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  • Day 38

    Was ein Theater

    April 20, 2023 in Romania

    Ein deutsches Theater in der rumänischen Walachei? Gibt's!
    Zentral in Rumänien, an den Ausläufern der Karpaten, liegt Sibiu. Die 70.000 Einwohner Stadt trägt neben ihrem rumänischen Namen auch den Namen Hermannstadt. Klingt nicht nur sehr deutsch ist es auch. Im 12 Jahrhundert ließen sich dort deutsche Sachsen nieder, die in der Region Siebenbürgen einige Jahrhunderte die ethnische Mehrheit stellten. Noch heute zeugen die Namen an den Restaurants, Hotels und das allgemeine Bild der Altstadt von der Völkerwanderung vor rund 900 Jahren. Heute leben nur noch knapp 2.000 deutschsprachige Siebenbürgen in der Stadt aber die Kultur wird am Leben erhalten, unter anderem durch Theaterstücke.
    Die Komödie, welche ich mit Anca besuche, könnte man sicherlich auch ohne Deutschkenntnisse verstehen. Die Komödie ist reichlich einfach gestrickt, es geht um Sex , Betrug, ein altes Hotel und viel Schnaps - doroc! (Prost)
    Nicht nur das der Zufall es so will, dass an dem Tag an dem ich in Hermannstadt bin ein deutsches Stück gespielt wird, nein heute ist auch noch der 101 Geburtstag meines Opas Hermann - na darauf ein Schoppen - doroc!
    Im Anschluss gibt's noch ein typisch rumänsiches Abendessen mit reichlich Hausmacher Wurst und natürlich Schnaps, wenn man es nicht wüsste, könnte man meinen man wäre schon daheim.
    Allerdings liegen da noch läppische 1.500 km dazwischen, eigentlich kaum der Rede wert, bedenkt man das wohl schon rund 6.000 km seit Belutschistan hinter mir liegen. Am Freitag ging es dann mit dem Zug weiter rund 9 Stunden weg von den Karpaten in die ungarische Tiefebene bis Budapest, dem letzten Stop der Reise.
    Der Donaustadt kann man immer ein paar schöne Tage abgewinnen, ähnlich wie Istanbul, Wien oder Rom ist die Stadt voll von Geschichte und gut ausgestattet mit Bars und Restaurants à la couleur.
    An den neoklassischen Fassaden im historischen Zentrum Budas (links der Donau) zeigt sich noch heute die einstige Verbindung Österreich Ungarns zu Zeiten der k.u.k Monarchie. Auch die andere Seite der Donau (Pescht) hat mit den vielen Palästen und Kirchen enorm viel zu bieten, vor allem einen grandiosen Überblick vom Schlossberg über die gesamte Stadt und weit bis in die ungarische Tiefebene.
    Ein weniger bekanntes Highlight ist definitiv die jüdische Geschichte und heutige Kultur der Stadt. Es gibt Stadtführungen die sich fast ausschließlich damit befassen, äußerst empfehlenswert. Noch heute steht im ehemaligen jüdischen Ghetto die drittgrößte Synagoge der Welt. Zum Glück ist heute wieder die jüdische Kultur in die Stadt zurückgekehrt, nachdem es 1944 fast komplett ausgelöscht wurde. Am Donauufer stehen, aus Bronze gegossen, die Schuhe der Menschen die an der Kaimauer erschossen und in die Donau geworfen wurden, weil unsere Vorfahren solch eine Angst vor der intellektuellen Kultur dieser Menschen hatten damit sie alles (un)menschenmögliche taten um sie zu vernichten. Gott sei Dank ist es ihnen nicht gelungen und während die NS-Ideologie hoffentlich für immer auf dem Abfall der Geschichte gelandet ist, erlebt Budapests jüdische Kultur eine kleine Renaissance.
    Heute kann man die jüdische Kultur auch abseits einer Stadtführung, auf kulinarische Art entdecken. Neben der orthodoxen Synagoge haben sich mehrere erstklassige jüdische Restaurants niedergelassen. Meine Empfehlung für jeden der in Budapest ist, gutes Essen mag und ein paar Euro über hat, Macesz Bistro, Reservierung empfohlen. Ausgefeilte jüdische Küche mit einer guten Weinkarte, in hervorragendem Ambiente.
    Ansonsten war das auch schon der letzte Stop der Reise und es geht von Budapest mit dem Nachtzug nach München und von dort dann nach Aschaffenburg, die letzten beiden Zugfahrten.
    Nach rund 7.500 km Schiene gäbe es kaum einen schöneren Abfahrtsbahnhof als Budapest Keleti, erbaut um 1848, ein Palast für Reisende, definitiv der schönste Bahnhof auf dieser Reise, welch ein gelungener Abschied.

    Eine lange aber sehr interessante Heimfahrt von der äußerste Süd-Osten Irans bis heim nach Eichenbühl. Kilometer für Kilometer aus Persien durch den Orient über Süd-Ost Europa bis ins Abendland. Auf den Spuren des Orient-Express, während am Zugfenster die Landschaft vorbeizieht und sich alles wandelt, Architektur, Sprache, Küche. So unglaublich viele Menschen haben diese Reise so einmalig gemacht. Manche haben mir einfach weitergeholfen wenn ich Mal wieder ohne Sprachkenntnisse völlig aufgeschmissen nach dem Weg gesucht habe, andere haben mir etwas über ihr Land und ihre Kultur erzählt, mich ins Theater begleitet, viele haben mich auf eine Tasse heißen Tee eingeladen, alle haben mir etwas ihrer Zeit geschenkt ohne zu fragen was es kostet oder was es bringt, einfach der Gastfreundschaft wegen. Eine einmalige Reise geht zu Ende, hunderte einmalige Erinnerungen bleiben!

    Shukran!
    Kheyli Mam'noon!
    Teşekkürler!
    Blagodarya!
    Merci frumos!
    Köszönöm!
    Danke!
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  • Day 35

    Zwei Wiedesehen auf zwei Kontinenten

    April 17, 2023 in Turkey ⋅ 🌩️ 17 °C

    Um Istanbul kommt man einfach nicht herum, sollte man auch nicht! Am Ende des ehemaligen Orient-Express (letzte Fahrt Paris-München-Wien-Sofia-Istanbul 19.05.1977) verbindet es Europa und Asien. Nicht nur physisch schlägt die Stadt eine Brücke zwischen den Landmassen, auch zwischen den Kulturen. Wer, wie ich, vom Osten her reist, merkt ganz deutlich, dass er mit Istanbul endlich Europa erreicht hat. Ich kann nicht genau sagen woran man es fest machen kann aber man merkt es.
    Schon bei meinem ersten Besuch 2019 war mir klar, dass ich wiederkommen würde. Istanbul ist einfach beeindruckend, optisch, kulturell und historisch. Kein Reisender kann mir weis machen, er wäre unbeeindruckt von dem gigantischen Bosporus der sich mitten durch die Stadt zieht. Aber auch historische Bauwerke wie die alten Festungsmauern aus der Zeit Konstantinopels, die Bazare und was noch alles lädt zum staunen ein. Alleine schon die Hagia Sophia ist ein Bauwerk mit baulichen wie kulturellen Ausmaßen, welche man höchstens noch in Rom finden kann. Das Gotteshaus (537 n.Chr.) welches älter ist, als die Religion, welche in ihm praktiziert wird (Islam ca. frühes 7 Jh. n.Chr.).
    Die Stadt mit vielen Namen, Byzanz, Konstantinopel, Istanbul, warum sie heute keine Hauptstadt ist? Wahrscheinlich weil die Türkei für sie viel zu klein ist. Wer einmal Hauptstadt mehrerer Weltreiche (u.a. ost-römisches und osmanisches Reich) war, der begnügt sich doch heute nicht mehr mit einem mittelgroßen Nationalstaat. Dann lieber das historische Gesicht wahren und heute nicht mehr im politischen Mittelpunkt stehen, als eine solche Statistenrolle anzunehmen.
    Ein paar Tage Rast in Istanbul tun gut, nach vollen drei Tagen auf der Walz. Außerdem hat Istanbul noch ein anderes besonderes Wiedersehen für mich vorbereitet. Haroon, ein ehemaliger Kommilitone, verbringt hier sein Auslandssemester. Da fühlt man sich schon etwas kosmopolitisch, wenn man sich eben einmal schnell auf ein Abendessen in Istanbul verabredet. Zwei mehr als kurzweilige Stunden und ein paar Teller türkische Hausmannskost später, ein Handschlag und das Versprechen auf ein Wiedersehen, wer weiß wo.
    Gestern ging es dann noch ein, vorerst!, letztes Mal über das blaue Wasser des Bosporus mit der Fähre auf die europäische Seite und dort zum Bahnhof Halkali. Von hier aus dann mit dem nächsten Nachtzug nach Bulgarien, in die beschauliche alte Hauptstadt Veliko Tarnovo.
    Ein Ort mit viel Geschichte, aber deutlich kleiner und ruhiger als die heutige Hauptstadt Bulgariens. Am frühen Morgen rattert der alte Zug aus Sowiet-Zeiten durch die grünen Wälder bis er in der engen Schlucht unterhalb der Stadt den Bahnhof Veliko Tarnovos erreicht. Einen Tag schaue ich mir die Stadt und ihre alte Festung an, genieße das gute Essen und die ruhigen Gassen bevor es morgen weiter, über die Donau, nach Rumänien geht.
    Veliko Tarnovo ist einer dieser Orte, die man vermutlich nie bereisen würde, wenn man nicht mit dem Zug aus Istanbul Richtung Westeuropa daran vorbeikäme. Definitiv sehenswert und in eine wunderschöne grüne Landschaft aus Wäldern und Hügeln gebettet .
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  • Day 32

    Orient-"Express" - oder so ähnlich

    April 14, 2023 in Turkey

    Den Orient Express aus den Büchern Agatha Christies findet man heute nicht mehr. Eine Zugverbindung zwischen Westeuropa und den Orient besteht aber dennoch, allerdings gibt es zumindest für den Personenverkehr eine Lücke. Die Zugverbindung zwischen dem Nord-Osten Irans und der Türkei besteht aktuell nicht, nach Corona wartet man immernoch auf die Wiedereröffnung. Kurz vor Corona wurde sogar wieder eine durchgehende Relation Ankara-Tehran etabliert, welche dann aus genanntem Grund ausgesetzt wurde.
    Heute kann man die Lücke Täbriz-Tatvan mit einem Bus vom Iran nach Van und einem weiteren nach Tatvan schließen.
    Dank übermäßiger Kontrollen, sowohl an der Grenze wie auch innerhalb der Türkei dauerte diese Odyssee fast 15 Stunden - für nicht einmal 500 km. Dementsprechend wenig Zeit blieb am Abend in Tatvan, zu Gast durfte ich bei Mehmet sein, bevor am nächsten Tag der Zug von Tatvan nach Ankara abfuhr.
    Die Reise einmal quer durch die Türkei ist durchaus sehenswert, von den schneebedeckten Gipfeln über dem weiten Grasland Ost-Anatoliens bis in die Weiten Zentral-Anatoliens. Das Wort Orient-Express ist aber vor allem wegen seines zweiten Wortteils unzutreffend. Für die 1.100 Kilometer bis Ankara benötigt der Zug fast 28 Stunden, eine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit von statten 39 km/h. Immerhin schaffe ich den Anschlusszug nach Istanbul noch, um sage und schreibe 10 Minuten, man darf wohl auch mal Glück haben. Dennoch die Zugfahrt war definitiv komfortabel, im Schlafabteil bekommt man ausreichend Ruhe im Bordrestaurant ausreichend Tee um lange wach zu bleiben um neben einem guten Buch die Landschaft genießen zu können.
    Für die rund 460 Kilometer von Ankara bis Istanbul benötigt man dank ICE-baugleicher Züge nur rund 4 Stunden, sodass ich dann nach 1.560 Kilometern, den größten Teil Türkei hinter mir habe. In Istanbul warten dann ein paar Tage Rast bevor es dann zum Endspurt Richtung Heimat nach Bulgarien weitergeht.
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  • Day 29

    Nähmaschinenreperaturwerkstattbesitzer

    April 12, 2023 in Iran ⋅ ☁️ 14 °C

    Deutsch ist berühmt für extrem lange Worte, ein ganzer Satz in einem Wort, in Deutsch kein Problem. Das nennt man dann wohl Spracheffizienz. Nicht selten wurde ich schon nach Beispielen gefragt, die einem genau dann nicht einfallen wollen.
    Heute bin ich ganz von selbst darauf gestoßen, genauer gesagt hat mich Araz, ein junger Iraner, beim Rundgang durch Täbriz darauf gebracht. Er meinte wir müssten unbedingt auf einen Tee bei Ali, dem Nähmaschinenreperaturwerkstattbesitzer vorbeischauen. In einer kleinen Seitengasse, fernab des Trubels der Millionenstadt, sitzt Ali in seinem 6 qm großen Laden. So weit so gewöhnlich, hätte der rund 80 Jahre junge Ali nicht von seinem Laden aus die ganze Welt bereist, ohne diesen dabei zu verlassen. Wie? Berechtigte Frage, in Alis Laden kommen einfach alle Reisende, die durch Täbriz kommen. Wie er die Leute in seinen unscheinbaren Laden lockt weiß ich nicht genau. Anscheinend blickt er permanent von seiner Gasse hinaus auf die belebte Straße am Rande des Bazars von Täbriz, sobald dann irgendjemand vorbeiläuft der nach Tourist aussieht, krabbelt er hinter seiner Werkbank hervor und spricht die Menschen an.
    So unglaublich das auch klingt, über zwei Dutzend DIN-A4 Notizbücher voll mit Grußbotschaften in unzähligen Sprachen aller Herrenländer zeugen von seinem Talent. Durch ein paar davon blättere ich hindurch, alle berichten von dem liebenswerten Mann und seiner kleinen Werkstatt, von der Einladung zu Tee, herzlichster Gastfreundschaft und der Bewunderung über einen alten Mann der sich in seiner Werkstatt selbst Englisch beibringt. Auch ich darf mich in einem seiner Bücher verewigen. Ali schwärmt nebenbei von seinen alten deutschen Nähmaschinen, Pfaff und Singer, "kein Plastik, alles Metal!" - damit könne man noch 500 Jahre nähen. Natürlich gibt es dann auch noch eine Tasse Tee, ein kleiner Gaskocher pfeift in der Ecke, alles hier auf nicht einmal 6 qm.
    Für viele über-Land-Reisende ist Täbriz der erste Anlaufpunkt im Iran (Grenze zu Armenien, Aserbaidschan und Türkei). Für all jene ist Ali der erste Beweis für die überragende Gastfreundschaft der Iraner, von der alle schwärmen, die es einmal gewagt haben die Hürde aus Vorurteilen zu überspringen.
    Für mich ist es umgekehrt, hier endet die Reise durch den Iran, am nächsten Tag morgens um 07 Uhr geht es mit dem Bus über die Grenze nach Van in der Türkei. Von dort geht es dann mit dem Zug rund 26 Stunden zunächst durch malerische Landschaften bis Ankara und von dort weiter nach Istanbul. In der Stadt zwischen den Kontinenten, sind dann ein paar Tage Rast vorgesehen.

    P.S. Ja auf dem Bild sieht man Alis gesamte Werkstatt :)
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  • Day 24

    Lange Tage kurze Schatten

    April 6, 2023 in Iran ⋅ 🌙 24 °C

    Seit gut einer Woche bin ich nun im Süden des Iran unterwegs. Heute habe ich, zumindest geographisch, das Ende meiner Reise erreicht. Beris ist so ziemlich der südöstlichste Ort Irans, hier endet damit auch der Nahe Osten. Knapp 50 Kilometer weiter beginnt mit Pakistan der Subkontinent Süd Asien. Hier endet auch so ziemlich alles andere und es beginnt das Ende der Welt. Ab morgen beginnt langsam aber sicher schon die Heimreise. Bis Dienstag liegen noch zwei Stops im Iran und 2.800 km Landweg vor mir, danach geht's mit dem Zug einmal quer durch die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich. Alles in allem gute 6.500 km bis in die Heimat.
    Jetzt kann man sich natürlich fragen, was man überhaupt am Ende der Welt im Iran zu suchen hat. Eigentlich ist das hier auch schon nicht mehr Iran sondern Belutschistan, eine geographische Region, die sich über Teile des heutigen Irans, Pakistans und Afghanistans erstreckt. Der iranische Teil ist landschaftlich geprägt von einer Steilküste am Golf von Oman, Marslandschaften direkt dahinter und bei Darak "mündet" die Wüste übergangslos in den Ozean. Eine so einmalige Landschaft durfte ich selten erleben.
    Außer dem landschaftlichen Reiz hat die Region wenig für die Menschen zu bieten, es ist der erste Ort im Iran an dem ich wirkliche Armut beobachten konnte. Die Böden sind karg, unter der Oberfläche schlummern auch keine Schätze aus Öl und Gas und zu allem Übel stehen die Menschen hier mit der Regierung im knapp 2.000 km entfernten Tehran auf Kriegsfuß. Grund hierfür ist wohl vorwiegend die Religion. Was viele nicht wissen ist, dass Iran ein Vielvölkerstaat ist. Die Belutschen sind Sunniten während die Regierung und der überwiegende Teil der Bevölkerung Schiiten sind. Die Infrastruktur ist auf ein Minimum begrenzt und neben Fischfang ist die Haupteinnahmequelle Benzinschmuggel. Andauernd rasen mit Benzin beladene Geländewagen über die Straßen oder auf staubigen Behelfspisten an den Militärcheckpoints vorbei. Im Iran kostet der subventionierte Liter Benzin aktuell 30.000 Rial umgerechnet ziemlich genau 5 Cent. Die geographische Nähe zur pakistanischen Grenze und die allgegenwärtige Korruption tragen ihren Teil zum Geschäftserfolg bei. Ob Schmuggel jedoch das passende Wort ist weiß ich nicht, zwar rasen die mit ca. 600 - 800 Litern Sprit beladenen Toyota Geländewagen wie vom Teufel gejagt mit über 140 km/h über die Landstraßen, jedoch scheint dies die entgegenkommenden Polizeifahrzeuge nicht zu stören. Andererseits sieht man die Geländewagen dann wieder abseits der Straße durch die Wüste rasen, einige Polizisten scheinen wohl die Augen zu und die Hände auf zu halten, jedoch nicht alle. Seit ich in dieser Provinz Irans bin begegnet man auch regelmäßigen Polizei und Militärkontrollen, was es sonst im Iran nicht gibt. Meist passiert man die Checkpoints ohne Check aber gelegentlich geht's nur nach Vorlage des Ausweises weiter.
    Wie so oft ist es auch hier am Ende der Welt so, dass die Menschen am freundlichsten sind. Nicht das die Iraner nicht generell sehr gastfreundlich wären aber in Belutschistan ist alles noch einfacher. Trampen kann hier kaum als trampen bezeichnet werden, denn es reicht völlig aus an der Landstraße entlang zu laufen, das nächste Auto oder Moped hält an und nimmt einen mit. Viel materielles haben die meisten Menschen hier nicht, aber auf den alten 120 ccm Hondamopeds ist immer noch ein Platz frei, drei Erwachsene kein Problem, zwei Kinder und zwei Erwachsene locker flockig.
    Es ist das gleiche Paradoxon wie schon so oft erlebt, die die am wenigsten haben sind am ehesten bereit zu teilen und zu helfen.
    Die letzten beiden Nächte konnte ich mit jungen Iranern hier in den traumhaften Wüstendünen wenige Meter vom Meer entfernt verbringen. Mit ein wenig Holz wird Feuer gemacht Tee aufgesetzt und das reicht auch schon, die Unterhaltung liefert der Sternenhimmel und die nächtliche Wüstenlandschaft kostenlos.
    Bevor es morgen mit dem Bus rund 12 Stunden Richtung Zentral Iran geht, bleibt heute noch ein letzter Sonnenuntergang am Meer und eine Nacht unter dem Sternenhimmel Belutschistans am schönsten Ende der Welt.
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  • Day 19

    In Teufels Wohnzimmer

    April 1, 2023 in Iran ⋅ 🌬 25 °C

    Mitten in der Straße von Hormuz liegt die gleichnamige Iranische Insel. Heiß ist die Gegend nicht nur klimatisch, die teils nur 20 Seemeilen breite Engstelle müssen alle Tanker passieren um die Öl-Verladehäfen der Golf-Staaten Kuwait, Irak, Iran, Katar, Bahrain sowie der Arabischen Emirate zu erreichen. Rund 20 % des globalen Erdöls müssen durch dieses geostrategische Nadelöhr. Der Iran hat die defacto Kontrolle über die Straße von Hormuz, vielleicht ein weiterer Grund warum manche im Westen fest vom Demokratisierungsbedarf des Iran überzeugt sind ;)
    Aber deswegen bin ich nicht dort aufgeschlagen. Mich ziehen die roten Strände und die Mangrovenwälder an. Leider sind es noch die letzten Tage des persischen Neujahrsfests und auf den Inseln im persischen Golf verbringt ca. der halbe Iran mit Kind und Kegel seinen Urlaub. Was sofort auffällt sind viele junge Iraner die, in weiten Hippie-Klamotten, ihre freien Tage genießen. Hier fernab der Hauptstadt können sie zumindest etwas von der Freiheit auskosten, für die sie in Tehran auf die Straße gingen und wohl manche ihrer Freunde ihr Leben lassen mussten. Auch das ist Iran, nicht dass hier nicht die gleichen Gesetze gelten würden wie überall sonst, aber auf der kleinen Insel scheint man wohl weitestgehend beide Augen zuzudrücken.
    Da ich mal wieder keinen Schlafplatz im Voraus organisiert habe (hab es diesmal wenigstens versucht aber erfolglos), latsche ich planlos in der Mittagshitze durch die staubigen Gassen. Als planloser Ausländer falle ich sofort auf. Alireza ein junger Iraner, erkennt das Problem auf Anhieb und nimmt mich gleich mit in sein Café, ein paar Anrufe später habe ich dann eine Unterkunft, ein paar Decken auf dem Boden einer kleinen mit Palmwedeln bedeckten Hütte am Rande der einzigen Siedlung auf der Insel.
    Alireza nimmt mich abends noch mit auf seinem Motorrad auf eine Rundfahrt um die Insel, die Strecke einmal rundherum misst ganze 25 km. Als er mir sagt was er normalerweise für eine Rundfahrt auf dem Moped nimmt, wird mir klar welchen Stellenwert der Urlaub für viele Iraner hat. Normalerweise lässt er sich für die Fahrt auf dem Moped 20 Millionen Rial (40 €) bezahlen, klingt erstmal nicht viel, bis man bedenkt, dass ich kürzlich für rund 110 km Taxifahrt 4 € berappen musste. Abgesehen vom bekannten roten Strand, beherbergt die Insel in einer Höhle Gesteinsschichten in allen Farben des Regenbogens, durch Jahrmillionen tektonischer Aktivitäten fein säuberlich aufgeschichtet.
    Mein absolutes Highlight sind jedoch die ausgetrockneten Salzflüsse die sich aus den Bergen im Herzen der Insel ins Meer ergießen. Teilweise wirkt das Fußbett wie gefroren, dutzende Zentimeter dick durchsichtiges glänzendes Salz. An anderen Stellen liegt eine gelb-leuchtende schweflige Schicht auf dem Salz. Umgeben von roten Bergen und weit und breit kein Strauch auf dem toten Salzboden. Angeblich verbirgt sich im inneren der Insel ein Dämon, weshalb manche Einheimische diesen Ort noch immer meiden. Zwar bin ich keinem begegnet, sollte es aber irgendwo auf der Welt etwas derartiges geben, dann stehen wir hier wohl in seinem Wohnzimmer. So surreal und leblos wie dieser Ort aus Felsen, Salz und Schwefel wirkt, kann hier kein natürliches Wesen überleben, höchstens vielleicht Satan höchst selbst.
    Ob dieser auch am nächsten Tag seine Finger im Spiel hat? Am kleinen Fährhafen der Insel sind die Tore geschlossen. Der Wind peitscht die Wellen an die Kaimauer. Zwar sind es nur 25 km bis in den Hafen von Bandar Abbas aber für heute ist die Passage zu gefährlich, einen Tag behält mich das Biest noch auf der Insel. Der Teufel hätte es nicht besser planen können. In der Nacht wandern Alireza, ein paar Freunde vom Cafe und ich in das salzige Herz der Insel. Der Mond erleuchtet die sternenklare Nacht zwischen den Felsen, die Salzflüsse reflektieren das Mondlicht und Alirezas Freund spielt auf einer Art Klangschale magische Töne in die toten Berge um uns herum. Irgendwo auf einem der Hügel sitzt er mit dem persischen Instrument, sehen kann man ihn nicht nur seine Klänge hört man, scheinbar sitzt er überall um uns herum. Ein kleines Lagerfeuer knistert in unserer Mitte. Mag sein, dass es auf der Insel reichlich psychodelische Drogen gibt, heute Nacht wären sie überflüssig, nichts kann diesen Moment noch magischer machen.

    Noch nie war ich über eine verpasste Fähre so glücklich.

    P.S. Auch diese Geschichte ist schon etwas her und gehört vor jene die Belutschistan handelt.
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  • Day 14

    Von guten Dieben und etwas Glück

    March 27, 2023 in Iran ⋅ ⛅ 12 °C

    Warum ich heute Morgen 500 Euro an einen, mir unbekannten, Spätibesitzer in Berlin überwiesen habe? Eine lange Geschichte, von internationalen Sanktionen gegen Iran, guten Dieben, etwas Glück und natürlich auch etwas Pech.

    Hintergrund: Iran ist aufgrund internationaler Sanktionen vollständig vom internationalen Zahlungsverkehr abgekoppelt. Hier funktionieren keinerlei ausländische Kreditkarten, Überweisungen aus dem Ausland sind unmöglich auch Agenturen wie Western Union ist der Zugang verboten. Dies war schon bei meiner Reise 2019 im Iran so.

    Ergo bringt man einfach alles Geld was man meint, während der Reise zu benötigen, in bar mit. Leider ist es etwas unpraktisch permanent, speziell zum Anfang der Reise, eine größere Summe Bargeld im Geldbeutel zu haben. Meine Lösung hierfür war heute wie auch 2019 schon, mehrere kleine Umschläge im Rucksack zu verstauen und in jedem davon einen Teil des Geldes aufzubewahren. Einen im Rückenpolster, im Kulturbeutel und einen im Erste Hilfe Set zwischen der Rettungsdecke - so weit so clever - dachte ich. Leider nicht clever genug! Wohl während der 10-stündigen Busfahrt gestern von Ahvaz im Westen ins Zentrale Hochland nach Isfahan hat mich jemand dieses nicht ganz unnötigen Ballasts erleichtert. Mit viel Geduld und Ruhe hat wohl jemand während der Fahrt im Gepäckraum meinen Rucksack auf Herz und Nieren überprüft. Die Mühe wurde belohnt. Aufgrund der massiven Inflation im Iran dürfte meine Reisekasse wohl in etwa 3 Monatslöhnen eines Busfahrers und seines Beifahrers entsprechen (leider muss ich die beiden im Verdacht haben, sonst hatte niemand Zugang).

    Besonders interessant daran ist, das obwohl der Dieb alle drei Umschläge mit Geld gefunden hat, wurde nicht alles Geld herausgenommen. In zwei der drei Verstecke hat er insgesamt 200 Euro belassen. Es gibt doch noch ehrliche Gauner! Das muss man sich mal vorstellen, da räumt jemand in aller Seelenruhe meinen Rucksack aus, hat 1.000 Euro in den Fingern und denkt sich, "ne also der Junge braucht ja auch noch was zum leben, 800 € sind nun auch wirklich genug". Ich bin mir nicht mal sicher ob ich demjenigen wirklich böse sein kann.

    Rein ökonomisch betrachtet, war dies ein effizienter Vermögenstransfer, der Nutzen den der Dieb aus dem Geld erhält ist um einiges höher als der Schaden der mir dabei entstanden ist. Aber weniger ökonomisch betrachtet ist es doch irgendwie doof 😅

    800 € leichter zu sein fühlt sich sicherlich nicht toll an, schwerer wiegt jedoch, die Tatsache dass es eigentlich unmöglich ist Geld aus dem Ausland in den Iran zu transferieren - eigentlich. Also was nun? Nun ja im Hostel ist immerhin eine Frau aus Deutschland, ihr Mann stammt aus dem Iran und sie sind hier auf Verwandtschaftsbesuch. Meine Idee, sollten die beiden bald abreisen könnte ich ihren Restbestand an Bargeld gegen Überweisung in Deutschland "abkaufen". Leider stellt sich raus, dass auch sie eben erst hier angekommen sind. Jedoch kann er mir doch weiterhelfen, er kennt einen Weg wie Exiliraner ihren Familien im Iran regelmäßig Geld zuschicken, legal? Irrelevant, Funktionalität steht im Vordergrund. Also überweise ich kurzerhand dem Cousin des Mannes, der wohl nebenbei einen Späti in Berlin betreibt 500 €. Dieses schafft der dann wie auch immer binnen wenigen Stunden auf ein Bankkonto im Iran, auf welches wiederum der Mann aus dem Hotel hier mittels iranischer Bankkarte Zugriff hat. Klingt seltsam aber was bleibt mir übrig? Nichts, also ist es einen Versuch wert.
    Noch kenne ich das Ergebnis nicht, aber ich bin zuversichtlich auch diese Herausforderung gemeistert zu haben 🙃

    Was soll's mal ist man der Hund, mal ist man der Baum - heute ist Baumtag, morgen vielleicht schon wieder Hundtag 🤷 War ja Gott sei Dank nur bedrucktes Papier 😬

    Ansonsten ist's in Isfahan wie auch 2019 unwahrscheinlich schön und es blieb neben einer halben Stunde Frust ein schöner Tag 🥲
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  • Day 13

    WM Finale '82 Iran vs. Deutschland

    March 26, 2023 in Iran ⋅ 🌧 11 °C

    In Spielminute 113 der Verlängerung im Weltmeisterschaftsfinale 1982 schießt Kliensmann die Deutschen mit einem strammen Schuss von halbrechts zum WM-Titel, kurz nachdem der iranische Torhüter sich mit einem Eigentor grandios blamiert hat...

    Bevor ihr mich für komplett bekloppt haltet, hier die ganze Story. Gestern bin ich in der iranischen Provinzhauptstadt Sanandaj angekommen. Von dort soll es dann weiter nach Shushtar ca. 600 km südlich gehen, allerdings gibt es nur einen Bus und der fährt erst abends. Also noch einen Tag um Sanandaj zu erkunden, leider kein besonders guter Tag, warum?
    1. Freitag -> im Islam vergleichbar mit unserem Sonntag
    2. Newroz -> persisches Neujahr, 2 Wochen haben fast alle Iraner frei und viele sind der grauen Großstadt zum Picnic oder zu Verwandten aufs Land entflüchtet
    3. Ramadan -> seit gestern heißt es für gläubige Muslime, von Sonnenauf- bis -Untergsang, nichts essen nichts trinken, nicht rauchen, dementsprächend viele Teehäuser findet man - 0 - und wenn doch nur "takeaway"

    Long story short die Stadt ist ausgestorben, bis auf ein paar Stände im Bazar. Da ich mittlerweile weiß das viele Iraner das gleiche vom Islam halten, was ich vom Jesusclub halte, nämlich Abstand, weiß ich auch das irgendwo ein paar Sünder bei Tee und Zigaretten sitzen. Die muss man nur finden und man kann etwas Zeit totschlagen, denn zu sehen gibt es in Sanandaj nicht viel (dachte ich). Auch in den engen Gängen des Bazars ist es ziemlich ruhig, die meisten Rolltore der Läden sind heruntergelassen, die Lichter in den Gängen sind aus, nur ganz hinten brennt noch eine Lampe. Ganz am Ende des engen Gangs sitzen ein paar Jungs, so in etwa mein Alter, in zwei kleinen Ladennischen und zocken Playstation, der Ladenbesitzer serviert Tee, es wird geraucht, gespielt und geflucht. Natürlich werde ich gleich angesprochen, hinsetzen Tee trinken und wenig später habe ich einen 20 Jahre alten Playstation1 Controller in den Händen und was spielt man mit einem Deutschen - na klar FIFA WorldCup - und zwar von 1982. Die Bildqualität ist atemberaubend schlecht, aber das tut dem Spaß keinen Abbruch. Ich entlarve mich als absoluter Fußballagnostiker, die Jungs dagegen als strenggläubige Fußballfanatiker. Meinen Namen können sie kaum aussprechen, aber Bierhoff, Kliensmann, Kopke und Co. gehen ihnen über die Lippen wie die Namen ihrer Eltern. Sie kennen jeden und sagen mir genau wer als Libero taugt und wer nicht. Das eigentlich bemerkenswerte - sie können die Namen nicht lesen, das Spiel ist eine japanische Kopie, es gibt nur japanische Schriftzeichen, aber sie erkennen nur anhand der Rückennummer den halben Kader der deutschen Fußballnationalmannschaft von '82 😳
    Nach dem Spiel fragt mich Hadi, nach meinen Plänen für heute und als ich ihm sage, dass ich bis abends eigentlich nur Zeit totschlagen will meint er "gut dann kannst du ja mit zum Mittagessen zu mir nach Hause kommen". Ehrlich gesagt habe ich zunächst ein etwas mulmiges Gefühl, an so viel Gastfreundschaft ist man als Mitteleuropäer schlicht nicht gewohnt. Hadi kennt nicht nur Kliensmann, die Bayern und den übrigen deutschen Popkultur Quatsch. Von "das Leben der Anderen" und der schauspielerischen Leistung Ulrich Mühes ist die Rede. Ich frage mich wer in meinem Alter zuhause diesen Film noch kennt und wie man wohl über ihn denkt, wenn man selbst in einem totalitären Land mit einer "Wahrheit" und einer Partei aufwächst.
    Jetzt gibts aber erstmal Mittagessen und auf Anweisung von Hadis Mutter, die sich herzlichst über den Fremden, der nicht als alter Freund behandelt wird, freut muss ich essen als ob es kein Morgen gäbe. Selbstverständlich gibt es hinterher noch persische Süßigkeiten und Tee. Sie hält sich zwar an das islamische Fastengebot, was sie aber keinesfalls daran hindert für ihre Söhne und mich tellerweise süße Sünden "aufzutischen" (zumindest metaphorisch, denn gegessen wird auf dem Boden 😉). Bevor ich mich verabschieden kann muss ich natürlich noch was zu Essen für die Busfahrt einpacken, Widerrede? - hahaha - eher könnte ich die Mullahs zum Satanismus bekehren als das.
    Bevor mich Hadi und sein Bruder zum Bus bringen, zeigen Sie mir noch etwas von der Stadt in der es nichts zu sehen gibt. Mitten in der Altstadt liegt ein wunderschöner alter persischer Palast, wie aus einem Märchen. Wunderschöne Mosaike, im kristallklaren Wasser der Brunnen schwimmen große Zierfische und auf der Oberfläche spiegelt sich der Innenhof des Palasts - jaja nichts zu sehen also. Zu guter letzt geht es noch auf einen der umliegenden Berge, von dort überblickt man die Stadt, die eingebettet in die weichen Hügel des Zagrosgebirges liegt.

    Als ich kurz darauf am Busbahnhof stehe, bin ich beeindruckt. Kaum einen Tag in diesem Land bin ich schon wieder hin und weg, von der unvergleichlichen Gastfreundschaft, der atemberaubenden Landschaft und dem unvergleichlichen Kulturerbe des Iran.

    Genug geschwärmt, vor mir liegt eine 12h Nacht im Bus auf staubigen Landstraßen, naja wäre alles toll, würde letztlich der Kontrast fehlen 🙏 Immerhin warten am Ziel, über 3.000 Jahre Zivilisationsgeschichte, findet man nun auch nicht an jeder Milchkanne.

    Um möglicher Verwirrung entgegen zu wirken, dieser Text gehört zeitlich vor die letzte Geschichte, diese kam jedoch so überraschend, dass mir die Zeit fehlte diesen Text noch fertig zu schreiben.
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  • Day 10

    1.653 km Kurdistan, Land und Leute

    March 23, 2023 in Iran ⋅ ☀️ 8 °C

    Hinter Kevin und mir liegen 1.635 Kilometer irakische bzw kurdische Landstraßen, Highways, Feldwege und Schotterpisten, bevor es im Iran weitergeht noch ein paar Eindrücke.
    Zunächst mal, egal ob die Soldaten in Saddāms Geisterschloss, die Soldaten an den Straßencheckpoints, Opas die uns auf der Straße oder in Teehäusern begegnet sind, Hotelbesitzer oder jeder x-beliebige Mensch wo auch immer, jeder hat uns hier herzlich begrüßt. In knapp 10 Tagen Iraq bzw. Kurdistan hatte ich nicht ein einziges Mal das Gefühl ernsthaft Angst haben zu müssen oder das Gefühl mein Gegenüber könnte mir etwas böses wollen, und das in einem Land in dem Maschinengewehre und Soldaten noch das Straßenbild prägen. Trotz Sprachbarriere fanden wir immer dann Hilfe, wenn wir sie brauchten. Wenn man sich doch mal über Englisch verständigen konnte, gab man uns gleich die Handynummer damit wir uns melden könnten, sollte es mal ein Problem geben.

    Fast das gesamte kurdische Gebiet konnten wir mit unserem Auto erkunden, im Osten bis an die Grenze zum Iran, im Norden bis zur Türkei und im Westen bis kurz vor die syrische Grenze. Es ist ein wahnsinniges Land, wahnsinnig ungleich, wahnsinnig instabil, wahnsinnig reich, wahnsinnig arm, wahnsinnig historisch, wahnsinnig gastfreundlich, wahnsinnig schön.

    Aber was wird nun aus dem irakischen Kurdistan? Gäbe es dafür eine magische Glaskugel, wäre diese so trüb, das man noch nichtmal sagen könnte ob sie wirklich aus Glas ist. Hier wo die Wiege der Menschheit liegt, genießt man derzeit das vergängliche Privileg des Friedens, vielleicht auch nur das der Abwesenheit von Krieg. Im Norden würde es der Türkei gut in den Kram passen, sich die kurdischen Ölfelder einzuverleiben und in einem Aufwasch mit den eigensinnigen und stolzen Kurden abzurechnen. Was der iranische Nachbar geopolitisch im Schilde führt weiß niemand, aber freiwillig wird der Iran sicherlich nicht seine Finger aus dem Spiel lassen. Seit kurzem versucht nun der Westen an das kurdische Gas zu kommen, für eine Pipeline zum Mittelmeer müsste man sich jedoch mit der Türkei einig werden, danach müsste auch die Irakische Zentralregierung mitspielen, an der Stelle kommen dann die Russen ins Spiel, die versuchen über ihren Einfluss in Bagdad das Projekt zu sabotieren.
    Und einfach mal angenommen, alle diese ausländischen Machtapperate würden aufhören hier Einfluss zu nehmen, dann gäbe es immernoch die beiden rivalisierenden kurdischen Parteien PdK und PuK. Beide werden von jeweils einer großen kurdischen Familie kontrolliert und gönnen sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Fingernägeln.
    Was bleibt für den einfachen Menschen im kurdischen Irak? Vermutlich nicht viel, egal ob das Gas letztlich an die "Guten" im Westen oder die "Bösen" im Osten verschachert wird, von dem Geld wird die Bevölkerung nicht viel sehen. Die beeindruckenden neuen Wolkenkratzer in Erbil und Sulaimanyah, sind entweder für reiche Ausländer oder korrupte Iraker, wobei die Grenzen zwischen beiden wohl sehr fließend sind. Für den einfachen Teehausbesitzer oder Schafhirten, spielt das vermutlich keine große Rolle, da all dies fernab jeglicher Alltagsrealität stattfindet.

    Für mich bleibt die Erinnerung an eine tolle Zeit, mit tollen Menschen besonders natürlich Kevin, Shko und Miran aber auch vielen anderen die mir auf dem Weg begegnet sind. Möge Gott, Allah, Jehova, Buddha oder wer auch immer da der Kappo ist, seine schützende Hand über dem schönen Flecken Erde und seinen Menschen haben.

    Zum Abschluß bestätigt sich dann nochmal mein Bild von Kurdistan und der Region. morgens sitzen wir in einem Van mit 15 anderen auf dem Weg zur iranischen Grenze, keiner spricht Englisch, aber jeder ist bemüht uns zu erklären, was wir beachten müssen bis uns letztlich einer an die Hand nimmt und mit uns die verschiedenen Stationen am Grenzübergang durchläuft. Erst als wir an der iranischen Grenzstation zum "persönlichen Gespräch" "gebeten" werden, sind Kevin und ich wieder auf uns alleine gestellt. Das dauert dann eine, teils unangenehme, Stunde lang und dann stehen wir auch schon auf der "Achse des Bösen" - im wunderschönen Iran 🙃
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  • Day 7

    Prost (persisch) Neujahr

    March 20, 2023 in Iraq ⋅ ☁️ 8 °C

    Haltet mich für paranoid, aber die Mischung aus explodierenden Böllern, Raketen und 130.000 Menschen in einer kleinen Altstadt im Nahen Osten, macht mir grundsätzlich etwas Bauchweh 😂 Aber zu persisch Neujahr (Newroz) kann man das schonmal machen, außerdem hat dort jeder bessere Parkplatzeinweiser eine AK-47 also was soll schon schiefgehen. Rund 1,5 Stunden nördlich von Erbil liegt die Newroz-Hauptstadt Akre, normal ein kleines Städtchen oberhalb dessen die Altstadt liegt, einmal im Jahr strömen dann rund 130.000 Menschen in den Ort um zu feiern - und zwar wie...
    Machen wir's kurz ich hab in Zukunft am 31.12. nichts mehr vor, ich habs gesehen, erlebt, gefühlt - egal ob Sylvester in Sidney oder New York - alles eine Lachplatte gegen das was die Leute dort abreißen - völlig irre, bekloppt, loco, gaga. Eine Mischung aus Rammstein-Pyroshow und Völkerschlacht von Leipzig. Klar am Anfang wird überall geböllert und geschossen, soweit so lustig. Kurz nach 18 Uhr gehts dann aber richtig los, hunderte Läufer mit Fakeln rennen auf die umliegenden Berggipfel, entzünden ein Flammenmeer an den Hängen. Eine ewige Schnurr aus Fakeln bildet eine Linie über den gesammten Bergrücken. Kurze Zeit später brennt der ganze Ort, auf allen Dächern brennen Feuer. Dann rennen alle Fakelläufer wieder zurück in den Ort und werfen die brennenden Fakeln, nicht allzu klein und in reichlich Öl getränkt auf Scheiterhaufen, selbst in den kleinen Gassen durch die der starke Bergwind jetzt einen Sturm aus Funken peitscht. Ein paar Mal muss die Feuerwehr zwischenlöschen damit die Flammen nicht auf die Häuser übergreifen. Dann tanzen tausende durch die engen Gassen, bevor man beim abschließenden 20 minütigen Dauerfeuerwerk meint die Amerikaner hätten ein paar abgelaufene Boden-Luft-Raketen beigesteuert.
    Dank unserer Irakischen Freunde dürfen wir das ganze Spektakel mitten im Ort vom ehemaligen osmanischen Regierungspalast aus bestaunen, der den vor Ort eingesetzten Sicherheitskräften als Sammelpunkt dient. Um 20 Uhr ist der ganze Wahnsinn dann zu Ende - 2 Stunden Wahnsinn 😂

    Definitiv ein absolutes Highlight dieser Reise und ich glaube was Feuerwerk angeht habe ich heute alles aber wirklich alles erlebt 🤯
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