhundert.
    Und dann gab es Träumer. Das könnte ich selbst nicht besser sein. Die rede ist aber vom deutschen Chemiker Justus von Liebig der zur Mitte des 19. Jahrhunderts einen Fleischextrakt entwickelte und der bis heute noch der Albtraum eines jeden Seglers sein wird. Corned Beef. 1863-1971 wurde hier weltweit das erste verarbeitete Rindfleisch produziert. Zusätzlich kommen Brühwürfel mit Fleischextrakt, Babynahrung, Backpulver, Kondensmilch, Trockenei aber auch Medizin wie Bluteiweiß-Albumin oder Düngemittel aus der Fabrik. Alles was als Rind rein geht wird zu 100% verarbeitet. Abfälle gibt es ausschließlich bei der verbrannten Asche zur Kohleverstromung. Liebig legte von Anfang an deutsche Gründlichkeit und Qualität an oberste Stelle in der Produktion. Die Tiere wurden nach dem Transport einige Tage gut versorgt und konnten ihren Adrenalinspiegel abbauen. Vor dem Schlachthaus mussten sie durch ein Becken schwimmen um frei von Parasiten zu sein. Im Schlachthaus selbst arbeiteten Saisonabhängig 4500 Angestellte in drei Schichten und zerlegten täglich 2.500 Rinder. (>200 pro Stunde, das ist das fünffache der heutigen Produktion in Uruguay. Damals wurde aber auch noch mehr Fleisch gegessen als heute) Durch den internationalen Zustrom an Arbeitern und Ideen geriet die Fabrik auch zur ersten elektrifizierten Fabrik im Land. Tags versorgte sie das fünfstöckige Kühlhaus mit Strom für die Ammoniak-Kältepumpen und nachts bekam Fray Bentos Strom und Licht aus der Fabrik als in Deutschland noch Jahrzehntelang Gaslaternen brannten. Als der erste Weltkrieg kam entwickelte man in der Fabrik auch Holzkohletabletten die es ermöglichten ganz ohne Rauchzeichen heißes Essen zuzubereiten. Man distanzierte sich aber auch von Anfang an von seinen deutschen Wurzeln und wollte nunmehr im englischen Markt Omnipräsent sein. Das führte dazu dass die OXO-Brühwürfel um die ganze Welt gingen. Scott hatte sie auf seiner Antarktisexpedition schon genauso im Gepäck wie Stanley auf der Livingston-Rettungsmission in Zentral-Afrika, Alock und Brown auf dem weltweit ersten Transatlantikflug und die ersten Astronauten nahmen es sogar mit ins All.

    Heute ist die Fabrik eine Ruine die dem Wettbewerb auf dem Weltmarkt nicht mehr standhalten konnte. Vor sieben Jahren in 2016 wurde sie das einzige materielle UNESCO-Weltkulturerbe aus der Zeit der Industrialisierung zum Thema ‚Fleisch‘.
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  • Flucht aus Uruguay

    May 23, 2023 in Argentina ⋅ ☁️ 22 °C

    Diese Geschichte ist so abenteuerlich dass sie nicht fehlen darf.

    Die Besichtigung der Fabrik war in Fray Bentos irgendwann auch zu Ende. Üblicherweise laufe ich dann zum Busbahnhof zurück und erkundige mich nach der nächsten Verbindung. Ich mache das bewusst nicht vorher weil es mich sonst unter Druck setzt bestimmte Orte nicht mit der notwendigen Muße zu besuchen. Fest steht aber auch das ich nicht an jeden Ort dieser Welt zurückkehren werde. Wenn der Besuch dann in Stress ausartet könnte ich auch gleich wieder zurück in den deutschen Alltag starten.

    Nun sagt mir der Mann am Schalter - heute nicht mehr! Wie heute nicht mehr, es ist gerade mal um drei? Der Bus fährt nur einmal früh um sieben. Und morgen fährt er gar nicht. Na gut dann eben Planänderung. Im Norden gibt es ein paar bei Salto heiße Quellen. Tatsächlich ist es zwar eine Zumutung bei diesen Temperaturen auch noch warm baden zu gehen aber wenn das der vorbestimmte Weg ist sei es so. Bus gebucht und noch drei Stunden im Park und bei Kaffee und Keksen zugebracht. Als der Bus losfuhr war es schon wieder finster. Da die Busse in Uruguay alle mit WLAN besser ausgestattet sind als die Cafés ging es jetzt an die Unterkunft. Gesucht, gefunden und ein einen späten Check-In angemeldet. Da bekomme ich doch als Rückmeldung. „Also, gerne, aber wegen der späten Anreise können wir die Buchung leider nicht annehmen“. Das war das erste Mal das mir jemand sagt dass er Abends seine Ruhe haben will. Ist schon anders, dieses Uruguay… Was nun? Glücklicherweise schlage ich als nächstes erstmal die Verbindungen von Salto über die Grenze und weiter gen Norden nach bevor ich weiter Unterkünfte suche. Im Zweifel kann och immer ja auch zelten. Schlecht. Wegen des kommenden Feiertags in Argentinien fahren viele Fernverbindungen am darauffolgenden Tag gar nicht. Und sofort kam mir die Frage in den Sinn welche Möglichkeiten ich denn heute noch hätte über die Grenze zu kommen und einen Bus gen Norden zu erwischen.
    Das alles geschah so ziemlich zehn Kilometer vor dem nächsten und einzigen Grenzübergang zwischendurch. Schnell die Verbindung gegoogelt. Ich habe drei Stunden um 15km über die Grenze zu kommen. Das sollte ich schaffen. Der Busfahrer schaut mich verwirrt an, ich sei doch mit aussteigen noch gar nicht dran? Doch, doch. Planwechsel… ich will hier vor dem Feiertag nur noch weg!
    Die Grenze bildet der Rio Uruguay. Ein kilometerbreiter Fluss zwischen Uruguay und Argentinien. Darüber führt eine Brücke. Einmal ausgestiegen erfahre ich dass ich die Brücke nachts jedoch nicht zu Fuß überqueren darf. Die Option mit schnell loslaufen fällt also aus. Option zwei wäre ein Stadtbus. Jetzt Abends nach um neun fährt hier in der Provinz aber keiner. Nachdem ich lernen musste das die Taxifahrer hier keine Dollar akzeptieren hatte ich einen wenigstens so weit dass er mich mit meinen letzten Pesos Uruguay bis an die Grenze fährt. Die Beamte fragt mich wo ich hin will? Na weg! Ich habe in zwei Stunden einen Bus am anderen Ufer. Dann soll ich aber erstmal noch eine Adresse erfinden wo ich schlafe. (Wohlgemerkt ich fahre Nachtbus!) Nach einiger Überzeugung bin ich durch den Zoll. Darf aber nicht weiter auf die Brücke. Währenddessen finden die Veterinärbeamten an mir ein gefundenes Fressen. Ich darf also erstmal erzählen was ich aus Uruguay alles mitbringe. Ich bin es ja schon gewohnt und finden es ebenfalls bald unspektakulär. Der Plan per Anhalter über die Brücke zu kommen wird bei Nacht im Dunkeln natürlich nicht einfach. Die Pickups halten allesamt nicht an. Eine Frau muss im Kofferraum erstmal das richtige Kleingeld für die Brückenmaut suchen. Aber auch sie findet es eher erschreckend dass sie Nacht angesprochen wird. Nachvollziehbar. Habe ich mir vorab aber nicht überlegt. Vielmehr hatte ich gerade einem Podcast gelauscht indem es um das Trampen rings um die Welt ging.
    Ich stellte mich also nicht nur mit Daumen raus an den Straßenrand. Ich versuchte die Leute mit einem verzweifelten Lächeln und winken auf mich aufmerksam zu machen als wäre ich der dritte Zollbeamte der noch etwas von ihnen will. Diejenigen die ihre Scheibe auch noch nicht wieder hoch gekurbelt hatten hielten auf ein leises ‚Hola‘ denn auch an. Ich konnte meine Situation erklären und einer nahm mich dann auch mit. Ich hatte zum Ende noch 5 km Fußmarsch bis zum Busbahnhof in Argentinien. Als ich ankam hatte der Schalter bereits Feierabend. Blieb mir also noch das online-Ticket. Nachdem das nicht ohne weiteres klappte half mir schlussendlich ein Angestellter von der Konkurrenz. Er hämmerte jedoch auch bald eine halbe Stunde auf mein Telefon ein. Dann endlich hatte ich eine Zahlungsbestätigung in der Hand. Das war schon mal gut. Nur das Ticket kam an meiner eMail-Adresse nie an. Auch nach einer Stunde nicht. Ich könnte im Zweifel ja den Busfahrer fragen ob wir das ohne Ticket irgendwie mit allein mit der Zahlungsbestätigung der Kreditkarte hinbekommen. Es stellte sich nur plötzlich die Frage Nachts um halb zwölf ob das hier überhaupt der richtige Busbahnhof sei? Ich fragte nämlich zwei andere Reisende ob sie auch auf diesen Bus warteten. Nein, auf den entgegenkommenden. Gleiche Busgesellschaft aber nach Buenos Aires. Im Gespräch ergab sich dass die eine Frau mir helfen wollte und am an dem Schalter der mir geholfen hatte irgendwas nachfragte. Mit der Antwort. Ja, mein Bus gen Norden hält hier. Vielleicht ist der nur ein bisschen spät heute, jedoch deren Bus gen Süden hält hier gar nicht. Die müssten vor an die Hauptstraße. Da ist eine zweite Haltestelle 15 km entfernt. Mitternacht und dann noch mit Gepäck und zwei Hunden. Das macht Freude. Mein Bus kam, wenn auch mit über einer Stunde Verspätung. Nach so viel Aufregung auf der Flucht über den Fluss kann ich selbst jetzt mitten in der Nacht nicht richtig schlafen.
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  • Besuch an deutscher Schule in Posadas

    May 24, 2023 in Argentina ⋅ 🌙 22 °C

    Es ist ja alles noch einmal gut gegangen. Oh wie habe ich die argentinischen Großstädte und das Verkehrschaos vermisst. Nichts wie wieder weg. Raus aus dem Bus und sofort wieder rein in den Nächsten! Der bringt mich in das eine Stunde entfernte San Ignacio. So wie der Name ist heute auch das Programm - Scheinheilig. Zumindest war der spanische König nach der Wiederentdeckung Südamerikas von dem Gedanken sehr angetan einige christliche Widersacher in Boote zu stecken und ihnen in der neuen Welt Land und Leben zu lassen wenn sie ihm damit nur aus den Augen gingen. Die Jesuiten nahmen das gern an. Genau so wie rund um Cordoba schon einmal entwickelten sie hier fortan im Gebiet zwischen Rio Paraguay und Rio Parana viele kleine Siedlungen und verstanden sich bestens mit den indigenen Völkern der Region. Sie waren Bauern, Handwerker, hatten aber auch zum Beispiel ihre eigene Münzpräge und wurden schlussendlich selbst hier für den König zu gefährlich im Falle sie könnten zu viel Macht und Einfluss genießen. Also vertrieb man sie. In San Ignacio blieben die wohl am besten erhaltenen Ruinen aus dieser Zeit zurück mit allem was im Lauf der Zeit nicht durch Schatzsucher geplündert wurde. Zum Teil verschlang der Urwald die Ruinen auch wieder und erst jetzt in den letzten zwanzig Jahren bekam man einen Sinn für dieses Vermächtnis und steht mittlerweile auf der Unesco-Welterbeliste.

    Im Anschluss ging es wieder zurück nach Posadas. In jeder Beschreibung habe ich gelesen dass es sich um eine Kleinstadt mit angenehmer ruhiger Atmosphäre handelt. Was mich bei Ankunft erwartet sind Wolkenkratzer und Metrobusse im Minutentakt. Länger als eine Nacht zur Durchreise bleibe ich hier nicht. Morgen ist hier in Argentinien der Nationalfeiertag zum 25.Mai da muss ich ohnehin mal sehen was ich mache wenn alles geschlossen hat. Steht zu Hause ein Feiertag ins Haus trifft man sich häufig schon am Vorabend, trinkt ein Bier und plaudert. Die Argentinier haben das ein wenig perfektioniert. Bei Ankunft im Zentrum werde ich von unzähligen Feierlichkeiten überrascht. Schon am Vorabend haben die Frauen ihr Dirndl und die Männer die Gaucho-Hose heraus geholt. traditionelle Stände stellen ein wenig Handwerk oder Kultur vor, an jeder Ecke gibt es Straßenessen und von den Schulhöfen höre ich hinter verschlossener Tür immer wieder Musik auf die Straße tönen.

    Nach einiger Zeit bei Musik und Tanz an einer Bühne auf dem Platz schlendere ich durch die nächtlichen Gassen. Das ‚Institutio Gutenberg’ hat seine Tore etwas weiter offen. Da bin ich doch glatt neugierig. Die Direktorin sagt mir dass es eigentlich eine reine Schulveranstaltung sei. Wir reden über Deutschland und dass sie eine Partnerschule in Bochum haben. Sie spricht sehr gut Deutsch. Am Schluss lädt sie mich doch ein dass ich mir den Schulhof anschauen darf. Die Kinder haben an diesem Abend Kostüme an wie die Erwachsenen. Die Ganze Familie versammelt sich hier. Selbst die Grundschüler feiern Abends um halb elf noch fleißig auf dem Schulfest mit.

    Kurz vor Mitternacht wird es patriotisch. Wie an Silvester zählen alle den Countdown herunter und beglückwünschen sich zum Nationalfeiertag bevor sie die lange Version der Nationalhymne singen. Fast schon typisch auf diesem Kontinent… das war dann auch der letzte Tagespunkt. Unweit danach räumen sie jetzt die Bühne zusammen und gehen nach Hause. Ist ja schließlich Feiertag. Da wird nicht gearbeitet.
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  • Encarnación

    May 25, 2023 in Paraguay ⋅ ☀️ 27 °C

    Die Argentinier sind zum Feiertag keinen Deut besser als andere. Um am freien Tag dennoch einzukaufen geht es über die Grenze zum shoppen in Encarnación. Da ich die Wahl habe mich mit dem Bus an der Grenze anzustellen oder lieber etwas mehr Fußweg bis zum Zug in Kauf zu nehmen bin ich Feuer und Flamme für die 10km Zugfahrt. An der Grenze dauert es nochmal 15 Minuten aber das ist vertretbar. Willkommen in Paraguay. Eigentlich schon das zweite Mal wenn ich die 2 Minuten diesseits der Grenze im Itaipu-Staudamm vor etlichen Jahren mit dazu zähle. Jetzt aber wirklich.
    Leider habe ich nur allzu sehr unterschätzt dass drei Kilometer bis in die Stadt hier weiter sind als in Buenos Aires. Es hat zwanzig Grad mehr und es sind mindestens immer 75% Luftfeuchte. Wenn sie den Regenwald nicht wegen sinnloser Soja-Felder abgeholzt hätten wäre ich jetzt schon mitten drin. Naja, was ich aus der Vorbereitung zu Paraguay mitnehmen konnte war eigentlich kurz gefasst nur dass es zwar zu den ärmsten Ländern Südamerikas zählt. Auch wenn das auf der Straße nicht den Anschein hat weil man den Kapitalismus gepaart mit dem Recht der Großlandbesitzer ‚tun und lassen zu können was sie wollen‘ perfektioniert hat.

    Encarnación hat sicher mehr zu bieten, da ich aber von Großstädten genug habe reicht mir ein halber Tag die Stadt zu erkunden. Ein historisches Zentrum gibt es nicht wirklich. Gut gefällt mir auf den ersten Blick dass es Mittags wieder eine staatlich verordnete Siesta gibt. Wobei ich nicht verstehen kann warum die auch im Winter abgehalten wird. Der Tag hat so schon bloß 10 Stunden Tageslicht jetzt im Winter und davon verschlafen die Guaranies jetzt auch noch 2. Am Nachmittag geht es weiter in Richtung Trinidad. Hier haben die Jesuiten diesseits des Parana-Flusses ihre bedeutendste Siedlung errichtet. Das möchte ich mir morgen anschauen. In der Herberge treffe ich unterdessen auf zwei Deutsche Auswanderer. Die mich verdutzt fragen warum ich denn bitte nach 6 Monaten wieder zurück will? - der Spoiler vorab = es gibt noch mehr Abenteuer zu bestehen. Ich fühle mich im Moment nicht danach hier in Südamerika heute sesshaft zu werden.

    Wir sprechen an diesem Abend viel über das heutige Paraguay. Generell haben sich hier ganz anders als auf der anderen Flussseite in Argentinien sehr viel Deutsche niedergelassen. Und anders als in Brasilien erinnern daran nicht nur die Ortsnamen sondern das wird auch so gelebt. Auch dazu morgen vielleicht mehr. Zusammenfassen lässt sich wohl folgendes:
    Paraguay ist wie ein großes Wimmelbild in dem du die Lösungen nur findest wenn du jemanden kennst der jemanden kennt oder du hast genügend Einfluss und darfst schummeln. So die Seite der wohlhabenden einheimischen Großgrundbesitzer.
    Die Seite der kleinen Leute schaut hingegen so aus dass die Großen sich regelrecht wie im Wettkampf darin messen wie man für weniger Lohn noch mehr schuften lassen kann ohne dass sich der kleine Mann dabei betrogen, ungerecht behandelt oder gar unglücklich fühlt.
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  • Die Hauptstadt der Deutschen

    May 26, 2023 in Paraguay ⋅ ☀️ 28 °C

    Im Süden von Paraguay liegt so ziemlich der einzige besiedelte Landstrich. Im Norden ist es entweder im Chaco zu trocken oder hat im Pantanal zu viel Regenwald. Dort siedeln gerade einmal 1 % der Bevölkerung auf über 60% des Landes. Hier im Süden aber haben findige Landwirte, unterstützt von einer Politik die Wildtiere lieber in Käfige steckt ‚um sie vor dem Aussterben zu schützen’, alles für Sojaplantagen abgeholzt. Oder auch für Mate, dem Suchtgetränk der Latinos.
    Als ich mir so eine Teeplantage anschauen möchte fahre ich nach Bella Vista. Der Ort liegt tatsächlich in einer wunderschön gelegenen Hügellandschaft. Den Eingang ziert ein überdimensionaler Mate Becher.
    Wobei die Guaranies den Mate anders zubereiten als die Argentinier, ihn gern auch mal als Eistee genießen. Das finde ich durchaus verständlich. Und die Thermoskannen sind noch größer! Unter 2 Liter setzt man sich nicht einmal in den Park. Das heißt jedoch auch - wenn man einmal sitzt ist Siesta. Oder Feierabend. In diesem Fall war es Mittag um halb eins als ich zur Unzeit nachfragte wann denn die nächste geführte Tour zu der Plantage stattfinde. Dabei erfahre ich dass das heute und morgen nichts mehr wird weil gerade alle viel zu beschäftigt sind um irgend eine Konferenz vorzubereiten. Wie dem auch sei. Da brauche ich auch nicht zu diskutieren, die Leute haben eh nichts zu entscheiden.

    Stattdessen habe ich mir für den Nachmittag schnell eine Wanderroute zusammengestellt um über die Felder nach Hohenau zu wandern. Jeder Ort hier in Paraguay ist Hauptstadt von irgendetwas. Hohenau ist Hauptstadt der Deutschen. Generell wohnen hier ja viele. In der Hauptstadt gibt es dazu noch jede Menge Cafés, Bäckereien und Anwälte. Der ‚Club des los Alemanes‘ bereitet sich schon tatkräftig auf das Frühschoppen am Wochenende vor. Bierbänke für die Herren und runde Kaffeetische für die Damen. Das alles im Ambiente einer halb offenen Lagerhalle wo sonst wohl LKW untergestellt werden jedoch in einem Maßstab als würde gleich Oktoberfest gefeiert. Und natürlich geschmückt. Das nehmen die Guaranies schon ernst. Genau so wie die Brasilianer in Blumenau. Mich zieht es stattdessen dann doch lieber zu Kaffee und Kuchen. Auch dabei merke ich sofort dass sich heimische Besonderheiten durchgesetzt haben. Die Kuchenstücke werden wieder kleiner als in Argentinien. Dafür wird die Auswahl um ein Vielfaches größer. :)
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  • Die Jesuiten von Trinidad und Taverngue

    May 27, 2023 in Paraguay ⋅ ☁️ 20 °C

    Das ganze Land ist voll von Jesuitenreduktionen. Schön ist dass man nur einmal bezahlt und drei Tage Zeit hat anschließend alles anzuschauen. Vieles wurde wieder freigelegt und zum Teil bisschen restauriert um es für die UNESCO hübsch zu machen. Wenn man kein eigenes Fahrzeug hat ist das durchaus eine Herausforderung alles in zwei, drei Tagen zu sehen was da denn interessant ist denn selbst kleinste Entfernungen sind in der schwülen Luft eine große Herausforderung. Nach Taverngue leiste ich mir darum ein Taxi. Dort steht eine fast vollständig errichtete Basilika bis die Jesuiten von den Spaniern vertrieben wurden. Andernorts stehen nur noch halbe Mauern oder Glockentürme die wieder errichtet wurden.
    Ein Punkt woran ich hier in Paraguay jeden Abend merke dass es selbst bei 20 Grad Tiefsttemperatur Winter hat ist ohne Zweifel die frühe Dunkelheit. Ab 17 Uhr ist Schicht im Schacht. Deswegen hat man in den Ruinen eine wundervolle Beleuchtung und dazu Hintergrundmusik installiert. Davon hatte ich zuvor schon gelesen und gleich am ersten Abend bin ich gestern schon einmal dort gewesen. Staunend lief ich von Ruine zu Ruine. Wie ein kleines Kind das mit offenem Mund im Wunderland umherläuft. Plötzlich ging das Licht aus. Da hatte ich gerade die Hälfte gesehen. Ich dachte mir dann - gut wenn sie Feierabend machen wollen, ich bin ja morgen auch noch da. Am Abend bin ich wieder hin und frage extra nach von wann bis wann heute Lichtspiel ist. Dann schaute ich mir die zweite Hälfte an. So viel Muse wie am ersten Tag hatte ich jedoch nicht. Ständig schaute ich auf die Uhr. Auf der Hälfte kam mir im Stechschritt eine Reisegruppe entgegen. Die müssen doch Angst im Dunkeln haben sonst würden die nicht so rennen. Zehn Minuten später was das Licht wieder aus. Bumm! Ich bin zum Ausgang gestolpert und hab mich beschwert dass ich gern noch die zehn Minuten genutzt hätte die es beleuchtet sein sollte. Aber auch dass ist eben Paraguay. Frei nach dem Motto - sei froh dass du überhaupt etwas gesehen hast ist selbst der zahlende Kunde nur eine Nummer um die man sich kümmern kann aber nicht muss.
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  • In der Stadt der Vögel

    May 28, 2023 in Paraguay ⋅ ⛅ 20 °C

    Was Paraguay in all den Kriegen die es führte an Land verloren hat macht es an Stolz wieder wett. So ist man auf seine Ruinen und Kunstschätze genau so stolz wie auf den öffentlichen Nahverkehr. Dass der allerdings dringend einer Überholung bedarf verglichen mit den anderen Ländern in Südamerika zeigt vielleicht auch einmal mehr die Armut des Landes. Auf der Langstrecke sollte ich meinen großen Rucksack lieber mit nach oben nehmen damit er unten aus dem Gepäckfach nicht etwa auf die Straße purzelt. Hm, hätte ich ihn aufs Dach geschnallt wäre er besser verstaut gewesen als zwischen meinen Knien. Egal. Glücklicherweise ist eine alte Sitzbank schon halb aus der Verankerung gerissen. Die Bank lässt sich so weit nach hinten schieben dass Rucksack und ich auf einen Platz passen. Die anderen Leute wollen schließlich auch einen Sitzplatz bevor die Fahrt über 250km losgeht. 6 Stunden dauert sie. Dieser Bus verdient tatsächlich ein historisches Autokennzeichen. Hier in Paraguay haben sie das aber noch nicht erfunden.

    Nachdem ich viel zu spät in die Stadt kam und am Hostel vor verschlossenen Türen stehe geht es kurzerhand runter an den Fluss zelten. Ich bin müde. Mir doch egal wenn mich einer weckt dem das missfällt. Es kommt aber keiner. Nicht mal ein Hund lässt sich durch mich aus der Ruhe bringen. Ich habe den Strand ganz für mich alleine. Gleich früh zum Sonnenaufgang fährt die Polizei Streife. Ich räume schnell alles zusammen und bin lieber wieder unsichtbar. Die Stadt Pilar liegt am äußerten Zipfel des Landes am Rio Paraguay. Bis hierher hat die Hektik und das sonst so übliche Wimmelbild von Paraguay noch keinen Einzug gefunden. Allerdings sind die Grenzen Paraguays egal in welche Himmelsrichtung auch bekannt für Schmuggelware. Im ersten Moment weiß ich gar nicht ob ich hier länger bleiben soll. Zuletzt bin ich immer von einer Stadt zur nächsten gezogen. Einmal quer durchlaufen, alles anschauen, und weiter. Die Stadtoberhäupter haben dem vorgebeugt indem sie über die ganze Stadt zwischen all den Kolonialbauten Vogel-Wandbilder und Vogelstatuen angebracht haben um darauf aufmerksam zu machen was die Stadt so einzigartig macht. Die Vögel! Mitten in der Stadt leben wohl auch ein paar Affen. Der Besucher kommt jedoch hauptsächlich wegen der Basilika - der einzigen vom Papst geweihten in ganz Paraguay… oder eben wegen der Vögel hier her. Das liegt nahe denn die nächste größere Stadt liegt weit!! weg und ich befinde mich mitten im Chaco. Jener schier undurchdringliche Wald der den Regenwald heute ersetzt wo das Leben für die Landwirtschaft zwischen den Anden im Westen und dem Rio Paraná im Osten zu unwirklich war. Zu großen Teilen besteht das Land hier aus Sümpfen mit ein bisschen traditioneller Rinderzucht. Damit man eine Idee von der Vielfalt bekommt entstanden in Zusammenarbeit mit einer lokalen Naturschutzorganisation und lokalen Künstler eben jene kunstvollen Plastiken. Das ist doch schon mal ein guter Anfang wie man der Bevölkerung Naturschutz näher bringen kann. Und die Künstler haben eine gewisse Reputation erhalten… Schützen kann man schließlich nur etwas wenn man weiß dass es überhaupt da ist.
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  • para la terra

    May 29, 2023 in Paraguay ⋅ ☁️ 22 °C

    Wenn Biologen das mitlesen und gerade dringend ein Paper über unbekannte Arten veröffentlichen müssen. Nichts leichter als dass! Kommt nach Pilar. Hier gibt es definitiv noch ganz viel Neuland für die Wissenschaft. Eine gewisse Infrastruktur bietet die Forschungsorganisation ‚para la terra‘. Sie unterstützt Freiwillige bei Langzeitaufenthalten, hält den Kontakt zu Schulen und Behörden in punkto Artenschutz und sie nimmt Interessierte wie mich mit auf Exkursion.
    Treffpunkt ist ein Pickup der uns irgendwo raus ins Feld bringt. Gut vorbereitet geht es auf die Laderampe und los! Ich habe im Voraus an alles gedacht - nur jetzt am Tag x ist alles natürlich fein säuberlich im Rucksack und nicht am Mann. So habe ich zwar an die Sonnencreme gedacht aber nicht daran dass es hier womöglich Mosquitos gibt. Die lieben meine Sonnencreme natürlich umso mehr. Mit Feldstecher und Bestimmungsbuch geht es hinaus in die Sümpfe. Ich bekomme sogar extra für die Hosen einen stiefelartigen Lederüberzug der wie bei den Gauchos hilft dass ich mir im stacheligen Unterholz nicht die Kleider zerreiße - und wenn ich mal aus versehen auf eine Schlange trete. Die sind recht giftig.
    Während die Wissenschaftler alle nach ihren Forschungsobjekten ausgeschwärmt sind nimmt mich mein Guide an die Hand. Er hat ein wirklich gutes Adlerauge für alles was sich irgendwo bewegt. In den zwei Stunden bis zur Dunkelheit bestimmen wir mehr als 30 Vogelarten! Dann raschelt es im Baum. Eine Gruppe Affen schaut neugierig auf uns herab. Das Männchen verdrückt sich bald doch die vier oder fünf Weibchen, eines sogar mit Kind auf dem Rücken bleiben und schmatzen in den Wipfeln genüsslich ihr Abendbrot.
    Artenschutz in Paraguay ist ein extrem schwieriges Unterfangen. Wie schon erwähnt hat die Regierung nichts für Artenschutz übrig. Wirtschaftliche Interessen hebeln in Paraguay alles aus! Hier stecken die Lokalbehörden oftmals in den Kinderschuhen fest. Selbst wenn sie wollten kennen sie kein geeignetes Mittel die Bevölkerung zum Naturschutz zu bewegen. Vielleicht stört es auch einfach keinen wenn überall Müll rumliegt. Der ist halt einfach da. Und die nächste Regenzeit macht dann auch wieder platz für neuen. Dafür leisten die Freiwilligen hier vor Ort stetig Aufklärungsarbeit. Für die Erde - para la terra.
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  • Von Paddelkünsten und Nachteulen

    May 30, 2023 in Paraguay ⋅ ⛅ 23 °C

    Tag zwei des Naturschutzprojektes. Am Abend treffe ich die Kollegen von ‚para la terra‘ wieder. Für den Tag muss ich selbst meinen Weg finden. Paul, der Koordinator hat mir empfohlen wo ich ein Kayak ausleihen kann um damit den Fluss aufwärts zu paddeln und dort noch mehr Vögel aus nächster Nähe beobachten kann.
    Eine leichte Brise weht über den Fluss als ich ins Wasser steche. Schnell wird aus dem breiten Fluss nur noch ein zugewachsenes Rinnsal. Ich kann mich herrlich treiben lassen während die neugierigen Vögel immer wieder kommen und gehen. Außerdem gibt es viele Libellen hier. Und egal wie schwarz und dreckig der Fluss erscheint - wenn die Sonne nur senkrecht genug darauf scheint erkennt man viele kleine Fische die sich in kleinen Gruppen sammeln. Sobald ich mit dem Kajak in ihre Nähe komme wirbeln sie an der Wasseroberfläche umher und verschwinden im sicheren Dickicht. Einmal taucht jedoch auch etwas größeres ab. Für die Kamera war es zu schnell. Ich vermute es war ein Kaiman.

    Das Kaimane hier leben sehe ich auch am Abend. Ich habe mich zu einer Nachtwanderung mit ‚paralaterra’ verabredet. Alle in einen Pickup und wer nicht mehr rein passt kommt auf die Ladefläche. So wie gestern. Ich finde das ja auch immer klasse da hinten zu sitzen. Bei den hiesigen Bodenwellen kann das aber höchst ungesund enden. Gleich hinter der Stadt biegen wir links ab. Noch bevor wir das Auto abstellen sitzen zur Begrüßung zwei Eulen auf den nahen Weidezaun. Ich erfahre dass die hier eher selten irgendwo oben sitzen. Völlig ungewohnt. Diese Eulen leben jedoch in Erdhöhlen und sind zu meiner Überraschung mehr Tag- als Nachtaktiv. Wir sind hier her gefahren um Frösche zu suchen. Die letzten Wochen waren jedoch so trocken das sich kaum einer mit Geräuschen zu erkennen gibt. Im Scheinwerferlicht der Taschenlampen glänzen zunächst wieder zwei Goldstücke auf. Auf hundert Meter Entfernung ist das in der Nacht das sicherste Zeichen für einen Kaiman. Auch die Frösche können sich nicht gänzlich vor uns verstecken. Besonders unser Guide beeindruckt mich mit seinem Adlerauge immer wieder. Kaum halten wir sie an den Hinterbeinen fest stellen sie sich tot und zeigen ihre wunderschöne Zeichnung.
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  • Asunción - zwischen Verfall und Wirklich

    May 31, 2023 in Paraguay ⋅ ☁️ 24 °C

    Noch in der Nacht rollt der Bus in Richtung Hauptstadt. Kaum angekommen wird es schon wieder Tag. So schnell kann die endlos lange Nacht vorüber gehen. So müde wie ich noch bin will ich den Rucksack nicht durch die Stadt tragen. Für den Check-In im Hostel ist es aber auch noch etwas zeitig. Zum Frühstück geht es also erstmal an den Straßenstand zu Kaffee und Kuchen. Das können die Guaranies immer noch besser als Brot. Weil ich zufällig doch am Hostel vorbei laufe stelle ich mein Gepäck derweil unter und bin gleich wieder unterwegs in die Innenstadt nachdem ich den Nachtwächter unliebsam mürrisch gestimmt habe.

    Das Zentrum ist ein Schachbrett aus Kolonialbauten und Hochhäusern. An beidem nagt der Zahn der Zeit ziemlich erfolgreich. Dazu die hohe Luftfeuchtigkeit die Hauswände sofort schwarz werden lässt. Somit gibt es nur wenige Stationen an denen ich Halt mache. Der Präsidentenpalast und das Pantheon gehören dazu. Schwer bewaffnete Soldaten unter Palmen, aber sonst kein wirklicher Sicherheitszaun. Das ist ein ungewohntes Bild. Warum die Präsidenten genau so wie in Argentinien für ihren Amtssitz rosa wählten bleibt mir jedoch ein Rätsel. Die regelmäßigen Wachablösungen am Pantheon sind auch eine kleine Schau. Dort liegen heute die wichtigsten zehn Helden aus der Geschichte Paraguays von der Verfassung bis zu den hier so wichtigen, wenn auch verlustreichen Tripulationskriegen. Das Zentrum bildet daher auch kein Präsident sondern repräsentativ Einer von den tausenden gefallenen Soldaten.
    Ich schlendere am Parlament vorbei in ein Kunstmuseum, dem Casa Cabildo. Es war das frühere Entscheidungszentrum der Macht. An der Kathedrale weißt mich der Pfarrer zurück. Es ist um zwölf. Ich solle doch in einer Stunde wieder kommen. Ich habe nicht wirklich was verpasst als ich später wieder komme. Weil ich so schnurstracks und bestimmt laufe kommt aber auch gleich ein Parkplatzwächter auf nich zu und schüttelt mit dem Finger. „Geh da nicht weiter, das ist gefährlich“ Bis zur Kirche lässt er mich dann gewähren. All die bröckelnden Fassaden sind nur Vorboten. Gleich unterhalb des Parlamentes haben sich die Slums bis an den Fluss ausgebreitet.

    Asunción hat aber auch schöne Seiten! Am Nachmittag verschlägt es mich zu einem Kaffee in die Vororte der Stadt. Hier ist Leben im Wimmelbild! Die Straßen alle sauber, aufgeräumt, ordentlich und durchaus annehmbar. Hier kann man es aushalten. Natürlich ziehen auch die großen Shopping-Malls hunderte Leute an. Das der Großraum Asunción schon mehrere ganz andere Städte sind die allesamt zusammenwachsen sollte ich erst später erfahren.
    Was bleibt ist die Suche immer nach dem richtigen Bus in diesem Straßenlabyrinth. Google & Co haben es nämlich aufgegeben dieses Gewimmel zu entflechten. Gefühlt fährt überall irgendeiner hin. Es braucht nur oft ein Quäntchen Glück.

    Das gleiche Spiel wiederholt sich am Abend. Ich habe mich mit Couchsurfern auf einen Drink verabredet. Vorschlag in der Runde war eine Disco. Als wir ankommen kommt die Große Pleite. Der Laden macht heute nichts. Google lotst uns im weiteren Umkreis noch zu vier weiteren Bars die allesamt „geöffnet“ sind. Das einzige Licht was vor Ort brennt ist dann aber die Straßenlaterne. Als wir in Begriff sind aufzugeben sprechen wir jemanden an der gerade vorbei kommt. Er schaut uns an und findet das komisch, zuckt mit den Schultern und ruft dann seine Freundin an. Die kennt wiederum eine Bar in der Nähe die wirklich offen hat. Zeigt sich einmal mehr das Technik nicht alles ist während wir unser wohl verdientes Feierabendbier vom gusseisernen Balkon mit Blick auf die Straße genießen. Unter uns sitzen und tanzen einige Obdachlose. Sie lauschen ebenfalls der Musik. Ansonsten ist die Innenstadt an diesem Abend ungewöhnlich leer für eine Hauptstadt.
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  • Zum Kindertag ein Eis!

    June 1, 2023 in Paraguay ⋅ ⛅ 26 °C

    Nach dem ersten Tag in Asunción zeigt sich warum Paraguay auch als das vergessene Land in Südamerika bezeichnet wird. Aber ich weiß von gestern ja auch dass der Speckgürtel einiges mehr zu bieten hat als vielleicht das Zentrum der Macht.

    Lustiger Weise gibt es auch hier einen Friedhof im Stadtteil Recoleta und auch hier versuchen sich ganz so wie in Buenos Aires die Wichtigen und Reichen des Landes ein Denkmal zu setzten mit dem sie jedes vorherige Mausoleum in den Schatten stellen.
    Mittlerweile habe ich sogar etwas Übung für die Weiterfahrt den richtigen Bus zu finden. Das Wimmelbild bekommt System! Noch zwei Mal umsteigen und ich bin in dem hübschen Vorort Luque angelangt. Die Straßenmärkte laden zum Bummel ein. Bis zum Mittag will ich den Circuito Oro noch ein Stück weiter verfolgen. Dass ich mir jedoch jede prunkvolle Kirche anschaue die irgendwo angepriesen wird habe ich mir allerdings im Voraus bereits abgesagt. Der öffentliche Nahverkehr hält wirklich an jeder Kreuzung und kann sich glaube ich selbst an der Deutschen Bahn noch ein Gutes Vorbild nehmen.
    Stattdessen mache in Areguá länger Halt. Der Ort hat eine wunderschöne Kunsthandwerk- und Keramikszene. Nach dem Mittag schlendere ich durch die Straßen zum Stadtstrand. Erste Überraschung - es ist ein öffentlicher Strand, oder viel eher ein Park in dem hier erstmals 15ct Eintritt verlangt werden?! Zugegeben lohnt sich dass dennoch da die Anlage sauber und die Uferpromenade ordentlich gehalten wird. Das Baden verkneift man sich in dem See lieber. Der ist vor lauter Düngemitteleintrag umgekippt. Doch abgesehen davon ist die Weite des Sees ein sehr schöner Anblick zum verweilen.

    Wenig später reißt mich eine Textnachricht aus der Siesta. Mit meinen zwei Zimmernachbarn aus Trinidad hatte ich vereinbart dass ich mich gerne melde wenn ich in der Nähe bin von wo sie wohnen. Nun kamen sie mir zuvor und haben einen Treffpunkt vorgeschlagen an dem sie auf dem Weg in die Stadt vorbeikommen. Die Zeit bis dahin verbringe ich dann doch noch einmal mit der Bewunderung der Kirche.
    Ich freue mich die zwei an diesem Nachmittag wieder zu sehen. Die Fahrt geht in eine andere Vorstadt. San Lorenzo. Auch sehr hübsch doch mittlerweile wird es dunkel. Während die Frau zum Sporttraining geht beschließt ihr Mann dass es neben seinen Besorgungen noch genügend Zeit für ein Eis hat. Den „winterlichen“ Temperaturen nach ist das keine schlechte Idee. Zudem ist heute ja auch noch Kindertag! Irgendwo ist jeder von uns ein Kind geblieben. Spätestens wenn im Anschluss voller Vorfreude das Eis schon zu schmelzen beginnt und auf die Hose kleckert noch bevor das erste Mals geleckt wurde. Im Anschluss trennen sich unsere Wege wieder. Ich möchte für die nächsten Tage auch noch einige Besorgungen machen.

    Als ich in mein Zimmer zurückkehre fragt mich mein russischer Gastvater wie denn so mein Tag war. Ich berichte ihm vor allem auch von der leeren Innenstadt gestern Abend. Darauf erwidert er dass das in Asunción leider System hat. Viele Altbauten stehen leer bis sich endlich einer findet der sie vor dem Verfall schützt indem er sie vorher schon einreißt und an dessen Stelle kommt ein schicker Wolkenkratzer. Dass sei jetzt schon so mit seinem Nachbarhaus, quer über die Straße auch und drüben im nächsten Block ebenso. Aber er, wenn sie an sein Haus wollten hält er die Fahne hoch und würde sich bis auf das letzte Haar verteidigen! Hoffen wir nur dass es wegen Häusern am Ende nicht zu blutigen Konflikten kommt. So lebhaft und unbekümmert wie er das spricht ist auch in ihm das Kind heute einmal mehr erwacht.
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  • Mbaracayú

    June 4, 2023 in Paraguay ⋅ 🌙 23 °C

    „Theo wir fahren nach Lodge…“ ungefähr im gleichen Takt wie dieses Lied dröhnt „wunderschöne“ guaranische Musik vom Fahrersitz des Busses. Acht Stunden! Mir wurde immer erzählt die Hölle sieht anders aus. Zumindest die Temperaturen kommen dem Bild ziemlich nahe. Nach grob 300km lande ich so mitten in der Pampa in dem Dorf Villa Yigatimí. Dort wartet seit über zwei Stunden geduldig ein Fahrer auf mich. Er bringt mich zu später Stunde tatsächlich zu einer Lodge. Der von Mbaracayú - einem privaten Naturschutzgebiet im Nordosten des Landes. Ich hatte in Pilar so gute Erfahrungen mit dem privaten Naturschutz gemacht dass ich mich gleich noch einmal eingeschrieben habe. Nun warteten am Empfang drei Leute geduldig auf mein Eintreffen. Nachher durfte ich mein Zelt aufbauen und dann war Feierabend.

    Am frühen Morgen wecken mich die Vögel sanft aus dem Schlaf. Die Nach war recht frisch. Ich war immer wieder mal wach um zu prüfen dass nicht irgend eine Blattschneideameise mittlerweile mein Zelt und Matraze für gutes Futter befunden hätten oder ob nicht doch eine Otter in meine Sandalen gekrochen ist. Stattdessen war der Fuchs in der Nacht fleißig und hat den Mülleimer ausgeräumt.
    Nach dem Frühstück fahre ich mit einem Guide in das innere des Parks hier gibt es einen geführten Wanderweg und die beste Chance für Tierbeobachtungen. Denn leider bieten sie hier keine Nachttouren an. Die Nachfrage wurde mir bereits am Vorabend mit „weißt du nicht wie gefährlich das ist?“ beantwortet. Ich miss ja kein Vorreiter sein. Puma, Jaguar und Otter haben es in sich. Tatsächlich leben die hier in großer Zahl und werden am Eingang des Wanderweges von einer Fotofalle regelmäßig registriert.
    Mein Guide antwortet hingegen auf die Frage was er denn von Beruf gelernt habe dass er Ranger ist. Während er gut auf mich aufpasst hat er nur leider von Mate mehr Ahnung als von Tieren. Immerhin entdecken wir unzählige Ameisen, Termiten die hier in den Bäumen anstatt auf dem Boden leben, 15-20 Schmetterlingsarten, zwei kleine Wildschweine und eine kleine Affenfamilie. Für die Mittagszeit ist das keine schlechte Ausbeute. Ich sollte dazu schreiben dass ich einmal mehr in der Nebensaison unterwegs bin und weit und breit der einzige Gast bin.

    Deswegen will es auch zum Mittag nicht so richtig in meinen Kopf. Auf der einen Seite Zelte ich zwischen den Blattschneideameisen und Termiten und zum Mittag bekomme ich von gleich drei Bediensteten das Essen serviert. Jeder hat ein volles Tablett in der Hand und serviert mir ein drei Gänge-Menü. Kartoffellasagne mit Fleisch-Gemüse-Füllung, dazu Maniok und dazu noch Rohkostsalat. Abgeschmeckt wird mit Öl, Balsamico und Zitronensaft. Zum Nachtisch gibt Milchreis mit Zimt. So etwas Feines hätte ich bei weitem nicht auf meinem Campingkocher gezaubert.

    Während es für die Angestellten der ganz normale Alltag ist fühle ich mich fürstlich behandelt und rolle zum Mittagsschlaf über. Ist halt eine Lodge…Lang darf der Schlaf jedoch nicht dauern dann geht es mit dem Kanu hinaus auf den Fluss. Nun ja, Tiere gibt es diesmal keine zu Gesicht und wenigstens eine Enttäuschung muss so ein Tag nun einmal auch bereit halten. Nach einer halben Stunde bin ich wieder an Land. Da bleibt ausreichend Zeit für ein paar mehr Schmetterlinge.

    Am Abend bin ich auf dem Zeltplatz nicht mehr der Einzige. Zu mir haben sich zwei Franzosen gesellt. Und ein Affe. Das Tier wird später leider zum Problemtier als es mein aufgehängtes Essen für Toll empfindet und sich als erstes die fast leere Flasche Alkohol 96% angelt. Die wird sogleich erstmal ganz ausgetrunken. Vom restlichen Essen kann ich ihn vertreiben aber es tut weh anzuschauen dass die Tiere lieber eine Stunde um einen herum tanzen um am Ende auf irgendwelcher Plastik zu beißen anstatt fünf Minuten in den Wald bis zum nächsten saftigen Orangenbaum zu klettern. Die Option ist hier ja zumindest gegeben.
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  • Die Spinnen in Mbaracayú

    June 4, 2023 in Paraguay ⋅ ☀️ 28 °C

    Der Affe, betrunken wie er war, hat sich dann irgendwann auf dem Dach der Essenhütte schlafen gelegt. Die Parkangestellten erzählten noch dass er bereits „ordnungswidrig bekannt“ sei. Der Affe wurde früher als Haustier gehalten und nun ist er an den Menschen gewöhnt so dass den Rangern kein Mittel zur weiteren Auswilderung einfällt. Am Morgen turnt der Affe auch schon wieder über das Hausdach als wäre nichts gewesen. Nur frech ist er geworden. Er kann es sich ja erlauben. Während ich versuche meine Sachen und das Zelt zu packen um den Rückweg anzutreten muss ich gleichzeitig ein Auge auf ihn werfen. Das mag ich überhaupt nicht. Die Sachen passen nur in den Rucksack wenn sie fein säuberlich nach dem Tetris-Prinzip geordnet sind und nicht wenn sie krampfhaft schnell zusammen gewürfelt werden. Natürlich konnte das nicht gut gehen und er hängt an meiner Jacke wie an einer Affenschaukel. Ich bin sauer und habe definitiv eine Idee für das nächste BBQ. Immerhin hat er mein Zelt ganz gelassen. Und Schlangen gab es in der Nacht auch keine.
    Die zwei Franzosen sind ebenso wie ich der Meinung heute früh auf eigene Faust den Morgentau im Regenwald zu erkunden und anschließend wieder abzureisen. Das ist mein Glück denn Sontag fährt der Bus äußerst unchristlich und wir sind uns einig dass auch die Qualität geführter Touren über Nacht nicht zugenommen haben wird. Sie nehmen mich ein Stück des Weges mit. Zuvor geht es noch einmal über abenteuerliche Brücken. An den Blättern hängt der Morgentau. In der Nacht ist deutlich mehr Wasser kondensiert als am Vortag. Die Spinnweben glänzen gegen das Sonnenlicht und der Wald dampft. Ich könnte schwören die habe ich gestern Abend auf meinem Spaziergang alle erst weg gemacht. Die spinnen. Regelmäßig verfängt sich der erste der Gruppe darin. Oben von den Bäumen lachen uns schon die Vögel und die Termiten aus. Damit man sich hier im Wald nicht in die Quere kommt lebt der eine Oben der andere unten. Interessant ist dass jene Bäume die Termiten beherbergen nie von Schmarotzern besiedelt werden oder diese dann absterben. Die Bäume stehen stets frei. Einige lassen sich umarmen. Das zaubert definitiv ein Lächeln.

    Was wäre der Tag auch ohne Lachen. Vor mir liegen trotz der Mitfahrt noch unzählige Stunden Busfahrt. Dabei erfahre in meinem Podcast heute eine verrückte Geschichte zu Wildtieren. Wusstet ihr dass die wieder Auswilderung von Tieren mehr zum Klimaschutz beiträgt als das Pflanzen neuer Bäume? Biologen haben herausgefunden dass sich durch die natürliche Verteilung von Samen durch die Tiere ein widerstandsfähigerer Mischwald bildet und auch länger besteht und mehr CO2 aufnimmt als ein vergleichbarer künstlich gepflanzter Wald. Wenn Bäume unter für sie ungünstigen klimatischen Bedingungen gepflanzt sind geht das sogar so weit dass sie Tag und Nacht insgesamt mehr Co2 freisetzen als ihr Holz aufnimmt. Deshalb ist Wald nicht gleich Wald.
    Am Abend habe ich sogar noch eine Zecke aufgesammelt. Ich glaube in der Wüste ist es weniger nervenaufreibend.
    Ein Grund mehr weiter zu ziehen ist das ich die Berge vermisse. Mal wieder so richtig schön wandern zu gehen endet hier in Paraguay leider viel zu schnell daran das gut erreichbare hohe Erhebungen selten mehr wie 300m messen oder es endet weit vorher im Kreislaufkollaps.
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  • Wiedersehen macht Freude

    June 5, 2023 in Paraguay ⋅ 🌙 18 °C

    Heute steht ein bislang seltenes Experiment an. Weit nach dem Dunkelwerden komme ich nach Ciudad del Este und habe mir eine Unterkunft gesucht. Die Gastmutter ist rührend und will mich mit allen Informationen versorgen. Der Staudamm von Itaipu… war ich schon, die Wasserfälle von Iguacú… war ich schon - Hmm, was willst du dann hier?
    Ciudad hat außer lebhaftem Schmuggel nicht wirklich viel attraktives zu bieten. Es gibt hier zum Beispiel noch die Salto del Monday. Große Wasserfälle die durch Iguacú in den Schatten gestellt werden aber nicht weniger schön sind. Schließlich bin ich in Paraguay und noch nicht wieder in Argentinien. Das kann ich nebenbei immer noch erneut besuchen. Als ich meine Planungen aufstelle werden die von meiner Gastmutter als viel zu ambitioniert gleich wieder verworfen. „Man kann hier nicht alles an einem Tag schaffen weil pünktlich um vier mit der Dunkelheit alles schließt.“ Damit nimmt sie mir den Wind aus den Segeln. Wieder einmal ist es besser wenige bis gar keine Pläne zu haben dann fällt die Übung leichter den Zeitplan ständig über den Haufen zu werfen.

    Nachdem ich die nächsten 48 Stunden neu durchgerechnet habe mache ich mich auf dem Weg zum nächsten Bus in Richtung Hernandarias. Dann bleib ich einen Tag länger und schau mir mal an wie die Gegend sich in 15 Jahren verändert hat. Es kam bislang so gut wie noch nie vor dass ich altbekannten Orten in der Welt einen zweiten Besuch abstatte. Der Staudamm von Itaipu ist heute einer von ihnen. Mir fällt das leicht denn ich habe ihn bislang nur von der brasilianischen Seite besucht. Nun verändert sich Beton in dieser Zeit nicht so viel, doch der Besuch kostet auch nicht mehr als eine Busfahrt. Und wann hat man sonst die Gelegenheit eines der sieben technischen Weltwunder der Neuzeit als Besucher zu bestaunen?
    Also rein ins Besucherzentrum der Bus wartet schon. Die Guaranies mögen es mit allerlei Zahlen um sich zu werfen. Um nur einige zu nennen wurde hier soviel Beton verarbeitet wie in 210 brasilianischen Fussballstadien - und die sind groß. Zu Stoßzeiten des Baus wurden an die Arbeiter 1,4 Mio Essen pro Monat ausgegeben, was bedeutet dass pro Mittagessen ca. 3.000 Kg Reis gekocht werden mussten. Der Überlauf des Dammes hat die 40-fache Durchlaufleistung der Iguacú-Wasserfälle. Und und und. Nach der Superlative kommt die tiefe Ernüchterung. Es geht heute nicht in den Staudamm hinein sondern nur auf eine Busrundfahrt. Anders als in Brasilien muss man in Paraguay 1 Woche vorab anmelden und nachweisen dass man Student, Ingenieur oder sonst irgendwie technisch begabt ist.

    Ich schlendere nur noch durch den Park und genieße den Sonnenuntergang bevor es nach Hause geht. Ich bin gespannt wie die Zeit sich auf der argentinischen Seite verändert hat.
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  • Salto del Monday

    June 6, 2023 in Paraguay ⋅ ☀️ 22 °C

    Die Nacht war kurz und ich weiß jetzt schon die Nächste wird wohl noch kürzer. Bis zu meiner Weiterreise habe ich mir einiges vorgenommen. Meine Zimmermitbewohnerin stört das wenig. Sie schreibt am frühen morgen mit der Verwandtschaft in Taiwan bevor die schon wieder schlafen geht.
    Nachdem ich das System raus habe welcher Stadtteil und welche Area 1-9 zusammengehören finde ich heute schnell meinen Weg zu den Wasserfällen. Die Schwierigkeit besteht darin dass auf der Landkarte jeder Stadtteil einen Namen hat. In der Realität werden die umdeklariert und in den Bussen steht nur noch angeschrieben in welche Area 1-9 sie denn fahren. Das führt dazu dass man die Richtung schneller erkennt weil man weniger lesen muss. Oder dass man lieber gar nicht mehr Bus fährt in Paraguay. Ein eigenes Fahrrad ist beim nächsten Mal echt von Vorteil!

    Die Wasserfälle habe ich an diesem Morgen neben einem Ehepaar das seine Großmutter hier ausführte ganz für mich allein. Das kann man nur genießen! Mein Eindruck? Vorfreude wie ein kleines Kind - sonst ohne Worte.
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  • Zurück in Puerto Iguacú

    June 6, 2023 in Brazil ⋅ ☀️ 24 °C

    An der Grenze geht es heute ebenfalls gelassen zu. Der Zöllner trinkt noch seinen Mate aus bevor er sich in sein Wohnwagenhäuschen mit Bretterverschlag begibt. Ich muss zwar haarklein angeben was ich alles in Paraguay gemacht habe doch ich glaube das ist mehr aus Interesse und langer Weile. Nebenan spielen vier Soldaten Truche und verdauen das Mittagessen. Dann geht es mit der Fähre über die Grenze. Ich habe das Dreiländer-Eck nun wirklich schon von allen Seiten Besucht. Nun auch noch aus der Flussperspektive von unten. Während der Regenwald links und rechts steil aufragt wo er nicht schon durch Hochhäuser und Freizeitparks ersetzt wurde.

    Einchecken im Hostel, und dann schnell zum Busbahnhof. Ich will für morgen gleich die Weiterfahrt organisieren. Iguacú ist der erste Ort seit langem in dem es ganzjährig mehr Besucher anstatt Einwohner gibt. Aus Paraguay kommt dazu zusätzlich noch der Tanktourismus der sehr große Ausmaße annimmt. Am Busbahnhof stellt sich die Frage was ich denn beute noch mache? Die Stadt scheint sich mir explosionsartig vergrößert zu haben. Dennoch bleibt es wohl der schönste Teil dieser Dreiländerstadt. „Weißt du, wenn ich schon mal hier bin will ich mir die Wasserfälle von Iguacú auch noch einmal anschauen.“ Der Mann am Ticketschalter meint dann müsse ich mich aber sputen, in den letzten 15 Jahren habe sich hier einiges verändert. Er verkauft mir den Fahrschein zum regulären Preis und winkt mich dann jedoch zu sich dass ich ihm folgen sollte. Wir steigen in sein Auto, auf und davon. Auf der Fahrt erzählt er mir dass ich mit dem Bus nie und nimmer mehr rechtzeitig ankommen würde bevor der Park schließt. Am Eingang habe ich noch 5 Minuten bevor schon am frühen Nachmittag die letzte Eisenbahn des Tages zur großen Schlucht fährt. Vor Ort angekommen hat das sein Gutes. Den Ort den man sonst mit hunderten Menschen teilen muss habe ich mit zwanzig Leuten jetzt fast für mich allein und darf mich auch dort tummeln wo sonst nur die professionellen Fotografen stehen und Bilder verkaufen. Stundenlang! Was nehme ich nicht alles für Mühen in Kauf. Die Gischt Wirbelt durch die Luft. Wäsche brauche ich heute nicht mehr waschen. Je näher der Wasserfall kommt und je lauter er wird, desto mehr kommen Glücksgefühle auf und wieder ein Stück mehr Respekt vor der Natur. Wiedersehen macht Freude.
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  • Salta - die Schöne

    June 7, 2023 in Argentina ⋅ ☀️ 24 °C

    Altbekannte Probleme warten auf mich als ich den Flughafen verlasse. Neue Stadt und für den Bus habe ich wieder nicht mehr die passende Busfahrkarte. Das läuft ja alles digital mittlerweile. In Argentinien kann man keinen Stadtbus mehr in bar bezahlen. Eine Frau nimmt mich an die Hand und bezahlt mir die 20ct Ticketpreis. Wenn die Argentinier sich etwas leisten können, dann Busfahren. Das Geld wird nach wie vor immer weniger wert. Heute heißt es auch für mich leider wieder Geld bei Western Union holen.
    Der erste Anlauf frustriert mich zutiefst. Sonst hole ich immer mein Geld in der Post. Das ist im ganzen Land unkomplizierter als offiziellen Standort zu finden an dem nicht nach 3 Stunden das Geld aus ist oder der überhaupt geöffnet hat. Und diesmal weißt mich doch die „Sicherheitsfachkraft“ mit ihrem Besserwissen zurück. Nein, die Post gibt kein Geld aus, das ist ja eine Post! Je mehr ich auf sie einrede was ich bereits für tolle Erfahrungen mit Postbeamten gemacht habe desto sturer wird sie. Ich kann es ein Stück nachvollziehen denn hier kommen ja in der Hochsaison abertausende Touristen her. Die Post will ja auch ihre sonstigen Verpflichtungen erfüllen imd nicht zum Geldautomaten der Nation avancieren. Jedenfalls ist sie hartnäckig. Beim richtigen Western Union steht wie zu erwarten eine Schlange von 50 Leuten und mehr. Die Leute die hier wohnen müssen auch immer mal her um Rechnungen zu bezahlen und natürlich Ersparnisse zum besten Kurs im Land zu tauschen. Nunja, zwei Stunden später bin ich schlauer aber nicht reicher. Geld gabs keines weil in der App irgendwas nicht funktionierte. Zum dritten Anlauf ist es schon weit nach 16 Uhr. Mittlerweile kommt es immer öfter vor dass ich frustriert über die kleinen Dinge am Wegesrand stolpere. Das ist stressig und kostet viel Kraft. Ich glaube ich brauch wieder mal Urlaub. Dann endlich habe ich aber wieder mein Geld und kann entspannt den nächsten Tagen entgegen blicken.

    Salta ist mit seinen 500.000 Einwohnern eine wirklich hübsche Stadt. Wer hier jedoch nicht arbeitet kommt hauptsächlich daher um sich Kirchen anzuschauen oder um von einem zentralen Ort viele Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen. Mitten in der Stadt gibt es ein Kloster in das bereits seit hunderten von Jahren kein Mann mehr einen Fuß gesetzt hat. Außerdem ist die Kathedrale von Salta besonders reich geschmückt da hier der Herr General Güemez bestattet liegt. Er war darin beteiligt den Norden erfolgreich zu verteidigen und hat für Argentinien die Unabhängigkeitserklärung mit unterschrieben.

    Dafür dass ich Städte im Augenblick nicht wirklich ausstehen kann bietet Salta aber noch mehr Interessantes. In meinem Zimmer wohnt außer mir noch eine Travellerin aus dem wunderschönen Brasilien. Als gäbe es in diesem Jahr eine Reiseempfehlung für Argentinien kommt auch sie aus São Paulo, so wie alle Brasilianer auf dieser Reise auch schon. Wir gehen am Abend noch auf ein Bier in die nächste Bar. Hier in Salta geht das jedoch nie ohne Folkloretanz vonstatten. Salta ist die Hauptstadt des Peña. Ein Gaucho und eine Frau im Dirndl tanzen umeinander und schwingen als Zeichen der Zusammengehörigkeit ein Stofftuch. Dazu gibt es Musik und argentinische Texte von einer wunderbaren Opernstimme im Tenor. Salta - die Schöne macht ihrem Namen alle Ehre.
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  • Aufstand in Salta

    June 8, 2023 in Argentina ⋅ ☀️ 24 °C

    Im Morgenfernsehen wird schon davon berichtet, als ich dann auf die Straße trete ist es Realität. Das Wohnviertel rund ums Zentrum hier ist heute im Ausnahmezustand. Es scheint die Sozialverbände haben zu einer Kundgebung mit Demo aufgerufen. Die Forderungen sind wie überall. Abkehr von der Inflation, Bürgergeld für alle. Dabei dachte ich dass ich die sozialistischen Tendenzen in Paraguay vorerst hinter mir lassen konnte.

    Der Nachmittag vergeht ohne dass wir drei Zimmerbewohner uns auf einen gemeinsamen Plan einigen können. Schlussendlich geht es 1035 Stufen hinauf auf den San Bernardo Hügel. Dem lieben Christus ein Stück näher und die Stadt zu Füßen. Wir genießen den herrlichen Ausblick und ein Eis. Dann trennen sich die Wege wieder. Einer fährt gen Süden weiter und zwei warten auf Auskunft ihrer Tourveranstalter wann es wie weiter geht. Das kann heute nämlich keiner sagen. Während der Süden frei ist haben die Leute im Norden Straßenblockaden errichtet. Das sorgt für Unruhe. Wie ich jetzt erfahre demonstrierten am Morgen vor allem die Lehrer in der Stadt für mehr Geld.
    Die Provinz Salta hat vor vier Tagen jedoch außerdem ein Gesetz verabschiedet das es den Leuten nur noch nach Voranmeldung erlaubt die öffentliche Straße für eigene Zwecke zu nutzen. Ich vermute mal dass es dabei nicht nur um Straßenverkauf und Werbung entlang der Straße geht. Die Leute sind so aufgebracht dass sie sich in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt sehen und für ihr Recht nach der Verfassung kämpfen wollen. Darum Straßenblockaden besonders dort wo es weh tut. An den Ausfallstraßen der Stadt und an den Zufahrtsstraßen in die Minengebiete der Provinz. Dort lagert der neue Schatz von Argentinien in Form von Lithium für die Batterien dieser Welt. Deshalb gibt es leider auch Probleme mit der Organisation der nächsten Tage. Ich lasse mich mal überraschen. Alles was es wieder einmal kostet ist Zeit.

    Zurück in der Unterkunft gibt es noch einen Lichtblick für mich. Ich treffe auf zwei Radfahrer die von Patagonien den weiten Weg bis hierher und weiter nach Lima auf sich nehmen. Das sin die ersten seit 10.000km. Es fühlt sich irgendwie toll an. Allein das fremde Fahrrad verbreitet sofort seinen Charme von Geborgenheit in diesen unruhigen Tagen.
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