• Spaziergänge mit Hilde
juin 2024 – févr. 2025

Europe along the Coastline (1)

Eine Fahrt um das Festland Europas inklusive ausgewählter Inseln En savoir plus
  • Ladbergen

    14–15 sept. 2024, Allemagne ⋅ ☀️ 15 °C

    3.001 TAGE AUF UNSERER LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 148 km/ Gesamt 363.691 km /Ø121,18 km)

    13.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    Am Rathaus
    49549 Ladbergen
    Deutschland

    Ein lautes Brummen erfasst den stillen Morgen auf dem Parkplatz hinterm Rathaus am Friedenspark mit dem namenlosen Dorfteich, dem jetzt sozusagen das Wasser abgetragen wurde, sodass der halbe Park eine Baustelle ist.
    Start- und Landeflug auf dem Flughafen Osnabrück/Münster, einige Straßen, Waldstücke, und einzelstehende schöne Fachwerkhöfe entfernt.

    Dort in der Gegend sind wir gestern abend noch an einem stillen Windrad spazieren gegangen. Schlaftrunken vom Nachmittag stand ich an einer Einfahrt, um ein Haus zwischen Bäumen und Sonnenschein zu fotografieren, als ein Pflegemobil neben mir hält.

    Sie seit die Anna von der Entenfarm, eine Kombination in der Nähe von Ladbergen, die ich überhaupt nicht in einen Zusammenhang bringen kann. Na, auf dem Campingplatz mit dem grauen Bus, ich habe doch die Bücher von dir gekauft.

    Was wir hier machen, sie kenne sich gut in der Gegend aus. Zum Spaziergang gebe es einen Wald in der Nähe, sie könne mir den Weg zeigen. Wald sei nicht so meins, stammele ich und überlege immer noch, wer die Anna ist, weil ich von dem Kind auf dem Rücksitz zudem irritiert bin.

    Das einzige Paar aus Osnabrück, an das ich mich auf dem Campingplatz Entenfarm erinnern kann, hatte keine Kinder. Sie ist wohl in einem Pflegeeinsatz unterwegs, und so voller überströmender Fröhlichkeit, das ich mich für den Patienten nur freuen kann, der ihren Besuch erwartet.

    Wir finden ein stilles Feld im Sonnenlicht, und auch Hilde ist ganz euphorisch, ob der Gerüche um sie herum. Sie darf nicht buddeln, und ich halte jedesmal den Atem an, wenn sie sich auf dem Boden wälzt, die Schnauze im Gras reibt. Hoffentlich bleiben die Tacker unbeschädigt.

    In einem kleinen Video sage ich, das ich auf einer Gefühlsskala von 1-10 mich auf 0,5 befinde, also gerade oberhalb vom emotionalen Stillstand, aber wenigstens nicht negativ unterwegs bin. Heute morgen ist es leicht angestiegen, obwohl mich ein neues Problem besucht.

    In der Standheizung ist ein fremdes Geräusch, möglicherweise hat sich ein Blatt durch den Ausgang eingeschlichen, der ja schon lange nicht mehr mit einem Gitter abgesichert ist. Könnte es Feuer fangen, hätte ich es zumindest kurz an den Füßen warm. Natürlich bleibt die Heizung jetzt aus, ist ja auch gerade die richtige Jahreszeit.

    Der Temperaturverlust macht sich nachts auch an meinem Schlafapnoegerät bemerkbar mit einer eiskalten Nase, die mich aufweckt. Dafür schläft Hilde wie ein Baby gut zugedeckt neben mir, sodass ich die nächtlichen Sorgen aus der Anfangszeit mit dem Tacker wenigstens ausblenden kann.

    Als ich überlege, ob hier ein Flugzeug notlanden will, sehe ich, dass das moderne schwedische Wohnmobil, in das der Bus fast dreimal passt, gerade startet. Sie seien auf den Weg nach Spanien, alles funktioniert elektronisch, nur zum Einparken musste er aussteigen.

    Sie kommen spät an, fahren früh weg, der kleine, hübsche Ort mit seiner lieblichen Landschaft bleibt nur ein Punkt auf der Landkarte. Zugegebenermaßen war das gestern auch bei uns erstmal so. Ich habe wenig geschlafen, winke Silvia um halb neun zum Abschied, fahre für den Spaziergang und das Frühstück vom Parkplatz in Haltern weg.

    Noch ein Besuch im Krankenhaus, um mich für die gute Behandlung mit einem Buch zu bedanken, dann volltanken, und auf die nächste Auffahrt schwingen. Einfach mal schnell ein Stück wegkommen, als ob man dabei seinen Gefühlen entfliehen könnte.

    So ein Ereignis sitzt viel tiefer, keiner mag was am Herzen haben, was bleibt. Wobei sowieso niemand krank werden möchte. Und es gibt deutlich Schlimmeres als ein Vorhofflimmern, zumal ich medikamentös schon gut eingestellt war.

    Dieses Krankheitsbild löst eigentlich ganz positive Gefühle in mir, klingt es doch wie das Glimmen einer Zigarette im Schutz des Hofes vor den strengen Blicken der Eltern im Haus.

    Der Verkehr auf der Autobahn nach Münster nimmt zu, es beginnt heftig zu regnen. A1 nach Bremen, wir machen an der Abfahrt Ladbergen Schluß, weil Hilde dringend raus muss. Ach ja, die Hilde mit ihrer feinen Nase terrorisiert mittlerweile den Bus durch ihr grollend lautes Gebell, das nicht enden will, sobald auch nur ein Hund auftaucht.

    Manche verarbeiten ihr Trauma still und leise, Hilde denkt mitnichten so. Sie brüllt es geradezu lautstark heraus, dass ihr Unrecht zugefügt wurde. Obwohl die Ratte kein Hund war, müssen die jetzt mit ihrer Wut dran glauben. Also vorrangig eigentlich ich, der sie schützen muss, aber dem Lärm ausgesetzt bin.

    Auf dem Stellplatz schlafen wir erstmal in den sonnigen Nachmittag hinein, treffen dann Anna, und ich habe von der kleinen Rundreise meine Bilder mitgebracht.
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  • Rolfshagen

    15–16 sept. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 11 °C

    3.002 TAGE AUF UNSERER LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 130 km/ Gesamt 363.821 km /Ø121,19 km)

    14.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    Am Freibad Sonnental
    31749 Auetal
    Deutschland

    Seit einigen Tagen haben sich die Prioritäten in dem Vierundzwanzigstundentag verschoben, der an Mitternacht neu sich vor mir ausbreitet. Natürlich bedingt durch den plötzlichen Kälteeinbruch, sicherlich verursacht von unser beider Verletztlichkeit, aber auch durch ein neues Nach - Denken.

    Es ist mir zuletzt schon aufgefallen, dass ich manchmal resümierend sozusagen im Raum stehen bleibe. Einfach in einem Gedanken verfangen bin, der sich mir in inneren Bildern aufdrängt. Nichts Verfängliches, so wie wenn jemand sein Leben an sich vorbeilaufen lässt. Eher so ein stiller Strom, wie wenn jemand das Licht aus und einschaltet, sodass im Raum noch ein Schimmer der Helligkeit verbleibt.

    Dann wird es dunkel, und ich kann wieder sehen. Der innere Augenblick ist zuende gedacht, und meine äußeren Augen erkennen Bilder, die mich erfreuen. Es war ja nicht die erste Mühle auf der ausgewiesenen Landstraße, aber doch die, die sich geradezu aufgedrängt.

    Schon von weitem sehe ich, wie schön sie ist, besonders die Kombination von grün im Gras und den niedrigen Hügeln der Teutoburger Waldes, der sich ins Wesertal hinabrutschen lässt, kleine Dörfer an seinen Flanken. Rechts hinter der Mühle Kraniche im Landeanflug, gerade mal eine Handbreit über den Bäumen.

    Hinter der Mühle ein Haus, auch weiß gestrichen. Dort endet der Weg, und dahinter ist ein grüner Wiesenhügel. Wer bewacht hier wen, und wer schützt den anderen. Oder sind sie eine Einheit, wie Bruder und kleine Schwester.

    Ich gucke nach einem freien Spaziergang. Früher habe ich gedacht, Privatwege seien ein norwegisch-holländisches Problem, aber mittlerweile gibt es europaweit Menschen, die abseits wohnen, und die Feldwege zur Hauptstraße in Privatwege umgewandelt haben, wo du nie weißt, wann der Hofhund bellend um die Ecke kommt.

    Ich bitte Gott um einen stillen Weg für uns Zwei, denn Hundebegegnungen sind im Moment überhaupt kein Vergnügen mehr. Die Menschen schauen überrascht, in welchem grollenden Ärger Hilde anderen Hunden begegnet. Die Ängstlichkeit nach der ersten Attacke eines Hundes, der sie trotz Unterwerfung nicht losgelassen hat, hat sich in einen heftigen Zorn verwandelt.

    Gott schenkt uns einen Schotterweg zwischen einem Feld und einen Wasserlauf unter Bäumen. Genug zu schnüffeln und zu gucken, kein Mauseloch, von der ich sie fernhalten müsste, aber ein Bauer hinten auf dem Feld. Ländliche Idylle vor einem stillgelegten Fabrikgelände, dessen hohe Türme warnend wie Fingerzeige in den blauen Himmel ragen.

    Veltheim hat also nicht nur eine Mühle von früher mitgebracht, sondern auch ein altes Kraftwerk. Kurz vorher waren wir an der Burg über Vlotho, die zwar hoch über dem Ort liegt, aber waldgeschützt wenig Blicke ins Tal der Weser ermöglicht.

    Vor einiger Zeit bin ich mal von der Autobahn nach Rinteln unter einer hohen Brücke Richtung Totenmann gefahren, das im dichten Nebel sich lange verborgen hielt. Heute kommen wir an die Kreuzung mit den Abzweig ins Tal zu diesem "Mann", und auf den Berg unter der Brücke, wo ein kleines Männchen von einem anderen Stern vielleicht, erstaunt auf die Häuser blickt, die unter dem hohen Bogen der Brücke stehen.

    Wieder eine Kombination wie bei der Mühle, merkwürdig dass mir dies heute so auffällt. Nunja, bei uns ist es ja ähnlich, wobei es auch nicht klar ist, wer auf wen und wann aufpassen muss.

    In Rolfshagen habe ich im letzten Jahr Natalie und ihren Sohn getroffen, die aus dem verschneiten Norwegen kamen, um hier im April ihre Batterien für die Reise ins sonnige Spanien aufzuladen. Heute kommt einer von der Mosel zurück nach Hannover, und der andere aus Krefeld fährt vielleicht an die Ostsee.

    Die toughen Bürger des Auetals gehen abends noch im Sonnentalfreibad schwimmen, obwohl die Wassertemperatur nur unwesentlich höher als die Landwärme ist. Wir bauen den Bus für die Nacht um, das heißt, ich muss Hilde dazu bewegen, den Platz fürs Bettzeug kurz freizugeben.

    Zwischen Berg und Tal bleiben uns nur wenig Möglichkeiten, um spazieren zu gehen, dann erfolgt die Fütterung des Tigers. Denn das ist jetzt auch neu, dass Hilde richtig gierig geworden ist, was das Fressen betrifft. Es erinnert mich an meine "jugendlichen" Fastenkuren einer Frau zuliebe, die immer mit hungrigen Episoden zuende gegangen sind, sodass mir irgendwann klar war, als Sohn eines Kochs und einer Hauswirtschafterin bin ich für 'Leben im Limit' schlecht geeignet.

    Jetzt im Alter hat das keine Bedeutung mehr, die Eltern sind lange tot, und das Essen gerät zu einer sättigenden Nebensächlichkeit im Sinne Ghandis. Essen, um zu leben, und nicht umgekehrt.

    Es wird früh dunkel, und da meine Lesebrille auch den Gang ins Vergessen genommen hat, kann ich noch ein bisschen ins Licht des Handys schauen und Pläne machen, die der Schlaf mit in seine Traumwelt nimmt. Bis am Morgen die Sonne scheint.
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  • Cremlingen

    16–17 sept. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 13 °C

    3.003 TAGE AUF UNSERER LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 160 km/ Gesamt 363.981 km /Ø121,20 km)

    15.09.2024
    Parkplatz in
    Querum
    38108 Braunschweig
    Deutschland

    Nur wenn man ein Hund ist, dann kann Hund im blauen Bus diagonal vom Fahrersitz auf die Rückbank springen. Das macht bestimmt Spaß, braucht aber manchmal Hundemut, wenn Hilde zögert zu springen, die Notwendigkeit abzuwägen scheint.

    Sie könnte über die Palette klettern, auf der etliches steht, und müsste vorher durch den schmalen Mittelgang, den der Müllsack auch benutzt. Also ist ein gewagten Sprung sicherer, selbst wenn sie auf meinen Beinen landet, die von dieser nächtlichen Attacke nichts ahnen, wie Flummis nachhüpfen.

    Davon wache ich auf und natürlich auch, weil sie sich anschließend unter der Decke einrollen. Das braucht Platz und fast die Bettbreite von 60 cm, von der ich sie danach an die Wand zurückschiebe.

    Also bewegte Nächte, an die ich mich gewöhnt habe, denn in neun Jahren hat sich nicht viel geändert, nur das Bett ist schmaler geworden. Lese von einem Radfahrer, der mit Hund durch Skandinavien radelt und meint, dass er seine Nächte in Sheltern mit Oskar "regelrecht feiert".

    Als wir gestern durch die Hildesheimer Börde fahren, queren wir seinen Heimatort, von dem er in Indien wohl am Weitesten entfernt war. Seine ruhigen Kommentare tragen den Humor der norddeutschen Tiefebene, sodass ich dir gerne mal empfehle, seinen Reisen zu folgen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er tatsächlich sesshaft wird, aber wer weiß das schon.

    Auf Instagram findest du ihn unter @timo.schaper, im Internet unter
    linktr.ee/Weltreise.mit.Rad

    Auch wenn ich kein Radfahrer bin, liebe ich es, Menschen auf Reisen zu folgen, die den Elementen auf ihrem Weg sehr nahe kommen. Radfahren, Wandern, Segeln. Der blaue Bus begegnet den Menschen schon auf Distanz, und hält die Elemente ein bisschen fern, trotzdem ist er die nächste Möglichkeit für uns, sozusagen "am Ball" zu bleiben.

    Fast bar jeglichem Komfort, was gerade mit dem Ausfall der Standheizung sehr deutlich wird, leben wir zwar zurückgezogen, aber dennoch auf einer Ebene mit all denen, die unsere Wege kreuzen. In Rolfshagen stand ein Schild, dass der Platz an diesem Sonntag nicht benutzt werden kann, aber nicht, dass um elf Uhr vormittags der Umzug der "Dorfkinder des Auetals" stattfindet. Als der erste Traktor mit seinem bunten Anhänger voller grölender Musik und feuchtfröhlichen Menschen hält, ist es zu spät.

    So erleben wir einen Menschenauflauf mit Musik und Tanz unmittelbar vor uns, nach dem Motto auf dem Rolfshagener Wagen, "lieber Korn im Blut, als Stroh im Kopf". Ob der mögliche kausale Zusammenhang, der im Laufe des Lebens eintreten könnte, die Spanne zwischen jung und alt umfasst, ist mir nicht eindeutig klar. Auf jeden Fall kann man auch vor Mittag schon so betrunken sein, dass man sich zwischen die beiden verbliebenen Camper stellt, das "rotgeäderte Unding", wie einst Franz-Josef Degenhardt schon sagte, rausholt, und vor Aufregung angesichts der Menschenmenge nicht pinkeln kann.

    Ansonsten war es eine Stunde lautstarker Fröhlichkeit im lustigen Tanzspiel, dem ich nur mit Staunen folgen kann, weil sich mir leider diese Atmosphäre nie geöffnet hat, selbst wenn ich mich mit Freibier auf dem Dorf den örtlichen Geflogenheiten als Nachbar versucht habe anzupassen.

    Sie haben mich in Ruhe gelassen trotz meiner leichten Zunge, mit der ich den Fremden in mir immer wieder verraten habe. So ein Intellektueller hat in einem Dorf immer diesen Status, sie stechen auch hier heraus in ihrem Benehmen am Rand des Geschehens, trotz der uniformierten Bekleidung, deren Beschriftung das Dasein in der fröhlichen Bierseligkeit besingt.

    Denn wer würde sonst eine Boulebahn beim Freibad bauen, die dem korsischen Dorf nahe kommt, in dem man gerne Urlaub macht. Obwohl ich hier schon mehrfach war, hat nie jemand an lauen Sommerabenden seine Kugeln im Kreis fröhlicher Mitbürger in den Sand geworfen.

    Als die 20 Fahrzeuge lautstark unseren Ort verlassen, zieht der Nachbar aus Hannover die Vorhänge wieder zu, und wir fahren weiter durch Sonne und Wind über Hildesheim nach Braunschweig. Halten bei Mehle an für einen schönen Spaziergang, während über Elze ein Zeppelin in der Luft zu stehen scheint.

    Burgstemmen und Marienburg, Hildesheim in seiner ganzen Breite. In Braunschweig treffen wir kurz den Enkelzwerg, der bald schlafen gehen muss. Wir spazieren am Rübenfeld im Sonnenunter- und Mondaufgang durch den stillen Abend und besuchen Claus zum norwegischen Abendessen.

    Von der Sommerreise mitgebrachte Tomatensuppe mit Ziegenfeta "Geitost". Hilde flitzt durch den Garten zur Begrüßung und rollt sich auf dem Sofa ein, wir erzählen über die letzten Ereignisse hinweg, während der Abend müde wird, Hilde und ich uns im Bus vor der Tür schlafen legen.

    Der neue Tag im eleganten Grau erwägt einen hellen Streifen im Osten, wo vielleicht eine frühmorgendliche Sonne vorwitzig wie der erste Hahnenschrei den Morgen begrüßt hat, sich aber erschöpft wieder schlafen legt.

    Die ersten Regentropfen wie Rufe der Kraniche von den Rieselfeldern, an deren Rand wir spazieren gehen, den Morgen auf Hundeart begrüßen wollen.
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  • Braunschweig

    17–18 sept. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 16 °C

    3.004 TAGE AUF UNSERER LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 174 km/ Gesamt 364.155 km /Ø121,22 km)

    16.09.2024
    Parkplatz im
    Kanzlerfeld
    38116 Braunschweig
    Deutschland

    Ich werde mich umstellen müssen. Mein Reisedoktor hat mich auf Kakao und Pfannkuchen eingeladen, wir sprechen über meine neue Lebenssituation, deren Auswirkungen ich erst verstehen muss. Heute habe ich kein Vorhofflimmern, was die Sinuskurve beim Pulsoxymeter eindeutig anzeigt. Aber wenn ich es habe, wie äußert mein Körper eine bedenkliche Lebenssituation. Da muss ich lernen, ihn richtig zu lesen.

    Andere Dinge sind einfacher. Nur wenig Wein, keine Cola, mäßig Kaffee, besser noch koffeinfrei oder gemixt. Da bin ich komisch. Entweder ganz oder gar. Radfahren, aber nicht Ebike, Fleisch im Original, aber nicht als vegane Attrappe. Wenn kein Kaffee, dann Tee oder Kakao. Es geht ums Ritual, das mir ein gutes Gefühl schafft für den Übergang von der Nacht in den Tag, vom Schlaf ins Aufwachen, von der Dunkelheit ins Licht.

    Grundsätzlich liebe ich sie, diese dunklen Stunden der Nacht. Wenn wir in den Straßen der Stadt schlafen und leise sein müssen, um nicht aufzufallen, ist dieses heimlich Anheimelnde noch um eine Nuance besser. Wobei die offene Möglichkeit der Übernachtung mir andererseits mehr Freiraum der Entfaltung gibt.

    Mittlerweile werden auf vielen Plätzen um Mitternacht die Laternen gelöscht, schlafen wir am Strand oder in den Bergen tritt mit dem zeitlichen Abend die fast vollkommene Dunkelheit um uns, an grauen, wolkenverhangenen Nächten fallen gar Mond und Sterne aus.

    Die Nacht ist die Zeit der Kerzen, der Lichterketten, der Erinnerungen. Ein bisschen schwingt die eigene Kindheit mit, ich höre dann manchmal leise Musik, aber bin auch empfänglicher für die Stimmungen um mich herum, gerade wenn ich eingeschlafen bin, aus einem Traum aufwache, eine Nachricht bekomme.

    Ich muss lernen, mich zu schützen. Das fällt mir sehr schwer. Habe ich mich doch jahrzehntelang um jedes Problem gekümmert, das Menschen an mich heran getragen haben. Distanz wahren, geistige Entfernung pflegen, das Problem zurückgeben können.

    Das ist bei der Nachricht über den frühen Tod eines lieben Menschen nicht so einfach. Er habe sich nicht mehr quälen müssen, ist die gute Botschaft. Als Mensch, als Pastor, hat er mir gut getan, seine klaren Predigten, das Sehen in eine Ferne, die mir verschlossen scheint, sein gelebter Glaube und der Frieden in ihm, bleiben als Erinnerung.

    Ich gehöre nicht zu seinen Freunden, habe ihn in den letzten Jahren aus den Augen verloren, trotzdem bewegt mich sein Tod, der für ihn der Übergang in eine "bessere Welt" bedeutet, eine Art Heimkehr zu Gott.

    Auch wenn ich das durchaus verstehen kann, ist dieses Wissen noch nicht sicher bei mir angekommen, denke ich doch, es könnten noch Gründe geben, für die ich leben sollte.

    Natürlich ein vager Gedanke, und mit der Veränderung meines Gesundheitszustandes eine neue Herausforderung. Ich weiß, dass das Vorhofflimmern grundsätzlich keine dramatische Lebensverschlechterung bedeutet, es verschiebt aber sicher Prioritäten, sowohl körperlich als geistig, für mich.

    Das habe ich schon länger gespürt und angefangen, mich einzurichten. Vielleicht ist seitdem die Nacht mir nochmal näher gerückt, der Tag mir viel bewusster geworden, das Leben als Ganzes scheint sich in besonderer Weise und anders vor mir zu öffnen. Könnte ich mich vielleicht sensibler nennen, empfindsamer, dann ist es verständlich, dass mir manche Erfahrung, manche Begegnung sehr nahe kommt.

    Auch darüber zu schreiben, öffnet mir die Augen für mich selbst. Vielleicht aber hilft es auch jemandem, der den Text liest. Gestern habe ich ein neues Video für YouTube aufgenommen, in dem ich den Beitrag "3003 Tage auf unserer Lebensreise" vorlese, und konkret über die Geschehnisse um uns herum aus den letzten Wochen berichte. Vielleicht hast du ein paar Minuten Zeit und Lust dafür.

    https://youtu.be/1flsVzR7jXM?si=5ewBAs8SFbBTwyDO
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  • Hofgeismar

    19–20 sept. 2024, Allemagne ⋅ ☀️ 18 °C

    3.006 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 237 km/ Gesamt 364.447 km /Ø121,23 km)

    18.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    Sälber Tor
    34369 Hofgeismar
    Deutschland

    Morgens in Hofgeismar sind schon früh um kurz nach 6 Uhr nicht nur die Hundebesitzer unterwegs. Wir nähern uns der Winterjackenzeit, obwohl 12 Grad und angekündigter Sonnenschein eher dagegen sprechen. Aber vermutlich ist mein Wärmeempfinden nicht einfach übertragbar.

    Ein paar Tage in Braunschweig, ein halber in Bad Lauterberg, um den Kardiologentermin wahrzunehmen. Der ist ganz freundlich und meint fröhlich, dass ich auf jeden Fall weiter im Bus leben kann und reisen darf. Das Herz ist gut im Rhythmus, es braucht einige Medikamente zur weiteren Stabilisierung, damit auch das Vorhofflimmern, dessen Auslöser wohl mein Stress sei, unterdrückt werden könnte.

    Gemäß dem alten Folksong wandele ich mich zu "A man of constant sorrow". Ein ängstlicher Mensch, was die Sorge um meine persönliche Umgebung und um mich angeht.

    Bis zur lebensbedrohlichen Situation 2019 in Schottland hätte ich so gelebt, als könnte mir nichts geschehen, hat letztens jemand gesagt. Was vermutlich auch stimmt, obwohl ich vorher schon Unfälle hatte, die tödlich hätten enden können. Und so cool wie ich vielleicht nach außen wirke, bin ich nach innen nicht. Da geht mir vieles sehr nah.

    Daran muss ich jetzt arbeiten, um sozusagen den Ball flach zu halten, nicht in Stresssituationen zu kommen. Im Moment sehe ich da noch kein Land, arbeite mich erst einmal wieder dahin, eine Wohlfühlatmosphäre um uns zu schaffen. In den letzten Wochen, vielleicht Monaten, habe ich meine äußeren Ordnungen vernachlässigt, sodass die inneren Abläufe irgendwie hinterhergehinkt sind, mein ganzes Lebenssystem zu schwanken drohte.

    In den letzten Tagen lichtet sich das Chaos, und dabei sind auch die schönen Bilder von Hilde entstanden. Die Atmosphäre im Bus entspannt sich, das Leben tut uns gut. Ich sehe wieder Licht am Horizont. Und mein inneres Wohlbefinden überträgt sich auf Hilde.

    Gott beschenkt uns mit lieben Menschen und wunderschönen Tagen voller Licht und Strahlkraft. Das Grün der Natur ist heilsam für die Seele, die Träume finden einen Widerhall.

    Am Morgen begegnen wir einem Ehepaar mit einem jungen Hund. Sie haben uns von Visselhövede erkannt, ich freue mich sehr, dass Hilde das erste Mal seit einer Woche einen Hund freundlich begrüßt, die beiden spielen sogar ein bisschen. Kurz vorher begegnet mir ein Camper, der vom Tod seines Hundes immer wieder überwältigt wird. Er sei jetzt ganz alleine, versucht aber, die alten Wege für sich aufrecht zu erhalten.

    Ich kann das gut verstehen. Man will niemanden auf den Geist gehen, muss aber darüber reden, damit man nicht verrückt wird. Fast wird man süchtig auf Hundebegegnungen, weil man glaubt, die Besitzer würden einem besser verstehen, die Begegnung mit den fremden Hund könnte das Verlorene ein wenig zurückbringen.

    Schon gestern abend sind wir eine große Runde gelaufen, bei der wir heute morgen 45 Minuten unterwegs waren, ohne dass ich nach Luft schnappen musste. Nur die Hüfte hat ein bisschen gezwickt, ist ja vielleicht ein gutes Zeichen von Lebendigkeit.

    Neben uns hat Jupp übernachtet. Er fährt manchmal ein paar Tage los, um mit dem Rad unterwegs zu sein. Dann würde die Frau die Schafe versorgen. Auch er ist in Rente, im Gegensatz zu seinem Nebenerwerbshof, den er schon dreißig Jahre betreibt, und ihm auch heute noch Freude bereitet.

    Er hat ein sehr ruhiges, bedächtiges Wesen. Westfälische Entspannung vielleicht, die das Schäferleben noch unterstützt. Hilde jedenfalls meint, das er gut genug riecht, um mit ihrem Papa reden zu können, ohne dass sie das genau beobachten muss.

    Die Sonne scheint, aber die Luft wirkt schon seit gestern merkwürdig durchsichtig, wie feiner Nebel, der aus dem Tal hochzieht. Das macht den Schein der Sonne etwas milchig, während der Mond sich aus seiner leidenschaftlichen Fülle langsam verabschiedet.

    Heute geht die Zeit langsam mit uns um, das tut uns gut.
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  • Goch

    20–21 sept. 2024, Allemagne ⋅ 🌙 12 °C

    3.007 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 286 km/ Gesamt 364.733 km /Ø121,29 km)

    19.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    Friedensplatz
    47574 Goch
    Deutschland

    Jeden Morgen erfinde ich mich in gewisser Weise neu, beende den Schlaf, den Traum mit dem überraschenden Klingeln des Weckers, wenn ich mich auf eine neue Uhrzeit einrichten will.

    In der letzten Woche mochte ich nicht gerne aufstehen und habe mich solange verschlafen lasse, bis ich merke, wie unzufrieden ich bin. Fünf Uhr ist das richtige Timing, wobei mich jedesmal die ominöse Zeitumstellung aus der Bahn wirft.

    Jetzt ist es noch dunkel, aber die ersten Geräusche eines erwachenden Ortes, helle Lichtkegel, abschwellendes Motorengeräusch, Schritte auf Asphalt, erreichen meine Sinne. Tee, Kerze, Medikamente. Jetzt muss ich wieder intensiver den Blutdruck messen, weil ich ab heute den Betablocker nehmen muss.

    Neues. Veränderungen meiner Lebenssituation. All das empfinde ich als Herausforderung. Ich muss es annehmen können, in mein Sein übertragen. Das fällt mir nicht leicht. Weil es Zweifel weckt, ob ich das wirklich brauche, was daraus wird.

    Bei Medikamenten benötige ich jemanden, der meine Zweifel mit seiner Kompetenz überragt. Der mir sagt, Du verträgt das, dagegen bist Du nicht allergisch. Zu tief sitzt die Sorge in mir und wird nicht weniger, nur weil ich älter bin, auf so viel Erfahrung zurückgreifen könnte. Dünnes Eis wird nicht plötzlich dick, nur weil ich einmal habe drauf gehen können.

    Viertel nach sechs, die ersten Flugzeuge steigen von Weeze auf, mit südlichen Zielen verebben ihre Motoren im Dunkel der Nacht. Heute vormittag werden Hilde's Tacker gezogen, die Wunde sieht gut verheilt aus. Wir werden uns mit einem Buch bedanken für die kompetente, ruhige Behandlung, so bleibt die Hilde noch ein bisschen in der Erinnerung.

    Kerzenlicht und Tee. Ich habe ein schönes Glas geschenkt bekommen, mich an einige Lichter erinnert, die mir noch verblieben sind. Aber es gibt neue, schöne Kerzen in lebhaften Farben, die ich vor wenigen Wochen geschenkt bekommen habe.

    Gestern dann die Nachricht neuester Forschungsergebnisse, die mir der Reisedoktor zuträgt. Bei Vorhofflimmern sind auch kleine Mengen Alkohol schädlich. Jetzt muss ich doch schlucken, das ist ein großer Brocken. Das rüttelt an meinem Lebensgefüge, habe ich doch gerne dem Wein zugesehen, wie er im Becher mich anlächelt. C'est la vie. Ich könne doch stattdessen mit einer Tasse Kaffee starten.

    Ja, da denke ich drüber nach, weil ich mit dem Tee morgens überhaupt nicht warm werde, obwohl er ziemlich heiß in der Tasse ist. Hilde ist ein bisschen unruhig unter der Bettdecke, heute morgen ist die Luft angenehm, weil es dann doch tagsüber noch lebhaft warm wird.

    Wir machen gestern einen großen Sprung von Kassel über Dortmund nach Kevelaer. Erst die kleinen Orte mit den imposanten Kirche, die "Bunte" ist in Kleinenberg im Kreis Warburg. Der wartende Mann steht in Kevelaer schon länger an der Bushaltestelle.

    Dazwischen hundertfünfzig Kilometer Autobahn im Nachmittagsverkehr. In Bottrop umgehen wir den Stau um das Kreuz von 2 und 42 mit einer Stadtfahrt, der Feierabendverkehr ins Ländliche begleitet uns. Nicht jeder möchte im Ballungsgebiet des Ruhrgebietes leben, das kann ich gut verstehen.

    Die rote Sonne über den Feldern auf dem Weg nach Goch, der helle Mond wacht in einer ruhigen Nacht. Kein Wind in den hohen Bäumen, der Tag erwacht.
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  • Lanaken

    21–22 sept. 2024, Belgique ⋅ ☀️ 24 °C

    3.008 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 222 km/ Gesamt 364.955 km /Ø121,32 km)

    20.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    Oud - Rekem
    3621 Lanaken
    Belgien

    Wir sind schon eine Stunde südlich von Kevelaer, als ich sehe, dass Hilde's Wunde wieder offen ist. Morgens wurden die Tacker gezogen, da sah alles gut verheilt aus. Dann hat sich Silvia gemeldet und gefragt, ob wir uns abends in der Nähe von Maastricht treffen. Also sind wir unterwegs und müssen jetzt doch erstmal zum Tierarzt zurückfahren.

    Dieses Mal ist es sehr schwer für Hilde, sie zittert am ganzen Körper, während die Ärztin vorsichtig die Wunde behandelt, eine Probe fürs Labor nimmt, weil vielleicht ein Keim drin ist, der nicht auf das Antibiotika reagiert hat. Jetzt gibt es Salbe in die Wunde und einen Auftrag für mich übers Wochenende, die Wunde zu spülen und zu salben. Montag liegt das Ergebnis vom Labor vor, aber wir hoffen, dass das neue Antibiotika jetzt wirkt.

    Abends zurück nach Belgien, wo der Treffpunkt in der Nähe der holländischen Grenze liegt. Schön am Fluss, abgedeckt durch hohe Maispflanzen, sind auch Millionen Moskitos auf die Idee gekommen, dass es sich hier ideal übernachten lässt. Also müssen wir uns verändern und in der einbrechenden Nacht einen anderen Platz finden, was nicht so schwer ist, weil es im Grenzgebiet um die Maas herum doch einige nette Orte für die Nacht gibt.

    Wir landen unterhalb eines Kanals mit holzumrandeten Pferchen für Esel, Schaf und Ziege. Am Morgen wird eine laut schnatternde Gänseschar in einen Garten gelassen. Dahinter ein altes, großes Haus mit einem Schlossgefühl, dessen Türmchen und Fenster in der aufgehenden Sonne leuchten, zum Teil von hohen Kastanien geflankt, die fast zum Dach reichen und leichte Herbstfarben in dem Blättern tragen.

    Davor kleinere Backsteingebäude, rotweise Schirme einer Bierseligkeit sind aufgespannt, Lachen und Stimmen erhellen den Abend. Ein paar späte Fußgänger mit Hunden, die Hilde aufregen, schnelle Radler, sanfte, gelbe Lichter werfen Spiegel ins stille Wasser, weiter unten ist ein kleiner Frachter am Ufer festgemacht.

    Wir sitzen lange im Gespräch im blauen Bus, die Seitentür geöffnet, durch die der sanfte Wind mehr Kühle bringt, je später der Abend wird. Um Mitternacht sollten wir besser schlafen gehen, trotzdem wird es eine unruhige Nacht, weil es immer mal jemand gibt, den die nachtdunklen, leeren Straßen einladen, aufs Gaspedal zu treten.

    Am Morgen ist die Wunde von Hilde oben und unten geschlossen, lediglich mittig träufeln wir Kochsalzlösung zum Reinigen ein, spritzen später die Wundsalbe zur Heilung auf. Die neuen Antibiotika zeigen ihre Wirkung, was uns sehr glücklich macht.

    Mit Silvia's Unterstützung ist die Behandlung von Hilde natürlich leichter, darüber bin ich sehr froh. Die meisten Camper fahren früh weiter, nur zwei junge französische Frauen aus Reims bleiben länger in ihren VW Bus stehen. Wir unterhalten uns ein wenig, ich muss meine verschlafenen Sprachkenntnisse auspacken, weil wir sonst nicht miteinander reden können.

    Es verwundert mich ein bisschen, dass sie kein Englisch sprechen, denn die junge Generation ist doch auch in Frankreich da schon ein wenig offener. Im Laufe des Vormittags füllt sich der Platz zusehends. Viele Belgier haben ihre Räder mitgebracht, sausen den Kanal entlang und machen die Straßen unsicher.

    Da wird es bald Zeit für uns, ein ruhigeres Plätzchen für den Nachmittag zu suchen, zumal Silvia für den Abend gutes Internet braucht, um zu arbeiten. Wir haben schon lange nicht mehr mit jemandem zusammen gestanden und schätzen ihre rücksichtsvolle Art sehr.
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  • Pietersheim

    22–23 sept. 2024, Belgique ⋅ ☁️ 18 °C

    3.009 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 18 km/ Gesamt 364.973 km /Ø121,29 km)

    21.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    Oud - Rekem
    3621 Lanaken
    Belgien

    Am Abend kommen wir zurück zum Kanal, lassen die Bilder der schwindenden Sonne auf einem Spaziergang an uns vorbei übers Wasser fließen, um Kraft für die dunkle Nacht zu sammeln, die mit einem Lächeln auf uns wartet.

    Als es mittags zu unruhig wird, fahren wir zum nahegelegenen Nationalpark "Pietersheim", wo wir in einer halbwegs versteckten Ecke eines der vielen Parkplätze im Halbschatten den Nachmittag verbringen. Ein nahegelegener kleiner Ententeich mit Fischbesatz, den ein Komoran mit ernstem Blick überwacht, reicht uns gerade aus für einen Spaziergang.

    Hilde würde gern zum Wasser, aber mir ist gerade die Lust auf verwunschene Binnengewässer vergangen. Die Wunde geht zwar langsam zu, aber noch steckt viel Geduld und Vertrauen in Gottes Schutz darin, dass die Verletzung komplett verheilt.

    Zusammen mit Silvia ist die Behandlung der Wunde durchaus entspannt, zumal auch Hilde ohne große Probleme und Widerstände zulässt, dass wir ihr dabei so nahe kommen. Silvia reicht so ein kleiner Spaziergang nicht aus, sie kommt erst viel später zum Bus zurück, da haben wir schon ein Schläfchen gemacht.

    Wir haben bisher immer Belgien als Reiseland vermieden, obwohl ich keine schlechten Erfahrungen gemacht habe. Das ist auch so ein Phänomen, dass wir Vorurteile in uns tragen, ohne einen wirklichen, persönlichen Grund nennen zu können.

    Tatsächlich gibt es für mich leicht zu bereisende Länder wie Frankreich und Norwegen, aber eben auch sogenannte blinde Flecken auf der Landkarte. Im Laufe der letzten neun Jahre habe ich viel Erfahrung gesammelt und jeweils die positive Erkenntnis, dass dort, wo wir ankommen, die Menschen uns gegenüber sehr freundlich gesinnt sind.

    Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, wie sich Herzen gleich Türen öffnen in freundliche Begegnungen, ein Lächeln im Vorbeifahren, oder ein kleines Gespräch mit Polizisten, die ich wegen einer Übernachtung ansprechen.

    Da bleibt gerne mal jemand stehen, um mit uns zu erzählen, sodass ich eine Freude entwickele, ein anderes Mal ein bisschen länger zu bleiben als nur ein Wochenende. Der Park leert sich gegen Abend, die Schatten mehren sich, und die Windstille lässt erahnen, dass es auch eine Zusammenkunft der Moskitos geben könnte.

    Deshalb fahren wir über Nacht zum freien Kanal, finden tatsächlich zwischen der Vielzahl der parkenden Fahrzeuge unsere Plätze von der Nacht zuvor als einzig freies Angebot. Wenn das keine Einladung ist. Ein ruhiger Abend, eine gute Nacht, unter dem versteckten Licht der Straßenlaterne ein erholsamer Schlaf.

    Früh am Morgen wachen wir auf und spazieren im Licht der aufgehenden Sonne am Kanal entlang, während unter der Brücke im aufsteigenden Nebel zwei Angler im Boot sich in völliger Stille vom Wasser treiben lassen.

    Von unseren Spaziergängen bringen wir Bilder mit und hoffen, sie werden dein Herz und deine Sinne berühren und erfreuen. In dem Buch von Anselm Grün 'Im Wandel wachsen' heißt es: "Ich versuche, meinen Beitrag zu leisten, dass durch mich die Welt um mich herum sich wandelt, heller und wärmer und liebevoller wird."

    In diesem Sinne wünsche ich Dir einen guten Tag voll innerer und äußerer Wärme!
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  • Video Tipp

    22 septembre 2024, Belgique ⋅ ☁️ 18 °C

    https://youtu.be/SpE4sSVhYO4?si=OvXPChpCzkz3-rtE

    Das Video ist eine besondere Empfehlung von mir über die Möglichkeiten, die wir Menschen haben, wenn wir etwas erreichen wollen, und ein gutes Netzwerk haben. Schau es dir einfach an, es ist exciting!

    3.010 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 21 km/ Gesamt 364.994 km /Ø121,26 km)

    22.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    Oud - Rekem
    3621 Lanaken
    Belgien
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  • Abschied

    23 septembre 2024, Pays-Bas ⋅ ⛅ 18 °C

    3.010 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 21 km/ Gesamt 364.994 km /Ø121,26 km)

    22.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    Oud - Rekem
    3621 Lanaken
    Belgien

    Ich bin sehr früh aufgewacht, und da wir heute mittag einen letzten, Termin bei der Tierärztin im Kevelaer haben, einfach aufgestanden. Es hat in der Nacht leicht geregnet und ich höre einige christliche Podcast, was ich übers Wochenende versäumt habe.

    Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Art, seinen Morgen zu beginnen, für mich sind das Gedanken über Gott. Es ist viel zu dunkel, um etwas zu lesen. Aber beim Hören kann ich mich waschen und frühstücken, den Tag aufwachen sehen, darüber sinnen, was ich aus den Gedanken anderer für mein Leben mitnehmen kann.

    Neben uns steht zur einen Seite eine junge Frau aus den Niederlanden, die heute ihren Wohnungsschlüssel abgibt, um auf Reisen zu gehen. Ich bin erinnert an jenen 27. Juni 2016, an dem ich ebenfalls aufgebrochen bin. Ein Tag, der mir immer präsent ist, der aber zusehends sich gedanklich von mir entfernt, weil es auch kaum noch Menschen gibt, die es "geschafft" haben, von damals ins Heute persönlich mit mir zu gehen. Zu weit habe ich mich vielleicht über das Geländer gelehnt, das uns begrenzt hat.

    Natürlich gibt es noch Menschen, die uns von Beginn an als Leser begleiten. Aber trotz aller gegenseitigen Interessenslage bleiben unsere persönlichen Entwicklungen oft voreinander verborgen. Das ist ein normaler Prozess und keineswegs verwerflich. Aber selbst wenn wir uns immer mal wieder begegnen, bleiben viele Nuancen des eigenen Selbst vor dem anderen Menschen verborgen.

    Vielleicht ist das nicht so gravierend, wenn man sesshaft ist, und von der gegenseitige Anteilnahme profitiert. Auf unserer anderen Busseite steht Silvia, die uns zu diesem Wochenende in Belgien eingeladen hat. Sie wird heute wieder nachhause fahren, weil sie schon um zehn Uhr arbeiten muss. Tatsächlich hat sie das Wochenende bis zum letzten Moment ausgereizt, weil es auch wirklich eine sehr schöne Zeit nach innen und außen war.

    Gestern sind wir zu Dritt zur Maas gefahren, die hier in der Gegend nur mit Paddelbooten und Kanus befahren werden kann. Am Ufer leben Pferde und auf den vielen angeschwemmten Astgewirren im Wasser eine Vielzahl äußerst lebendiger Vögel, die den stillen Tag mit ihren Stimmen erweitern.

    Sonnenschein, Temperaturen bis 25 °C, tolle Himmelsbilder, und ganz viel Ruhe schöpfen. Viele Gespräche in unterschiedlichen Konstellationen, die Anspannung bei der jungen Frau aus den Niederlanden ist genauso spürbar wie die Vorfreude auf eine Zukunft außerhalb des bisher bekannten Lebens.

    Hilde's Wunde öffnet sich, wenn sie sich wieder einmal über jedweden echauffiert, und schließt sich in dem ganz stillen Zeiten unserer Zurückgezogenheit mehr und mehr, sodass ich hoffnungsfroh bin, da wir diese Woche sehr still und leise reisen wollen.

    Morgenspaziergang. Hilde spürt, dass Abschied in der Luft liegt. Frühstück. Musik von Warren Haynes und der Dave Matthews Band. Grade ist Stille eher ziemlich laut. Und laut macht uns still, und fast andächtig beim melodischen Blues des alten Songs von Edda James "I'd rather go blind" in einer neuen Version.

    Dann fährt Slivia. Ich baue den Bus um, starte den Motor, biege oben an der Straße nach rechts ab.
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  • Isselburg

    24–25 sept. 2024, Allemagne ⋅ ⛅ 14 °C

    3.011 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 182 km/ Gesamt 365.176 km /Ø121,28 km)

    23.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    46419 Isselburg
    Deutschland

    Der kleine Stellplatz liegt zwischen Friedhof und Kirche, die der Fluss Issel trennt, der in Raesfeld entspringt und in den Niederlanden in die IJssel nach gut achtzig Kilometer mündet. Auf den Friedhof dürfen keine Hunde und in der Kirche sind sie nicht gern gesehen. Also spazieren sie an der Issel entlang mit ihren Besitzern männlicher und weiblicher Gene, die sich oft ähnlich ausdrücken.

    Wir leben zurückgezogen, Hilde will niemanden begegnen, und für mich hält sich das gerade auch so gut aus. Nach einem intensiven, zwischenmenschlichen Wochenende, dem anstrengenden, aber durchaus freundlichen Tierarztbesuch, suchen wir die Stille, die uns behütet.

    Vielleicht ist das auch der Ansatz im alten Kloster, das wir passieren, um in den Feldern dahinter einen Spazierweg zu finden. Auf einer Webseite heißt es,
    "Die Fazenda da Esperança ist eine Lebensgemeinschaft, die vor über 40 Jahren in Brasilien aus dem Leben einiger engagierter Mitglieder einer katholischen Kirchengemeinde entstand.

    Sie nahmen sich die Worte der Bibel als Leitlinie für ihr Leben und erfuhren, wie dadurch ihr Denken und Handeln erneuert wurde. Ausgeschlossene und vernachlässigte Menschen, wie Drogen- und Alkoholabhängige lernten das Leben dieser Gruppe kennen, begannen deren Leben zu teilen und erfuhren so einen Neuanfang in ihrem Leben...

    Mit den jungen Leuten leben und arbeiten auf den Höfen der Hoffnung Frauen und Männer unterschiedlicher christlicher Konfessionen, die sich ganz dieser Aufgabe widmen und die Gemeinschaft 'Familie der Hoffnung' bilden...

    Heute können 16 junge Männer im Kloster Mörmter leben. Sonntags feiert die kleine Gemeinschaft mit Gottesdienstbesuchern von Nah und Fern um 17.00h die Heilige Messe in der Klosterkirche, das Klostercafé hält immer einen leckeren Kaffee bereit und alle, die Interesse haben auf einen Besuch am Niederrhein, sind herzlich willkommen."

    https://www.sankt-viktor-xanten.de/caritas-hilf…

    Vielleicht hat sich das auch der alte Hase gedacht, dessen Fell blutig und voller Fliegen ist, als er auf den Asphalt hoppelt und sitzen bleibt, sodass ich ihn vorsichtig umfahren muss. Nicht ohne in seine Augen zu schauen, die lebensmüde wirken. Ob Hasen ebenso wie Menschen sich einfach auf die Straße setzen, um zu sterben, um überfahren zu werden.

    Nachdenklich fahre ich weiter, beim Kloster ist niemand, den ich auf sein Schicksal aufmerksam machen kann, auch der Jakobsweg ist frei von Pilgern. So bleiben uns die Erinnerungen.

    Der große Junge hält die Friedhofskerze verschämt versteckt, während er mit seiner älteren Schwester den Friedhof betritt. Seine Mutter, die Oma, vielleicht der Hase. Es gibt immer Wesen, für die es sich lohnt, ein Licht zu entzünden.

    Sechs Plätze auf dem Stellplatz, ein großer Schwede in meinem Alter, der immer noch 3,4 Marathons im Jahr läuft. Er würde sich aber schon nach zehn Kilometern richtig müde fühlen. Wahrscheinlich braucht er dafür die gleiche Zeit, wie ich auf fünfhundert Metern, denn dann bin ich auch sehr müde.

    Ein Niederländer schläft in seinem PKW uns gegenüber. Lange als Maurer in Deutschland gearbeitet, spricht er die Sprache gebrochen, aber verständlich. Die Kinder sind erwachsen, er hat Zeit und läuft nicht. Aber er fährt Rad, schaut sich um, geht wieder nachhause, um dann neu zu starten.

    Ein Ehepaar aus Kleve hat seinen Wohnwagen hier geparkt. Der Kassenautomat ist defekt, Strom und Platz sind kostenlos, das spricht sich rum. Fünf Euro gespart, früher hast du drüber gelacht.

    Letzten Monat habe ich 670 Euro verbraucht für Diesel und Lebensmittel. In etwa im Verhältnis 1:3. Dazu ein paar Ersatzteile und Sticker für unsere Werbung. Mit tausend Stück komme ich länger hin. Dann 240 Euro für den Tierarzt, 50 für Bandagen, und demnächst will das Finanzamt fast zweihundert Euro von mir, obwohl meine Ausgaben die Einnahmen mindestens ausgeglichen haben. Aber die finden ja immer einen Trick. Ich werde mich nicht aufregen, aber es wie im Sprichwort "wie gewonnen, so zerronnen".

    Wer unsere Reise gerne einmalig oder regelmäßig unterstützen möchte, der darf das natürlich über Paypal oder das Konto machen, am besten unter dem Stichwort 'blauer Bus', denn der gehört nicht zum Betrieb und ist sehr anfällig.

    Mein Konto bei der
    Nord LB Braunschweig
    IBAN: DE72 2505 0000 0201 4093 07
    BIC: NOLADE2HXXX
    Kontoinhaber: Peter Kopfermann
    Zahlungen per PayPal sind unter der E-mail Adresse möglich - bitte unter "Freunde" überweisen -
    spaziergaenge.mithilde@gmx.de

    Es gibt immer mal Leser, die mich bitten, doch so ein Konto zu verankern, um mich nach Bedarf unterstützen zu können. Da ich mit dem Internet nicht so leichtfüßig unterwegs bin, mach ich es erstmal auf diese Weise.

    Anfangs habe ich mich davor gefürchtet, Hilde's Wunde zu behandeln, und war froh, dass Silvia mich da unterstützt hat. Aber jetzt merke ich, wie gut Hilde und ich auch hier als Team funktionieren. Die Ärztin ist zufrieden, da die Wunde heilt, aber wir wissen, dass es mindestens die nächsten zwei Wochen uns noch beschäftigen wird.

    Meist sind wir in dieser Zeit alleine, das passt gut. Wenn du dich fragst, warum kein Meer in Sicht ist, wir haben ab 2. Oktober wichtige Verabredungen im Großraum Braunschweig, die mich eine Woche lang binden, sodass es sich trotz der Nähe zur holländischen Küste nicht lohnt, diesen Umweg zu fahren. Aber ich halte es fest im Blick.

    Heute gibt es Nutella zum Zwieback, das ist was Besonderes fürs Frühstück. Ein Glas, das ich lange ungeöffnet mit mir herumfahre, und meist als Frustfutter öffne. Heute läute ich den Herbst ein. Windstille, Rabenrufe in den letzten Stunden der Nacht, grauer Morgenhimmel.

    Das niederländische Ehepaar hat gestern noch die letzten Sonnenstrahlen genossen, sie hat mich nachdenklich angeschaut, während er Kreuzworträtsel gelöst hat. Der Bocholter nebenan hat eine spanischen Steuernummer und fliegt nächste Woche nach Alicante, hofft auf einen Job als LKW-Fahrer.

    Er erzählt vom kühlenden Wind vom Meer her, die Schweden sind überrascht, dass es im Oktober am französischen Atlantik noch so warm sein soll. Es wäre die richtige Zeit, um in den Süden zu fahren, sagen die Zugvögel. Ob das auch für uns gilt, wird sich zeigen.
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  • Werne

    25–26 sept. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 15 °C

    3.012 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 136 km/ Gesamt 365.312 km /Ø121,28 km)

    24.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    59368 Werne
    Deutschland

    Natürlich habe ich gewusst, dass späteres Aufstehen Stress verursacht, weil ich mich "duschen" und die frischen Stützstrümpfe anziehen muss. Also ich hätte dran denken müssen, aber weil ich von meinem Vater geträumt habe, als wir alle jünger waren, dachte ich, es gäbe vielleicht eine neue Erkenntnis.

    Etwas, das ich bei ihm übersehen habe, oder damals nicht erkennen konnte. Irgendein Muster, in dem ich mich wiederhole, jetzt wo ich so alt bin wie er. Außer den Erkenntnissen, die ich eh schon habe. Die Tendenz zum Rückzug, das Aushalten können von Stille und Einsamkeit, die Neigung zu Asthma.

    Als ich aufwache, muss ich mich beeilen. Der Platz ist unruhig, und wir fahren zehn Kilometer weiter. Auf die Rückseite der Marina Rünthe, an einem dunklen Parkplatz unter alten, hohen Bäumen. Vorne Brombeerranken, ein grünes Männchen mit Kappe, das Zähler ablesen und montieren kann, eine riesige Satschüssel über einem löchrigen Zaun, ein vergessenes Außenlicht.

    Manchmal spielt der SV gegen andere Sportfreunde in so niedrigen Klassen, dass die Nachbarn sich alle kennen. Der grüne Rasen das Herz des Viertels. Hundegebell, Hilde hebt ihren Kopf, den sie neben mir ausruht nach dem Frühstück aus Fleisch und Fisch.

    Mein Vater hat mal erzählt vom Stabhochsprung und letztens habe ich gelesen, dass Rolf Wohlshohl verstorben ist, den haben wir mal auf einem Querfeldeinrennen in Solingen gesehen. Selbst habe ich meinen Vater nie Radfahren gesehen, im Krieg brauchte man seine Beine, um zu laufen.

    Ich kann mich nicht erinnern, wie ich Radfahren gelernt habe, ich weiß nur, dass ich mit 16 Jahren von einem Autofahrer umgefahren wurde, der meine Vorfahrt nicht beachtet hat. Da kam keine Polizei, ich konnte aufstehen und das Rad nachhause schieben.

    Dass es schon damals Schutzengel gegeben hat, war mir lange nicht bewusst. Aber irgendwie habe ich das alles überlebt, damals als Jugendlicher. Und manchmal wacht eine gute Erinnerung auf. Davon leben wir später, wie von den Sonnenstrahlen, die gerade das Laub auf dem Asphalt in Licht und Schatten teilen.

    Das Mordkreuz der Mersche von Tilbeck, ich habe das Wort lange nicht verstanden, weil ich es in dieser Konstellation noch nie gesehen habe. Wir sind von Nottuln gekommen mit der Christopheruskirche im Zentrum des alten Städtchen, und ich wusste mir keine Richtung. Dann habe ich diese Historische Sehenswürdigkeit entdeckt und wollte wissen, was es ist.

    "Der Sage nach wurde die Frau nach einem Gastwirtschaftsbesuch von Landsknechten beraubt und ermordet. Diese hatten das spätere Opfer demnach zuvor in der Gastwirtschaft in einem vollen Beutel nach Geld kramen sehen und ihr daher in der Hoffnung auf reiche Beute aufgelauert. Der Beutel enthielt jedoch nur Nägel. Das Kreuz...ist stark verwittert und stammt aus dem Jahr 1164, wurde jedoch im Jahre 1764 erneuert." (Wikipedia)

    Folgende Inschrift ist zu erkennen "INRI
    ANNO 1164 ALDA BI DIG CRe.IST.RebORHReT.DAS.
    AL= =HIeeINeMeIRSCHe.TILBICK VeRMOR DeT IST"

    Inri - Jesus von Nazareth, König der Juden. Als habe sich jemand an diese Tat erinnert, die auch wie ein sinnloser Mord gesehen werden könnte. Das kleine Kreuz steht zwischen ausufernden Wurzeln alter Bäume am Beginn eines Hohlweges, dessen Sandstein ausgewaschen wirkt.

    Ich staune über die gelben Blüten am Wegesrand, hinter denen sich ein farbenfroher Pfau von https://www.lackaffen.de/
    befindet. An einem vertrockneten Maisfeld gehen wir spazieren, dem gegenüber sind Früchte gewachsen, die mich an Tomaten erinnern, was sicherlich falsch ist, weil der Acker so gewellt ist wie beim Spargelanbau.

    Hilde würde gerne in den Wassergraben dazwischen gehen, aber mein Bedarf an Überraschungen ist grade ziemlich gedeckt. Wir übernachten in Werne vorm Gradierwerk, hinter dem ein Seerundweg viel besucht ist. Kastanienzeit, die Wege werden zu einem gefährlichen Hindernislauf. Manchmal bin ich geneigt, mich zu einer schönen Kastanie runterzubeugen.

    Ich glaube, es gab eine Mark pro Kilo, damals als ich den Unfall mit dem Rad hatte, beim Tierpark, wobei das Trinkgeld als Schloßführer in Braunfels ungleich höher und deutlich leichter zu verdienen war. Zumal sich mein Taschengeld in Grenzen hielt, während die Zigaretten im Preis nicht gleich geblieben sind.

    Ach, die guten alten Zeiten. Ja, die habe ich mit den guten, neuen Zeiten getauscht. Vielleicht nicht eins zu eins, aber dennoch ist heute vieles ziemlich gut und lebenswert. Und wenn ich vergleichen können würde, dann wäre ein Tausch eher ein Verlust. Aber ich habe die ersten zwanzig Jahre überlebt, und danach war zwar nicht alles perfekt, aber in einem, wenn auch nicht stetigen, Wachstum begriffen. Fast bin ich geneigt zu sagen, dass ich mir eine Never- -ending-story durchaus vorstellen kann.
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  • Waldbröl

    26–27 sept. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 16 °C

    3.013 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 148 km/ Gesamt 365.460 km /Ø121,29 km)

    25.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    51545 Waldbröl
    Deutschland

    Im Regen gibt es nicht viel zu fotografieren. Vor dem Fenster laufen schemenhaft kleine Menschen mit großem Gepäck beschirmt und bejackt an den wartenden Fahrzeugen vorbei, die an der Ampel der Baustelle halten müssen. Ab sieben Uhr wird es lichter, meine kleine Kerze ist gelöscht, nur das Weihnachtsgeschenk vom Enkelzwerg leuchtet.

    Heute habe ich mir zum ersten Mal seit der Wende eine Kanne Chai Latte gemacht. Das hat so ein Ankommensgefühl in meinem neuen Leben ohne Kaffee, Wein und Cola. Bisher waren die Morgende zerrissen von Frage, was trinke ich jetzt, und Tee mag ich morgens nicht.

    Aber heute war es selbstverständlich. Darüber bin ich froh. Die Thermoskanne ist ein Geschenk meines Sohnes, und ich brauche solche Rituale. Auf Reisen sprengt sich der Rahmen Leben leicht durch äußere Umstände, die uns verunsichern. Nicht nur im Traum, sondern gerade auch durch meine Gedanken, durch innere Missstände, die, wie ein Steinwurf im Wasser, immer größere Kreise ziehen.

    Vier Camper auf dem Platz. Einer will nach Norwegen, der andere hat eine Freundin im Ort, der neben mir wohnt sogar hier. Nur in der Mitte steht eine nette Frau aus Köln, sagt Jens im Regen, und erzählt von seinen Träumen und der Realität. Das ist immer ein Mix auf Reisen. Wie viele Geschichten habe ich schon gehört.

    Früher waren wir unterwegs, weil das Leben im eigenen Land nicht mehr gut gegangen ist. Heute sind viele auf Reisen, weil sie es mit sich nicht mehr gut aushalten können, weil sie eine Sehnsucht von Ferne in sich tragen. Aber jeder hat Träume, Wünsche, Vorstellungen in sich von dem, was auf ihn wartet. Und von der Heimat. Was werden könnte wenn. Oder so.

    In Deutschland im Herbst zu reisen, das ist nicht so einfach. Auch wenn ich froh bin, dass es überhaupt geht. Die Nacht ist ruhig, ich wache drei, viermal auf. Immer regnet es. Stetig. Beständig. Dauerhaft.

    Der Morgen ist grau verhangen, im blauen Bus ist es licht. Laub auf den Steinen, einige parkende Autos. Aber wenn wir rausgehen, werden wir den rauschenden Bach hören. Sein Lauf ist angeschwollen, hoch am Uferrand reißt er die Erde, Wurzeln, Gras mit sich. Lebensgefahr heute, und später wieder fast ein Rinnsal, aus dem die Tiere Wasser trinken.

    Landschaftlich ein Traum, eine Berg- und Talbahn, kurvenreich, Wald und Wiesen verliebt. Unna, Finnentrop, Waldbröl. Zwischen Westerwald, dem Bergischen Land, und der siegerländischen Seenplatte. Unsere Eckpunkte bilden Sorpesee und Biggetalsperre, weiter westlich der Rhein. Südlich von hier bin ich zur Schule gegangen. Und in Lüdenscheid habe ich gewohnt.

    Und obwohl ich ungern hier bin, führt mich mein Weg immer mal wieder hier vorbei. Wie die alte Leier, die der Bettler spielt, bis die Sehnsucht ihn vertreibt. Ach ja, das Leben ist ein seltsames Spiel. Ein Gedanke, der mich zu Connie Francis treiben lässt, und mich erfreut zu sehen, dass sie noch lebt.

    Wer wohl von den Freunden von früher sonst noch leben mag. Das frage ich mich manchmal. Und ob sie ihre Träume verwirklichen konnten. Manchmal ist es schon gut, wenn man gegen die täglichen Anforderungen bestehen kann, seinen Geist frei hält von den Verwirrungen und Irrwegen.

    This is my daily job. Und mit Hilde spazieren zu gehen, deren Wunde Fortschritte macht. Wünsche Dir einen guten Tag!
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  • Homberg/Ohm

    27–28 sept. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 14 °C

    3.014 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 154 km/ Gesamt 365.614 km /Ø121,30 km)

    26.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    35315 Homberg/Ohm
    Deutschland

    Da mein aktuelles Leben sehr unruhig geworden ist mit all dem, was ich gerade behalten und aushalten muss, und sich wie eine Überforderung anfühlt, zumal ich auch noch einen Altersschub bekommen habe, wache ich mehrfach in der Nacht auf, und fühle mich morgens ziemlich erschöpft.

    Deshalb habe ich mir den Wecker um fünf Uhr mit dem Gedanken "Freu dich auf den neuen Tag!" belegt. Das macht jetzt mein Leben nicht bunter und strahlender, es ist eher die stille Erleichterung, oh wie schön, dass ich aufgewacht bin und lebe.

    Als ich fünfzig Jahre alt wurde, hatte ich die ersten Ausfallerscheinungen. Wortfindungsstörungen im Gespräch oder wenn ich in Gedanken war, dieses Gefühl irgendwas vergessen zu haben, beim Einkaufen mir eine Liste machen zu müssen.

    Da das mehrere Tage angedauert hat, und ich natürlich als Sozialarbeiter über die Folgen langjährigen, regelmäßigen Konsums von alkoholischen Getränken besser Bescheid wusste, war ich entsprechend erschreckt.

    Aber nach einigen Tagen lief mein Leben wieder in den alten Bahnen, und ich habe gelernt zu verstehen, dass solche Phasen unversehens kommen, sich manchmal monatelange Pausen gönnen, und dann plötzlich wieder im Raum stehen. Und mit der Zeit habe ich den Schrecken verloren, weiß es aber trotzdem sehr zu schätzen, weitestgehend körperlich und geistig gesund zu sein.

    Natürlich habe ich ein halbes Dutzend chronischer Erkrankungen, die mich mehr oder weniger einschränken. Aber selbst wenn dies ziemlich belastend ist, führen sie nicht zwangsläufig zum Ende meines Lebens.

    Und so komme ich zurück zur Freude und der Dankbarkeit über den neuen Tag, denn gerade heute darf ich besonders staunen. In der Nacht der stürmische Regen, am Morgen der unglaubliche Sonnenaufgang, die Elemente des Himmels meinen es wieder besonders gut mit uns.

    Unterwegs hat sich Hilde die Wunde aufgekratzt und muss seitdem ihre Pantoffel tragen. Der Heilungsprozess scheint ziemlich zu jucken, und so ist sie mit mir ärgerlich, wenn ich sie behandele. Und mich ärgert es natürlich auch, wenn sie so doof ist. Aber ja, sie ist ein Hund, und ich darf dankbar sein, dass Hilde bei dem Kampf keine schlimmeren Verletzungen erlitten hat.

    Das wird schon heilen. Und dann zähle ich mir an den inneren Fingern ab, ob ich auch an alles gedacht habe. Da ich keinen tatsächlichen Reiseplan habe, justiere ich meinen Weg an jedem Morgen neu. Und so komme ich auch dort zu neuen Ecken, wo ich dachte, schon alles zu kennen.

    Wer war schon in Holpe und im Biebertal, bei der Amöneburg oder in Bellnhausen. Ja, ich weiß, dass kennt so mancher, und jemand hat sogar einen Blutegelanlegelehrgang dort gemacht.

    Aber wer hat schon mal beim Metzger Kutsch in Ebsdorf Leberwurst gekauft, die dort in der Kugel hergestellt wird, und so ganz anders ist, wie ich das kenne. Nebenan beim Bäcker gibt es auch Käse zum Puddingteilchen, das ist jetzt fast so wie in Frankreich oder Spanien. Nur der September ist schon ein bisschen kühl geworden.

    Über Nacht stehen wir in Homberg/Ohm, fahren zum Sonnenaufgangsspazieren nach Appenrod, und zum Frühstück in den Wald an der L3343 bei Maulbach, wo auch die Geschichte entsteht.
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  • Alsfeld

    28–29 sept. 2024, Allemagne ⋅ ☀️ 9 °C

    3.015 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 91 km/ Gesamt 365.705 km /Ø121,29 km)

    27.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    36304 Alsfeld
    Deutschland

    Wir sind mit Carmen in Neustadt verabredet, dessen Wahrzeichen der Junker Hansen Turm ist.

    "Mit einem Durchmesser von 12,60 m und einer Gesamt­höhe von 48,80 m ist der Junker-Hansen-Turm der größte erhaltene Fachwerkrundbau der Welt.

    Errichtet wurde dieses imposante Gebäude um 1480–1483 vom landgräflichen Baumeister Hans Jakob von Ettlingen. Auftrag- und Namensgeber war Hans von Dörnberg, Hofmeister des hessischen Landgrafen Heinrich III. und seit 1477 alleiniger Pfandherr von Neustadt.

    Das Besondere am Junker-Hansen-Turm ist, dass er die vielen Kriege fast unbeschadet überdauert hat und sich außerdem ca. 90 % originale Bausubstanz erhalten haben. Dank der Wiederherstellung der historisch belegten Schieferabdeckung an der Wetterseite sowie der aufwändigen Neueindeckung des Daches präsentiert er sich heute in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild."

    https://www.schloesser-hessen.de/de/junker-hans…

    Carmen ist deutlich jünger und macht sich immer mal auf, uns zu treffen, sobald wir durch die Gegend streifen, denn around Alsfeld ist irgendwie in der Mitte von Deutschland, also fahrtechnisch. Ich habe sie gebeten, mir einige Lebensmittel einzukaufen, da ich Hilde aktuell nicht gerne alleine lasse.

    Früher in meiner Arbeit haben wir für alte, gebrechliche Menschen Einkäufer gesucht, die sich jede Woche eine Stunde oder zwei Zeit genommen haben, die notwendigen Lebensmittel zu besorgen. Im Gegensatz zu der bezahlten Tätigkeit sind meine Helfer Menschen, die stattdessen noch Leckerlis für Hilde mitbringen.

    Am Freibad in Neustadt ist ein ziemlich offener Stellplatz, sodass wir die Spaziergänger im Blick haben. Aktuell treffen wir selten jemand, so ist es schön, den Geschichten eines anderen Menschen zu folgen. Immer wieder fallen heftige Regenschauer vom Himmel. Mal hält ein Lastwagen zur Pause, der Schulbus, und später die Eltern, die ihre Kinder noch persönlich von der Schule abholen.

    Sommer ist vorbei, schon stehen die Herbstferien vor der Tür. In Deutschland zu reisen ist anders. Frisches Wasser gibt es am schicken Terminal nur gegen Wertmarken und dann gleich im Hunderterpack. Gut gemeint ist nicht immer gut durchdacht. Und nicht allein die Vorstellung eines Bauherrn macht das Ergebnis sinnvoll.

    Im Gegensatz zum Junker-Hannes-Turm beispielsweise. Dafür hat der Stellplatz in Oberaula eine kostenlose "Quelle", die ich erst finde, als ich in der App ein Bild sehe. Trotz eines Klebeverbandes, der das Ganze zusammenhält, kommt Wasser raus. Und alleine dieses Konstrukt ist mitteleuropäisches Denken wert.

    Eine metallene Säule, vielleicht einen Meter hoch und zehn Zentimeter im Durchmesser, hat zwei Wasserhähne, die sich gegenüber liegen und nur in der Funktion unterscheiden. Der eine gibt Trinkwasser, der andere reinigt Klos.

    Praktisch, quadratisch, gut. Sozusagen die Rittersport der Entsorgungsanlagen. Vielleicht nicht unbedingt hygienisch perfekt, da kenne ich ganz andere Systeme, wo der Eindruck entsteht, dass es tatsächlich zwei unterschiedliche Wasserleitungen für verschiedene Aufgaben gibt.

    Also fülle ich die Kanister auf der richtigen Seite, wasche gleich noch meine Haare, und verschwinde im warmen Bus. Der Nachmittag sonnt sich wie gewohnt im schönsten Lichte. Wir durchfahren kleine Orte am Wegesrand, die Künstlerkolonie Willingshausen hatten wir ja schon kurz hinter Neustadt besucht.

    Jetzt ist Zeit für einen schönen Spaziergang, und da bietet sich doch geradezu ein Sonnenblumenfeldweg an. Gegenüber abgeerntete Rüben mit Rückständen von zu klein, zu dick, zu hässlich, oder was auch immer der Maßstab dafür sein mag, dass so viele Früchte auf dem Feld liegenbleiben. Hilde holt sich eine kleine Rübe zum Abendessen, die sie genüsslich unter Sonnenblumen frisst.

    Durch eine schöne Landschaft nähern wir uns sozusagen Alsfeld von hinten. Der Stellplatz quillt aus allen Nähten. Fast jeder Parkplatz ist mit Campern besetzt, die treu fünf Euro Gebühren zahlen, auch wenn sie den speziellen Komfort der richtigen Plätze gar nicht nutzen können.

    Es ist Wochenende, und wir haben den Platz mit offenem Blick hinaus zum Sportplatz und nette Nachbarn, die das Abenteuer Camperleben heute zum ersten Mal in geliehenen Fahrzeugen testen. Zwei freundliche Ehepaare aus dem Ruhrgebiet, die sich mal gleich nach unseren Beweggründen erkundigen, und beruhigt sind, dass wir aus Hobby und nicht aus Not in einem VW Bus leben.

    Sie gehen Alsfeld bei Nacht angucken, und gleich mal was Leckeres essen. Sie wären früh am Morgen weg, aber nun schlafen sie doch länger, während die ersten Reisenden schon um sechs Uhr morgens aufgebrochen sind. Wir bekommen von all dem nur wenig mit, denn wenn ich den Bus von innen verdunkele, dann bleibt uns die kleine Hülle zum guten Leben zu Zweit.

    Der Blick zum Sonnenaufgang oder nachts die Sterne, dafür müssen wir nicht auf einem Berg schlafen. Das geht zur Not auch in einer Stadt. Es hat geregnet, die Straßen sind noch nass, wir fühlen uns wohl. Das sei doch die Hauptsache, dass Menschen glücklich sein können. Denn noch leben wir in einem befriedeten Land, das kann man gar nicht oft genug betonen.
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  • Totenköppel

    29–30 sept. 2024, Allemagne ⋅ ⛅ 6 °C

    3.016 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 66 km/ Gesamt 365.771 km /Ø121,27 km)

    28.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    36304 Alsfeld
    Deutschland

    Während wir seitlich der Straße auf einem Stück Asphalt parken, das im einen ungeordneten Wald übergeht, auf der nur bedingt ein Spaziergang möglich ist, aber die Sonne als Quereinsteiger eine muntere LichtundSchatten - Landschaft zaubert, fällt mir auf, dass ich selten Bilder von diesen Orten übermitteln kann, auch wenn dort meine tiefen Momente unterwegs stattfinden.

    Das Bild mit den vertrockneten Dolden im Grün ist nichtssagend, aber hier haben wir lange gesessen, damit die Salbe auf Hilde's Wunde einziehen kann, während sie schläft. Gleichzeitig lese ich in meinem neuen Buch über eine Reise auf dem Bambusfloß über den Pazifik.

    Ein Buch aus dem Verkauf irgendeiner Stadtbücherei, das 1994 mal ein Schmidt als einziger Eintrag ausgeliehen hat. "Timothy Severin (* 25. September 1940 in Assam, Indien; † 18. Dezember 2020 in Timoleague) war ein britischer Abenteurer, Historiker und Schriftsteller. Er wurde besonders durch seine Reisen auf den Spuren historischer Persönlichkeiten bekannt...
    Um beispielsweise die Legende von Sindbad nachzuverfolgen, baute er 1980 ein traditionelles arabisches Segelschiff, dessen Segel er mit Kokoszwirn nähte, und segelte von Oman nach China. Die Reise, die durch den Sultan von Oman, Qabus ibn Said, finanziert wurde, beschrieb er im Buch The Sindbad Voyage. In dem Buch The Brendan Voyage schilderte er Details seiner Forschung über die Reise eines irischen Mönchs, der in einem ledernen Curragh von Irland nach Neufundland gesegelt sein soll."
    (Wikipedia)

    Die verschiedenen Reisebücher habe ich aus Wikipedia fotografiert und beigefügt, weil es sich lohnt, Tim Severin zu lesen, der eine detaillierte Sprache pflegt, die lebhafte Bilder der Ereignisse zeigt. Auch die Auswahl seiner Reisegefährten lässt ein gutes Händchen erahnen.

    Der weitgereiste Hippie Mark, der mit seiner japanischen Freundin auf einer kleinen Insel außerhalb aller Kommunikationsmittel lebt, muss eines Tages aufs Festland um einen Einkauf zu tätigen, und findet ein Stück Zeitung auf der Straße mit einem Bild von diesem Bambusfloß. Er ist ein geschickter Tischler und heuert aus dem Nichts für diese Reise an.

    Und so verschwinde ich während des Lesens in meiner eigenen Vergangenheit, um Menschen zu begegnen, an die ich lange nicht mehr gedacht habe. Nur selten können Autoren einen solchen Zauber über mich legen. Ich erinnere mich an die Biografien von Neil Young und Bruce Springsteen, bei denen ich wiederholt solche Zeitreisen unternommen habe.

    Eine andere Reise zurück machen wir bei dem Besuch des Totenköppels bei Meiches. "Ein Friedhof auf einem ehemaligen Vulkanschlot: Der Totenköppel im hessischen Meiches (Lautertal) ist ein seltener Sippen - Begräbnisplatz, der mit geologischen Besonderheiten aufwarten kann. Die Begräbnisstätte liegt auf 559 m, ist nahezu kreisrund angelegt und wird von einer Basaltmauer umschlossen. Eine unter Denkmalschutz stehende heutige Totenkirche wurde 1729 auf den Überresten eines früheren Gotteshauses gebaut. Auf den Mauerresten fand man eine besondere Wandmalerei, die 'Schmerzensmann' genannt wird, und etwa aus dem Jahr 1275 stammt.

    Das Besondere: Auf dem Totenköppel hat jede ansässige Familie bzw. jedes Haus einen Begräbnisplatz, an dem ausschließlich Familienmitglieder beerdigt werden. Einige der Gräber sind mit schönen, kunstvoll behauenen Grabsteinen geschmückt. Die ältesten Gräber stammen aus dem 17. Jahrhundert. Außenstehende und Fremde werden in einer Ecke des Friedhofes begraben."

    https://www.naturorte.de/totenkoeppel-meiches-h…

    Als wir ankommen, begegnet uns eine ältere Frau, die ein Grab gepflegt hat. Der Platz ist still und liegt im Sonnenschein, wir spazieren durchs nasse Gras, und Hilde zerbeißt das trockene Holz, das der Wind aus den hohen Bäumen geholt hat.

    Später gehen wir länger spazieren. Es riecht stark nach Mäusen, sodass Hilde ihre Nase in die kleinen Löcher am Feldrand steckt. Sie möchte so gerne buddeln und darf das nicht. Mein Nein, Nein trägt der Wind davon und kommt mit Regen zurück. Wir sind oberhalb von Storndorf, von dem ein Infoschild am Wanderweg erzählt, dass es einen jüdischen Friedhof habe. Da, wo das Schild angebracht ist, wird es höchstens Hundespaziergänger auffallen, oder versprengten Wanderern, die talwärts gehen.

    Wir sehen heute außer Feld und Wiesen eindrucksvolle Gebäude, farblich zum Herbst abgestimmt, und Kühe, die mich an Pandabären erinnern, von denen ich gerade gelesen habe, dass deren Urform aus dem Allgäu stammen soll. Eine Kreuzung mit ner Urkuh wäre ja durchaus denkbar, dem Menschen sagt man ja auch eine tierische Herkunft nach.
    Spaß.

    Aber voller Ernst ist der nächtliche Kälteeinbruch, selbst morgens um sieben Uhr hat es nur zwei Grad im Plusbereich. Hilde's Wunde ist seit gestern geschlossen, heute folgen die letzten Antibiotikatabletten. Kochsalzlösung und Salbe werde ich noch ein bisschen verwenden, damit es gut weiterheilt.

    Wir haben uns jetzt an das tägliche Ritual gewöhnt, gerade in der Stille der Heilung erlebe ich für mich gute Momente innerer Sammlung. Beim Abendspaziergang bricht im nahen Wald ein Tier durchs Unterholz, sodass Hilde's Jagdtrieb augenblicklich erwacht.

    Die Welt ist voller Abenteuer. Kleiner und großer, innerer und äußerer Ereignisse. Du musst einfach nur Hinschauen, Fühlen und Spüren. Es ist eine Sache deiner Sinne, deren ungetrübten Möglichkeiten Dir das Leben in vielen Facetten öffnen.
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  • Homberg/Efze

    30 sept.–1 oct. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 10 °C

    3.017 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 85 km/ Gesamt 365.856 km /Ø121,26 km)

    29.09.2024
    Wohnmobilstellplatz
    34576 Homberg/Efze
    Deutschland

    Die Bilder sind unspektakulär. Ein bisschen Wiese, Bäume, die Mitte eines Dorfes, ein jüdischer Friedhof, Pferde, eine Brücke, der blaue Bus. Zehn Aufnahmen, die unsere Tagesreise nachzeichnen. Photos ohne großen künstlerischen Wert, die von überall her stammen könnten.

    Und dennoch sind sie besonders, weil in ihnen unser Leben, unsere Reise, steckt. Der Platz unterm Baum, an dem Hilde ihren zweiten Heilungsschlaf am Vormittag macht, während ich mein Buch lese. In der Ferne hinterm Bus bearbeitet ein Bauer sein Feld, die Luft riecht frisch nach Sonntagmorgen, und Ausflügler sind mit Rad und Auto unterwegs. Hinterm Bus führt der Weg in die Feldmark. Vor der Weiterreise spazieren wir lange leicht bergab und wieder zurück. Ich achte auf meine Atmung, zeichne still die Entfernung für mich auf, um mich zu orientieren. Sechshundert Meter mögen nicht viel sein, aber ich komme nicht in Probleme, und freue mich darüber.

    Die Brücke von Eifa ist etwas Besonderes. "Mit einer Länge von 230 Metern und einer Höhe von 30 Metern...Aufgrund der Geländeeigenschaften führte der Bahnstreckenabschnitt von Alsfeld nach Grebenau durch tiefe Täler und Bergrücken. Daher wurden beim Bau der Eisenbahnstrecke, die am 1. April 1916 ihren Betrieb aufnahm, Viadukte gebaut und hohe Erdwälle aufgeschüttet. Heute ist das Eisenbahnviadukt ein Baudenkmal und blieb daher vom Abriss verschont. Das besondere an der Bauweise der Brücke war, dass sie schon während ihres Baus nicht mehr zeitgemäß waren. Sie wurde als Gewölbebrücke aus Beton konstruiert..."

    Auf dem Photo wirkt sie recht einfach zwischen den Bäumen, aber aus der Sicht einer Drohne - siehe Link - ist das deutlich spektakulärer.

    https://www.oberhessen-live.de/2017/02/05/die-a…

    Grebenau besteht aus etlichen kleinen Orten, die wir kennenlernen, als wir versuchen zur Burg Herzberg zu kommen, doch da von unserer Seite nur Feldwege dorthin führen, fahren wir einfach geradeaus weiter.

    Vorbei am Knüllköpfchen mit 634 Metern Höhe, liegt oberhalb von Frielendorf ein jüdischer Friedhof. Alle Gräber befinden sich auf der linken Seite des Geländes. Bei Wikipedia lese ich, "Grabsteine sind nach Osten ausgerichtet, ebenso wie die Toten, deren Füße nach Osten (nach Jerusalem) zeigen, damit nach der Auferstehung die Reise in Richtung Jerusalem gleich anfangen kann."

    Für mich wirkt das jetzt so wie eine Gruppe von Menschen, die an einem Zaun stehen, um hinab in den Ort zu schauen, denn der Friedhof liegt oberhalb, und gewährt so einen weiten Blick nach Osten. Das Tor ist geschlossen, ein Besuch ist nur mit Genehmigung möglich, an den jüdischen Feiertagen und am Sabbat aber grundsätzlich untersagt.

    Ich überlege, ob das hier Geschichte ist, oder ob noch aktuell Juden traditionell so begraben werden. Letztens sind wir an einem muslimischen Friedhof vorbeigefahren. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht, weil ich mir darüber nie Gedanken gemacht hatte. Tatsächlich habe ich angenommen, dass Juden und Muslime auf deutschen Friedhöfen begraben werden. Vielleicht jeder in einer anderen Ecke. Beide irgendwie nach Osten gerichtet, aber doch voneinander entfernt. Nachbarn sozusagen.

    Auf dem Friedhof von Tarifa in Spanien, über dem man fast genau auf einem Parkplatz übernachten kann, gibt es eine Ecke für die unbekannten Flüchtlinge, die im Meer ertrinken. Und die Fremden in Deutschland, die Deutschen in der Fremde?

    Ein unscheinbarer Friedhof rechts von der Straße weckt Fragen, kennt nicht jede Antwort. So erlebe ich es oft unterwegs, dass mir etwas auffällt, was mich zum Nachdenken bringt, aber - vielleicht zu meinem Glück - kennt das Internet nicht jede Antwort. So muss ich wachsam bleiben, aufmerksam, neugierig, unbequem.

    Vorbei an den vier Müttern mit den vier Fohlen. Vom Tod kommen wir zum Leben, es ist anmutig zu sehen, wie liebevoll die Pferde miteinander umgehen. Überm Berg hinaus öffnet sich ein weites Tal, in dem industrielles Leben stattfindet. An einem Parkplatz fällt mir auf, dass wir hier schon mal spazieren gegangen sind, als der Weg nicht so matschig war.

    Und auch den Stellplatz in Homburg/Efze haben wir mal angeschaut, der unterhalb eines Ortsteils mit vielen Kindern und Familien zur einen Seite, und einer am Morgen lauten Bundesstraße liegt. Dieses Mal ist ein Platz frei, wir machen einen Abendspaziergang und kommen an einer Fussballwiese vorbei, auf dem Kinder uns begrüßen. Ich bin überrascht, grüße freundlich zurück, manchmal passieren so kleine Wunder.

    In der Ecke neben uns steht ein bunter Bus, selbst bemalt mit Herzchen, Blumen und viel Blau vom Meer. Palmen, dazwischen eine Hängematte, ein Liebespaar am Sandstrand, da will ich nicht stören.

    Heraus kommt aber eine Frau mit einer Mülltüte, mit der ich ins Gespräch komme.

    Marion macht Musik
    www.marionseibert.de
    https://www.facebook.com/marion.seibert.14
    lebt in ihrem Bus seit einiger Zeit, ist viel und weit gereist, und in einer Weise haben wir einen ähnlichen beruflichen Werdegang. Wir tauschen meine Bücher gegen ihre CDs, ein guter Deal, so vermute ich, weil dann jeder vom anderen ein Stückchen mitnimmt auf seine Reise.

    Manche Begegnungen sind so, dass sie in Erinnerung bleiben. Das ist gut.

    Die Nacht ist ruhig, aber kalt, ich wache häufig auf, und kann nicht immer gleich einschlafen. Früh am Morgen gehen die Fußballkinder am Bus vorbei zur Schule, ich höre ich aufgeregten, hellen Stimmen. Der Tag glänzt mit blau und weiß, vom Osten her kommt eine gelbe Sonne in den Tag hinein.

    Morgen ist Oktober, Marion fährt nach Süden, in die Wärme des Winters hinein. Spanien, vielleicht Marokko, Konzerte am Strand wie jedes Jahr. Und wie sind deine Pläne?
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  • Witzenhausen

    1–2 oct. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 12 °C

    3.018 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 94 km/ Gesamt 365.950 km /Ø121,25 km)

    29.09.2024
    Wohnmobilstellplatz/
    Landvergnügenhof
    37213 Witzenhausen
    Deutschland

    Die Nase trägt den Zustand eines ziemlich geschlossenen Systems, dafür habe ich einen Großteil der Nacht durchgeschlafen. Das Schlafapnoegerät und die absolute Dunkelheit tragen mit Schuld, es ist immer das Gleiche im Leben, was zum einen Teil gut ist, trägt zur anderen Seite eine Last mit sich. Das System ist ausgewogen.

    Denn wo kämen wir hin, wenn das ganze Leben nur perfekt wäre. Würden wir nicht überheblich, und so wie wir strukturiert sind egozentrisch. Von niemandem abhängig zu sein, ist vermutlich das ultimative Glücksgefühl, was sich der Mensch wünschen könnte.

    Zum Glück für mich, für uns, eine Fiktion. Was würden wir ohne ein Netzwerk machen, das uns auffängt, uns trägt. Uns die Individualität gönnt, aber zeitgleich auch immer da ist, wenn wir das brauchen. Ein menschliches Netzwerk, vielleicht sogar ein Göttliches, ein Universelles.

    Ein gegenseitiges Geben und Nehmen, der Traum der Menschheit vielleicht, dass wir nicht mit Geld für Leistung bezahlen müssen, sondern mit unseren Fähigkeiten uns wechselseitig unterstützen können. Dann würden mögliche Ungleichheiten überhaupt nicht ins Gewicht fallen, denn letztendlich kennt jeder jemanden, der meine Hilfe, meine Unterstützung braucht.

    In den Siebzigerjahren gab es darüber mal ein handgeschriebenes, vervielfältigtes, gedrucktes Buch, das zu dem Intensivsten gehört, was ich je gelesen habe. Der Traum vom Leben. Ich sehe es noch vor mir, wie ich es aufschlage und darin lese.

    Ein wenig davon habe ich durch mein Leben mitnehmen können, gerade weil ich nie perfekt bin, mich immer in der Situation gesehen habe, dass ich viel kann, aber auch viel Hilfe brauche. Und nicht immer in der Lage war, dafür mit Geld zu bezahlen, oft genug nichts bekommen wollte, weil ich meine Fähigkeiten als eine Selbstverständlichkeit annehme.

    Ich kann gut zuhören und manchmal weise Gedanken verschenken, dem anderen Menschen ein Freund sein in einer Not, aber keinen blauen Bus reparieren. Und noch vieles mehr kann ich nicht. Aber ich kann aushalten, wenn sich Dinge nicht ändern lassen, um aufzubauen, wenn sich die Situation ändert.

    Gerade jetzt, wo die körperlichen Kräfte weniger werden, merke ich noch deutlicher, welche Bedeutung ein Wir bekommen kann. Das sind meine Gedanken nach dem Aufwachen, während ich einen Tee trinke, und die Atmung sich normalisiert. Immer noch ist es dunkel auf dem Hof, wo wir übernachtet haben.

    Landvergnügen oder Stellplatz, auf dem Kindervatterhof ist jeder willkommen. Die einen zahlen fünf Euro die Nacht, die anderen kaufen im Hofladen ein. Ich bekomme die Nacht geschenkt, der Hofladen und das Restaurant haben Ruhetag bis Mittwoch. Behalten Sie das Geld, und schlafen Sie gut.

    Eigentlich dachte ich, dass das hier ein Tipp von Olaf ist, der meinte, auf einem tollen Bauernhof übers Wochenende gestanden zu haben, wo der Preis bei fünf Euro liegt wie hier. Aber mir sagt er Gertenbach, meint aber Germerode, so habe ich eben einen anderen Ort gefunden.

    Überhaupt Orte. Nach dem Aufbruch in Homburg/Efze brauche ich einen ruhigen Parkplatz für unsere zweite Pause und den Anruf einer Freundin, die im Balkan unterwegs ist, bei deren Reise auch nicht alles gut läuft. Können wir mal miteinander reden, ist ihre Bitte. Und reden ist genauso wichtig wie zuhören.

    Nicht weit vom Schlafplatz entfernt, hat ein Schuhgeschäft einen zweiten Parkplatz am Wald, neben einem Fernradwanderweg. Man habe nichts gegen Übernachter, sofern die Regeln des Anstands gewahrt werden. Also wird man auch nichts gegen einen Ruheplatzsuchenden haben.

    Gar nicht weit von Olaf entfernt, nutzen wir die Gelegenheit, um ihn spontan zu besuchen, bevor er nach Sizilien aufbricht. Diesmal nicht mit Trecker und historischem Wohnwagen, denn er hat sich seinen Traum erfüllt. Ein schwarzer Lastwagen mit ausgebauter Kabine zum Leben und Reisen, der Wunsch des ewigen Fuhrunternehmers. In der Garage hinten eine zweisitzige Simpson für die Ausflüge mit Frau und Hund.

    Wir treffen uns draußen am Laster mit einigen Nachbarn zum Kakao (also nur für mich), die anderen sind handfester unterwegs, lassen den Bügel der Bierflasche schon am Nachmittag mal hochklappen. Eine nette Gesellschaft, ein gutes Gespräch, nach zwei Stunden fahren wir weiter zum Schlafplatz am Kirschkino, in dem heute auch keine Vorführung ist.

    Aber der Tag war bunt und schön. Und der Morgen nach dem großen Regen erfrischend.
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  • Bauernhof Keese

    2–3 oct. 2024, Allemagne ⋅ 🌧 12 °C

    3.019 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 130 km/ Gesamt 366.080 km /Ø121,25 km)

    01.10.2024
    Landvergnügenhof
    37186 Grossenrode
    Deutschland

    Ob ich Lust hätte, mir den Platz in Lindewerra anzuschauen, der wäre neu und liegt direkt an der thüringischen Landesgrenze, siebzehn Kilometer südöstlich von uns entfernt. Oberrieden heißt der letzte hessische Ort, dann folgt eine stille Straße an der Werra entlang, auf der Brücke sitzt demonstrativ ein Rabe.

    Rechts unterhalb liegt ein schöner Stellplatz auf Spendenbasis am Ufer der Flusses, begrenzt von einem Sportgelände und den flachen Bögen der Brücke. Wir machen einen Spaziergang, ein Mahnmal an historischer Stelle, es empfiehlt sich, die Worte neben dem Grenzstein zu lesen.

    Windstill, Fliegen und Bäume, ein Camper, dahinter das Dorf der Stockmacher, ein Museum über diese Kunst. Der Ort wirkt wie ausgestorben. Zwei Radfahrer, eine Spaziergängerin mit Hund, ein verschlafener Hahn. Die Sonne scheint, ich brüte eine Erkältung aus, die Nase ist es, die sozusagen weint.

    Wir wollen nicht bleiben, obwohl es angenehm sein könnte. Die Kommentare in der App irritieren, morgens käme der örtliche Oberbrandmeister, um die Camper aufzufordern, ihren Obolus zu leisten. Eigentlich sind Spenden freiwillig und von der Moral der Reisenden abhängig. Dann vielleicht doch besser einen festen Preis nehmen, wenn man eh kontrollieren muss.

    Nachdenklich fahren wir weiter, in Bad Sooden - Allendorf kostet das nüchterne Kreisrund zwanzig Euro mit Strom. Auch an der Werra, an der Altstadt. Zwanzig, dreißig Camper zahlen das freiwillig. Den kostenlosen Wiesenplatz aus den vergangenen Jahren finde ich nicht mehr.

    Die Odyssee geht weiter, in Bühren liegt eine regenschwere, grüne Wiese am Ortsende eines Schotterweges. In Bovenden ist Kirmes am Wochenende gewesen, da braucht man keine Camper. Unterhalb der Burg Plesse ein Parkplatz an der Straße, es regnet schon seit Stunden.

    Hilde rollt sich ein, ich mach mich lang, wir schlafen endlich mal ein wenig, sind ziemlich erschöpft vom Fahren. Letztendlich landen wir auf einem schönen Landvergnügenhof zur Nacht, das letzte Haus am Feld, der Abendspaziergang ist voller Gerüche. Ein Gespräch mit dem Bauern, die Tochter studiert noch, verkauft mir Säfte im Hofladen, Semesterferien sind keine Urlaubszeit.

    Ob sie den Hof einmal übernehmen wird, oder der Sohn. Der Bauer putzt den ganzen Tag Zwiebeln für den Verkauf, der Rücken tut ihm abends weh, die vielen Jahre Nachhaltigkeit haben sein Leben geprägt. Zwischen den Geräten parken wir für die Nacht, der Himmel bleibt grau, die Temperatur zweistellig, auch in der Nacht. Mit dem Wecker habe ich mich auf sechs Uhr geeinigt, das ist früh genug, um die Gelenke aufzuwecken.

    Der Schnupfen ist weniger geworden, gestern habe ich in einer Fressattacke den halben Einkauf weggeputzt. Also Lebensmittel für fünf Euro. Eine ganze Tafel Schokolade und Käse, frische Waffeln, lauter günstige Angebote. Zehn Minuten Einkauf für zehn Euro, auf dem Ayran ist 25 Cent Pfand, da muss ich mich noch dran gewöhnen.

    Gerne fragen Menschen in diesen unwirtlich verregneten Zeiten, ob es nicht jetzt besser wäre, in den Süden zu fahren. Ja das stimmt, aber ich habe noch ein paar familiäre Termine, und gerade gestern gelesen, dass die deutsche Küstenlinie fast dreitausend Kilometer beträgt, die Strände jetzt für Hunde geöffnet sind.

    Und da am 18. Dezember noch ein ärztlicher Kontrolltermin ist, macht Süden jetzt keinen Sinn. An die Kanne Tee am Morgen gewöhne ich mich langsam, nicht unbedingt an das Hungergefühl, das sie weckt. Also gehen wir jetzt spazieren, um zeitnah frühstücken zu können.

    Falsch gedacht. Der Bauer kommt zu seinen Zwiebeln, seinem kleinen Hund auf der Spur. Hilde ist sauer, weil sie im Bus warten muss, während wir reden. Über Reisen und Bleiben, die nahe Autobahn mit ihrem schnellen Fahren in den Süden, während er am Erdbeerfeld kniet, die Früchte mit der Hand pflückt, sich geerdet fühlt. Nachhaltigkeit will gelebt werden, ist nicht einfach nur ein Wort mit einem Stempel.

    Es regnet wieder, wir frühstücken im blauen Bus.
    Verabschieden uns, würden gerne wiederkommen, auf der Durchreise, wenn Kirmes in Bovenden ist, und überhaupt, weil die Gespräche gut sind, der Platz am Feld ruhig für den Schlaf ist, die Spaziergänge langsam bleiben, weil es vieles gibt, das gut zu sehen ist.

    In den Genuß der köstlichen Kartoffelpuffer handmade bin ich nicht gekommen, auch der bekannte Töpfermarkt im Ort ist gerade nicht aufgebaut. Grossenrode bietet so manches zwischen Harz und Weser, was nicht so üblich ist. Selbst eine Wüstung solle es mal im Land gegeben haben, der hiesige Umweltverein trägt den Namen weiter.

    Beim Landvergnügen findest du den Hof, der auch im Netz für kleine Auftritte sorgt.

    https://www.facebook.com/profile.php?id=1000648…

    https://www.instagram.com/keesesbauernhof?igsh=…

    https://www.keeses-bauernhof.de/kontakt.html
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  • Zwischenspiel

    5–9 oct. 2024, Allemagne ⋅ ⛅ 13 °C

    3.023 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 100 km/ Gesamt 366.748 km /Ø121,31 km)

    05.10.2024
    Parkplatz
    38106 Braunschweig
    Deutschland

    Nebel, Sonne, Nebel. Dazwischen schöne Bilder vom Spaziergang. Frühstück mit der leckeren roten Quittenmarmelade von Keese's Bauernhof, eine Tasse Winterapfeltee von einem Adventspäckchen aus Straelen. Vor zwei Jahren vielleicht. Die Zeit vergeht. Und lange habe ich nur sporadisch Tee getrunken. Das hat sich geändert.

    Meine Bestände an Kaffee, Schwarztee, Wein und Getreidemilch sind in freundliche Hände gewandert, manche reisen jetzt nach Spanien, andere bleiben im Lande. Ich vermisse nichts. Nur die Umstellung fällt mir nicht so leicht, weil ich Kuhmilchprodukte meiden möchte, das Angebot an Alternativen von Ziege und Schaf aber in Deutschland flächendeckend nicht ausreichend ist.

    Also greife ich schon mal in die vegane Kiste, was joghurtähnliche Produkte angeht, in der Hoffnung auf einen guten Geschmack. Vor einigen Tagen sind wir aus dem Harz nach Braunschweig gekommen, wo unser Leben atypisch verläuft. Familie bedeutet auch, sich auf einen anderen Lebensrythmus einzustellen. Wir holen den Sohn nach der Arbeit um 21 Uhr ab, dann ist immer mal Zeit für ein kleines Gespräch.

    Über Nacht können wir in einer Einfahrt stehen, das lässt uns eine bessere Bewegungsfreiheit als in irgendeiner Seitenstraße. Tagsüber halten wir hier und da im Schatten, versuchen den normalen Lebensrythmus einzuhalten. Trotzdem ist das immer eine Art Urlaub vom Reiseleben, und dadurch in einer Weise anstrengend. Zumal jetzt auch die Zeit des "Schränkefüllens" für den Winter beginnt.

    Letzte Nacht war es sehr kalt. Nach einem sonnigwarmen Nachmittag bei der Tochter' Familie brauche ich dieses Mal einen Pullover für den Schlaf, und wache doch häufig auf. Tagsüber finden wir ruhige Ecken, auch für ein Schläfchen, trotzdem fällt es mir schwer, Bilder zu sehen.

    Natürlich gibt es jede Menge Augenblicke an jedem Tag, doch sie hinterlassen selten den Wunsch, eine Fotografie zu machen. Die beigefügten Bilder sind aus den letzten vier Tagen, erst seit gestern finde ich mehr Situationen, denen ich ein leises Klicken schenke.

    Dafür fällt mir das Lesen schwer. Und natürlich die Bewegung, denn der Wetterumschwung geht an den Gelenken nicht spurlos vorüber. Grundsätzlich gibt es aus medizinischer Sicht keine Einschränkungen bezüglich einer Wintersüdenreise, allerdings muss ich mich noch bis kurz vor Weihnachten mit der Abreise gedulden.

    Hilde's Wunde sieht gut aus, sie verschließt sich zusehends, und wird vermutlich zeitgleich mit unserer Rückkehr zum Meer, Hilde alle Möglichkeiten öffnen, sich auf Sand und Wasser zu freuen. Sie liebt es gerade, sich im blauen Bus in der hintersten Ecke einzurollen, obwohl es dort eigentlich unbequem, aber eben von fast allen Seiten geschützt ist.

    Bei der Tochter konnte sie mit den anderen Hunden frei laufen, weil die Felder abgemäht sind und die Sicht auch in großer Entfernung möglich war. Ohne Leinenführung fällt mir das Gehen leichter, und so sind wir eine gute Zeit draußen gewesen.

    Die letzten warmen Tage bringen jede Menge Blüten hervor, was auch die stechenden Naturfreunde auf den Plan bringt. Als ich kurz beim Arzt Rezepte abhole, sitzt Hilde ganz verschüchtert im Bus, sodass ich gleich wieder an unvernünftige Spaziergänger denke, die sie provoziert haben. Doch als ich losfahren will, sehe ich die Biene am Fenster, die vermutlich Hilde so verschreckt hat. Also aussteigen, Seitentür öffnen, Biene verabschieden. Einige Zeit später entspannt sich Hilde zusehends.

    Über den Nachmittag hinweg verdunkelt sich der Himmel. Wenn jetzt in der Nacht die Temperatur weiter sinkt, würde die Chance auf Schnee Anfang Oktober steigen. Das wäre doch eine Freude. Oder!
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  • Zwischendurch Spielen

    7–8 oct. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 13 °C

    3.024 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 160 km/ Gesamt 366.906 km /Ø121,33 km)

    06.10.2024
    Parkplatz
    38106 Braunschweig
    Deutschland

    In den letzten Tagen träume ich lebhaft. Bis ins Aufwachen hinein beschäftigen mich die Gedanken der Nacht, bei denen ich merke, dass sich Ereignisse des Tages hineinmischen.

    Wir sind in den Taschen meiner Vergangenheit unterwegs, parallel unterhalte ich mich mit den Menschen meiner Gegenwart. Eine Mischung, die eigentlich nur um Braunschweig herum passieren kann.

    Meide die Stadt, hat mein Sohn gemeint. Heute wäre ein Fußballspiel gegen Hannover, das gäbe immer Randale, auch in den Randbezirken zu den Autobahnen hin. Also fahre ich Richtung Wolfsburg und ins Wolfenbütteler Land, wo wir gewohnt haben, wo einige nette Menschen von früher leben, die Kinder zur Schule gegangen sind, ich sämtliche ihrer Sportveranstaltungen besucht habe.

    Ich begegne niemanden, den ich kenne. Manchmal guckt mich jemand ernst an, aber Jahrzehnte lassen die Erinnerungen verblassen. Ich weiß, wer da und dort gewohnt hat. Und vermutlich immer noch in dem oder jenem Haus leben wird, weil die Treue ja gerne mit Besitz verwechselt werden kann.

    She doesn't life here anymore, haben schon die Roxettes 1995 gesungen. Und manchmal bedeutet das viel mehr, als nur eine Tatsache. Und auf solchen Fahrten springen sie mir nochmal auf den Beifahrersitz, die alten Erinnerungen. Die Menschen dazu bleiben fern, und so warte ich auch nicht mehr vor dem Haus ihres Lebens.

    Wir durchstreifen Orte, gehen auf Feldwegen spazieren im kalten Sonnenscheinwind, der über die Felder streift. Heute bin ich offen für Bilder, vielleicht auch wegen dem Vergangenem, weil ich in der Gegenwart mit Hilde und dem blauen Bus alleine bin.

    Der alte Mann in dem dunklen Fahrzeug auf dem Rastplatz springt mir ins Gesicht, als er sich waschen geht. Ausgebeulte Jogginghose, Sweatshirt, schwerfälliger Gang, er hat auf dem Platz die Nacht geschlafen. Nachmittags ist er nochmal dort, starrt durch die verschmierte Windschutzscheibe, als sei dort der Fernseher. Die Seitentür geöffnet, wartet er für Stunden.

    Ich bezweifle, dass er viel wahrnimmt, vielleicht wartet er einfach darauf, dass das Unmögliche ihm wieder die Tür öffnet, das Gestern ihn im Heute abholt. Lost Generation. Mal in ganz anderem Gewand. Es ist schwer, nicht mehr weitergehen zu können, wenn der Rückweg versperrt ist.

    An einem Waldparkplatz haben wir Schatten gefunden für ein Schläfchen, bis uns eine Frau in Schwarz weckt, die neben uns parkt und alleine spazieren geht. Ist das so, weil es früher den gemeinsamen Weg gab, der Tod die Ketten sprengt, aber wir nicht aus den Bindungen weichen können, weil sie Halt geben.

    Der Hund sei gestorben, aber er gehe weiterhin jeden Tag die gleichen Wege, sagte vor kurzem ein trauriger Mann, der in seinem Camper lebt. Er habe ja niemanden mehr. Jeder Mensch geht mit Trauer anders um. Das kannst du nicht lernen, das ist da, und du musst damit fertig werden.

    In jedem Beruf lernst du dein Geschäft in allen Facetten. Als Mensch sind alle Ereignisse immer neu und unbekannt. Ob du heiratest, Kinder bekommst, einer stirbt. Alles ungelernt. Plötzlich bist du konfrontiert. Und ich frage mich immer, wie Menschen so naiv sein können, zu glauben, sie würden das Richtige tun.

    Intuition. Das hat doch schon immer irgendwie geklappt. Ja, ja, auch ich habe das Ammenmärchen geglaubt. Weil ich selber Kind war, kann ich Kinder erziehen. Weil ich Eltern hatte, weiß ich wie Ehe geht. Nur das mit dem Tod und dem endgültigen Getrenntsein, das kann ich jetzt perfekt.

    Aber ich bin gut mit Sonnenschein und den Bildern des Lebens. Mit dem Leben im blauen Bus und dem Reisen durch die Tage meines, unseres Seins. Wir lachen viel in der letzten Zeit und toben herum, die Hilde und ich. Jeder Tag ist ein Geschenk und das ist gut so.

    Natürlich geben wir in Allem unser Bestes, um die Gegenwart zu einem wunderschönen Ort zu machen. Der Schlüssel ist die Liebe. Zu unseren Tieren, Kindern, Ehepartnern. Und wenn es uns gelingt, sie frei zu halten von Eigennutz und Selbstsucht, dann kann da perspektivisch auch was Gutes entstehen.

    Und so rücken sich die Dinge bei so einer Fahrt über Land wieder zurecht.
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  • Letztes Spiel

    9–11 oct. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 16 °C

    3.026 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 79 km/ Gesamt 367.182km /Ø121,34 km)

    08.10.2024
    Landvergnügenhof
    31185 Söhlde
    Deutschland

    Wie so oft in der Nähe einer Stadt, sitzen wir auf einem Autobahnrastplatz. Abseits, gerne im Regen, im Blick die fremden Kennzeichen und Aufschriften, die uns vorgaukeln, in welche Ferne die Lastwagen fahren. Ein bisschen ist es, wie auf einer Autobahnbrücke stehen und winken, den Wildgänsen hoch am Himmel nachsehnen und an den kleinen Nils denken.

    Die Realität ist heute oft anders. Die Vögel leben in irgendwelchen örtlichen Rieselfeldern, die Lastwagen fahren in Deutschland herum. Ein Vierteljahr, manchmal länger, bis der Fahrer zu seiner Familie im Osten zurückkehren kann. Für zwei, drei Wochen Urlaub.

    Nicht immer ist es gut, hinter die Kulissen zu schauen. Das muss du aushalten können. Die Tage in Braunschweig neigen sich dem Ende entgegen. Nochmal den Enkelzwerg von der Kita abholen, mit dem Sohn vielleicht doch noch angeln gehen, ein letzter Weg an den Feldern bei der Autobahn entlang.

    Morgen noch ein Arzttermin, abends sind wir am Steinhuder Meer verabredet, dann wird es wieder unbekannter. Das geht auch in Deutschland. Ich habe mir etwas Neues gekauft. Schon ein bisschen dekadent sind die gefütterten Clogs für warme Füße im Bus, ein bisschen innovativer der Cd-Player, um meine Musik spielen zu können.

    Auch ein bisschen, um in meiner Vergangenheit aufzuräumen. Wie ich das immer gerne mache. Über Nacht sind wir auf einer Milchschaffarm im Umland. Bisschen Geblöke zum Einschlafen, am Morgen geht die Sonne hinter den Windrädern auf. Die Wege sind matschig, der blaue Bus sieht aus, als habe er die Felder durchquert, Hilde's Pfoten zieren die Betttasche.

    Heute ist sie ganz traurig, dass sie nicht buddeln darf. Noch immer ist die Wunde nicht ganz verheilt, ein kleiner Schnitt von einem Zentimeter ist noch oberflächlich geöffnet. Zwar nicht mehr in die Tiefe, aber eben nicht geschlossen. Sofern Hunde Nerven haben, kostet die Wunde unsere Gelassenheit.

    Jetzt liegt ihr Kopf wieder schwer auf meinem Bein, man mag gar nicht glauben, dass so ein kleiner Kopf ein solches Gewicht erzeugen kann, dass mein Bein schier einschläft vor Erschöpfung.

    Die Sonne hat wieder ein wenig die Wolken durchbrochen. Wir machen einen Spaziergang. Bei McDonalds steht ein großer Mann neben seiner kleinen Frau in Grün, sie steigen in ein Auto mit Hamburger Kennzeichen, fahren Richtung Berlin.

    Ich habe einen Sojajoghurt gekauft. Vanillegeschmack. Ohne Gentechnik. Dafür Joghurtkulturen ohne Milchprodukte. Geschmack ist wie ein ungesatteltes Pferd, wenn es galoppiert, fällst du runter. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Vielleicht verzichte ich lieber ganz auf solche Erkenntnisse, der Nachgeschmack liegt mir jedenfalls schwer im Bauch.

    Hilde hat sich eingerollt, wir hören Musik, das soll ja bekanntlich beruhigen.
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  • Hagenburg

    11–12 oct. 2024, Allemagne ⋅ ☀️ 9 °C

    3.028 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 176 km/ Gesamt 367.446 km / Ø121,34 km)

    Parkplatz
    31558 Hagenburg / Steinhuder Meer
    Deutschland

    Halb acht. Die Begrüßung an der Infohaltestelle lautet, Willkommen in Hagenburg. Die Nacht war wieder kälter, in den frühen Morgenstunden kommt Hundeschnauze kuscheln unter der Bettdecke. Ihre Nase ist eisig, das Fell frisch. Sie schläft ein, und ich wache auf.

    Luftholen, wirbt die Stadtverwaltung. Das machen wir tatsächlich bei guten Freunden, die uns hier aufnehmen, bewirten und stärken, in vielerlei Hinsicht. Kommt einfach rein, wir freuen uns auf euch. Das ist keine Floskel, sondern eine herzliche Einladung. Du kannst, aber du musst nicht, fühlt euch wohl.

    Die eine kommt aus der Nachtschicht, die beiden anderen gehen früh zur Arbeit, denn Kindergarten ist ja auch schon anstrengend. Alle drei sagen uns Tschüss bis zum nächsten Mal. Leben ist halt so. Ein Kommen und Gehen. Und irgendwann ein Bleiben.

    Luftholen. Hilde schaut mich oft ganz intensiv an, während wir Haus sind. Erst später im Bus entspannt sie, das ist ihr Zuhause, hier kommt alles in Ordnung. Ihr Verhalten ist rätselhaft, denn wir sind hier gern gesehene Gäste. Und wenn sie mich so intensiv betrachtet, dann geht etwas in ihrem Kopf vor, dass sie nicht alleine lösen kann. Merkwürdig.

    Wir kommen aus Braunschweig, haben uns morgens von meinem Sohn verabschiedet, es regnet immer noch. Aber es ist warm. Und wir sind früh beim Schafsbauern in Söhlde aufgestanden. Am Stadtrand kenne ich einen ruhigen Ort fürs Frühstück, zur Straße hin wird ein Platz gepflegt, an dem ein Mensch gestorben ist. Ein Windrad, Blumen, ein Stundenlicht, ein Vater, ein Freund, ein Mann. Ein unbeachteter Moment, ein bisschen zu schnell in der Kurve, vielleicht war die Straße auch glatt gewesen.

    Und jetzt frühstücken wir dahinter, das Leben geht weiter, sagt man. Irgendwann hat keiner mehr Zeit für ein Kreuz, dann bleibt nur der Raum übrig, der Mensch im Herzen, die Erinnerungen. Ich lese lange, Hilde schläft. Dann kommt die Sonne raus, wir machen einen kleinen Spaziergang, fahren weiter.

    Stift Steterburg ist mir völlig unbekannt, obwohl es in der Nachbarschaft steht. Das ist bemerkenswert zu erleben, wie ich jahrzehntelang einfach Orte ignoriert habe, die mir heute ins Auge springen.

    "Ein im Jahre 1001 gegründetes Damenstift trat an die Stelle der unmittelbar daneben liegenden frühmittelalterlichen Steterburg. Die ältesten noch erhaltenen Gebäudeteile stammen aus dem 11. Jahrhundert...

    1938 baute die Wohnungs AG der damaligen Reichswerke (heute Salzgitter AG) in die Stiftsgebäude 24 Großwohnungen ein. Weitere umfassende Modernisierungen wurden in den 60er Jahren durchgeführt."

    https://www.salzgitter.de/tourismus/sehenswerte…

    Man spürt die Anwesenheit eines bewohnten Viertels, während die baulichen Elemente der Vergangenheit mich sehr faszinieren. Der Torbogen zwischen den Gebäuden führt in einen fernen Garten und mich für einen Moment in ein weites Gestern.

    Die Harsumer Kirche sticht rein baulich aus dem Städtchen heraus, sodass ich sie mir anschauen möchte. Kirchen wecken nicht aus religiösen Gründen mein Interesse, sondern als bauliche Elemente. Sie tragen Geschichte in sich und sicherlich auch viele Erinnerungen.

    Ich verstehe historisch wenig, aber meine Phantasie reicht aus, um mich auf ihre Ausstrahlung einzulassen. Anders kann ich das nicht erklären. Ob Gott in ihnen wohnt, so wie man das landläufig zu sagen pflegt, weiß ich nicht. Es ist sicherlich möglich, Ihm dort zu begegnen, aber Er ist auch im blauen Bus mit uns unterwegs.

    Kirchen springen mir halt ins Auge, wie Rehe übers Feld. Und wenn man im Steinhuder Land unterwegs ist, dann übersieht man nicht das Schild der Sigwardkirche, ein Bauwerk der Romantik, mitten im kleinen Ort Idensen, nicht fern der hohen Abraumberges, der schon zu Hälfte zugewachsen ist.

    Plötzlich ist sie gleich rechts neben mir, hinter den Häusern wartet die Kirche sozusagen auf ihre Besucher. Die Nachbarn haben einen offenen Garten, der in den Kirchgarten hineinzugehen scheint, ihre Rosen geben dem alten Gemäuer einen Hauch von Leben und Liebe.

    Ein solche Kirche muss einen Freundeskreis haben, der die Geschichte ins Heute pflegt. Und so finde ich auf ihrer Homepage gute Informationen.

    "1129 Fundamentlegung der Kirche und erste urkundliche Erwähnung in einer Schenkungsurkunde. Ihre ursprüngliche Zweckbestimmung war Hof- bzw. Eigenkirche und auch Grabeskirche des Bischofs Sigward von Minden (1120-1140).

    1129-1134 Als Eigenkirche (Hofkapelle des Vorwerks) und Grabeskirche des Bischofs Sigward von Minden errichtet. Geweiht der heiligen Ursula und den elftausend Jungfrauen am 21. Oktober 1134. Eine Reliquie der Ursula befand sich im Hauptaltar. Der Glockenstuhl erhält die erste Glocke.

    1133-1140 Entstehung der Raumausmalung mit Lasur- und Temerafarben in Fresko- und Secco-Technik

    1140 Beisetzung Bischof Sigwards in der Kirche. Todestag: 28.04.1140..."

    https://www.sigwardskirche.de/index.php/bauwerk…

    Hier finden sich alle weiteren Infos inklusive der Bilder und Videos aus dem Gebäudeinneren. In naher Zukunft findet dort ein Konzert statt, ich füge einen Screenshot bei, vielleicht findet das jemand interessant genug, um dabei zu sein.

    Als Hilde auf dem heutigen Frühstücksplatz eine Passantin mit Hund anbellt, und auch erst aufhört, als ich schimpfe, um mich dann vorwurfsvoll mit großen Augen anzuschauen, fällt mir ein, dass sie mich schon einmal vor einigen Monaten so besonders betrachtet hat.

    Ich meine fast, es sei auch in einer ähnlichen Jahreszeit gewesen, sodass ich mich frage, ob sie spürt, dass die kalten Temperaturen mir zusetzen, und sie meint, dass sie jetzt besonders auf mich aufpassen muss. Jedenfalls ist große Nähe angesagt und tiefe Atemzüge.

    Aktuell sind wir auf dem Weg zum Dollart. Unsere Reiseroute von dort findest du als Photo. Begegnungen sind das Salz in unserer Suppe des Reisens.
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  • Garrel

    12–13 oct. 2024, Allemagne ⋅ ☁️ 6 °C

    3.029 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 150 km/ Gesamt 367.596 km / Ø121,35 km)

    Wohnmobilstellplatz
    Am Frischehof Döpke
    49681 Garrel
    Deutschland

    Eine Nacht auf grüner Wiese zwischen hohen Tannen für fünf Euro kann sich sehen lassen, auch wenn der Verkehr auf der Landstraße selten zur Ruhe kommt. Aber im Gegensatz zum Parkplatz mitten in Cloppenburg, wirkt es hier durchaus beschaulich. Dort können wir zwar auch im Park spazieren gehen, aber hier sind wir letztendlich ungestörter, weil das Geschäft erst nach zehn Uhr geöffnet wird.

    Ach ja, Cloppenburg ist hoffentlich immer noch kostenlos und für einen Stellplatz in der Stadt durch die umgebenden, bewohnten Häuser durchaus angenehm.

    Die Temperatur ist auf drei Grad Celsius gefallen, da tun nicht nur Knie weh, der ganze Rücken meldet sich mit all seinen beweglichen Teilen. Erst mal aufsetzen und Tee kochen, die Heizung laufen lassen und mich ein wenig entspannen. Hilde liegt natürlich neben der Bettdecke, das hier ist ihr viel zu früh.

    Immer beim Papa sein, das ist ihr aktuelles Motto. Und so schlafen wir fast Kopf an Kopf ein, ich lang ausgestreckt, die kleine Maus zusammengerollt. Heißer Tee am Morgen, zur Nacht noch ein Magnesiumgetränk. So sieht mein neues Leben ohne Wein und Kaffee aus.

    Kein Bedauern, einfach eine Verschiebung von Möglichkeiten, durchaus meine Art, das Leben zu bejahen. Vom Praktischen her brauchen Teebeutel vermutlich weniger Platz als Packungen mit Kaffee, zumal das Thema Milch damit auch beendet ist. Nicht jeder Tee ist lecker, die meisten Beutel sind freundliche Geschenke, da bin ich nicht so anspruchsvoll.

    Im Gegensatz zu Käse und Wurst, die ich mir nur manchmal wie eine Nascherei gönne. Gute, streichfähige Wurst ist schon was Besonderes, zumal ich sie aufgrund des Fettgehaltes auch nicht ständig essen mag. Im Gegensatz zu Käse von Schaf und Ziege.

    Kann ich was Gutes bekommen, bezahle ich auch gerne die Mehrkosten. Der Bergkirchener Hofladen oberhalb vom Steinhuder Meer ist ein solcher Anlaufpunkt. Leckere Ziege, schmackhafte Wurst, ein kleiner, feiner Laden voller Köstlichkeiten, der immer gut besucht ist.

    Vorher hatten wir ja zwei Nächte auf dem Schafhof übernachtet, der Kühlschrank ist also gut bestückt. Heute bekomme ich noch meinen Wasserkanister aufgefüllt, sehe später, dass Bergkirchen einen kleinen, kostenlosen Stellplatz hinterm Gemeindebüro hat, mit einem Wasseranschluss am Gebäude. Nur mal so für die Durchreise ein kleiner Tipp.

    Die Highlights eines Tages sind oft schnell erzählt. Der Kuhtransport über die Brücke, ein Spektakel in Stahl, aber auch eine tierische Überbelastung, in einem Käfig nebeneinander voran zu gehen. Ich vermute, dass die neue Weide für die männlichen Tiere abseits vom Hof liegt, sodass sie über eine schnellbefahrene Landstrasse mit Brückenampeln transportiert werden mussten.

    Die Kirche in Langförden mit dem Laurentuis - Brunnen. "Bereits um 890 wird eine erste Kirche in „Longanforda“ urkundlich erwähnt, von der aus die Kirchen St. Georg in Vechta und St. Marien in Oythe gegründet wurden. Die Vorgängerkirche der heutigen Basilika wurde 1011 im schmucklosen 
    vorromanischen Stil aus Feldsteinen errichtet. Sie erhielt das 
    Patrozinium des römischen Diakons und Märtyrers 
    Laurentius und war Mittelpunkts- und Taufkirche. Ihre Ausstattung wurde bis ins 18. und 19. Jahrhundert dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst, baulich wurde sie jedoch kaum verändert.

    Um die Wende zum 20. Jahrhundert war diese Kirche endgültig zu klein geworden, und die Pfarrgemeinde beschloss den Bau einer neuen, geräumigen Kirche. Dafür wurde das alte Kirchenschiff vollständig abgetragen und seine Steine als Fundament für die neue Kirche verwendet.

    Der aus Findlingen 
    gemauerte etwa tausend Jahre alte Glockenturm blieb jedoch erhalten und symbolisiert die geschichtliche Kontinuität. In dem frei neben der Kirche stehenden Turm befindet sich heute eine Gedenkstätte für die Gefallenen der beiden Weltkriege." (Wikipedia)

    Bei dem Ensemble von Mühle und Fachwerk ist nicht klar, wo eins endet und das andere beginnt. Es wirkt eher so, als sei die überwachsene Mühle dem Haus aufgepfropft worden. Oder aber ein Gebäudeteil sei sozusagen angeklebt worden. Aus der Distanz wirken viele Dinge halt anders, das sollte uns immer bewusst sein.

    Der Tag ist blau und sonnig, dadurch durchaus warm und angenehm, während der kühle Wind uns erinnert, in welcher Jahreszeit wir unterwegs sind. Heute Morgen ist es grau und kalt. Hilde hat schon mal den Vorhang hochgeschoben, um rauszugucken. Kein Windhauch, die hohen Tannen wirken wie eine alte Erinnerung.

    Wir machen den ersten Spaziergang, danach wird es Frühstück geben. Heute ist keine Notwendigkeit, den Platz zu wechseln, um mehr Ruhe zu haben, einen entspannteren Spazierweg zu finden. Außer Hilde gibt es nur nebenan zwei schläfrig Hunde, deren Besitzer gestern abend sich noch übers Buffet lang und breit gemacht haben. Familienausflug, erzählt die junge Frau, eine Reise nach Gütersloh übers Wochenende mit drei Wohnmobilen. Das ist auch eine Form des Reisens.

    Der Morgenspaziergang wird zum Abenteuerurlaub, Hilde wälzt sich neben einem roten Pilz, wickelt die Leine um einen nassen Ast, den sie zerbeißen will. Wir stapfen durch nasse Gras und blaue Blumen wachsen auf Augenhöhe. Gerade als ich den Müll wegwerfe und mich umdrehe, steht die Sonne zwischen den Bäumen.

    Bei der Kälte habe ich mir eine alte Wunde aufgerissen, Hilde weicht kein bisschen, um mich in den Bus zu lassen. Gib her, ich bin deine hündische Heilerin, wo ist mein Frühstück. Irgendwann ist Ruhe im blauen Bus, Hilde ist satt, und rollt sich ein, damit auch ich frühstücken kann.
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  • Bunde

    13–14 oct. 2024, Allemagne ⋅ 🌬 9 °C

    3.030 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 147 km/ Gesamt 367.743 km / Ø121,36 km)

    Wohnmobilstellplatz
    Friedhofsweg
    26831 Bunde
    Deutschland

    Oft empfinde ich eine Umgebung langweilig, wenn sich mein Inneres nach Außen kehrt, sodass meine Sinne so sehr mit sich beschäftigt sind, dass die Augen das Schöne im Land nicht mehr wahrnehmen können. Aber heute bin ich mir sicher, dass das Äußere einfach so wenig Tiefe bietet, dass mir keine Bilder ins Auge springen können.

    Und dabei bin ich schon die kleinen Straßen gefahren mit den Ortschaften seltsamer Namen, die auf historische Ereignisse sich möglicherweise beziehen können. Die wenigen Blumen in den Vorgärten sind verblüht, ein paar Rosen zwischen Steinen wirken verkümmert. Viel nüchterne Wiese, kurz gehalten, diverse Zäune uniformiert.

    Das Land ist flach, dennoch wirkt es zugestellt mit dunkelgrüner Eiche, die an trüben Tagen eben nicht lustig anzuschauen ist, sodass nur die Spinner unter den Tieren sich in ihren Blättern festsetzen möchten. Überall Allergiegefahr und auch dort, wo kein Schild steht, gehen wir mit unguten Gefühlen spazieren.

    Ich erinnere mich an früher, dass mich erstaunt hat, wie lebendig die niederländischen Dörfer hinter der Grenze im Gegensatz zu ihrem sterilen Pendant gewirkt haben. Aber heute wollen wir die Landesgrenze nicht überschreiten. Erst als wir in Bunde ankommen, weiß ich, dass ich hier schon mal war.

    Und erinnere mich an Rhede, Simone und Papenburg. Die Meyerwerft ist gerade in aller Munde, ein leblos weißer Bau mit abblätterndem Schriftzug, der wie ein gefallener Pilz dem Land aufgepfroft ist. Ein Äquivalent zu dem Dunkelgrün der Eichenwälder, das jedes Haus klein und unscheinbar macht.

    In Rhede haben wir übernachtet, als Simone uns besucht hat. Heute ist nur der Schützenverein zu Gast, dessen knallende Schüsse in der Stille des Ortes lauter klingt als Rheinmetall in Unterlüß. Hilde erschreckt jedesmal, aber wenigstens ist die Wiese leer, und die Menschen haben sich versteckt, sodass sie sich endlich mal austoben kann, bis ein einzelner Schuß ihr den Spaß verdirbt.

    Es reicht, Papa, dann lass uns lieber am Friedhof übernachten. Vorher finden wir noch einen See mit Hundespaziergängern und Anglern, als gerade die Sonne ein bisschen herauskommt. Oder ist es das nette Gespräch mit einer junger Frau, der wir begegnen. Auf jeden Fall testet die Hilde die Wassertemperatur, nachdem ich vorher das Ufer taxiert habe nach verborgenen Höhlen.

    Die Sorge sitzt tief, die Wunde behandele ich immer noch jeden Abend, weil sie sich noch nicht schließt. Manchmal denke ich, dass sich so ein Ritual verselbständigt, und eines Tages ohne Behandlung ein leerer Raum in meinem Leben bleiben könnte. Mir fallen da viele Beispiele aus der Welt um mich herum ein. Vielleicht gibt es deshalb keinen Frieden, weil die Menschen nicht von ihrem Handeln und Denken ablassen wollen. Wir sind es so gewohnt.

    Nein, ich werde die Zeit anders füllen und Hilde noch mehr knuddeln, trotzdem bleibt die Vorsicht wachsam wie ein Lichtstrahl. Auch beim Friedhof gehen wir nochmal spazieren, die Gerüche sind lebendiger als ihre Nachbarn hinterm Zaun.

    Ich stolpere über ein altes Konzert mit Bob Dylan und Joan Baez.
    https://youtu.be/Nzlr6WflekY?si=7I94gttUcmKFWscs
    1976 sehe ich mich zwischen den zuschauenden jungen Menschen, gerade 25 Jahre alt, wir wollten die Welt zu einem besonders schönen Ort voller Hoffnung, Liebe, und Freundlichkeit machen.

    Und nein, ich stehe nicht vor den Trümmern meiner Vergangenheit. Mit meinen Möglichkeiten habe ich ihr all das gegeben, was aus mir heraus gekommen ist. Und jeder Einzelne ist jeden Tag gefragt, die Welt um sich herum zu gestalten. Es muss nicht immer das ganze Große sein, das ist Utopie.

    Realität ist meine Umgebung. Und wenn ich ein Lächeln auf ein Gesicht zaubern kann, dann wird meine Hoffnung deine werden können. Ist wie mit Dominosteinen spielen, nur viel intensiver. Ich zitiere hier gerne Anselm Grün.
    "Ich versuche, meinen Beitrag zu leisten, dass durch mich die Welt um mich herum sich wandelt, heller und wärmer und liebevoller wird."
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