Afrika und mehr

Februar 2019 - Mai 2024
Ein Abenteuer von Afrika und mehr mit offenem Ende Weiterlesen
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    Urgewaltiger Uluru

    6. Juni 2019 in Australien ⋅ 🌬 16 °C

    „Gehst du heute nicht mehr raus zum spielen?“, fragt mich der Google-Sprachübersetzer, den mir mein chinesischer Zimmernachbar breit lächelnd ins Gesicht hält. Was genau er damit meint, weiß ich nicht, aber ich lächle zurück und nicke einfach. Passt schon. Sie sind überall, die Chinesen und sie reisen immer in Gruppen an. Sie rülpsen und pupsen recht ungeniert. Und ich spreche hier von den älteren Damen, mit denen ich in der zweiten Nacht eine Koje im 20-Bett-Zimmer teile.

    Ich bin ins rote Zentrum Australiens gereist, zum Ayers Rock. Hier ist alles so durchorganisiert, als hätte man eine Pauschalreise nach Malle gebucht. Vom Flieger in den Shuttlebus, der die Hotels abfährt inklusive Beschallung über Lautsprecher „Meine Damen und Herren, zu unserer Linken sehen Sie....“ usw. usw. Meine Unterkunft ist eine Mischung aus Hotel und Hostel. Es gibt ein Restaurant und eine Barbecue- und Entertainement Area, in der die Hits von heute gespielt werden (gerade läuft Despacito, gefolgt von Justin Timberlake). Zum Ayers Rock fährt ein Hop on Hop off Bus, den Fahrplan händigt man mir an der Rezeption aus. Richtges Outbackfeeling kommt hier nicht auf.

    Kontakt mit der indigenen Bevölkerung gibt es in Form von geführten Touren mit verschiedenen Themen wie Buschfood, Waffen, Didgeridoo Workshops oder von Frauen gemalten Bildern. Aber ich kann mir nicht helfen, mein Eindruck von denen, die wirklich noch nach Aborigine aussehen, ist nicht so angenehm. Sie kommen mir ungepflegt vor. Irgendwo habe ich gelesen, dass es eine No alcohol policy für Aborigines gibt, die den Verkauf von Alkohol beschränkt oder sogar ganz verbietet, das weiß ich jetzt nicht genau. Jedenfalls umgehen sie diese Regelung, indem sie Touristen bitten, ihnen welchen zu kaufen. Und dann erzählt mir der Backpacker aus Neuseeland, der im Flugzeug neben mir saß und im gleichen Hostel bleibt, dass er genau das grad getan hat. Im Cultural Center, dem Ausgangspunkt für Touren um den Rock, steht vor mir in der Schlange ein offensichtlich bereits betrunkenes Aboriginespaar, das laut und torkelnd die Bude aufmischt.

    Trotzdem ist es ein Erlebnis, sich den Felsen mal anzuschauen. Ich beschließe, ihn zu Fuß zu umrunden, eine Strecke von ca. 10km. Die Sonne strahlt, keine einzige Wolke am Himmel, dafür sorgt der teilweise recht strenge Wind. Er ist auch der Grund, weshalb der Aufstieg auf den Berg leider an diesem Tag geschlossen bleibt. Ich stapfe auf eigene Faust los, verlaufen kann man sich ja eh nicht wirklich. Mal kommen mir einige weitere Wanderer oder Radfahrer entgegen, mal bin ich streckenweise allein am Berg. An einer Rasthütte sitzt barfuß ein junger Backpacker mit seinem Tagebuch auf dem Boden und philosophiert über die Gestalt des Steins. Ob ich nicht auch die exakte Form eines menschlichen Schädels im Querschnitt erkennen könne, fragt er mich. Ich registriere, dass seine Fußnägel in einem zarten Lila lackiert sind. Im Gesicht ähnelt er dem geschminkten Johnny Depp in Fluch der Karibik. Ich steige ein wenig in die Unterhaltung ein, aber schnell wird mir das zu abgedreht. Mit einem Blick auf seine im passenden Farbton lackierten Fingernägel verabschiede ich mich.

    Ich brauche dann doch fast viereinhalb Stunden für die Umrundung, immer wieder bleibe ich stehen, um Fotos zu machen, den Felsen zu betrachten oder mein Sandwich zu essen. Ich versuche außerdem wieder Fotos mit Selbstauslöser zu machen und eine halbwegs lustige Pose zu finden. Dafür hüpfe ich allein mitten im Busch auf und ab, in der Hoffnung, den Moment des Auslösens zu erwischen - aber umsonst. Gebe schnell auf, weil mir das in Anbetracht des heiligen Ortes irgendwie unwürdig erscheint. Anfassen möchte ich den Stein dann aber doch gerne und vielleicht so ein kleines bißchen seiner Kraft auf mich wirken lassen. Tatsächlich ist es ein beeindruckender Ort und es ist gut, dass ich die Reise dorthin angetreten habe.

    Der Bus, der mich zurück zum Hotel bringt, hält speziell zum Sonnenuntergang nochmal an einem Aussichtspunkt und ich ergattere einen Stehplatz um das Spektakel aus erster Reihe anzusehen. Neben mir hat eine kleine Reisegruppe ihren Picknicktisch aufgebaut und ich werde eingeladen, mich ebenfalls zu bedienen. Im Austasuch gegen Cracker mit Käse und Salami schicke ich ihnen später mein Zeitraffervideo vom Sonnenuntergang. Mein chinesischer Nachbar wäre bestimmt zufrieden mit mir, dass ich heut so lange draußen war zum spielen.
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  • Tag 135

    Mein erstes Mal...

    15. Juni 2019 in Australien ⋅ ⛅ 22 °C

    ...Couchsurfing
    ...Koalas streicheln
    ...Krokodile erleben
    ...allein mit einem Campervan herum reisen.

    Reisen erweitert nicht nur den Horizont, sondern auch die eigene Komfortzone. Die habe ich nämlich hier in Cairns an der Ostküste mal wieder verlassen und mich auf das Abenteuer Couchsurfing eingelassen. Couchsurfing wurde mit dem Gedanken gegründet, dass Einheimische Reisenden einen kostenlosen Schlafplatz in ihrem Zuhause anbieten. Das kann eine Couch, eine Luftmatratze oder auch ein eigenes Zimmer sein. Ich stand dem mit einer gewissen Skepsis entgegen. Bei fremden Leuten übernachten? Nicht zu wissen, auf wen man da so trifft und was einen erwartet? Unvorstellbar. Aber wo ich grad so darüber nachdenke, fällt mir auf, dass workaway ja eigentlich genauso funktioniert.

    Naja, jedenfalls war ich nun doch gewillt, das einmal auszuprobieren. Ich würde eben nur nach Frauen suchen und auch nur mit eigenem Zimmer. Insgesamt gibt es 3.175 Gastgeber in Cairns. Mit meinen beiden Filterkriterien blieben ganze 13 übrig. Davon waren zwei aktive Nutzerinnen und alle anderen seit mehr als einem Jahr nicht mehr online. Und von diesen beiden sah eine aus wie eine Hardcore Lesbe mit Bartflaum und hatte dazu noch nen Osteuropäischen Namen. Meine Vorurteile lege ich dann wohl doch nicht so schnell ab, sorry. Und die letzte war in dem Zeitraum nicht verfügbar. Na toll. Also machte ich noch einen weiteren Schritt aus meiner Komfortzone heraus und schaute mir auch die männlichen Gastgeber an. So bin ich bei David, seinem Mitbewohner James, und den beiden alten und nach nassem Hund riechenden Collies gelandet.

    David (45) ist ein erfahrerner Host, in den letzten sieben Jahran hat er knapp 200 Couchsurfer bei sich aufgenommen aus 32 Ländern. Sein 25-jähriger Mitbewohner James backt überaus gern Cupcakes, weshalb er eben diesen Spitznamen verpasst bekommen hat. Wir genießen hier den Luxus eines komplett ausgestatteten Fitnessraums und so habe ich wenigstens in der letzten Woche wieder viel Sport gemacht. Mit mir sind zeitgleich noch zwei andere Mädels hier, Charlène aus Frankreich und Stine aus Deutschland. Mit ihr bin ich viel unterwegs. Charlène bricht morgen auf und fährt mit dem Rad (!) bis nach Brisbane runter. Insgesamt ist es eine gute erste Couchsurfingerfahrung. Ich glaube, dass unser Host sich auf diesem Weg seine Bestätigung abholt. Gern weist er wiederholt auf seine 224 positiven Bewertungen von ehem. Couchsurfern hin. Gern weist er darauf hin, dass andere Hosts nicht so wären wie er und dies oder jenes nicht gestatten würden etc. Er nimmt auch fast immer nur Frauen auf, mit denen käme er besser zurecht. Klar, wir sind wahrscheinlich eher bereit Dankbarkeit und Bewunderung für seine großzügige Aufopferung auszudrücken. Tja, es wollen ja beide Seiten etwas davon haben, nicht wahr?

    Ich bleibe noch eine weitere Woche hier und dann habe ich einen Camper, mit dem ich ein paar Tage herum reisen werde. Darauf freue ich mich. Es wird ein weiteres erstes Mal für mich sein, allein einen Roadtrip zu machen, allein mit so einem Fahrzeug unterwegs zu sein. Hab mir schon hilfreiche Apps für Campingplätze und Tankstellen installiert. Meine Mitbewohner wollen mich dazu überreden wolf creek, einen Horrorfilm anzuschauen, in dem ein deutsches Backpackerpaar ermordet wird - nach einer wahren Geschichte!! DerTäter sitzt hinter Gittern und hat Krebs. Aber trotzdem, ich bin ja nicht bescheuert und mach mir selber noch Angst, bevor ich aufbreche! Lieber schau ich mir die Bilder von dem süßen Koalababy an.
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  • Tag 138

    Unter mir der Hai

    18. Juni 2019 in Australien ⋅ ⛅ 21 °C

    Angespannt und hoch konzentriert starre ich auf die Berge, die fern am Horizont noch erkennbar sind. Bloß nicht ablenken lassen, fokussiert bleiben! Bloß nicht die Augen auf irgendwas anderes richten, das sich bewegt! Ich befürchte das Schlimmste.

    Das Schlimmste - in diesem Fall wäre es, dass ich vor versammelter Mannschaft über die Reling kotzen müsste. Ich sitze auf den Stufen eines Katamarans, der mit hoher Geschwindigkeit übers Wasser prescht, leider aber gleichzeitig keine Welle auszulassen scheint und auf und ab, nach links und rechts schwankt. Mir wird ja schon auf ner Kinderschaukel übel. Den Platz habe ich gewählt, weil man mir sagte, hier sei das Boot am stabilsten. Unser Ziel: das Great Barrier Reef, eines der sieben Weltwunder.

    Vorsorglich habe ich bereits zwei Reisetabletten intus und ich schaffe es, lediglich mit einem mulmigen Gefühl und zittrigen Beinen am ersten Ankerplatz des Tages anzukommen. Auch vor Anker ist das Meer noch unruhig. Aber es hilft ja nix. Rein in die Flossen, Taucherbrille aufgesetzt und ab ins Wasser. Ich nehm mir zur Sicherheit mal eine Poolnudel mit, falls ich doch noch brechen muss, kann ich mich wenigstens irgendwo festhalten. Mein erster Schnorchelausflug ist dementsprechend auch noch etwas angespannt. Ständig verrutscht mir die Brille, Wasser schwappt in meinen Schnorchel und ich fühl mich einfach nur unwohl. Ich verlasse das Wasser und nehme sicherheitshalber eine weitere Tablette.

    Glücklicherweise ändert sich das am Nachmittag. Auf den zweiten Wassergang bin ich besser vorbereitet. Wir sind an einem anderen Riff, wo das Meer deutlich ruhiger ist. Ich hab jetzt den Trick raus, um die Brille bombenfest am Kopf zu tragen und den Schnorchel besser über Wasser zu halten. Entspannt und fasziniert paddel ich drauf los und plötzlich schwimmt er einige Meter unter mir vorbei - ein Hai!!
    Ein kleiner zwar und wie man uns vorher sagte ungefährlich. Trotzdem ist es aufregend und ich schlucke doch nochmal eine Ladung Salzwassr, weil ich „Hai!“ rufen will und irgendwelche wilden Gesten mache. Er zieht unbeeindruckt seine Runden und ich folge ihm einige Meter durch das Wasser, bis er verschwindet.
    Aber damit war mein Tag schonmal gemacht.

    Eine weitere Stunde schnorchel ich durch die Korallenriffe. Dabei sehe ich riesige Fische, bunt schillernde Fische, einen knallblauen Seestern und ich kann sogar hören, wie die Fische an den Korallen nagen. Ein Schwarm großer Fische zieht umher und jedes Mal, wenn sie mit dem Maul die Koralle anknabbern, macht es ein knirschendes Geräusch. Wahnsinn. Ich fühl mich fast wie in einer anderen Welt. Metertief kann man bis auf den Meeresgrund schauen. Und kurz bevor ich das Wasser verlassen will, taucht er ein zweites Mal auf, der Hai. Ich bin ganz selig.

    Nach einer weiteren präventiven Pilleneinnahme kann ich die Rückfahrt sogar genießen. Die Sonne scheint, die See scheint mir ruhiger geworden zu sein. Trotzdem nehme ich wieder meinen Platz auf den Stufen zum Deck ein - es geht doch nichts über Prävention! Ein Crewmitglied reicht mir eine der frei verfügbaren Kotztüten an Board und sagt, ich solle da mal hinein gucken. „Noch eine Stunde durchhalten“ hat er in die Tüte notiert. Ich muss lächeln. Sehr aufmerksam.
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  • Tag 148

    Am Kap des Trübsals

    28. Juni 2019 in Australien ⋅ ⛅ 23 °C

    1770 lief Kapitän James Cook mit seinem Schiff auf ein Riff an der nördlichen Spitze Australiens auf, was beinahe zum Untergang führte. Er notierte in sein Logbuch: „I name this point Cape Tribulation (Kap des Trübsals), cause this is where all my troubles began.“ Und weil er grad schon so richtig in Stimmung war, setzte er mit dem Berg des Kummers (Mount Sorrow) noch einen drauf. Eine Frohnatur, dieser Cook.

    Trotz des verheißungsvollen Namens steuere ich mit meinem kleinen Campervan von Cairns die Küste entlang Richtung Norden zu besagtem Kap. Dort treffen der Regenwald und das Great Barrier Reef aufeinander. Die Straße führt mitten durch den Regenwald, sie ist teilweise so kurvig wie in den Alpen und hinter mir in den Schränken scheppert jedes Mal das Geschirr, wenn ich in die Kurve fahre. Ich freue mich über meine wiedergewonnene Freiheit. Couchsurfing spart zwar Geld, aber man ist halt doch immer Gast bei jemandem und auf dessen Wohlwollen angewiesen. Auch dadurch, dass ich nicht mobil war, war ich immer auf meine Mitbewohnerin angewiesen.

    Ich habe gemerkt, dass es mir nicht ganz so gut ging in Cairns. Dieses Abhängen, nur so in den Tag hinein leben ist irgendwann unbefriedigend und zog mich runter. Ich habe ehrlich gesagt auch die Hoffnung bzw. Erwartung aufgeben, hier auf andere Reisende zu treffen, mit denen ich was anfangen oder mich zusammen tun kann. Australien ist unbestritten das Backpackerland schlechthin. Es wimmelt hier nur so von ihnen. Aber: der Großteil hat kürzlich die Schule abgeschlossen und gönnt sich nun das mittlerweile fast schon als Muss angesehene „Gap Year“. Ist also in einer Altersspanne sagen wir mal 18-22. Ich fühle mich hier wirklich alt... und ich gehöre da nicht mehr zu. Ich habe keine Berührungspunkte mit diesen Reisenden und kann keine Verbindungen knüpfen. Ich fühle mich immer ein wenig abseits. Dass ich meist die Älteste bin, bin ich ja mittlerweile fast schon gewöhnt. Und in Kapstadt habe ich mich ja auch trotz des Altersunterschieds super mit den Leuten verstanden.

    Ich frage mich schon, wieso das so anders ist hier. Meine Theorie dazu ist folgende: Australien mit seiner fast schon zu perfekten Infrastruktur serviert Reisenden alles auf dem Silbertablett. Das Land ist komplett auf Backpacker eingestellt. Und Die Aussies sind noch verliebter in Regeln, Verbote und Kontrolle als wir Deutschen! Das macht es einerseits zu einem der sichersten Länder, ist auf der anderen Seite fast schon lächerlich und manchmal sogar langweilig. In der Konsequenz ist es aber ein super einfaches Reiseland, und somit attraktiv für Schulabgänger jeglichen Reifegrads (und das beziehe ich jetzt auf den persönlichen und nicht auf den Schulabschluss).
    Ganz anders Südafrika. Dort funktioniert so gut wie gar nix. In Öffentlichen Verkehrsmitteln ist nur eines sicher: du verlässt sie um einiges leichter als du eingestiegen bist. Wenn überhaupt. Dort gibt es Armut, Townships, Kriminalität, als Weißer ist man per se ein potenzielles Ziel. Ich glaube, wer dieses Land als Reiseziel auswählt, hat schon einiges mehr an Reife. Ganz ehrlich, mit 18 wär ich ja auch nie auf die Idee gekommen, allein nach Afrika zu reisen! Jedenfalls ist das so mein Gedanke dazu, warum ich Australien und Südafrika so unterschiedlich erlebe.

    Mit reicht es hier jetzt auch. Ich bin nicht wirklich glücklich hier. Vielleicht habe ich dieses Land in meiner Vorstellung zu sehr idealisiert, zu hohe Erwartungen gehabt. Aber dieses Gefühl von „hier bin ich richtig und hier will ich sein“ hat sich viel zu selten eingestellt. Ich habe gestern ein Interview für einen Workaway Job gehabt, an einem ganz anderen Flecken der Welt. Ich würde mich feuen, wenn das klappt. Ich berichte...

    Und um das Thema Campervan nun noch abzuschließen - ich habe die Tage genossen. Das Campen, das frei sein, die Spontaneität und die Flexibilität. Leider gilt jedoch immernoch: egal, wohin und wie weit ich reise, mein emotionales Gepäck schleppe ich weiter mit mir herum.
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  • Tag 155

    Ein Satz mit X

    5. Juli 2019 in Australien ⋅ ⛅ 20 °C

    „If you want to make God laugh, tell him about your plans.“

    Genau so fühle ich mich grade. Pläne machen? Wozu? Es kommt sowieso anders. In den letzten Tagen wurde meine Frustrationstoleranz erheblich auf die Probe gestellt. Ziemlich schnell musste ich ziemlich flexibel handeln. Und Ich wurde zudem wieder einmal unerwartet mit meiner Vergangenheit konfrontiert.

    Aber der Reihe nach. Meinen Camper musste ich bereits letzte Woche in Townsville abgeben. Von dort bin ich mit dem Greyhound Bus die Küste runter bis nach Airlie Beach gefahren. Dort hatte ich ein sehr schönes Hostel und bin ein paar Tage geblieben. Leider hat es nicht wieder geklappt, einen Van zu bekommen und so beschloss ich, bis nach Brisbane zu fliegen. Aus einer Großstadt hat man deutlich bessere Chancen, an die Sonderangebote für Camper heranzukommen.

    Doch Brisbane gefiel mir nicht. Ich fühlte mich nicht wohl, schon bei der Ankunft. Mein Hostel und die Umgebung konnten mich ebenfalls nicht positiv stimmen. Aber als ich mein Zimmer betrat und mich umsah, kroch ein ganz anderes schreckliches Gefühl in mir hoch. Das Zimmer, der Grundriss mit dem engen dunklen Badezimmer, glich ziemlich exakt dem Krankenhauszimmer, in dem ich gelegen hatte. Ich fühlte mich zurückversetzt in diese furchtbare Situation, die Erinnerungen und Gefühle waren plötzlich präsent und ich konnte nicht anders, als in Tränen ausbrechen. So stand ich zum zweiten Mal auf meiner Reise in diesem Land wildfemden Leuten weinend gegenüber, als ich an der Rezeption um ein anderes Zimmer bat. Man zeigte sich kooperativ und bot mir einen Wechsel an - in ein baugleiches Zimmer, bloß ein Stockwerk drunter. Als ich auch das immernoch schluchzend ablehnte, folgte eine Odyssee durch die verschiedenen Zimmertypen im Hostel, eins nicht besser als das andere. Es war mir inzwischen mehr als unangenehm, dass jeder vorbeilaufende natürlich sofort mitbekommen hat, dass ich weinte. Ich fühlte mich ziemlich bloßgestellt und aufgelöst. Als ich im Vorbeigehen dann ein helles, modernes Einzelzimmer sah, habe ich mich entschieden, so eines zu buchen. Das Geld (100$, ich hab es wohl aus Mitleid für 80$ bekommen) war mir in dem Moment egal, ich wollte nur aus dieser Situation raus.

    Mir war nun klar: hier bleibe ich auf keinen Fall länger als nötig. Und nach zwei Telefonaten hatte ich mir tatsächlich für den nächsten Morgen eine Relocation für einen Camper nach Sydney organisiert. Ich konnte mich wieder beruhigen, und bin raus in den nächsten Park zum Sport machen gegangen.

    Am nächsten Morgen stand ich mit Sack und Pack in der Autovermietung, machte die Papiere klar und wollte freudig den Schlüssel entgegennehmen, als sich Mr. Ober- Manager einschaltete und mir beschied, dass man mir das Auto nicht geben könne. Warum? Ich habe meinen deutschen Führerschein nicht dabei, sondern nur den internationalen. Und von dem habe ich zugegebenermaßen auch bloß noch eine zusammengetackerte Kopie (aber immerhin in Farbe!). Wo das Original ist, kann ich leider nicht mehr herausfinden. Da es aber beim ersten Mal so easy geklappt hatte, war ich gar nicht auf die Idee gekommen, dass es dieses Mal anders laufen könne. War aber so. Man müsse sich schließlich an die Regeln halten (Quervermerk zu meinem letzten Post).

    Wie ich da nun saß, mit meinem gepackten Koffer, ohne ein Dach überm Kopf, ohne einen Plan wohin und vor allem wie ich nun weitermachen sollte, war ich schon wieder den Tränen nahe. Sollte denn jetzt alles schiefgehen? Ich packte mein Ipad aus und suchte tatsächlich nach dem nächsten Flug nach Deutschland. Oder Kapstadt. Leider sind derzeit Ferien und Flüge sehr teuer. Mist. Dann kam mir der Gedanke in den Sinn, dass ich so meine Reise nicht beenden will. So nicht. Ich will sie mit was Schönem beenden. Es musste also jetzt sofort was Schönes her. Inzwischen war einige Zeit vergangen und ich hatte eh schon meinen halben Hausstand im angenehm temperierten Wartebereich der Autovermietung ausgebreitet. Ich blätterte im Reiseführer und entschloss mich, nach Byron Bay zu fahren. Irgendwie.

    Gesagt, getan. Busticket gebucht, Uber zum Flughafen bestellt, am Infoschalter nach dem Abfahrtsterminal erkundigt und dann noch zwei Stunden am Flughafen rummgammeln, bis der Bus abfuhr. Die Wartezeit wurde mir unterhaltsam verkürzt von zwei pubertierenden Jungs, die es lustig fanden, sich gegenseitig ins Gesicht zu pupsen.

    Dass sich außer mir keine weiteren Reisenden einfanden, kam mir nicht seltsam vor, bis einige Minuten vor der geplanten Abfahrt. Ich schaute also das erste Mal so richtig gründlich auf mein Ticket und siehe da, ich war am falschen Terminal. Der Bus fuhr am Inlandsterminal ab, ich war allerdings am internationalen. Wieder zurück am Infoschalter war die nette Dame, die mir die falsche Auskunft gegeben hatte, natürlich nicht mehr da. Zwar telefonierte ihr Kollege dem Bus noch nach, aber keine Chance. Eigentlich wollte ich auf der Stelle in einen Wutanfall ausbrechen, doch dazu war keine Zeit. Wieder ein Uber bestellt, die ganze Strecke vom morgen zurück in die Stadt und zum Busbahnhof, wo ich letztlich dann den Anschlussbus erwischen konnte. Halleluhjah. Ich war fertig mit den Nerven. Nicht nur, dass gefühlt alles schiefgelaufen war, ich hatte auch noch ein Heidengeld für sinnloses Hin- und Herfahren und für ein teures EZ gelatzt. Mein Tag war sowas von gelaufen.

    Im Bus habe ich einen Reisenden aus Paderborn getroffen. Der berichtete, dass er seinen Laptop im Hostel hat liegen lassen und das erst nach einer Stunde Fahrt gemerkt habe. Er musste dann wieder zurück und war nun das zweite Mal auf dem Weg Richtung Byron Bay. Außerdem wurden ihm schon seine beiden Kreditkarten geklaut. Ich habe mich bei ihm bedankt, dafür, dass ich nun zumindest nicht mehr das Gefühl hatte, nur ich würde in die Sch... greifen. Wie heißt es doch? Geteiltes Leid ist halbes Leid. Und ich werde mich von jetzt an hüten, irgendwem von meinen Plänen zu erzählen.
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  • Tag 156

    Byron Bay

    6. Juli 2019 in Australien ⋅ ⛅ 20 °C

    Wake up!
    Das Hostel nimmt seinen Namen ernst. Am Donnerstag morgen finde ich mich mit einigen anderen Bekloppten zum Fitness Bootcamp eines ehemaligen Army-Soldaten am Strand ein. Er lässt uns laufen, springen, immer wieder ein paar Liegestütze einbauen, unsere Sportkameraden über den Strand schleifen und bescheidet uns hinterher, das hier wäre ja eher nur so ein Spaßkurs für ihn. Die richtigen Bootcamps gibt er woanders. Was soll‘s, ich fands cool.
    Freitag morgen Yoga im Pavillon und danach schwinge ich mich mit meinen Mitbewohnerinnen aufs Rad und wir fahren zum Leuchtturm. Zwischendurch ein Stopp am Surferstrand (Notiz an mich selbst: ich muss unbedingt einmal wenigstens hier surfen.) und für einen Eiskaffee.

    Das Wetter in Byron Bay ist wechselhaft, es schüttet teilweise kräftig, dann schaut die Sonne durch. Man weiß nie so richtig, woran man ist. Es gefällt mir trotzdem viel besser als in Brisbane. Ich habe mit dem Hostel direkt am Strand eine gute Wahl getroffen, Fahrräder, Surfboards, Sportkurse - all das gibt es hier kostenlos. Es ist hell, modern, freundlich. Ich fühle mich hier viel wohler.
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  • Tag 168

    Sprechende Toiletten und träge Wale

    18. Juli 2019 in Australien ⋅ ☀️ 18 °C

    Ja, es ist nicht immer nur spannend und abenteurlich auf Reisen. Es kommt nun sogar soweit, dass ich über öffentliche Sanitäranlagen schreibe, weil mir nicht viel anderes einfällt. Ich hänge immernoch in Byron Bay rum. Es ist ein netter Fleck zum rumhängen. Die Hipster, Surfer und Alternativen haben den Ort fest im Griff. Auch wenn ich mich selber keinem dieser sozialen Milieus so richtig zuordnen würde, prägen sie mit ihrer Lebensart die relaxte Stimmung hier. Batic ist im Kleidungsbereich wieder total angesagt, ebenso Tarotkarten oder Handlesen.
    Es sind außerdem noch Schulferien und viele Urlauber da, und die Backpackerszene ist sowieso immer und überall. Sprich, trubelige Sraßen, viel Verkehr, jeden Abend Party.

    Aus der Partyszene bin ich seit Kapstadt total raus. Bin hier zu einer dieser Personen geworden, die sich aus allem raushalten und den Abend lieber allein mit dem neuesten Tatort aus der ARD-Mediathek im Zimmer verbringen, als bei Wein&Käse Abenden Socialising zu betreiben. Ich habe für mich eben beschlossen, dass es sich für mich nicht lohnt. Ich habe nette Zimmernachbarinnen, mit denen quatsche ich oder wir machen auch ab und an was gemeinsam. Aber that‘s it. A propos Zimmernachbarin: eine junge Holländerin hat es neulich tatsächlich fertig gebracht, sich nachts in ihr Bett zu übergeben und dann darin weiter zu schlafen. Ich hab‘s glücklicherweise dank Ohrstöpsel nur so am Rande mitbekommen und komischerweise hat es auch nicht gestunken! 😂

    Tja, was ist sonst so passiert in den letzten zwei Wochen? Ich habe ein paar Surfstunden genommen und mache Fortschritte. Arbeite mich von „kann mich aufm Board halten ohne sofort einen spektakulären Abgang zu machen“ vor zu „kann mich aufm Board halten und dabei sogar ne Welle reiten“. Auch wenn ich auf dem Weg dorthin vielleicht den ein oder anderen Kollateralschaden verursacht habe. Gestern musste sich ein Surfer in letzter Sekunde unter sein Board retten und ich bin gradewegs über ihn hinweg gefegt.

    Ich weiß nicht, ob ich vielleicht beim Surfen mal blöd gestürzt bin oder es passiert ist, als ich das letzte Mal vom Pferd geflogen bin - jedenfalls könnte mein Steißbein gebrochen sein. Das erfuhr ich von Matthew, dem Arzt meiner Wahl (wie gesagt, hier sind alle so extrem lässig, dass man auch den Arzt mit Vornamen anspricht). Seit Wochen habe ich immer stärker werdende Schmerzen beim Sitzen und Aufstehen und wollte das dann doch mal abgeklärt haben. Kann man aber nix machen, außer abwarten und von allein heilen lassen. Wird nur blöd beim nächsten langen Flug. Denke bereits drüber nach, ob ich mir mit dieser“ Diagnose“ nicht irgendwelche Vorteile ergattern kann im Flieger...

    Neulich habe ich mal eine Kajaktour gebucht, bei der man raus aufs Meer paddelt und Delfine beobachten kann. Theoretisch. Praktisch sah es mal wieder so aus, dass ich meine Reisetabletten zu spät eingenommen hab und prompt dafür zahlen musste. Mir wurde nach einigen Minuten draußen auf dem Wasser schlecht. Ernsthaft. Man kann mich nicht mal ungedopt in ein Kayak setzen, wie ätzend ist das denn? Ich hab es noch mit schwimmen versucht, soll ja helfen. Konnte aber tempomäßig nicht mit den Kayaks mithalten! Auch hinterm Kayak am Seil durchs Wasser ziehen ging nicht lange... der arme Guide, hab ja schon einige Kilos zugenommen. In dem Moment ging mir irgendwie der Song von den Toten Hosen über den Wal durch den Kopf... Nur dass es für mich statt ins Meer zurück an den Strand ging, wo man mich liebevoll absetzte und mich meinem Schicksal überließ. Blöd gelaufen. Immerhin, ein paar Delfine habe ich trotzdem gesehen.

    Es ist außerdem die Jahreszeit, in der die Buckelwale auf ihrer Reise in wärmere Gewässer nah an der Küste vorbeiziehen und mit etwas Glück kann man sie schon von Land aus beobachten. Aber da Glück mir hier ja eher weniger vergönnt ist, habe ich sie auf keinem meiner extra unternommenen Spaziergänge zu Gesicht bekommen. Kommen die Viecher nicht zu mir, muss ich eben zu ihnen. Also habe ich eine Bootstour gebucht und dieses Mal rechtzeitig meine Pillen eingeworfen. Aber auch hier muss ich wohl einen Ruhetag der Wale erwischt haben. Vielleicht sind die mittlerweile auch von der Walgewerkschaft dazu angehalten, ihre Pausenzeiten einzuhalten auf der tausende Kilometer langen Wanderroute. Ich mein, wir haben schon Wale zu Gesicht bekommen, einer ist sogar ziemlich nah am Boot vorbei geschwommen. Es gab nur leider keinen dieser spektakulären Sprünge und Flossenplatscher.

    So, und jetzt noch zu den freakigsten Toiletten, die ich je besucht habe. Oberhalb des Strandes, mitten im Zentrum von Byron. Ich fühlte mich wie auf dem Klo von Raumschiff Enterprise. Eine geschlossene Stahltür verhindert das spontane Betreten, erst muss der rote Knopf zum Öffnen gedrückt werden. Besagte Stahltür öffnet sich dann mit geräuschvollem Zischen und eine männliche Lautsprecherstimme heißt den Klobesucher willkommen. Man betritt eine Kabine komplett aus Stahl. Waschbecken, Seifenspender, Händetrockner - alles mit eingebaut. Man fühlt sich wie in einer Aluminiumzelle. Sehr unangenehm.

    Sobald sich die Tür hinter einem geschlossen hat, informiert selbige Stimme darüber, dass man ab jetzt maximal 10 Minuten Zeit hat, um zu erledigen, was es zu erledigen gilt. Gleichzeitig wird das Geschäft musikalisch begleitet und untermalt von entspannter Jazzmusik. Sofort stellte sich eine Erinnerung an eine Folge des „Tatortreinigers“ ein, in der ebenfalls die auf der Toilette verbrachte Zeit kontrolliert und aufaddiert wird.

    Ich hatte gar nicht vor, 10 Minuten aufm Klo zu bleiben, aber allein die Tatsache, dass es diesen Klo-Countdown gibt, versetzte mich in Stress und größte Eile. Während ich also meine Oberschenkelmuskeln bemühte (Frauen wissen an dieser Stelle, was ich meine), stellte ich mir die Frage, was wohl passieren würde, wenn ich die 10 Minuten überschreite? Wird ein Countdown angesagt? Die Tür automatisch entriegelt und geöffnet, sodass man den Blicken der ungeduldig Wartenden ausgesetzt wird? Gibt es einen Rausschmeißersong à la „Wer hat an der Uhr gedreht“? Und vor allem habe ich darüber nachgedacht, wie sich solch eine Entwicklung wohl fortsetzen wird? Gibt es demnächst eine integrierte Stuhlanalyse mit Auswertung der Darmflora und individuellen Ernährungstipps? DNA-Analysen? Abputzhilfen? Was, wenn man sich nicht ordentlich die Hände wäscht, hält die Kabine einen so lange gefangen, bis man klein bei gibt? Schon irgendwie spoky, oder?
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  • Tag 171

    Mein Visum läuft aus, wie geht's weiter?

    21. Juli 2019 in Australien ⋅ ☀️ 20 °C

    Es ist später Nachmittag, ich sitze am Strand und beobachte das Treiben. Viele Hundebesitzer lassen hier ihre Hunde toben, werfen Bälle und Frisbees und die Vierbeiner flitzen begeistert über den Sand und in die Wellen. Immer wieder, scheinbar unermüdlich. Im Wasser tummeln sich ein paar Surfer und hoffen auf die perfekte Welle. Jogger laufen vorbei und Sonnenhungrige haben ihre Handtücher ausgebreitet. Die Sonne hängt bereits tief am Horizont und schafft den Eindruck, dass der Tag bald zu Ende geht. Es wird ziemlich früh dunkel, gegen 17 Uhr 30 ist es duster. Ist eben doch noch Winter hier.

    Mein Visum läuft Anfang August aus und ich muss mir so langsam Gedanken darüber machen, was das für mich bedeuten soll. Ich könnte eine Verlängerung beantragen, das ist allerdings mit Kosten von mind. 365 Dollar verbunden. Ich galube nicht, dass es mir das wert ist. Lange Zeit habe ich mit dem Gedanken gespielt, zurück nach Kapstadt zu fliegen. Nochmal das Gefühl aufleben zu lassen, das ich dort hatte. Doch mittlerweile hat sich Skepsis darüber eingeschlichen, ob sich das tatsächlich so wiederholen lässt. Die Leute, mit denen ich mich dort angefreundet habe, sind mittlerweile alle nicht mehr da. Es ist dort auch Winter. Ich habe mehrere Workawayer kontaktiert, und mich sogar auf einen richtigen Job beworben, aber nichts davon hat geklappt. Zweifele also daran, ob jetzt ein guter Zeitpunkt für eine Rückkehr ist.
    Meine ursprünglichen Pläne, nach Südamerika zu reisen, habe ich verworfen. Mir ist einfach grad nicht mehr danach. Das kann ich irgendwann anders noch machen.

    Ich muss außerdem gestehen: ich denke seit einiger Zeit etwas sehnsüchtig an den Sommer in Deutschland, an Familie, Freunde und meine Pferdchen. Gleichzeitig habe ich auch Sorge vor der Rückkehr, weil ich keinen Job habe, keine Aufgabe. Das macht mir etwas Angst. Alle anderen arbeiten, nur ich nicht. Sicher, ich würde mich schnellstmöglich um Beschäftigung bemühen. Aber ich erinnere mich noch zu gut an die Jobsuche in 2009, die ein halbes Jahr gedauert hat und ziemlich zermürbend war mit ihren Absagen.
    Aber es hilft ja nix, das Thema bleibt ja, egal wann ich nun wiederkomme.

    Es kann also sein, dass ich Ende Juli in den Flieger nach Deutschland steige. Dann war ich sieben Monate unterwegs. Ist doch schonmal was.
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  • Tag 175

    Ich springe aus einem Flieger

    25. Juli 2019 in Australien ⋅ ☁️ 14 °C

    Je oller, je doller!

    Unter dieses Motto habe ich in diesem Jahr meinen Geburtstag gestellt. Da ich ja mehr oder minder auf mich allein gestellt bin, musste irgendwas Ausgefallenes her. Warum also nicht mal aus einem Flugzeug springen!?
    Mit dem Gedanken gespielt habe ich tatsächlich schon länger, bisher aber nicht wirklich die Notwendigkeit dieses bei genauer Betrachtung eigentlich unsinnige Unterfangens gesehen. Mal ganz rational betrachtet - wieso sollte man freiwillig aus einem voll funktionstüchtigen Flugzeug springen?

    Meine größte Sorge betraf dabei eigentlich gar nicht den Sprung selber, sondern eher meinen sich immer in den Vordergrund drängelnden Magen. Aber mit einer neuen XXL-Packung Reisetabletten fühlte ich mich ganz gut gewappnet. Man springt ja im sogenannten Tandem, wird also einem erfahrenen Fallschirmspringer quasi auf den Bauch festgeschnürt. Meine Hoffnung auf einen süßen Typen erfüllte sich dabei leider nicht. Ich bekam den dicken Glatzkopf.

    Also rein in den Flieger, hoch in die Luft auf 4.500 Meter. Sobald der Flieger die richtige Höhe erreicht hat, wird eine Rollklappe geöffnet und dann gehts zack zack, einer nach dem anderen verschwindet aus dem Sichtfeld. Groß überlegen ist dann nicht mehr drin. Ich fand mich für meine Verhältnisse erstaunlich gelassen. Erst als wir auf die Luke zu robbten, wurde mir doch etwas bange. Ich hab dann einfach die Augen zu gemacht. Die Sekunden, in denen ich mit aus dem Flieger heraushängenden Beinen da saß, erschienen mir ewig. Und die Kräfte, die plötzlich auf den Körper einwirken, wenn man mit 200kmh dem Boden entgegen rast, sind im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend. Man sieht ja auch an der flatternden Gesichtshaut 😂. Der Druck auf Bauch und Lunge war groß, ich hatte Mühe mit dem Atmen und hab versucht, gleichmäßig ein und auszuatmen. Kalt war es auch! Ich glaub, mein Tandempartner Kev wollte mich immer zu coolen Gesten animieren, so Herzchen in der Luft machen, Daumen hoch und so‘n Quatsch. Ich war viel zu angespannt für solche Spielereien und mehr auf mein inneres Mantra „mir wird nicht übel“ konzentriert.

    Mit dem Öffnen des Fallschirms fährt ein weiterer Ruck durch den Körper, die Geschwindigkeit wird abrupt gebremst und die Gurte spannen sich. In Links- und Rechtskurven nähert man sich dem Boden. Ich hatte Kev vorher gebeten, dort oben keine beeindruckenden Flugmanöver mit mir vor den Bauch geschnallt zu vollführen. Ich glaub, er hat sich dran gehalten, dennoch war mir jede Kurve schon zuviel und ich war froh, als wir mit gekonnter Arschbombe im Gras landeten.

    Mein Fazit: Ich hab es mal gemacht, sicher ein verrücktes Erlebnis. Aber nochmal muss nicht sein.
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  • Tag 181

    Drogenschmugglerin & Einbrecherin

    31. Juli 2019 in Neuseeland ⋅ 🌧 7 °C

    So, wir dürfen jetzt alle eine Runde „Finde den Drogenschmuggler!“ spielen. Ich geb euch mal Indizien, nach denen ihr Ausschau halten solltet. Gelernt hab ich das von den Besten - den australischen und neuseeländischen Grenzbeamten. Die wissen nämlich ganz genau, welche Personen höchst verdächtig und potenziell gefährlich sind. Also Achtung: weiblich, allein reisend, in den 30ern, blond, mittelgroß, und ein bißchen sonnenverbrandt (Drogenschmuggler halten sich scheinbar viel im Freien auf. Ist ja klar, wird ja auch auf der Straße vertickt das Zeug. Da kann man, wenn man sich nicht oft genug einschmiert, schonmal nen Sonnenbrand kriegen.)

    Und, ist euch schon jemand eingefallen, der auf diese Beschreibung passt? Ich mach es mal nicht so spannend, ich war‘s! Tadaaa!

    Ja, die neuseeländischen Beamten sahen ebenso wie die australischen in mir eine Bedrohung für ihr Land. Und das fing sogar schon auf australischem Boden an, bevor ich überhaupt einen Fuß in ihr heiliges Land gesetzt hatte. Man ließ mich nämlich ohne gültiges Rückflugticket gar nicht erst einchecken für meinen Flug. Mach ich ab jetzt mit Besuchern auch so. Bei der Einladung direkt schonmal klarstellen, für welchen Zeitraum die Einladung gilt und wann der Gast meine vier Wände dann aber bitte auch wieder zu verlassen hat. Vielleicht mach ich an der Haustür sogar noch so nen schnelles Drogenscreaning mit diesen Papierstreifen. Oder halte Becher für die Urinprobe bereit. Aber dann würd ich mir ja meine Einnahmequelle versauen... aber genug jetzt davon.

    Am Jetstar-Schalter diskutierte ich also mit der Dame die verschiedenen Möglichkeiten, ein Alibiticket zu buchen, das ich nach der Einreise wieder stornieren würde. Auf die Schnelle fanden wir aber keine gute Lösung, ohne die nicht doch irgendwo Geld verpulvert werden würde. Ich hatte ja nur noch eine halbe Stunde Zeit, bis der Checkin schloss. Ich beschloss, Nägel mit Köpfen zu machen und mir ein echtes Ticket zu buchen. Mit diesem echten Ticket werde ich also am 14. August in Auckland los fliegen und einen Tag später in Frankfurt landen! Ich bin selber noch ein wenig ungläubig bei dem Gedanken, dass diese Reise dann für‘s Erste beendet sein wird. Aber zurück zu meiner Einreise.

    Ich durfte mit dem Rückflugticket im Posteingang einchecken. Ich durfte auch in Christchurch den Flieger wieder verlassen. Was ich nicht durfte, war unbehelligt meinen Koffer einsammeln und meiner Wege gehen. Das erste Mal abgefangen wurde ich nach der Passkontrolle. Die erste Frage, egal von wem, ist IMMER, ob ich allein reise. Ja, sage ich dann, ich hätte einen sehr modernen Vater, der mir ab und an erlaube ein paar Tage ohne meine fünf Brüder zu verbringen. Diese Gelegenheit würde ich nutzen, um meine Burka abzulegen und nackt für die Emanzipation der Frau zu protestieren. Blöde Frage, blöde Antwort. Brachte mir eine rot eingekreiste „1“ auf meiner Einreisekarte.

    Am zweiten Kontrollpunkt wollte man von mir wissen, ob ich Medikamente für Tiere dabei hätte, welche Kleidungsstücke zu meiner Reitausrüstung gehören, wann und wo ich die das letzte Mal benutzt hatte. Und von hier verwies man mich weiter an einen jungen Grenzbeamten, dem ich hinter die Sichtschutzwände folgen sollte. Dritte Kontrolle. Spätestens jetzt war ich echt genervt und angefressen, dass sie jedes Mal so ein Theater mit mir veranstalten. Und immer dieselben Fragen! Was ich hier wolle, wie lange ich bleibe, wann ich wieder fliege, wo ich denn meinen Camper abholen, wohin ich fahren will. Und da ich diese Frage jedes Mal wahrheitsgemäß mit „ich weiß es noch nicht“ beantwortete, stieg die potenziell von mir ausgehene Gefahr. Wann ich mein Ticket gebucht hätte und wieso erst so kurzfristig. Woher ich das Geld hätte. Was ich beruflich mache. Ob ich wieder zu meiner Arbeit zurückkehre (hier habe ich sie tatsächlich angelogen und ja gesagt. Erschien mir die bessere Wahl). Dann sollte ich ihm allen Ernstes noch beschreiben was ich in Australien so alles gemacht hätte. Nicht WO ich war, sondern WIE ich meine Zeit verbracht habe.

    Dem jungen Mann entging mein patziger Ton nicht. Ob ich wisse, warum wir uns hier „unterhalten“ würden. Nee, sagte ich, ich wüsste es ehrlich gesagt nicht und ich würde es auch nicht verstehen, warum immer ich rausgepickt werde. Er laberte dann irgendwelche Standardphrasen von wegen er würde hier seinen Job machen und für die Sicherheit sorgen. Dann ging er weg und musste sich ausgiebig mit seinem Vorgesetzten beraten. Ich fand das Ganze mehr und mehr lächerlich und außerdem wurde ich ungeduldig. Ich rief dann zu ihnen rüber, ob sie mir wenigstens erklären könnten, was an mir so verdächtig sei. Und jetzt dürft ihr wieder raten. Fällt euch was ein?

    Die Antwort ist so dämlich wie die Aktion selber. Ich bin verdächtig, weil ich meine Flüge so kurzfristg buche. Auf meine Frage nach dem Warum das verdächtig sei, bekam ich dann endlich eine Erklärung. Das machen nämlich sonst nur Drogendealer so. Die scheinen eher so von der spontanen Sorte zu sein. Klar, welcher ordentliche Deutsche tut sowas - spontan Flüge buchen! Da muss ja was faul sein dran, das stinkt doch bis zum Himmel! Als Drogendealer dagegen macht das durchaus Sinn, seine Flüge spontan zu buchen. Hat man sich die Päckchen erstmal auf dem ein oder anderen Wege einverleibt, bleibt schließlich nicht mehr viel Zeit, bis das Zeug wieder raus drängt. Wie dem auch sei, ich fragte den Beamten, ob ich mich durch meine Nachfragen als Nichtwissende qualifiziert hätte und er mir nun glaube, keine Dealerin zu sein. Zähneknirschend bejahte er. Aber trotzdem könne er mich noch nicht gehen lassen, denn jetzt müsse noch jemand kommen und meine Reitsachen inspizieren. Ich war kurz davor, meine Brüder auf ihn zu hetzen... Flugs erschien eine alte Asiatin, faltete meine Reitsachen auseinander und befahl mir, meine Reitboots auszuziehen. Sie müsse sie mitnehmen zum desinfezieren. Stand ich also in meinen Socken da rum. Wenigstens meine Schuhe hatten nun eine nachweislich weiße Weste.

    Mit meiner Entlassung aus dem Kreuzverhör waren aber noch nicht alle Hürden überwunden. Aufgrund meiner nächtlichen Anreise hatte man mir in meinem Hostel einen Schlüssel hinterlegt, mit dem ich aufs Gelände und in mein Zimmer kommen sollte. Den Schlüssel zu finden war kein Problem. Aber irgendwie bekam ich das Tor zum Hof nicht auf. Ich konnte den Schlüssel drehen und wenden, an der Tür ziehen und drücken, mich dagegen schmeißen - ging nicht auf. Da ich keine Lust verspürte, die Nacht auf der Straße zu verbringen, überlegte ich mir Folgendes: ich packte meine nötigsten Sachen wie Kulturbeutel und Pyjama in eine Tasche, schmiss diese über das schmiedeeiserne Tor und machte mich daran, möglichst leise und unauffällig das Tor empor zu klettern. Erst als ich im Hof stand warf ich erneut einen Blick auf den Schlüsselbund und stellte fest, dass ich einen kleinen Transponder dran hatte, mit dem ich das Tor mühelos hätte öffnen können!

    Nun, zumindest habe ich somit bewiesen, dass ich nicht nur als Drogenschmugglerin, sondern auch als Einbrecherin tauge. Was meint, ihr, welchen Karriereweg sollte ich einschlagen? Ich nehme gern Kommentare entgegen.
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