• Robert Fichtner

Im Königreich der Lamas

Mit Rucksack und Zelt auf dem Weg ans Ende der Welt. Baca lagi
  • Cochabamba

    3 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ 26 °C

    Noch am Vorabend geht es mit dem Kleinbus zurück nach Cochabamba. Alles was rein passt kommt auch mit. Auf zwölf sitzen verteilen sich so elf Erwachsene, zwei Kinder, jede Menge Handgepäck und ein Ziegenbaby. Nur die Rucksäcke müssen aufs Dach. Da schon für die Beine so kaum Platz bleibt ist das auch besser so. Wir passieren noch einmal das gesamte zentrale Hochland mit seinen Kilometer tiefen Schluchten. Egal wo man hinschaut erscheint alles aus der Vogelperspektive und einmal mehr fühle ich mich so klein. Der Trufi, so heißen hier die Kleinbusse kommt ziemlich spät in Cochabamba an. Ich beziehe nur noch die Unterkunft in mitten der Stadt und mache einige Pläne für den Stadtbesuch am nächsten Tag bei Kaffee und Schwarzwälder Kirschtorte. Hmmm.

    Der nächste Tag wiederum steht ganz im Zeichen des christlichen Glauben. Wer nicht all zu tiefem Glauben ist sucht sich ja immer nur die Gebote heraus die gerade gut passen. Und was könnte heute passender sein als „Du sollst nicht fluchen weil alles geschlossen hat und an den Abenteuern wachsen dir sonst widerfahren“. Ich habe mir für die Stadt gar nicht so viel Zeit vorgenommen. Im großen und ganzen ist es eine Großstadt wie jede andere. Zuerst steuere ich das Anwesen des einstigen Zinnbaron von Cochabamba an. Am Tor kommt gerade eine ganze Gruppe an. Stattdessen wird mir gesagt. „Komm morgen wieder. Wir haben montags geschlossen. Heute sind nur Schulen erlaubt“ .*krrrr* Die Geldautomaten streiken ebenfalls während ich durch die Straßen schlendere. Entweder haben sie kein Geld oder werden gerade gewartet. Dann heute nicht ich komm auch ohne Geld bis ans Ende der Welt! *krrr^2*
    Auf meinem Rundkurs durch die Stadt folgt nun ein kleiner Anstieg auf den Cerro San Pedro. Anstatt der 2000 Stufen entschließe ich mich für einen Wanderweg. Der ist aber gespickt von etlichen stacheligen Büschen. Es dauert also nicht lang, dann habe ich mir einen Splitter im Arm eingefangen den ich mit nur einer Hand ziemlich schlecht heraus operiert bekomme. *krrr^3*. Davon lasse ich mir das Lachen aber nicht verkneifen. Die Aussicht in der gleißenden Mittagssonne bietet dennoch etwas mehr als nur Smog und darin verschwimmende Berge. Das dritte und letzte Highlight der Stadt ist der Konvento Santa Teresa. Ein altes Nonnenkloster wo man sich von außen fragen könnte wie bitte inmitten dieser lärmenden Stadt ein kleines Konvent seine Ruhe zum Glauben finden kann? Von Innen kann ich mich nicht überzeugen. Wie alles am Montag hat es geschlossen. *krrr^4* Dann sattle ich meinen Rucksack und mache mich jetzt auf zum nächsten Abenteuer. Großstädte müssen ja nicht jedem gefallen. Ich laufe über den Kirchplatz zum Busbahnhof, scheuche die Tauben auf die hier so friedvoll gefüttert werden und Überhand genommen haben. Damit habe ich den Zorn der Städter endgültig auf meiner Seite. Im Bus kommt es das erste Mal auf dieser Reise vor das mein Gepäck auf die Wage muss bevor es eingecheckt wird. Das hatte ich im Bus noch nie! Ich ahne Schlimmes. Dabei stellt sich später heraus dass das Gepäck gewogen wird weil der Schadenersatz bei Verlust pro Kilo bemessen würde. Mein Rucksack wäre dann also gerade einmal 23EUR wert. Dann lieber doch nichts abhanden kommen lassen. Da ich nicht bis La Paz mitfahren möchte sage ich dem Fahrer vor Abfahrt wo ich hin möchte. Es ist halb drei am Nachmittag. Dann kommt der spannendste wie auch waghalsigste Teil. Die nächsten vier Stunden kämpft sich der Bus hinauf aufs Altiplano. Inklusive Aussicht auf die langsam untergehende Sonne. Aber ebenso inklusive waghalsiger Überholmanöver von gleich mehreren LKW in Kurven die man nicht einsehen kann mit einem vollbesetzten Bus bergauf. Aber wenigstens der Fahrer hat heute Gott auf seiner Seite.
    Als nach der Abendbrot Pause meine Kreuzung näher rückt an der ich aussteigen möchte bereite ich mich auf alles vor und klopfe beim Fahrer an die Tür. Der schaut mich mit Unverständnis an. Als ob ich dass nicht vorhin beim Abendessen noch einmal hätte sagen können. Er sei jetzt hier auf der Umgehungsstraße und könne da wegen der Polizei nicht einfach anhalten. Und in das Dorf rein fährt er wegen mir nicht extra. ??? Ich glaub ich bin im falschen Film. Als er mich dann rauslassen will müsste ich bald 20km im Dunkeln zurücklaufen. *Krrr-Krrr-Krrr-Krrr-Krrr*! Dann fahre ich jetzt doch die restlichen 80km bis El Alto und morgen in der Früh wieder zurück. Aber in mitten des Nichts auf dem Altiplano mein Zelt aufzubauen empfinde ich keine gute Idee. Deswegen käme ich immer noch nicht zurück zu meiner Abzweigung. Dass El Alto bei Nacht um 11 genau so gefährlich sein kann wie Cochabamba in seinen No-Go-Areas ist mir jetzt auch gleichgültig. Immerhin habe ich heute doch ziemlich viel erlebt.
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  • Mikroabenteuer in Bolivien

    4 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ 10 °C

    Auf geht es ausgeschlafen zur Fahrt zurück nach Patacamaya. Was wäre das Leben ohne Abenteuer. Große und Kleine. Dabei gibt es für sogenannte Mikroabenteuer sogar eine Definition. Sie sollten von A nach B nie länger als 72 Stunden dauern. Möglichst im Umkreis stattfinden dass man nicht erst extra dafür irgendwo hinfliegen muss und sie sollten einen über die eigene Komfortzone wachsen lassen. Es ist egal ob das ein Nachtspaziergang im heimischen Wald ist oder wie in meinem Fall einfach nur eine Busfahrt bei der möglichst viele Straßenblockaden umgangen werden.
    Tatort - El Alto. Ich trete aus meiner Unterkunft. Es ist mir ein Rätsel welcher Zauberkünstler es geschafft hat die Katastrophe vom Vorabend wieder in einen halbwegs passablen Straßenmarkt zu verwandeln. Überall herrscht bereits wieder emsiges Treiben. Die Frau an der Rezeption schildert mir schnell noch einmal den Weg bis zur Haltestelle. Ohne Ampel geht es mitten durch den Verkehr über eine achtspurige Straße. Zu dieser Zeit fährt eigentlich kein einziges normales Auto. Dafür hunderte, nein tausende Trufis. Wie soll ich da bitte das Richtige finden?
    Beim Nachfragen erhasche ich in dem Kauderwelsch aus Spanisch und Aymara immer wieder dass die Straße blockiert ist. Och nee oder? Das müssen noch Nachwehen von gestern sein. Aber heute ist ein neuer Tag. Letztendlich völlig hinter meiner Zeitplanung erreiche ich den neuen Busbahnhof von El Alto. Auch hier heißt es heute dass die Straße blockiert sei. Warum weiß noch keiner so recht. Aber der Bus fährt anstatt dem regulären Fahrplan trotzdem dann los wenn er voll ist und schlängelt sich hoffentlich an den Blockaden vorbei. Schauen wir doch mal, wer nichts wagt der nichts gewinnt. So erhalte ich in jedem Fall Einblicke in die Vororte und Favelas von El Alto in die ich sonst nie freiwillig gefahren wäre. Die Spritztour dauert über zwei Stunden nur für 15 Km. Beim Laufen und anschieben bin ich ob der Höhe aber auch keine große Hilfe. Hut ab, immerhin versucht der Fahrer nur auf Nachfrage unter den Leuten und völlig ohne Navi einen Weg um die Straßensperren herum zu finden
    Einen Plan hat er nicht. Kaum sind wir wieder auf dem Asphalt machen wir eine Zwangspause und fast der ganze Bus voller Bolivianer geht geschlossen hinter die nächste Häuserecke.

    Ich mache nur ungern Druck, doch mein Anschluss fährt ab Patacamaya nur einmal täglich. Wenn er voll ist fährt er los. Mit der Verspätung kann ich eigentlich nur leben wenn ich den Anschluss trotzdem noch erwische. Meine Erwartung täuscht mich nicht. Der Bus fährt wieder nur die Umgehungsstraße lang. Energisch klopfe ich an die Fahrertür und will jetzt sofort aussteigen! Wenn ich laufe habe ich wenigstens überhaupt noch eine Chance. Wenn aber einmal Straßensperre ist dann trifft das bekanntlich nicht nur mich. Der Fahrer wartet noch auf Fahrgäste weil er wegen drei Leuten noch keine Anstalten macht. Perfekt! Die Zeit reicht sogar noch für ein kleines Mittagessen.

    Nach mittlerweile schon üblichen 6 Stunden Anfahrt erreiche ich das kleine Dorf Sajama. Für die nächsten Zwei Tage wird der älteste Nationalpark in Bolivien meine Spielwiese. Unterwegs sammeln wir noch zwei Rucksackleute auf die gerade frisch aus Chile herüber gekommen sind. Sie berichten auch da heute von katastrophalen Zuständen. Irgendwie habe mehr als 10 Reisebusse gleichzeitig den Grenzübergang als Ausweichroute genutzt. Für die beiden bedeutete das über vier Stunden anzustehen um unser Trufi zum Schluss eigentlich nur um 10Sekunden zu erwischen anstatt die letzten 10km mühsam durch den Staub zu wandern. Ich, mein der Anblick während diesem Mikroabenteuer ist und bleibt grandios. Aber ohne Gepäck läuft es sich auf über 4.000m bedeutend leichter.
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  • Alto Lagunas

    5 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ -2 °C

    Los ganz allein ohne Netz und doppelten Boden auf den höchsten Berg Boliviens? Hier gibt es ja nicht mal einen Guide geschweige denn eine Bergrettung wenn wirklich etwas passiert. So wagemutig bin ich nicht.
    Dafür habe ich eine andere Route auserkoren die mir machbar scheint.
    Früh breche ich auf um möglichst der Mittagssonne zu entgehen. Zum Frühstück gibt es Haferflocken mit Choklabrei. Das ist so was ähnliches wie Mais und macht in jedem Fall satt. Draußen geht gerade die Sonne auf und auf dem Weg salutieren die Lamas als wollen sie dem Vollmond gerade gute Nacht sagen.

    Die ersten zwei Stunden vergehen beschwingt und frohen Mutes. Doch irgendwie will das Gebirge nicht näher kommen. Die Berge sind immer noch genauso weit weg wie am Anfang. *grummel*. Zum zweiten Frühstück erreiche ich ein Gysierfeld. In einem Tal zwischen zwei Vulkanen blubbert und dampft das heiße Wasser aus kleinen Spalten die sich alsbald zu einem kleinen Bach ergießen. Der Bach ist nicht tief, sonst wäre es die perfekte Badewannentemperatur. Später vielleicht an anderer Stelle. Von hier an beginnt der mühsame Aufstieg. Die Sonne steht bereits wieder hoch am Himmel. Entsprechend schmal ist der Grat zwischen alles von sich ablegen um nicht zu schwitzen in der so schon dünnen Luft und auf der anderen Seite zum Schutz vor der Sonne alles bedecken was geht. Sonnenschutzcreme ist hier nur die halbe Miete.
    Am Pass erreiche ich die chilenische Grenze. Ich habe mich zuvor schon gewundert warum hier jemand zwei Menschengroße Totenköpfe auf den Fels gemalt hat. Als ich die Karte genauer studiere und tief hinein zoome lese ich „Minenfeld unbekannter Größe, markiert von chilenischer Seite“. Das muss wohl noch aus dem Salpeterkrieg stammen. Damit ist nicht zu spaßen. Also immer fein den Weg lang und nirgends links und rechts gehen. Wer will kann hier sogar am See zelten. Es gibt extra dafür windgeschützte Plätze. Doch zum Rasten ist der Weg noch zu weit. Die Lagunen sind zum teil frei, zum Teil dick zugefroren. Da wo der Wind das Wasser in kleinen Wellen auf das Eis peitscht erklingt ein stetiges Klirren. Eine schöne Melodie muss ich zugeben.

    Entlang dem Weg reihen sich nun eisbedeckte Gipfel, Vulkane und noch zwei weitere Lagunen. Vor mir sehe ich ab und zu recht frische Fußspuren. Wenn ich denen Folge weiß ich dass ich auf der sicheren Seite bin. Denn außer mit mir selbst habe ich heute den ganzen Tag noch niemanden mit dem ich reden könnte. Meine zwei Mitbewohner schliefen noch als ich im halbdunkel aufgebrochen bin. Dafür genieße ich die Aussicht auf über 5.100m ganz für mich allein. Ich sag immer, selbst schuld wenn keiner mitkommen möchte. Dass es zusätzlich ein wenig Kondition braucht muss ich zugeben, ist aber zweitrangig.

    Der Abstieg erfolgt über ein anderes Tal zurück ins Dorf. Zuerst habe ich gedacht dass ich auch hier niemanden treffen werde. Plötzlich springt neben mir ein Viscacha aus dem Fels und sprintet um mich herum um von oben hinter mir einen besseren Blick über die Lage zu bekommen. Dass muss hier schon länger wohnen denn wenn ich auf die Karte schaue ist dieser Ort sogar als Beobachtungsspot eingezeichnet. Genial! Über die ein oder andere Geröllpassage geht es wieder bergab. Im Schatten der Berge versperren gefrorene Eisfälle den Weg und ich muss zum Teil steil am Hang klettern um sie zu umgehen. Bereits von weitem erwartet mich am Ende des Tales ein kläffender Hund. Die leben auch echt überall!
    Ich kann mich jedoch nicht beschweren. Diese Runde hat sich bislang echt gelohnt. Ein wenig muss ich mich nun sputen denn die Sonne geht bald unter. Mit ihr wird es kalt und der Heimweg ist wieder genau so endlos lang wie der Hinweg vom Dorf. Dafür werde ich um diese Tageszeit mit einem herrlichen Bergglühen verwöhnt. Ich glaube das mache ich morgen gleich noch einmal. Nur anders
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  • Sajama Basecamp

    6 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ 0 °C

    Es verwundert mich nach wie vor wieso dieses kleine Dorf am Fuße des Sajama überhaupt entstanden ist. Die Lamazucht spielt eine große Rolle, der Tourismus eher weniger. Dann hätten sie das Dorf eigentlich wie sonst üblich auch an die chilenische Grenze bauen können. Doch die Bolivianer trotzen gerne dieser unwirklichen Umgebung, so scheint es. Und sie trotzen vor allem jenen die immer sagen „geht nicht“.
    Als die FIFA 2001 den Vorschlag brachte Fussballspiele nur noch unterhalb von 2600m zu erlauben war der Aufstand in La Paz und auf dem ganzen Altiplano groß. Zum Trotz zogen 14 Bergsteiger auf den Vulkan, plätteten den Schnee auf dem Gipfel zu einem 35m großem Fußballfeld und zeigten dass man sogar auf 6542m Fußball spielen könne. Warum also die Begrenzung?

    Ganz so hoch hinaus wollen wir heute nicht. Nach dem Frühstück gehen wir drei Zimmerbewohner gemeinsam in Richtung eines vorgelagerten Gipfels. Huisalla - den Aymara nach die Frau des Sajama. Einen vierten Wanderer mache ich noch in der Ferne aus. Er ist ein wenig schneller unterwegs. Aber ich finde es nur zu gut die Sache langsam anzugehen.
    Wenig später kommt der vierte uns schon wieder entgegen. Schweißgebadet fragt er wo wir denn unser Auto geparkt hätten? Nichts Auto, wir kommen zu Fuß aus dem Dorf. Ungläubig schaut er uns schief an, zuckt mit den Schultern und steigt wieder ab. Das ist ein klassisches Beispiel von Selbstüberschätzung.

    Meine zwei Mitbewohner schlagen mit der Zeit auch ein langsameres Tempo an und geben mir freien Lauf. Die so typischen Geröllfelder vom Vulkan machen mir in der Höhe genauso zu schaffen. Das ist nicht mehr wie in Chile wo mal locker mal 2.000Höhenmeter am Tag schafft. Nach einer weiteren Stunde bin ich auf dem Berg. Hier wurde ein Altar errichtet um die Geister zu besänftigen und Kraft für den Abstieg zu erbeten. Der Ausblick ist grandios das kann ich gar nicht anders beschreiben. Gemeinsam gelangt mit mir ein Franzose zur gleichen Zeit am Gipfel an. Er hat in etwa noch genau so viel Zeit wie ich um bis nach Peru zu gelangen. Doch er schlägt deutlich wehmütigere Töne an. „Das wird wohl der letzte Gipfel gewesen sein…Keine Lust mehr ständig die Nächte draußen im Zelt zu verbringen….“ Soll es dass denn wirklich schon gewesen sein?
    Ich habe für heute noch weitere Pläne. Der Gipfel des Huisalla war nur der Auftakt. In gut 20 Minuten bin ich die mühsam erkletterten letzten 300m Höhenmeter wieder unten. Über ein auf und ab geht es in Richtung Sajama. Laut Karte müsste ich mich eigentlich nur auf dieser Höhe halten um dem Weg zu folgen. Der ist jedoch nicht auszumachen. Ich stolpere den Hang entlang bis ich nach 2km weit unten im Tal noch zwei andere Bergsteiger ausmache. Mist, doch verlaufen. Das gehört zum täglichen Repertoire. Was soll‘s - also absteigen. Unten im Tal erkenne ich schon fein geschlichtete Steine. Je tiefer ich komme desto schlechter kann ich wieder die Dimensionen der Entfernung abschätzen und ein wenig sitzt mir die Zeit mit Tageslicht im Nacken. Doch das ist bekanntlich kein Grund die Route zu verkürzen. Nur muss ich mich nach der Pause etwas mehr beeilen.

    Wieder finde ich mich in einer Schutt- und Geröllhalde wieder. Jeder stein wackelt oder es rutscht gleich der halbe Berg sobald ich mir den Weg suche der auf der Karte eingezeichnet ist. “Weg”, also in diesem Fall einmal mehr nicht zum Nachmachen empfohlen. Es kostet mich unendlich viel Kraft und Zeit dem Weg ins Tal zu folgen. Ich beschließe den gefährlicheren jedoch kürzeren Weg zu gehen. Bergauf. Denn eigentlich will ich ins Tal und noch vor Sonnenuntergang in den heißen Quellen von Sajama baden. Dafür muss ich diesen Bergkamm jedoch erst noch überwinden. Vorsichtig taste ich mich langsam voran. Geschafft! Ab hier geht es nur noch bergab. Mittlerweile lege ich Laufschritt an den Tag was mir aber wiederum mein Rucksack übel nimmt. Morgen ist unbedingt Ruhetag damit ich einige Risse im Stoff wieder flicken kann. Für das Material ist diese Wanderung sicherlich eine Bewährungsprobe und die UV-Strahlung erst recht.
    Geschafft! Ich bin wieder im Tal. Nun muss ich nur noch den Weg über den Fluss finden und suche mir auf der anderen Seite eine tiefe Stelle im Zulauf. Badewanne mit Ausblick! Während nur 2m neben mir gefrorenes Eis in der Steppe herumliegt. Als die Sonne untergeht wird es mir jedoch selbst im Wasser zu frisch. Und der Heimweg ist auch noch lang. Zufrieden mit mir und mit dem Tag laufe ich dem Sonnenuntergang entgegen. Morgen verlasse ich den Nationalpark schon wieder. Oder ich muss wirklich noch auf einen schneebedeckten Vulkan klettern…
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  • La Paz von oben

    7 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ 18 °C

    Zurück in El Alto wird es höchste Zeit das Gepäck los zu werden. Ein 23Kg schwerer Rucksack ist etwas anderes bei Tag wenn die Sonne schon die kleinste Bewegung anstrengend gestaltet als wenn ich ihn durch die Nacht trage. Von El Alto ist es ein gutes Stück bis ins Stadtzentrum von La Paz. Zum Glück muss ich das jedoch nichtblaufen denn denn die Stadt hat schon vor Jahren ansstatt einer Metro Seilbahnen installieert um dem Kleinbusverkehr Herr zu werden. Mittlerweile verlaufen 9 Linien kreuz und quer über die Berge und bringen jeden im Umkreis von 1-2 km an den gewünschten Ort.

    Für die Teleferico herrscht tatsächlich Maskenpflicht. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Auch das letzte bisschen Platz in meinem Rucksack habe ich nun also nicht umsonst mitgeschleppt. Beim Ticketkauf gibt es einige Querelen mit dem Rucksack. Am Ende kaufe ich zwei Tickets, für mich und meinen Rucksack. Hautsache für den Moment nicht mehr tragen. Im Eiltempo geht es über die Dächer von El Alto. Ich sehe genau was heute wo gekocht wird, wo Waschtag ist und wo gerade eine frische Ladung Apfelsinen eingetroffen ist. Dann geht es über einen Abgrund und wir verlassen die Oberstadt. Es fühlt sich an wie fliegen als die Gondel auf La Paz zusteuert und dabei 350m nach unten saust.

    Am Nachmittag stellt sich heraus dass ich La Paz wohl auch im zweiten Anlauf kaum zu Gesicht bekomme. Kaum habe ich das Hostel bezogen gehe ich durch die Gassen zum Plaza San Francisco um meinen Freund Fermin zu treffen. Auf dem Mercado de Brujas bieten sie heute allerlei Kuriositäten an, aber nichts davon will mir zusagen um die Geister der Aymara zu besänftigen. Weder irgendwelches Kunsthandwerk, noch Heiltränke, Hexenkräuter oder gar eingelegte Fehlgeburten von Tieren. Die werden nach wie vor in die Häuser von LaPaz verbaut um die Geister gnädig zu stimmen wenn das neue Haus so schon nur mit einer Wand am Fels und den restlichen Seiten über dem Abgrund steht. Ich gehe also weiter auf den Platz und es dauert nicht lang da sieht einer meinem Freund zum Verwechseln ähnlich aus. Seine spirituelle Ader schreckt mich jedoch ab. „Du willst Fermin sehen, da musst du Gras rauchen. Hier, bestes Mariohana“. Danke, aber im Nebel such ich ihn nicht.
    Schlussendlich findet er mich und wir gehen gemeinsam etwas essen. Er hätte am Nachmittag nur noch schnell einen Kunden zu besuchen. Dann wäre er frei für das Wochenende. Somit schweifen die Blicke durch ein fast fertiges Hotel dass im September eröffnet werden soll. Jede Etage ist einer anderen bolivianischen Provinz nachempfunden. So gibt es Themen wie den Regenwald, die Salar de Uyuni oder den Titicacasee denen die Zimmer nachempfunden werden. Am besten gefällt mir en dem Moment jedoch La Paz. Penthouse mit Blick über die Stadt! Wie will man LaPaz auch sonst von anderen Städten abgrenzen?
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  • Hochzeit, Filmstars und Betrügereien

    8 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ 14 °C

    Leider war es das vorerst schon wieder mit der Stadtbesichtigung in LaPaz. Ich folge der Einladung meines Freundes zum See. Der Weg zum Titikakasee gestaltet sich durchaus abenteuerlich. Ich folge der Wegbeschreibung zum Busbahnhof. Das sind etwa sieben Kilometer Seilbahnfahrt über den Dächern von La Paz und El Alto. Wer La Paz dann noch nicht gesehen hat der muss die anderen sechs Seilbahnen auch noch fahren. Ich laufe noch drei Blocks zum besagten Busbahnhof um mein Collectivo nach Huatajata zu finden. Keine Chance. Zuerst wird mir wie immer gesagt ich soll bis ganz nach hinten laufen, dort findet sich bestimmt ein Kleinbus. Nach der Ernüchterung geht das Verhandeln los. „Du steuerst doch diesen und jenen Ort am See an. Kann ich da mitfahren? Mein Stop liegt auf halbem Weg?“ Mehrfach bekomme ich ein Nein, ich solle weiter hinten schauen. Erst als endlich irgendjemand ein Quantum weiter denkt, sieht er dass da gar kein Bus steht. Er fragt nach und meint dass die Busse nur Montag bis Freitag im Terminal halten, sonst 1-2 Blöcke außerhalb. Also da hin laufen und in dem Gewusel aus 1001 Kleinbus den Richtigen finden.
    Das klappte sogar, wie auch immer. Nun konnte die Weiterfahrt beginnen. Bis zur Maut Station. Unser Kleinbus mit 15 Leuten und einem Rucksack völlig überladen wollte sich natürlich nicht in der Autoschlange hinten einreihen und fuhr über das Feld neben der Schnellstraße bis ganz nach vorne. Das blieb aber auch der Straßenpolizei nicht verborgen. Die fischte uns sogleich raus. Papiere des Fahrers, Passagierliste, zum Schluss musste der Fahrer ob der Schikane noch seinen Feuerlöscher vorzeigen und ein wenig Kleingeld mitnehmen. Bestechung hilft scheinbar immer.
    Fermin erwartete mich bereits. Durch die Sucherei und das Hickhack mit der Polizei war ich mittlerweile 90 Minuten in Verzug. Wir gingenninndie Ausstellung und blätterten ein wenig in den alten Zeiten. Fotoalben, Bücher und natürlich Schilfbootmodelle. Bevor er am Nachmittag noch eine Besuchergruppe erwartete gingen wir Mittagessen. Zum See gehörig gab es Fisch. Wie üblich mit Pommes und Reis. Gemüse hab ich sogar auch gefunden. Aber der Fisch war das Highlight.

    Es ging zurück und ich schaute mir die Ausstellung weiter an. Sie besteht nicht nur aus einem Nachbau der RA II. Das leben und Handwerk der hier lebenden Uru-Indianer wird ebenso veranschaulicht. Von der Webkunst bis hin zur wirklich handfertigen Herstellung von Schuhen aus Autoreifen. Das ist doch mal fortschrittliches Recycling! Nun ja, leider schon wieder museumsreif. Außerdem gibt es hier noch eine interessante Ausstellung zu Archäologie zwischen Salar Coipasa bis zum Titicacasee sowie dazugehöriger Atlantis-Forschung. Allen Gegnern zum Trotz - solange wissenschaftliche Indizien zusammengetragen werden und man noch immer auf Artefakte stößt die wir mit unserer heutigen Lehrmeinung nicht erklären können hat jeder Fakt das Recht auf Wahrheit bis er bewiesenermaßen widerlegt ist. Anders geht das in der Steinzeitforschung auch nicht zu da wir erklären können wie es womöglich war aber wir können nicht in die Vergangenheit reisen um nachzusehen.
    Während wir auf der Bank sitzen und über die Projekte im Verein sprechen kommt Fermins angekündigter Besuch. Wovon ich an diesem Nachmittag jedoch überrascht bin, dass es ein Filmteam ist. Meinen Rucksack und die dreckigen Wandersachen verstecke ich lieber hinter der Kamera. Fermin kommt nicht umhin den zwei Spaßvögeln aus Kolumbien die Tradition von Schilfbooten und dem Bau näher zu bringen. Ich unterhalte mich indessen mit dem Regisseur und bin ganz froh dass ich diesmal nicht mit ins Kolumbianische Fernsehen komme. Entspricht glaube ich nicht ganz meinem Format.
    Zum Abendessen drehen sie im Dorf die Musik auf. Hier, wo sonst nur aller zehn Jahre etwas los ist wird genau heute ein Fest gefeiert. Wie sich später herausstellt wird geheiratet. Da wir jedoch nicht eingeladen sind bleiben wir auch nicht lang. Die Feier findet im Freien bei um die 0 Grad statt.
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  • Isla Suriqui

    9 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ 13 °C

    Stellt euch eine traumhafte Insel inmitten des Sees vor. Abgesehen davon dass der See in einen kleinen und einen großen See unterteilt wird. Von Huatajata aus steuern wir mit der Fähre eine Stunde über den ‚kleinen‘ See. Fermin‘s Verwandtschaft wohnt hier und er hat selbst ein kleines Haus. Das größte Dorf der Insel befindet sich in einer Bucht. Doch hier zeigen sich bereits die Schattenseiten des Sees. Der verliert nämlich aktuell jedes Jahr 20-25 cm Wasserstand. Nun wird er nicht gleich austrocknen aber er schrumpft.
    Die Insel ist heute die ‚Hauptstadt des Totora‘s‘ hier gibt es etliche Kunsthandwerker die aus Totora Vasen, Körbe und sogar Stühle und Tische herstellen. Fermin leitet und organisiert die Gewerke heute ein wenig für sein spezielles Hotelprojekt. Dabei legt er mittlerweile durchaus deutsche Tugend an den Tag - Antreiben damit auch jeder mithilft und das Ziel nicht unerreichbar bleibt. Außerdem sind keine Abweichungen erlaubt. Wo gibt es sowas schon sonst noch einmal in Bolivien?
    Die Insel ist aber sicher auch deshalb wirklich schön weil es keinerlei touristische Infrastruktur gibt. Das einzige wovon die Bewohner einst profitierten war der Besuch des Präsidenten der sich kurzum fragte warum die Leite Abends im Dunkeln sitzen. Seitdem hat die Insel eine Stromleitung. Immer zu Ostern gibt es ein Fußballturnier mit den umliegenden Inseln im See. Dazu wurden auf der 2.000 Mann starken Insel mit Staatsgeldern extra drei Fußballplätze errichtet. Für ein Krankenhaus hat es noch nicht gereicht. Oder die Leute sehen eben die Notwendigkeit nicht. Die Familien leben ursprünglich von wenig Landwirtschaft, ein bisschen Schiffbau und eben dem Totorahandwerk. Nun ist der Winter ein schlechter Zeitpunkt um sich ein Bild davon zu machen. Geerntet wird im März, im April getrocknet und dann verarbeitet. Große Bauprojekte stehen derzeit keine an. Dadurch steht natürlich auch noch tonnenweise Schilf an den Ufern und vergeht gerade. Doch um sich davon ein Bild zu machen muss ich mich anstrengen. Hinter dem Haus geht es mit Kletterkünsten hinauf auf einen Aussichtspunkt. Was soll ich schreiben? Schöner kann man sich den Titicacasee nicht vorstellen als wenn ich hier mittendrin stehe.
    Selbst die Inca bauten auf dieser schönen Insel einst Häuser mit Drainage und Regenrinne. Von den Ruinen bleibt heute kaum etwas übrig da die Leute diese als Steinbruch für ihre eigenen Häuser verwendeten bis der Ziegelstein auch die Insel erreichte. Auch sonst ist kaum etwas wie es einmal war. Die Regenzeit hat sich dermaßen verkürzt dass eben nicht nur der Wasserstand sinkt. Die gesamte Insel ist auf Terrassen begradigt. Dort kann jedoch wegen fehlendem Regen gar nichts mehr angebaut werden. Nur noch auf einem dünnen Streifen entlang des Wassers auf dem einst Schilf wuchs und heute als Dünger dient. Für das Trinkwasser gibt es eine Zisterne zu der jeder Hausstand täglich einmal seine Schubkarre mit entsprechend vielen Kanistern fährt.
    Und weil das mit dem Trinkwasser so schwer ist haben findige Leute auf der Insel einen Kiosk installiert der unter anderem auch Kaffeelikör und Cola verkauft. Vielleicht nicht notwendig aber für die Geselligkeit überlebenswichtig auf der Insel. Nach dem Abendessen lädt uns der Onkel von Fermin auf ein zwei Flaschen ein. Dazu werden traditionell Coca-Blätter gekaut. Immer wenn das Glas auch nur genippt und in kleinen Zügen getrunken wurde wird gleich wieder nachgeschenkt. Wie ich es erwartet habe erfahre ich mit der Zeit wer aus dem Verein noch alles schon bei Fermin‘s Onkel zu Gast war. Uffz, eigentlich weiß ich es ja besser. Weder verträgt der Alkohol sich mit der Höhe, noch damit dass die Fähre zurück aufs Festland bereits morgen früh um vier geht. Was für eine Unzeit zum Montag. Liegt aber wohl daran dass die Leute dann weiter nach LaPaz auf die Märkte fahren, dort kaufen/verkaufen und am Mittag auch schon wieder mit der letzten Fähre zurück auf die Insel wollen. Was tue ich nicht alles um Gastfreundschaft zu erwidern.
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  • Wir feiern heute Jubiläum!

    10 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ 14 °C

    Als ich schon längst in der Koje liege kommt Fermin von seinen Verwandten auch endlich schlafen. Und als ich kurz vor vier vor seiner Tür klopfe steht er auch schon wieder gerade. Glücklicherweise erzählt er mir dass gegen Mittag noch ein anderer ans Festland fährt so dass wir auf die öffentliche Fähre nicht angewiesen sind. In Ruhe kann ich mich wieder hinlegen. Am Ende verschlafe ich sogar den Sonnenaufgang. Wir nutzen die zusätzliche Zeit auf der Insel für einen Spaziergang auf den höchsten Punkt. Hier lässt sich von Tiawanacu bis hinüber auf den großen See blicken. Unsere Fähre zurück ist im Eiltempo unterwegs. Im Museum für Totora und Frühgeschichte rund um den Titicacasee erwarten wir gemeinsam noch eine Reisegruppe für den Nachmittag. Die verspätet sich so sehr dass zwischendurch noch ausreichend Zeit für eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt über den See vom Festland bietet und über die Cordillera Blanca.
    Sehr zum Leidwesen von Fermin erfahre ich dass ihm heute eigentlich die Zeit im Nacken sitzt. Zu Hause wartet noch ein Geburtstagskind auf ihn. Und sehr zu meinem Leidwesen erfahre ich das Geburtstage in Bolivien ähnlich gefeiert werden wie in Deutschland. Der Jubilar darf sich seine Lieblingsspeise wünschen und unabhängig davon gibt es Kuchen und Torte. :(

    Wir erwischen ein Collectivo und sind in einer halben Stunde zurück in El Alto. Dann noch einmal zehn Blocks irgendwo in die Pampa, fernab der Hauptstraße und mit Einbruch der Dunkelheit erreiche ich das Haus meiner Gastfamilie. Ringsum sind noch freie Bauflächen. Das ist selten in El Alto, liegt aber sogleich daran dass sich hier nur all jene niederlassen die von der gleichen Insel Suriqui stammen. Strikte Trennung wie bei den Handgewerken entlang der Straße auch.
    Nach einer herzlichen Begrüßung gibt es gemeinsames Abendessen. Zum Kompott gibt es lila Götterspeise. Ich löffle die künstliche Farbe nur wiederwillig, kann aber jetzt auch nicht meinen Rucksack auspacken und zeigen welch köstliche Alternativen es beim Obst gibt. Dann gibt es immer noch keine Torte, erst muss noch gewürfelt werden. Wer die meisten Straßen und nen Pasch würfelt gewinnt. Doch die Mutprobe in Sachen Gastfreundschaft ist noch nicht zu Ende. Jetzt kommt endlich die Torte auf den Tisch, und? Einmal mehr bekomme ich die Frage gestellt was ich besser kann. Instrument spielen oder singen. :/ Wir einigen uns auf ein ‚Happy Birthday’ in Englisch und Spanisch. Auf Aymara habe ich keine Chance. Dann wird noch die Torte geküsst um sich etwas zu wünschen, die Kerze ausgepustet und dann endlich wird angeschnitten. Cremetorte mit Erdbeerfüllung und Schokostreusel. Nach der hälfte sind alle bereits so satt dass auch ich mich verabschiede und bereits um zehn ins Bett rolle. Das lange Warten und das Durchhaltevermögen haben sich gelohnt.
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  • Tiwanaku

    11 Julai 2023, Bolivia ⋅ ⛅ 14 °C

    Mit großer Zuversicht starte ich in den Tag. Dabei werden heute hauptsächlich Checklisten abgearbeitet. Liste #1 - die nächsten Tage wollen organisiert werden was jede Menge Schreibkram bedeutet. Liste #2 - es ist nach so viel Inselleben wieder einmal an der Zeit ein Weltkulturerbe zu besuchen. Liste #3 - mein Spanisch muss auch noch ein bisschen besser werden.
    Um der Vielfalt Genüge zu tun bekomme ich heute nicht Fermin sondern seinen Sohn Yjuri an die Hand. Der kennt sich „genau so gut“ aus und kann außer Aymara auch Spanisch. Gemeinsam geht die Fahrt in Richtung Tiwanaku. Lange währt das jedoch nicht. Dann stecken wir erst einmal im Verkehrschaos von LaPaz fest. Hupen, tuten, sogar den Krankenwagen nachahmen. Nichts hilft bis wir uns entschließen zu Fuß weiter zu laufen. Mit dem nächsten Kleinbus geht es dann vom Terminal Interprovincial ohne Probleme weiter bis ans Ziel.

    Wer jetzt meint dass ein UNESCO-Welterbe stetig von Touristen überrannt wird täuscht sich hierbei. Die waren alle vor drei Wochen zur Wintersonnenwende hier. Heute sind wir mit nur drei Gruppen fast allein auf dem riesigen Tempelareal unterwegs. Dabei sind hier nur die Tempel ausgegraben. Archäologen wissen dass unter den Häusern der heutigen Stadt noch viel mehr Ruinen schlummern. Doch da lassen die Bewohner keinen ran. Wegen ein paar Archäologen lässt man sich nicht umsiedeln.

    Im Museum schauen wir zunächst was man außer Steinen bereits alles ausgegraben hat. Dazu gehören vor allem Gefäße, kleine Öfen, Öllampen, Instrumente aus Knochen, Pfeifen und Mumien. Man unterteilt die Besiedlung auch in mehrere Epochen so dass sich dieser Tempelkomplex über mehr als 1.000 Jahre entwickelt hat. Die Erwartungen sind groß was es heute noch zu bestaunen gibt. Nun bin ich aber eher durch die klassische Stufenpyramide geprägt. Rechteckig, drei Stufen, nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Den Tiwanaku war das zu einfach. Hier mussten die Tempelberge um fünf Ecken gebaut werden. Nichts scheint auf den ersten Blick symmetrisch außer vielleicht die Eingangsportale in den jeweiligen Tempel. Wozu die Tempelanlagen wirklich alles dienten erzählt einem heute keiner. Kult, Opfergaben, Astronomie - soweit wissen wir es genau. Dann gibt es aber noch heute andauernde Ausgrabungen die immer wieder verarbeitetes Kupfer zu Tage fördern. Kaum jedoch Gold und andere Grabbeigaben die einer Zeit bis vor 500 Jahren gerecht würden. Stattdessen werden sehr viele Megalithen verbaut und Monolith-Figuren aus Stein. Sonnen- und Mondtore schmücken die obersten Pyramidenstufen. Aus einer sonst so fortschrittlichen Kultur blieben kaum Zeugnisse über. Wenn man so will führt sich das bis heute weiter. Am Eingang werden zum Abgleich der Tickets nach mittelalterlicher Manier noch Bücher von Hand geführt.
    Und doch gleicht das ganze eigentlich moderner Architektur. Weite offene Räume, viel Stein, zum Teil aus dem ganzen geschnitzte Steinplatten von immenser Größe und dazwischen nur wenig Platz für Grünes. Fehlt nur noch dass sie auch Glas benutzt haben. Immerhin gibt es ein ausgeklügeltes Drainagesystem rings um jeden Tempel wenn es denn doch einmal regnet.
    Doch damit sind diese rätselhaften Ruinen noch lange nicht erschlossen. Abseits der Touristenpfade entdecke ich auf einem einzigen Torbogen dass auch die Rückseite eingraviert wurde was sonst eher unüblich ist. Vielleicht eine Sternkarte. Ich weiß es nicht. Und leider hält sich die Darstellungskunst und die Art Ausstellungsstücke zu erklären bei bolivianischen Archäologen sehr in Grenzen. Ankersteine lassen weitere Fragen unbeantwortet. Wieso braucht eine Architektur die allein auf der Schwerkraft beruht und eigentlich so passgenau arbeitet dass nicht einmal eine Ameise durch krabbelt, wieso brauchen bestimmte Steine hierbei einen Metallanker? Wieso konnten die Erbauer Wände auf den Millimeter genau am Himmel ausrichten aber ihre Straßen stehen denen des heutigen LaPaz in Sachen Schlagloch und Stolpersteine in nichts nach?

    Unterdessen empfinde ich dass die Archäologen von heute keine ordentliche Anleitung haben. Auf dem kleineren Tempelkomplex wird alles was irgend wie in Stein geschnitzt und verziert ausschaut ausgebuddelt und wild aneinander gereiht. Hauptsache es gibt etwas zu sehen. Ob dadurch die Funktion wieder gegeben wird ist nebensächlich. So steht auch das Sonnen und das Mondtor heute dort wo Touris die besten Selfies schießen können, nicht aber an ihrem ursprünglichen Platz. Es ist dennoch sehr schön anzuschauen und vermittelt einen Eindruck über die Inka wie bislang sonst nirgendwo in Bolivien.

    Zum Abschluss ging es noch in die Lithographische Ausstellung. Zwei Räume. In einem wird Keramik ausgestellt - soviel zur Litographie. Der andere Raum beherbergt nur eine einzige Statue. Die große Puchamama. Als sie zuerst in den 1930er Jahren entdeckt wurde stellte man sie mitten in La Paz aus. Glücklicherweise stellte man fest dass sie da mehr Schaden nimmt als notwendig und brachte sie zurück nach Tiwanaku.

    Auf dem langen Weg zurück in die Stadt kommen wir durch die kleine Ortschaft Laja. Dies war der eigentliche Gründungsort des heutigen La Paz interessanterweise genau da als die Inka uns verliesen. Am nächsten Wochenende wird das zwei Tage lang groß gefeiert.
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  • La Paz von unten

    12 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ 19 °C

    Dritter Versuch dass ich mir heute La Paz anschaue. Mit der Seilbahn in 70min einmal quer durch die Stadt und dann wird von unten nach oben durchgekämmt was ich mir noch vorgenommen habe. Dazu gehört zuerst ein Besuch in der Zona Sur. Mir ist empfohlen worden hier in Bolivien noch einen Zwischenstopp im Regenwald zu unternehmen. Kann man machen, ist aber zeitaufwendig. Allein Der Bus ins 200km entfernte Rurrenabaque benötigt gut 20Stunden. Darum treffe ich mich mit einem Tourveranstalter der den Weg zur Reise macht anstatt zur Tortour. Büroadresse bekannt, Hochhaus in der Zona Sur, Fahrstuhl rauf … auf einmal stehe ich in der Privatwohnung mitten im Wohnzimmer. Feine Möbel, viel in weiß gehalten, ein Sofa das wenig benutzt ausschaut dazu ein weißer Schreibtisch der gut aus einem Antiquariat stammen könnte. Das Büro. „Ja, ja, setz dich bitte, ich habe heute noch keine Mails angeschaut.“ kommt mir der Mann gegen um zehn mit einem Kaffee entgegen. Wir kommen ins Gespräch über andere Touren am Sajama und dem Titicacasee. Außerdem versuchen wir einen der Guides am anderen Ende des Regenwaldes zu erreichen.
    Wir verabreden uns am Nachmittag noch einmal zu sprechen. Mein Weg führt indes weiter durch die Zona Sur. Hier gibt es alles was eine Großstadt sonst ausmacht, was ich bislang in La Paz vergebens gesucht habe. Richtige Supermärkte, Schuhläden, Anzugträger. Je tiefer man in der Stadt kommt desto reicher wohnt die Gesellschaft.

    Vorbei an leckeren Cafés geht der Weg noch weiter gen Süden. Im Valle del Luna hört La Paz schon fast wieder auf. Das Tal ist trotzdem etwas für neugierige Besucher. Der wenige Regen der hier fällt hat den Sandstein ausgewaschen und zu einer Mondlandschaft geformt. Ein einziger Berg. Sonst ringsum werden Villen gebaut was das Bauland hergibt. Und wo das nicht geht leuchtet der Fels rot wie auf dem Mars. Nur hier, hier ist das anders.
    Nun muss ich mich langsam wieder zurück arbeiten. Noch vor der Rushhour bin ich mit dem Kleinbus im Süden des Zentrums. Dort gönne ich mir erst einmal eine große heiße Schokolade und zwei Stück Torte bevor die leidige Geldbeschaffung wieder losgeht. Ein paar mehr Kalorien können nicht schaden. Noch am Wochenende dachte ich eine Bankengruppe gefunden zu haben die keine horrenden Automatengebühren verlangt. So galt das für dieses eine Geldhaus am anderen Ende des Stadtviertels. Hier schaut die Sache anders aus. Also wieder fünf Banken ausprobieren bis ich die richtige gefunden habe. Aber immerhin gibt es überall die Eine.

    Abgesehen von den Vorbereitungen auf den Geburtstag der Stadt am kommenden Wochenende befinden sich die meisten Attraktionen der Stadt im Umland. Nur für ganz Wenige wie das Folkloremuseum mit einer Ausstellung des Kunsthandwerks aus jeder einzelnen Provinz hat man eine Ausnahme gemacht und sie zentral versammelt. Dazu zählen die Webtechniken, unterschiedliche Kleidungsstile je Provinz, unterschiedliche Mützenfarben, Federschmuck, Silberschmuck und Numismatik.
    Bevor es am Abend wieder zurück geht schlendere ich noch über den Mercado Burja. Einer von vielen Hexenmärkten in der Stadt. In so einem riesigen Wimmelbild wie in La Paz braucht es auch höheren Glauben um das große Ganze irgendwie zusammen zu halten. Natürlich haben die Opfergaben auch heute einen tiefen Hintergrund für die Bevölkerung.

    Vorbei ist die Zeit da die Häuser schön verputzt sind als ich zurück nach El Alto gelange. Kaum ist die Sonne untergegangen wird es höchste Zeit für die Wollmütze. Wie auch in den letzten Tagen erwartet mich noch ein lustiges Würfelspiel bei Fermin. Nur das heute die gesamte Familie zusammenkam um der Mutti ihren Geburtstag nachzufeiern. Nebenher wird Coca gekaut als wäre es Schokolade. Es bleibt mir nur später hoffentlich heile in meinem Bett anzukommen.
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  • Senta Verde Coroico

    13 Julai 2023, Bolivia ⋅ 🌧 19 °C

    Passend zum Aberglaube um den Dreizehnten ging mein Plan nicht auf. Noch am Abend erhielt ich Nachricht dass meine zugesagte Tour wieder abgesagt werden musste weil sich jetzt in der Ferienzeit kein passender Guide mal eben für sechs Tage von der Familie frei machen konnte. Ziel war es mit einem Floß in den Regenwald aufzubrechen und von Sapecha nach Rurenabaque zu fahren. Das wäre spontan ganz nach meinem Geschmack gewesen. Vielleicht bin ich aber auch einfach immer nur all zu zuversichtlich dass sich hier in Bolivien ein Großereignis dem anderen anschließt.

    Am Morgen verabschiede ich mich von meinem lieben Fermin. Er und seine Familie waren für fünf Tage mein Zufluchtsort von dem ich wusste dass ich jederzeit zurückkehren könnte wenn mir in LaPaz die Ideen ausgehen sollten oder am Abend die Luft raus ist. Vom Terminal Minasa fährt ein Collectivo die Schlucht bis in den Regenwald in der auch die ehemalige ‚Road of death’ verläuft. Erstmals in fünf Monaten muss ich mein Gepäck selbst oben auf dem Kleinbus stapeln. Hochklettern, Balance halten und die 23kg sachgerecht verstauen. Dann beginnt die Fahrt über 2.000m in die Tiefe nach Coroico.

    Anfangs fühle ich mich noch in die französischen Alpen zurück versetzt. Karge Gipfel und ein paar Bergseen. Danach fällt jedoch das Altiplano steil bis in den Regenwald hinab. Auf irgendeiner Seite vom Auto geht es immer 1.000m in die Tiefe. Allein von der Straße frage ich mich ernsthaft wieso das gefährlich sein soll. Dabei lasse ich zumindest Anfangs mit einer Rosaroten Brille außer Acht dass ich in Bolivien bin und hier jeder fahren darf sobald er ein Auto zum Laufen bringt. Die teils waghalsigen Überholmanöver machen der Road of death, ob nun die Neue oder Alte, alle Ehre. Mit einigen neuen blauen Flecken und einer Beule am Kopf komme ich wohlbehalten in Coroico an. Das wäre ja auch gelacht.

    Hier unten auf nur noch 1700m ist es schwül warm. Ein paar Wolken verdecken nach Wochen das erste Mal wieder die Sonne und in der Nacht haben sie sogar Regen angekündigt.

    Der Frust über die abgesagte Tour ist noch nicht verflogen. Ich werde hier auch nicht tagelang verweilen. Aber Bolivien nur vom Altiplano aus zu betrachten wäre auch keine Lösung. Und immerhin gefällt mir Coroico zehn Mal besser als denn Santa Cruz. Wie ein Adlerhorst ist das Dorf an den Berg geklebt. 20 Grad Steigung und mehr sind hier keine Seltenheit im Bergregenwald. Etwa eine halbe Stunde mit dem Kleinbus entfernt liegt das Dorf Yolosa. Eigentlich nur den Mountainbikern ein Begriff die von LaPaz die alte road of death hinunter rasen und hier ankommen. Für mich ist der Ort viel mehr interessant wegen seiner Wildtierstation. Das Senta Verde Wildlife Sanctuary beherbergt Tiere die in LaPaz ein Dasein als Haustiere fristeten oder die in der Natur nach Wilderei größere Verletzungen auskurieren müssen. Bereits am Eingang begrüßt mich ein Tapir. Sein glänzendes Fell und sein zum Teil unbeholfener Rüssel sind so süß! Kein Wunder dass es regelmäßig gejagt wird. Für Wilderer ist es zudem ein leichter und guter Fleischlieferant. Kurz darauf bekommt unsere Gruppe Besuch von Waldschildkröten. Denen geht es hier gut. Die sind so flink drauf! Mit denen in Galapagos nicht zu vergleichen. Außer vielleicht dass sie ebenso locker 100-200 Jahre alt werden. Dann wird es laut. In einer riesigen Voliere leben Papagaien. Es gibt hier in Bolivien ein paar rote Aras. Die dominante Farbe ist jedoch grün.
    Die Wildtierstation hat zudem ein ganz interessantes Konzept. Um die Tiere den Besuchern näher zu bringen sind hier die Besucher „eingesperrt“ und die Tiere dürfen sich weitestgehend frei bewegen. Zudem herrscht Maskenpflicht um die Tiere vor eingeschleppten Krankheiten zu schützen. So stehe ich inmitten der Voliere. Alles krächzt um mich herum. Es geht lauter zu als in La Paz während der Rush hour.
    In einem abgetrennten Bereich des Waldes gibt es einige Gehege mit Starkstrom. Hier leben Brillenbären, Ozelote, Jaguare und Pumas.
    Die Wildtierstation ist einmal mehr eine gelungene Möglichkeit jene Tiere zu sichten die sonst stets im verborgenen bleiben und die auch während einer so langen Reise oft aus dem Blickfeld rücken. Dabei brauchen wir sie um so dringender als sie uns.
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  • Erstmal ein Kaffee!

    13 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☁️ 20 °C

    Wenn ich gefragt werde was ich auf dieser Reise bislang vermisse lautet die Antwort - ein richtig schönes Gewitter im Urwald. Wenn der Regen prasselt, die dunkle Nacht taghell wird und hinterher ein tiefer Bass durch meinen Magen zieht. Das elektrisiert wie Schmetterlinge im Bauch. Die Chancen standen in der Nacht nicht schlecht. Ich bin gerade noch trocken von der Senta Verse Wildtierstation zurückgekehrt als es zu tröpfeln beginnt. Ich setzte mich noch für ein Feierabendbier auf die Terasse. Der Wind frischt auf. Trotz dass ich überdacht sitze weht der Niesel bis hu mir auf den Tisch. Bald nieselt es nicht nur, es schüttet. Heißt ja zum Glück auch nicht umso st Regenwald. Bald darauf wird der Regen so stark dass ich allein auf den 10m Weg von der Terrasse bis zum Zimmer vollständig nass werde. Fehlt jetzt nur noch das Gewitter laut Wettervorhersage. Doch darauf warte ich vergebens.

    Die ganze Nacht regnet es und ich bin heil Froh mich diesmal gegen das Zelten entschieden zu haben. Doch auf das fehlende Gewitter brauche ich heute früh erstmal einen Kaffee! Ich habe auch bereits eine Empfehlung für ein ganz besonderes Café in Munaypata erhalten. Also laufe ich mal eben die vier Kilometer dahin. Ei der Ankunft ist das Tor versperrt. Steht aber geschrieben wenn keiner da ist dann bitte anrufen. Kurze Zeit darauf bekomme ich die Frage gestellt ob ich nen Kaffee trinken möchte oder ob ich auch Zeit hätte mir die Geschichte zu dem gebrühten Kaffee anzuhören. Ich habe mich zwar nicht dazu angemeldet aber klar, warum nicht?

    Soviel vorab, ich habe selten einen so lehrreichen Kaffee getrunken. Es gibt weltweit hunderte verschiedene Varietäten die genutzt werden. Grob lassen die sich drei Sorten unterteilen von denen ‚Arabica’ und ‚Robusta’ die bekanntesten sind. Während Robusta für eine großgezüchtete Kaffeebohne mit reicheren Erträgen jedoch weniger Geschmack steht ist eigentlich alles was früher an Kaffee aus dem Orient kam ‚arabisch‘. In der Geschichte leitet sich der Name wohl genau so ab wie der Panamahut eigentlich aus Ecuador stammt. Der letzte Auslaufhafen vor Europa und damit die Herkunft der Ware war jedoch Panama.
    Geerntet wird auf den 12ha Plantage nur per Hand. Weder dürfen die Früchte noch grüne Stellen haben noch überreif sein. Das hängt später damit zusammen das in Bolivien wirklich die gesamte Ernte verwendet wird. Also auch das Fruchtfleisch, nicht nur die Bohne. Ebenso machen diverse Pilze den überreifen Früchten zu schaffen oder kleine Insektenlarven. Das verändert den Geschmack ungemein. Die gesamte Plantage ist zudem keine Monokultur. Hier wachsen Mangobäume, Zitronen, Orangen und vieles mehr weil die Blüte auf den gleichen Zeitpunkt fällt und die Insekten daher viel mehr bestäuben. Außerdem sorgen die Bäume für Halbschatten, Feuchtigkeit und die Kompostierung der abgestorbenen Blätter und Äste sorgt gleichzeitig für eine stete natürliche Düngung.

    Nun wird zwar zweimal im Jahr eine richtige Erntekampagne durchgeführt. Es läuft aber auch so mindestens einmal täglich ein Arbeiter durch die Plantage und sammelt reife Früchte ab bevor die überreif werden. Außerdem wird hier unabhängig vom Verkauf ein ganz besonderer Kaffee gesammelt der es auch nie bis in den Handel schafft. Der sogenannte Penelope-Kaffee. Hier in Bolivien ist es keine Meerkatze sondern ein Vogel mit lateinischem Namen Penelope dessen Magen die Früchte fermentiert und die ausgeschiedenen Kaffeebohnen wieder eingesammelt werden.

    Als nächstes geht es um die Aufzucht und wie Kaffee sich in ein intaktes Ökosystem integrieren lässt. Ein Kaffeebaum beginnt zu tragen wenn er etwa 4 Jahre alt ist. Nach 30 Jahren wird verjüngt. Dabei werden den großen Schattenbäumen ebenfalls Äste entfernt um mehr Licht an den Boden zu bringen. Es werden jedoch nie ganze Bäume gefällt. Der Kaffeebaum selbst wird aus dem Samen gezogen. Klassische Aufzuchterde besteht hier aus zweiDrittel Muttererde und einem Drittel Asche. Es braucht ca. einen Monat bis Keimlinge sprießen. Und einen weiteren Monat bis der Setzling in die Baumschule kommt. Dafür werden die Pfahlwurzeln gekappt um mehr Wurzelfläche zu generieren die den Baum besser mit Nährstoffen versorgt.
    Wenn die Kaffeebeeren dann irgendwann geerntet werden kommt alles in ein Wasserbecken. Beim Waschen werden kranke Bohnen und genau so Holzrester aus der Ernte entfernt. Dann wird Bohne und Fruchtfleisch getrennt. Die Bohne kommt zum fermentieren in einen Bottich, das Fruchtfleisch zum Trocknen auf eine Luftige Matte. Daraus wird hier in Bolivien unter anderem köstlicher Frühstückstee hergestellt. Außer Keksen und dem Tee gibt es sonst nicht viel auf das man sich früh hier freuen kann. Die Bohnen indes sind noch von einer glitschigen Schicht umgeben. Die ist wichtig. Daraus lässt sich unter schwierigen Bedingungen Honigkaffee herstellen. Leider sind die Pilze oft schneller was die Ausbeute sehr schmälert. Beim üblichen Trocknungsprozess sorgt diese Gelschicht dafür dass die Bohne 11% Restfeuchte behält. Nur so überlebt sie den Röstprozess ohne zu verbrennen. Das dauert etwa 20 Tage bei angenehmen 23-33 Grad. Erst dann wird die Spelze entfernt und bei 180 Grad geröstet. Wenn das gut gemacht wird, bis etwa 90Sekunden nach dem sogenannten ersten Crack dann ist der Kaffeeduft unwiderstehlich. Und der Geschmack? Der Hochlandkaffe von hier enthält noch viele Säuren die man je nach Zubereitungsart auch herausschmeckt. Eine andere Sorte die ich als Espresso probiere schmeckt eher noch grün hinter den Ohren. Deshalb wird später vom Handel ja meist auch gemischt. Und nein, die Varietäten von hier kommen für meinen Geschmack nicht an Galapagos oder Kenia heran. Aber ich habe jede Menge dazu gelernt. Was will ich also mehr?

    Es wurde sich aber auch hier schon damit beschäftigt warum manche Menschen den Kaffee vertragen und andere zum Beispiel Sodbrennen bekommen. Erklärung: wer Magenschmerzen oder Kopfschmerzen vom Kaffee bekommt hat einfach die falsche Sorte. Für Europa hergestellter Billigkaffee wird meist sowieso zu stark oder zu lange geröstet bis nach dem sogenannten zweiten Crack weil uns eingeredet wird dass das Spitzenqualität sei. Dabei verliert eine jede Varietät mit dem zweiten Crack ihren individuellen Geschmack. Oder aber es ist für sich die falsche Varietät. Bei Sorten wie Penelope oder Geisha sind wegen der Zwischenfermentierung durch Tiere spätere Magenprobleme ausgeschlossen. Dafür kann allein die Tasse hierbei schnell mal 20$ kosten. Na dann, wohl bekommens!
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  • Isla del Sol

    15 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ 9 °C

    Es ist ein mieses Gefühl zu wissen dass man nicht mehr zur rechten Zeit zum rechten Ort kommt. Meine Kaffeeverkostung hatte sich über zwei Stunden hingezogen. Nun fehlten am Abend Zwanzig Minuten um den letzten Anschluss nach Cocacabana zu bekommen. Also in La Paz übernachten und am nächsten Morgen weiter. Vom Busbahnhof in der Stadt fahren genauso Busse wie von El Alto. Sie kosten nur das doppelte und brauchen doppelt so lang für die Strecke. Also, wer kann fahre mit der Seilbahn eine Stunde nach El Alto und von da mit dem Collectivo. Das ist immer noch schneller.

    Vom Festland geht es auf die Isla del Sol. Dort wo die Sonne geboren wurde und heute immer noch brennt. Es ist ein komisches Gefühl. Am Strand von Cocacabana liegen dreißig und mehr Fährbote vor Anker. Alle warten nur darauf die Touristen für Tagesausflüge oder zum Übernachten auf die Isla del Sol zu fahren. Das geht durchaus mit Chaos einher wer denn nun auf welches Boot gehört. Wenn unten alle wie die Heringe einsortiert sind frage ich beiläufig ob ich mich nicht oben aufs Dach setzen kann. Ich weiß von der Isla Suriqui dass es geht und der Kapitän hat auch kein Problem damit. Doch hier oben beginnt wenig später eine ganz andere Welt und der Zauber von der Isla del Sol beginnt zu wirken.

    Die Sonne glitzert im Wasser so hell wie tausend Diamanten. Umso stärker je näher ich der Insel komme. Fast schon beiläufig liegt der Sonnentempel der Inka heute Nachmittag im Schatten. Mit der Ankunft geht das Gewimmel wieder los. Alles will entladen werden. Nicht nur die Touristen. Auch die Cola und das frische Bier. Einzig haben die Getränke den Vorteil dass sie von Eseln den Berg hinauf getragen werden. Die gesamte Insel ist autofrei. Mein Rucksack trägt sich nicht von allein 200m die Treppe hinauf. Erst laufe ich gemütlich ein paar Tagestouris hinterher dann wird es mir aber zu bunt und ich setze zum Überholen an. Dabei komme aber auch ich dann aus der Puste. Mit zwei mal verschnaufen erlange ich den Bergkamm auf dem der Ort Yumani erbaut wurde. Für heute will och hier nicht mehr runter! Der Ausblick ist grandios und reicht von der Cordillera blanco bis nach Peru hinüber. Für meine Gefühle beziehe ich das beste Haus am Platz mit Sonnenterrasse und Blick auf den See in drei Richtungen.

    Dann hält mich jedoch auch die Erschöpfung vom Anstieg nicht zurück. Dieses Kleinod will entdeckt werden. Die Insel hat gerade einmal 4x9km. Die Frage stellt sich mir wie die Inka es schafften diese Fläche, besser dieses Gebirge! Ausnahmslos zu terrassieren. Überall stehen seit hunderten von Jahren zum Teil Mannshohe Mauern aus Naturstein. Selbst ohne Mörtel und nach so langer Zeit - da wackelt nichts! Außerdem wurden die Terassen nie wie Reisterrassen gerade sondern nach links bzw. rechts leicht abfließend gebaut was das ausgeklügelte System der Selbstbewässerung besser löste und mir im Zickzack viele tausend Treppenstufen erspart.

    Da wo die Sonne geboren wurde geht sie nun Tag für Tag im Wechsel im Westen schlafen und steht am nächsten Morgen im Osten wieder auf. Trotz dass das schon eine gefühlte Ewigkeit so ist zieht es mich immer wieder in seinen Bann. Unterdessen feiern die Einwohner im Dorf ein Fest zum Wochenende. Das Tamborin höre ich über die ganze Insel und weit bis nach Mitternacht. Die Insel hatte erst kürzlich schwere Zeiten durchlebt. Nachdem Touristen ermordet wurden weil das Eine Dorf zwar vom Tourismus lebt, die anderen jedoch nichts mit den ganzen Ausländern zu tun haben wollten wurde kurzerhand die halbe Insel gesperrt. Die sperre wurde wieder aufgehoben nichts desto trotz kann ich den Wunsch respektieren und schaue nicht erst nach wer da was feiert.
    Binnen Minuten ist die Sonne vom Himmel gefallen und gleich darauf ist es stock dunkel. Zum Abendessen kann ich mich zwischen mehr Pizzerien entscheiden als wahrscheinlich Fische im See schwimmen. Zum Schluss fällt die Wahl dennoch auf eine leckere Forelle mit Reis und mit Kartoffeln als Beilage. Auch wenn sich mein Magen nicht an den vielen Reis gewöhnen will, da muss er jetzt durch! Für meine erste Reise durch Bolivien ist das ein gelungener Abschluss.
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  • Sonntag ist - - - Gottesdienst fürs Auto

    16 Julai 2023, Bolivia ⋅ ☀️ 11 °C

    Am Morgen steht nach dem Sonnenaufgang und dem Frühstück bereits die Rückreise an. Zwei andere Bewohner in der Unterkunft ziehen ebenfalls zum Hafen hinunter. Etwa zwanzig Minuten später folgt uns die Besitzerin. Die zwei aus Spanien hätten noch eine offene Rechnung. Und es fügt sich ein interessantes Theaterstück von Auseinandersetzung. Während wir allesamt von der Tochter und ohne Registrierung eingecheckt wurden behauptet die Mutter jetzt die zwei hätten über booking reserviert was ja der übliche Weg sei und nur für eine von zwei Nächten gezahlt. Die Spanierin gerät an ihre Grenzen des Verständnisses und versucht sich nach einer hitzigen Auseinandersetzung in Atemübungen zum beruhigen. Der Spanier indes plappert fleißig auf die Frau in einem Tempo ein, dass ich nicht mehr mitkomme. Schlussendlich will man zur Polizei gehen. Die nächste Polizeiwache ist jedoch in Copacabana. Auf der Insel herrscht gewissermaßen Selbstjustiz. Nun will aber der Kapitän der zwischenzeitlich involviert war die zwei zahlenden Gäste nicht zu befördern, stattdessen die verärgerte Dorffrau nicht einfach so mitnehmen um zur Polizei zu gehen. Wer immer nun auch recht hatte geht die Dorffrau als Verliererin vom Feld. Kann man ja vielleicht auch zeitiger beim Frühstück klären wenn noch Geld fehlt zumal das ganze ohne Registrierung stattfand…. Meinen Respekt hat die Frau allerdings dass sie aus dem Nichts die Treppenstufen allesamt runter und nun ja auch wieder hinauf rennt. In der Haut ihrer Tochter möchte ich jedoch nicht stecken.

    Die lange überfahrt nach Copacabana nutze ich um für die nächsten Tage ein Verständnis von Peru zu bekommen. So armseelig das Leben in Bolivien sein kann. Es war doch eine schöne Zeit und ich kann nur jedem wärmstens ans Herz legen sich Minimum 4-5 Wochen für dieses Land Zeit zu nehmen. In Copacabana habe ich noch einige Zeit bis der Bus abfährt. Und es wäre doch gelacht wenn ich Däumchen drehe.
    Die Stadt hat unter der Woche nicht viel zu bieten. Einzige Attraktion ist eigentlich die Kathedrale. Alle weitere Kultur findet auf den Inseln statt. Die Basilica de la Virgin ist den Menschen am Titicacasee heilig. Sie beherbergt eine aus Ebenholz geschnitzte Jungfrauenstatue von Francisco Yupanqui, dem Enkel des früheren Inka Herrschers Tupac. Allein das ist schon eine interessante Verschmelzung der Kulturen. Der Bau selbst ist von außen ebenfalls viel imposanter als von innen. Gottesdienste werden deshalb auch gern einmal davor, also im Antlitz der Basilica abgehalten. Was wäre an einem Sonntag also passender?
    Bei meinem Spaziergang zur Basilica fällt mir auf dass viele Läute heute ihre Autos geschmückt haben. Links und rechts Blumen an den Spiegeln, manche Autos mit einem kleinen Schilfboot am Kühlergrill oder einem Hut auf dem Dach. Ich denke mir das ist vielleicht eine Hochzeit. Die Autoschlange reist und reist nicht ab. Ich frage später einen jungen Familienvater was hier denn los sei. Der erzählt mir erst irgendwas vom Gründungstag in La Paz. Ja, das weiß ich auch, darum bin ich ja auch hier und nicht in dem Trubel. „Ach hier? Ja hier dass ist eigentlich nichts Besonderes. Das findet jeden Sonntag statt. Und zwar kommen die Leute aus dem gesamten Einzugsgebiet vom See, sogar aus Peru und lassen ihr Auto hier segnen wenn sie ein Neues gekauft haben.“ Aha! Dann sehe ich auch schon die Ersten wie sie Konfetti schmeißen, Sektflaschen köpfen und damit den Motor taufen oder geduldig auf den Priester aus der Basilika warten der mit einem Zehn-Liter-Eimer Weihwasser umher geht um Fahrer und Fahrzeug zu segnen. Eigentlich kann das gar nicht mal schaden bei den ihrer Fahrweise.
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  • Islas Uros

    17 Julai 2023, Peru ⋅ ⛅ 14 °C

    Peru….auf der ganzen Reise habe ich bislang noch keinen solchen Kulturschock erlebt. Problemlos geht es über die Grenze. Tschüss Bolivien, bis zum nächsten Mal! Natürlich war nicht alles Gold was glänzt. Besonders im Altiplano wo nun nicht gerade die Reichen Menschen leben sondern jene die sich mitunter auch nicht mehr leisten können. Dennoch herrscht wine ausgelassene Fröhlichkeit und die Leute haben immer ein Lächeln auf den Lippen so dass die Füllungen und Brücken auf den Dritten Zähnen hervor blitzen.

    In Peru ist das Geschichte. Es liegt noch mehr Müll auf den Straßen. Die Gassen von Puno riechen abschreckend so dass man nicht unbedingt länger bleiben möchte als nötig. Die Leute sitzen auf der Straße und betteln weitaus penetranter um Almosen. Und jeder der im Tourismus tätig ist wirkt auf mich ebenfalls penetranter als noch in Bolivien. Das Geschäft mit den Besuchern wird groß geschrieben.

    Im Zentrum gibt es ein paar Lichtblicke nachdem ich mich darauf einlasse. In einer Straße frage ich nach dem Abendessen. Das „gewöhnliche“ was auch die Leute von hier essen würden und nicht etwa Pizza oder Bolognese. Der Mann im Kassenhäuschen winkt ab. Hier nicht, aber ich bring dich nebenan. Da ist heute Tanz und die haben zwei verschiedene Karten. Tatsächlich erhalte ich die Wahl zwischen dem Menu turistico und dem Menu economico. Den Weg hier her in den zweiten Stock eines Hinterzimmers hätte ich nie gefunden. Aber es macht einen ordentlichen Eindruck.
    Die Portion ist für hiesige Verhältnisse durchaus riesig. Daran sollte ich mich wohl leider nicht gewöhnen. Während das Essen kommt warten sechs Tänzer mit Folkloretänzen aus den verschiedenen Regionen Perus auf. Das stimmt mich positiv nach meinem ersten Eindruck.

    Am nächsten Morgen geht es auf die Inseln der Uro. Auch bekannt als die schwimmenden Inseln. 7km hinaus auf dem See liegen riesige Totora-Felder. Hierher hat es die Uro-Indianer gezogen die auf diesen Schwimmenden Inseln heute leben und ihr Kunsthandwerk verkaufen. Sie lebten ursprünglich auch auf dem Festland wurden aber hierher vertrieben und konnten damit gut leben. Die Inseln schwimmen allesamt wie Pontons im seichten Wasser bei 6-8m Wassertiefe und unterstehen dem ständigen Erhalt. Ganz unten schwimmen große Blöcke aus Schilfrhizom. Die werden verschnürt und bilden eine tragfähige Plattform auf die jeden Monat kontinuierlich neues Schilf aufgelegt wird weil es von Unten im Wasser natürlich auch weg fault. Wer aber glaubt hier ist alles aus Schilf, der irrt. Die meisten Hütten sind heute aus Pressspan mit Schilf verkleidet und es ist überaus wahrscheinlich dass einige Inseln bewohnt sind und andere den Touristen zur Schau gestellt werden.

    Es ist ein hartes Leben dass viele junge Menschen zurück in die Stadt treibt. Ob es also auch in der nächsten Generation diese Inseln noch geben wird ist fraglich. Die Lebenserwartung liegt unter dem Durchschnitt bei nicht einmal 70 Jahren. Vielleicht liegt das aber auch daran dass es hier zwar sogar eine Krankenstation gibt die allerdings so gut wie nie genutzt wird weil man viel lieber auf Naturmedizin vertraut und sonst nichts. Kann gut gehen, muss aber nicht.

    Trotz des boomenden Tourismus lerne ich auch einiges über die Region und den See neu. Die Region der Uro ist genau die Grenze zwischen den Aymara-Stämmen im Süden und den Quechua im Norden. Komplett verschiedene Sprachen und verschiedene Auffassungen von Religion und Glauben.

    Der See hat unterdessen schon mehrfach eine Namensänderung durchlaufen. Die Aymara nannten ihn früher ‚Mamacocha‘ - die Frau von Pachamama die die Sonne geboren hat. Überaetzt so viel wie „Mutter See“. Den Inka war das sicher genau so wichtig. Vermutlich in der Zeit als diese jedoch auf 6.500m die Cordillera blanca in Bolivien erklommen hatten zeigte sich ihnen dass der See die Form eines Pumas hat und zudem ob der Höhe seine Farbe von tiefblau nach grau änderte. Daher stammt möglicherweise der heutige Nama Titicaca, oder [Tidichacha] was so viel heißt wie grauer, versteinerter Puma
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  • Cusco

    18 Julai 2023, Peru ⋅ ⛅ 16 °C

    Willkommen im Zentrum der Macht. Heute stellt sich die Welt auf den Kopf …. Und mir in den Weg. Zuerst herrscht Alltag. Mit dem Nachtbus komme ich früh um sechs Uhr in Cusco an. Es wird gerade hell. Ich bin mit einem Tourguide verabredet. Wir wollen am Morgen ausloten welche Möglichkeiten es denn gibt ohne Voranmeldung und große Planung nach Machu Pichu aufzubrechen. Warum so eilig? Weil ich es nicht mag wochenlang im Voraus zu planen. Das gibt dem ganzen immer so einen Touch von Endzeitstimmung etwas verpassen zu können anstatt Vorfreude wenn bis zum Tag x nicht genug Zeit bleibt. Deshalb hier vor Ort und nicht etwa weil ich es eilig habe.
    Aber ich kann mich schon wieder aufregen. Den Kulturschock habe ich scheinbar doch noch nicht überwunden. Erst passiert über eine Stunde nichts. Ich stehe vor verschlossener Tür und ans Telefon geht auch keiner. Bin ich hier in Indien oder in Peru? Ich soll erst später erfahren dass die beiden Länder sich nicht wirklich viel nehmen. Und wo es gestern noch hieß „wir haben täglich irgendjemand der in Richtung Berge aufbricht“ - heißt es heute „für morgen haben die Linken in Peru wieder Streiks angekündigt. Aktuell geht morgen gar nichts.“ Warum bin ich eigentlich hergekommen? Ich wollte ursprünglich noch länger in Bolivien bleiben, stimmt‘s? Es nützt nichts. Wir müssen schnell eine einvernehmliche Lösung finden. Alles was es kostet ist Zeit und davon haben wir zu wenig um sie zu vergeuden.

    Mit Handschlag verabschieden wir uns um später am Nachmittag die Lage neu zu beurteilen. Dann gehe ich wieder in die Stadt. Zugegeben eine schöne Stadt. Cusco ist so ein wenig das La Paz von Peru. Bis über alle Hügel wurden Häuser gebaut. Jetzt fehlt nur noch die Teleferico. Also muss ich mich doch zu Fuß bis zum nächsten Cafe schleppen. Wenn es nicht sein soll dass ich mir tolle Landschaften anschaue dann eben die Menschen davor. In einer Toreinfahrt ist ein kleines Cafe gelegen dass vor Ort selbst röstet und 12! verschiedene Zubereitungsarten auf der Karte hat. Ohne Baristamaschine versteht sich, auf die klassische Art und weise. Ich entscheide mich für einen Kaffee ‚Origami‘. Das kenne ich noch nicht. Plötzlich kommt die kleine Barista mit einem Tablett, einem Kännchen, dem Kaffeepulver und einer Briefwaage an. Wo bin ich denn hier gelandet? Der Kaffee ist in Menge und Wassergehalt genau abgestimmt um Säuren und Fruchtgeschmäcker miteinander zu verbinden. Aha. Dann lasse ich sie machen und spreche über Munaypata, und Galapagos Kaffee. Der ist ihr auch ein Begriff. Klasse, endlich hab ich auch in Peru eine Seelenverwandte gefunden! Der Kaffee ist zudem sehr klar und ihm fehlt Farbe, keinesfalls jedoch der Geschmack. Für einen Moment fühle ich mich endlich in Peru angekommen.

    Am Nachmittag schaue ich mir an was mich am Besten auf Machu Pichu einstimmt. Die Ruinen von Sayakmarqa. Cusco war zu Zeiten der Inka der Nabel der Welt. Sie sei dort gegründet worden wo der Sonnenkönig es erstmals schaffte auf Anweisung einen goldenen Stab vollständig in der Erde zu versenken. …sprich wo fruchtbares Land existierte wenn man von woher auch immer eingewandert ist. Eigentlich lebten rings um den König nur ca. 2.000 Menschen in der Stadt. Wenn es Feste und Zeremonien abzuhalten galt kamen aus allen Landesteilen jedoch bis zu 20.000 Leute. Die eigentlichen Siedlungsüberreste halten sich daher eigentlich in Grenzen. Was die Ruinen von Sayakmarqa heute abbilden sind vielmehr Tempelanlagen, Grabanlagen, eine Festung und man würde es heute wohl Herberge mit Quelle bezeichnen für alle Reisenden die von außerhalb kamen und die Festung passieren wollten.

    Der Komplex ist indes viel größer als jener Teil der nur mit Ticket zu erreichen ist. Und so bin ich für gut Acht Kilometer Ausdehnung etwa vier Stunden beschäftigt mir Interessante Mauern und Steinhaufen anzuschauen. Währenddessen wird immer absehbarer dass ich morgen noch einen Zwischentag in Cusco einlegen muss. Es verhärtet sich nicht etwa der politische Wille zum Arbeitskampf sondern vielmehr der Unwille der Agenturen sich Gedanken zu machen was denn ein Plan B wäre. Also schmiede ich lieber mal meine eigenen Pläne. Wer weiß was morgen kommt.
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  • An Protest wächst die Erfahrung

    19 Julai 2023, Peru ⋅ ⛅ 19 °C

    Die angekündigten Proteste haben sich in Luft aufgelöst. Wie das für die Politik so üblich ist wurde viel angekündigt und nicht viel umgesetzt. Insgesamt kann ich auf der Straße heute morgen einmal 9 und einmal 2 mit Smartphone und Schutzschild bewaffnete Polizisten zusätzlich auf der Straße antreffen. Grund für die Proteste ist übrigens dass die Linke von Peru die Präsidentin nicht anerkennt. Diese wiederum will das Parlament eigentlich auflösen und stattdessen das Militär einsetzen. Und das wiederum sagt: Nö, ohne uns! Also bleibt vorerst alles beim Alten.

    Beim Frühstück schmiede ich mit zwei weiteren Mitbewohnern Pläne wie es weiter geht wenn die Proteste doch noch aufflammen. Es gibt so viele Ruinen in Peru die es mit etwas mehr Aufwand ebenso zu besichtigen gilt und die der Regenwald noch nicht einmal gänzlich freigelegt hat. Vermutlich sind sie bis zu drei Mal größer und vielfach interessanter als Machu Picchu. Außer einem Wanderweg gibt es jedoch keinerlei Infrastruktur. Daher nur Plan B.

    Dem Vormittag schließe ich mich einer Free walking Tour an.
    In Cusco verschmilzt die Geschichte zwischen den Inca und den Spaniern. Wie viele andere Städte in Südamerika wurde sie ebenfalls überbaut. Die Inca lebten ihrer Zeit nur oberhalb des Hauptplatzes. Man vermutet dass in Cusco außerdem nur 2.000 Menschen dauerhaft lebten. Vor allem der König und sein Gefolge. Aber bei Festen wurden daraus bis zu 20.000 Leute in der Stadt. Entsprechend war der Platz unterhalb der heutigen Ruinen von Sayakmarka ursprünglich viel größer als das eigentliche Dorf.

    Bekanntheit erlangt die Bauweise der Inka. Die Mauern sind ohne Mörtel ohne Fuge verbaut. Diese Mauern überlebten bereits mehr Erdbeben als die Kolonialbauten der Spanier. Zuletzt wurde Cusco 1950 dem Erdboden gleich gemacht. Die Mauern der Inka haben sich bei diesem Beben gerade einmal um 1! Grad verschoben. Wie geht das? Das verwendete Steinmaterial stammt hauptsächlich aus einem zwanzig Kilometer entfernten Vulkansteinbruch. Weil man zumindest nicht in der Lage war das Rad zu verwenden wurden Rollen aus getrockneten Aloe und Agavenstämmen untergelegt oder es wurden härtere kugelrunde Steine wie Murmeln unter den Blöcken her geschliffen. Vor Ort wurden die Steine mit Wasser und Mörser direkt an die entsprechende Stelle angepasst und nach dem setzen mit einer Citrustinktur konserviert um sie vor Regen schützen.

    Mit Blick über San Blas geht es Mittagessen. Am Nachmittag besuche ich in bester Voraussicht und in Vorbereitung auf die nächsten Tage das ‚Museo Machu Picchu‘. Die bedeutendste Expedition der Neuzeit wurde unter Bingham 1930-32 geführt. Von vornherein schreiben sie im Museum dass die Wiederentdecker ebenso schlechte Dienste leisteten wie die Archäologen in Tiwuanako, Bolivien heute. Die Ausstellung kam zudem erst zustande nachdem die Exponate aus englischem Besitz zurückgegeben wurden. Sie versuchen tatsächlich das Beste daraus zu machen. Ich bekomme einen guten Einblick dass Machu Picchu nicht der Nabel der Welt ist.

    Am späten Nachmittag geht es ins Planetarium von Cusco. Der Treffpunkt liegt gut einen Kilometer entfernt und ich habe weniger als fünf Minuten. Allerdings nützt hier alle Kondition nichts. Beim Rennen wird über 3.500m die Luft echt dünn! Ich habe noch eine halbe Stunde später um Luft zu kämpfen. Das Planetarium wird von ein paar wenigen Enthusiasten privat geführt. Es gibt einen Einblick in den Sternenhimmel und die Unterschiede zwischen Nord und Südhalbkugel. Weil der Himmel aufgeklart ist geht es danach gleich raus. Eingepackt in Decken zählen wir die Krater auf dem Mond, schauen uns die Doppelsterne von Sirius A an und noch ein paar weitere Sternenhaufen.
    Ich erzähle von meiner Zeit in Chile und den Sternbeobachtungen dort. Was ich bekomme sind große Augen von den Hobbyastronomen. Die wissen echt viel über den Sternenhimmel und über den der Inka. Und doch haben sie noch nie so einen Sternenhimmel erlebt. Dass das hier in der Großstadt schwerer zu realisieren ist kann ich nachvollziehen. Aber oben in den Bergen? Die vielen neuen Eindrücke schließen einige Wissenslücken. Vor allem über die dunklen Sternzeichen in der Milchstrasse, das Kreuz des Südens und welchen Doppelstern es außerdem noch braucht um den Südpol zu finden. So etwas Tolles wie den Polarstern gibt es im Süden nämlich nicht.

    Am Abend um Neun kann ich tatsächlich noch plan A für den nächsten Tag reaktivieren. Es wird also spannend wenn auch bereits früh um vier.
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  • Laguna Humantay

    20 Julai 2023, Peru ⋅ ☀️ 21 °C

    4.05 Uhr - eine sehr beliebte Zeit hier in Peru seinen Wecker zu stellen. Ich schaffe es gerade noch so in meine Hose zu schlüpfen und meinen Rucksack zur Tür zu bringen, dann klingelt mein Telefon und ein neuer Reiseabschnitt beginnt. Nicht einmal die Zeit lassen sie mir um aufs Klo zu gehen. Aber um die Uhrzeit vergisst der Körper schnell wieder das mit der Morgentoilette. Im Anschluss geht es zwei Stunden über Serpentinen auf und ab. Augen zu und Durch bleibt da ohnehin die bessere Alternative.

    Von Mollepata beginnt ein Wanderweg dem unsere Gruppe nach dem Frühstück folgt. Ein bunt gewürfelter Haufen junger Leute aus Chile, Argentinien, Uruguay, Peru, Irland, England und Deutschland. Zehn Leute, ein Guide, zwei Köche und zwei Pferde. Dann kann die Reise beginnen.
    Es ist der sogenannte Salkantay Trek. Auf dem herrscht um diese Jahreszeit Hochsaison. Also, 150 Leute pro Tag plus Guides, Köche und Träger. Das ganze bleibt echt so überschaubar dass ich mir für einen Moment denke warum haben wir solche Einschränkungen eigentlich noch nicht in den Alpen?

    Der Weg schlängelt sich entlang eines Wasserkanals der das nasse Gold in die Hochlandebene und die Avocado- Plantagen befördert. Ein bisschen Ortskunde darf aber natürlich auch nicht fehlen. Natürlich baut man hier auch ganz viel Coca an. Auch wenn ich von Anfang an darauf beharre dass das Coca in Bolivien besser schmeckte. Hier in Peru beginnt dann langsam auch das Drogenkartell über Peru, Ecuador, Kolumbien und Venezuela seine Arbeit aufzunehmen. Für 1g aufgearbeitetes Cocain braucht es allein schon 30kg Coca-Blätter. Und dann trinken die nebenbei aber ja auch noch Tee, kauen Coca so,… also ein sehr umfangreicher Geschäftszweig.

    Am Nachmittag starten wir einen kleinen Test für die nächsten Tage. Inter uns weilen auch ein paar Leute die keine Höhenerfahrung haben. Am besten noch nach Cusco erst vor zwei Tagen eingeflogen und jetzt auf fast 4.000m Höhe. Nunja, es muss jeder seine eigene Erfahrung sammeln. Um das jedoch zu erleichtern starten wir eine Wanderung zu einer höher gelegenen Lagune. Klares tiefblaues Wasser, darüber der Gletscher des Tukarway Gebirges. Herrlich! Auf jeden Fall zeitnah eine Reise wert für jeden der noch nicht hier war. Machu Picchu hin oder her. Vor allem auch weil der Gletscher natürlich hier genauso schmilzt. Man geht davon aus dass die Berge ringsum in 20 Jahren eisfrei sind. Sollte dass einen zusätzlichen Touristenboom auslösen war man besser schon vorher hier.

    Ich bin fasziniert wie die Landschaft sich geändert hat. Die Berge sind immer noch genau so hoch wie im Altiplano. Nur sind die Täler dazwischen ein vielfaches tiefer. Wer Angst hatte auf der Death-road nahe La Paz in Bolivien 1.000m in den Abgrund zu schauen. Der guckt hier drei mal so tief. Nur ist die Strecke hier nicht mehr für Autos geeignet sondern maximal für Esel und Pferde. Die könnten mit ihrem Lastengepäck jedermann genau so gut vom Weg herunter schubsen.
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  • Salkantay

    21 Julai 2023, Peru ⋅ ☀️ 6 °C

    Klopf, klopf, klopf. Um 4.50 Uhr kommt der Weckruf. Jeder von uns bekommt Coca Tee an den Schlafsack gereicht. Was für ein Luxus. Es gab diese Nacht leichten Frost. Bis zum Frühstück heißt es nun alles für den Esel zu packen während es draußen noch dunkel ist.
    Zum Sonnenaufgang einmal unser Schlachtruf für die Gruppe ‚Chaskis‘ und dann geht es los. ‚Chaskis‘ ist Qechua und steht für die Botenläufer auf dem Inka-Trail. Der Name passt finde ich selbst wenn wir nicht den berühmten Teil des Inka-Trail laufen sondern quer durchs Hochgebirge mit dem Ziel nach Machu Picchu. Auch hier kreuzen wir den Inka Trail mehrfach nur dass dieser alte Teil nicht mehr so gut in Takt ist wenn er täglich von Pferden und Eseln zertrampelt wird die eben keine Stufen kennen.
    Unser Guide Ruben gibt uns schnell noch ein paar Tips auf den Weg. Er kann keinen Satz auf Englisch sagen ohne dass darin zweimal Chicos vorkommt. Sonst ist er aber sehr erfahren um die Gruppe zu leiten.
    Ok chicos, dann lasst uns mal das schwerste Stück des Aufstieges noch vor Sonnenaufgang meistern. Leider hängen unsere zwei Mitstreiter aus Uruguay etwas in der Luft. Schnell vergehen mal zehn Minuten und ein zwei Frostbeulen später geht es weiter. Immer schön den Berg hinauf. Gefühlt sind heute mehr als die 150 Leute auf dem Trail. Allein schon bald 150 Esel.

    Auf dem Pass erwarten uns gleich drei Highlights an diesem Tag. Der höchste Punkt unserer Wanderung ist auf 4.600m erreicht. Das feiern wir natürlich mit einem Gruppenfoto. Im angesicht dessen lösen sich am Berg gerade drei Lawinen. Der Salkantay ist dafür ein berüchtigter Berg. Von Qechua übersetzt heißt er auch ‚wilder Berg‘ denn er lässt sich nur ungern zähmen. Ausschließlich im Jahr 1980 schaffte es eine Expedition unter zwei Verlusten in den Lawinen des Berges auf den Gipfel und wieder herunter. Bei einer zweiten Expedition 1985 aus Japan starben alle sechs Mitglieder in den Lawinen. Seither ist er nicht mehr bestiegen worden.
    Zu Ehren Pachamama und um Beistand für unsere Exkursion zu erhalten richtet Ruben auf dem Pass eine Zeremonie mit Coca-Blättern und Rum aus. Dabei symbolisieren genau drei Coca-Blätter die drei heiligen Tiere im Inka Reich. Genauso wie übrigens die Steinmänner immer drei Steine entlang des Inka Trail aufweisen und nicht mehr. Schlange, Puma und Kondor. Anschließend wird gehörig alles mit Rum begossen. Wenn ich also zukünftig auch zu Hause auf den Berg gehe ist es nie verkehrt wenn ich eine Flasche Rum dabei habe. Das ist ab sofort legitim.

    Ruben weist uns noch auf eine weitere Besonderheit in der Inka Kultur hin. Die weißen Berge, also alles knapp über 6.000m galten den Inka als heilig und als Beschützer über das Land auf dem die Inka lebten und angebaut haben. Wenn amn nun eine Verbundung zwischen den heiligen Bergen in Salkantay und Asaungate sowie den heiligen Stätten in Cusco und Machu Picchu zum anderen zieht ergibt sich genau ein Kreuz über das man die Inka-Sonne ‚Inti‘ legen könnte. Die Orte sind also einmal mehr nicht willkürlich ausgesucht.

    Schon zu Mittag beginnt damit der Endspurt heute. Zum Camp müssen wir eigentlich nur noch absteigen. 1.700 Höhenmeter. Da ist jeder Esel schneller als die müden Beine. Zum Mittagessen gönne ich mir daher eine Kneippkur im Wilden Gletscherbach. Ach wie gut das tut. Und was ich von der Naturmedizin nicht noch alles sonst gebrauchen kann. Schnell gelangen wir in den amazonischen Hochregenwald. Die Klippen sind immer noch genau so steil und fallen links oder rechts immer mehrere hundert bis tausend Meter den Hang hinab. Nur dass sie gänzlich von Regenwald überwuchert sind und es von jetzt auf gleich unerträglich schwül wird.
    Die Wissenschaftler unterscheiden auf der Erde wohl insgesamt 32 Vegetationszonen davon kann man in Peru allein 28 besuchen und vier davon haben wir heute mindestens durchwandert.
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  • Erdbeerzeit am Wegesrand

    22 Julai 2023, Peru ⋅ ☁️ 18 °C

    Zeitiges Frühstück und dann wird es heute Zeit die ersten Früchte der Exkursion zu ernten. Im Auf und Ab führt ein originaler Inka-Trail aus dem Canyon heraus. Das Wasser schürft sich immer tiefer in den Canyon hinein. Der Weg ist schmal und schlängelt sich immer steiler entlang dem Abhang und den Klippen. Wer hier links abbiegt gelangt in drei Tagen zu den Ruinen von Choquequirao. Dafür geht es aber die ganzen 2.000 Hm zuerst wieder hinauf.
    Ruben unser Guide zeigt uns heute etliche Heilpflanzen die die Bewohner im Regenwald nutzen. Begonnen wird mit natürlichen Sonnenschutzmitteln und Schnupfenmitteln. Es geht weiter über Walderdbeeren - das Überleben im Urwald ist also schon einmal gesichert. Und Ruben zeigt uns eine Pflanze deren Beeren die Qechua und die Inka als Körperfarbe nutzten. Je nachdem ob man den Fruchtbrei normal nutzt, mit Salz oder mit Zitronensaft mischt, ändert dieser jeweils seine Farbe. So bekommt heute jeder seine individuelle Tarnfarbe.
    Um ein bisschen Zeit zu schinden verlassen wir den Trail und laufen auf der Straße bis ein Collectivo uns einsammelt. Leider verlassen uns heute schon die Ersten aus der Gruppe. Für die Anderen geht es nach dem Mittagessen zu den heißen Quellen von Cocalmayo. Die einzige Zugängliche Quelle von den Wenigen die es hier aktuell gibt. Viele andere kleine Lagunen entlang der Schlucht hat vor drei Jahren ein riesiger Felssturz am Salkantay zerstört. Ursprünglich wurde durch den Felssturz eine große Lagune zerstört und das Wasser hat dann die Hälfte des Tales ausgelöscht. Sämtliche kleine Seen sind seither auch zerstört. Da erkennt man schnell welche Kraft das Wasser hier in den tiefen Canons entfalten kann. Denn sonst schaut alles nach intaktem Regenwald aus der binnen von zwei Jahren alles überwuchert wenn er nicht zurück gedrängt wird.
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  • Chaskis - Trailrun

    23 Julai 2023, Peru ⋅ ☀️ 21 °C

    Der Tag heute gilt als der Anstrengenste. Bestreiten möchte ich das nicht, denn schließlich gibt es schon 4.30 Uhr Frühstück und dann war es das mit Ausschlafen. Wegen Feierlaune am Vorabend und leichter Übermüdung sind 6 von 8 verbliebenen Kriegern heute früh ausgefallen. Sie nehmen den Bus und verpassen vielleicht die schönste Zeit in diesen Bergen. Für mich geht es in einem Blitzstart durch Kaffeeplantagen fast senkrecht den Berg hinauf. Da wir zwei Gruppen sind die weitestgehend immer zeitgleich starten konnte ich ohne schlechtes Gewissen einfach die Gruppe wechseln. Nebenbei beobachte ich allerlei Vögel und bestimme Orchideen. So etwas wird dem interessierten Apotheker in die Wiege gelegt. Natürlich falle ich dadurch aber immer wieder zurück und sprinte dann hinterher. Wir haben wie immer an solchen Tagen eigentlich gar keine Zeit für Spielchen und Spiränzchen. Am Mittag macht 14 Uhr der Ticketschalter nach Machu Picchu auf. Wer nicht da ist bekommt womöglich gar kein Ticket mehr. Im Wettlauf gegen die Zeit bin ich aber geübt und fliege dann förmlich immer den Berg hinauf.

    Oben erreichen wir ein Observatorium der Inka und den allerersten Blick auf Machu Picchu mountain. Die Anlage ist genau auf den heiligen Berg ausgerichtet. Sie diente wohl vor allem Aussichtszwecken, Sternbeobachtungen und der Nachverfolgung nach dem Lauf der Sonne. Ehrlicherweise wirkt der Anblick verglichen mit den umliegenden Bergen, den Farben und den Sonnenstrahlen fast schon langweilig und unbedeutend klein. Diese Muster und das Licht der Sonne kann sonst keiner nachahmen. Zumal Machu Picchu in diesem Moment der einzige Berg im Schatten ist.
    Es folgt ein steiler Abstieg. Wohldem der keine Höhenangst hat denn nach 1000Hm Abstieg geht es über eine ziemlich wackelige Hängebrücke. Wer da nicht drüber will muss wohl oder übel die 1.000m wieder hoch und einen 30km weiten Umweg in Kauf nehmen.

    Wie sehr vermisse ich doch allein schon zum Mittagessen den Luxus der vergangenen Tage. Kein Koch, kein Mittagessen von der Platte. Stattdessen Standardessen und dann auch nur 1 anstatt 3 Portionen. Wie will ich denn davon auf die benötigten Kalorien kommen? Bei dieser Diät kann ich hinterher nur erschöpft ankommen. Genauso habe ich auch nach einer halben Stunde bereits wieder Hunger. Jetzt geht es jedoch erstmal entlang den Bahngleisen rund um den Machu Micchu Mountain herum. Werden wir es rechtzeitig schaffen?

    Dann folgt das große Anstehen in Aguas Calientes. 1 Stunde für ein Ticket dass festlegt wann ich auf diesen Berg hochklettern darf und wann noch nicht. Vor der Pandemie waren das 7.000 Tickets die pro Tag koordiniert werden wollten. Heute sind es immerhin noch 4.000. Mit weiteren Einschränkungen ist zu rechnen. Es lohnt sich also demnächst auf den Weg zu machen oder diesem Trubel lieber ganz fern zu bleiben.
    Während die sechs Busfahrer früh um sechs auf dem Berg sein müssen haben wir gerade noch Tickets für 12 Uhr Mittag bekommen. Vielleicht ist das aber gar nicht schlimm. Dann sind die Ersten 3000 Leute schon wieder auf dem Rückweg und wir paar wenigen haben die Stadt dann für uns alleine. Es bleibt noch etwas Zeit für einen Marktbummel. Sehr kurios! Der Ort Aguas Calientes besteht eigentlich nur weil Machu Picchu wiederentdeckt wurde. Außer Hotels, Restaurants, Massagestudios, einem Bahnhof und ebendiesem Markt gibt es hier nichts. Eine von unseren Mädels kommt aus Lima, Peru und erlaubt sich doch tatsächlich laut mit uns die Preise von Cusco, Lima und Aguas Calientes zu vergleichen. Sie endet mit dem Satz „ich würde an eurer Stelle hier kaufen, aber verhandelt gefälligst, sonst ist es die Qualität nicht wert.“ In Cusco und Lima sei es noch teurer. Wir gehen weiter doch keine 50m später kommt uns eine aufgebrachte Marktfrau entgegen. Wie könnten wir nur laut sagen dass es schlechte Qualität sei? Hinter sich hat sie fünf oder sechs andere Frauen versammelt. Und alle reden auf uns ein als sei es Rufmord. Wir lächeln uns gegenseitig nur an und verschwinden lieber bevor die Situation im Gespräch eskaliert.

    Abends gilt es mit der Gruppe abschied zu nehmen. Ein Teil wird morgen früh bereits um vier Uhr aufsteigen, die andere Hälfte morgen Mittag. Und einmal mehr bin ich froh dass ich erst Mittag hoch gehe. Dann bleibt wenigstens ein ordentliches ausgiebiges Frühstück für die fehlenden Kalorien anstatt nur ein paar Snacks.
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  • Machu Picchu

    24 Julai 2023, Peru ⋅ ☀️ 20 °C

    Ich frage mich wo all die Menschen heute früh sind. Gestern Abend noch war so großer Andrang dass wir sogar noch einmal Zimmer wechseln mussten und die Musik aus den Bars dröhnte bis weit in die Nacht. Heute Vormittag ist Aguas Calientes wie ausgestorben. Gut die ersten 2.000 Leute sind sicher schon auf dem Weg zum Berg. Und während ich so durch die Gassen schlendere um mein Frühstück zu verdauen finde ich weitere gefühlt 2.000 Leute in der Schlange zum Ticketschalter für morgen. Der öffnet aber auch erst wieder um 14 Uhr.

    Als es Zeit wird machen auch wir drei Nachzügler uns auf den Weg. Die ersten zwei Kilometer folgen wir noch der Straße. Die wird gerade nach deutschem Vorbild ausgebessert. Nur dass sie statt Stiefmütterchen Grasballen in die Schlaglöcher pflanzen. Für Fußgänger gibt es dann eine Abkürzung über 2.000+ Treppenstufen anstatt der Fahrstraße für Busse. Der Weg wurde erst vor gut 25 Jahren angelegt. Davor gab es einzig die Option via Inkatrail nach Machu Picchu zu gelangen. Der ist jedoch inklusive Trägern auf 500 Personen am Tag begrenzt. Pferde sind nicht erlaubt. Sie würden ebenso wie auf dem Salkantay alle Stufen auf dem Trail kaputt trampeln. Also wer will, 20kg auf den Rücken und los geht es.

    Wegen einem fixen Rückfahrtticket mit dem Zug habe ich gute 3 Stunden mir die gesamte Anlage anzuschauen. Wir mein en ein Guide könne nicht schaden. Doch leider will der am Mittag nicht so recht loslaufen und wartet noch länger als mir lieb ist auf weitere Kundschaft. Die Erzählung die damn folgt ist großteils eine Zusammenfassung über die Bingham Expedition und wenig beeindruckend. Also beschließen wir auf eigene Faust weiter zu ziehen. Wir erreichen kurz darauf den Postkartenausblick und die Lamas die das Graß immer schön kurz halten.

    Der Zugang nach Machu Picchu war seit jeher vergleichsweise stark gesichert. Früher gab es nur den Inka-Trail der vor der Stadt noch einmal mit einer Zugbrücke gesichert war. 1m breit und 20m über dem direkten Abgrund. Heute sind es wie beschrieben vielmehr die 2.000+ Treppenstufen die den Touris den Gar ausmachen.
    Von der Puente del Inca zurück drängt für mich die Zeit ein wenig bis mein Zug fährt. Deshalb lass ich mir aber den Rest doch nicht entgehen. Das führt beinahe dazu dass ich vorzeitig rausgeschmissen werde. Weil ein Wächter mich zurückpfeift und ich ihn aus Versehen unfreundlich nach dem Ausgang frage anstatt wo es weiter geht. Irgendwann nehm ich einem der Nächsten diese dämliche Trillerpfeife weg!

    Die Stadt ist natürlich perfekt an die Gegebenheiten auf Machu Picchu Mountain angepasst. Gleichzeitig aber strikt in Arbeits-, Wohn- und Sakralsektoren unterteilt.
    Wie überall im Leben gibt es eine Rangordnung. Den höchsten Punkt nehmen Tempel und Observatorien ein. So gibt es im Boden fest verankerte Steine deren Schatten nur zu ganz bestimmten Tagen im Jahr ihren Schatten auf bestimmte Formen werfen so dass sich Figuren der Inkamythologie nachahmen lassen. Den zweithöchsten Punkt bildet das Haus des Königs - der sogenannte Sonnentempel. Jede Fläche die keinen guten Grund zum Hausbau hergab wurde in Terrassenfelder umgewandelt. Sie blieb jedoch definitiv nicht ungenutzt. Es folgen also auch Lagerhäuser in denn Nahrungsmittel trotz hoher Luftfeuchte zur Regenzeit bis zu sechs Jahre auch ohne Kühlung frisch gehalten werden konnten.

    Zur verschönerung des Stadtbildes und für Zeremonien gibt es auf dem ganzen Areal heilige Steine. Riesige Monolithen von denen man nicht weiß wie die Inka sie vom Herkunftsort hier hoch geschleppt haben und sie dann aufgerichtet haben. Was wäre die Welt auch ohne Rätsel.
    Erst dann folgen weiter am Abgrund gelegen die Handwerks- und Wohnbereiche. Ein wichtiger Grund sind Wasseradern die bis heute hier und da aus dem Berg sprudeln und natürliche Wasserbrunnen bilden.

    Die Zeit rennt. Mittlerweile muss ich bei 28 Grad im Schatten nur in der halben Zeit wieder am Bahnhof sein wie ich bis nach oben gebraucht habe. Ich verabschiede mich. Mittlerweile ist die ganze Anlage von Besuchern auch nicht mehr überrannt und der Weg nach unten weitestgehend eine freie Bahn. Die 2.000+ Stufen jedoch bleiben und sind abwärts weitaus anstrengender als noch am Morgen. Im Eiltempo werde ich zum echten Trailrunner. Der Name Chaski ist nunmal Programm. Ohne die jetzt investierte Mühe hätte ich mir zuvor nicht einmal die Hälfte anschauen können. Am Ende bleibt sogar noch Zeit für ein Stück Apfeltorte als Belohnung.

    Die Zugfahrt führt hinaus aus dem tiefen Tal und den Schluchten. Neben meinem Sitzplatz gibt es ein Stehabteil in dem sie die Fenster heraus genommen haben. Den Fahrtwind im Gesicht zu spüren und die untergehende Sonne zu beobachten, das ist wieder so ein magischer Moment in dem ich Kraft aus dem ganzen Tag schöpfe.
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  • Die Zeit vor den Inka

    25 Julai 2023, Peru ⋅ ☀️ 21 °C

    In Cusco fühle ich mich heute fehl am Platz. Viele der naheliegenden Ruinen von den Inka habe ich in den letzten Tagen besucht. Die Menschenmassen in der Stadt tragen ebenso wenig zu meinem Wohlbefinden bei wie die Frauen, die alle zwanzig Meter Billigmassagen anbieten oder die Tatsache dass der Kaffee mit Touristenaufschlag hier sogar teurer ist als in Machu Picchu oder Aguas Caliente. Wie wird das wohl in der Zeit der Inka oder gar davor gewesen sein?

    Die Hochkultur der Anden wird von den Archäologen heute auf die gleiche civilisatorische Stufe gestellt wie die von Zentralamerika, Ägyptens, Mesopotamien, Indien und China. In wieweit dieses Band der Hochkulturen rings um den Äquator im Austausch und Handel stand möchte ich hier gar nicht in den Vordergrund rücken.

    Während ich ohnehin auf den Nachtbus warten muss besuche ich das Museum für prekolumbianische Kulturen. Allein auf diesen winzigen Fleck rings um das heutige Peru dürfen wir die Inka nicht mit früheren Kulturen wie zum Beispiel den Nazca gleichsetzen.

    Bei den Inka musste immer alles in Stufen und Pyramiden
    dargestellt werden. Die Stufen symbolisieren die Verbindung zwischen Ober- und Unterwelt. Darum kann auch nicht darauf verzichtet werden alles mit eckigen Stufen anstatt Rampen zu bauen oder ganze Berge in eine einzige Treppe zu verwandeln. Bei den Nazca spielte das noch keine Rolle hier waren Linien die Verbindung zwischen den Welten. Das gilt auch in der Kunst. Gold und Silber waren hingegen schon überall vertreten. Sie nahmen jedoch nie einen größeren Stellenwert als denn einen rein symbolischen ein.

    Bleibt nur die Vermutung dass die die Inka allein wegen ihrer Vorliebe für Architektur und Kult nicht die Nazca aus der Wüste vertrieben haben sondern ihre Städte lieber an hängende Berge klebten. Cusco ist dazu ein ebenso gutes Beispiel.
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  • Transfertag Arequipa

    26 Julai 2023, Peru ⋅ ☀️ 22 °C

    Ich hatte in der Vergangenheit in Deutschland schon solche Probleme und ich kann sie hier aus Peru nur bestätigen. Fahre niemals erster Klasse wenn es auch eine Zweite gibt. Trotz extra breiten Ledersitzen hatte ich in der Nacht nur wenig Schlaf im Nachtbus. Warum ich auch immer auf Angebote und Upgrades hereinfalle? In der zweiten Klasse ist man hier in Lateinamerika stets weiter weg von den Schlaglöchern und weniger betroffen von der Fahrweise der Busfahrer. Immerhin führt die soweit dass regelmäßig die Leute im Bus spucken müssen. Das war bis Bolivien nicht der Fall.

    Kurz nach Sonnenaufgang erreiche ich Arequipa und es dauer noch einmal 90 Minuten bis ich am Busbahnhof angelangt bin. Das Lateinamerikanische Verkehrssystem hat definitiv nicht nur Vorteile. Kurzfristig entscheide ich mich aus diesem Chaos gleich wieder zu verschwinden. Gar nicht erst sesshaft werden. Den Rucksack im Busbahnhof aufbewahren lassen und dann vier Stunden die Stadt erkunden bevor es weiter in Richtung Colca-Canyon geht. Dort will och ein paar ruhige Tage verbringen. Die Peruaner planen morgen schon wieder Streiks und darauf dann zwei Feiertage zur Unabhängigkeit. Da möchte ich nicht in der Großstadt festsitzen.

    Nun behauptet jeder dass Arequipa als zweitgrößte Stadt des Landes der Hauptstadt Lima in nichts nachsteht. Sorry, das kann ich erst ganz zum Schluss vergleichen. Immerhin hat es eine schöne koloniale Altstadt. 5 Blocks breit, sieben Blocks lang. Das ist schnell erkundet. Zumal früh das Leben in Peru noch ausschläft. Selbst Mittag um zwölf wirkt alles verschlafen. Mit seiner Kolonialgeschichte spielt auch heute der Vatikan noch eine große Rolle. Basilika, Kathedrale, Kloster, das ist alles noch intakt und fügt sich ins Zentrum neben Museen und Szenecafés.
    Und über allem thronen die beiden Vulkane Misti und Chachani. Einst heilige Berge der Inka und sicher für Entdeckungen gut.

    In drei Stunden geht es über 2000 m hoch auf einen Pass. Über 4800m ist das zwar nicht die höchste Strasse der Welt jedoch höher als jede Straße in Europa und Nordamerika. Oben erwartet mich ein gefrorener Fluss der direkt aus dem Hang des nahegelegenen Chucura fließt. Aber eben in Form von Eis. Dann geht der mühsam erkämpfte Pass wieder in ein Serpentinen bergab. Mitten im Gebirge von ca. 3700m wachsen plötzlich Pinien und erheben sich Feriendörfer wie zu den Besten Zeiten in Canada! Die Region um Chinay ist bekannt dafür etwa 80% der Besucher im Canyon zu beherbergen.
    Mit Einbruch der Dunkelheit bemerke ich noch wie das Tal neben mir immer tiefer und tiefer geht. Die Straße indes hat kaum Gefälle. Nach über sechs Stunden bin ich dort angekommen wo Kondore segeln und die nächsten Tage bestimmt zum Erlebnis werden.
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  • der komplementäre Berg

    27 Julai 2023, Peru ⋅ ☀️ 17 °C

    Ich erinnere mich noch zu gut wie ich in der Schweiz war und ein Eisebahn Liebhaber auf dem Pass meinte „ich will nicht hoch auf den Gipfel, ich will runter!“ (s. Alpe Solo - Reise) Nun hatte dieser Mann einen guten Grund. Unten im Tal fuhr die Eisenbahn durch einen natürlichen Canyon und sein Motiv als Fotograf war anders von der Straße aus nicht zu erreichen.

    Merke - auch wenn es nach Arbeit anmutet - just do it! Lauf erst mal los. Es wird sich schon lohnen in den Canyon abzusteigen. Die Colca-Schlucht gehört zu den zwei tiefsten Schluchten weltweit. Soweit ich weiß schafft es der Great Canyon in den USA noch nicht einmal in die Top 3 - wer schon einmal dort war.

    Nach einiger Bürokratie am Morgen laufe ich frohen Mutes los. Und ich bin macht der Gewohnheit ziemlich leichtfüßig, oder besser leichtsinnig unterwegs. Hier oben auf 3.400m hatte es die Nacht leicht gefroren. Und wenn es bergab geht wird ja wohl eine 0,6l Flasche ausreichen. Dazu noch ein Käse, zwei Brötchen, 3 Obst und ein Reservetübchen Sonnencreme.
    Es dauert nicht lang dann sehe ich den ersten Kondor übers Tal schweben. Wegen der Luftverschmutzung und der regelmäßigen Feuer von den Landwirten hier werden die Kondore jedoch immer seltener.
    Alsbald läuft mir ein Amerikaner über den Weg und bietet ein wenig Gesellschaft im Abstieg. Er hat über vier Liter im Rucksack und zeigt mir meinen offensichtlichen Leichtsinn noch deutlicher. Zumal es ist Trockenzeit. Die meisten Flüsse führen kein Wasser. Der Abstieg nach Llahuar wird hart. Nicht nur dass die Sonne steigt und ich um diese Uhrzeit längst schon unten irgendwo Schatten suchen sollte anstatt im Fels ständig auf meinen Begleiter Rücksicht zu nehmen. Auch dass dieser unentwegt reden kann und ich mir doch jedes Wort verkneifen will was nur dazu führt dass der Mund sonst schneller austrocknet.

    Immerhin weiß mein Kompagnon von der Seite der Sehenswürdigkeiten etwas mehr als ich. Wir steuern als gar nicht Schnur straks in Richtung Mittagessen sondern zu einem Geysir der hier mitten im Flussbett sprudelt. So etwas habe ich auch noch nicht gesehen. Klar, es dampft, es ist ordentlich Schwefel in der Luft, aber das der Gysir mitten im Fluss sprudelt? Als ich dem Gysir für ein paarFotos zu nahe komme erhalte ich erst einmal eine heiße Dampfwäsche gratis. Die dreckige Hose kann es sicher gut gebrauchen!

    Das Mittagessen in Llahuar bekommen wir in einem Restaurant mit Ausblick am tiefsten zugänglichen Punkt des Canyon. Allerdings hatte ich mir selbst vorgenommen zu der Zeit als ich gerade einmal bestellt habe schon längst wieder auf dem Rückweg zu sein. Meine Taschenlampe habe ich nämlich auch nicht dabei und die Sonne geht zuverlässig wie ein Uhrwerk um halb sechs unter.
    Meine Wasserflasche habe ich indes schon zwei Mal im Fluss wieder aufgefüllt und gelehrt. Ich mag zwar effizient sein wenn es ums sparen geht aber an der Gesundheit muss man nicht sparen! Und vielleicht will es auch mein Schutzengel dass ich erst so spät wieder aufsteige. Ich bin scheinbar der einzige der das als Tagestour ansieht. Die anderen übernachten alle ein zwei Nächte im Tal bevor sie wieder aufsteigen. So hart wie der Aufstieg ist kommt mir entgegen dass die Sonne jetzt schon tiefe Schatten wirft. Und als hätte die Natur mit mir mitgefiebert geht der Mond auf als die Sonne untergeht. Für ausreichend Licht auf den letzten drei Kilometern ist also gesorgt und das gefährlichste Stück des Weges liegt auch schon hinter mir. Wandern unterm Sternenzelt was kann es schöneres geben?

    Ich setzte mich noch einmal auf eine Bank, genieße und esse etwas. Ich hätte wegen der Sonne echt gar nicht eher loslaufen können. Die Zeit spielt den alles entscheidenden Faktor ob ich durchkomme oder eingehe. Nur leider komme ich erst nach Küchenschluss wieder in der Unterkunft an. Durch den morgigen Feiertag ist der Canon völlig von Tagesausflüglern überrannt die ebenso wie ich das Weite aus der Stadt suchen. Dann eben nur Obst und Kekse. Alt werde ich heute sowieso nicht mehr.
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