traveled in 21 countries Read more Berlin, Deutschland
  • Day 159

    Von Disneyland nach Hogwarts 🦉

    November 8, 2023 in the United States ⋅ ⛅ 29 °C

    Das Wochenende nervös überstanden, stürzen wir uns heute in den nächsten Park. Genauer gesagt noch mal ins Magic Kingdom. Wir wollen uns all das anschauen, was wir am Donnerstag nicht geschafft haben. Letztendlich können wir uns auf den Park nicht sonderlich gut einlassen. Zu sehr schwebt das Autothema über uns. Wir haben trotzdem eine gute Zeit und erfreuen uns an der fantastischen Disney Welt und sehen allerlei Details, die uns beim letzten Mal nicht aufgefallen sind: wir lassen uns verzaubern von den singenden Paradiesvögeln und Orchideen in „Walt Disney‘s Enchanted Tiki Room“, lernen die Präsidenten der Vereinigten Staaten in der „Hall of Presidents“ kennen und machen im „Carousel of Progress“ eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert. Auch die Parade schauen wir uns nochmal an, diesmal ergattern wir sogar einen erstklassigen Platz direkt vor dem Schloss. Höhepunkt des Tages wird die Fahrt mit der Achterbahn „Tron“. Das ist die neueste Attraktion des Parks und bereits jetzt sagenumwoben. Einzigartig ist die Sitzposition: Man sitzt nach vorn gebeugt wie auf einem Supersport-Motorrad. Und genauso stramm zieht das Gefährt dann auch an: Mit etwa 100 Sachen schießen wir fast ausschließlich durch dunkelste Dunkelheit. Manchmal blitzen grelle Lichtblitze auf und lassen die nächste Steilkurve kurz erahnen. Einmal schießt die Achterbahn nach draußen, über die Köpfe der Wartenden hinweg, um dann wieder in tiefe Finsternis einzutauchen. Starker Ritt und die 45 Minuten Wartezeit alle Mal wert!

    Dienstagmorgen: Die von uns gesetzte Deadline ist verstrichen. Es gab kein weiteres ernsthaftes Angebot eines privaten Käufers. Also klappern wir heute die umliegenden Autohändler ab. Letztendlich bekommen wir drei Kaufangebote. Eins über $6.500, eins über $7.500 und eins über $9.500. Das letzte Angebot liegt immer noch weit unter unseren Erwartungen, aber immerhin haben wir mal ein Angebot. Ein wenig beruhigter verbringen wir den Rest des Abends in unserem Whirlpool, kochen uns was leckeres zu essen und schauen abends einen Film.

    Mittwoch ist wieder Park angesagt, oder besser gesagt: Filmstudios, denn es geht in die Universal Studios. Hier ist deutlich weniger los und es verläuft sich besser. Zielstrebig gehen wir direkt zum “Fluch der Mumie”, 15 Minuten Wartezeit sind sehr akzeptabel. Und die Achterbahn hat es in sich: Flammen, Wasser, gruselig dunkle Kulisse mit etlichen Mumien und unerwartet geht es auch mal rückwärts. So durchgeschüttelt hotten wir direkt rüber zum “Hollywood Rip Ride Rockit”. Diese Achterbahn - made in Germany - geht zunächst im 90-Grad-Winkel hoch auf 51 Meter. Es presst einen in den Sitz. Zum Glück kann man sich zu Beginn einen Song aussuchen, der dann aus den Lautsprechern im Sitz trällert. Dann gehts fast genauso steil wieder runter und mit über 100 km/h in zahlreiche Kurven. Wir wollen einfach nur, dass es aufhört. Deutlich angeschlagen verlassen wir schwankend die Achterbahn und schwören uns, mit dem Ding nie wieder zu fahren. Weiter gehts. Der “Weißen Hai Ride” musste leider der Harry Potter Welt weichen, aber den großen, kopfüber hängenden Hai gibt es noch. Kurze Pose, wie schon 1993, und weiter. Links der Promenade steht zwischen unscheinbaren Häusern eine dunkle Backsteinmauer. “Dahinter sind doch Geräusche!”, und tatsächlich: Man kann an der Mauer vorbei gehen, nicht sonderlich breit ist die Lücke zum benachbarten Haus. Und was sich uns dort offenbart, haut uns komplett von den Socken: Wir stehen mitten in der Winkelgasse. Bei Ollivander gibt es Zauberstäbe bis unter die Decke zu kaufen, im tropfenden Kessel wird Butterbier ausgeschenkt, in der Nokturngasse wandeln zwielichtige Gestalten und die Gringotts Bank wird gerade von einem feuerspuckenden Drachen attackiert. Bestimmt drei Stunden irren wir nur hier herum, und lassen uns verzaubern, sind bei einer Zauberstabzeremonie dabei und probieren Roben für unsere Hogwarts-Häuser an. Etwas von unserem Muggelgeld tauschen wir - bei einem Wechselkurs von 1:1 - in Zauberergeld. Wundervoll und magisch. Im Anschluss kämpfen wir noch mit den Men in Black gegen Aliens und fahren dann den ehrwürdigen ET-Ride. Bei den Simpsons gibts dann was leckeres in Moe’s Taverne zum Essen, bevor wir uns zum Abschluss noch in den Simpsons 3D-Ride schwingen. Direkt sind wir wieder angeschlagen. Das Live Aktion Spektakel rund um Jason Burn (bekannt vom Film Die Burn Identität) überzeugt uns dann nochmal komplett. In einer Mischung aus Stunt-Show und animiertem wie realem Bühnenbild gepaart mit 4D-Effekten entsteht die perfekte Illusion. Eine riesige Leinwand sorgt für einen passenden Hintergrund, sodass wir uns mal in Marokko, mal in einer Fabrikhalle, dann wieder in Washington oder auf einem Wolkenkratzer befinden. Perfekt abgestimmt mit dem sich synchron dazu bewegenden Bühnenbild, das sich zeitgleich mit den Bildern auf der Leinwand dreht und wir uns somit tatsächlich so fühlen, als wären wir mitten im Spektakel. Die Darsteller schwingen an Helikopter hängend über das Publikum, der passende Wind im Gesicht, und von allen Seiten gibt es Beschallung. Völlig verzaubert von dieser Stunt-Show die alle Grenzen des Vorstellbaren sprengt beschließen wir diesen erlebnisreichen Tag in den Universal Studios.

    Den Donnerstag verbringen wir entspannt am Pool. Wir schreiben unseren Blog, genießen die Sonne und lassen es ruhig angehen.

    Freitag dann der letzte von fünf Park besuchen. Wir gehen in Universals Islands of Adventure. Hier stehen die vielleicht action-reichsten Achterbahnen Floridas. Heute wird es richtig warm und bereits am Eingang stehen enorme Menschenmassen. In der App werden uns die Wartezeiten für die Fahrgeschäfte angezeigt und bereits morgens wartet man an jeder einzelnen Achterbahn mindestens 45 Minuten. Der „Jurassic Park Water Ride“ ist der Wahnsinn, vor allem der fast frei Fall am Ende, bei dem man nur knapp dem Maul eine T-Rex entgeht. Mit Hogsmeade gibt es hier die perfekte Zauber-Winterlandschaft unter Palmen und „Harry Potter and the forbidden journey“ is ein rasanter Ride, nachdem wir erstmal wieder um Fassung ringen müssen. Später schwinge ich (Rico) mich allein in den „Incredible Hulk Coaster“, Johannes verzichtet. Zu Recht, wie sich später herausstellt. Ich stell mich in die „Single Rider Lane“ und sitze keine 10 Minuten später fest im Sattel. An das, was dann passiert, erinnere ich mich nur noch Bruchstückhaft. Die giftgrüne Achterbahn wird zunächst gemächlich hinaufgezogen, aber nach etwa der Hälfte beschleunigt sie dann wie irre, geht oben am Scheitelpunkt direkt über in eine Schraube, dann zornig bergab, mündet in einem geschraubten Doppellooping und dann.. ich sehe nur noch Sterne. Es gab noch etliche Kurven, Schrauben und andere „Highlights“, aber ich will nur noch raus. Das war wirklich die abgefahrenste, aber auch schlimmste Achterbahn jemals. Ein bisschen stolz, aber vor allem blass, wackelig und mit Kopfschmerzen nimmt Johannes mich in Empfang. Der Zustand hält dann aber nicht lange an. Zum Glück. Schließlich müssen wir noch „Hagrid’s Magical Creatures Motorbike Adventure“, die neueste Attraktion des Parks, fahren. Eine Stunde stehen wir an, nervös, weil wir nicht wissen was uns erwartet. Wir nehmen Platz auf einem Motorrad (Rico) mit Beiwagen (Johannes). Abgefahrene Experience. Bis jetzt zumindest. Dann gehts los. Erstmal ruhig. Und dann werden wir unvermittelt auf 80km/h beschleunigt..in etwa einer Sekunde. Krank. Wer schreien kann, der schreit. Vollbremsung. Wieder maximale Beschleunigung. Steilste Steilkurven. Wieder Vollbremsung. Der Zug kommt auf einem senkrechten Gleisabschnitt zum stehen. Klack. Irgendwas löst sich. Die Bremse! Mit 80 Sachen geht’s rückwärts. Wir können nicht mehr. Vollbremsung. Zwei Sekunden Stille. Dann sackt der Zug ab. Wir befinden uns eine Etage tiefer. Wieder Vollspeed. Steilkurven ohne Ende. Wir sind komplett traumatisiert. Abgefahren, was in Sachen Achterbahn alles möglich ist, aber wir wollen jetzt nach Hause. Lieber noch mal in den Pool springen und ein bisschen erholen von all der Aufregung.

    Am Samstag nach dem Frühstück ist es dann so weit: wir verkaufen unseren Van. Car Max hat uns 9500 Dollar geboten, ein besseres Angebot haben wir nicht. Wir mieten einen Kleinwagen bei Sixt, fahren mit beiden Autos zu Car Max in Orlando, und wickeln den Kauf ab. Es ist am Ende keine große Sache, den Papierkram erledigen die Angestellten und nach etwa 45 Minuten haben wir einen Check in der Hand. Unser treuer Begleiter wird wohl zur Auktion freigegeben. Vielleicht findet er ja einen abenteuerlustigen Besitzer und geht auf eine weitere Reise. Ein bisschen traurig sind wir schon. Aber auch erleichtert. So haben wir eine Sorge weniger, und den Mietwagen geben wir zurück, bevor wir Florida verlassen. Für uns geht es weiter in das sonnenverwöhnte Miami.
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  • Day 148

    Zu Gast bei Mickey und Minnie

    October 28, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 30 °C

    Ein großes Must-Have steht noch auf unserer Liste: Die Freizeitparks in Florida rund um Orlando! In einem Rutsch fahren wir heute die etwa 1000 Kilometer von Louisiana nach Florida. Unser Ziel wird zunächst einmal St. Petersburg bei Tampa am Golf von Mexiko sei. Hier wohnt Tara, die wir in San Diego im Hostel kennengelernt haben. Die Fahrt dauert etwa 13 Stunden und zieht sich ganz schön, aber letztlich bekommen wir so nochmal das Roadtrip-Feeling in seiner reinsten Form zu spüren: In Fastfood-Restaurants gibt es alles, was das Weltenbummlerherz begehrt, aus dem Autoradio trällert mal unsere Roadtrip Playlist, mal Katy Perry oder es gibt eine neue Folge der Drei ??? und stets kribbelt wenigstens ein Körperteil, weil die gekrümmte Sitzhaltung im Van zuverlässig die Blutzufuhr abklemmt. Lieben wir nach fünf Monaten auf Nordamerikas Straßen.

    Wir werden insgesamt drei ganze Tage bei Tara verbringen. Sie zeigt uns Tampa. Einen Abend stürzen wir uns in das Ausgehviertel, wo anlässlich zu Halloween alle verkleidet sind, es erinnert alles ein wenig an Karneval in Köln, auch weil das Ausgehviertel sich auf einen Block konzentriert und drum herum nur menschenleere Straßen in tiefen Häuserschluchten liegen. Tampa hat aber auch chillige Beachbars und Restaurants, in denen wir lecker essen (logisch, leckeres Essen ist immer voll unser Ding) und wir springen auch mal in den Golf, wo wir von einem panischen Fischschwarm regelrecht über den Haufen geschwommen werden, weil sich hungrige Pelikane auf der Suche nach Nahrung vom Himmel kopfüber in das Meer stürzen. Hier können wir auch einen tollen Sonnenuntergang bestaunen.

    Aber unsere Gedanken kreisen häufig um das Auto. Eine Interessentin möchte es sich gerne anschauen, also fahren wir zur nächsten Waschanlage und putzen den Van von Innen und Außen, bessern den Lack an einigen Stellen aus und sprühen Textilduft auf die Sitze. So sauber erstrahlte unser Van noch nie. Vor dem Treffen und der Probefahrt sind wir ziemlich aufgeregt, obwohl wir schon zweimal mit ihr telefoniert haben und sie wirklich nett klang. Kurz vor dem Treffen schreibt sie via SMS, dass sie sich etwas verspätet aber sich freut, uns und das Auto kennenzulernen. Das war dann auch das letzte Lebenszeichen von ihr. Wir stehen auf dem videoüberwachten Parkplatz vor Target und warten. Vergeblich. Auf unsere Anrufe, Emails und SMS reagiert sie nicht. Nach über einer Stunde Warten geben wir auf. „Entweder sie hat uns die ganze Zeit verarscht oder ihr ist etwas zugestoßen“, letzteres wünschen wir ihr nicht, wir werden es aber auch nie erfahren. Etwas geknickt nach dieser Erfahrung treffen wir uns mit Tara zum Abendessen und kommen so schnell wieder auf bessere Gedanken. Letztendlich finden wir noch einen guten Abschluss in Tampa: wir fahren auf Taras Idee zu einem Cupcake Automaten. Das ist natürlich eines von Johannes Highlights des gesamten Urlaubs! Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von Tara (die wir aber in einigen Wochen zu Thanksgiving schon wiedersehen werden) und verlassen St. Petersburg planmäßig ins Landesinnere nach Kissimmee bei Orlando.

    Hier wohnen wir die nächsten zwölf Tage in einem Ferienhaus mit zwei Etagen, zwei Pools und einem privaten Whirlpool auf der Terrasse. Urlaubsfeeling macht sich breit bei so vielen Pools, Palmen und Sonnenschein. Naja obwohl: Nun gerade am Mittwoch regnet es. Das wäre der optimale Tag gewesen, am Pool zu liegen und Kraft zu tanken für den anstehenden Besuch in Disneys Magic Kingdom am Donnerstag. Aber hilft ja nichts: Wir reorganisieren unsere Rucksäcke und den Koffer, den wir in New York gekauft haben. Die ganze Aktion nimmt ordentlich Zeit in Anspruch, lohnt sich aber letztlich, weil wir nun ein gutes Konzept haben, dass bis zur Abreise aus Amerika Ende November funktionieren wird, ohne dass wir ständig alles neu durchwühlen müssen, auf der Suche nach der perfekten Klamotte.

    Heute geht es in den ersten Park! Disneys „Magic Kingdom“. Schon Morgens, 20 Minuten nach Eröffnung, ist der Parkplatz proppenvoll. Unter dauerhaftem, krächzendem Geschrei von Sicherheitshinweisen einer Mitarbeiterin bringt uns eine kleine Bimmelbahn vom riesigen Parkplatz zur Taschenkontrolle. Ziemlich aufgeregt, der Start. Hier hat man die Wahl zwischen der Monorail und dem Raddampfer, um zum Haupteingang zu gelangen. Wir nehmen den Raddampfer. Die Fahrt dauert etwa zehn Minuten und führt über einen See. Das markante Disneyschloss ist schon zu sehen. Erst klein, dann immer größer. Wir sind ganz euphorisch und können es kaum abwarten! Auf der anderen Seite angekommen, eröffnet sich uns die fantastische Disneywelt. Die Hauptpromenade mit ihren verspielten, französisch anmutenden Häuschen ist gut besucht (diplomatisch ausgedrückt), aus Lautsprechern dudelt Disneymusik und über allem tront Cinderellas Schloss. Es ist überwältigend. Heute wollen wir so viele Fahrgeschäfte und Achterbahnen mitnehmen wie möglich, deswegen haben wir uns zum regulären Ticket noch zusätzlich den „Lightning Lane Pass“ gekauft, dadurch können wir die langen Warteschlangen an den Fahrgeschäften abkürzen.

    Am Ende werden wir 13 Stunden im Magic Kingdom sein. Wir fahren „Ariels Grotte“ und besuchen „Peter Pans Flight“. Im Adventure Land sind wir mit Captain Jack Sparrow unterwegs durch die Karibik und befinden uns kurzerhand mitten in einem Seegefecht. Auf der „Jungle Cruise“ begegnen wir wild gewordenen Affen und sind zu tiefst genervt von den schlechten Witzen unseres Tourguides. Die „Haunted Mansion“ lässt unsere Knie schlottern und wir gruseln uns bis ins Mark. Mit einem Floß geht es rüber zu „Tom Sawyers Island“, wo wir einen entspannten, etwas abenteuerlichen Spaziergang machen, bevor wir danach im „Big Thunder Mountains“ wieder komplett wach gerüttelt werden. Zwischen all den Fahrgeschäften sehen wir uns noch eine Disney Show vor dem Schloss an. Und natürlich durfte auch die legendäre Disney Parade nicht fehlen, wo praktisch das gesamte Disney Who-is-Who vertreten war. Als es bereits dunkel ist, gibt es noch das Show Highlight des Abends: die große Disney Show am Schloss, gekrönt von einem opulenten Feuerwerk. Danach stürmen wir noch schnell zu den „Seven Dwarfs“, die „Sieben Zwerge Achterbahn“. Das ist die neueste Achterbahn des Parks und entsprechend gut besucht ist sie über den ganzen Tag hinweg. Die Lightning Lane können wir hier nicht benutzen, daher stellen wir uns regulär an und warteten schlappe 75 Minuten. Das Warten hat sich aber in jedem Fall gelohnt, denn die Achterbahn braust im Affenzahn durch die tiefen Stollen der Zwerge, vorbei an Gold und Edelsteinen. Unser heutiges „Move Goal“ haben wir erreicht. Erschöpft treten wir um kurz vor elf die Heimreise an. Morgen geht es schon in den nächsten Disney Park.

    Es ist Freitag. Ab ins EPCOT Center. Das EPCOT Center kann man grob in zwei Bereiche aufteilen: Der erste Bereich befasst sich mit Zukunftsvisionen und technologischen Errungenschaften der Menschheit und im zweiten Bereich kann man sich kulinarisch und kulturell einmal durch die gesamte Welt bewegen. Auch hier nehmen wir wieder zahlreiche Rides mit, wie etwa „Remy's Ratatouille Adventure“, den Findet Nemo Ride und natürlich den legendären „Spaceship Earth Ride“, der sich in der markanten, großen Kugel des EPCOT Centers befindet. In „SOARIN over California“ fliegen wir in schwingenden Sitzen über die Landschaften Kaliforniens und können hier nochmal so richtig unseren Roadtrip an der Westküste durchleben. Johannes‘ Highlight des Tages ist die Achterbahn „Guardians of the Galaxy“. Locker 90 Minuten stehen wir hier an. Die Stimmung droht zu kippen. Um uns herum rumort es schon. Gerade noch rechtzeitig steigen wir ein. Es geht los! Wir fahren auf einen großen Bildschirm zu und kommen zum Stehen. Zähe Sekunden später schießt die Achterbahn katapultartig los. Rückwärts! Alle schreien. Langsam drehen sich die einzelnen Wagen bei voller Fahrt, während sich der Zug in immer wieder neue Kurven legt. Es macht wahnsinnig Spaß.

    In der Länderabteilung essen wir uns einmal quer um die Welt. Wir treffen Dornröschen in Frankreich, Aladin und Jasmin in Marokko, Mulan in China, Anna und Elsa in Norwegen und posieren mit Schneewittchen in Deutschland, währen im Hintergrund eine Rockband die Stimmung anheizt. Neben Fahrgeschäften und Restaurants gibt es hier zudem haufenweise Souvenirgeschäfte. Wie praktisch für die Amerikaner, die ohnehin nur 10 Tage Urlaub im Jahr haben. So müssen sie gar nicht den langen Flug und den Jetlag auf sich nehmen, um das Land zu verlassen, sondern können einfach ins EPCOT Center fahren und sich an einem Tag einmal um die Welt schoppen. In Japan gibt es Sushi für uns, anschließen machen wir eine Kahnfahrt mit Donald und den drei Cabanerros durch Mexiko und lassen uns in Kanada und China in 360° Kinos durch das Land führen. Besonders aufregend wird es, als wir am Nachthimmel auf einmal ein glühendes Etwas entdecken. Ist das ein Komet, der gleich auf der Erde einschlägt? Nein, es ist eine Rakete! Die ist wohl gerade von dem nahegelegenen Cape Kaneveral gestartet und auf ihrem Weg ins Weltall. Wie cool, dass wir das miterleben! Zwischendurch fallen immer wieder etwas negativ die ganzen angetrunkenen Erwachsenen auf, denn gerade ist das so genannte „Food and Drink Festival“. Ein bisschen befremdlich und unpassend, finden wir. Auch dieser Tag wird wieder sehr lang und findet seinen Höhepunkt in einem opulenten Feuerwerk.

    Unser Wochenende verbringen wir hauptsächlich am Pool und mit Nervosität. Das Auto ist noch immer nicht verkauft und am Sonntag springt auch noch unser zweiter Interessent ab. So langsam bekommen wir Panik. Eigentlich haben wir nicht vor, das Auto die Klippe runterzustürzen. Also gehen wir noch mal drastisch mit dem Preis herunter. Wir setzen uns eine Deadline: Wenn bis Dienstagmorgen kein ernstzunehmendes Angebot reinkommt, müssen wir das Auto an einen Händler verkaufen. Fortsetzung folgt… (R)
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  • Day 145

    New Orleans: Vampire, Jazz & Alligatoren

    October 25, 2023 in the United States ⋅ ⛅ 28 °C

    Unser letztes Frühstück „on the Road“ wollen wir noch einmal richtig zelebrieren. Rico kocht sich einen Kaffee mit dem Spiritusbrenner, wir machen uns Eier und rösten Brot auf unserem Toaster-Aufsatz. Wie oft wir den jetzt schon benutzt haben! Ganz ramponiert sieht er aus, aber er war ein treuer Begleiter. Etwas sentimental packen wir ein letztes Mal unserer Campingsstühle ein, nehmen (ganz ohne Streit) die Lichterkette ab und bestücken unsere Vorratskisten mit dem Campingsgeschirr, das wir heute zum letzten Mal gebraucht haben.

    Viel Zeit zum traurig sein bleibt dann aber gar nicht, denn es geht direkt weiter nach New Orleans. New Orleans, eine Stadt mit einer langen Geschichte: 1718 von den Franzosen gegründet, dann in spanische Hand übergeben, 1800 von Napoleon zurückerobert und schließlich im Jahr 1803 für 15 Mio. US-Dollar an die Vereinigten Staaten verkauft. Die verschiedenen kulturellen Einflüsse lassen sich vor allem kulinarisch in New Orleans erleben. Es wurde sogar ein neuer Begriff für diese einmalige Verschmelzung spanischer, französischer, indigener und afrikanischer Einflüsse geschaffen: „Kreolisch“ wird die Küche in Louisiana genannt und das wiederum leitet sich von „Kreole“ ab, eine Bezeichnung für die Nachkommen spanischer bzw. französischer Siedler, welche neben den eignen Sitten eben auch bereits in frühen Jahren mit den Bräuchen indigener und afrikanischer Bevölkerungsgruppen in Berührung kamen, sodass sich hier eine neuartige Küche ergab. Vielleicht die erste „Fusion Kitchen“ der Welt, wenn man so will. Uns so belesend, verbringen wir die knapp drei Stunden Autofahrt. Wir beginnen unseren Aufenthalt in New Orleans jedoch nicht mit Check-In in unserem Apartment oder Sightseeing sondern mit in der Autowerkstatt. Zum Glück keine Panne, nur ein Ölwechsel. Daneben lassen wir noch eine Glühbirne austauschen und das Lenkrad neu ausrichten, dass seit Portland, Orgeon ein bisschen Schlagseite hat, sodass wir bei geradem Lenkrad immer nach rechts von der Straße abgekommen sind. Wat mut, dat mut! Unser Auto geben wir ab - es soll etwa vier Stunden dauern - und wir schnappen uns ein Uber in die Innenstadt. Hier wollen wir zunächst zum „Café du Monde“ in welchem sogenannte Beignets (eine Art Krapfen) serviert werden, für die New Orleans bekannt sind. Die wollen wir jetzt verdrücken und etwas Zeit totschlagen, bis wir in unser Hotelzimmer einchecken können. Im Uber geht es über eine große Brücke und schon sind wir mitten im „French Quarter“, das ist der Teil New Orleans, in welchem es aussieht wie bei Küss den Frosch. Überall stehen die historischen bunten zweistöckigen Häuser mit traditionellen eisernen Geländern und überdachten Balkonen. Wir fühlen uns wie in einer Filmkulisse. Ein historisches Haus reiht sich an das nächste, jedes auf seine Art einzigartig und windschief, dennoch herrscht in dem „French Quarter“ eine ungemeine Homogenität des Kolonialstils der Gründungszeit.

    Wir steigen aus dem Uber aus und mir zieht direkt eine Welle an kloakigem Brackwassergestank in die Nase. Überall sind kleine, trübe Pfützen, allerdings hat es hier seit Wochen nicht geregnet. Regenwasser ist das also nicht. Der Fäulnisgeruch ist allgegenwärtig und wird uns über die ganze Zeit in New Orleans begleiten, aber mit der Zeit gewöhnen wir uns daran (ob das gut ist oder nicht, können wir nicht sagen). Noch bevor wir das Café betreten können, werden wir von dem Autohaus angerufen. Das Auswechseln der Glühbirne stellt sich als Riesenaktion heraus, es muss erst noch ein Ersatzteil bestellt werden und wir können das Auto erst morgen abholen. Ist nicht zu ändern, so sparen wir uns immerhin eine Nacht die Parkgebühren.

    Das Café du Monde ist gut besucht (ist es wohl immer), aber im Innenraum ist deutlich weniger los und wir finden einen schönen Tisch am Fenster, abseits des Trubels. Für 3.95 $ bekommt man hier drei Beignets. Das Angebot finden wir prima und bestellen zwei mal. Es dauert keine fünf Minuten und schon stehen die frittierten Krapfen vor uns, über und über mit Puderzucker. Wir hauen rein und ich muss an dieser Stelle wirklich sagen, dass ich selten so leckeres Gebäck gegessen habe. Die Beignets sind fluffig und saftig zugleich, ohne fettig zu sein und sogar noch leicht warm. Mit dem Puderzucker ist das ganze natürlich eine riesige Sauerei, aber das ist es allemal wert! Zufrieden und gestärkt, schlendern wir durch das French Quarter in Richtung unserer Ferienwohnung. Hier in New Orleans laufen einige als Vampir verkleidete Gestalten rum, wir kommen an einem Vodoo-Laden vorbei, ein geschmackvoll eingerichtetes Restaurant mit schickem Außenbereich reiht sich an das Nächste, an einer Ecke spielt eine Blaskapelle treibende Jazzmusik. New Orleans wird seinem Ruf schon jetzt gerecht. Es gibt unzählige Gallerien mit so schöner Kunst, dass wir uns an mehreren Fenstern die Nasen platt drücken, in Antiquariaten werden Raritäten aus dem 19. Jahrhundert verkauft und Juwelieren bieten Schmuck für einen fünfstelligen Betrag in ihren Schaufenstern an. Es ist schon alles sehr schick hier, aber ohne dabei arrogant oder unangenehm zu sein. Wir fühlen uns ingesamt schon recht wohl, trotzdem laufen uns auch immer wieder etwas unheimliche Gestalten über den Weg, bei welchen wir unsere Bauchtasche lieber etwas fester halten. Insgesamt sind in New Orleans alle Bevölkerungsschichten unterwegs.

    Unser Hotel liegt einen Block außerhalb des French Quarter, in einem ruhigeren Teil der Downtown. Der Concierge begrüßt uns, wir checken ein und fahren dann hoch in den 12. Stock. Als wir die Tür zu unserem Apartment öffnen, können wir unseren Augen kaum trauen. Unser 2-Zimmer Apartment ist für unserer Verhältnisse sehr luxuriös, super schön und war dafür überraschen bezahlbar. Mit tollem Blick über die Stadt, Wohnzimmer mit Küchenzeile und großem Bett, lässt es sich hier sehr gut aushalten. Wir schmeißen unsere Taschen in die Ecke und machen uns erstmal auf dem Bett lang. Für heute Abend haben wir um 20 Uhr eine Geisterführung zu den Spukhäusern des French Quarter gebucht, denn New Orleans ist nicht erst seit „Interview mit einem Vampir“ bekannt für Vodoo-, Vampir- und Geistergeschichten. Als Stärkung holen Wirkung auf dem Weg zu der Tour noch Sandwiches, „Po’boys“ genannt. Der Begriff ist eine slangartige Kurzform von "poor boy" ("armer Junge"), mit dem typischen „Southern Accent“ ausgesprochen, der hier in den Südstaaten gesprochen wird. Die bestellen wir zusammen mit scharfen Kartoffelsalat. Für Rico gibt es ein Po‘Boy mit Blumenkohl und für mich einen mit Tofu und Lemongrass und wir sind beide völlig aus dem Häuschen wie lecker uns das schmeckt. Danach gehen wir guter Dinge weiter zu unserer Gruseltour. Am Treffpunkt werden wir in Grüppchen von etwa 20 Leuten eingeteilt und dann geht es auch schon los. Die nächsten zwei Stunden führt unser Guide durch die Straßen und Gassen des French Quarter, vorbei an dem „Vampire Café“, in welchem es Cocktails aus Blutkonserven zu trinken gibt, verschiedenen alten Hotels und Apartments, in denen es spuken soll, dem Lafitte Blacksmith (einer der ältesten Bars der USA) und einer alten kreolischen Stadtvilla, über welche die „Animals“ in ihrem Song „House of the Rising Sun“ singen (Hörempfehlung an dieser Stelle zum stimmungsvollen Weiterlesen). Wir haben viel Spaß, holen uns hier und dort einen Drink (in New Orleans darf man sogar auf offener Straße Alkohol trinken, es gefällt uns hier immer besser) und treffen die skurrilsten Gestalten auf der Tour: Eine Dame mit langen schwarzen Haaren und Nachtgewand steht in einer dunklen Ecke und erschreckt dort aus Spaß nichts ahnende Passanten, um danach Selfies mit ihnen zu machen; ein Mann fährt mit seinem Opossum auf der Schulter und seinem Kaninchen im Korb mit dem Fahrrad durch die Straßen und wir schwören, dass uns mindestens drei Vampire begegnet sind.

    Ein gelungener erster Abend finden wir. Auf dem Heimweg durch das French Quarter Richtung zuhause laufen wir fast rückwärts, als wir auf die Burbon Street einbiegen. Mit einem solchen Zirkus haben wir nicht gerechnet. Da wir mit unserer Führung nur durch die dunklen und gruseligen Gassen gelaufen sind, haben wir die Burbon Street komplett umschifft. Ganz in Nashville-Manier reiht sich hier eine Bar mit Live Musik an die Nächste. Aus den offenen Fenstern überlagern sich die Tonspuren der Lautsprecher und die Reklametafeln blinken um die Wette. Es gibt Vodka-Slushie aus langen Tröten und auf der Straße verteilen Promoter Gutscheine für Gentlemen Clubs. Wir sind aber müde und heben uns das Erkunden der Bourbon Street für einen anderen Tag auf.

    Am nächsten Morgen haben wir vormittags einen Tisch bei „The Court of the Two Sisters“ zum Brunch reserviert. Auch dieses Restaurant liegt wieder im French Quarter, das ist also nicht weiter. Etwas angekatert machen wir uns also den Weg. Der Brunch findet wie der Name des Restaurants schon vermuten lässt, im Innenhof statt, der mit Pergolas und kleinen Springbrunnen ausgestattet ganz märchenhaft aussieht. Eine kleines Orchester spielt schöne entspannte Jazzmusik im Hintergrund und es gibt ein reichhaltiges Buffett voller typisch-kreolischer Küche. Dazu gehört Gumbo (ein würziger Gemüseeintopf mit Okrashoten), Cajun-Jambalaya (eine Art Paella mit scharfen Cajun Gewürzen und afrikanischen Einflüssen) und Reis mit Bohnen. Alles sehr schwere, deftige Gerichte die auf unsere sensible Mägen ganz schön reinhauen. Aber insgesamt ein tolles Erlebnis und wir lassen uns viel Zeit, uns durch alles durchzuprobieren und die Ruhe in dem begrünten Hinterhof mit der entspannten Musik zu genießen. Zwischendurch treffen wir noch ein etwas überspanntes deutsches Paar, die sich bei unserer Frage wie ihnen New Orleans denn gefalle, darüber beschweren, wie teuer ja alles sei. Dabei finden wir nach inzwischen fünf Monaten Amerika New Orleans überraschend günstig für das was wir geboten kriegen, auch dieser Brunch hat mit 27 $ pP ein deutlich besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als der US-Schnitt.

    Entspannt und beseelt von dem Jazz-Brunch schlendern wir noch etwas durchs French Quarter, machen einen kurzen Zwischenstopp bei unserem Apartment und ziehen dann weiter in Richtung Werkstatt, unser Auto abholen. Da wir günstig unterwegs sein wollen suchen wir uns eine Busverbindung raus, die bis zur Werkstatt fährt. Der Bus soll in 10 Minuten kommen, läuft ja wie am Schürchen für uns - glauben wir. An der Bushaltestelle stehen wir 10 Minuten, 20 Minuten, 30 Minuten. Neben uns warten noch ca. 30 Menschen auf den Bus, in die Außenbezirke New Orleans fahren scheinbar wirklich nur die, denen es nicht so gut geht. Wir fühlen uns immer unwohler und sind schon kurz davor ein Uber zu rufen, aber dann kommt endlich der Bus. Nach einer langen Fahrt im brechend vollen Bus in die Suburbs und unschönen Bezirke der Stadt, halten wir schließlich auch vor der Werkstatt. Dort legt uns eine Mitarbeiterin die Rechnung vor und möchte eine Unterschrift für alle erledigten Arbeiten haben. Auf die Frage, ob wir uns das Auto vielleicht erstmal ansehen könnten, schaut sie uns völlig entgeistert an. Das scheint hier wohl nicht üblich zu sein, eine vernünftige Abnahme zu machen, bevor man den Preis bezahlt. Sie holt ihren Vorgesetzten doch auch der ist verwundert, dass wir mal eine Probefahrt machen wollen, um die Ausrichtung des Lenkrads zu testen. Schließlich muss der Chef gefragt werden, ob sowas gemacht werden könne. Wenigstens der ist total gelassen und sieht darin überhaupt kein Problem. Also können wir eine Probefahrt in Anwesenheit eines Mitarbeiters machen, alles klappt reibungslos, wir unterzeichnen die Abnahme und nehmen unser Auto wieder mit. Jetzt stellt sich für uns jedoch die Frage: wo sollen wir das Auto abstellen? Auf der Straße wollen es nicht stehen lassen, dafür ist es uns einfach zu unsicher hier. In dem Parkhaus eines Krankenhauses etwa drei Blocks von unserem Apartment entfernt werden wir fündig und stellen unser Auto dort ab. Nach dem aufregenden Ausflug machen wir uns im Apartment was zu Essen, um dann abends in die Burbon Street unsicher zu machen. Daraus wird letztendlich aber nichts, wir sind so faul und fühlen uns in unserem Apartment so wohl, dass wir dort versacken und den Dienstag so unspektakulär vor der Glotze beenden.

    Am Mittwoch holen wir nach dem Frühstück unser Auto aus der Krankenhausgarage und machen uns auf in die Sümpfe von Louisianna, wir haben eine „Swamp-Tour“ gebucht. Mal wieder auf den letzten Drücker kommen viel voll gestresst am Treffpunkt an und schaffen es gerade noch rechtzeitig aufs Boot. Die erste Hälfte der Tour fahren wir die Siedlungen am Sumpf auf und ab. Wir erfahren wie das Leben in ständiger Angst vor dem nächsten Hurricane ist und wieso sich der Schrimpfang in der Region heutzutage kaum noch lohnt. Unsere Laune sinkt minütlich, unser Guide macht nur schlechte Witze und wir hatten uns die Tour ganz anders vorgestellt, nämlich in den abgelegenen Sumpfgebiten des Bayou-Delta und nicht inmitten von Wassergrundstücken und Siedlungsgebieten. Die zweite Hälfte wird dann aber genau nach unserem Geschmack. Wir fahren doch noch in die Sumpfgebiete und sind ganz fasziniert von der immer feuchten Flora die sich hier bietet. Vereinzelte Stech- und Fächerpalmen ragen zwischen klassischen Laub- und Nadelbäumen empor, während das Grün-bräunliche Wasser die Wurzeln der Bäume freispült und Tot- und Treibholz an das Ufer befördert. Lange Bärte hängen von knorrigen Bäumen, es sieht fast gruselig aus. Gräser und Flechten wiegen sich im Wind und bieten Reiern Schutz, die hier brüten. Auf einmal schwimmt eine riesiger Fisch auf uns zu. Nein, kein Fisch, ein Alligator! Ja wirklich! Wie selbstverständlich treibt die riesige Echse in dem Sumpf umher. Hier gibt es viele von der Sorte, die meisten jedoch verstreut in den Sumpfgebieten, und weniger in den offenen Kanälen. Unser Tourguide wirft dem Alligator Marshmallows hin, welche dieser genüsslich einsammelt. Ob das so artgerecht ist wissen wir nicht, aber der Sensationstourismus begeistert die Amerikaner. Auf der Rückfahrt wir sogar noch ein Babyalligator aus einer Box neben dem Motor rausgeholt und rumgereicht, damit jeder ein Foto mit dem Reptil machen kann. Das ist jetzt in jedem Fall nicht artgerecht und um nicht verklagt zu werden weil wir das Tier ins Wasser geworfen haben, wenden wir uns ab. Es bricht uns wirklich das Herz zu sehen, wie unreflektiert dieses Tier rumgereicht und angefasst wird, als wäre es ein Schoßhündchen. Aber so ist leider die Menschheit. Insgesamt hat uns die Sumpffahrt sehr gut gefallen und wir haben einen Eindruck von der einmaligen Natur der Gegend erhalten können. Nach unserer Rückkehr stellt sich jedoch die Parkplatzsuche als Problem dar. In dem Parkhaus am Krankenhaus ist alles belegt und auf Nachfrage erfahren wir, dass wir dort auch gar nicht parken durften. Wir müssen uns also etwas anderes suchen und das ist gar nicht so einfach. Unser Auto ist einfach zu hoch für die umliegenden Parkhäuser. Wir ziehen den Radius immer größer, aber immer ist die Decke zu niedrig. In ein Parkhaus fahren wir rein, dessen Schranke man jedoch nur mit Clubkarte passieren kann, sodass wir rückwärts wieder ausparken müssen. In einer für uns gefühlt sicheren Nachbarschaft in 30 Minuten Entfernung stellen wir das Auto kurz ab, jedoch befindet sich keine 20 Meter weiter eine Zeltstadt und mit dem Bett im Kofferraum haben wir einfach Bauchschmerzen es da stehen zu lassen. Also wieder zurück und weiter suchen. Nach über einer Stunde Suche, finden wir schließlich ein Parkhaus, mit einer freigegebenen Autohöhe von 6‘10“ (6 Feet, 10 Inches). Unser Auto ist 6‘10“ hoch. Wir müssen es probieren, etwas anderes finden wir nicht. Also passieren wir die Schranke und fahren hoch. Ratsch. Einmal sind wir an der Decke langgeschrappt. Mist. Mit schweißigen Händen kommen wir gerade so durch das Parkhaus und stellen unser Auto besser schlecht als recht ab. Hauptsache wir kommen da auch wieder raus…

    Am Abend stürzen wir uns in das Nachtleben im French Quarter. Zuerst geht es in die Vampire Bar, wir wollen unbedingt so ein Blutkonserven-Cocktail ausprobieren. Weiter geht es mit einem Vodka-Slushie und bunten Treiben in der Burbon Street. In einer Bar mit Balkon im zweiten Stock, trinken wir mit Schlagseite einen Cocktail. Schlagseite nicht etwa weil wir betrunken sind, sondern weil die Balkone hier zum Teil schon so auf halb sieben hängen, dass man das Gefühl hat man rutscht gleich über das Geländer (in Deutschland wäre das aus Sicherheitsgründen schon längst abgerissen). Unsere Getränke bekommen wir daher auch nur in Plastikbechern, vermutlich hat es hier schon zu viele Unfälle und damit einhergehende neu bespukte Orte gegeben, dass man das Risiko einfach nicht mehr eingehen möchte. Von hier oben haben wir aber einen tollen Blick und unten an der Straße spielt sogar jemand auf seiner Trompete Jazz Musik, sehr atmosphärisch. Wir beschließen den Abend mit einem Bier vom Späti und schlendern damit durch die Gassen (das muss man ausnutzen wenn das schon mal erlaubt ist). An einem Donnerstagabend kann man in New Orleans ganz schön viel Spaß haben.

    Den nächsten Morgen schlafen wir aus und wollen uns dann das Garden District anschauen. Das Garden District ist der Teil New Orleans, in welchem die alten Kolonialvillen stehen. Dafür fahren wir mit der historischen Tram vom French Quarter bis ins Garden District. In den Vereinigten Staaten gibt es sowieso nur in drei Städten eine Straßenbahn und alle drei haben wir besucht: Portland in Oregon, San Francisco in Kalifornien und New Orleans in Louisiana. Die Fahrt dauert etwa 40 Minuten, in welchen sich die Straßenbahn gemütlich ihren Weg hinauf ins Garden District bahnt. Heute ist es wirklich heiß und auch wir sind etwas angeschlagen. Daher setzen wir uns erst mal ein nettes Café und trinken ein kaltes Getränk. Anschließend spazieren wir durch die schönen Alleen und bewundern die prächtigen Bauten. Hier lässt es sich wirklich gut leben! Weiße, mindestens dreigeschossige, riesige Anwesen werden von wunderschön gepflegten Gärten mit plätschern Springbrunnen und hohen Hecken umschlossen und messen sich mit ihren Nachbarn in der Prunkhaftigkeit. Nach unserem Ausflug ins Garden District spazieren wir noch einmal durch das schöne French Quarter am Tag, besichtigen die eine oder andere Galerie, bummeln durch die Gassen und machen uns dann langsam auf den Weg zu dem Highlight unseres New Orleans Aufenthalts: ein Jazz Dinner auf einem Schaufelraddampfer. Zunächst wird unten im Restaurant ein Buffet angeboten, auch hier wieder typisch kreolische Küche, anschließend gehen wir mit einem Drink bewaffnet an Deck und genießen die traumhaft schöne Dampferfahrt die - wie soll es anders sein - begleitet wird von einem kleinen Orchester, das atmosphärische Jazzmusik spielt.

    Einen perfekteren Abschluss für unseren New Orleans Aufenthalt hätten wir uns uns nicht vorstellen können. Eine so bunte, lebendige, verrückte und gleichzeitig stilvolle Stadt. Wir werden New Orleans in guter Erinnerung behalten und freuen uns jetzt auf die letzte Etappe unserer Reise: es geht nun endlich nach Florida!
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  • Day 141

    Nächster Halt: Great Smoky Mountains ⛰️

    October 21, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 19 °C

    An der Ostküste waren wir jetzt etwa sechs Wochen, haben mehrere Städte erkundet und waren in den vielfältigsten Landschaften unterwegs. Zeit für ein weiteres Kapitel: Der (sub-)tropische Süden der Staaten. Der Weg dorthin - es soll zunächst nach Louisiana gehen - ist weit. Mehr als eintausend Meilen (etwa 1800 Kilometer). Bei uns kommt direkt wieder Roadtripstimmung auf. Und ein Nationalpark liegt auf halber Strecke: Die Great Smoky Mountains. Die kennen wir schon aus einer Doku, die wir in Vorbereitung auf unsere Reise geschaut haben. Die Entscheidung fällt also leicht: Ab in den 500 Meilen entfernt Osten Tennessee‘s (in Tennessee befindet sich auch das zentral gelegene Nashville, dass wir schon Ende August besucht haben).

    Unser Weg von Washington DC führt uns über endlos lange Interstates. Nach einem langen Autofahrtag kommen wir dann schließlich auf dem KOA in der Nähe von Newport an. Es ist herbstlich, feucht und farbenfroh. Garnicht zu vergleichen mit der drückenden Hitze während unseres Nashville Besuchs. In unserem Van ist es gemütlich, es gibt einen Film und was zu knabbern, die Lichterketten geben der Atmosphäre den letzten Schliff.

    Der Freitag ist ein typischer Admin-Tag. Aber er startet zunächst einmal mit einer Rettungsaktion: Kaum sind wir vom Zeltplatz aufgebrochen, entdecken wir eine etwa faustgroße Schildkröte auf der Straße. Nach kurzem Zögern schnapp ich sie mir und trage sie über die steile Böschung in das sichere Unterholz, weit genug von der Straße entfernt. Die kleine bleibt sicherheitshalber die ganze Zeit zurückgezogen in ihrem Panzer, blinzelt uns aber kurz verhalten an. Johannes schneidet noch ein Scheibchen Gurke ab und legt es in ihre Nähe, als kleine Stärkung. Wir verabschieden uns und dann gehts weiter.

    In Dandridge, einem 3000-Seelen Dorf, finden wir ein gemütliches Café. Hier verbringen wir den Tag und sichten Fotos, schreiben den Boston-Post für unseren Blog und recherchieren zu Louisiana und Florida. Es sind genau diese ruhigen Stunden, die wir jetzt brauchen, nach all den Großstädten der letzten Wochen. Es passiert wirklich nicht viel. Wir schlendern noch kurz durch den verschlafenen Ort, der liebevoll herbstlich dekoriert ist, stehen vor der geschlossenen Touriinfo (verirrt sich hier wirklich jemals ein Touri her?) und spazieren dann zum Auto. Auf dem Weg zurück zum Zeltplatz halten wir - es ist früher Abend - an einem Supermarkt und decken uns am Daily (große Supermärkte haben häufig einen Daily, eine Art warme Theke, ähnlich einem Imbiss) völlig ausgehungert und daher etwas ehrenlos mit Mac and Cheese und riesigen, frittierten Chicken Nuggets ein, die wir noch auf dem Parkplatz im Auto wie die Barbaren verspeisen. Feinste amerikanische Küche eben.

    Heute ist Samstag. Und wir sind in den Great Smoky Mountains, es ist also klar was heute passieren muss: Wandern. Nach einem leckeren Frühstück, dass wir klassisch mit Hilfe unseres Campingkochers zubereiten, fahren wir los. Die Sonne scheint, es ist angenehm mild. Beste Voraussetzungen. Das denken sich wahrscheinlich auch alle anderen: Für die 35 Meilen bis zum nördlichen Visitor Center des Nationalparks brauchen wir anderthalb Stunden. Hauptsaison bei bestem Wetter. Automassen stauen sich bis rein in den Park. Unser National Geographic Reiseführer empfiehlt uns den ‚schönsten Wanderweg des Parks‘, unweit vom Eingang. Und wir bekommen mit etwas Glück tatsächlich einen Parkplatz am Fuße des Trails. Der Trail an sich entpuppt sich dann als relativ kurzer, vielleicht 2 Kilometer langer Rundweg durch den urtümlichen Laubwald. Vielleicht sind wir von den kilometerlangen Staus gezeichnet, vielleicht haben wir auf unserer Reise auch schon so viele überwältigende Landschaften gesehen, jedenfalls sind wir gerade ziemlich unbeeindruckt. Objektiv betrachtet sind die Smokey‘s wunderschön: Glasklare Gebirgsflüsse, ausgedehnte Laub- und Mischwälder, die im Herbst in den schillerndsten Farben erstrahlen, hohe Berge und abgelegene Dörfer. Aber wir sind heute schwer zu beeindrucken. Auf dem Parkplatz bereiten wir uns mit dem Campingkocher eine Packung Mac and Cheese. Im angrenzenden Bach fülle ich die Wasserfilterflasche - vielleicht zum letzten Mal hier in den USA - mit dem kristallklaren Wasser. Letztlich ist es dann schon nochmal ein schönes Outdoorerlebnis. Wir beschließen, den Parkloop zu fahren. Von etlichen Pullouts hat man phänomenale Ausblicke auf die bergige Landschaft und den alles-bedenkenden Wald. Am Wegesrand grast ein Hirsch. Bei guter Musik verlassen wir schließlich den Park.

    Sonntag brechen wir früh auf. Heute fahren wir weiter gen Süden über Alabama nach Mississippi. Es sind wieder knapp 500 Meilen. Unser Campground in Mississippi ist nur ein Steinwurf von Louisiana entfernt. Als wir am frühen Abend ankommen und aus dem Auto steigen, laufen wir wie gegen eine Wand: es ist schwül-warm. Wir sind in den tropischen Gefilden angekommen!! Der Pool ist leider schon geschlossen, aber eine kühlende Dusche tuts auch. Während wir die Lichterkette aufhängen und die Klappstühle vor dem Van aufbauen, wird uns bewusst, dass die heutige Nacht die letzte in unserem Van und auf einem Zeltplatz sein wird. Ab morgen schlafen wir bis zum Ende unserer Reise nur noch in ‚festen Betten‘. Der Gedanke berührt uns. Auf eine schöne Weise. Der Van war während unserer Reise mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Er war unser Zuhause, unser Rückzugsort, in und um ihn haben wir unser tägliches Leben organisiert: Wir haben hier Lebensmittel verstaut, Wäsche gelagert, Filme geschaut und bei schlechtem Wetter haben wir drin gesessen und gegessen, gedaddelt und gelesen. Den Abend verbringen wir quatschend bei Kerzenschein. Es ist ein schöner Abend, und wie selbstverständlich ist unser schwarzer Chevi mit dabei. Ein Stück der Roadtripromantik lassen wir mit dieser Nacht hinter uns. (R)
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  • Day 138

    Philadelphia & Washington DC in 3 Tagen

    October 18, 2023 in the United States

    Die Nacht auf Montag verbringen wir auf dem KOA Phili West - der Campground liegt also westlich von Philadelphia. Das trifft aber auch auf Colorado, San Francisco oder den Yosemite National Park zu: alles westlich von Philadelphia. Naja, jedenfalls stehen wir früh auf, packen unsere sieben Sachen nach einem kurzen Frühstück treten dann die 50 Meilen (80 Kilometer) bis nach Phili Downtown an. Wir haben nicht viel Zeit hier, ein paar Stündchen, dann solls weiter gehen nach Washington DC. Philadelphia werden wir vor allem kulinarisch entdecken, aber eins nach dem anderen. Ein Parkplatz findet sich schnell und so ziehen wir zu Fuß los. Hier im Stadtteil Old City ist es ziemlich gemütlich und ruhig. Das ein oder andere Auto fährt durch die engen Einbahnstraßen, aber sonst trifft man eher Fußgänger auf den roten Backsteingehwegen. Die Häuser sind meist älter, um die 100 Jahre, mal schmuckvoller, mal etwas runtergekommener. Es gibt auch mal einen modernen Bürokomplex mit seelenloser Fassade und einem kleinen Platz davor, in den Erdgeschossen sind kleine Läden und Cafés, es ist alles in allem wirklich nett hier. In einem quietschbunten vietnamesischen Café holen wir uns einen Drink: Für Johannes gibt es einen Iced Purple Butterfly Tea und für mich einen Iced Vietnamese Cold Brew Coffee. Das besondere: Die Eiswürfel bestehen aus dem jeweiligen Drink. „So the drink doesn't get watered down“ (der Drink verwässert nicht), erklärt uns der nette Mann hinter dem Tresen. Und er sollte Recht behalten. Bis zum Schluss sind die Getränke geschmacklich ein Knaller. Man muss dazu wissen, dass hier in den USA für die Zubereitung eines kalten Drinks zunächst das Glas komplett bis oben hin mit Eiswürfeln gefüllt wird und erst dann das eigentliche Getränk drüber gegossen wird, dass dann den Raum zwischen den Würfel auffüllt...garantiert kalte aber auch garantiert dünne Drinks gibts auf diese Weise in jedem Winkel des Landes.

    Weiter gehts zum Pennsylvania State House, das heute Independence Hall heißt und in dem die Liberty Bell hängt. Die Glocke wurde 1776 geläutet, nachdem die Unabhängigkeitserklärung in Philadelphia öffentlich verlesen wurde und gilt seit dem als eines der wichtigsten amerikanischen Symbole für Freiheit und Demokratie. Long story short: Wir sitzen in dem Park vor der Independence Hall und haben uns zu den Thema belesen, gehen letztendlich dann aber nicht die Ausstellung. Statt dessen zieht es uns zu Sonny’s Famous Steaks. Das ist DER Imbiss für Philly Steaks. Wie schon so oft, wurde uns auch diese lokale Spezialität auf unserer Reise mehrfach empfohlen. Der schmale Laden hat Charme. Weiter hinten ist ein kleiner Bereich mit ein paar Tischen, an der Langen Seite gegenüber des Tresens samt Arbeitsbereich sitz man an der Wand auf Barhockern. Die Spiegel an den Wänden lassen den Imbiss größer erscheinen. Bei einen Philly Steak handelt es sich um sehr fein geschnittenes, gegrilltes Rinderfleisch mit Käse das in einer Art übergroßem Hotdogbrötchen serviert wird. Wahlweise kann man noch Pilze, Zwiebeln und Gewürzgurken dazu bestellen. Zusammen mit Senf und Ketchup gibt das ein ziemlich leckeres Essen. So schmeckt also Philadelphia. Wir sind begeistert!

    Jetzt wäre ein Nachtisch nicht schlecht. Zum Glück gibt es laut Johannes‘ Recherche hier einen der besten Milchschake Läden der Staaten: The Franklin Fountain. Wieder ein schmaler Laden, diesmal mit Stuck an der Decke und altem Tresen und Mobiliar aus der Zeit der 20er und 30er Jahre. Hinter dem Tresen trägt man Anzug und Melone. Und der Milchshake ist wirklich eine Wucht: Wir entscheiden uns ganz klassisch für den Erdbeer-Shake mit bunten Streuseln. Lecker! Mit all den Leckereien im Bauch schleppen wir uns zurück zum Auto. Unsere kulinarische (und ansatzweise historische) Exkursion durch Philadelphia ist zu Ende und es sind noch drei Stunden bis Washington DC.

    In Washington DC beziehen wir unser fensterloses Hostelzimmer, dass wir uns mit einem Pärchen aus Lichtenberg teilen (wie klein die Welt ist!). Es ist bereits abends. In der Hostelküche chillend treffen wir dann Robbin. Der kommt aus Würzburg und ist seit ein paar Tagen in den USA für eine kleine Rundreise. Zwischen uns dreien entwickelt sich eine wirklich gute Unterhaltung, es gibt Bier, wir lachen und tauschen uns über unsere Erlebnisse aus. Wirklich eine guter Einstand in Washington. Beschwipst schwingen wir uns schließlich in unser Doppelstockbett.

    Dienstag, Tag eins von zwei in Washington DC. Direkt für Morgens haben wir eine Führung durch das Kapitol gebucht. Der eindrucksvolle klassizistische Kuppelbau im Herzen der Stadt ist Sitz des amerikanischen Kongresses (Legislative) der wiederum aus zwei Kammern besteht: dem Senat und dem Repräsentantenhaus. Auf der Führung erfahren wir viel über das Gebäude und das politische System in den USA. Das ganze Gebäude beherbergt hunderte von überlebensgroßen Statuen, aus allen Ecken des Landes. Sie alle stellen wichtige Persönlichkeiten dar, die sich um die Nation verdient gemacht haben. Und dann folgt unser Highlight des Tages: Gerade heute tagt das Repräsentantenhaus und es geht um nicht weniger als die Wahl des Speaker of the House. Das ist der Vize-Vize-Präsident der Vereinigten Staaten und daher ein ausgesprochen hoch angesehenes Amt. Nach zweifacher Sicherheitskontrolle dürfen wir auf den Besucherrängen Platz nehmen. Fotos sind streng verboten. Die folgenden anderthalb Stunden sind hochinteressant: Zunächst ist Stimmung wie auf einem Jahrmarkt. Hunderte von Abgeordneten laufen umher, stehen in Grüppchen zusammen oder starren auf ihre Handys. Dann ruft die Vorsitzende zur Ruhe. Alle nehmen ihr Plätze ein. Es folgt jeweils eine kurze Rede der Kandidaten der zwei größten politischen Lager: Demokraten und Republikaner. Diese ist jeweils eher ein Angriff auf den politischen Kontrahenten, was zu lautstarken Protestbekundungen auf der einen und frenetischem Klatschen und Jubeln auf der anderen Seite führt. Danach wird abgestimmt. Öffentlich. Alphabetisch wird jeder der Anwesenden verlesen, dieser steht auf und nennt den Namen seines Kandidaten. Über 400 Repräsentanten geben ihr Stimme ab. Nach über einer Stunde steht das Ergebnis fest: 212 zu 200 Stimmen für den Demokratischen Kandidaten. Nicht ausreichend. Die Wahl muss wiederholt werden. Für uns war es nichts desto trotz ein spannendes Erlebnis und ein toller Einblick in die amerikanische Politik.

    Danach schlendern wir durch die Stadt. Washington DC ist in seinem Zentrum wirklich sehr weitläufig. Riesige Rasenflächen, Wasserbecken, breite Fußwege. Großzügig. Und aufgeräumt. Auf dem Weg zum Weißen Haus sichert der Secret Service mehrere Kreuzungen. Überqueren verboten. Das Leben steht kurz still. Dann Motorräder mit Blaulicht. Dann eine schwarze Fahrzeugkolonne. Etliche Fahrzeuge. Alle mit Baulicht. Joe Biden ist auf dem Weg nach Israel um den Israelis die US-Amerikanische Unterstützung im Kampf gegen die Hamas zuzusichern. Kaum das alle Fahrzeuge die Kreuzung passiert haben, gibt der Secret Service die Kreuzung wieder frei. Wir gucken uns das Weiße Haus noch von außen an und schlendern dann zurück zum Hostel. In einer Kneipe ist Happy Hour, es gibt Bier im Pitcher und Tacos zum Abendbrot. Nebenbei machen wir die Planung für die nächsten Tage.

    Unser zweiter und letzter Tag in Washington. Museumstag. Heute machen wir uns morgens keinen Stress und genießen erstmal die Pancakes mit Tiefkühlfrüchten auf der Dachterrasse des Hostels. So gestärkt schlendern wir los. Unser Ziel: The National Mall. Das ist der riesige Park, der sich über eine Länge von 2 Meilen im Zentrum der Stadt vom Kapitol im Osten bis zum Lincoln Memorial im Westen erstreckt. Entlang dieses ausgedehnten Grünstreifens reiht sich Denkmal an Museen. Im Museum of Archives besichtigen wir unter anderem die originale Unabhängigkeitserklärung, danach folgt das National Air and Space Museum wo vom ersten Fluggerät, über die moderne Luftfahrt bis hin zu Marsrovern alles im Original ausgestellt ist, bevor wir dann noch Teile des National Museum of the American Indians anschauen. Hier wird der Völkermord der europäischen Einwanderer an den Indigenen Völkern im Zuge der Kolonialisierung Nordamerikas thematisiert (wobei das Wort Völkermord nicht Teil der Ausstellung ist, vielmehr bezeichnen wir beide die historischen Vorgänge so, weil ziemlich genau das stattgefunden hat). Der letzte Museumsbesuch beschäftigt uns sehr und wir beschließen zum Lincoln Memorial zu spazieren. Es geht vorbei am Washington Monument, dem gigantischen Obelisk und entlang des großen rechteckigen Wasserbeckens, dass man von den Protesten der Friedensbewegung 1967 kennt. Und dann stehen wir vor dem tempelartigen Gebäude, in dem sich die riesige Statue des sitzenden Abraham Lincoln befindet. Man wird ein wenig ehrfürchtig wegen der schieren Größe. Von den Treppen des Monuments ist die Aussicht fabelhaft. Das in dieser Stadt Politik im ganz großen Stile gemacht wird, kann man hier oben noch einmal intensiv spüren. Washington DC ist ein spannendes und sehenswertes Pflaster. Zwei Tage reichen dann aber auch, vor allem wenn man ausschließlich zu Fuß unterwegs ist. Fußtechnisch leicht angeschlagen humpeln wir zu einem gehobeneren mediterranen Restaurant in der Nähe unserer Unterkunft, wo wir unseren Washingtonaufenthalt ausklingen lassen.

    Mit Philadelphia und Washington DC haben wir zwei weitere, ziemlich interessante Städte kennengelernt, aber bis nach Florida ist es noch weit, und wir werden nicht auf direkten Weg dort hinfahren. (R)
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  • Day 130

    Welcome to New York 🗽

    October 10, 2023 in the United States ⋅ ☁️ 18 °C

    Nun ist es endlich soweit. Als Nächstes steht auf unserer Reise die Stadt auf dem Plan, die niemals schläft. Die Stadt, die man in so vielen Filmen schon gesehen hat und die wohl berühmteste Stadt der Welt: New York City. Für mich ist es das erste Mal in New York. Rico war zwar schon zweimal hier, doch ist seine Vorfreude auf New York dadurch vielleicht sogar noch größer. Der Abschied von unserem Zeltplatz auf Rhode Island fällt uns nicht sonderlich schwer. Wir packen wie so oft unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Weg in Richtung New York. Laut dem Navi soll die Fahrt drei Stunden dauern. Wir sind aufgeregt. In New York haben wir ein kleines und bezahlbares Apartment in Gramercy Park, mitten in Manhatten gefunden. Unsere Vorfreude wird dabei etwas überschattet von den Bewertungen, die kürzlich zu dieser Unterkunft abgegeben wurde : es soll wohl Kakerlaken geben und teilweise wurde auch die Bettwäsche nicht gewechselt. Wir versuchen uns davon jedoch nicht schon jetzt verunsichern zu lassen und wollen uns ein eigenes Bild von der Unterkunft machen. Letztendlich wollen wir dort ja eh nur schlafen und ein Bett gibt es ja immerhin.
    Dass wir die Dusche und die Toilette mit fünf anderen Einheiten teilen müssen, ist für uns ja nach vier Monaten Zeltplatz auch nichts Neues mehr. Um uns richtig in New York Stimmung zu versetzen hören wir typische New York Songs („Empire State of mind“ - Alicia Keys; „New York, New York“ - Frank Sinatra; „Welcome to New York“ - Taylor Swift und „Ich war noch niemals in New York“ - Udo Jürgens). Die Fahrt kommt uns ewig vor. Etwa 100 km vor der Stadtgrenze New Yorks wird der Verkehr immer dichter und zunehmend stockender. Unsere anfängliche Freude, dass wir an einem Montag in New York anreisen und deshalb nicht viel Verkehr zu erwarten haben, wird schnell von der Realität eingeholt: dieses Wochenende wird in Amerika der Columbus Day gefeiert und die Amerikaner haben diesen Montag frei. So haben natürlich viele die Möglichkeit genutzt über das lange Wochenende wegzufahren und wollen alle heute zurück nach New York, wie auch wir. Die letzten 40 Minuten fahren wir im stop and go und so wird die vorgestellte, romantische Einreise nach New York zu einem stressigen Verkehrschaos. Und trotzdem: als sich die Skyline Manhattans am Horizont vor uns auftut, wird die Vorfreude wieder größer. Wir fahren nach Manhattan rein, vorbei am Empire State Building und durchqueren den Tunnel unter dem Hauptquartier der Vereinten Nationen. Zum Schluss fahren wir sogar noch über die Brooklyn Bridge, denn wir wollen unser Auto in einer der Nebenstraßen Brooklyn abstellen, hier kann man sieben Tage kostenlos parken. Doch auch da waren wir wohl etwas naiv, denn natürlich sind wir nicht die einzigen, die kostenlos in Brooklyn parken wollen. Wir reihen uns ein in eine Autokolonne von Parkplatzsuchenden und es dauert letztendlich über eine Stunde, bis wir eine Parklücke gefunden haben, die erstens groß genug für unser Auto ist und zweitens nicht direkt vor einem Hydranten steht. Zwar ragt unsere Nase etwas nah an den Hydranten ran, wir finden aber, dass noch ausreichend Platz gegeben ist und sind inzwischen so verzweifelt, dass wir diesen Parkplatz nehmen. Aus den zunächst angesetzten drei Stunden Fahrt wurden so insgesamt über fünf Stunden. In unserer Blauäugigkeit haben wir auch schon Tickets für das Empire State Building für unseren Anreisetag gebucht. Jetzt ist es 16:00 Uhr. Wir müssen spätestens 16:40 Uhr am Empire State Building sein. Angespannt von der Parkplatzsuche, keulen wir nun also zur nächsten U-Bahn-Station, fahren auf direktem Weg zu unserer Unterkunft, schmeißen dort nur schnell unsere Sachen in die Ecke (auf den ersten Blick können wir keine Kakerlaken sehen und auch die Bettwäsche ist frisch) und pesen dann zum Empire State Building, wo wir um Punkt 16:40 Uhr ankommen. Geschafft! Für die ausführliche Ausstellung rund um den Bau und die Bedeutsamkeit des Empire State Building vor den Fahrstühlen haben wir derzeit keinen Kopf und marschieren deshalb direkt zu den Fahrstühlen, die uns in den 86. Stock zu der Aussichtsplattform bringen. Dort oben angekommen können wir dann zum ersten Mal wirklich durchatmen und realisieren: wir sind in New York! Von hier oben hat man wirklich einen tollen Blick. Wir sehen das World Trade Center, das Chrysler Building, den Hudson River, das Hauptquartier der Vereinten Nationen, den Central Park und die vielen vielen Wolkenkratzer. Klar, kennt man New York schon irgendwie aus Filmen und Serien, aber nun selber hier oben zu stehen ist nochmal etwas anderes. Die urbane Geräuschkulisse ist durchsetzt von Autohupen und Polizeisirenen und das Licht der bereits tief stehenden Nachmittagssonne wird von den vielen Glasfassaden der Wolkenkratzer so reflektiert, dass die ganze Stadt einen goldenen Anstrich erhält. Wenn Prag nicht schon den Titel, der „goldenen Stadt“ tragen würde, New York wäre ein guter Anwärter. Hier oben verbringen wir einige Zeit, doch nach der aufregenden Anreise, knurren inzwischen unsere Mägen. Wir stürzen uns in den Großstadtdschungel der Midtown und wollen unseren ersten Abend in New York schön essen gehen. Doch das ist auch aufgrund des Feiertages gar nicht so leicht: hier zu teuer, da zu voll, da nicht gemütlich genug. In gleiche Maße wie unser Hunger steigt, sinkt auch die Laune. Doch letztendlich werden wir bei einem gemütlichen Italiener in Chelsea fündig und lassen uns dort Pizza, Pasta, Bier und Wein schmecken. Zufrieden und gesättigt spazieren wir anschließend noch zum Time Square, wo die bunten Reklametafeln und unzähligen Lichter den Nachthimmel erleuchten. Müde und erschöpft von dem aufregenden Tag fahren wir dann zurück zu unserer Unterkunft und schlafen schnell ein.

    Am nächsten Morgen (keine Kakerlake in Sicht) wollen wir den Central Park mit Fahrrädern erkunden. Der Central Park zählt zu den größten Parkanlagen der Welt und erstreckt sich von der 59th Street bis zur 110th Street. Auf Leihrädern durchqueren wir den ganzen Vormittag den kommen vorbei an dem Central Park Zoo, dem Bootshaus, dem Belvedere Castle und dem Jaqueline Kennedy Reservoir. Neben dem Bootshaus gibt es auch ein kleines Café, in welchem wir uns Bagels und frischgepressten Orangensaft (für 5 $ Dollar und das in Manhattan!) schmecken lassen. Gegen Mittag verlassen wir den Central Park und radeln durch die Upper West Side zum Hudson River. Von dort führt ein Radweg einmal ganz um Manhattan, den wollen wir abradeln. Das Ganze ist jedoch weniger romantisch, als wir es uns vorgestellt haben. Zum einen habe ich die Größe Manhattans völlig unterschätzt (den ganzen Radweg abzufahren, würde einen ganzen Tag in Anspruch nehmen), zum anderen führt der Radweg ununterbrochen an dem viel befahrenen Highway 9A entlang und ist somit gar nicht mal so idyllisch wie gedacht. Dennoch kommen wir an einigen Sehenswürdigkeiten vorbei: der Highline (einer ehemaligen Hochbahntrasse, die zu einer Parkanlage umgewandelt wurde), dem One World Trade Center mit dem Ground Zero, dem Wall Street District mit den vielen Wolkenkratzern und dem Battery Park, von welchem man einen tollen Blick auf die Freiheitsstatue hat. Wir kommen bis zur Lower Eastside in (dem weniger wohlhabenden Stadtbezirk in Süd Ost Manhattan). Dann kann ich nicht mehr und möchte die Räder zurückgeben. Das ist jedoch gar nicht so leicht. Denn auch hier muss man sich die Größe Manhattans vor Augen führen: unser Radverleiher liegt an der Ecke der 56st Street und Seventh Avenue. Aktuell befinden wir uns jedoch südlich von der 1st Street und östlich von der First Avenue. Wir Müssen also über 56 Straßen nach Norden und über sieben Avenue (mit mehreren Nischenstraßen) nach Westen. Da unsere Unterkunft in der 16th Street quasi auf dem Weg liegt, machen wir dort eine kurze Pause, um uns zu stärken. Danach beginnt die wohl stressigste Fahrradfahrt meines Lebens. Wir stürzen uns in den Großstadtdschungel und fahren die siebte Avenue über 50 Straßen runter Richtung Central Park. Rico hat den Spaß seines Lebens und schlängelt sich durch den Verkehr wie eine Gazelle, ich hingegen stehe kurz vor einem Nervenzusammenbruch und schließe innerlich mit meinem Leben ab. Radfahrer haben in New York gefühlt keine Rechte. Taxis parken wie selbstverständlich auf dem Radweg und Autos biegen ab, ohne einen Schulterblick zu machen. Wenn man nicht höllisch aufpasst, ist man schneller Matsch, als man Manhattan sagen kann. Wie durch ein Wunder kommen wir jedoch unversehrt (ich dafür aber mit mindestens einem grauen Haar mehr) bei dem Fahrradhändler an. Vorhin haben wir uns noch gewundert, warum wir nur eine Karte für den Central Park bekommen haben, jetzt wissen wir es. New York ist eben keine Fahrradstadt. Statt mit den Rädern fahren wir nun also mit der U-Bahn nach Brooklyn, immerhin: unser Auto ist noch da. Brooklyn gefällt uns jetzt, wo wir es wirklich wahrnehmen können, sofort sehr gut. Die Häuser sind hier nur noch maximal dreistöckig und mehrheitlich in dem charmanten Backsteinrot gehalten, dass man von Brooklyn erwarten würde. Die Straßen sind kleiner, unaufgeregter und insgesamt herrscht hier eine gemütliche Stimmung. So schlendern wir den späten Nachmittag durch Brooklyn und kommen auf dem Weg zur Brooklyn Bridge auch durch das Nobelviertel Brooklyn Heights. Hier wohnt die wohlhabende Bevölkerung New Yorks. Zwar haben die Stadtvillen auch hier den Brooklyncharme, der uns so gefällt, doch sind die Anwesen größer und stilvoller. Hier haben wir Lust, etwas trinken zu gehen und finden in einer eleganten Bar eine Auswahl an Bier und Cocktails, die uns beiden zusagt (wer nimmt wohl was?). Als wir weiter zur Brooklyn Bridge spazieren, ist es bereits dunkel und so bietet sich uns auf der Brücke ein Anblick für die Götter. In der Stadt, die niemals schläft leuchten die Wolkenkratzer nachts um die Wette. Mittendrin wird das Empire State Building bunt angestrahlt und in der Ferne auf dem Wasser können wir grünleuchtend die Freiheitsstatue ausmachen. Wir genießen den Blick auf Manhattan, machen ein paar Fotos und beschließen so unseren ersten vollen Tag in New York.

    Für Mittwoch haben wir Karten für den Bronx Zoo gebucht. Immer montags um 17:00 Uhr wird auf der offiziellen Internetseite des Zoos eine limitierte Anzahl von Freikarten für den darauf folgenden Mittwoch veröffentlicht. Wir haben in der Schlange zum Empire State Building zwei solcher Karten ergattert und nutzen den Tag heute um einen der größten Zoos der Vereinigten Staaten zu besichtigen. Wie der Name schon sagt, befindet sich der Bronx Zoo in der Bronx, dem nördlichsten Viertel New Yorks. Die Bronx ist ein multikultureller Stadtteil, in dem sich durch die afro- und puertoamerikanische Bevölkerung in den späten 1960ern die Ursprünge des Hip-Hop und des Breakdance entwickelt haben. Von dem Stadtteil selbst bekommen wir leider nur wenig mit, dafür verbringen wir aber einen schönen Tag in dem Zoo. Hier können wir auf einer Monorail durch einige große Freiluftgehege fahren, durchlaufen einen Glastunnel, der mitten in ein Gorillagehege führt und können sogar einen Schneeleoparden sehen. Zurück in Manhattan laufen wir am Nachmittag mit einem Frozen Joghurt durch die Upper Westside, einem der glamouröse und wohlhabendsten Viertel Manhattans und bleiben wie angewurzelt vor einer Aufstelltafel eines Restaurants stehen. „Wine Down Wednesday. 5 $ Glass of Wine. 20 $ Bottles of Wine“ können wir darauf lesen. Unsere ursprünglichen Pläne, heute Abend zu einer Comedy Show zu gehen, werfen wir schnell über Bord und verbringen den Abend bei zwei Flaschen Wein, damit die Leute und das Treiben in der Upper West Side zu beobachten.

    Am Donnerstagvormittag haben wir nichts geplant und können so unsere Nachbarschaft und die Viertel rund um den Washington Square in Ruhe erkunden. Hier liegt das Greenwich Village und das West Village. Dieser Teil Manhattans ist deutlich unaufgeregter als der Rest. Hier gibt es exklusive Boutiquen, Zeitschriftengeschäfte, gemütliche Cafés und Restaurants. Wir kommen vorbei an Taylor Swifts ehemaligen Townhouse, entspannen in einem kleinen Park und unterhalten uns bei einem Cappuccino in einem netten Café mit einer Wienerin die als Journalistin in New York arbeitet. Zum Mittagessen haben wir eine Reservierung in einem der exklusivsten Restaurants New Yorks: Carbone. Bei Carbone geht essen, wer Rang und Namen hat. Abends sind die Tische nur für die exklusivsten Gäste vorbehalten, doch zum Mittagessen können auch Sterbliche einen Tisch bekommen, wenn sie 30 Tage im Voraus um Punkt 10:00 Uhr auf der Website sind und es in wenigen Sekunden schaffen rechtzeitig eine Uhrzeit auszuwählen. So haben auch wir vor 30 Tagen im Arcadia Nationalpark einem Tisch für heute um 13:45 Uhr ergattert. Die Atmosphäre bei Carbone finden wir direkt befremdlich. Zwar sind alle sehr freundlich und auch der Kellner schenkt uns sein schönstes Lächeln mit gebleachten Zähnen. Doch liegt eine gewisse Anspannung in der Luft, so dass wir uns einfach fehl am Platz fühlen. Wir werden zu unserem Platz geführt, bekommen riesige Speisekarten in die Hand, die jedoch nur fünf Gerichte aufweisen und googeln, nach dem wir unsere Bestellungen aufgegeben haben, die Preise für das Besteck mit dem eingedeckt wurde (1000 $ für ein 28er Set). Trotzdem wollen wir uns die berühmten Spicy Wodka Rigatoni für die Carbone so bekannt ist nicht entgehen lassen und auch der Gruß aus der Küche (warmer Mozzarella mit leckerer Tapenade und gutem Brot) schmeckt wirklich hervorragend. Nach dem Essen haben wir um 15:30 Uhr eine Führung im Hauptquartier der Vereinten Nationen gebucht. Etwas abgesetzt, kommen wir um 15:30 Uhr im Besucherzentrum der Vereinten Nationen an und werden dort von einer völlig überspannten Wienerin (viele Wiener in New York) in Empfang genommen. Die arme Frau berichtet uns von ihrem anstrengenden Tag, dass sie heute noch keine Pause hatte und sie so ebend eine spanische Führung gemacht habe, die ihr scheinbar den Rest gegeben hat. Mit der Zeit entspannen sie sich jedoch und die Führung ist der Hammer! Wir erfahren viel über die Geschichte und Aufgabe der Vereinten Nationen (Ursprünglich stand mal die Idee im Raum, dass die Vereinten Nationen ihr Hauptquartier auf einem großen Schiff haben könnten, das ununterbrochen um die Welt segelt), besichtigen den Sicherheitsrat und dürfen sogar kurz einer Sitzung des Wirtschafts- und Sozialrats beiwohnen. Das absolute Highlight ist aber die Besichtigung der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Hier kommt die Welt zusammen, um gemeinsam über globalpolitische Angelegenheiten zu diskutieren, über allem thront auf einer goldenen Scheibe das Emblem der Vereinten Nationen: eine Weltkarte von oben, die statt einem bestimmten Land den Nordpol in der Mitte zeigt und alle Länder gleichberechtigt drum herum. Wir werden richtige Fans der Vereinten Nationen, denn diese Organisation ist das Zeugnis reiner Menschlichkeit, hier wird versucht gemeinsam diplomatische Lösungen zu finden und die Humanität an erste Stelle zu stellen. Ich könnte mir gut vorstellen, eines Tages für die Vereinten Nationen zu arbeiten…
    Beseelt von der tollen Führung laufen wir zur Seilbahn, die nach Roosevelt Island fährt. Da diese jedoch aufgrund der Unterbrechung der U-Bahn Linie völlig überfüllt ist, verzichten wir auf die Fahrt und beschließen heute Abend in einen Jazzclub zu gehen. Wir reservieren einen Tisch im Djangos. Das Djangos liegt im Keller des Roxy Hotels und ist ein exklusiver Jazzclub. Dort angekommen melden wir uns bei dem Tresen am Eingang an und werden kurze Zeit später zu unserem Platz geführt. Die Stimmung ist aufgelockert, die Getränke sind teuer, im Hintergrund dudelt entspannte Jazzmusik. Nachdem wir unsere Bestellung aufgegeben haben, tritt auch schon die erste Band auf die Bühne: ein drei-Mann-Orchester, bestehend aus einem Pianisten, einem Kontrabassisten und einem Schlagzeuger. So eine virtuose Spielweise haben wir noch nicht erlebt. Die Musik ist total mitreißend und mein Gehirn wird fühlbar stimuliert. Nach anderthalb Stunden reinen audioaktiven Genusses gibt es eine kurze Pause und die zweite Band betritt die Bühne. Zu den vorherigen Instrumenten wird diese Band noch durch einen E-Gitarristen ergänzt und spielt ganz im Gegensatz zu der vorherigen keinen ruhigen Jazz, sondern eher improvisierten, experimentellen Jazz, der aber eine solchen Genialität in sich trägt, dass wir in euphorische Ekstase versetzt werden. Die vier Männer beherrschen ihre Instrumente so meisterlich, und spielen mit einer solchen Hingabe, dass mir fast die Tränen kommen. Wir sind komplett verzaubert und werden für die anderthalb Stunden auf eine musikalische Reise durch Manhattan mitgenommen. Das haben wir nicht erwartet. Es ist ein teurer, aber unbeschreiblich schöner Abend, den wir so schnell nicht vergessen werden.

    Am Freitag holen wir uns morgens Bagels, die wir auf einem Platz mitten im Trubel frühstücken und spazieren, dann weiter zum Central Park, um uns bei dem
    Bootshaus ein Ruderboot auszuleihen. Während die Blätter von den Bäumen herbstlich eingefärbt auf der Wasseroberfläche landen und sich Schildkröten am Ufer in der Sonne aufwärmen, gleiten wir im Schatten der Wolkenkratzer fernab des Trubels über den schönen See. Romantischer geht es kaum. Anschließend spazieren wir durch die Upper West Side In Richtung High Lane und saugen bei einem herbstlichen Getränk vor einem Café sitzend den Puls Manhattans auf. Der Spaziergang über die High Lane ist hingegen weniger romantisch als erhofft, natürlich sind wir an einem sonnigen und warmen Freitagnachmittag im Oktober nicht die einzigen, die 10 m über dem Boden den Highland Park entlang spazieren und so der Hektik von Central Manhattan entkommen wollen. Wie an einer Perlenkette schieben sich die Menschenmassen in zwei Richtungen, die knapp 3 Kilometer lange ehemalige Hochbahntrasse entlang. So richtig genießen können wir das auch nicht, weil wir noch vor Sonnenuntergang mit der Fähre nach Staten Island übersetzen wollen. Da wir uns in dem Café etwas zu viel Zeit gelassen haben, geht die Sonne bereit in einer halben Stunde unter und wir müssen uns etwas beeilen. Die Staten Island Ferry ist eine kostenlose Fähre, die an der Freiheitsstatue entlang fährt und so den Touristen, die nicht viel Geld für eine geführte Tour bezahlen wollen (wie auch wir) die Möglichkeit Möglichkeit gibt, die Freiheitsstatue aus der Nähe zu sehen. Doch auch hier sind wir natürlich nicht die einzigen, vor dem Fährterminal hat sich bereits eine große Menschentraube gebildet, die hektisch und drängeln auf die Fähre eilt. Leider kann man auch nicht an Deck, sondern muss sich um eines der kleinen Fenster versammeln. So haben wir uns das nicht vorgestellt, aber immerhin hat man einen schönen Blick auf Manhattan. Und auf der Rückfahrt finden wir sogar ein leeres Fenster und können so die Freiheitsstatue in der Dunkelheit angestrahlt bewundern. Anschließend spazieren wir noch durch das Nachtleben des Greenwich Village und beschließen mit einem Aperol Spritz den Tag.

    Am Samstag ist das Wetter leider schlecht. Es regnet wie aus Eimern. Wir beschließen, uns nochmals Bagels zu holen, diese dann in der Grand Central Station zu essen und dabei das Treiben zu beobachten. Den Plan haben wir jedoch nicht gut durchdacht: zum Einen haben wir diese Distanzen im Manhattan mal wieder unterschätzt und marschieren geschlagene 3 km von dem Bagel Geschäft durch den strömenden Regen zur Grand Central Station, zum Anderen gibt es in der Grand Central Station nicht eine Bank oder Sitzgelegenheit, so dass wir die Bagels ehrenlos in einer Ecke auf dem Boden kauernd essen müssen. Die durchgehenden Ansagen, die darum bitten, nicht auf den Treppen oder auf dem Boden zu sitzen, ignorieren wir dabei gekonnt, denn wir haben einfach nur Hunger. Danach fahren wir wieder nach Hause um uns einen Plan zu machen. Wir beschließen in ein nettes Café, um die Ecke zu gehen und dort etwas Orga Kram zu erledigen. Danach fahren wir weiter zu New Yorks größten Kaufhaus: Macy‘s. Über neun Etagen wird hier alles angeboten, was das Käuferherz begehrt. Auch wir kommen nicht umhin: Eigentlich wollten wir gar nichts kaufen, doch der Sale, der alle Wintermantel um 50 % reduziert, überzeugt uns, und wir verlassen das Kaufhaus mit zwei neuen Wintermäntel und einem Koffer. Zwischendurch war unser Kaufrausch getrübt von hektischer Suche unserer Jacken bzw. Taschen, die wir in unserer Aufregung zweimal verloren haben.

    An unserem letzten Abend in New York wollen wir ausgehen. Im Greenwich Village hat Rico die Bar „Marie‘s Crisis“ entdeckt, eine kleine Pianobar mit freiem Eintritt, günstigen Getränken und einem Pianisten, der durchweg Musical Songs spielt. Das ist genau das Richtige für uns. Zunächst etwas abgeschreckt von der langen Schlange, lernen wir aber nette Leute in der Schlange kennen und haben einen feucht-fröhlichen Abend bei Maries Crisis. Es herrscht eine Bombenstimmung. Es wird lauthals mitgesungen. Alle haben eine gute Zeit.

    Etwas angekatert erwachen wir an unserem letzten Morgen. Rico holt das Auto aus Brooklyn, während ich unsere Sachen zusammen packe. Schlechte Nachrichten: wir haben einen Strafzettel bekommen, weil wir leider doch zu nah an dem Hydranten geparkt haben. Egal. 115 $ können wir verkraften, hätten wir Manhatten geparkt hätte einen Tag 115 $ Parkgebühren gekostet, wir parken nun das Auto vor unserer Unterkunft und fahren noch ein letztes Mal zum Central Park, machen ein letzten Herbstspaziergang und verabschieden uns dann von New York.

    New York ist so eine tolle, faszinierende, wilde und pulsierende Stadt. Wir hatten eine tolle Woche zwar mit einigen Tiefschläge, aber deutlich mehr positiven Erlebnissen. Wir freuen uns so sehr, dass wir im am Ende unserer Reise noch ein paar Tage hier verbringen dürfen und wissen jetzt schon, was wir noch vorhaben in New York City. Wir steigen ins Auto, hören „Leaving New York“ von R.E.M. und verlassen den Big Apple in Richtung Philadelphia. (J)
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  • Day 128

    Rhode Island: Regen, Radeln, Robben 🦭

    October 8, 2023 in the United States ⋅ 🌬 16 °C

    Auf Vermont folgt Rhode Island. Kleiner Staat, kurzer Artikel. Der flächenmäßig kleinste Bundesstaat der USA liegt am Atlantik zwischen Massachusetts im Osten und Connecticut im Westen. Zwei volle Tage (Samstag und Sonntag) haben wir hier. Wir schlafen auf dem Burlingame State Park campground. Der ist günstig. Und hat den niedrigsten Standard seit Beginn unserer Reise. Die Waschräume sind wirklich ekelhaft runtergekommen, die Duschen mit ihren schmierigen Verfärbungen eine Zumutung, dicke Spinnen hängen zahlreich in den Ecken und fangen nichts-ahnenden Insekten in großer Zahl. Uns schockt mittlerweile aber nichts mehr: Gelassen nehmen wir die Umstände hin wie sie sind, es sind ja nur drei Nächte, schaffen wir locker. Freitag am späten Nachmittag kommen wir an, hacken Holz und machen mit dem Einsetzen der Dunkelheit ein richtig schönes Lagerfeuer. Es gibt Dosenbier und was zu Knabbern. Wir quatschen über unsere Erlebnisse hier im Nordamerika und über das, was noch ansteht. Auch wenn wir mittlerweile weit gereist sind, viel gesehen haben und wahrscheinlich sämtliche denkbaren Emotionen durchlebt haben, sind wir uns einig: „Da geht noch was!“.

    Nach diesem vielleicht etwas zu pathetischen letzten Satz erscheint die Tagesbechäftigung des Samstags erstmal etwas lasch: Chillen in einem Café in Westerly, Käffchen und Teechen trinken und dabei den Blog weiterschreiben. Abends gehen wir dann ins Kino - es regnet wie verrückt, auf dem Campground im Van sitzen ist keine Option nach unseren regnerischen Maine-Erfahrungen -. Im Kino läuft „The Creator“, ein Science Fiction Film in dem der letzte Krieg zwischen Menschen und Maschinen entbrennt. Guter Film. Also einfach ok. Vor allem hatten wir es warm und trocken. Danach fahren wir schnell zurück zum Zeltplatz, morgen klingelt der Wecker früh.

    Unser heutiger Programmpunkt: Ein Ausflug auf die Insel Block Island, die etwa 16 Kilometer südlich von Festland im Atlantik liegt. In Point Judith parken wir den Van und steigen auf die Fähre, die uns in etwa 45 Minuten nach New Shoreham - die größte der zwei Ortschaften auf Block Island - bringt. Auf der Überfahrt gibt es selbstgeschmierte Brote und oben auf Deck lassen wir uns bei strahlendem Sonnenschein die frische Brise aber die peitschenden Wellen um die Ohren wehen. Wie immer bei solchen Bootsfahrten, halten wir nach Walen Ausschau, jedoch ohne Erfolg.

    Angekommen in New Shoreham besorgen wir uns in der Touriinfo eine Karte der Insel und leihen uns im Anschluss Fahrräder für 6 Stunden aus. Fahrräder und Motorroller sind hier - ganz unamerikanisch - das bevorzugte Fortbewegungsmittel. Los gehts! Auf der Karte ist eine 35 Kilometer lange Fahrradroute eingezeichnet, mit der sich jeder Winkel der Insel abgrasen lässt. “Ganz schön Gegenwind”, bemerken wir nach der ersten Meile, “formt den Charakter!”, weiter gehts. Richtung Norden. Unser erstes Zwischenziel ist das Block Island Northlight. Der Leuchtturm wurde 1867 in Betrieb genommen. Die leicht hügelige Straße schlängelt sich an hübschen Strandhäuschen vorbei, deren Grundstücke durch Trockenmauern begrenzt sind. Ein kleine Schlange huscht über die Straße und verschwindet in einer Mauerritze. Zwischendurch liegen am Wegesrand immer wieder kleinere und größere ‘ponds’. Das sind Seen, die mit Regen- und Brackwasser gefüllt sind und die einen Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere der Insel darstellen. Die Straße mündet in einen kleinen Parkplatz, von dem aus es zu Fuß am Strand weiter geht bis zum Leuchtturm. Links von uns die Dünen, rechts der Atlantik. Es riecht nach Meer und Freiheit. So stapfen wir weiter durch den feinen Sand und das angespülte Treibgut. “Da guckt doch was aus dem Wasser!”. “Das ist eine Robbe!”. Eine Robbe geht auf Tauchgang. An einer anderen Stelle taucht sie wieder auf. Wir bleiben stehen. Beobachten. Schießen Fotos. Es sind eine ganz Menge Robben, die sich da, vielleicht 50 Meter von uns entfernt, im Wasser tummeln. Einige jagen sich gegenseitig, andere dümpeln entspannt rum, es ist richtig was los. Eine ganze Zeit lang beobachten wir das geschäftige Treiben. Am Leuchtturm angekommen, machen wir auf der schmalen Landzunge kurz Rast in den Dünen und essen eine Kleinigkeit.

    Dann gehts mit den Rädern weiter. Unterwegs treffen wir immer wieder Läuferinnen und Läufer, denn heute ist Block Island Halbmarathon. An der Strecke stehen vereinzelt Zuschauer und der ein oder andere Versorgungsstand hat Wasser im Angebot. Bei einem weiteren Päuschen am Wegesrand feuern wir die Sportler an und ich (Rico) mache einen kurzen Mittagsschlaf in Sonne. Weiter gehts durch die - irgendwie dänisch anmutende - Landschaft. Einen Zwischenstopp machen wir noch an einer Steilklippe, von der wir einen tollen Ausblick auf den Atlantik haben und dann kommen wir nach ca. 35 Kilometern schließlich wieder in New Shoreham an. Die Fahrräder geben wir ab und zur Belohnung gibts dann für uns beide ein großes Eis. Auf der Terrasse der Eisdiele lassen wir es uns in der Abendsonne gut gehen und warten auf die Fähre. Die Fährfahrt zurück zum Festland ist deutlich ruhiger. Am Horizont geht langsam die Sonne unter. Von der frischen Luft und den schönen Eindrücken auf Block Island beseelt treten wir die Heimreise an und schlafen ein letztes Mal im Van, bevor es morgen weiter geht. Und zwar nach New York City. (R)
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  • Day 121

    Herbstlich. Herbstlicher. Vermont. 🍁🍄

    October 1, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 23 °C

    Nach den Erlebnissen der letzten Tage in und um Boston zieht es uns jetzt noch einmal zurück in den Norden, genauer nach Vermont. Hier sind wir nach den Niagarafällen schon durchgefahren und waren direkt verliebt in die hügelige, dicht bewaldete Landschaft und die skandinavisch anmutenden Holzhäuser mit ihren liebevoll gestalteten Vorgärten. Die 300 Kilometer Highway führen uns durch New Hampshire in den Norden Vermonts, genauer in den New Discovery State Park. Abends auf dem Campground angekommen bauen wir wie üblich unser Lager auf (was im Wesentlichen daraus besteht, die solarbetriebene Lichterkette möglichst schlau zwischen zwei Bäumen aufzuspannen, ohne sich dabei gegenseitig an die Gurgel zu gehen). Danach soll es Mac and Cheese geben - die Instant-Variante zum einrühren von ‘Kraft’, $1,50 pro Packung -. Draußen regnet es, deswegen schließen wir den Campingkocher also Option aus. Strom gibts nur im Sanitärgebäude. Also bauen wir unser elektrisches Kochfeld ohne zu zögern im Klo auf…nach vier Monaten ‘on the road’ sind wir mittlerweile abgebrühte Vollprofis. Während das Wasser langsam zu kochen beginnt fällt uns ein orangener Aushang ins Auge, auf dem Herbstmärkte in der Region beworben werden: Demnach findet ab morgen jeden Tag in einem anderen Dorf ein Markt mit regionalen Speisen, Kunsthandwerk, Musik und vielem mehr statt. Wir sind begeistert, denn so bekommen wir die ultimative Vermont-Herbst-Experience, für die der Nordosten Amerikas so berühmt ist. Unsere Elchjagd-Pläne, die wir kurzeitig ausgetüftelt haben werfen wir wieder über Bord. Erntedankfeste, wir kommen!

    Am nächsten Morgen - es ist Samstag - ist das Wetter hervorragend. Nach dem Frühstück machen wir uns auf nach Cabot. Das 1500-Einwohner Nest ist nur etwa 15 Minuten von Zeltplatz entfernt. Auf der großen Wiese gegenüber der kleinen weißen Holzkirche direkt im Dorfzentrum herrscht reges Treiben. Halbfertige Stände, Pferde die angeleint rumstehen, ein Pizzaofen wird angeheizt, vor der Bühne werden Stühle aufgebaut (kennt man ja schon aus Nebraska). Es herrscht geschäftiges Treiben. Wir sind skeptisch und fahren in unserem schwarzen Van mit runtergekurbelten Scheiben extrem langsam durch die Dorfmitte, „sollen wir jetzt aussteigen und uns ins Getümmel stürzen oder ist uns das alles nicht Geheuer?“. Langsam rollen wir an der Wiese vorbei und verschwinden im Schatten der Kirche. „Man bereut immer die Dinge, die man nicht gemacht hat!“. Mit einem scharfen Rechtsschwenk fahren wir auf den Parkplatz der Grundschule. Vorsichtig laufen wir über das Festgelände. Am Stand des ‚Orga-Teams‘ kommen wir mit den beiden Damen ins Gespräch. Sie weisen uns darauf hin, dass gerade noch aufgebaut wird und es um 12 Uhr los geht. „Are you guys from Germany?“, fragen sie uns noch. Unser Akzent hat uns mal wieder verraten, macht aber nichts, denn die beiden zeigen auf ein paar kleine Stände am Ende der Straße, „there you should find Sarah, she’s from Germany as well“.

    Sarah ist eine Münsteranerin um 40, die mit ihren zwei Jungs in Cabot in einen alternativen Bauernhof-Projekt lebt. Vor einem halben Jahr hat sie sich von ihrem amerikanischen Mann scheiden lassen. An ihrem Stand filzt sie kleine Halloween-Kürbisse und verkauft sie. Sie ist so gerührt, auf ein paar Deutsche hier im abgeschiedenen Nordosten der Staaten zu treffen, dass sie uns direkt umarmt. Wir quatschten aufgeweckt über dieses und jenes und verabredeten uns direkt zu 17 Uhr vor der Bühne, weil die Band echt gut sein soll.

    Für den Moment verabschieden wir uns und es geht erstmal zu einem Wanderweg ein paar Meilen entfernt. Der ist letztlich kaum der Rede wert und ist derart kurz, dass er eher einer Hundegassirunde gleicht. Wir nehmen alle Abzweigungen und Umwege die wir finden können um wenigstens ein paar zusätzliche Meter zu machen. War trotzdem schön, ne halbe Stunde durch den bunten Herbstwald Vermonts zu laufen. Es ist kurz nach 13 Uhr, in Cabot sind die Festivitäten seit einer Stunde in vollem Gange. Zu früh für uns. Auf einem Flyer, den man uns zugesteckt hat, wird Burtt’s Apple Orchard empfohlen. Das muss eine Obstplantage sein. Sie läd zum Erntedank. Etwa 10 Meilen von hier. Also los. Die kleine Landstraße schlängelt sich in engen Kurven durch den herbstlichen Wald. Immer wieder mal ein Gehöfft oder eine Koppel. Zarte Wölkchen am sonst blauen Himmel. Malerisch. Und auf einmal stehen wir mitten im Getümmel: ein große kastanienrot gestrichene Scheune hat ihre Tore geöffnet. Davor und drinnen lebendiges Treiben. Kürbisse in allen denkbaren Farben, Formen und Größen liegen gestapelt auf der Wiese und in Holzkisten. Auf dem Parkplatz - es ist der Acker vor der Scheune - ergattern wir eine Lücke. In der Scheune gibt es ‘Apple Cider’ (frisch gepresster, naturtrüber Apfelsaft) in den Varianten ‘frozen’ und gekühlt im Glas (12Oz) bis zum Kanister (1 Gallone = 3,7 Liter), dazu frisch gebackene Zimt-Donuts, Apfelessig, verschiedenste Marmeladen, Marple-Sirup, Kuchen…es ist ein Paradies. Mit frozen Apple-Cider und lauwarmen Donuts setzen wir uns draußen auf eine der Bänke. Kinder toben durch ein kleines Maislabyrinth und hinter uns in den Reihen der Apfelplantage pflücken die Besucher kiloweise Äpfel.

    Nachdem auch wir einen kurzen Ausflug ins Labyrinth gemacht haben (was ehrlich gesagt jetzt nicht sonderlich anspruchsvoll war) rüsten wir uns mit einem Apfelpflücker aus und laufen die Baumreihen ab. Auf einem Plan ist zu sehen welche Sorten wo gepflanzt sind und welche gerade jetzt reif sind. Wir fassen den Entschluss einen Apfelkuchen zu backen in der nächsten Ferienwohnung und suchen entsprechende Sorten heraus, die besonders gut zum Backen geeignet sind. Zwischendurch genehmigen wir uns noch den ein oder anderen ‘Apfel to Go’ zur Stärkung. Das Erspähen und Pflücken macht richtig Spaß und wir sind erstaunt von der Vielfalt der verschiedenen Apfelsorten. Die älteste Sorte ist von 1830 und sieht mit ihrer rauen und braunen Schale nicht wie die üblichen Hochglanz-Äpfel aus dem Supermarkt aus. Ist auch ein bisschen sauer. Schmeckt trotzdem! Die paar gepfückten Äpfel werden in der roten Scheune gewogen und kosten ‘nen Appel und’n Ei’, dazu noch eine halbe Galleon Apfelmost und so fahren wir glücklich in apfeliger Herbstlaune wieder zurück nach Cabot. Grade rechtzeitig zur 17-Uhr-Band. Und vor allem zum Turkey essen (Truthahn). Der wird von der Kirchengemeinde für wenige Dollar mit Kürbis- und Kartoffelpüree samt Bratensauce an die Besucher des Herbstfests ausgegeben. Schon wieder lecker. Sarah kommt mit ihren Jungs (der eine 7, der andere 4 Jahre alt) wie verabredet auch noch mit dazu und so wippen wir in geselliger Runde zu Countryklängen mit den Beinen (es ist denke ich klar, dass vor der Bühne in klassisch amerikanischer Manier gesessen wird). Als die Band schon beim Abbau ist, die Dämmerung langsam einsetzt und die Jungs anfangen übermütig zu werden, verabschieden wir uns. Und verabreden uns für den nächsten Morgen zur Kürbisernte auf Sarahs Hof. Herbstlicher geht es ja wohl kaum!

    Es ist Sonntag Morgen und wir fahren auf den Bauernhof, auf dem Sarah mit ihren Kids wohnt. Die drei stehen schon erwartungsvoll in der Einfahrt. Auf dem Elektrobuggy fahren wir fünf - Johannes und ich auf der Ladefläche zwischen den Erntekisten - die letzten Meter zum Kürbisfeld. Und dann wird ohne große Umschweife mit dem Ernten begonnen: “erntet einfach alles was ihr finden könnt, die Ausbeute dürfte dieses Jahr wegen des vielen Regens eher dürftig ausfallen”, sagt Sarah und drückt uns jedem eine Rosenschere in die Hand. Die beiden Jungs stürmen begeistert vor und präsentieren uns immer wieder stolz ihre neuesten Kürbisse. Es macht riesig Spaß, schnell haben wir 5 Kisten verschiedenster Kürbisse zusammen und das kleine Feld ist abgeernteten. Wieder zurück auf dem Hof schälen wir Mais der zum Trocknen ausliegt, um Platz zu schaffen für unsere Kürbisse - zum Nachreifen, wie wir lernen -. Dann gibts von den beiden Kleinen noch eine Führung durch die alte Scheune und ihren Dachboden bevor wir mit Sarah noch ein Glas frischen Apfelsaft in der Küche trinken. Wir reden viel über ihre Zeit in Amerika und ihr altes Leben in Münster. Sie scheint es zu genießen, mal Leute aus der Heimat zu Besuch zu haben und wir sind ihr dankbar für die Arbeit auf dem Feld. Feldarbeit ist voll unser Ding! Gegen Mittag ist es dann aber Zeit weiter zu ziehen. Zur Verabschiedung umarmen wir uns alle herzlich.

    Wir steuern gezielt das nächste Herbstfest in der Region an. Diesmal ist es in Marshfield, gleich bei Cabot. Es soll einen Chilli-Contest geben - kennt man von den Simpsons -. Und tatsächlich: Das halbe Dorf ist angetreten, jeder hat sein eigenes Chili gekocht. Für 8 Dollar darf man als Testesser antreten. Und als Testesser darf man sich satt essen am dunkelroten Barbecue-Chilli, dem gelblichen Curry-Chilli, dem rauchigen Chipotle-Chilli oder dem vegetarischen Bohnen-Chilli, um nur einige zu nennen. Satt gegessen haben sich auch wirklich alle. Und da wir spät dran sind, bleiben für uns nur klägliche Reste. Wir kratzen zusammen was zusammenzukratzen ist! Und jedes einzelne Chilli ist so lecker. Eine Countryband spielt auf der Bühne. Es gibt eine Bücherauktion, Holzhandwerk und Kerzen. Und für uns selbst gebackene Cookies zum Nachtisch. Köstlich! Der Sieg geht an das vegetarische Chili und für uns geht es weiter nach Stowe (gesprochen: Stou). Das Städtchen gilt in der Region als eines der schönsten. Schon die Anfahrt nach Stowe ist einfach traumhaft. Über kleinere und größere Hügel schlängelt sich die kurvige Landstraße durch die farbenfrohe Landschaft. Silhouettenhaft ragen Bergketten in der Ferne auf. Stowe besteht im wesentlichen aus einer zentralen Durchfahrtsstraße mit breiten Gehwegen, auf denen ganzschön was los ist. Über allem ragt die weiße Holzkirche mit ihrem elegant spitz zulaufenden Turm. Viele kleine Cafés, Tourishops und Boutiquen säumen die Straße. Alles sieht einfach nett aus, gepflegt. Vielleicht ist das der Grund warum Stowe ein beliebtes Ziel für Tagesbesucher ist. Wir ergattern einen Tisch auf der Terrasse eines kleinen Cafés und beobachten von hier das Treiben bei Kaffee und warmem Apfelcider mit Milch und Zimt (soo lecker!) und frischem Bananen- bzw. Kürbisbrot. So lässts sichs leben. Es ist mittlerweile später nachmittag. Ein Abenteuer könnten wir also ruhig noch erleben heute. Auf dem Weg nach Stowe sind wir an der Ben & Jerry’s Ice Cream Factory vorbei gefahren. „Da fahren wir nochmal kurz ran, ein kleines Eis geht immer“. Es dämmert bereits, als wir das Betriebsgelände getreten. Eisbegeisterte rennen kreuz und quer. Auf einem Wegweiser steht „Flavor Graveyard“ (Friedhof der Geschmacksrichtungen). Das finden wir rattenscharf. Strammen Schrittes gehts den kleinen Hügel hoch und dann stehen wir mitten auf einen Friedhof. Um uns herum Grabsteine, und jeder markiert eine vergangene, zu Grabe getragene Eissorte, die nicht mehr länger im Ben & Jerry‘s Kosmos weilt, aber in unseren Herzen weiterlebt. Das ist so schrill. Etwas betreten aber vor allem sehr belustigt stellen wir uns in die 100 Meter lange Schlange und holen uns zum krönenden Abschluss dieses abwechslungsreichen Tages noch eine riesige Waffel mit den Sorten Chunky Monkey (banana ice cream with fudge chunks and walnuts), Americone Dream (vanilla ice cream with fudge-cover waffle cone pieces and a caramel swirl) und Coconut Seven Layer Bar (coconut non-dairy frozen dessert with fudge chunks, walnuts, & swirls of graham cracker & caramel). Das ist die ultimative amerikanische ‚ice cream experience‘: Irgendwie pervers, aber auf eine sehr gute Art und Weise. Im Dunkeln gehts dann zurück auf unseren Zeltplatz mitten im Wald, wo wir erschöpft ein letztes Mal schlafen bevor es morgen weiter geht nach Süd-Vermont.

    Die nächsten Tage verbringen wir im zwei Autostunden entfernten Putney. Hier haben wir uns für 4 Nächte in ein altes Signalhäuschen der Bahn eingemietet. Es ist so geschmackvoll eingerichtet, dass wir uns sofort wahnsinnig wohl fühlen. Es gibt einen großen Garten, ein nette Terrasse, einen verglasten Erker mit eingelassener Sitzecke und bequeme Sessel und Sofas. Die Küche ist geräumig, mit einen großen Herd samt Backofen, an den Wänden hängen Bilder, Gemälde und Plakate von vergangen Kunstaustellungen in New York. Die folgenden Tage sind schnell zusammengefast: wir verlassen unsere Unterkunft fast garnicht und verbringen die Tage mit Kochen (Hähnchen auf Couscous mit Tzatziki, Bratkartoffeln, Pizza) und Backen (Apple Pie mit den selbst geernteten Äpfeln), Lesen, Zocken, Telefonieren und Schreiben von Postkarten und unserem Blog. Die Planung für New York wird für die Dauer unseres Aufenthaltes der geistig anspruchsvollste Teil. Zwischendurch spielen wir mal Monopoly oder es wird ein Mittagschläfchen gemacht, das höchste der Gefühle ist ein Ausflug zu Aldi (gibts hier, begeistert uns total). Es sind wundervolle Tage.

    Insgesamt sind wir von Vermont mehr als begeistert. Richtige Fans, könnte man sagen. Soviel Herbst, so nette Menschen, so viel Schönes und Schöngeistiges. Wir konnten richtig Kraft tanken, die Seele baumeln lassen.

    Aber es warten schon neue Abenteuer entlang der Ostküste auf uns und dafür sind wir jetzt bereit! (R)
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  • Day 116

    Auf den Spuren der Boston Teaparty 🫖

    September 26, 2023 in the United States ⋅ ☁️ 16 °C

    Nach einigen mehr oder weniger ruhigen Tagen in Maine geht es nun endlich südwärts: die Ostküste ruft nach uns. Am Freitag verabschieden wir uns von Christa und starten den Motor: es geht nach Boston, einer der historisch bedeutsamsten Städte der Vereinigten Staaten.

    Hier haben als Indianer verkleidete sogenannte „Sons of Liberty“ (eine Gruppe junger und enthusiastischer Patrioten vor der Amerikanischen Revolution) am 16. Dezember 1773 drei Ladungen Tee (342 Kisten) ins Hafenbecken geworfen und damit quasi die Amerikanische Revolution ausgelöst. Dazu aber später mehr.

    Heute steht nämlich erstmal ein ganz anderes „historisches“ Event an: wir haben Tickets für ein Baseball-Spiel der Boston Red Sox im berühmten Fenway Park. Der Fenway Park ist mit über 111 Jahren das älteste Baseballstadion der Vereinigten Staaten. Heute spielen die Red Sox gegen die Chicago White Sox (ziemlich viel Gesocks). Für 40 $ finden wir den mit Abstand günstigen Parkplatz in der Gegend (an „Game Days“ werden die Parkgebühren gerne mal von 20 $ auf 60 $ angehoben) und schlendern dann zum Stadion. Wir sind ausnahmsweise mal nicht spät dran und vor dem Stadion hat sich schon eine Menschentraube versammelt, noch hat der Einlass nicht begonnen. Rundum verkaufen Standbetreiber offizielle und inoffizielle Fanartikel der Red Sox, da die Tickets uns aber schon knapp 200 $ gekostet haben, ist dafür kein Geld mehr da. Nachdem die Tore dann endlich geöffnet wurden, geht es für uns erstmal auf die höchste Tribüne in den sechsten Stock. Zwar sitzen wir fast ganz oben, aber die Sicht ist mega. Wir haben einen tollen Überblick über das restliche sich langsam füllende Stadion und können auch das Spiel selbst gut überblicken. Das geht aber lange noch nicht los, also lesen wir uns zunächst nochmal die Regeln von Baseball durch:

    Ein Baseball-Spiel dauert 10 Runden. Jede Mannschaft spielt pro Runde einmal in der Offense (die, die den Ball schlagen und ums Feld rennen) und einmal in der Defense (die, die den Ball werfen, dann versuchen ihn wieder zu fangen und vor dem Läufer an die Base zu bringen). Es gibt vier „Bases“, welche der Läufer passieren muss, nachdem er den Ball getroffen hat, um einen Punkt zu erspielen. Jeder Schläger darf drei „Strikes“ (Fehlschläge) riskieren, dann ist er „Out“. Nach drei Outs wird gewechselt.

    Soweit, so gut. Grob haben wir die Regeln verstanden, nun kann es also losgehen.

    Der „First Pitch“ (= der erste Wurf) ist für 19:10 Uhr angekündigt. Anders als wir glauben, handelt es sich dabei jedoch nicht um den tatsächlichen Beginn des Spiels, sondern um den Beginn der Festivitäten eines Spiels. Der „First Pitch“ wird dabei auch in der Regel von einem langjähriger Ehrenfan geworfen.

    Und auch dann geht das Spiel selbst noch lange nicht los: Zunächst werden noch unzählige Ehrengäste, Fans und Veteranen vorgestellt, gekürt und bejubelt. Natürlich wird dann im Stehen (wir auch) und mit Hand auf dem Herzen (wir nicht) noch die Nationalhymne geträllert. Alles seeehr patriotisch, aber das erwartet man ja irgendwie auch bei einem Baseball-Spiel.

    Nach dem ganzen spektakulären Vorgeplänkel ist der Spielbeginn und die gesamte erste Halbzeit des Baseball-Spiels selbst überraschend unspektakulär. Genauer gesagt passiert eigentlich gar nichts. Stimmung gibt es gefühlt nur, wenn irgendeine Kamera im Stadion die Leute filmt, ansonsten holen sich alle ständig etwas zu essen oder zu trinken und beachten das Spiel dabei nur beiläufig. Tatsächlich wird der Ball in den ersten 4 Runden auch nur in 5% der Fälle getroffen. Alle vier Bases passiert dabei keins der beiden Teams, es steht weiter 0:0. Inzwischen läuft das Spiel auch schon zwei Stunden. Wir sitzen ganz oben an der Barrikade, natürlich viel zu dünn angezogen und frieren. Hier ganz oben pfeift uns der Wind um die Ohren. Die zweite Halbzeit ist dafür etwas spannender, es werden auch mal Punkte erzielt, zwischendurch wird Musik gespielt und eine ausdauernde aber sehr kleine Truppe versucht es sogar ein paar Mal mit einer La-Ola-Welle, die aber nie weiter als 1,5 Blocks zieht. Einmal können wir sogar so etwas wie eine Fanhymne vernehmen, Textsicher sind die Fans hier aber nicht wirklich. Insgesamt war es für uns aber trotzdem eine einmalige Erfahrung! Denn das Baseballstadion und auch das Spielfeld sehen einfach toll aus und so einem Baseball-Spiel ist einfach zu 100% amerikanisches Kulturgut. Wir haben viel Spaß, verfolgen das Spiel gespannt und würden eigentlich auch gerne nochmal zu einem Spiel gehen, nur ist die Saison leider schon fast vorbei.

    Uns wird es so langsam aber zu kalt hier oben und wir sind noch lange nicht am Ende des Spiels (3 Stunden Spielzeit, Runde 7/10), also müssen wir dann leider doch schon etwas früher gehen. Womit wir nicht alleine sind. Da wir auch nicht in Boston selbst, sondern auf einem Zeltplatz eine Stunde südlich der Stadt wohnen, haben wir ja auch noch eine kleine Fahrt vor uns. Um halb zwölf in der Nacht kommen wir dann bei unserem Zeltplatz an, huschen noch schnell unter die Dusche und fallen dann müde ins Bett.

    Von Samstag bis Dienstag regnet es leider ununterbrochen. Einfach den ganzen Tag durch Boston spazieren ist also eher nicht drin. Für Samstag beschließen wir, uns das New England Aquarium anzusehen. Vom Zeltplatz fahren wir mit dem Auto zum nächsten Bahnhof und von dort weiter mit dem Zug nach Boston. An diesem Wochenenden gibt es auf einem Teil der Strecke Wartungsarbeiten, sodass wir die letzten fünf Stationen mit dem Schienenersatzverkehr bewältigen müssen. Zumindest ist dieser hier (anders als in San Francisco) gut organisiert und die Fahrt nimmt insgesamt nur eine halbe Stunde mehr als regulär in Anspruch. In Boston angekommen, kämpfen wir uns durch den Regen zum Aquarium. Vor dem Aquarium bereuen wir sofort, keine Tickets im Vorhinein gekauft zu haben. Na klar; es ist Samstag und es regnet, wir sind natürlich nicht die einzigen, die jetzt ins New England Aquarium wollen. Die Tickets für den Vormittag sind restlos ausverkauft, erst ab 14:30 Uhr ist wieder etwas frei. Hilft ja nichts, machen wir. Immerhin gibt es nebenan auch ein zum Aquarium gehörendes Kino, die Kurzfilme mit Meeresbezug zeigen. Wir buchen also ein Kombiticket für Kino und Aquarium, überlegen uns dann, wie wir die Zeit dazwischen rumkriegen, und entscheiden uns schließlich für einen Hop-On Hop-Off Bus. Das ist aber nur halb schön im Regen und der versprochene audio guide stellt sich heraus als ein schlecht gelaunter Busfahrer der halbherzig in sein Mikrophon nuschelt und dabei noch schlechter zu verstehen ist als die Durchsagen in einem Ryanair Flugzeug.

    Letztendlich ist dann auch das Aquarium eher mittelmäßig. Zwar sind die Pinguine und Robben ganz süß und der sich über mehrere Stockwerke erstreckende „Ocean Tank“ beheimatet neben einer Vielzahl bunter Salzwasserfische, Krebse und Mantarochen sogar drei Meeresschildkröten, die hier gemütlich ihre Runden drehen. Daneben hat das Aquarium aber nicht viel zu bieten. Dafür ist es sehr teuer, sehr voll und sehr laut. Abends lassen wir uns in Bostons berühmtester Markthalle, dem Quincy-Market, kulinarisch inspirieren und probieren hier und da mal. So geht der erste Boston Tag zu Ende, der sehr teuer dafür aber unterdurchschnittlich erfolgreich war.

    Der Sonntag wird schon deutlich besser. Zwar ist es weiterhin grau und nass, aber wir machen das Beste draus und fahren zum Boston Museum of Fine Arts. Das Museum hat sich nicht auf eine Kunstepoche spezialisiert, sondern stellt von antiker Ägyptischer Kunst über Amerikanische Kunst des 19. Jahrhunderts bis zu Moderner Kunst alles aus, was das Künstlerherz begehrt. Hier verbringen wir einen schönen und interessanten Tag. Zunächst nehmen wir eine der kostenlosen Führungen mit, um uns die Highlights des Museums zeigen zu lassen und erarbeiten uns dann das Museum auf eigene Faust. Was wir von hier mitnehmen: der Amerika Teil, den wir zuerst komplett aussparen wollten, hat uns mit am meisten begeistert. Die Amerikaner haben und hatten wirklich
    tolle Künstler in ihren Kreisen. Aufgesättigt mit Kunst, aber mit knurrenden Mägen ziehen wir am frühen Abend noch durch Boston und finden ein Restaurant, in welchem sogenannte „Freakshakes“ serviert werden. Amerikanischer geht es nicht: das sind keine normalen Milchshakes, ganz in amerikanischer Super-Size Manier ist jeder Shake noch mit bunten Donuts, Sahnekuchen, Schokolade, Streuseln und Krokant verziert. Puh. Natürlich schaffen wir die Shakes nicht, aber eine einmalige Erfahrung ist es trotzdem. Von knurrenden Mägen gehen wir also nahtlos über zu Bauchschmerzen und gefühlten 2 Kilo mehr auf den Hüften. Um das Gewissen zu beruhigen, machen wir danach noch einen ausgedehnten Spaziergang zum Bahnhof und beschließen so unseren zweiten Tag in Boston.

    Für den Montag nehmen wir uns vor, nach New Bedford zu fahren. In der historischen Altstadt liegt das New Bedford Whaling Museum, welches sich neben der Ausstellung eines riesigen, tropfenden Blauwalskeletts, der Walfangindustrie des 19. und 20. Jahrhunderts verschrieben hat. Moment mal: tropfendes Blauwalskelett? Tatsächlich: das Skelett hängt von der ca 20 Meter hohen Decke und sondert noch immer Tran ab, der in den Knochen von Blauwalen gespeichert ist. Wir lernen, das ein Blauwalskelett noch über 20 Jahre Tran absondert und obwohl das Museum mit Schläuchen so gut es geht versucht, die Absonderungen abzuleiten, ist der Boden direkt unter dem Skelett etwas schmierig. Halb schön.
    Da New Bedford neben Nantucket (und natürlich dem Atlantischen Ozean) einer der Schauplätze in Hermann Melville‘s berühmten Roman „Moby Dick“ ist, sind wir weniger an den Walskelettabsonderungen (eklig!), sondern viel mehr an der Ausstellung über die Walfangindustrie interessiert. Diese ist teilweise auch wirklich interessant (unter anderem kann man ein im Maßstab 1:2 nachgebautes Walfangschiff begehen), stellt jedoch insgesamt viel zu viel Information auf viele zu bunten und unübersichtlichen Informationstafeln zur Verfügung, die letztendlich bei uns zu einer kompletten Reizüberflutung führen.

    Nach drei Tagen Museum verbringen wir den nächsten Tag auf dem Zeltplatz und nutzen die Zeit für Organisatorisches („Admin-Day“). Den Zeltplatz haben wir bis Freitag gebucht und am Montag sind wir in einem alten Lokdepot in Süd-Vermont. Die Zeit dazwischen wollten wir eigentlich am Cape Cod, an der Atlantikküste verbringen. Da nach einem sonnigen Mittwoch und Donnerstag jedoch für das Wochenende wieder Regen vorausgesagt wird, disponieren wir um und buchen uns für das Wochenende auf einem Zeltplatz in Nord-Vermont (dort wohl Sonnenschein) ein. Dort könnte man ja gegebenenfalls wandern gehen. Abends können wir einen guten Deal für eine nahegelegene Bowling-Arena klarmachen und schleudern für 30 $ zwei Stunden Bowlingkugeln auf Kegel.

    Der Mittwoch wird dafür wieder aufregender: wir besuchen das lebendige Plimoth Patuxet Plantation Freilichtmuseum. Das Museum beschäftigt sich mit dem Leben der Pilgerväter und der ersten Siedler; die 1620 an der Küste des heutigen Massachusetts ankamen und die Plymouth-Kolonie nicht weit von der Küste entfernt gründeten.

    Diese Siedlung wurde im Jahr 1947 als Museum Plimoth Plantation wieder aufgebaut. Dazu wurde das Dorf der Pilgerväter vier Kilometer entfernt von Plymouth entsprechend dem Zeitpunkt 1627 rekonstruiert. In diesem Museumsdorf leben Schausteller wie im 17. Jahrhundert. Die Häuser wurden nachgebaut, Tiere zurückgezüchtet und selbst kleinste Details rekonstruiert. Die Darsteller unterhalten sich sogar in einem englischen Dialekt, der weit vom amerikanischen entfernt ist. Auf unsere Fragen wird geantwortet, als wäre es 1627 und wir fühlen uns fast 400 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt.

    Daneben ist auch eine Siedlung der Wampanoag Indianer Teil des Museums, in der heutige Wanpanoag (nicht in Kleidung des 17. Jahrhunderts, aber in traditioneller Kleidung) das Leben ihrer Vorfahren darstellen und erklären. Darunter auch die Herstellung von Booten aus Baumstämmen und die Errichtung von Hütten und Häusern aus Rinde.

    Wir sind total begeistert von der Aufmachung und der Liebe fürs Detail. Es wird traditionell gekocht, man kann sich in die Betten legen, die Bücher lesen, alles anfassen und ausprobieren. So ein Museum haben wir noch nie erlebt und lernen hier zum Beispiel viel mehr als in dem infortmationsüberladenden Walfangmuseum.

    Nahtlos an das historische Museumsdorf anknüpfend, begeben wir uns am nächsten und unserem letzten Tag in Boston auf die Spuren der Amerikanischen Revolution und laufen entlang des Boston Freedom Trails (Freiheitspfad), der ähnlich dem Verlauf der Mauer in Berlin mit einer Spur aus roten Pflastersteinen gekennzeichnet wird.

    Der Freedom Trail passiert auf etwa 4 km sechzehn historische Sehenswürdigkeiten Bostons in chronologischer Reihenfolge, an welchen sich die Ereignisse der amerikanischen Revolution abgespielt haben. Dazu laden wir uns die Freedom Trail App runter (danke an Chrissy und Sven für den Tipp!!) und können uns so zu den einzelnen Stationen den Ablauf der Geschichte erklären lassen, die letztendlich in der Gründung der Vereinigten Staaten und der damit einhergehenden Unabhängigkeitserklärung von England resultierte. Wir kommen an alten Häusern, historischen Plätzen und Friedhöfen vorbei. Auf dem Grabstein eines amerikanischen Patrioten können wir sogar noch die Spuren ausmachen, die britischen Soldaten dort hinterlassen haben, als sie aus Langeweile auf den Grabstein geschossen haben.

    Insgesamt sind wir ganz gefesselt von dem historischen Weg und den einzelnen Sehenswürdigkeiten, die uns richtig in den Bann der Zeiten des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs ziehen.

    Der Beginn der Revolution wird im Jahr 1763 gesehen, als England begann, die Verwaltung und Besteuerung seiner nordamerikanischen Kolonien zu reformieren, was dort bald zu Protesten führte. Insbesondere die hohe Besteuerung verschiedener Produkte in den amerikanischen Kolonien zur Finanzierung der Tilgungsraten für die hohen Schulden der britischen Krone nach dem „Franzosen- und Indianerkrieg“ in Amerika versetzen die Siedler der amerikanischen Kolonien in Unmut. Die britische Krone war der Meinung, dass die Kolonien eine Art „Schutzzölle“ zahlen müssten, da sie in den Kolonien von England beschützt würden. Zugleich fühlten sich die Kolonisten von der britischen Krone nicht vertreten. Die Siedler waren als britische Bürger zwar wahlberechtigt, konnten dieses Recht wegen der großen Distanz aber nicht ausüben. Führende Vertreter der Kolonien argumentierten daher, das Londoner Parlament könne keine direkten Steuern in Nordamerika erheben, wenn die Kolonisten praktisch nicht vertreten seien. Der Slogan „no taxation without representation“ („keine Besteuerung ohne Repräsentation“) gewann immer mehr an Populärität. Letztendlich führte der „Tea Act“ (ein Versuch der britischen Krone mit besonders niedriger Besteuerung des Tees der britischen East Indian Tea Company, ein Monopol für britischen Tee zu etablieren) zur Eskalation des Konflikts, als die Sons of Liberty den Tee der East Indian Company ins Hafenbecken schmissen (s.o., „Boston Tea Party“). Der Konflikt eskalierte so in den 1770er-Jahren bis hin zum Ausbruch des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges 1775. Den Wendepunkt des Unabhängigkeitskrieges, der letztendlich auch zum Sieg der USA führte, stellt die Schlacht um Bunker Hill vom 17. Juni 1775 während der Belagerung von Boston dar.
    Boston war seit 1768 von der British Army besetzt. Die Kolonisten und Patrioten formten eine Blockade um Boston, welches zuvor von den Briten eingenommen wurde. In Boston waren die Briten und die englandtreuen Siedler von dem Rest der britischen Kolonien abgeschottet. Zwar konnte England die Soldaten und die Bevölkerung über Schiffe beliefern, die Lieferung konnte jedoch nicht über die Grenzen Bostons hinausgehen. Es kam zu einer Pattsituation, die jedoch von keiner Seite lange gewollt war.

    Da die Briten wussten, dass die Kolonisten früher oder später versuchen würden, Boston zurückzuerobern, mussten sie die Blockade durchbrechen. So starteten sie eine Militäroperation, um Bunker Hill, einen bedeutenden Belagerungspunkt der Patrioten, zurückzuerobern. Womit sie jedoch nicht rechneten, waren die zähen und unerschrockenen Kolonisten und Patrioten, die militärisch zwar unterlegen waren und den Kampf letztendlich auch verloren, aber tapfer und mutig für die Unabhängigkeit kämpften. Die britische Armee vertrieb die amerikanischen Milizen letztendlich zwar aus den befestigten Stellungen an Bunker Hill, allerdings demonstrierte der Angriff den amerikanischen Durchhaltewillen, verursachte beträchtliche britische Verluste und veränderte den Status der Belagerung nicht. Die Propaganda die danach durch das Land ging führte zu einer Ermutigung der Kolonisten, dass sie es sogar mit britischen Truppen aufnehmen konnten. Nach einigen weiteren Schlachten, die von den Kolonisten gewonnen wurden, konnten diese Frankreich auf ihre Seite holen, sodass England in Europa nun auch mit Frankreich Krieg führte und letztendlich die förmlichen Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten am 4. Juli 1776 akzeptieren musste.

    So. Genug Geschichtsunterricht. Müde von den vielen Informationen und dem langen Tag, laufen wir zur nächsten Fährstation und fahren im Licht der untergehenden Sonne über den Hafen Bostons zurück nach Downtown. Boston selbst gefällt uns inzwischen auch wirklich gut. Insgesamt ist die Stadt eher unaufgeregt, charmant und modern, gleichzeitig aber auch sehr historisch. Es gibt viele Parks, Cafés und alte Kirchen. Vor so einer alten Kirche sitzen wir dann schließlich bei einem Italiener und lassen unseren letzten Abend mit Aperol und Pasta ausklingen. Danke Boston, für diesen Ausflug in die Vergangenheit, den wir so schnell nicht vergessen werden. (J)
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  • Day 106

    Ein stürmischer Geburtstag…🎈

    September 16, 2023 in the United States ⋅ 🌧 18 °C

    Nach den nassen fünf Tagen im Acadia-Nationalpark haben wir jetzt richtig Lust auf die nächste Station: über Ricos Geburtstag haben wir uns in einem gemütlichen Cottage mit großem Garten und Teich auf einer Halbinsel an der Atlantikküste eingemietet und laut Wetterbericht soll auch mal die Sonne rauskommen. Na dann los. Wir packen unsere sieben Sachen zusammen (Rico eingeseift im Regen, siehe letzter Beitrag), holen uns noch einen Kaffee und Butterkuchen zum Frühstück bei dem Café auf unserem Zeltplatz ab und düsen dann gen Süden. So richtig überzeugt sind wir von Maine bisher noch nicht, aber vielleicht werden wir in dem Cottage ja noch richtige Maine Fans, wer weiß.

    Nach ca. 2 Stunden fahrt, kommt tatsächlich das erste mal die Sonne raus. Und schon sieht die Welt anders aus. Das Wasser glitzert im Sonnenlicht, die bunten Holzhäuschen der kleinen Ortschaften strahlen um die Wette und die leuchtenden Blätter der Bäume reflektieren das Sonnenlicht inzwischen schon in dem typische spätsommerlichen gelb-grün, so langsam findet der Herbst Einklang.

    Bevor wir es zum Cottage geht, wollen wir noch einkaufen gehen. Frisches Obst und Gemüse gibt es bei einem kleinen Bauernmarkt. Hier finde ich auch frische Äpfel für Ricos Geburtstagskuchen. Danach erledigen wir den Wocheneinkauf bei Hannaford und können dann endlich unsere Unterkunft beziehen. Diese liegt weitere ca. 15 Minuten Fahrt Richtung Küste auf einer kleinen Halbinsel, umschlossen von dem Clark Cove Pond. Das Grundstück gegenüber von uns liegt direkt am Darmascotta River, einem der vielen Fjorde, die das Salzwasser ins Festland tragen.

    Das Cottage selbst ist sehr süß. Eine kleine gelbe Holzhütte, mit großzügigem und gepflegtem Garten. Es gibt eine kleine Küche, einen Wohn- und Essbereich, zwei Schlafzimmer und ein Badezimmer. Die gesamte Einrichtung ist schon etwas in die Jahre gekommen, manche Schubladen kleben, die Dielen knarzen und es riecht auch etwas muffig. Aber trotzdem ist es irgendwie gemütlich. Und vor allem der Garten hat es uns angetan. Blühende Büsche, Eichenbäume und Trauerweiden zieren die hügelige Wiese, die hinunter zum Teich führt. Dort steht eine einsame Bank, auf der man verweilen und den Blick über das Wasser schweifen lassen kann. Teil der Vermietung sind auch zwei Boote, mit welchen man den Teich bepaddeln kann, insgesamt ist es sehr nett.

    Beim Erkunden des Gartens treffen wir dann auch Christa, unsere Vermieterin. Christa ist pensionierte Flugbegleiterin, ursprünglich aus Nürnberg, die in den 70er Jahren in die Vereinigten Staaten gezogen ist. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann, Professor für Meeresbiologie em., hier in Maine und vermietet die kleine Hütte, die Teil ihres Grundstücks ist. (Damit man mal eine Vorstellung von der Größe ihres Anwesens bekommt: seit der Pensionierung ist ihr Mann dabei, Wanderwege auf dem Grundstück anzulegen.) Schlecht scheint es ihnen hier jedenfalls nicht zu gehen.

    Von Christa erfahren wir auch, dass der September in Maine normalerweise sehr warm und trocken ist. Bis Ende Oktober bestimmt im Nordosten der Staaten der sogenannte „Indian Summer“ das Klima, eine ungewöhnlich warme Wetterperiode, begleitet von einem strahlend blauen Himmel und einer besonders intensiven Blattverfärbung in den Laub- und Mischwäldern. Naja, dieses Jahr ist alles anders: Es regnet ungewöhnlich viel, der Boden ist vollgesogen wie ein nasser Schwamm und aufgrund der Feuchtigkeit gibt es Unmengen an Mosquitos, die immer noch schlüpfen. Da haben wir irgendwie Pech gehabt. Christa hat in ihren 50 Jahren in Amerika noch nie einen so nassen September erlebt. Die Zeit die wir hier sein werden soll es immerhin meist sonnig werden, wir haben also glücklicherweise eine relative trockene Periode in diesem nassen September erwischt. Bis auf den absoluten Obergau: an Ricos Geburtstag soll Hurricane „Lee“ auf die Küste Nordost-Amerikas treffen. Wie schlimm die Ausmaße letztendlich sein werden, kann nicht vorhergesagt werden. Christa warnt uns aber vor, dass es zu Strom- und Wasserausfällen kommen könne und aufgrund der Bodennässe auch die Wurzeln der vielen Bäume nicht sonderlich stabil seien. Super. Aber wir lassen uns davon erstmal nicht aus der Ruhe bringen. Ein Glück campen wir gerade nicht 🙏🏼

    Am Abend kochen wir uns Nudeln mit selbstgemachter Tomatensoße aus den bunten Tomaten vom Bauernmarkt. Dazu gibt es echten (!) Parmesan (den findet man in Amerika eher selten) und frischen Basilikum. Wir decken den Tisch im Garten, zünden eine Kerze an und lassen es uns schmecken. Auf ein paar schöne, entspannte Tage!

    Naja, ganz so entspannt wurde es dann doch wieder nicht. Nachdem wir eine Runde Trival Pursuit gespielt haben, machen wir es uns im Wohnzimmer vor dem Fernseher bequem. Aber es ist ganz schön kalt und die Heizung ist noch abgestellt. Wir beschließen, die Decke aus dem Auto zu holen. Rico schnappt sich die Autoschlüssel und geht raus zum Auto. Um ihm Licht zu machen, gehe ich hinterher. Peng. Das war die Terassentür, die gerade hinter mir ins Schloss gefallen ist. Und wie sollte es anders sein: natürlich ist die Tür von innen abgeschlossen und lässt sich von außen nicht mehr öffnen. Ne, oder!? Die Haustür vorne ist auch abgeschlossen. Haben wir uns jetzt echt ausgesperrt!? Es ist 22:30 Uhr. Christa antwortet nicht mehr auf unsere Nachrichten. Als Rico rüber zu ihrem Haus geht und ruft, reagiert niemand. Sie jetzt aus dem Schlaf zu klingeln, trauen wir uns auch nicht… Wir versuchen die Tür zu knacken, suchen nach einem Ersatzschlüssel, gucken ob eines der offenen Fenster kein Fliegengitter hat, doch es hilft alles nichts. Und so verbringen wir die teuerste Nacht im Auto auf der ganzen Reise. Zum Glück haben wir wenigstens das Bett und die Decke, so lässt sich die Nacht immerhin halbwegs warm überstehen. Am nächsten Morgen zeigt uns Christa den Ersatzschlüssel, der natürlich gut erreichbar am Haus versteckt ist. Hätten wir das mal vorher gewusst…

    Wir machen das Beste draus, gehen warm duschen und machen uns ein leckeres Frühstück auf der Terrasse. Den restlichen Tag verbringe ich mit den Vorbereitungen für Ricos Geburtstag. Einkaufen gehen, Kuchen backen und Geschenke verpacken (das zweite Schlafzimmer ist für Rico bis nach seinem Geburtstag tabu). Rico verdonnere ich währenddessen zu einem ausgedehnten Spaziergang, auf dem er eine brenzliche Begegnung mit Truthähnen hat.
    Abends schieben wir uns eine TK-Pizza in den Ofen, gucken Harry Potter und informieren und dann vor dem Schlafengehen noch über den bevorstehenden Hurricane. In den Nachrichten wird auch vom Acadia Nationalpark berichtet (wo wir vor zwei Tagen noch waren): dort wurden alle Campgrounds evakuiert. Na haben wir ein Glück, dass wir nicht jetzt dort sind. Bei uns soll das Schlimmste in der Nacht stattfinden und bis 08:00 Uhr morgens vorüber sein, möglicherweise verschlafen wir den Hurricane also einfach.

    Und so kommt es auch, am nächsten Morgen steht ich vor Rico auf, um seinen Geburtstagstisch vorzubereiten. Draußen windet es zwar, aber hurricanemäßig stürmisch ist es nicht. Glücklicherweise ist der Sturm auch nicht direkt auf die Küste Maines getroffen, sondern hat uns nur gestreift und zieht an den USA vorbei. Schlimmer wird es dann die kanadische Ostküste treffen, auf die der Sturm frontal zusteuert. Dann wird das Geburtstagskind geweckt, das schon seit 20 Minuten wach ist und mehrfach „Mir ist langweilig!“ aus dem Schlafzimmer verlauten lässt. Aber wer einen schönen Geburtstag haben will, muss auch geduldig sein. Die Geschenke werden ausgepackt, der Kuchen wird gegessen und wir freuen uns, dass wir den Sturm so gut überstanden haben und so viel Aufregung um nichts gemacht wurde. Tja, dann fällt der Strom aus. Zu früh gefreut. Irgendwo ist ein Baum auf einen Strommast gestürzt und hat uns von der Versorgung abgeschnitten. Nichts geht mehr: kein Wasser, keine Spülung, kein Licht, kein Strom, kein WLAN. Und so verbringen wir Ricos Geburtstag offline. Auch mal ganz schön. Wir essen Kuchen, rösten Toast auf unserem Campingkocher und spiele Karten. Am Nachmittag, als sich der Sturm etwas beruhigt hat, gehen wir auch mal eine kurze Runde spazieren und treffen da auch auf Christa, die uns als Kompensation anbietet, kostenlos eine Nacht länger zu bleiben. Das Angebot nehmen wir gerne an, denn derzeit haben wir noch drei Tage unverplant, bis es weiter nach Boston geht.

    Als es dämmert, hängen wir im Wohnzimmer unsere Solarlichterkette auf, damit wir wenigstens ein bisschen Licht haben und so wird es sogar noch richtig gemütlich. Und tatsächlich haben wir Glück: um 21:30 Uhr piept der Kühlschrank und die Lampen gehen an. Der Strom ist wieder da, Hurra! Wir kuscheln uns ein bei Harry Potter und können so den Geburtstag schön ausklingen lassen.

    Am Sonntag blitzt die Sonne durch die Blätter und die Vögel zwitscherten. Dass hier gestern noch ein Hurricane an der Küste vorbeigezogen ist, kann man nur noch an den ganzen Tannennadeln auf unserem Auto erkennen. Wir machen uns ein richtig schönes Nachgeburtstagsfrühstück, indem wir den Tisch zum Teich tragen und dort eindecken. Wir spielen Federball bis 100 (schaffen es jedoch trotz unzähliger Versuche nur bis maximal 98), lesen, trinken Kaffee und sitzen in der Sonne. Am Nachmittag holen wir eines von den eigentlich geplanten Geburstagsevent nach und fahren zum „Pirates Cove Minigolf“. Wir sind total gespannt, wie amerikanisches Minigolf so aussieht und machen uns schon auf begehbare Schiffskulissen und Kanonen als Hindernisse bereit, werden dann aber auch schnell auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Der Minigolfplatz ist zwar aufwendig dekoriert mit Wasserfällen, Steinwällen und begehbaren Höhlen, die Bahnen an sich sind jedoch super langweilig. Zwanzig mal müssen wir den Ball nur einmal um die Ecke oder vielleicht einen Hügel hinauf schlagen. Selbst der Minigolfplatz in Heiligenhafen hat da deutlich aufregendere Bahnen. Naja, so können wir das wenigstens auch abhaken und nach dem Minigolfen gibt es immerhin noch ein leckeres Eis! Auf dem Rückweg kommen wir an einem schönen Fischrestaurant mit Live-Musik direkt an der Marina in Damariscotta vorbei. Hier halten wir an, erfreuen uns an der Live-Musik und dem tanzfreudigen Publikum und bestellen uns Fisch und Nachos als Abendessen. Richtig genießen können wir das jedoch nicht, weil kaum steht unser Essen auf dem Tisch, ist die Musik schlagartig vorbei und die Mücken zerfressen uns. Also schnell nach Hause und den nächsten Harry Potter reinziehen, das ist inzwischen schon richtig Tradition.

    Auf den sonnigen Sonntag folgt ein regnerischer Montag, den wir größtenteils mit Lesen und Spielen verbringen. Da wir nun wirklich noch nicht viel gesehen haben und auch das Wetter hier ab Dienstag deutlich besser werden soll, verlängern wir unseren Aufenthalt in dem Cottage noch um zwei Tage bis Freitag. Wir finden es hier schön und wollen das Wetter noch mehr nutzen. Um aber auch diesem Regentag etwas schönes abzugewinnen, bereiten wir uns abends eine richtig tolles Abendessen zu: Rindersteaks mit dünnen Backmohrrüben in Ahornsirup-Ingwer Glasur und überbackener Frischkäse-Knoblauch Kartoffelbrei als Beilage. Sooo lecker! Danke nochmal an Chrissy für das Rezept 😉

    Am Dienstag fährt Rico los und geht wandern. Er wollte gerne mal alleine für sich wandern gehen und mir kommt das ganz gelegen, da ich sowieso noch den Blogeintrag schreiben wollte. Dafür fahren wir aber am Mittwoch zusammen nach New Harbour, wo ein altes Fort steht, dass die Briten im Kampf gegen die Franzosen gebaut haben. Leider ist das Fort heute nicht zu besichtigen, aber schön anzusehen ist es trotzdem. Sowieso ist der Ort sehr schön, fast alle Häuser haben Wasserzugang und die zerklüftete Küste sieht wie gemalt aus. Wir schlendern entlang des kleinen Hafens, besichtigen einen seeehr alten Friedhof (hier stehen teilweise Grabsteine von 1750!) und schauen uns die alten Steinmauern an, die als Fundamente für die Häuser der ersten Siedler aus Großbritannien dienten, die sich in dieser Region niedergelassen haben.

    Insgesamt gefällt uns Maine hier schon deutlich besser und auch das Wetter spielt endlich mit. So nutzen wir den letzten Tag auch unseren Garten nochmal schön aus, spielen Federball und schreiben das erste Inserat für unser Auto. Denn das müssen wir schon bald wieder verkaufen, wir befinden uns jetzt nämlich schon im letzten Drittel unserer Reise. Für Melancholie bleibt aber keine Zeit, denn am Freitag geht es schon weiter nach Massachussets, genauer gesagt nach Boston, denn an diesem Abend schauen wir uns ein Baseball-Spiel der Boston RedSox an im berühmten Fenway Park Stadion an. Wir packen unsere Sachen, verabschieden uns von Christo und von Maine und setzen unsere Segel in Richtung Boston, das eine so bewegte Geschichte hat…
    (J)
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